no more lippenbekenntnisse! vielfalt verteidigen€¦ · 20 prozent der deutschen gesellschaft...

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No more Lippenbekenntnisse! Vielfalt verteidigen Die 3. Bundeskonferenz der Neuen deutschen Medienmacher Es ist schon ein Fortschritt, dass mittlerweile mehr über Vielfalt in den Medien geredet wird. Dazu haben die Neuen deutschen Medienmacher (NdM) mit ihren zahlreichen Projekten etwa für differenzierte Berichterstattung, dem Mentoring-Programm oder dem immer wie- der aktualisierten Glossar zum richtigen Wording in der Einwanderungsgesellschaft beigetra- gen. Doch Reden allein reicht schon lange nicht. Es ist Zeit, deutliche Ansprüche zu stellen, Medienunternehmen in die Verantwortung zu nehmen und Vielfalt zu verteidigen. „No more Lippenbekenntnisse!“ lautete deshalb das Motto der 3. Bundeskonferenz der Neuen deut- schen Medienmacher, die am 3. Dezember 2016 im Berliner Podewil stattfand. Am 3. Dezember 2016 fand die dritte NdM-Bundeskonferenz in Berlin statt. Seit gut sieben Jahren setzt sich der Verein für mehr Vielfalt in der Medienlandschaft und in der Berichterstattung ein. Es ist eine Graswurzelarbeit, die langsam Früchte trägt. Nach wie vor sind Menschen mit Migrationsgeschichte in der medialen Welt unterrepräsentiert – je nach Schätzung stammen gerade einmal zwei bis vier Prozent der Medienschaffenden aus einer Einwandererfamilie. Egal ob Moderator*innen im Fernsehen oder Redakteur*innen im Print und Hörfunk – bis auf wenige prominente Ausnahmen haben nicht- oder neudeutsche Journalist*innen nach wie vor Seltenheitswert.

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NomoreLippenbekenntnisse!VielfaltverteidigenDie3.BundeskonferenzderNeuendeutschenMedienmacher

EsistschoneinFortschritt,dassmittlerweilemehrüberVielfaltindenMediengeredetwird.

Dazu haben die Neuen deutschen Medienmacher (NdM) mit ihren zahlreichen Projekten

etwafürdifferenzierteBerichterstattung,demMentoring-Programmoderdemimmerwie-

deraktualisiertenGlossarzumrichtigenWordinginderEinwanderungsgesellschaftbeigetra-

gen.DochRedenalleinreichtschonlangenicht.Es istZeit,deutlicheAnsprüchezustellen,

MedienunternehmenindieVerantwortungzunehmenundVielfaltzuverteidigen.„Nomore

Lippenbekenntnisse!“ lautetedeshalbdasMottoder3.BundeskonferenzderNeuendeut-

schenMedienmacher,dieam3.Dezember2016imBerlinerPodewilstattfand.

Am3.Dezember2016fanddiedritteNdM-BundeskonferenzinBerlinstatt.

SeitgutsiebenJahrensetztsichderVereinfürmehrVielfaltinderMedienlandschaftundin

derBerichterstattungein.EsisteineGraswurzelarbeit,dielangsamFrüchteträgt.Nachwie

vor sindMenschenmitMigrationsgeschichte indermedialenWeltunterrepräsentiert – je

nachSchätzung stammengeradeeinmal zweibis vierProzentderMedienschaffendenaus

einerEinwandererfamilie.EgalobModerator*innenimFernsehenoderRedakteur*innenim

PrintundHörfunk–bisaufwenigeprominenteAusnahmenhabennicht-oderneudeutsche

Journalist*innennachwievorSeltenheitswert.

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Mit der konkret vorgetragenen Forderung nach mehr Vielfalt beziehen die NdM Stellung

gegenrückwärtsgewandteTendenzen,diederzeitzubeobachtensind:DasVertrauenindie

Medienschwindet,dasUn-Wortvonder„Lügenpresse“istwiederda,Rechtspopulistenfei-

ern Wahlerfolge, die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen verunsi-

chernvieleKolleg*innen,VerlageundRedaktionen.BeimThemaDiversityindendeutschen

MediendrohteinkolossalerRückschrittausAngstvorShitstorms,Hasspostsundpopulisti-

schenKommentaren.

Umhiergegenzusteuern,habendieNdMu.a.unterdemTitel„Wirwärendannsoweit“eine

40-seitigeHandreichungfürmehrVielfalt indenMedienveröffentlichtmithieb-undstich-

festenArgumentesowiekonkretenZahlen,FaktenundBeispielen.Zudemhabendie80Teil-

nehmer*innenderBundeskonferenzeinPositionspapiermitihrenForderungenandiedeut-

schenMedienhäuserineinerkontroversenundlangenDebatteentwickelt,anschließendin

der Podiumsdiskussion mit namhaften Medienvertreter*innen dem Praxistest unterzogen

undschließlichveröffentlicht.

BeiderNdM-BundeskonferenzwurdeauchdieHandreichung„Wirwärendannsoweit.“vorgestellt.

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AufbauderLokalenNetzwerke

OhnedieLokalenNetzwerkewürdesichdieArbeitderNdMstarkaufBerlinkonzentrieren.

Diese-mittlerweilegibteselfdavon–helfen,diePositionenundForderungenindieRedak-

tionenvorOrtunddieÖffentlichkeitzutransportieren.ZweivonihnenwurdenaufderBun-

deskonferenzvorgestellt:

1. DasFrankfurterNetzwerkgibtesseitvierJahren.CananTopcustelltedieArbeitvor.

Es fing als ein runder Tisch für deutsche, türkische und deutsch-türkische Journa-

list*innenan.AlledreiMonatefindenVeranstaltungenstatt,andenendurchschnitt-

lich20bis40Menschenteilnehmen.ZuletztgingesumgeflüchteteJournalist*innen

ausderTürkei.EinVertretervonderOrganisation„ReporterohneGrenzen“lieferte

dieerforderlichenZahlenundFakten,türkischeJournalistenu.a.von„Zaman“berich-

tetenüber ihrepersönlichenErfahrungenundwiePressefreiheiteingeschränktund

Medienbedrohtwerden.

ImMittelpunktdesFrankfurterNetzwerksstehenderAustauschunddieVernetzung

unterdenKolleg*innen„Es istwichtigzuerfahren, ichbinmitmeinenFragen,mei-

nenPositionen,Gedankennichtallein“,betonteCananTopcu.SierätanderenNetz-

werken,dieTreffenzuinstitutionalisieren,ThemenimVorfeldzuüberlegenundre-

gelmäßigReferent*inneneinzuladen.

2. EllaSchindlerstelltedassehraktiveNetzwerkinNürnbergvor.EinmalimMonattref-

fensichhierumdie15MedienschaffendenimKulturzentrumNordkurveunddisku-

tierenübereinvorabfestgelegtesThema,wievorkurzemübereinBurka-Verbot.„Da

kannmanauchdieeigeneEinstellungdazuüberdenken“,sagteSchindler,„umdann

gefestigt nach außen aufzutreten.“ Regelmäßigwerden auch Expert*innen eingela-

den.WasdieDiversity imMedienunternehmenangeht,nannteSchindlereinpositi-

vesBeispielausdemVerlag,beidemsiearbeitet:Beider„NürnbergerZeitung“und

den „NürnbergerNachrichten“ sowie den angeschlossenen Partnerverlagen gibt es

mittlerweileeinenFortbildungstagfürVolontär*innenzumThema„Berichterstattung

überMenschenmitMigrationshintergrund.

Ella Schindler präsentierte auch ein Projekt für Nachwuchsförderung. Die NdM-

Mitglieder,siealsRedakteurinundJeanFrancoisDrozak,Sozial-undTheaterpädago-

ge,organisierenseitzweiJahrendie„Druckerschwärze“.MitSchüler*innender8.,9.

und10.KlassewerdenzweiArtenvonZeitungproduziert:eineklassischesowieeine

dreidimensionale,welcheaufdieBühnekommt.InnerhalbvonvierTagenentstehen

so ein Theaterstück und eine Zeitungsseite. Die Schüler*innen – viele von ihnen

kommenaus FamilienmitMigrationsgeschichte - besuchenauch aneinemTagdie

Redaktionder „NürnbergerZeitung“und sehen,wieeineSeite imkomplettenPro-

duktionsprozessinklusivederKonferenzenentsteht.DasProjektwirdvonBundesamt

fürMigrationundFlüchtlingegefördertundmedialbegleitet.Auchbundesweitfand

esAnerkennungundwurdebeispielsweise imWirtschaftsmagazin„brandeins“vor-

gestellt.NunwerdenweitereMitstreiter*innenfürdasProjektgesucht,dassichnicht

nuraufNürnbergbeschränken,sondernbundesweitstattfindensoll.DankderFörde-

rungentstehendemjeweiligenVerlagkeineKosten.

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EineandereAktion,dieauchunterderBeteiligungdesNürnbergerNdM-Netzwerkes

stattfand,istderpolitischeAdventskalender.UnterdemMotto„MeinungstattScho-

kolade“ sprach vom1. bis zum24.Dezember jedenAbend inderAdventszeit eine

anderePerson -keinePolitiker*innen,sondern„normaleMenschen“,wieetwader

Vatereinesbehinderten Jungen.AlleSprecher*innengabeneinenkurzen Input zur

Frage,wiesichDeutschlandinzehnJahrenvorstellen.

DasPublikumbeteiligtesichregeandersichanschließendenDiskussion.DassProjektewie

„Druckerschwärze“ oder der Fortbildungstag die Einstellungspraxis von den Personalchefs

ändern,wurdenangezweifelt.AllerdingssindwenigerBerührungsängsteundgrößereOffen-

heitdadurchzubeobachten.

ZurSprachekamerneutdasWording.„Könnt ihrnichtendlichvondiesemverfluchtenBe-

griff ‚Migrationshintergrund’ wegkommen?“ fragte einer der Teilnehmer. Das Glossar der

NeuendeutschenMedienmacher liefert dazuVorschläge. So könneman zumBeispiel von

MenschenausEinwandererfamilienodermiteinerMigrationsgeschichtesprechen.

Das sei immer wieder auch ein Thema bei Redaktionsbesuchen, erklärte die NdM-

VorsitzendeSheilaMysorekar.VonMigrantenzusprechen,wennessichumMenschenhan-

delt,dieniemigriertsind,seiSchwachsinnundschlichtundergreifendfalsch.„UnsereAuf-

gabeistes,daraufhinzuweisenundsichdamitauseinanderzusetzen.DasGlossaristdafürda

undauchumzusensibilisieren.“DieGeschäftsführerinderNdM,KonstantinaVassiliou-Enz,

betonte,beianderenThemenwerdeauchaufpräziseFormulierungengeachtet:„Daswün-

schenwirunsauchzumGroßthema‚MigrationundIntegration’.“

AuchfernabdesForumswurdediskutiert.

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Forum: „Vielfalt verteidigen – jetztwird’s konkret. Unsere Forderungen fürmehrVielfaltindendeutschenMedien“

BeidemForum,geleitetvonSheilaMysorekar,KonstantinaVassiliou-EnzundAliceLanzke,

ging es zunächst umdieDiskussion und Formulierung der Forderungen und den anschlie-

ßendenBeschlusseinesPositionspapiers,dasandieMedieninFormeinerPressemitteilung

verschicktwerdensollte.DiedruckfrischeBroschüre„Wirwärendannsoweit“,eineHand-

reichungmitArgumentenfürmehrVielfaltindenMedien,dientealsEinstieg.DassdieFor-

mulierung gemeinsamer Forderungen der NdM im Forum kein einfaches Unterfangen ist,

zeigtendieunterschiedlichenMeinungenundeinelebhaftgeführteDebatte.

DerAnlassfürdasPositionspapiermitdenkonkretenForderungenistdieverändertegesell-

schaftlich-politischeSituation.„WirwollendieDiskussionnichtderAfDüberlassen,sondern

rausgehenundzeigen,wirsindda,wirhabenForderungenundAnsprüche.Wirhabenund

wollen einenBeitrag zu dieserAgenda leisten. Vor allemauch angesichts der 2017 anste-

hendenBundestagswahl“,betonteKonstantinaVassiliou-Enz.

Die Forderungen sollten um verschiedene Bereiche gruppiert werden. Nicht nur Personal

einschließlichderRekrutierungundFörderungjungerJournalist*innen,sondernauchInhal-

te,Haltung,Sichtbarkeit,FortbildungundAuswahlderThemenstandenzurDebatte.

IntensiveDiskussionenzurFrage„Quoteodernicht?“

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Quote

Für eine lange und kontroverse Diskussion sorgte das Thema „Quote“. Es hieß, wenn die

NdMfürVielfaltindenMedien,alsoauchVielfaltindenRedaktionenstehenundtrotzder

bisherigen Debatten nichts passiert ist,müsse die Frage nach der Quote gestellt werden.

ÄhnlicheinerFrauenquotesollteeseine„Vielfaltquote“geben.

20ProzentderdeutschenGesellschafthabeneineMigrationsgeschichte,indenMedienbe-

trägtderAnteilvon Journalist*innenausEinwanderfamilienallerdingsnur2bis4Prozent.

Die letztenZahlendazugibtesvon2009.Für2015 liegennurSchätzungenvor.DerGrund

ist,dasssolcheDatenindenRedaktionennichterhobenwerden.Undwenn,werdensieoft

geschönt.AlsBeispielwurdederSWRgenannt,derjede*nMitarbeiter*in,die*dereinJahr

imAuslandwar,alsinterkulturellkompetenteinstufthabe.

AngemerktwurdeinderDiskussion,dassesauchdarumgeht,wodieQuoteanzusetzenist.

EsgehtumEntscheidungsträger*innen.„Esmagsein,dassvieleMenschenmiteinerMigra-

tionsgeschichteihrenWegindieRedaktionengefundenhaben,dochindenEntscheidungs-

positionensitzenalte,weißeMännerunddahilftnurdieQuote“,sagteeineTeilnehmerin.

Gegenstimmenwiesendaraufhin,dassdannwenigerQualifizierteeingestelltwerdenkönn-

ten,nur,umdieQuotezuerfüllen.„EineQuote funktioniertnur,wennmangleichqualifi-

zierteLeuteeinstellt“,entgegneteKonstantinaVassiliou-Enzdem.

VeraBlock,eineRundfunkjournalistin, sprachsich fürdieQuoteaus.Sie seigefördertund

rekrutiertworden,danachseisieaberandiegläserneDeckegestoßen.„Seitknapp20Jah-

renbin ichdabei,Beiträgezumachen.EineKarriere indendeutschenMedienzumachen,

wurdemiraberverwehrt,undesliegtnichtanmeinenFähigkeiten,sondernanbestimmten

Strukturen“,sagteBlock,diebereitsmehrereRadiopreisegewonnenhat.

SheilaMysorekarerinnerteandenWegvonFrauenindieRedaktionen,derauchkeineinfa-

ches Unterfangen gewesen sei. „Willman noch 40 Jahrewarten, bismehr Vielfalt in den

Medienist“,fragtesieindieRundeundsagte:„EsgibtArgumentefürundgegendieQuote,

dieseistabereineMöglichkeitzuzeigen:HiergibteseinProblem,sowirdeineDiskussion

angestoßen.“AlsBeispielfüreinegutfunktionierendeQuotewurdeKanadagenannt.

KlausBadesprachvonderGefahrderpositivenDiskriminierung,diedurchQuotepassieren

könnte.„AndererseitsgehtesindiesemLandnichtsohnePolitisierung“,meintederMigrati-

onsforscher.„EineQuotebringtdieDinge indiepolitischeDiskussion.“Soauchgeschehen

mitderGleichstellungsbeauftragtenandenUnis,dankdereresimEndeffektmehrweibliche

Professorinnengebe.

Während es schon kaum weibliche Chefredakteure gebe, seien solche mit Migrationsge-

schichtepraktischnichtexistent:HierfalleeinemnurGiovannidiLorenzovonderZEITein.

DieQuoteseinotwendig,umdasThemainsGesprächzubringen,einSignal,umAufmerk-

samkeitzuerregen–ohnedieQuotealsDiskussionsansatzseiesnichtzumachen,meinte

ein Kollege vom ZDF. Der Protest kam von einer Nebensitzerin, einer jungen Journalistin:

„IchwillaberkeinQuotenmigrantsein“.SiemöchtenichtübereineQuoteindieRedaktion

hineinkommen,dasfühlesichfalschan.

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RelativiertwurdedieseGegenstimmemiteinemBeispielausBerlin,daseinKollegevorstell-

te.DieStadthateineQuoteimöffentlichenDienst.DasZielist,denAnteilderMenschenmit

Migrationsgeschichte in der Verwaltung an den anzugleichen, der in der Bevölkerung

herrscht. 2008 fing das Projektmit Auszubildenden an. Die Personalchefs sind dadurch in

Legitimationsdruckgekommen,wieundwensieeinstellen,beigleicherQualifikationwohl-

bemerkt.DieReflexionsprozessebeidenPersonalchefswurdendankderentstandenenDis-

kussionausgelöst.WennesfürdieForderungnachVielfalteinebreiterepolitischeBasisgibt,

dannwerdendieRedaktionen,dieVerlage legitimierenmüssen,wiediepersonelleZusam-

mensetzungineinerRedaktionaussieht.DerpolitischeImpulseinerQuotenachaußen,und

auchderpraktischepersonalpolitischeImpuls,seiennichtzuunterschätzen.DieQuotierung

imöffentlichenDienst isteinsehrwichtiges InstrumentundhatunglaublichstarkenDruck

ausgelöst.

Hingewiesenwurde zudemdarauf, dass es keineQuotierung in den Strukturen der Rund-

funkrätegibt. EswürdenParteien,Gewerkschaftenoder Journalistenorganisationen reprä-

sentiert,aberkeineMenschenmitMigrationsbiografie.DasseieinerstespolitischesSignal,

daseszusetzengelte.

AmEndederDiskussionimForumherrschtekeineeinvernehmlicheMeinungbezüglichdes

Quoten-Themas,eswurdeaberdieNotwendigkeiterkannt,darüberöffentlich zudiskutie-

ren.

RegeBeteiligungamForumderNdM-Bundeskonferenz

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Wording,Inhalte,Haltung

Journalist*innen sind Spracharbeiter*innen, es ist wichtig, wie wir uns ausdrücken. Das

NdM-Glossar liefertentsprechendeHilfestellungdazu.DabeigehtesnichtumVorschriften

fürbestimmteBegriffeoder Formulierungen, sondernumdasAufzeigenvonpräzisenund

vorurteilsfreienAlternativen.Wichtig istdenNeuendeutschenMedienmacherndieVielfalt

derPerspektivenunddieHaltung, die sich inder Themenauswahl zeigt.Man sprichtüber

etwas,dieFrageistnurwie.MitmehrVielfaltgebeesmancheDiskussionengarnicht.

KonstantinaVassiliou-EnzwiesaufeinenwichtigenpolitischenPunkthin:dieHaltung.„Wir

müssenwieder dazu auffordern, dassmehr Vielfalt herrscht“, sagte sie. „Unsere Haltung,

daswaswir inden letzten JahrenerreichthabenzuDiversity,dassmehrKonsensdarüber

herrscht,dassDeutschlandeinEinwanderungslandist-dasistnichtzufälligpassiert,sondern

eswareinechterFortschritt,eineechteEntwicklung.“ImMomentfühleessichan,alsobes

wieder rückwärtsgehe. „Als ob die Themenüberhaupt nichtmehr aus unserenAugen be-

trachtetwerdenmitVielfalt,Humanismus,gleichenRechten.JetztmussmanRassistenbes-

serzuhören,ichweißnicht,wasmansichdavonverspricht.“Eswärezudemgut,Dingebeim

zuNamen nennen, also beispielsweise von Rassisten und nicht von besorgten Bürgern zu

sprechen.

DieBerichterstattungsolltekonstruktiversein,meinteeineTeilnehmerin.Eine,dieauchpo-

sitive BeispielemitMenschenmitMigrationsgeschichte ins Licht rückt. Eine, die klar und

klarermacht,dasseinFünftelderBevölkerunginDeutschlandWurzelninanderenLändern

hat.DazugehörtenebenfallsExpert*innen,dienichtzwangsläufigundnurzuMigrationsfra-

gen befragt werden sollen, sondern als Psycholog*innen, Jurist*innen oderWissenschaft-

ler*innenihreExpertisezurVerfügungstellen.„SiesindinallenTeilenderGesellschaftver-

treten und selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Solange aber die Redaktionen nicht

vielfältig besetzt sind, habenwir nicht das Bewusstsein in denRedaktionen, dass auch je-

mandmiteinemausländischenNachnameneinExperteinderGesundheitspolitik ist“,hieß

es.HieristbeispielsweisederVielfaltfinderderNeuendeutschenMedienmachereinhilfrei-

chesTool.

Forderungen

Nacheiner langenDiskussionwurde eine Listemit Forderungen aufgestellt, die einen Tag

nach der Bundeskonferenz derNdMkonkretisiert und als Pressemitteilung an dieMedien

verschicktwurde.(Hiernachzulesen)

NebenderumstrittenenFragederQuote,diemiteinemAusruf„MehrHusseinsindenRe-

daktionen“pointiertwurde,machtendieTeilnehmer*innendesForumsdeutlich,dass sie,

MenschenmitMigrationsgeschichte,einTeildesAlltagsundnichteinTeildesProblemssein

wollen.EineGrundforderung,die zwar selbstverständlichscheint,aberangesichtsderder-

zeitigenpolitischenundgesellschaftlichenStimmungdennochformuliertwerdenmuss.

AngesprochenwurdenwirtschaftlicheArgumentevonVerlagen,diemitderAngstvorVer-

lustderLeser*innenargumentieren,wennsieihreBerichterstattungoderdasPersonal„viel-

fältigergestalten“.AndererseitsistesaucheinSich-verschließenvorneuenGruppen.Diese

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LeserschaftmussmanimAugebehalten,dennaufgrundderdemographischenEntwicklung

werdenin20Jahren50ProzentderGesellschaftMigrationsgeschichtehaben.Medienhäuser

sollenperspektivischdenkenundMutzuneuenZielgruppenhaben.UndauchimBereichder

AusbildungundFortbildunggehöreninterkulturelleInhaltemithinein,beigleichbleibender

QualitätkönntenKriteriengeändertwerdenundnichtnurdasWissendesBildungsbürger-

tumsrundumBarbarossaabgefragtwerden-auchFaktenzuRamadangehörtendazu.

DieForderungenderNeuendeutschenMedienmacher fürmehrVielfaltindenMedien

• Mut zu neuen Zielgruppen! Heute lebenmehr als 20 ProzentMenschenmit

Einwanderungsgeschichte in Deutschland – eine wachsende demographische

Gruppe,diederzeitvondeutschenMedienkaumangesprochenwird.

• SchlussmitderMonopolisierungdes„besorgtenBürgers“:NichtnurdieSorgen

vomrechtenRandsindernstzunehmen–auchüberdieSorgenvonmehrals

20 Prozent der Bevölkerung, die von Rassismus bedroht sind,muss berichtet

werden.

• WirforderneineBerichterstattung,dieMenschenausEinwandererfamilienals

TeildesdeutschenAlltagsundnichtnuralsProblemzeigt.

• Wir fordern interkulturelle Kompetenz in der journalistischen Ausbildung, zur

ProfessionalisierungvonMedienmachernineinerMigrationsgesellschaft.

• Wirfinden,esistanderZeit,übereineQuotenfürMedienschaffendeausEin-

wandererfamilienzureden.

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Podiumsdiskussion:„Wirwärendannsoweit“

mitderVorsitzendenderNdM,SheilaMysorekar;derChefredakteurindesOnlinemagazins„VICE“, LauraHimmelreich; der stellvertretendenProgrammchefin von Funkhaus Europa(WDR),SchiwaSchleiunddemTürkei-KorrespondentenderWeltN24-Gruppe,DenizYücel.DieModerationübernahmdertaz-JournalistJanFeddersen

AuchbeideranschließendenPodiumsdiskussion,beiderdieaufgestelltenForderungendem

ersten Praxistest unterzogen wurden, spielte das kontroverse Thema „Quote“ eine große

Rolle.ZunächstfragteJanFeddersendiePodiumsteilnehmer*innenallerdingsnachderPar-

tizipation vonMenschen, dienicht „einenurdeutschenGartenzaun-Hintergrundhaben“ in

denjeweiligenRedaktionen.

JanFeddersen(taz)moderiertediePodiumsdiskussionbeiderNdM-Bundeskonferenz.

LauraHimmelreichbemerkte,dassessichbeiVICEumeininternationalesTeammiteinem

40-prozentigenAnteilvonMenschenmitMigrationsgeschichtehandele.150Menschenar-

beitendort,davon50inderRedaktion.DennVICEseiaucheineEvent-undWerbeagentur.

„WirsindeininternationalerKonzernundbrauchenkeineFörderprogramme“,sodieChef-

redakteurindesOnlinemagazins.DieFrage,obsichdasvielfältigeTeambeiderLeserschaft

bemerkbarmache,konnteHimmelreichnichtbeantworten.GelesenwerdeVICEabermeis-

tens von Großstädter*innen, die aufgeschlossen und tolerant seien. Berlin bilde einen

Schwerpunkt.ImOstenfändensicheherwenigerLeser*innen.

EtwasprovokativmeintederModeratorFeddersen,dassbeiderARDMigrant*innenkaum

vertretenseien.„Ichfinde,einIngoZamparonireichtnicht“,sagteer.DasseibeiFunkhaus-

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Europa vonWDR anders, entgegnete Schiwa Schlei. ZweiDrittel derMusikredaktion habe

keinendeutschenBackground.Seit2005gibtesbeiWDRzudemdasProjekt„Grenzenlos“,

bei dem gezielt nach journalistischem Nachwuchs aus nicht klassischen deutschen Her-

kunftsfamiliengesuchtwird.

DenizYücelsprachvon„Quotentürken“imHausSpringer.Wievieleesseien,wissederTür-

kei-Korrespondentnicht.DemChefredakteurder„Welt“habeerkürzlicherklärt:„DieseZei-

tungheißt‚DieWelt’undnicht‚Hinterland’.DubrauchstTürkeninderZeitung“.Erhabedas

nichtgesagtausGründenderpolitischenRepräsentation,erklärteYücel,sondernweilman

diebessereReportagevoneinerAKP-DemonstrationinKölnschreibe,wennmandasMilieu

kenneunddieSprachespreche.

NdM-VorsitzendeSheilaMysorekar

SheilaMysorekar arbeitet bei der Akademie derDeutschenWelle. DieDW sendet in fünf

Sprachen(TV),Radioundonlinewerdenin30Sprachenangeboten.DergroßeTeilderBe-

legschaftistschondeshalbinternational,siestammenaus53Ländern.Dasinteressanteist:

ObwohldieBelegschaftso„gemischt“ ist,sindalleChefs,bisaufganzwenigeAusnahmen,

weißeDeutsche.„DagibtesvielUnmutauchunterdenMitarbeiterndarüber.Warumkön-

nendie Leute,die seit30 JahrenguteArbeitmachen,nichtdieChefs sein?“, sodieNdM-

Vorsitzende.SiewürdenichtsoweitgehenundeinebewussteStrategiederDWunterstellen,

allerdings sei die Politik zumindest so, dass sie eine gleichmäßige Durchlässigkeit für alle

nichtfördere.Dasseisymptomatisch,auchwasFrauenangehe.JeweitermandieKarriere-

leiteraufsteige,destoweißerundmännlicherwerdees.

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AlsesweiterumdieeinzelnenForderungenderNdMging,kamdiekontroversdiskutierte

QuotezurSprache.SiesollalseinnützlichespolitischesInstrumentfungieren.SchiwaSchlei

betontemehrmals, sie sei dagegen. In jeglicherHinsicht, ob bei Frauenquote oder in den

Chefetagen:„WirlebenineinerZeit,woesnichtnotwendigist.IchmöchteauchkeinenJob

haben,denichaufgrundvoneinerQuotebekommenhabe.“DaraufhinkonterteMysorekar:

„MöchtestdunichtdenJobbekommen,weildudiebist,diedubist?“Schleinehmeesnicht

sowahr:Essolleselbstverständlichsein,dassmaneineStellebekommewegenderQualifi-

kationen.LauraHimmelreichvonVICEsprachsichauchgegendieQuoteaus,aberausande-

renGründen. SeitMai sei sie aufder SuchenachPersonal und findet keins.DasProfil sei

spezifisch. Der Ansatz: Junge Leutemachen Journalismus für junge Leute. Der jüngste im

Teamist19,derälteste36-entsprechendderZielgruppe.Esseischwer,Personalzufinden.

WenndanocheineQuotealsEinschränkungdazukäme,würdesienochmehrSchwierigkei-

tenhaben,dieStellenzubesetzen.

LauraHimmelreich(VICE),SchiwaSchlei(WDR),DenizYüvel(DieWelt),SheilaMysorekar(NdM,DeutscheWelle)

„KultursensibleBerichterstattung“,hießesauchineinerderForderungen.DenizYücelmiss-

fieldieFormulierung.„Ichfindeesvölligfalsch,inmehrererHinsicht“,meinteer.Auchwenn

erdasZiel,mehrMenschenmitMigrationshintergrundindenRedaktionenzuhaben,ansich

begrüße, seidieHerangehensweise falsch.AlsdaspolitischgrößteProblemseheYüceldie

„kultursensibleBerichterstattung“:„Ichweißnicht,wasdasseinsoll.“InIstanbulbeieinem

HintergrundgesprächbeklagtedieAKP,dassausländischeJournalistensounsensibelgegen-

überderTürkeiseien.Siesolltenkultursensiblersein:„Alsoauch‚kultursensibel’berichten,

wenndieVergewaltigungvonZwölfjährigenstraffreiwird,wennderTäterdasOpferheira-

tet? Das ist deren Argumentation, die westlichen Medien haben kein Verständnis dafür.

MeineHaltungzudenDingenistnichtausderkultursensiblenPerspektive,sonderninTradi-

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tion derAufklärung unduniversalistischer humanistischerWerte.Diesen Ethnopluralismus

findeichgrundfalsch“,meinteYücelundernteteBuhrufeausdemPublikum.Erprovozierte

indes weiter und sagte, mit dem Begriff „kultursensibel“ könneman vieles rechtfertigen.

UndweilebendieserfüreinesolcheInterpretationoffensei,habeerdamitgroßeSchwie-

rigkeiten.

AusdemPublikumkamenempörteStimmen,diekritisierten,solcheExtremfällezurRecht-

fertigungzunutzen.Problematischseies,wennmandieVergewaltigungeinesMädchensals

ArgumentinsSchlachtfeldführebeieinerDiskussionzuVielfaltundQuote.„Vorallem,wenn

esoffensichtlichist,dasseseinegläserneDeckegibt.DassdieMedienlandschaftvonweißen

Männern,nichtbehindert,nichtmigrantischdominiertwird“,hießes.„Esgehtdarum,dass

wirzuwenigvertretensind.“Hochproblematischseies,sichindiesenFragenzurPartizipati-

onundRepräsentanzspaltenzulassen.„Dassolltenwirüberwinden,denndassindauchdie

ArgumentederGegner,derenJobswireigentlichwollen“,meinteeinTeilnehmer.

SheilaMysorekarerklärteerneut,worumesbeidemBegriff„kultursensibel“eigentlichgeht.

Eigene Vorurteile sollten nicht als Filter benutzt werden. „Zu oft sehenwir, dass es nach

SchemaFzugeht,BebilderungistimmerdietürkischeMuttimitdemKopftuchundderAldi-

Tüte“,sagtesie.DieDifferenzierungunddieKontextualisierungfehlten,imPrinzipwerdemit

simplenVorurteilenoperiert,da„woichvonJournalistenausderhandwerklichenArgumen-

tation heraus verlange, dass sie differenziert und im Kontext überMenschen, Situationen

undüberpolitischeLageberichten“.

JanFeddersenwolltewissen,obdieBerichterstattungzurSilvesternachtinKölnbesserund

kontextualisierter gewesen wäre, wenn mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in den

Redaktionengewesenwären.„DerPunkt ist,manmusskeineMigrationsgeschichtehaben,

umdifferenziertzuberichten“,meinteMysorekar.AlsfrüherRedaktionenjedochausschließ-

lichmännlichbesetztwaren,habeesbeieinemBerichtzueinerVergewaltigungpassieren

können,dassmancheKollegensagtenodergar schrieben: „GuckmalderRockwarviel zu

kurz, selber schuld“.Wenn genügend Frauen in den Redaktionen sitzen,würden sie dann

sagen:„Momentmal,vielleichtistdieseSichtnichtunbedingtrichtig,sozuberichten“.Der

BlickwinkelinvielfältigbesetztenRedaktionenseianders,eskämenMeinungenundandere

Perspektivenhinzuundmandiskutieredifferenzierter.Der„KölnerStadtanzeiger“habeüber

dieKölnerSilvesternachtunaufgeregtundausgewogenberichtet,sachlichkorrektundnichts

verschwiegen. Nordafrikanische Männer seien nicht per se verdammt und als Grabscher

dargestelltworden,diesichnuranweißeFrauenranmachenwollen.BeianderenMediensei

nicht differenziertworden, eine ganzeGruppewurdepauschal vorverurteilt,was für viele

Menschen,dienordafrikanischerHerkunftsindundinDeutschlandlebenundarbeiten,kata-

strophalwar.SiefandensichineinerGruppewiedermitLeuten,mitdenensienichtszutun

habenwollten:„Wirsolltendahinkommen,dasssolchGeneralisierungen,dieinhaltslossind,

aberRessentimentsschüren,verhindertwerdensollen.“

Esseiwichtig,dasKölnerBeispielzunehmen,denndiesesseimassivvonAkteur*innender

extremenRechteninstrumentalisiertwordenalsangeblichesErgebnisderAufnahmezuvie-

ler Flüchtlinge,Migranten undMuslime.Wennman sich die Berichterstattung überMen-

schen mit Migrationsgeschichte anschaut, dann müsse diese im Kontext einer erstarkten

rechtenBewegunggesehenwerden.Dieseberichtetnichteinfachso(vorallemindensozia-

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lenNetzwerken),sonderntuteszueinempolitischenZweck.Vondaherseieswichtig,sich

hierzuzupositionierenundwiedieNdMdarüberdiskutieren.„Esmusseinemklarsein,wie

bestimmte Diskurse instrumentalisiert werden. Das ‚Wie’ entscheidet dabei“, meinte die

NdM-Vorsitzende.

Ein wichtiger Punkt sei dabei die Aufweichung des Pressekodex, vor allem der Richtlinie

12.1.,nachdereineHerkunftsnennungderTäterbeiStraftatennichterfolgt,wenneskeine

Relevanzhat.„WozuhatmandanndenPressekodex,wennernichternstgenommenwird,

was bedeutet es,wenn er langsam aufgeweichtwird, aus politischenGründen.Oderweil

vonrechtsDruckkommt.WasbedeutetesfürunsJournalisten,wennwirdasmachen,sich

demDruckbeugenunddenPressekodexnichtbeachten?“fragteMysorekarindieRunde.

DenBogenzurQuoteschlugerneutderModerator.„IchbinfüreineGenerationQuote.Und

in den Journalistenstudiengängen, diemit Steuergeldern finanziert werden, sollte es eine

Quote geben.Das ist ein Zeichender Ermutigung“, sagte Feddersen. Bei einerQuote ver-

sprecheer sich,dass sichdieWahrnehmung inRedaktionskonferenzändere,dass sichdas

bessermischeundandereHintergründemithineinkämen.SchiwaSchleibehauptete,dass

wahrscheinlichnicht sovieleMenschenmitMigrationsgeschichte Journalist*innenwerden

wollten:„WarumsolltenwirdieHälftealleJournalistik-Studienplätzefreihalten?“Sinnvoller

wärenachzudenken,wiedieverschiedenenBackgroundseineRedaktiondurchKompetenz

bereichernkönnten–unddamitseinichtnurSprachkompetenzgemeint.LautstarkerProtest

kamausdemPublikum.„WirwollenJournalistenseinundüberalleThemenberichten,un-

abhängig von unserer Herkunft“. Davon auszugehen, dass Menschen mit Migrationsge-

schichteüberhauptnicht Journalistenwerdenwollen, sei genaudie falscheAnnahme.Die

Argumente dafür finden sich in derHandreichung „Wirwärendann soweit“. Konstantina

Vassiliou-EnzverwieszudemaufeineStudievon2015.Demnachkönntensich 30Prozent

derjungenMenschenmitMigrationsgeschichtevielleichtvorstellen,Journalist*inzuwerden

–genausovielewieunter„Biodeutschen“.HiergebeeskeinenUnterschied,Journalismussei

generellnichtsobeliebt.DieStudiezeigte,dassjungeMenschensicheinenBerufaussuchen,

wenn sie Vorbilder dafür haben, in der Familie, im Bekanntenkreis.Wenn darunter keine

Journalist*innensind,wirdderBerufnichtgewählt.

Mansolltezudemimmerwiederdaraufhinweisen,dassJournalist*innenmitMigrationsbio-

grafienichtzwangsläufigExpert*innenfürMigrationsthemenseien.Oftpassiereesaber in

den Redaktionen, dass jemand, der eineMigrationsgeschichte hat, alle Themen rund um

Migration,TerrorismusundIslammachenmüsse–oderumgekehrtnichtmachendürfe,weil

erangeblichzubefangensei.„EsgehtumKompetenzunddiekannsichjedererarbeiten“,

betonteMysorekar.

EinArgument für die Vielfalt biete das Beispiel einerUmfrage,wie eine Teilnehmerin aus

demPublikumerklärte.Wenneinbiodeutscher Journalistdiesemache,würdennur„Stan-

dard-Deutsche“,aberkeinenicht-weißenoderetwabehinderteMenschenbefragt.DasBild,

das indenMediendadurchkreiertwerde,bleibe sobiodeutschundweiß,20Prozentder

Bevölkerung fühlten sich nicht repräsentiert. Allein da würde es schon eine Veränderung

bringen,wennJournalist*innenmitMigrationsgeschichtedieseUmfragemachten,weildiese

aufganzandereLeutezugehenwürden.WenndieseUmfragensofunktionierenwürdenund

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wirunsalsNdModerMenschenmitMigrationsgeschichtewiederfänden,bedürfteeskeiner

Quote.

DiskussionenüberbrisanteThemenfehlten,meinteeineKollegin.„Wennwirunsnichtdazu

positionieren,etwazupatriarchalenStrukturen,dannüberlassenwiresdenanderen,auch

denPopulisten“DenizYücelgingaufdemPodiumeinenSchrittweiter:„Journalismusbedeu-

tet:Schreiben,was ist“.BestimmteBegriffehättensich imlinksliberalemDiskursverfestigt

undmanbenützesie,ohnesiezuhinterfragen.EsgebezumBeispieleingewalttätiges,gro-

ßesRassismusprobleminOstdeutschland.„EssinddieOssis,dassinddieSachsenundesist

richtig,dasbeiNamenzubenennen.Nichtrelativieren.“Demwurdeentschiedenausdem

Publikumwidersprochen:Wennsogeneralisiertberichtetwerde,führeesdazu,dassgenau

dieseRessentimentsimOsterzgebirgegeschürtwerden.„Dagegensolltenwirunsalsvielfäl-

tige Journalisten positionieren.“ Sheila Mysorekar sagte: „Ich verlange von Journalisten,

nichtalsPrivat-Personen,aberwennwirarbeiten,dasswirdieDingedifferenzierterbetrach-

ten. Dasmüssen wir auch.Wir können nicht mit Hau-drauf-Argumenten hantieren, ohne

genauzugucken.Wennwirberichten,dannmüssenwiresvernünftigtun.“Yücelentgegne-

te,mitderDifferenzierungwürdemankeinerichtigenAussagenmehrtreffenkönnen.„Man

mussdifferenzieren,abermanmussauchgeneralisieren“,meinteer.Differenzierenalleine–

dasseienAbwertungen.

LebhafteDiskussionzumAbschlussderNdM-Bundeskonferenz

EineTeilnehmerinappellierte,dieDiskussionumVielfalt,DifferenzierungundQuotezuver-

sachlichen:„WirsprechenausderpersönlichenOpferhaltung.WirsindmitdemThemagroß

geworden, da ist es schwierig, die Emotionen zurück zu halten. Es wäre begrüßenswert,

sachlichdaraufzuschauen“.DemwidersprachFeddersen:„JournalismusohneEmotionenist

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keiner.“AußerdemfehleesihmanRadikalismusbeidenNdM.„Warumseidihrsonichtra-

dikal?Warumsagtihrnicht:WirwerdendenMedienhimmelerobern,obeseuchpasstoder

nicht.MitunserenErzählungen,unserenPerspektivenundwirsindnichtnurfürMigrations-

themenda.“KonstantinaVassiliou-Enzerklärte,dassdieForderungeninderDiskussionund

im Konsens entstanden seien. Die Forderung und Analyse zugleich klaffe allerdings ausei-

nander,merkteDenizYücelkritischan.„Alswassprecht ihr?Bewertet ihroder fordert ihr

JobsundPartizipation?“SheilaMysorekarerklärte:„WirfordernundgebendazuZahlenund

Begründungen.“DerpolitischeKontext sei schwierigergeworden. „Wirmüssenunsdage-

naueraufstellen,überlegen,wieundwowasberichtenundwelcheVerantwortungwirals

Journalistenhaben.EsgehtnichtmehrnurumVielfalt,inzwischengehtesumvielmehr.“

DokumentationverfasstvonNdM-VorstandsmitgliedJoannaMariaStolarek.Fotos:MosjkanEhrari

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