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Nr. 2 Juni 2006 KIRCHE – Heimat zwischen den Welten

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Nr. 2Juni2006

KIRCHE – Heimatzwischenden Welten

Bildnachweis:Titelseite: Vangelis Pavlidis und S. 10: Jordan Pop-Iliev, aus „Die in der Fremde arbeiten“, Duisburg 1983, Exile Kulturkoordination e.V., S. 4: H.-J. Beeskow, S. 4, 5, 6: © Helge Warme, S. 7: Archiv Zwingmann, S. 8, 9, 11, 12, 13: © TCOE Trust for Community Outreached Development, S. 15: Nothnagle, Mwombeki, S. 16, 17: ELCT, S. 18, 19, 20: Ibrahim Hazimeh, S. 19: Koschor-reck, S. 21, 23: Voellmann, S. 24, 25, 30, 31: Archiv, S. 26, 27, 28: Han-In Gemeinde, S. 20, 22, 32: privat

mission erscheint dreimal jährlich. Artikel, die mit vollem Namen gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Bankverbindung: Ev. Darlehnsgenossenschaft(BLZ 210 602 37) Konto-Nr. 71 617

INHALT Thema: KIRCHE – Heimat zwischen den Welten

MEDITATION Kirche–OrtderZufluchtundGeborgenheit 4

GRUNDSÄTZLICHES Kirche–HeimatzwischendenWelten 7

SÜDLICHESAFRIKA ÜberNachtlandlos 11

TANSANIA TansaniasKampfumUnabhängigkeitund dieRollederlutherischenKirche 15

NAHOST UnsereWurzelnsindunsereZukunft– ChristeninPalästina 18

KUBA Soweitwegundsonahdran: ImmeraufdemWeggenHeimat 21

INTERNATIONALER Nahe–fremdeHeimat/ChancenundKONVENT SchwierigkeitenderIntegration 24

FRAUENINÖKUMENISCHER DiekoreanischeHan-In-GemeindeinBerlin 26PARTNERSCHAFT

INEIGENERSACHE 29

VONPERSONEN 30

HIERKÖNNENSIEHELFEN Unterstützungfürpalästinensisch-deutsche Jugendbegegnungen 32

DieserAusgabeliegteinÜberweisungsträgerbei.

Zeitschrift des Berliner Missionswerkes

Herausgeber: Berliner Missionswerk Missionswerk der Ev. Kirche

Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Ev. Landeskirche Anhalts

Georgenkirchstraße 69/70, 10249 Berlin, Telefon (030) 243 44-123; Telefax (030) 243 44-124

E-Mail: [email protected] im Sinne des Pressegesetzes:

Ekkehard ZipserRedaktion: Dr. Almut Nothnagle (verantw.),

Jürgen Hahn, Marina Schmidt, Susanne VoellmannGesamtherstellung: alias GmbH, Berlin

mission

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Heimat–manchenmögenbeidiesemWortBilder,GerücheundErlebnisseinderErinnerungaufsteigen–seieseinevertrauteLandschaft,derDuftderWiesenundFelderaneinemSommera-bend,derheimatlicheDialekt,GroßmuttersStreuselkuchen...FürMenschenmitreligiöserVerwurzelunglösenauchderKlangderKirchenglockenoderKirchenfeste,diedemJahrseinenRhythmusverleihen,heimatlicheGefühleaus.DerBegriffHeimatkannauchtraumatischeErinnerungenauslö-sen.ZurdeutschenGeschichtegehörtauchderMissbrauchdiesesWortesimSinneeinerBlut-und-Boden-IdeologieinderNS-Zeit.DiedeutscheNachkriegsgeschichteistgeprägtvondenVertrie-benenundFlüchtlingen,diealsFolgedesKriegesihreHeimatfürimmerverloren.IhreIntegrationindieGesellschaftnachdemKriegeistimGroßenundGanzeneineErfolgsgeschichte.DieKirchengemeindenhatteneinenwesentlichenAnteildaran.

DieBerichtedieserAusgabemissionfassenunterschiedlicheErfahrungenvonMenschenzusammen,dieumdasThema„Kir-che–HeimatzwischendenWelten“kreisen.WirhabeneinSpek-trumsolcherErfahrungenunsererPartnerkircheninanderenLän-dernundebensoinDeutschlandzusammengestellt,umzuzeigen,wiesehrKircheHeimatseinkann,auchinderFremde,geradeinderFremde.Wieweitmanauchgeht,mannimmtdieWurzelnim-mermit.DasTitelbildvonVangelisPavlidis,einemgriechischenKarikaturisten,illustriertdieseErfahrung.

„Heimat,dasistderOrt,denwirmitderSeelesuchen“,lasichineinerAnthologiezumThema.IchwünscheIhnen,dassdieBei-trägediesesHeftesSiedazuanregen,IhreeigenenErfahrungenzumThemaHeimathinzuzufügen.IndiesemSinneladenwirSieschonjetztsehrherzlicheinzuunseremMissionstagzumThema„Kirche–HeimatzwischendenWelten“am21.10.2006indasBerlinerMissionshaus.

InherzlicherVerbundenheitgrüßtSie

Ihre

Dr.AlmutNothnagleReferentinfürNahostundÖffentlichkeitsarbeit

Die alte Kirche von Horno.

KirchealssichtbareManifestationvonVergangenheit,Ge-genwartundZukunftsymbolisiertauchalsunsichtbare

GrößedieGeschichteGottesmitseinenMenschenbisinSeineZukunftmituns.DasschafftGeborgenheitundBeheimatungschonhierundjetztaufdemPilgerweginsverheißeneReichGottes.

InhaltlichweißsichdieKircheweltweitdemKonziliarenPro-zessfürGerechtigkeit,FriedenunddieBewahrungderSchöp-fungverpflichtet.GeradezuexemplarischinunsererLandes-kirchestehtdieKirchevonHornoauchfürdiesenProzess:indervergangenenZeitdesWiderstandswie–alsAnspruchdeskirchlichenHandelns–inderZukunft.

Seitdem15.JahrhunderthatdieKirchevonHornoMenschen,dieseitGenerationenhieransässigsind,begleitet–besonderseindrücklichanWeichenstellungeninihremLeben;hatderan-derenHälftederBevölkerung,die1945ausdemheutigenPo-lenvertriebenwurde,Schutz,TrostundneueHeimatgeboten.

DasauchnebenderBerufstätigkeitverbindlicheundgemein-schaftstreueSchaffenderLandleuteimTagesrhythmusvomSorgenfürMensch,Tier,Haus,Hof,GartenundLändereienbiszurGestaltungdesvielfältigenkulturellenLebensfürJungundAltfügtsichindenAblaufderJahreszeitenunddesKirchenjahresein:SchließlichistihrFleißgegründetinderVerantwortung,denihnenvonGottalsGabeundAufgabegeschenktenLebensraumzuerhalten.DieWahrnehmungvorallemderFestedesKirchenjahres,auchalsRitual,stiftetVergewisserungundSinnhaftigkeitundgewährteinengeord-neten,feierlichenRahmen,nichtnurdenfrommenChristen-menschen.60ProzentderHornoerBevölkerunggehörenderEvangelischenKirchean,unddieübrigenhabenauchnochBindungenandieTradition.SoistdieKirchevonHornoMittelpunktdesDorfesundWahr-zeichenfüralle.

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Ort der Zuflucht und GeborgenheitDas kirchliche Begegnungs- und

Dokumentationszentrum in Horno

Von Dagmar Wellenbrinck-Dudat

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EsstandalsoaußerFrage,dass,solltedasSchrecklichederZwangsumsiedlung,dasUnfassbarederZerstörungdesDorfesunddesgesamtenHornoerBergesgeschehen,wenigstensdieKirchemitumziehensollte;unddiesalsGarantbestehenderOrdnung,alsZentrumundRahmen–zeichenhaft–fürweiter-gehendesLeben,alsOrtderBeheimatung,derErinnerungundderBewahrungderTradition,alsSignalbeieinergravierendenWeichenstellungimLebeneinesjedenMenscheninHorno,alsRaum,indemunserspezifischesLeidaufgehobenist,alsMahnmal,trotzalledemweitereinzustehenfürdieBewah-rungderSchöpfung,alsDachüberdemKopf,dasZufluchtgewährtundGeborgen-heitspendet,alsSymbolfürGottesWegbegleitungundSeinenZuspruch,dasswireineZukunfthaben.

AngesichtsderzunehmendenOrientierungslosigkeitunddesWerteverlustsinderGesellschaftwaresumsowichtiger,dafüreinzustehen,dassdiesesaltesorbischeDorfHorno/RogowmitseinemintaktenSystemreichhaltigerFormenundwertbe-ständigerTraditionenderLebensgestaltungund-bewältigungbewahrtbleibt.SolldieserOrtderVerwurzelungundBeheimatungvielerMenschenvernichtetwerden,musswenigstensdievertrauteKirchemitihrerganzenSymbolkraft–wieeinLeuchtturm,wieeinFelsinderBrandung–sichtbarbleibenundgesichert,umselbsteinegewisseSicherheitausstrahlenzukönnen.

BereitsausdemGenanntenergibtsich,dassunsereKircheinHornobiszumSchlussgebrauchtwirdundauchinNeu-HornovonAnfanganeinKirchbaunotwendigist,derdieseFunktionerfüllt.

InkonkreterAuseinandersetzungmitunsereraktuellenSituati-onhabendaherGemeindekirchenratundOrtsbeiratimEinver-nehmenmitderEinwohnerversammlungentschieden,unsereKirchenichtumsetzenzulassen.Müsstesiedochjetztschonabgetragenwerden,umrechtzeitigamneuenStandortzusein.AußerdemwürdensolcheMaßnahmendieTotenruheaufdemumgebendenFriedhofstören.

MEDITATION

FürdenArchitektenstelltesichjetzteineschwereAufgabe.DennaußerdemWunsch,inHornozubleiben,unsereKirchezubehaltenundzurNotam„Sicherheitsstandort“eineneueKirchezuhaben,diewieunserealteaussieht,konntenwir–traumatisiertdurchdieletztenNiederlagen,diewirhinneh-menmussten–kaumVorgabenmachenaußerdiesen,dassderInnenraum,beigleichenAußenmaßen,multifunktionalgestal-tetwerdenmüsste.DerKirchraumsollteergänztwerdendurcheinenGemeindesaalmitToilettenundkleinerKüche,dieimneuen„Pfarrhaus“nichtmehrgeplantwerden,umeinespätereVermarktungalsEinfamilienhauszuvereinfachen.AußerdembefürwortetederKreiskirchenratCottbusvonvornhereineineperspektivischeErweiterungderNutzungdahingehend,auchaufdieFolgendesBraunkohlebergbausindergesamtenRe-gionaufmerksamzumachen.Einsolches„Begegnungs-undDokumentationszentrum“gibtesnirgendsundkanninnerhalbderLandeskirchedazubeitragen,einensolchenkirchlichenNeubauzuakzeptieren.

DieneueHornoerKircheisteinErsatzbaufürdiewegenderFortführungdesBraunkohletagebausJänschwaldeam29.11.2004gesprengteKircheausdem15.Jahrhundert.DasneueGebäudewurdeimJahre2003imneuenOrtsteilHornoinForsterrichtetundam26.12.2003feierlichein-geweiht.DiekünstlerischeGestaltungunddiederAußen-anlagenwurdenimJahre2004vollendet.

Pfn. i. R. Dagmar Wellenbrinck-Dudat ist Gemeindepfarrerin von Neu-Horno.

Der beharrliche Kampf der Dorfbevölkerung von Horno gegen die drohende Abbaggerung des Ortes durch den Braunkohletagebau hat Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts deutschland- und europa-weit für Schlagzeilen gesorgt. Seit 25 Jahren kämpft die kleine Gemeinde im ostbrandenburgischen Sor-bengebiet am Rande der Lausitz für die Erhaltung ih-res Dorfes, das schon zu DDR-Zeiten Opfer der staatli-chen Energiepolitik werden sollte. Die Hornoer klagten sich durch alle deutschen Gerichtsinstanzen bis zum

Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahre 2000. Dieser wies jedoch, wie auch schon zuvor das brandenburgische Landesverfassungsgericht, die Klage der Hornoer als unzulässig ab. Im Dezember 2002 siedelten die ersten der 60 Hornoer Familien in das neuerschlossene Siedlungsgebiet von Forst, der nächstgelegenen Stadt, um. Bis auf ein Gehöft war im April 2005 Horno vollständig dem Erdboden gleich-gemacht. In Neu-Horno bei Forst wurde auch der Neubau der alten Hornoer Kirche errichtet.

HornoChronik des Widerstands und des Untergangs eines Dorfes

Glasmosaik von Helge Warme. Der Künstler gestaltete die Fensterflächen und Prinzipalien des Kirchenneubaus Horno.

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Kirche – Heimat zwischen den WeltenVon Gerdi Nützel

WasverbindenSiemitdemBegriffHeimat?Einebe-stimmteLandschaftodereinebestimmteZeitinIhrem

Leben?Menschen,denenSievertrauenkönnenunddieIhnenvertrautsind?DieErinnerunganbestimmteGerichteundGerüche?EinenbestimmtenSprachklang?EineeigeneWeise,denGlaubenauszudrückenundalsGemeindezuleben?UndwaswürdenSieammeistenvermissen,wennSiefernderHei-matleben?HabenSieeinezweite,dritteodervierteHeimatinIhremLebengefunden–undwovonhängtesab,obeinneuerLebenskontextzurHeimatwird?WennSieMenschendieseFragenstellen,bemerkenSieandenganzunterschiedlichenAntworten,jaschonanderArtundWeise,wieMenschenaufdieseFragenreagieren,wieverschiedenderBezugvonMen-schenzueinerodermehrerenHeimatenist.

AlsBegriffwird„Heimat“inDeutschlandseitdem15.Jahr-hundertfüreinbleibendesZuhauseverwendet.Biszum19.JahrhundertwarderBesitzvonEigentumnotwendig,umHei-matrechtzubekommen.DieseswardieVoraussetzung,umhei-ratenundeinGewerbeausübenzukönnen.Umgekehrtwurdeaucherstim19.JahrhundertderHeimatzwangaufgehobenin

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VerbindungmitBauernbefreiung,Gewerbefreiheit,innerstaat-licherFreizügigkeitundAuswanderungsrecht.

AlsReaktionaufdiedrastischenVeränderungeninfolgevonIndustrialisierungundVerstädterungwurden„Heimatvereine“gegründet,dieoftaufromantischeVorstellungenvonNaturundKultureinerbestimmtenRegionzurückgingen.EinÜber-legenheitsgefühlimBlickaufdieeigeneHeimatwuchsinDeutschlandab1900imZusammenhangmiteinempolitisch-kulturellenSendungsbewusstsein.ImNationalsozialismuswurdedermanipulierendeGebrauchdiesesBegriffesaufdieSpitzegetrieben.

Nach1945mussteangesichtsvonMillionenHeimatvertriebe-nerinEuropaneuformuliertwerden,was„RechtaufHeimat“heißt.DieUN-Menschenrechtserklärungvon1948legtefest,dasskeinStaatStaatsbürgeralsEinzelneoderkollektivausseinemStaatsgebietentfernendarf.InderDDRherrschtestaat-licherseitsdieErwartung,dassnachdersozialistischenUmge-staltungderGesellschaftdenArbeiternundBauernihrneuerLebenskontextzurHeimatwird.InderBundesrepublikgabesinden70erJahreneineneueHeimatbewegung.GegenüberderTendenzzuAnonymitätundökologischerZerstörungwolltemanLebensräume,regionaleTraditionenundLandschaftenbewahren.

AngesichtsderzunehmendenAnzahlvonMigrantinnenundMigrantenweltweit,desAnwachsensrassistischerStrömungenundmilitärischerAuseinandersetzungenimSinneeines„Krie-gesderKulturen“wirdinunsererGegenwartderEinsatzfüreineauchfürFremdeoffeneHeimatnotwendig.VillemFlusserhebtdieVerantwortunginderpersonalenBeziehunggegenüberMenschenstattdergeographischen,ethnisch-nationalenodertraditionalenBestimmungvonHeimathervorundbenenntChancenundGefahreneinesnichtselbstverständlichenBehei-matungsprozessesderFremdeninFormvonDialog,PogromenoderingemeinsamerVeränderungderHeimat.

DassHeimatkeinzentralerbiblischerBegriffist,machteinBlickindieKonkordanzdeutlich.Umgekehrtgehtesinzen-tralenbiblischenErzählungendarum,dassMenschenvonGottausihnenvertrautenoderauchaufgezwungenenVerhältnissenherausgerufenwerden,seienesAbrahamundSaraoderdas

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GRUNDSÄTZLICHES

VolkIsraelausdemSklavenhausÄgypten.InderneuenHei-matlebtdasGottesvolknichtalsHerrendesLandes,sondernalsBeisassen,dieFremdlingeindieseHeimataufnehmensollen.DerSchmerzder„Heimwehlieder“imExilnachderVertreibungausderHeimatinfolgederÜbertretungvonGe-botenGottesistbeiJeremiasundauchinmanchenPsalmeneindringlichzuhören.

AuchimNeuenTestamentfolgtaufdieGeburtsgeschichteJesumitderFluchtnachÄgypteneineHeimatvertreibung.DasGleichnisvomverlorenenSohnbenenntdieDemütigungeneinesLebensalsGastarbeiterinderFremde.UmgekehrtgiltimNeuenTestamentdasVerhaltengegenüberFremdenalsMaßstabfürdasrechteVerhaltengegenüberGott.DieBezie-hungenzwischenFremdenundEinheimischensindinChristusversöhnt(Eph2,13).DasGottesvolkistals„Kircheunterwegs“aufdiehimmlischeHeimatausgerichtet,inderGottbeidenMenschenwohntundauchalleBeziehungenzwischenMen-schenundzurSchöpfunggeheiltsind.

DieseVorrangigkeitderGottesbeziehungunddieRelativie-rungderirdischenHeimatunterHinweisaufderenVorläufig-keitbedeutetnunjedochnicht,dassChristinnenundChristensichnichtanderGestaltungihresjeweiligenLebenskontextesbeteiligensollen.GemeinsammitunserenPartnerkirchenstehenwirinunsererGegenwartvorvielfältigenHerausforderungen,unsalsKir-chendaranzubeteiligen,dassMenschenihrevertrautenundneuenLebenskontexteals„HeimatzwischendenWelten“neugestalten.DiesbedeutetinmanchenunsererPartnerkirchen,füreinegerechteVerteilungvonLandeinzutreten,inanderen,mitFlüchtlingenundVertriebenennachneuenLebensmöglich-keitenzusuchen.VieleunsererPartnerkirchenstehendarüberhinausvorderAufgabe,inihrerkirchlichenStrukturundinderGestaltungvonGottesdienstenundGemeindelebendeutlichzumachen,dasssienichtaufeinebestimmteethnischeodersprachlicheGruppebeschränktsind.

Undwasbedeutet„KirchealsHeimatzwischendenWelten“fürunserekirchlicheundchristlicheExistenzinDeutschland?InländlichenRegionenstehenwirangesichtsdesdrastischenBevölkerungsrückgangsvorderAufgabe,mitdenZurückblei-bendenunddenwenigenneuHinzukommendentragfähige

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FormendesZusammenlebenszuentwickeln,dieeinneuesHeimatgefühlinderchristlichenGemeindeundinderregiona-lenGemeinschaftwachsenlassen,dasnichtaufderAusgren-zungandererberuht.InstädtischenKontextensindwirheraus-gefordert,oftmalsmilieuverengteGemeindenfürMenschenausanderenKulturen,mitanderenLebens-undGlaubenswei-senzuöffnenundgemeinsamKircheals„eineneueHeimatzwischendenWelten“zugestalten.DafürsinddieAnknüp-fungspunktesicherjeweilsunterschiedlich.DaskannimeinenFallz.B.dasTeilenvonRäumenmiteinerMigrantengemeindeseinundimanderenFalldieEntwicklungneuerGottesdienst-formen,indenenauchIntellektuelle,ReicheoderArmediebe-freiendeBotschaftdesEvangeliumsanspricht.EinebesondereHerausforderunggeradefürevangelischeGemeindenstellensicherlichdievierMillionenrusslanddeutscherEinwandererundEinwanderinnendar,dieseit1990nachDeutschlandge-kommensindundvondenensichetwadieHälfteals„evange-lisch“gemeldethat.Wastragenwirdazubei,dasssieunsereGemeindenundGottesdiensteals„neueHeimat“und„HeimatzwischendenWelten“erleben?

Dr. Gerdi Nützel ist im Berli-ner Missionswerk Referentin für Gemeindedienst und die Wolgaregion.

Jordan Pop-Iliev. Wohin man auch geht, die Heimat hat man im Gepäck.

Über Nacht landlosLandreform in Südafrika

Von Rudolf G. Bausch

„Die4,5MillionenschwarzenSüdafrikaner,dieamMor-gendes20.Juni1913denTagbegonnenhaben,fanden

sichüberNachtalsAusgestoßeneindemLand,indemsiegebo-rensindundwelchesihreVorfahrenüberJahrhundertebevölkertundbewohnthatten.“Solomon T. Plaatje, Mitbegründer des African National Con-gress (ANC) in seinem Buch „Native Life in South Africa“

Am19.Juni1913wurdedersogenannte„NativeLandAct“imstaatlichenAmtsblattveröffentlichtundtratmitsofortigerWir-kunginKraft.EinFederstrichderdamaligenRegierungmachteüberNachteinganzesVolkaufgrundseinerHautfarbelandlos.DasGesetzverbatderschwarzenBevölkerung,Landzukaufen,zupachtenoderinsonstigerArtundWeisefüreigeneZweckezubewirtschaften.DasLandunddiedaraufweidendenTiere(Kühe,Ziegen,Schafeetc.)musstenentwederandenweißenFarmer,derbislangVerpächterwar,abgetretenwerden,oder,werdiesnichtakzeptierenmochte,musstedasFarmlandmitsei-nenTierenverlassen.

AlternativesFarm-undWeidelandkonntenichtgefundenwer-den,dadasneueGesetzdieAnsiedlunggrundsätzlichverbat.

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"Unser Land, unser Erbe, unser Recht" – das Recht auf Heimat ist nicht selbst-verständlich.

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VieleschwarzeFarmer,diedadurchheimatloswurdenundgezwungenwaren,mitihrenFamilienunddenTierenindenoftauchkaltenWintermonatenumherzuziehen,habendadurchih-rengesamtenViehbestandverlorenoderweitunterWertanan-dere(weiße)Farmerverkaufenmüssen.Dierechtliche,jedochunethischeGrundlageder„Apartheid“wargelegtunddamitdasSchicksalvonMillionenvonSüdafrikanernbestimmt.

IndennachfolgendenJahrzehntenwurdedieApartheid-Ge-setzgebungweiterdetailliertundverschärft.WeitereRegelun-genundBestimmungenkamenhinzu,umRechtevorzuenthal-ten,BewegungsfreiheiteinzuschränkenundeigeneEntwick-lungundkulturelleEntfaltungzuunterbinden.

VerschiedeneevangelischeMissionsgesellschaften,darunterauchdieBerlinerMissionsgesellschaft,derVorgängerdesBer-linerMissionswerkes,habenimsüdlichenAfrikaumfangreichemissionarischeunddiakonischeArbeitschonMittedes19.Jahrhundertsbegonnen.AusdieserMissionstätigkeitgingdieEvangelisch-LutherischeKircheimSüdlichenAfrika(ELCSA)hervor.DieMissionsgesellschaftenhattenzurSicherungihrerMissionsarbeitumfangreicheLändereienerworben.AufdenMissionsstationensiedeltensichdieKonvertitenan.EswurdeGottesWortgepredigtundgelehrt.SchulenundhandwerklicheAusbildungsstättenwurdeneingerichtet.DieMissionsgesell-schaftenbetrachtetendieMissionsstationenalseinenOrt,andemdieBewohner–gleich,welcherHautfarbe–ständigesWohnrechthatten.AusdiesemGrunde,aberauchinsbesondere

Südafrikanische Bauern sind stolz auf ihren wieder erworbenen Besitz.

SÜDLICHESAFRIKA

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aufgrundderdramatischenFolgenderApartheid-Gesetzge-bung,habendieMissionswerkediezwangsweiseUmsiedlungvehementbekämpft.

DieELCSAalsRechtsnachfolgerderMissionswerkehatdieseHaltungverstärktunddenKampfgegendasUnrechtsregimeundfürdieLandrechteihrerMitgliederundderFarmbewohneraufgenommen.LangevordenWahlen1994hatdieELCSAeineStellungnahmezurLandfragevorbereitetundeineStrategieent-wickelt,umdenFarmbewohnernbehilflichzusein,nichtnurdieVerwaltungsonderninnaherZukunftauchdasEigentumandenFarmländereienzuübernehmen.SeitheristdiefürdieFarmverwaltungzuständigePropertyMa-nagementCompanyderELCSAdamitbeschäftigt,dieÜbertra-gungderFarmländereienandiejeweiligenFarmbewohner,diezudiesemZweckeineFarmgemeinschaft(CommunalPropertyAssociation)bilden,vorzunehmen.DieÜbertragungerfolgtaufverschiedenenWegen,immerjedochunterBeteiligungdesDe-partmentofLandAffairs.InvielenFällenkönnenehemaligeFarmbewohner,oftmalsun-terMithilfederKircheundderMissionswerke,durchentspre-chendeDokumente(ListenderFarmbewohner)nachweisen,dasssiezwangsweiseweg-oderumgesiedeltwurden.DieseDokumente,dieeinesolcheZwangsumsiedlungbelegen,konn-tenindenArchivenderMissionswerkegefundenwerden.InsolchenFällenerhaltendieBetroffenendasLandaufdemWegeinerWiedergutmachungzurück.DerbisherigeEigentümeristdannverpflichtet,dasLandabzugeben,underwirdvomStaatentsprechendentschädigt.

DanebenführtdasDepartmentofLandAffairseinumfassendesProgrammderfreiwilligenLandübertragungdurch,welchesvonderKircheunterstütztwird.FarmländereienderKirchewerdensozurÜbertragungandieFarmbewohnerzurVerfügunggestellt,wobeiindenmeistenFällendieÜbertragunginFormeinerSchenkungerfolgt.EinigeFarmenkonnteninzwischenübertragenwerden,anderesollenfolgen.NichtimmeristdieÜbertragungohneHindernisse,dasichhäufigauchdieFarm-bewohneruntereinanderuneinssindundkeineFarmgemein-schaftenbildenwollen.AuchderEinflussvonLokalpolitikundtraditionellenChiefserschwertdieÜbertragungderGrundstü-cke.DennochhältdieKircheanihremVorhabenfest,dieLand-reforminSüdafrikaaktivmitzugestalten.

Rudolf G. Bausch ist vom Evangelischen Entwicklungs-dienst Deutschland (EED) entsandter Mitarbeiter der ELCSA als General Manager der ELCSA Property Ma-nagement Company.

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Während der 60er Jahre wurden auf der Basis des Gesetzes für getrennte Wohngebiete nach einer Schätzung des „Südafrikanischen Insti-tuts für Rassenbeziehungen“ von 1972 mehr als 1,8 Millionen Afrikaner aus ihrer Heimat, von ihrem Land vertrieben oder aus städti-schen Gebieten woandershin „überwiesen“. Weitere 600.000 Farbige, Inder und Chinesen wurden zwangsumgesiedelt, bis zum Ende der Apartheid insgesamt 3,5 Millionen Menschen.

Auch von den Missionsstationen wurden auf Grund des Gesetzes für getrennte Wohngebiete die Bewohner zwangsumgesiedelt. Die meisten dieser Farmen wurden dann von den Missio-nen verkauft, da sie ohne Gemeinde ihrer ei-gentlichen Funktion beraubt worden waren, so zum Beispiel die wichtigste Station der Berliner Mission, Botshabelo, Nordprovinz.

In der Zwischenzeit haben einige Gemein-schaften die ELCSA Property Management Company (PMC) gebeten, sie bei der Wieder-gewinnung des Landes zu unterstützen. Der Vorstand von PMC und die Kirchenleitung kommen diesen Bitten nach, doch sie stehen vor Problemen, die auch sie nicht lösen können.

Einige Landansprüche sind erfolgreich vorangetrieben worden. Andere Verfahren standen kurz vor dem Abschluss, als das Landwirtschaftsministerium feststellen musste, dass keine der Familien, die vor 33 Jahren umgesiedelt worden waren, wirklich wieder zurückziehen will.

Das hat folgende Gründe: Während der vergangenen 33 Jahre hatten sich die Zwangs-umgesiedelten und erst recht deren Kinder und Kindeskinder in den neuen Wohngegenden eingelebt und etabliert. Einige von ihnen haben sogar eigene, ordentliche Häuser gebaut. Die Mühen wären zu groß, wenn sie nun ihre Häuser wegen der Rücksiedlung abbrechen und auf dem beanspruchten und übertragenen Land wieder errichten müssten. Am gegenwärtigen Wohnort haben sie Wasser, Straßen und Elektri-zität. Auch Schulen und Kirchen sowie andere kommunale Einrichtungen sind im gegenwär-tigen Wohnort inzwischen vorhanden. Wenn sie zurückkehrten, müssten sie am neuen bzw. alten Heimatort für all dies erst wieder selbst sorgen.

Nicht zuletzt haben die meisten von ihnen in der Nähe eine Anstellung und damit ihr Auskom-men, etwa die Lehrer. Bei Rückkehr wäre eine berufliche Perspektive wieder fraglich. Daher gibt es viele Fälle, in denen die Ansprüche zwar eingereicht, die Verfahren aber nicht zu Ende gebracht wurden, weil den Gemeinschaften klar wurde, was sie alles verlieren würden, wenn sie wieder umziehen würden. Den meisten fehlen die finanziellen Ressourcen und die Kraft für solch einen Umzug in die alte eigene Heimat bzw. in die Heimat der Eltern. Und da können auch die ELCSA und die Property Management Company nicht helfen.

Bischof Professor Dr. M. P. Moila ist Bischof der Nord-Diözese der ELCSA, Südafrika. Bearbeitet von Reinhard Kees.

Rücksiedlung – ja oder nein ?Hindernisse, die auch die Kirchen nicht ausräumen könnenvon M. P. Moila

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EinesdergrößtenVerdienstedeserstenPräsidentenTansani-as,JuliusNyerere,desgeliebten„VatersderNation“,sind

seineintensivenBemühungen,diesprachlichen,Stammes-undreligiösen,diesozialenundökonomischenUnterschiedeinun-seremgroßenLandzuüberwindenundeineNationzubilden.ZueinerZeit,alssogarChristenunterschiedlicherKonfessi-onennochnichtmiteinanderredenkonnten,verstaatlichteeralleKirchenschulen.Ersorgtedafür,SchülergemeinsammitjungenMenschenunterschiedlicherAbstammunginOberschu-lenweitwegvonzuHausestudierenzulassen.ErversetzteregelmäßigöffentlicheAngestellteweitwegvonihrenHei-matregionen.ErführteeinenobligatorischenMilitärdienstfürHochschulabsolventenein.Aberambemerkenswertestenist,dasserunablässigKiswahilialsnationaleEinheitsspracheför-derte.JedeFormvonSegregationlehnteerab.

IndieserZeitschlossensichauchdieKirchendiesererfolg-versprechendenBewegungan.WährenddesRingensumpolitischeUnabhängigkeitkämpftenauchdieKirchenumUnabhängigkeitvonihrenMutter-MissionenausdemAusland.SieerreichtenihreEmanzipationfrüheralsdieRegierung.

Tansanias Kampf um Unabhängigkeit und die Rolle der lutherischen Kirche Von Dr. Fidon R. Mwombeki

Dr. Fidon M. Mwombeki

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WährenddieDiskussionenüberdieEinheitderNationnochanhielten,entschiedendielutherischenMissionen,dienachStämmenbenanntwaren,sichzuvereinigenund1963dieEvangelisch-LutherischeKircheinTansaniazugründen.EineallgemeineLiturgieinSwahiliwurdeausgearbeitet,ebensoeinGottesdienstbuchsowiechristlicheErziehungsmaterialien.TrotzdieserBemühungenschlugenEndederfünfziger,AnfangdersechzigerJahrealleVersuchefehl,allegroßenprotestanti-schenKirchenzuvereinen.

Dennochistessehrbedauerlich,dassdieKircheinihremStre-ben,dieGrenzenvonStämmenundregionalerPrägungzuüber-winden,hinterdernationalenEinigungzurückblieb.EsisteinebekannteTatsache,dassdieELCTheutehauptsächlichdeshalb20Diözesenhat,weilesStammeskonflikteundMachtkämpfegab.DieseDiözesensindhauptsächlichaufStammeslinienaufgebaut,unddie,dieausvielenStämmenbestehen,befindensichinandauerndenStammesfehden.DieWarnungNyere-resbewahrheitetsichhier:So,wieMenscheneinesStammeszusammenhalten,wennsievonAngehörigeneinesanderenStammesdominiertwerdenundsiesichdistanzieren,umihrenStammzubewahrenbegehensiedie„Sünde“derSegregation.Wirhabennunvieleethnische,ökonomischunhaltbarkleineDiözesen,dievollerinnererAuseinandersetzungenundMacht-kämpfesind.InjüngsterZeithätteeinsolcherinnererMacht-kampffastzumAuseinanderbrecheneinerDiözese,wennnicht

Versammlung der ELCT im Jahre 2002 mit Bischöfen, Pfarrern und Laien aus ganz Tansania.

TANSANIA

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Dr. Fidon R. Mwombeki ist seit Januar 2005 Referent für Evangelisation bei der Vereinten Evangelischen Mission VEM in Wuppertal. Er ist zum neuen General-sekretär der VEM gewählt worden und wird dieses Amt Ende 2006 beginnen. Mwombeki war bis Ende 2004 Generalsekretär der Nordwest-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania.

dergesamtenELCTgeführt.DieskonnteinletzterMinutedurcheinbeherztesHandelnderKirchenleitungderELCTver-hindertwerden.

EineneuereEntwicklungistdasGefühlfür„Zonen“.EsgibteingefährlichesRedenvoneiner„südlichen“undeiner„nördlichen“Zone,dassichauchinderPolitikniederschlägt,wiewirimParlamentsehenkönnen.DieserBewegungwurdehemmungslosAusdruckverlieheninder2002ELCTVollver-sammlung,alsdie„SüdlicheZone“miteinemselbsternannten„Führer“forderte,esseiZeit,alseinennächstenVorsitzendeneinenBischofausihrenReihenzuernennen.GottseiDankwarBischofMushembaeinverstanden,eineweitereAmtszeitzuleisten.SeinCharismaundseinepersönlicheIntegritätentschärftendiesensündigenundgefährlichenStammeswett-kampf.

ZudieserZeitsolltedieELCTdemBeispielderNationenbil-dunggefolgtseinalsHeimatfürtansanischeChristenungeach-tetihrerVolkszughörigkeitundregionalenVielfalt.Aberwirentwickelnunszulangsam,unddiekonservativenKräftesindstärker.Ichdenke,wirsolltenesbisjetztgeschaffthaben,PastorensichfreibewegenzulassenvonDiözesezuDiözese,woauchimmersiebenötigtwerden,sogarinFührungspositi-onen.AberunglücklicherweisescheinenwirvondiesemZielweitentferntzusein.

Unsere Wurzeln sind unsere Zukunft Christen in Palästina kämpfen um ihr Überleben

Von Faraj Lati

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EsgibtkeinenZweifeldaran,dassdiedreimonotheistischenReligionen–dasJudentum,dasChristentumundderIslam

–imHeiligenLandihreWurzelnhaben.DennochwurdedieseTatsacheimmerwiederimLaufederGeschichtedurchKonflik-teinFragegestellt.Dashatdazugeführt,dassdieseitdem1.JahrhundertnachChristusinPalästinabeheimatetenChristenheutealsAngehörigeeinerMinderheitsreligionbenachteiligtwerden.WennaberdieAngehörigenderdreiReligioneneinan-derrespektierenundgegenseitigihreExistenzanerkennenwür-den,könntenallefreienZugangzudenheiligenOrtengenießen.DiesistaberaufGrunddesungelöstenNahostkonfliktsundderAbriegelungderpalästinensischenGebietenichtderFall.

NebenderEinschränkungderBewegungsfreiheitdurchdenBauderSperrmauerundderdadurchverursachtenhohenArbeits-losigkeitunterderpalästinensischenBevölkerunggibtesauchnochandereProbleme.DazugehörendieungelösteFlüchtlings-frageunddieungerechteVerteilungderWasser-Ressourcen

zwischenIsraelunddenpalästinensischenGebieten.Letztend-lichwerdenwirerstFriedenhaben,wenndieBürdederBesat-zungvonunsPalästinenserngenommenwirdundderTerrorgegendieisraelischeBevölkerungeinEndefindet.

Heute,2000Jahren.Chr.,leidenvielechristlicheFamilien,vorallemderenKinder,unterderscheinbaraussichtslosen

Situation,waszueinerArtAuswanderungsfieberführt.AlleKirchensindüberdieseEntwicklungindenGemeindensehrbeunruhigt.SieunternehmenvielfacheBemühungen,umdenGläubigenMutzumVerbleibeninderHeimatzumachen.DazugehörendieVermittlungvonArbeitsplätzenundbezahlbaremWohnraum.

AuchunserelutherischeKirchefühltsichherausgefordert,beidiesenBemühungeneineentscheidendeRollezuspielen.AnersterStellestehtdabei,dasswirinunserenschulischenundkirchlichenEinrichtungenunsereFamilienundJugendlichenandenVersammlungenwieMorgenandachten,Gottesdiens-tenundkirchlichenFestensowieHöhepunktenimLebenderGesamtkirchewieSynoden,Einweihungen,EinführungvonGeistlichenundSchulleiternaktivbeteiligen.DieserdirekteKontaktwarundistimmernocheinerfolgreicherSchrittundschließtdieAnerkennungderBedeutungderlutherischenKir-cheunterdenanderenKirchenein.

NAHOST

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Morgenandachten und Gottesdienste gehören zum Leben in den Evangelischen Schulen in Palästina.

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Diakon Faraj Lati ist Lehrer an der lutherischen Schule in Beit Sahour.

Zweitens:UmdasGefühlderVerwurzelungzubestärkenunddieHeimatverbundenheitzufestigen,vermittelnwiralsReligi-onslehrerGlaubensinhalteanunsereSchüler,undzwaraufganzpraktischeWeise,nämlichdurchdieBesichtigungheiligerOrteinderRegionBethlehem,JerusalemundinIsrael,sofernwireineReiseerlaubnisdafürbekommen.

Drittens:DiechristlichenFamilien,dievoralleminderRegionBethlehemleben,sinddurchdasAusbleibenderTouristenundPilgerunddenZu-sammenbruchderWirtschaftinihrerfinanziellenExistenzbedrohtundentsprechendfrustriert.UmdasSchulgeldzusparen,meldensieihreKinderausunserenSchulenabundschickensieindiekostenlosenStaatsschulen.DasgefährdetaberdiechristlicheIdentitätundlockertdieBindungandenchristlichenGlaubenunddieaktiveTeil-nahmeamkirchlichenLebenwieGottesdienstenundJugendarbeit.

GottseiDankhatunsereKirchesehrschnelldiesesProblemerkanntundmanchenFamiliendurchRedu-

zierungdesSchulgeldesgeholfen,damitdieKinderweiterhindielutherischenSchulenbesuchenkönnen.Dasbedeutetna-türlicheinegroßefinanzielleBelastungfürdieBildungsein-richtungenundfürdieKirche,diefürdielaufendenKostenderSchularbeitaufkommt.

Viertens:UmdiechristlichepalästinensischeIdentitätweiterhinzubewahrenundzupflegen,veranstaltetdasInternationaleZentrumDarAlNadwainBethlehemkulturelleundmusikali-scheDarbietungen,diebesondersbeideneinheimischenChris-ten,aberauchbeiMuslimeneinenormesEchofinden.

UndschließlicharbeitetdielutherischeKircheintensivdaran,denjungenMenschentrotzallerNöteundSorgeneinePerspek-tivezubieten.WirplanenanmehrenOrten,darunterinBeitSa-hour,Bethlehem,RamallahundJerusalem,Wohnprojekte,umjungenFamilienbezahlbarenWohnraumanzubieten.

MögeGottunsdieKraftschenkenundunseremLanddenFriedengeben,damitunsereMissionunterdenJugendlichenreicheFrüch-teträgtundsiezumAufbauunsererHeimatPalästinabeitragen.

Der Autor und seine Familie.

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WennmanmitdemBlickaufdieVergangenheitschreibt,odermitdemBlickindieFerne,istmanimmerinder

Gefahrzusubjektivzuwerden.UnsereErinnerungspieltmitunsmeistensderart,dassnurdiebuntenSeitenderDingeblei-ben...

VoreinigenWochenhabeichgemeinsammitmeinemSchwie-gervateraneinemSchnitz-Kursteilgenommen.DurchdiesenKurshabeichetwasgelernt,daszutunhatmitderFerne.WennmandabeiisteineFigurherzustellen,dannmussmansiemanchmalmiteinwenigAbstandbetrachten,umsiebesserzusehen.Ichglaube,wennwirunsnichtvonunserenGefühlenmitreißenlassen,dannistdieseineguteÜbung,umdenDin-gen,diewirschätzen,einenWertbeizumessen,umdasGuteunddasnichtsoGuteanihnenzuerkennen.

So weit weg und so nah dran – immer auf dem Weg gen Heimat

Von José Conde Masdiaz

Der Autor bei seinem Hobby, das Nähe und Ferne erfordert.

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MitphilosophischenWortenErnstBlochsge-sagt:

“Wirsehenjedenfallsnicht,waswirleben.Wasgesehenwerdensoll,mussvorunsgedrehtwerden.

Erstdadurchkönnenwiresvorunshinhaltenundbleibendarinnichtunmittelbar.DasnurGelebte,nichtErlebteundsoauchErblickbareistunsamdunkelsten,istbuchstäblichamwenigstenher-

ausgebracht.AllesSichtbareliegterstaufderStrecke,diesichausunseremunsichtigenAnsichseinherausundvoresbewegt.SolchesAbhaltenvonunslässteineSacheerstwahr-nehmendbetrachten,jaersterleben.ErlebenselbersetztdieDrehungdeszuErlebenden

vorunsvoraus.SoistallesderartFasslicheauchhöhergelegenalsderunddassichnochallzuNahe,dasdeshalbnochallzuunmittelbarbleibt.“

Dieromanisch-sprachigenKulturenhabenvieleWorte,umdasGefühl„Heimweh“auszudrücken.Ich

werdemichdaraufbeschränken,diemeistbenutztenkubani-schenAusdrückezunennen.Ausdemlateinischenhabenwir„Nostalgie“geerbt,wassovielbedeutetwie„Schmerz,derzu-rückkommt“.AusdemGalizischenkommtdasWort„morrinha“undausdemKatalanischen„anhoranza“.JedesdieserdreiWör-terhatseineeigeneBedeutung,aberimGroßenundGanzenkannmansagen,dasssiedasjenigeschöneGefühlausdrückenwollen,welchesunsdieErinnerungenbereiten.

AufeinegewisseArtundWeisekönnenwirKirchemitHeimatvergleichen.DabeiistKirchealsGemeinschaftundnichtalsInstitutionverstanden.EssinddieMenschen,diedieHeimatausmachen.Weilsieessind,diedasFeuerentzündenunddieesdurchdieWärmeihrerHerzenschüren.DieInstitutionKirchekanndieAlmaMatersein,wieesauchdieUniversitätist,siewirdjedochniezurHeimatwerden.OdersieistheuteHeimat,aberinzehnJahrenwirdmansichdortfremdfühlen,denneineneueGenerationhatdiealtenMenschenersetzt.DassindFaktenderRealität,soistdasLeben.DeshalbistHeimateine„Kon-struktion“vonvielen,undwirallesindfürihrenFortbestandverantwortlich.

Der schnitzende Schwie-gervater aus dem Erzgebir-ge: Vererbte Tradition.

KUBA

José Conde Masdiaz ist bap-tistischer Theologe aus Kuba und war dort Mitarbeiter im Centro Martin-Luther-King. Er lebt in Berlin.Übersetzung: Juliane Rumpel

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OhneZweifelwarunsereHeimatfürvieleJahredieKircheaufKuba.Sieistesimmernochfüruns,immernochsindsovielegeliebteMenschendort.Soviele„Kämpfe“habenwirgemein-samausgefochten,dassdiekubanischeKirchealsHeimatfastunmöglichersetzbarist.Martíhateinstgeschrieben:„Subirlomashermanahombres“,freiübersetzt:GemeinsameAn-strengungschweißtMenschenzusammen.ÄhnlichwarunseredamaligeErfahrungmitvielenBrüdernundSchwesternquerüberdieganzeInsel.WirhabendieBotschaftdesEvangeliumsimmerwiederalsStärkungbegriffen.DieBotschaft,diefreimacht,dieMenschenmenschlicherundverantwortungsbe-wussterwerdenlässt.UnddasalleszwischenUnverständnis,ÄngstenundkirchlichemFundamentalismus.

Trotzdem,derAufenthaltinDeutschland–auchwennich,umderWahrheittreuzubleiben,nichtsagenkann,dassichhiereineneueHeimatgefundenhabe–isteinebereicherndeErfahrung;eristlehrreichundlässtmichjedenTagNeuesentdecken.MitneugierigenAugenundaufeinebesondereArtkonnteichsoKulturundLebensartimAlltagerleben.Wirha-bendieMöglichkeitbekommen,dieMythenmitderRealitätzuvergleichen.Undwirfandenheraus,dass–umeinbiblischesBildzunutzen–alleIdoleauftönernenFüßenstehen.Undaußerdemhatdiese,wiejedemenschlicheGesellschaft,ihreStärkenundihreSchwächen.

Immer,wennmanvondieserReisespricht,dieunsindieFerneträgtundinneuenWeltenankommenlässt,obnunwirklichodernurinderPhantasie,erinnernwirunsaneinschönesGe-dichtvonKonstantinKavafis.Eshilftuns,dieEssenzunddaswahrhaftWichtigeinallenReisengenHeimatzufinden–denninirgendeinerFormsindunsereSchritteimmeraufdieHeimatausgerichet:

„IthakaschenktedirdieschöneReise.Zuihmalleinbistduhinausgefahren.VerlangeandreGabennichtvonihm.

Findestdu'sarm,Ithakatrogdichnicht,soweise,wieduwurdest,soerfahren,erkanntestdununwohl,wasInselnIthakabedeuten.“

Nahe – fremde HeimatChancen und Schwierigkeiten der Integration

Von Sona Eypper

JedervonunshateinesehrpersönlicheVorstellungvondemBegriff„Heimat“.EsisteinsehrgefühlsbetonterAusdruck

einerbesonderenVerbundenheitzueinemOrtoderLand,diedurcheineReihekonkreterErinnerungen,seienespersönlicheoderhistorische,geprägtist.DieseErinnerungenbildeneinenintegralenBestandteilderIdentitäteinesIndividuumsundfor-mendessenWeltanschauungundVerhalten.

UnserThemaabersetztdortan,wodasklassischeVerhältniszumHeimatlandzumTeilgestörtist.UnterschiedlicheFaktorentragenzumEntschlussbei,dasHeimatlandzuverlassen.Verfol-gunginderHeimatistleidernachwievoreinerderbedeutends-tenGründe,einenNeuanfangineinemfremdenLandzuwagen.WirtschaftlicheGründespielenauchkeinemindereRollebeiderEntscheidungzudiesemSchritt.EinedetaillierteDarlegungderGründefürMigrationwürdedenRahmendiesesBeitragessprengen.

WennwirheutevonfremdsprachigenGemeindensprechen,könnenwirnichtmehrvoneinereinheitlichenGruppeausge-hen,obwohleinigeFaktorensieallemiteinanderverbindet.MitanderenWorten,wirmüssenbeiderBeantwortungunserer

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Frage,obdieKircheeine„Heimat“seinkann,differenzierterherangehen.ZunächstmussunterschiedenwerdenzwischendenGemeinden,derenGründung50odermehrJahrezurück-liegt,unddenjüngerenGemeinden,diez.B.erstzehnJahrealtsind.DieEntwicklungsprozesseinnerhalbderzweiGruppensindfolglichsehrunterschiedlichundtragensomitauchzuei-nerunterschiedlichenHeimatempfindungbei.

DiealtenansässigenGemeindenverdankenihreGründungeinererstenGenerationvonMitgliedern,dieihr„Gepäck“anErinnerungendirektausihrenHeimatländernnachBerlinindie„neue“Heimatgebrachthaben.DieVerbundenheitdieserGründergenerationzuihrerKircheisttief.SiebetrachtetihreKirche,genauergesagt,ihrekonfessionellePrägung,alseineMöglichkeit,ihrerIdentitäteinenPlatzzugeben.Aberselbst-verständlichkönnennichtalleElementedieserIdentitätinderFremdePlatzfinden.SobeginnteinePhasederAnpassung,inderaberzugleicheinstetigerVerlustvonTeilendes„Erinne-rungsgepäcks“stattfindet,bisaufdiewichtigstengeschicht-lichenElemente,dievolksverbindendsind.DieseersteGe-neration,alsodieGründergeneration,istsichihrerdoppeltenRollealsBewahrerdesGlaubensundderKultursehrbewusst.SiesiehtsichalseinVermittlerzwischendenGenerationenundkämpftumdieWeitergabedeskulturellenErbes.ObwohlsiediezweiteGenerationprägt,istihrEinflussaufdiedritteGenerationverhältnismäßigschwach.DiezweiteGenerationistentwederbereitsinBerlingeborenoderzumindesthierauf-gewachsen.IhrZielkönntemanvielleichtehermiteinemStre-bennachAnpassungbeschreiben.DiedritteGeneration,dieüberwiegendinBerlingeborenist,kenntdasHeimatlandderGroßelternkaum.SiesindJugendliche,diesichalsBerlinerfühlen,sindabernichtohneweiteresalssolcheakzeptiert.MitdemHeimatlandderGroßeltern,dererstenGeneration,habensiefastkeineVerbindungundsinddortfremd,wieihreGroßel-ternhiereinmalfremdwaren.

Wennwirunsfragen,obdieKircheeineHeimatzwischendenWeltenderfremdsprachigenGemeindenseinkann,musszwangsläufigdiezweiteFragefolgen:fürwen?UndwiestarkistdieAnbindungzumHeimatland?FürdieersteGründerge-nerationistdieKircheeinekleineHeimatinderFremde.FürdiezweiteunddritteGenerationtrifftdiesleiderimmerweni-gerzu.

Sona Eypper ist Vorstandsvor-sitzende des Internationalen Konvents Christlicher Ge-meinden in Berlin.

INTERNATIONALERKONVENT

Eindrücke vom Fest der Völker 2003 im Rahmen des Ökumenischen Kirchen-tages – Internationale Ge-meinden im Miteinander.

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DassmaninderFremdeseineHeimat-Kirchengemeindehat,isteinerfreulichesDing.Denndortjedenfallsbrauchtman

garkeineMühebeimVerständigen,dasläuftkinderleicht.UndinunsererHan-In-GemeindeinBerlinheißtjederjedenwill-kommen.AberwennmannachdemGottesdienstnachdraußengeht,istesnichtmehrsoeinfach.

Alles,wasinderHeimat-GemeindeinderfremdenKulturgeschiehtoderunternommenwird,isthalbwegsschonvonderUmgebungbeeinflusstworden,sprich:vondeutscherKultur.AuchunsereGemeindeisthalbkoreanisch,halbdeutsch.SogardieimGesprächbenutztenWörtersindso.DennmanisteinvonderUmgebungbeeinflusstesWesen,jejünger,destomehr.DieGemeindemitgliederwissenalleausihrenAlltagserfahrungen,wieandersbzw.gegensätzlichdiebeidenWelteninWirklichkeitsind.DenndieGemeindestehtinmittenderanderenWelt.InEr-fahrungensindungeschriebeneInformationengesammelt.Des-halbkanneineinternationaleGemeindeaucheineVermittler-rollespielen,einenAusgleichbeiderWeltenanstreben,damitsienichtfremdbleiben.AlsoistsieeineneutralisierendeZonezwischenbeiden,sozusageneinPufferzwischenbeidenWelten.

Herausforderungen – Brüche – WidersprücheAuf der Suche

nach einer

neuen Identität

Von Insook Schrof

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Allgemeinkannmansagen,dassmaninmeinemHeimatlandSüdkoreaeheremotionalist.HierinDeutschlandistallesge-prägtvomrationalenDenken.DasistjaeinguterKontrast!IndiesemMomentfälltmiretwasein,waseinegeflüchteteNord-koreanerinwährendeinesInterviewsgeantwortethat:WasisteintypischerUnterschiedzwischenNord-undSüdkorea?IhreAntwortlautete,NordkoreanerseiengefühlsbetontundSüdko-reanerdächtenrational.DannentwickeltsichmeinePhantasie,undichdenke:DamüsstenjaNordkoreanerundDeutschenochunterschiedlichersein.Diemüsstensicheinmaltreffenundgegenseitigschönstaunen!

EinObstbaumträgtmitderZeitFrucht.WächstunsereHan-In-GemeindehierinderfremdenKulturauchsonaturgemäß?MeineAntwortkommtnurzögernd,weilesunsklarist,dass

diejüngereGenerationnichtwieihreElternist.Diehiergebo-renenKoreanersindnämlichfastwiedieLeutederdeutschenKirchen,inderfüreinGemeindemitgliedkirchlicheAktivitä-tennichtsoselbstverständlichsind.DenndassFrauoderHerrSoundsovieleStundenderWocheehrenamtlichfürdieKirchewirkt,istinDeutschlandnichtüblich.

WievielejungeKoreanerwerdensichauchkünftigzurGe-meindehalten?Sicherwenige.DieUrsacheseheichdarin:Wirwarenzulangsam,denWunschunddieForderungjunger

FRAUENINÖKUMENISCHERPARTNERSCHAFT

Der Chor der Koreanischen Gemeinde tritt bei vielen kirchlichen Anlässen auch außerhalb der eigenen Gemeinde auf.

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Insook Schrof ist Mitglied der koreanischen Han-In-Gemeinde in Berlin.

Leuteanzuhörenundunsdanachzuorientieren.Wirdachtenzulange:LasstdieKindersichmitihresgleichenbeschäftigen,siesindnochzujung.SeitwirineineganzandereWeltübergesie-deltsind,habenwirnichtbemerkt,dasswirimmerälterwerden.UnserAlter(imKopf)istzudemZeitpunktstehengeblieben,alswirnachDeutschlandgekommensind.DanachvergingdieZeitinunseremKopfnichtnaturgemäß,sonderneinunbewegli-chesunabänderlichesIchhatsichinmirgebildet.Ichmeineda-mit,dass,wennichinmeinemHeimatlandgebliebenwäre,hät-teichaufnatürlicheWeisegefühlt,wieichallmählichaltwerde.DenndortgibtesjedeMengeVerwandtschaft.DieEnkelkindermeinerälterenSchwesternhättenmichschonlangebenannt,„Tante!“oder„Oma!“(denninKoreaheißtOmasSchwesterauchOma).Aberhierkaum.NachaußenhinhabeichmirdiehiesigeKulturnichtschnellangeeignet.IchempfanddagegeneineGefühlsmauer.Darausschließlichbinich(beianderenistesmehroderwenigerähnlichgelaufen)fürdienachfolgendeGenerationeinerückständigekonservativeVertreterineineran-derenWeltgeworden.

WirlebenimInternet-Zeitalter,dennsoschnellläuftundändertsichallesimSinnedestechnischenFortschritts.MangewöhntsichandieneueTechnik.InfolgedessenfordertsieauchvonunssolcheineschnelleReaktioninderGemeinde-Angelegen-heitundeineentsprechendeangepassteVerhaltensweise.Wennetwasdabeinichtsoläuft,nimmtmansichenttäuschtzurück.

MeineFrage:SolltenwirunsalsKircheeigentlichnichtgenausowieaußerhalbderKirchenmauernverhalten,mitdemTempodesInternet-Zeitalters?ImPrinzipglaubtjedermann,erseiei-nerständigenSelbständerungunterworfen.DennochgeschiehtdieseVeränderungbeiunssozaghaft,dassunsdienächsteGe-nerationschonalsschweransprechbarempfindet.

EinSchrittdazuwäre,eineklareRegelfüreineweiterführendekonstruktiveDiskussionoderdasGesprächmitJungenzuerler-nen,damiteinAustauschmitderälterenGenerationzustandekommt.

IstdasLebennichtimmereinAnfang?MitdieserErkenntniskanneineKirche,dieeineHeimatzwischendenWeltenist,fort-bestehenundwachsen.

Erdbeertorte meets Sushi: Kulinarisches als Aus-druck der Verbindung der Heimaten.

INEIGENERSACHE

Wie definieren Sie Heimat, was bedeutet sie Ihnen? Suchen Sie Heimat in den Gemeinden? Welche Erfahrungen machen Sie, wo sehen Sie Defizite, Grenzen und Chancen?Über diese und weitere Fragen, die sich aus unserem Jahresthema herleiten, wollen wir mit Ihnen ins Gespräch kommen.

Wir laden Sie herzlich ein zu unserem diesjährigen Missionstag am Samstag, 21. Oktober, 11.00 - 16.00 Uhr, im Berliner Missionswerk, Berlin-Friedrichshain, Georgenkirchstraße 70.

Das Programm beinhaltet einen Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion und danach die Möglichkeit, Erfahrungen und Meinungen in Arbeitsgruppen auszutauschen.

KIRCHE – HEIMAT ZWISCHEN DEN WELTEN

Im Juli 2005 jährte sich der Ausbruch des Maji-Maji-Aufstandes in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, zum hundertsten Mal. Der Befreiungskrieg, begonnen als Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft, wurde nach zwei Jahren blutig niedergeschlagen, die Folgen waren Hunger, Seuchen und Entvölkerung.Die Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte, das Berliner Missionswerk und das Deutsche Historische Museum nahmen den Maji-Maji-Aufstand zum Anlass, der Frage nachzugehen, was sich wirklich abspielte und wie dies aus heutiger Sicht zu bewerten sei. Dies geschah im Rahmen eines internatio-nalen wissenschaftlichen Symposiums vom 11. bis 13. November 2005 in Berlin, dessen Beiträge in diesem Tagungsband zusammengefasst werden.

Hans-Martin Hinz / Hans-Joachim Niesel / Almut Nothnagle (Hg.)

Mit Zauberwasser gegen Gewehrkugeln. Der Maji-Maji-Aufstand im ehemaligen Deutsch-Ostafrika vor 100 Jahren Verlag: Lembeck; ISBN 3-87476-508-3. Ab Juli 2006 ist das Buch für 14,80 Euro im Handel erhältlich.

Die Schwarzweiß-Bilder in dieser mission stammen aus der Wander-Ausstellung „Our Land, Our Life, Our Future“, die im Frühjahr 2006 mit großem Erfolg im Berliner Missions-werk gezeigt wurde. Sie wurden uns freund-

licherweise zur Verfügung gestellt von KASA (Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika). Hinweise darauf, wo und wann die Ausstel-lung noch zu sehen ist, finden Sie unter www.our-land.de

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Am15.November2005hatGottDr.HeinzBlauertim86.Le-bensjahrzusichgerufen.„DerHerrhatGroßesanunsgetan;dessindwirfröhlich.“MitdiesenWortenausPsalm126,3gedachtedasBerlinerMissionswerkineinerTraueranzeigedesfrüherenDirektorsderBerlinerMissionsgesellschaftunddesÖkumenisch-MissionarischenZentrums(ÖMZ)inderGeorgenkirchstraßevon1970bis1985.

1920geboren,gezeichnetvondenErfahrungendes2.WeltkriegesundderKriegsgefangenschaft,standDr.BlauertderTheologiederBekennendenKirchenahe.NachseinerPromotionundnacheinerTätigkeitalswissenschaftlicherAssistentinTübingenfolgteerdemRufvonBischofOttoDibelius,alsPfarrerindieDDRzukommen.Sobeganner1955denDienstinReichenow,einerLandgemeindenordöstlichvonBerlin.1960wurdeerzumDirek-tordesBurckhardthausesinderDDRberufen.DortprägteerzehnJahrelangeineganzeGenerationvonGemeindehelferinnenundJugendarbeiterinnen.

InseinerAmtszeitfandendiebeachtlichenUmbrüchedesVer-ständnissesvonMissionundÖkumenestatt.Unterdenschwie-rigenBedingungenderDDRgestalteteDr.Blauertsiezukunfts-weisendmit.AusderklassischenMission,derAussendungvonMissionaren,wurdeseitden60erJahrendes20.Jh.einepartner-schaftlicheGemeinschaftvonKirchen.UnterdenBedingungenderDDRwaresallerdingsnichteinfach,dieseGemeinschaftzugestalten.UnterseinerLeitungwurdedasMissionshausinderGeorgenkirchstraßealsÖMZzueinemZentrumökumenischenAustauschesundLernensmitdenChristenundKirchenweltweit,besondersimöstlichenMitteleuropaundindensog.sozialisti-schenBruderländerninAfrika,AsienundLateinamerika.

DieHerausforderungökumenischenLernenszusammenmitChristeninanderenTeilenderWeltbegannfürihnmiteinerauf-richtigenAuseinandersetzungmitderGeschichtederMission.SiesetztesichmitderFragefort,wieChristenimKontextderDDRbeitragenkönnen,dassUnrechtundGewaltbeimNamengenanntunddieungerechteVerteilungderRessourcendurcheinökume-

Zum Tod von Dr. Heinz Blauert

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VONPERSONEN

nischesmiteinanderTeilenüberwundenwerdenkönnen.DieseAuseinandersetzungwarauchThemaeinesDokumentes,andemDr.Blauertmitgewirkthat.Eserschien1987unterdemTi-tel:„Mission–Gerechtigkeit–Partnerschaft,GesichtspunktezurNeubesinnungaufdenökumenisch-missionarischenAuf-tragderEvangelischenKircheninderDDR“.IndiesemSinnesolltesichdasÖMZder„LastundLehren“stellen,wieesimDokumenthieß.Dr.BlauertwolltedermissionarischenKirchedieökumenischeStrukturermöglichenundumgekehrtdenKircheninderDDRalsTeilderÖkumenediemissionarischeDimensionantragen.Ekkehard Zipser

ZumBeginndesneuenJahresübernahmPfarrerDr.ReinhardKees(48Jahre)dieAufgabenunsererAfrika-GebieteSüdli-chesAfrika,TansaniaundHornvonAfrika.Derimbranden-burgischenNeuruppinGeborenewarindenletzten16JahrenGemeindepfarrerinderBerlinerGemeindeBaumschulenweg(KKLichtenberg-Oberspree).SeitvielenJahrenisterinderSwaziland-Partnerschaftaktiv.InderLandessynodeundalsVertreterderEKBOimÖkumenischenRatBerlin-Branden-burghatersichbesondersfürThemenderÖkumeneeingesetzt.ErtratdieNachfolgevonPfarrerGerdDeckean,dernach13jährigemDienstimBerlinerMissionswerkzumEndedesMonatsOktober2005indenRuhestandgetretenist.

MitdemWechseleinhergingeineVeränderungindenZustän-digkeitenderReferentinnenundReferenten.DiedreiAfrika-GebietesindjetztineinemReferatzusammengefasst.DieÖf-fentlichkeitsarbeitwurdemitdemNahost-Referatverbunden.DieWolga-PartnerschaftenwerdenimGemeindedienstreferatversehen.DieOstasien-AufgabenwerdennunmehrvollständigdurchdenLeiterdesWerkeswahrgenommen.

Ekkehard Zipser

Dr. Reinhard Kees – neuer Referent für unsere Afrika-Gebiete

Viele Kirchengemeinden und Schulen in Deutschland unterhalten seit Jahren enge Beziehungen zu evangelischen Kirchengemein-den und Schulen im Heiligen Land. Dazu gehören die Schulpart-nerschaft zwischen der Anne-Frank-Schule in Gütersloh und der Lutherischen Schule in Ramallah, eine Verbindung zwischen der Dar-al-Kalima-Schule in Bethlehem und einer Partnerschule in Bocholt, die Schulpartnerschaft zwischen Talitha Kumi und dem Evangelischen Gymnasium in Neuruppin. In jedem Jahr werden wechselweise Begegnungsreisen wäh-rend der Sommerferien geplant. Für die Jugendlichen sind Kulturaustausch, interreligiöser Dialog und die Teilnahme am Alltagsleben der Gastgeber wichtig. Die palästinensischen Ju-gendlichen erleben die Reise nach Deutschland darüber hinaus als ein Stück Stressabbau – angesichts des permanenten Span-nungszustands im Heimatland. Leider können viele palästinensische Familien die Reisekos-ten für ihre Kinder nicht mehr tragen. Auch die Gastgeber in Deutschland sind zunehmend auf private Sponsoren angewie-sen.Helfen Sie, dass auch in diesem Jahr wieder Gruppen aus den Schulen unserer lutherischen Partnerkirche im Heiligen Land an Begegnungsreisen nach Deutschland teilnehmen können.

Projekt-Nr. 4112

Konto des Berliner Missionswerkes:

Ev. DarlehnsgenossenschaftBLZ 210 602 37Kto. Nr. 7 16 17

Unterstützung für palästinensisch- deutsche Jugendbegegnungen