notiz über die wirkungsweise der salpetersäure auf das eisen

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Notiz ikber die Wirkungsweise der Salyeter- saure auf das Eisen von J. F. W. Herschel. (Aus einem Briefe ~JI die Herausgeber der Aniides de Chiinie) Eine Bemerkung von Hrn. B r a c o n n o t iiber die Wir- kungsweise der Salpetersaure auf Eisen, die ich in den An- nates de Chimie T. LII p. 288 fand, erinnerte mich an einige vor mehreren Jahren iiber denselben Gegensiand angestellte Versuche , welche hinreichend bemerkenswerthe Eigenthiim- lichkeiten darboten , um eine griindlicbere Untersuchung zu verdienen. Da ich gegenwartig nicht im Stande bin, diese Versuche wieder aufzunehmen, so halte ich doch deren Mit- theilung nicht f i r uninteressant ; vielleicht findet sich einer lhrer Leser , oder Hr. B r a c o n n o t seltst dadurch veranlaljt , die diese Wirkung begleitenden sehr merkwiirdigen Erscbei- nungen im Einzelnen zu studiren und sie unter die gewiihn- lichen Gesetze der chemischen Wirkung zu bringen. Herr Bra co n n o t sagt : )) Eisenfeile oder Eisenstreih erhalten sich in koncentrirter Salpetersaure ohne die gming- ste Veranderung und behalten vollkommen ihren MetalIglanz , so dafs sie auf diese Weise gegen das Rosten geschiitzt sind. Selbst wenn man die Siiure iiber den Streifen kochen ldst und sie hernach mit Ammonia14 iibersattigt, scheiden sich haum einige unbedeutende Flocken Eisenoxyd ab.c Ich will nun mittheilen, was ich im August 1825 beobachtete. Wenn man in Salpetersiiure ron 1,399 specif. Gewicht ein S t h k weichen gut gereinigten Eisendrath taurht , SO braunt sich das Eisen sogleich unter mehr oder minder star- hem bufbrausen und Entwicbelung rotber Dampfe ; allein

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Notiz ikber die Wirkungsweise der Salyeter- saure auf das Eisen

v o n

J. F. W. H e r s c h e l .

(Aus einem Briefe ~JI die Herausgeber der Aniides de Chiinie)

Eine Bemerkung von Hrn. B r a c o n n o t iiber die Wir- kungsweise d e r Salpetersaure auf Eisen, die ich in den An- nates de Chimie T. LII p. 288 fand , erinnerte mich an einige vor mehreren Jahren iiber denselben Gegensiand angestellte Versuche , welche hinreichend bemerkenswerthe Eigenthiim- lichkeiten darboten , um eine griindlicbere Untersuchung zu verdienen. Da ich gegenwartig nicht im Stande b in , diese Versuche wieder aufzunehmen, so halte ich doch deren Mit- theilung nicht f i r uninteressant ; vielleicht findet sich einer lh rer Leser , oder Hr. B r a c o n n o t sel ts t dadurch veranlaljt , d i e diese Wirkung begleitenden sehr merkwiirdigen Erscbei- nungen i m Einzelnen zu studiren und sie unter die gewiihn- lichen Gesetze der chemischen W i r k u n g zu bringen.

Herr Bra c o n n o t sagt : )) Eisenfeile oder E i s e n s t r e i h erhalten sich in koncentrirter Salpetersaure ohne die gming- ste Veranderung und behalten vollkommen ihren MetalIglanz , so dafs sie auf diese W e i s e gegen das Rosten geschiitzt sind. Selbst wenn man die Siiure iiber den Streifen kochen l d s t und sie hernach mit Ammonia14 iibersattigt, scheiden sich haum einige unbedeutende Flocken Eisenoxyd ab.c Ich will nun mittheilen, was ich im August 1825 beobachtete.

W e n n man in Salpetersiiure ron 1,399 specif. Gewicht ein S t h k weichen gut gereinigten Eisendrath taurht , SO braunt sich das Eisen sogleich unter mehr oder minder star- hem bufbrausen und Entwicbelung rotber Dampfe ; allein

dieres Aufbrausen dauert nur einige Aogenbliche und sobald es auf'gebart ha t , nirnmt das Eisen plijtzlich seinen Metall- glanz wieder a n und erliiilt sich alsdann, so lange man will, unangegriffen unter der S a u v .

Das so behandelte Eisen (welches ich der Kiirze wegen i n der Folge priiparirtes Eisen nennen will) kann aus der Saure herausgenommen, an d ie Luft gelegt, io reines Was- ser und in Ammoniah getaucht werden, ohne dadurch die Eigenschaft , von der Salpetersaure a n g e ~ i f f e n zu werden, wieder zu erhalten. I m praparirten Zustande bann man es, i n d e r Luf t wie in der S a u r e , mit Gold, Si lber , Platin, Quecksilber, Glas und mehreren andern Harpern ( gelinde) beriihren, ohne diesen Zustand PU zerstSren. Reibt man aber die Oberlliiche s ta rh , so dafs eine innige Ber6hrung stattfindet, z. B. wenn man es mit der scharf'en Kante eineo Glasscherben auf einem Stiicks Glas schabt , so wird d e r praparirte Zustand aufgehoben and dorch neues Eintauchen i n die Siinre erhalt man ein neues Aufbrausen und darauf das Wiedererscheinen des Metallglanzes : mit einem Worte, die vollkommene Wiederherstellung des priiparirten Zostandes.

Durch Beriihrung des praparirten Eisens tnit I h p f e r , Zink, Zinn , Wismuth , Antimon , Blei, oder nicht pdpar i r - tern Eisen in d e r Luft, i m Wasser oder in Siiure wird die Praparation aufgehaben und die W i r h u n g der Salpetersaure idngt wieder von neuem an.

Beriihrt man einen etwas langen in der Lufk auf einem Glasstreifen oufgehiiogten , prfiparirten uod mit Sjiur,e g e n e t s ten Ei rendra t l an einem seiner Enden mit einem Stiicbe Hupfer, M) wird die Oberfliiche gebriiont allein nicht gleich- zeitlg auf der ganzen Obertlache, sondern die W i r b u n g be- wegt sich von dem beriihrten Endc nach dern andern Ende fort. Erreicht d ie Grenze der braunen Farbe einen an einer Biegmg dee Drathes hiingenden Tropfen Siiura , so ertolgt

Aufbrausen und gantliche Zersetung des 'I'ropfens. 1st aber der Drath bei der Beriibrnng in die Siiure getaucht , so

fangt die W i r k u n g augenblicklich euf seiner gonsen Iiinge an. Eine geringe Menge SB'ure verliert durch mehrmalige

Anwendung zu dem Versuche die Eigenscbeft, das Eisen zu praparireo. Es scheint dies theih von der entstandencn War- me, theils von der Gegenwart des Stichoxyds berzurlhreri: denn Salpetersaure, d u w h welche ich so lange Sticlioxydgas leitete , bis sie griin geworden, fand ich zur Praparation des Eisens untaogtich. Ein Stiick hineingelegten Eisens erregte so lange ein lebhaltes Aufbrausen, bis dasselbe g:inz.lich zer- rtBrt war.

E in St3ck priiparirten Eisens in eine AuflGsung von sal- petersrureni Kupfer getaucbt , schlug nicbts daraus nieder ; wenn man es aber in d e r AuflGsung mit einem Stuck ltupfer beruhrte , bedeckte sich daeselbe sogleich mit einer dicken Lage metallischen Kupfers.

Zwischen der zur Priiparation des Eisens tauglichen und nntauglichen Salpetersaure gibt es Mitteleustaade, wo sie das- 8elbo schwieriger praparirt und ein I lnger anhaltelides Auf- hrausen hervorbringt. Nan bemerkt hierbei mancbmai eine merkwiirdige Erscbeinung : die Wirkung h a r t fir einen Au- genblick a d , fangt wieder an und dies wiederholt sich titters in konvulsivischen S t i i h ~ , welche manchma? zieinlich lang- Sam in Intervalien von '/i - 215 Sekunden, rnanchmal aber aufserst schnell, so dafs man sie nieht rnehr z a h k n kann, auf einander folgen. Sind sie langsam, so hemerkt nian deutlich, wie das Butbijren dcr Wrrkung von eiiiem Ende des Draths eum andern hinschreitet, ohne dafs m a n sagen k6nnte, warurn sie an dem eirren Elide friiber aufhijrt, als an dem andern.

Es geschieht oft Jars das Eisen, ohne lebbaft angegrif- Cen zu werden, denrioch seine brauor: Bber5ache behalt und

Glasblasen entwickelt. Diese langsame Wirkung kann man a u f eine sonderbare Weise plotzlich aufheben, wenn man das Eisen einen Augenblick in die Luft halt und es dann mit einem kleinen Storse i n die Saure zuriickfallen lafst. Eine halbe Sekunde darauf sieht man es mit seltenen Aus- nahmen seinen vollen Metallglanz wieder annehmen.

Dasselbe erreicht man sicherer, wenn man das &sen in der Siiure rnit einem diionen Streifen Platin beriihrt. Das Platin verhalt sich in seiner W i r k u n g auf das Eisen umge- kehrt wie der Zink etc. Stellt man den Versuch in einer Platinscbale oder auf einem Platinblech a n , so gelingt die Priiparation immer and selbst rnit einer Saure, die man rnit gleichen Theilen Wasser vermischte. Bei Gegenwart einer grcfueren Menge Wasser kann die Praparation nicbt mebr eu Stsnde gebracht werden; sie t r i t t aber wieder e in , wenn man etwas koncentrirte Siiure ausetat.

Einmal prSparii,tes Eisen widersteht rollkommen der Einwirkung gleich starker Salpetersaure, selbst auch einer schwacberen , woraus hervorgeht , dafs diese Erscheinungen iiicht dem Mangel der zur AuflGsung des gebildeten ralpeter- sauren Eisenoxyds nijthigen Wassers auzuschreiben sind , sondern vielrnehr eineni gewissen permanenten elektrischen Zustande d e r Oberflacbe des Metalls. Diese Ansicht der Sache wird dorch d ie nachfolgenden Versuche bestatigt.

E i n Stiick Eiaendrath ward erwarmt und mittelst Urnle- gang eines kleioen M'achsringes in s Halften getbeilt ond dann in Salpetersaure getaucht. Die W i r k a n g bar te gleich- zeitig auf beiden Hallten auf, and nard auch durch Beriih- rung des einen Endes rnit g a p f e r auf beiden Theilen gleich- zeitig wieder berrorgerufen. Nacbdem man den praparirten Zustand wieder hergestellt, aog man des Eisen rnittelst eioes an dem Wnchse befestigten Glssstabzs aus d e r Saure und Leriihrte d a m das eine End8 tn &r Lujt. Die W'irkung

fing wie gewijhnlich an dem beriihrten Endc an, verbreitete sich iiber die eine Halfte des Ilraths, wurdo eber durch das Wachs aufgehalten, so dars man eine braune und eine gliio- zende Halftc hatte.

Ein Stiick zu einem Rogen geformten Dreths ward wie oben durch Wacha getheilt, priiparirt ond dann 2.3 der Lange aus der Saul-e gehoben, so dafs der grijfste Theil der eioen Hiilfte ( A ) in die Siiure getaucht blieb. In dieser Lage ward die andere Halfle (B) in der Luft mit Kupfer beriihrt, WO-

rauf die Wirkung sich bis zum Wachs verbreitete und hier stehen blieb. Durch schnelles Eiusenken bis zum Anfange der Hiilfte B verbreitete sich die Wirkung auf der Stelle Gber die ganze Hiilfte A , welcbes bis jetzt ihren Gianz be- halten hette.

Das praparirte Eisen widersteht der Einwirhung einer bis zu einer fiir die Hand unertriiglichen Temperatur erhitz- ten Siiure, nicht aber der siedenden. Liii'st man es in sehr heifse Saure fallen, so widersteht es eiiiige Augenblicbe, bewirkt aber dann heftiges Aul'brausen. Es gclang mir nicht, das Eisen in siedender Salpetersiiure unoxydirt zu erhalten , wie es Hr. Braconnot aogibt; allein andererseits fand ich es

unmsglich , Siiure von 1,399 specif. Gew. auf angelassenen Stahl wirken zu machen, oder selbst auf gewiihnliche Uhr- federn, in der Kalte wie in der Siedhitze. Man liann die Sa'ure dariiber sieden lassen, so lange man will, ohne einP Einwirlrung zu bemerlien. Glasharter St , . iA (weieher nicfit von der Feile angegriffen wird) verh:ill sich aber sonderba- re r Weise ganz anders; dieser wird yon siedender Salpeter- S u r e aul'serst heftig arigegriffm. In kalten Sauren priiparirt er sich leicbt, und braunt sich durch Beriihrung mit Zink wieder , wie das Eisen, obgleich langsamer und gewisserma.. hen mit Widerstand. Widerholt man aber die Berchrungen iificrs, so tritt die Wirkung endlich unaufhaltsam ein.

Seit d c r Zeit a h ich diese Versuche machtc, fand ich inden troncactions d e la sociCt6 royale de Landres 1790 eine

sehr interessante Abhandlung yon H e i r : Experiments and observations on the dissolution of metels in acids and the i r precipitations, in weicher mehrere Erfnhrungen dieser A r t . verzeirhnet sind. K e i r bcmerkte den prsparirten Zustand des Eisens, als er die PrGcipitation des Silbers durch dieses Metall studkte. E:r fand selbst , dars dieser Zustand durch salpetrige Siiurc hervorgebracht werden kiinne ; allein die merltwiirdigen Erscheinungen bei der Brriihruog mit an- derri Metallen , welche dieselben den elektro - chemischen Erschcinungrn anreihen , s h d ihrn entgmgen. Dafs e i n Metall durch die Beriihrung n-rit einem andern Metalle gegen die W i r k u n g eines clieniischen Agens to lange geschiitzt hleiben kann, als die Beriihrurig dauert, ist Beute nichts Werliwiirdlges mebr; ich finile es nber sonderlar , clafs in den obcn beschriphencn Versrirhen die W i r k u n g sich iiber die %eit der Beriihruiig hinaus unbestimmt ercitrecken kann und daCs ein pernianeiit elebtrischcr Zustand aaf der Ober- I l iche eines Metalls bestehen und sich hier durch seine oi- gene Kraft forte-halten kann, dem entgegen , welcher stets in deniselben Metalle vorhanden ist und auch bei dem for- cirteli Zus!ande d e r CJberfliiche des Metalls im h e r o des- se!beri fbrthtisteht. *)

(Annalea de Cfiimie c t t’,e Physique, Sept. 1633.)

*) DiesL \:crsuche reiheii 4clx denen von W e t z 1 n r an. Vergl. 3legaziir fiir L’harrnacie ihl. 29 S. 96 und Sehweiggers Journal 11. R. Ud. 26 S. so6 R. D. R.