neuromagnetische untersuchungen oszillatorischer ... · aus dem universitatsklinikum m¨ unster¨...

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Aus dem Universit¨ atsklinikum M¨ unster Institut f¨ ur Experimentelle Audiologie - Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. med. B. L¨ utkenh¨ oner - Neuromagnetische Untersuchungen oszillatorischer Gehirnaktivit¨ at als Korrelat von Bindungsmechanismen in der auditorischen Modalit¨ at Inaugural-Dissertation zur Erlangung des doctor rerum medicinalium der Medizinischen Fakult¨ at der Westf¨ alischen Wilhelms-Universit¨ at M¨ unster vorgelegt von Arne Knief aus Oldenburg – 2003 –

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Page 1: Neuromagnetische Untersuchungen oszillatorischer ... · Aus dem Universitatsklinikum M¨ unster¨ Institut f¨ur Experimentelle Audiologie - Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. med

Aus dem

Universitatsklinikum Munster

Institut fur Experimentelle Audiologie

- Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. med. B. Lutkenhoner -

Neuromagnetische Untersuchungen

oszillatorischer Gehirnaktivitat

als Korrelat von Bindungsmechanismen

in der auditorischen Modalitat

Inaugural-Dissertation

zur

Erlangung des doctor rerum medicinalium

der Medizinischen Fakultat

der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster

vorgelegt von

Arne Kniefaus Oldenburg

– 2003 –

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Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultat

der Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster

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Dekan: Univ.-Prof. Dr. Heribert Jurgens

1. Berichterstatter: Prof. Dr. Christo Pantev

2. Berichterstatter: Priv.-Doz. Dr. Mathias Bode

Tag der mundlichen Prufung: 2. Oktober 2003

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Aus dem Universitatsklinikum Munster

Institut fur Experimentelle Audiologie

– Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. med. B. Lutkenhoner –

Referent: Prof. Dr. C. Pantev

Koreferent: Priv.-Doz. Dr. M. Bode

Zusammenfassung

Neuromagnetische Untersuchungen oszillatorischer Gehirnaktivitat

als Korrelat von Bindungsmechanismen in der auditorischen Modalitat

Arne Knief

Bindungsmechanismen im Gehirn sind bei der auditiven Wahrnehmung von Klan-gen, von Musik und Sprache auf vielfaltigste Weise beteiligt. In dieser Arbeit wurdemit Hilfe der Magnetoenzephalographie die Spezifitat von oszillatorischer Gehirn-aktivitat aus dem Gammaband, einem Frequenzband um 40Hz, fur unterschiedlicheBindungsmechanismen bei der Wahrnehmung von Klangen betrachtet. In drei Stu-dien wurden die Auswirkungen der Koharenzeigenschaften, des Kontextes und derinternen Reprasentation von auditorischen Stimuli auf die evozierte und induzierteGammaband-Aktivitat untersucht. Die Methode der Wavelet-Transformation wurdegenutzt, um die transiente oszillatorische Aktivitat in ihren evozierten und induzier-ten Eigenschaften zu analysieren und Latenzen und Frequenzen der Antworten zubestimmen.

In der ersten Studie wurde untersucht, ob die Koharenz akustischer Stimuli, diesich bei harmonischen und unharmonischen Klangen unterscheidet, Einfluss auf dieGammaband-Aktivitat hat. Abhangig von der Koharenz konnten in der evoziertenGammaband-Aktivitat Zeitdifferenzen fur die Maxima, Abweichungen in den Ge-neratororten und eine veranderte Komplexitat nachgewiesen werden.

In der zweiten Studie wurden Tone in einem unterschiedlichen Kontext dargebo-ten, in dem einmal ein Tonhohenvergleich gleichzeitig binaural prasentierter Toneund einmal ein Vergleich eines Tones mit einer Vorlage aus dem Arbeitsgedachtniserforderlich war. In der Gammaband-Aktivitat konnten Unterschiede in der Latenzund Amplitude sowie in der langsamen N1m-Komponente Abweichungen im Gene-ratorort beobachtet werden.

Die Wirkung interner Reprasentationen auf oszillatorische Gehirnaktivitat wurdein einer dritten Studie untersucht, in der die Probanden sich Abschnitte von Me-lodien vorstellen mussten. Statt Effekten in der evozierten Aktivitat konnte einesimultane Reduzierung der induzierten Aktivitat im 8–12Hz-Band und im Gamma-band wahrend des Vorstellens uber ausgedehnte Areale beobachtet werden.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die evozierte Gammaband-Aktivitat ab-hangig von den akustischen Reizen und damit von bottom-up-Prozessen generiertwird. Werden zusatzlich Bindungsmechanismen wie bei der Wahrnehmung koharen-ter Stimuli oder Vergleiche mit Vorlagen aus dem Gedachtnis benotigt, so konnendiese die Antworten in ihren Eigenschaften modulieren. Hohere kognitive Prozes-se alleine, wie das Vorstellen von Melodien, scheinen keine evozierte Gammaband-Aktivitat zu generieren, sondern zeigten Effekte in der oszillatorischen induziertenAktivitat in verteilten Arealen.

Tag der mundlichen Prufung: 2. Oktober 2003

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

1.1 Merkmalsintegration durch zeitliche Synchronisation . . . . . . . . . . 3

1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat . . . . . 4

1.3 Oszillatorische Gammaband-Antworten in der auditorischen Modalitat 10

1.4 Hypothesen und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 Bindungsmechanismen in der auditorischen Modalitat 15

2.1 Bindungsprozesse bei der Tonhohenwahrnehmung . . . . . . . . . . . 15

2.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System . . . . . . . . . . . . . . 19

2.3 Top-down-Aktivitat bei fehlendem sensorischen Reiz . . . . . . . . . . 21

3 Einfuhrung in die Magnetoenzephalographie 24

3.1 Bestimmung des Dipolfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

3.2 Gradiometersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4 Zeit-Frequenz-Analyse 28

4.1 Evozierte oszillatorische Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.2 Induzierte oszillatorische Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.3 Magnitude Squared Coherence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

4.4 Implementierung der Wavelet-Transformation . . . . . . . . . . . . . 32

4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten . . . . . . . . . . 34

4.5.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4.5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4.5.3 Diskussion und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4.6 Illustration des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

4.6.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

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4.6.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

4.6.3 Diskussion und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 47

5 Wahrnehmung koharenter Stimuli 48

5.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

5.1.1 MEG- und EEG-Messungen und Stimuli . . . . . . . . . . . . 49

5.1.2 Zeit-Frequenz-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.1.3 Quellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.1.4 Unabhangige Komponentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 51

5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

5.2.1 Evozierte Gammaband-Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . 52

5.2.2 Induzierte Gammaband-Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . 55

5.2.3 Unabhangige Komponentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 56

5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

6 Untersuchung von top-down-Aktivitat im auditorischen System 59

6.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

6.1.1 Probanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

6.1.2 Stimulation und Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6.1.3 MEG-Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

6.1.4 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

6.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

6.2.1 Psychoakustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

6.2.2 Lokalisation der N1m-Komponente . . . . . . . . . . . . . . . 63

6.2.3 Evozierte Gammaband-Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . 63

6.2.4 Induzierte Gammaband-Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . 66

6.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

7 Oszillatorische Aktivitat ohne sensorische Stimulation 68

7.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

7.1.1 Stimulation und Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

7.1.2 Elektrophysiologische Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . 71

7.1.3 Analyse der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

7.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

7.2.1 Induzierte oszillatorische Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . 72

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7.2.2 Evozierte oszillatorische Aktivitat . . . . . . . . . . . . . . . . 78

7.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

8 Diskussion 82

8.1 Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur koharente Stimuli . . . . . . 82

8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System . . . . . . . . . . . . . . 87

8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information . . . . . . 92

9 Zusammenfassung und Ausblick 98

Literaturverzeichnis 101

Lebenslauf 116

Danksagung 118

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1

Einleitung

Das Gehirn ist das zentrale Organ, wenn es um die Wahrnehmung und Verarbeitung

außerer Reize und die Reaktionen des Organismus darauf geht. Es gibt ein wach-

sendes Interesse daran, wie die neuronalen Prozesse des Gehirns die verschiedenen

Sinnesreize der Umgebung voneinander unterscheiden und wieder zu einer einheit-

lichen Wahrnehmung zusammensetzen konnen. Die Faszination der Untersuchung

des Gehirns liegt in dem Zusammenwirken der Neuronen als kleinste Einheiten in

Netzwerken, die komplexeste Leistungen vollbringen konnen. Die Neurowissenschaf-

ten, aber auch die Physik und Psychologie, beschaftigen sich schon seit langem mit

der Frage, wie unser Gehirn diese Leistungen vollbringt.

Die Leistungsfahigkeit wird z. B. deutlich, wenn die sprichwortliche Suche nach

der Nadel im Heuhaufen betrachtet wird. Welche Verarbeitungsschritte werden bei

dieser Suche benotigt? Es wird zuerst eine Vorstellung gebraucht, wie die gesuchte

Nadel aussieht und wie im Gegensatz dazu das Heu aussieht. Diese Vorstellungen

werden als innere Reprasentationen der gesuchten Objekte bezeichnet. Die Aufmerk-

samkeit muss selektiv auf den Heuhaufen gerichtet werden. Die Sinneseindrucke des

Auges mussen als nachstes verarbeitet werden. Die verschiedenen Eigenschaften –

features – wie Form, Farbe und Ort der Halme mussen zu einheitlichen Objekten

zusammengesetzt werden – binding – und von ihrer Umgebung und ihrem Hinter-

grund getrennt werden. Es wird bei diesem Schritt auch von Merkmalsintegration

oder feature binding gesprochen. In einem letzten Schritt mussen dann die interne

Reprasentation und die Reprasentation des externen Objekts miteinander verglichen

werden. Dieser Prozess kann ebenfalls uber Bindungsvorgange vollzogen werden. Da-

nach folgen dann weitere Prozesse, die uber die Aufgabe oder die Fortsetzung der

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Suche entscheiden.

Die gleiche Herausforderung tritt auf, wenn eine Person in einem gefullten Saal

einzelnen Gesprachen folgen will und dafur anhand der Eigenschaften des Gehorten,

wie Tonhohe und Rhythmus, einen bestimmten Sprecher von anderen unterschei-

den muss (Cocktail-Party Effekt) [14]. Es treten ahnliche Prozesse wie im visuellen

System auf. Die verschiedenen Eigenschaften des Gehorten, wie Frequenzmuster,

Lautstarke und zeitliche Variation, mussen miteinander verknupft werden. Da dieser

Prozess vom Ohr, dem Sensor, in Richtung der hoheren und komplexen Hirnstruktu-

ren verlauft, wird auch von einem bottom-up-Prozess gesprochen. Der Sinneseindruck

muss mit bekannten Eigenschaften der zu horenden Stimme und schließlich mit dem

Muster sprachlicher Laute verglichen werden. Dieser Prozess wird als top-down-Pro-

zess bezeichnet, da er eher in Richtung des sensorischen Systems verlauft. Bottom-

up- und top-down-Prozesse mussen bei der Merkmalsintegration und der Objektre-

prasentation zusammenwirken, damit eine einheitliche Wahrnehmung entsteht.

Besonders fur das auditorische System ist bisher ungeklart, wie die Bindungspro-

zesse durch sensorische Einflusse, d. h. durch bottom-up-Prozesse, und durch kor-

tikale Einflusse, d. h. durch top-down-Prozesse, kontrolliert und gesteuert werden

[113, 127] und wie diese Wechselwirkungen sich auf die elektrophysiologisch mess-

baren Korrelate der Gehirnaktivitat auswirken [60].

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Korrelate der Bindungsmechanismen

in der auditorischen Modalitat aufzufinden. Die Untersuchung dieser Korrelate und

die Art und Weise, wie sie durch verschiedene Bindungsmechanismen moduliert wer-

den sollte dann weitere Informationen uber die Beteiligung von bottom-up- und top-

down-Prozessen bei den Bindungsmechanismen liefern. Die Kenntnis der elektro-

physiologischen Korrelate sollte helfen, das Verstandnis der Verarbeitungsprozesse

des Gehirns bei der Wahrnehmung zu erweitern.

In der Einleitung wird zunachst fur die Merkmalsintegration das Modell der zeit-

lichen Synchronisation nach von derMalsburg, Singer und Gray dargestellt. Dann

wird die Merkmalsintegration und Objektreprasentation im visuellen System und

schließlich im auditorischen System beschrieben.

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1.1 Merkmalsintegration durch zeitliche Synchronisation 3

1.1 Merkmalsintegration durch zeitliche

Synchronisation

Die Verarbeitung einzelner Merkmale eines Objekts, wie z. B. Farbe, Form, Kan-

tenverlaufe und Helligkeit, kann nach dem Modell von Hebb [42] in so genannten

cell assemblies oder Neuronengruppen erfolgen. Die charakteristischen Eigenschaf-

ten eines Objekts werden dabei durch Aktivitat separater neuronaler cell assemblies

reprasentiert. Die Zugehorigkeit zu einem Objekt ergibt sich aus der gleichzeitigen

Aktivitat der assemblies in einem verteilten neuronalen Netzwerk. Dieses Modell

stoßt an seine Grenzen, wenn mehrere Objekte gleichzeitig reprasentiert werden

mussen. Die Zuordnung zwischen Merkmalen und Objekten gelingt dann nicht mehr

eindeutig. Dieses Zuordnungsproblem bei der Merkmalsintegration wird als binding

problem bezeichnet. So benennen Singer und Gray das Problem des Modells z. B.

folgendermaßen [124]:

”Representation of a feature by a population of cells raises binding problems when

nearby contours evoke graded responses in overlapping groups of neurons. (...) A

similar need for response selection and binding arises in the context of perceptu-

al grouping. Once the elementary features of a scene have been represented, some

grouping operation must be performed to identify those neurons responding to the

features of a particular object and segregate the activity of neurons responding to the

features of other objects or to the background.“

Das Modell wurde schließlich von Milner [88] und von derMalsburg [79] erwei-

tert. Neuronale Netzwerke, die zu einem Objekt gehoren und verschiedene Eigen-

schaften kodieren, feuern demnach synchron. Die Bestimmung der Zugehorigkeit zu

einem Objekt erfolgt dabei uber eine zeitliche Kodierung. Dieses Modell der Merk-

malsintegration wird auch als temporal binding Modell bezeichnet [124]. Gray et al.

[35] konnten in Tierexperimenten die synchrone Aktivitat von raumlich getrennten

cell assemblies nachweisen. Zwei getrennte Lichtbalken, die sich in entgegengesetzte

Richtungen bewegten, erzeugten keine Synchronitat. Bewegten sich die Balken in

dieselbe Richtung, so synchronisierten Netzwerke, die fur diese Richtung spezifisch

waren, schwach und sie synchronisierten stark, wenn die Balken zusammenhingen

und so einen langen Balken bildeten [17, 35]. Verschiedene Eigenschaften werden

von einzelnen Neuronen oder Neuronengruppen dargestellt. Durch Synchronisation

untereinander werden diesen Neuronengruppen zusammengefasst und kodieren dann

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1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat 4

ganze Objekte [124]. Das synchrone Feuern der Neuronen in einem cell assembly und

die darauf folgend synchron laufenden postsynaptischen Potentiale bewirken ein ex-

trakraniell messbares Summenpotential bzw. -magnetfeld, das mit dieser Aktivitat

in direkter Verbindung steht. Bei der Wahrnehmung von komplexen Objekten, bei

denen verschiedene Eigenschaften oder Teile zusammengefasst werden, sollte des-

halb auf Grund dieser Synchronisation außerhalb des Kopfes eine hohere Aktivitat

mit der Elektroenzephalographie (EEG) oder der Magnetoenzephalographie (MEG)

messbar sein, die sich deutlich von der Aktivitat bei der Wahrnehmung von einfa-

cheren Objekten abhebt.

Die koharente Aktivitat zwischen einzelnen Neuronengruppen tritt dabei vor-

rangig in Form von Oszillationen in einem Frequenzbereich von 20 bis 70Hz auf

[25, 35, 36]. Die elektromagnetische oszillatorische Gehirnaktivitat in diesem Fre-

quenzband wird dabei als Gammaband-Aktivitat bezeichnet. Die Gammaband-Ak-

tivitat ist in allen verschiedenen Modalitaten, wie dem olfaktorischen, dem visuellen,

dem sensomotorischen und dem auditorischen System, mit elektrophysiologischen

Methoden Messungen zuganglich. Oszillatorische Aktivitat kann in spontane, in ge-

triebene, in evozierte und induzierte Aktivitat unterschieden werden [32, 98]. Die

spontane Aktivitat besteht unabhangig von einem außeren Reiz und kann durch

Sinnesreize zuruckgesetzt werden [75]. Die getriebene, auch steady-state genannte

Aktivitat wird durch einen periodischen oder amplitudenmodulierten Stimulus an-

geregt und folgt der Modulationsfrequenz. Diese Aktivitat besitzt ein Maximum bei

einer Modulationsfrequenz von ungefahr 40Hz [33, 119]. Transiente evozierte Akti-

vitat ist phasentreu und steht in einem festen zeitlichen Bezug zum Beginn eines

Stimulus [78, 107]. Die induzierte Aktivitat besitzt im Gegensatz zur evozierten

Aktivitat bei einer wiederholten Stimulusprasentation eine variierende Phase und

Latenz.

1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der

visuellen Modalitat

Die Ausbildung der Synchronisation verschiedener Neuronengruppen oder cell as-

semblies muss variabel gestaltet sein. Dies bedeutet, dass ein bestimmtes Neuron

verschiedenen Objekten zugeordnet sein kann. Die Mechanismen zur Merkmalsinte-

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1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat 5

gration konnen dabei allein von der sensorischen Information gesteuert sein (bottom-

up-Prozess) oder auch von hoheren kognitiven Prozessen beeinflusst sein (top-down-

Prozess), wie z. B. selektive Aufmerksamkeit [139] oder Vergleiche mit einer inneren

Reprasentation [130].

Verschiedene Experimente, besonders in der visuellen Modalitat, bestatigen die

zeitliche Bindungstheorie. Sie zeigen Effekte im Gammafrequenzband bei der Wahr-

nehmung unterschiedlich koharenter Objekte, bei denen im Rahmen des temporal

binding Modells eine ausgepragte Bindung von Neuronengruppen erwartet wird, so-

wie bei unterschiedlichen Aufgaben, in denen die Aufmerksamkeit auf bestimmte

Eigenschaften des Stimulus gelenkt wird. Im visuellen System konnte von Lutzen-

berger et al. eine Abhangigkeit der Gammaband-Aktivitat von visuellen Halbfeldern

beobachtet werden, in denen Balken, die sich koharent oder inkoharent bewegten,

prasentiert wurden [77]; die Aktivitat folgte einer retinotopen Organisation und zeig-

te ein fur den Stimulus spezifisches Verhalten. Diese Ergebnisse folgen den von Gray

et al. in Tierexperimenten erhaltenen [35].

In verschiedene Studien wurde zum einen untersucht, ob die Eigenschaften ei-

nes Stimulus sich in Anderungen der oszillatorischen Aktivitat widerspiegeln, und

zum anderen, in welchem Zeitbereich nach einem Stimulus eine spezifische Antwort

auftritt und ob diese eher sensorischen oder kognitiven Prozessen zuzuordnen ist.

Tallon-Baudry et al. [126, 129, 133] untersuchten die oszillatorische Aktivitat im

Gammafrequenzband beim Betrachten von Kanizsa-Figuren [58]. In diesen Figuren

(Abb. 1.1) wird durch die bloße Andeutung der Ecken einer Figur der Eindruck

der kompletten Kontur erzeugt. Durch die geometrische Anordnung der Scheiben

wird die Eigenschaft einer Form erzeugt und durch die Kollinearitat der ausgelas-

senen Segmente die Kanten. Bei der Wahrnehmung des Bildes konvergieren diese

Eigenschaften zu einer einheitlichen Gestalt.

Tallon-Baudry et al. benutzten als Stimuli ein reales Dreieck (Abb. 1.1a), ein Ka-

nizsa-Dreieck (Abb. 1.1b), ein Nicht-Kanizsa-Dreieck (Abb. 1.1e) und als Zielreiz

ein Kanizsa-Dreieck mit gekrummten Kanten (Abb. 1.1d). Den Zielreiz mussten die

Probanden wahrend des Experiments erkennen und zahlen. Die Autoren konnten

eine fruhe evozierte Antwort zwischen 30Hz und 40Hz im Bereich von 60ms bis

140ms und eine induzierte Antwort um 40Hz bei 280ms nach Stimulusbeginn nach-

weisen. In der evozierten Antwort zeigte sich kein Unterschied zwischen den Nicht-

Zielreizen, wahrend in der induzierten Antwort eine großere Aktivitat bei der Wahr-

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1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat 6

a b c

d e f

Abbildung 1.1: Kanizsa-Figuren, in denen nur durch Andeutung der Ecken der Eindruckeiner Kontur erzeugt wird. In den Figuren wird das Gestaltprinzip der Kollinearitat zurErzeugung von virtuellen Konturen ausgenutzt. (a) reales Dreieck, (b) virtuelles Dreieck,(c) virtuelles Quadrat, (d) virtuelles Dreieck mit gekrummten Kanten, (e) Dreieck ohnevirtuelle Kontur und (f) Quadrat ohne virtuelle Kontur.

nehmung des virtuellen und des realen Dreiecks im Gegensatz zum Dreieck ohne

virtuelle Kontur nachgewiesen werden konnte [126, 129]. Die funktionale Bedeutung

der spaten Komponente wurde durch einen Mechanismus zur Merkmalsintegration

erklart oder durch einen Abgleich mit einer internen Reprasentation des Objekts.

Die induzierte Komponente konnte nur im EEG und nicht im MEG beobachtet wer-

den [133]. Die Autoren vermuteten daher, dass diese Komponente aus tiefliegenden

Quellen, die mit dem MEG nicht erfasst werden konnen, oder aus Quellen in einer

radialen Anordnung von Neuronen resultiert [131], die fur das MEG gleichermaßen

nicht sichtbar sind.

Herrmann et al. untersuchten ebenfalls die Wahrnehmung von Kanizsa-Figuren

[44, 45, 46]. Sie benutzten Kanizsa-Dreiecke und Quadrate (Abb. 1.1b,c) und ent-

sprechende Figuren, bei denen keine koharente Wahrnehmung moglich war (Nicht-

Kanizsa-Figuren, Abb. 1.1e,f), und variierten den Zielreiz zwischen den Kanizsa-

Quadraten und einem Kreuzsymbol. Sie wiesen statt einer Anderung in der indu-

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1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat 7

zierten Gammaband-Aktivitat Effekte in der fruhen evozierten Antwort im Zeitbe-

reich zwischen 50ms und 150ms nach. Diese evozierte Antwort zeigte eine Spezifitat

fur den Zielreiz. So wurde einerseits beim Kanizsa-Quadrat [44] und andererseits

beim Nicht-Kanizsa-Quadrat [45] die starkste Aktivitat gemessen. Die Amplitude

war umso großer, je ahnlicher der Stimulus dem Zielreiz war. Dieses Ergebnis wurde

mit einem top-down-Prozess erklart, bei dem ein Abgleich mit einer im Gedachtnis

gespeicherten Vorlage vorgenommen wurde. Dieser Abgleich sollte in oszillatorischer

Aktivitat resultieren, deren Amplitude mit der Ahnlichkeit der internen und exter-

nen Reprasentationen korreliert. Die Ergebnisse von Tallon-Baudry et al. deuten im

Gegensatz darauf hin, dass die fruhe neuronale Aktivitat im evozierten Gammaband

einen rein sensorischen, unspezifischen Ursprung besitzt. Die spate induzierte Ant-

wort kann einen bottom-up- oder einen top-down-Prozess widerspiegeln, der durch

Aufmerksamkeit oder die Eigenschaften des Stimulus bedingt sein kann.

Bekannt sind Darstellungen von Gesichtern, die ein anfanglich heiteres Gesicht

nach einer Drehung um 180o als trauriges wiedergeben oder umgekehrt [59]. In einer

Studie von Keil et al. [62] fuhrte die Betrachtung dieser Variationen zu einer Erho-

hung der Aktivitat im Gammaband. Diese Erhohung blieb aus, wenn die Figuren

auf der Seite lagen und kein Gesicht erkennbar war. Bei der Betrachtung von einfa-

cher strukturierten Bildern, die Vasen ahnelten, gab es einen ahnlichen aber weniger

stark ausgepragten Effekt. Eine Erhohung der induzierten Gammaband-Aktivitat

um 230 ms nach dem Stimulusbeginn wurde von Rodriguez et al. ebenfalls bei der

Wahrnehmung von so genannten Mooney-Gesichtern beschrieben [117], bei denen

aus einem schwarz-weiß Kontrast ein Gesicht erkennbar ist, das bei Umkehrung des

Bildes verschwindet. Waren die Gesichter erkennbar, konnte zusatzlich eine erhohte

Phasensynchronitat zwischen parieto-okzipitalen und fronto-temporalen Regionen

von 200ms bis 260ms gemessen werden, auf die eine Desynchronisation um 500ms

folgte. In beiden Studien wird die induzierte Aktivitat als Korrelat eines perzeptuel-

len Prozesses und eines Bindungsmechanismus angesehen. Die Autoren der zweiten

Studie bringen die Phasensynchronisation/-desynchronisation entfernt liegender Re-

gionen mit kognitiven integrativen Funktionen in Zusammenhang.

Die beschriebenen Studien legen alle nahe, dass die Erhohung der Gammaband-

Aktivitat zwischen 200ms und 300ms durch einen perzeptuellen und folglich durch

einen bottom-up-Prozess ausgelost wird. Die Bindung von einzelnen Eigenschaften zu

einer einheitlichen Gestalt sollte dabei auf Gestaltprinzipien wie zum Beispiel der

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1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat 8

Kollinearitat beruhen. Die gleichzeitige Beteiligung von top-down-Prozessen kann

jedoch nicht ausgeschlossen werden, da die sensorische Information mit zuvor abge-

speicherten oder erlernten Vorlagen verglichen werden konnte [113].

Eine Aussage uber die Beteiligung von top-down-Prozessen gelingt anhand der

unterschiedlichen Wahrnehmung ein und desselben Bildes. Als Paradigma eignet

sich das”Dalmatiner“-Suchbild, in dem ein Dalmatiner-Hund in einem Hintergrund

aus schwarzen und weißen Flecken versteckt ist. In einer Studie von Tallon-Bau-

dry et al. [130] wurde den Probanden das”Dalmatiner“-Suchbild aus schwarzen und

weißen Flecken prasentiert, ohne dass ihnen der versteckte Hund bekannt war, und

andere Bilder nur aus schwarzen und weißen Flecken. Vor dem zweiten Teil des

Experiments wurden die Probanden trainiert, den Hund im Bild zu finden. In die-

sem Versuchsteil wurden verstarkt top-down-Prozesse erwartet, da die sensorische

Information mit einer zuvor erlernten Vorlage verglichen werden musste und so erst

die koharente Wahrnehmung des Objekts entstand. Unter anderem wurde eine fru-

he evozierte Komponente im Gammaband gefunden, die sich nicht zwischen den

unterschiedlichen Stimulusbedingungen anderte. Bei einer Latenz von 280ms wur-

de eine Erhohung der induzierten Aktivitat nachgewiesen, die beim Betrachten der

Bilder nach dem Training wesentlich starker ausgepragt war. Diese Aktivitat war

außerdem großer fur die Zielreize im Vergleich zu den anderen Stimuli. Eine Erho-

hung der Antwort speziell auf den erkannten Hund im Vergleich zu einem neutralen

Bild ohne versteckten Hund wurde nicht gefunden. Die Erhohung im Gammaband

beim Betrachten der Bilder nach dem Training wurde mit einer Aktivierung von cell

assemblies erklart, die das zu suchende Objekt und damit den top-down-Prozess

reprasentierten. Die Erhohung fur den Zielreiz wurde mit einem bottom-up-Prozess

erklart, da hier Teile des Bildes zu einem koharenten Objekt gruppiert werden muss-

ten.

Besonders deutlich wird die Verknupfung unterschiedlicher cell assemblies beim

Betrachten eines Stereogramms. In einem Stereogramm werden beiden Augen leicht

unterschiedliche Bilder dargeboten, aus denen das Gehirn durch die Verknupfung

der beiden”monokkularen“ Bilder ein dreidimensionales Objekt bilden kann. Bei der

Entstehung dieses dreidimensionalen Bildes wiesen Revonsuo et al. eine transiente

Erhohung im Gammafrequenzband nach [115]. Diese Erhohung trat beim kontinu-

ierlichen Aufrechterhalten des dreidimensionalen Bildes nicht auf und scheint daher,

die perzeptuelle Integration widerzuspiegeln. Der genaue Zeitpunkt, zu dem das drei-

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1.2 Wahrnehmung koharenter Objekte in der visuellen Modalitat 9

dimensionale Objekt gebildet wurde, konnte allerdings nicht bestimmt werden. Es

ist daher nicht belegt, ob es sich bei der Erhohung im Gammaband um die fruhe

evozierte Gammabandkomponente handelte, die in Bezug auf die Bildentstehung

phasentreu ist, oder um eine spate induzierte Komponente. Eine interne Objektre-

prasentation wie bei einer Gedachtnisleistung scheint nicht notwendig zu sein, da

die sensorische Information weiterhin vorlag.

Ein top-down-Prozess sollte vorliegen, wenn das Arbeitsgedachtnis gebraucht wird,

um eine Erkennungsaufgabe zu erfullen. Die interne Reprasentation einer Figur fuhr-

te in einer Gedachtnisaufgabe zu einer erhohten Aktivitat im Gammaband [132]. Je

langer die Reprasentation aufrecht erhalten werden musste, um so langer hielt auch

die Gammaband-Aktivitat an [134], wurde aber im Verlauf dieses Prozesses schwa-

cher.

Die Merkmalsintegration ist nicht allein auf den Bereich einer Modalitat be-

schrankt. Die Moglichkeit, verschiedene Bereiche miteinander durch synchrone cell

assemblies zu verknupfen, zeigt den globalen Charakter des temporal binding Mo-

dells. Die Verknupfung visueller Informationen mit solchen aus anderen Modalitaten

bewirkt ebenfalls eine Erhohung der Aktivitat im Gammaband. Wurde ein farbiges

Licht mit der schmerzhaften Reizung eines Fingers verbunden, so konnte ein An-

stieg der Koharenz zwischen Elektroden uber dem visuellen Kortex und uber dem

zum gereizten Finger kontralateralen somatosensorischen Kortex nachgewiesen wer-

den [89]. Bei Messungen zur audio-visuellen Integration im prafrontalen Kortex von

Rhesus-Affen [30] konnten Zellen gefunden werden, die sowohl bei einem Ton als

auch bei einer diesem Ton zugeordneten Farbe feuerten.

Die vorgestellten Studien zeigen eine Verbindung verstarkter Aktivitat im Gam-

mafrequenzband mit der Wahrnehmung koharenter Stimuli. Es kann allerdings nicht

eindeutig geklart werden, ob dieser Effekt ein Ausdruck von bottom-up- und/oder

top-down-Prozessen ist. Es ist durchaus denkbar, dass die verstarkte Aktivitat im

Gammafrequenzband ein Korrelat beider Prozesse ist, die sich nicht getrennt von

einander betrachten lassen. Wahrend der Aufrechterhaltung eines koharenten Per-

zepts scheint keine erhohte Aktivitat aufzutreten, sie nimmt sogar wahrend der Re-

prasentation ab. Die Korrelate der Bindungsprozesse konnen dabei sowohl die fruhe

evozierte als auch die spate induzierte Gammaband-Aktivitat sein.

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1.3 Oszillatorische Gammaband-Antworten in der auditorischen Modalitat 10

1.3 Oszillatorische Gammaband-Antworten in der

auditorischen Modalitat

In der auditorischen Modalitat lassen sich, wie in der visuellen, evozierte und indu-

zierte Gammaband-Aktivitat nachweisen [98]. Fur einen Einblick in die funktionelle

Organisation des auditorischen Systems stellt sich aber ebenso wie in der visuel-

len Modalitat die Frage, ob diese oszillatorische Aktivitat Ausdruck von bottom-

up-Prozessen ist, oder ob top-down-Prozesse kortikaler Informationsverarbeitung an

ihr beteiligt sind. Die Latenz der evozierten Gammaband-Aktivitat betragt typi-

scherweise 60ms nach dem Beginn eines akustischen Reizes. Der Ursprung dieser

Aktivitat wird durch aquivalente Stromdipole im Heschl’schen Gyrus geschatzt und

damit im primaren auditorischen Kortex vermutet [107]. Eine Tonotopie, d. h. ei-

ne Abhangigkeit des Ortes von der Stimulusfrequenz, tritt nicht auf [9, 101]. Die

Gammaband-Aktivitat zeigt damit ein anderes Verhalten als z. B. die mittellatenten

Komponenten oder die spatere N1-Komponente, bei denen eine Tonotopie zu finden

ist [100]. Die N1-Komponente ist ein um 100ms nach dem Beginn eines akustischen

Stimulus im EEG gemessenes Potential mit einem negativen Pol am Vertex. Wird

das magnetische Pendant der N1-Komponente gemessen, so wird auch von der N1m-

Komponente gesprochen.

Bei einer Erhohung der Stimulusrate verringert sich die Amplitude der Gamma-

band-Aktivitat nicht so stark wie die Amplitude der N1m-Komponente. Dieses Am-

plitudenverhalten und der Ursprungsort der Aktivitat unterscheiden sich zusatzlich

von den mittellatenten Komponenten [102]. Auf Grund der zeitlichen Ahnlichkeit

zu den mittellatenten Komponenten steht aber weiterhin die Frage im Raum, ob

die Oszillationen im Gammaband nur durch die Filterung aus den mittellatenten

Komponenten erzeugt werden.

Llinas und Ribary [75] nahmen an, dass die evozierte Aktivitat durch ein Zu-

rucksetzen der spontanen Aktivitat hervorgerufen wird. Die spontane Aktivitat trat

nur im wachen Zustand und wahrend REM-Schlafphasen auf, in denen Proban-

den traumten, jedoch nicht in Tiefschlafphasen. Durch einen Stimulus ließ sich die

spontane Aktivitat nur im wachen Zustand zurucksetzen. Die Aktivitat erscheint

daher als Korrelat kognitiver Prozesse in Verbindung mit externen Stimuli [75].

Die Ursprunge der Entstehungsmechanismen der spontanen Gammaband-Aktivitat

und damit auch der evozierten Aktivitat werden in thalamo-kortikalen Verbindungs-

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1.3 Oszillatorische Gammaband-Antworten in der auditorischen Modalitat 11

schleifen gesehen [75, 116].

Folgen zwei Stimuli mit einem Abstand kurzer als 12–15ms aufeinander, so erzeu-

gen sie keine getrennten Oszillationen mehr, wie sie noch bei fruhen Antworten aus

dem Hirnstamm zu beobachten sind [69]. Erst mit einem langeren Abstand werden

sie als zwei Tone wahrnehmbar und erzeugen unabhangige Gammaband-Antwor-

ten [56]. Es wurde daher die Gammaband-Antwort als Ausdruck einer zeitlichen

Bindung im auditorischen System interpretiert.

Die Auswirkung von top-down-Prozessen speziell auf die evozierte Gammaband-

Antwort wurde bei der Untersuchung von selektiver Aufmerksamkeit durch Tiitinen

et al. [139] deutlich. In dieser Studie wurde beobachtet, dass die evozierte Gamma-

band-Aktivitat durch selektive Aufmerksamkeit moduliert werden kann. Im Gegen-

satz dazu zeigte die Aktivitat in anderen Frequenzbereichen keine Veranderung.

Effekte in der induzierten Gammaband-Aktivitat wurden sowohl in tierexperi-

mentellen Studien als auch in Humanexperimenten beschrieben. In einer Studie an

Katzen, denen eine regelmaßige Folge von Tonen vorgespielt wurde, konnte induzier-

te Aktivitat nach ausgelassen Tonen in einem Zeitfenster von 250–400ms subkortikal

gemessen werden [4, 5]. Ebenso konnten Brosch et al. [18] bei anasthesierten Affen

mit im primaren und caudomedialen auditorischen Kortex implantierten Elektroden

hochfrequente oszillatorische Antworten nachweisen, die im Bezug auf den Stimulus-

beginn nicht phasentreu waren. Die Frequenz dieser Antworten lag zwischen 60Hz

und 90Hz in einem Zeitfenster von 100ms bis 900ms. Die raumliche Koharenz dieser

Oszillationen lag mit weniger als 3mm unterhalb der Werte, die im visuellen System

gemessen wurden (≥ 6mm) [16, 27]. Die Autoren vermuteten, dass diese geringe

Koharenz mit dem durch reine Tone nur gering abgedeckten Spektrum zusammen-

hangt und bei komplexen Tonen, die weitere Bereiche der Cochlea reizen, großer

wird [18].

Beim Menschen konnten im EEG Effekte in der induzierten Gammaband-Akti-

vitat in der auditorischen Modalitat im Zusammenhang mit Oddball -Aufgaben und

anhand komplexer Aufgaben, wie der Erkennung und Verarbeitung von Wortern,

nachgewiesen werden.

In Oddball -Aufgaben mussen aus einer Folge haufiger, gleicher Stimuli (Standard-

reize) seltene, abweichende (Zielreize oder Devianten) erkannt werden. In auditori-

schen Oddball -Aufgaben konnte nach dem Reiz im EEG eine Reduktion in der in-

duzierten Gammaband-Aktivitat gemessen werden. Darauf folgend wurde im Zeit-

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1.3 Oszillatorische Gammaband-Antworten in der auditorischen Modalitat 12

bereich von 200–400ms nach den Standardreizen ein Anstieg der oszillatorischen

Aktivitat gefunden [11, 28, 81, 127]. Beim letzten Standardton vor einem Zielreiz

konnte dagegen eine erhohte [81] und bis 800ms anhaltende induzierte Gammaband-

Aktivitat gemessen werden [11, 127]. Diese erhohte Aktivitat vor dem Zielreiz wur-

de als Abrufen des zu erkennenden Tons aus dem Gedachtnis interpretiert. Fur die

Zielreize blieb die Aktivitat zum Teil reduziert [28]. Die Reduktion nach den Stimuli

– sowohl bei Standardtonen als auch bei Zielreizen – wurde durch Wechselwirkungen

mit hippocampaler Aktivitat [28] oder dem Einfluss von thalamo-kortikalen Netz-

werken begrundet [81]. Bei den Effekten nach den Zielreizen wurden Prozesse als

Ursache vermutet, die den Frequenzvergleich des gehorten Tons mit dem gesuch-

ten Ton begleiten [11]. Eine Verstarkung der Aktivitat trat bei aktiven Aufgaben

gegenuber dem passiven Anhoren einer Sequenz auf [11].

Mussten Probanden auf Tone, die mit einem zufalligen Abstand dargeboten wur-

den, moglichst schnell reagieren, so konnte im selben Zeitfenster bei schnell rea-

gierenden Probanden eine Erhohung der Aktivitat im Gammaband gegenuber dem

passiven Anhoren der Tonfolge gemessen werden. Langsam reagierende Probanden

zeigten hingegen eine hohere oszillatorische Hintergrundaktivitat und in der Reak-

tionszeitaufgabe eine erhohte Aktivitat vor dem Stimulus [55].

Im Magnetoenzephalogramm konnte induzierte Gammaband-Aktivitat bisher nur

bei Aufgaben nachgewiesen werden, in denen Worter von Pseudowortern unter-

schieden werden mussten [112]. Bei den Wortern blieb die Gammaband-Aktivitat

auf dem Niveau der Hintergrundaktivitat. Nach dem Beginn der Pseudoworter fand

in einem Zeitfenster von 300ms bis 700ms eine Reduktion der Aktivitat in einem

Frequenzband um 30Hz statt. Diese Reduktion konnte nicht nur in der auditori-

schen Modalitat sondern auch in der visuellen gemessen werden [76]. Die konstan-

te Gammaband-Aktivitat fur die Worter wurde mit einer lexikalischen Suche und

dem erfolgreichen Vergleich mit bekannten Wortern erklart. Dies lasst allerdings

unberucksichtigt, dass fur die Worter die Aktivitat gleich blieb und die Reduktion

ausschließlich fur die Pseudoworter auftrat. Denkbar ist daher auch, dass fur die

Pseudoworter eine langere, intensive Suche stattfand, die erfolglos blieb.

Die vorgestellten Studien zeigen fur die Gammaband-Aktivitat in der auditori-

schen Modalitat ein anderes Bild als in der visuellen. Die fruhe evozierte Aktivitat

scheint hauptsachlich, durch Aufmerksamkeitseffekte oder den Grad der Wachheit

der Probanden modulierbar zu sein. Hinweise auf eine sensorische zeitliche Integra-

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1.4 Hypothesen und Zielsetzung 13

tion von Stimuli wurden allerdings auch gefunden. Eine Untersuchung, wie sich die

fruhe evozierte Gammaband-Aktivitat bei der Variation der Koharenz eines Stimu-

lus verhalt und damit einen eindeutigen Nachweis des Einflusses von bottom-up-

Prozessen auf die evozierte Aktivitat, gibt es bisher nicht. Induzierte Gammaband-

Aktivitat wurde in der auditorischen Modalitat haufig bei Oddball -Aufgaben beob-

achtet, in denen ein seltener Stimulus aus einer Folge haufiger Stimuli erkannt werden

musste. Außerdem wurden Effekte in der Gammaband-Aktivitat beim Erkennen von

Wortern gefunden. Beide Anforderungen konnten durch top-down-Prozesse beglei-

tet sein, die bei kognitiven Aufgaben auftreten oder die interne Reprasentation eines

Stimulus benotigen.

1.4 Hypothesen und Zielsetzung

Wie in den vorherigen Abschnitten beschrieben gibt es Hinweise darauf, dass die

evozierte Aktivitat eine Verknupfung von bottom-up- und top-down-Prozessen wi-

derspiegelt. Der Kontext und die Art einer Aufgabe beeinflussen die evozierte Gam-

maband-Aktivitat . Zusatzlich wird diese Aktivitat durch erhohte Aufmerksamkeit

und auch durch den Grad der Wachheit des Probanden moduliert. Die Frage, inwie-

weit ein sensorischer Einfluss besteht und ob die Aktivitat ein Korrelat der Verar-

beitung von Stimuluseigenschaften ist, bleibt allerdings offen. Wenn jedoch ahnliche

Prozesse wie in der visuellen Modalitat auftreten (vgl. Herrmann et al.), so konnen

Effekte in der evozierten Gammaband-Aktivitat vermutet werden.

Die spatere, im EEG oder mit implantierten Elektroden gemessene induzierte

Aktivitat wird als Korrelat von Gedachtnisprozessen und der Reprasentation ei-

nes Tons interpretiert. Ein Einfluss der Aufmerksamkeit kann nicht ausgeschlossen

werden. Es fallt außerdem auf, dass eine Reduktion der induzierten Gammaband-

Aktivitat moglich ist. Dies bedeutet, dass die spontane Grundaktivitat durch senso-

rische Reize oder durch eine Aufgabenstellung beeinflusst wird. Der direkte Einfluss

sensorischer Eigenschaften, wie zum Beispiel die Koharenz eines Stimulus, bleibt,

wie bei der evozierten Aktivitat, unklar. Ergebnisse aus der visuellen Modalitat las-

sen hier einen Zusammenhang vermuten. Zumindest scheinen inhaltliche Aspekte,

wie z. B. die Wortbedeutung, mit der induzierten Aktivitat zu korrelieren. Es ist

auch unklar, inwieweit fur die Effekte in der induzierten Aktivitat sensorische Reize

notwendig sind oder ob auch intrinsische Reize, wie das Vorstellen eines Tons, diese

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1.4 Hypothesen und Zielsetzung 14

Effekte auslosen konnen.

Auf Grund der genannten offenen Punkte werden besonders in Hinblick auf die

wechselseitige Beziehung von bottom-up- und top-down-Aktivitat und die Korrela-

tion der Gammaband-Aktivitat mit diesen Prozessen folgende Punkte bearbeitet:

• Es wird vermutet, dass sich koharente Eigenschaften eines Stimulus in der

Gammaband-Aktivitat zeigen, wie dies in der visuellen Modalitat zum Bei-

spiel bei den Kanizsa-Figuren der Fall ist. Daher soll untersucht werden, ob

die evozierte oder die induzierte Aktivitat fur die Koharenz eines Stimulus

spezifisch ist.

• Der Einfluss von kortikalen top-down-Prozessen auf die Eigenschaften der

Gammaband-Aktivitat sollte uber den Einfluss von Aufmerksamkeitsmecha-

nismen hinausgehen. Die kortikale Aktivitat soll daher unabhangig von Auf-

merksamkeitseffekten oder den Eigenschaften der sensorischen Information un-

tersucht werden.

• Es soll untersucht werden, ob Gammaband-Aktivitat auch durch reine top-

down-Prozesse ausgelost werden kann oder ob zu ihrer Bildung immer bottom-

up-Prozesse notwendig sind. Ferner soll untersucht werden, inwieweit kortikale

Aktivitat Anderungen in der – evozierten oder induzierten – Gammaband-

Aktivitat hervorrufen kann, wenn kein sensorischer Reiz aufgetreten ist.

Die Untersuchung der oszillatorischen Aktivitat erfordert eine Messmethode, die

eine hohe zeitliche Auflosung bei einer guten Lokalisierbarkeit von Quellen bietet.

Diese Anforderungen werden in hohem Maße von der Magnetoenzephalographie er-

fullt, die in allen fur diese Arbeit durchgefuhrten Studien verwendet wurde. Zur

Auswertung der gemessenen Daten bietet sich zum einen die Quellenlokalisation und

zum anderen die Wavelet-Transformation als Unterart einer Zeit-Frequenz-Transfor-

mation an, um den transienten oszillatorischen Charakter der hier interessierenden

Gehirnantworten zu erfassen. Eine ausfuhrliche Beschreibung und Entwicklung der

Fragestellungen und der aus ihnen resultierenden Studien folgt im nachsten Kapitel.

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2

Bindungsmechanismen in der

auditorischen Modalitat

Im folgenden Kapitel wird eine Einfuhrung in die Bindungsmechanismen und Me-

chanismen der Objektreprasentation in der auditorischen Modalitat gegeben. Zuerst

wird als Beispiel fur einen Gestaltbildungsprozess die Wahrnehmung der Tonhohe ei-

nes Klangs beschrieben, der aus mehreren spektralen Anteilen zusammengesetzt ist.

Es wird dann der mogliche Einfluss von top-down-Aktivitat auf Antworten im Gam-

mafrequenzband erortert. Die Steuerung der Wahrnehmung durch kortikale Pro-

zesse, ohne dass ein Sinnesreiz vorliegt, wird im dritten Abschnitt dieses Kapitels

besprochen. Es werden die Fragestellungen aus 1.4 entwickelt, die in den Studien

dieser Arbeit untersucht wurden. Die Ergebnisse der Studien folgen dann in den

Kapiteln 5, 6 und 7.

2.1 Bindungsprozesse bei der

Tonhohenwahrnehmung

Wie zuvor beschrieben, wurden in verschiedenen Studien Probanden koharente und

inkoharente Stimuli (Kanizsa-Figuren, siehe Abb. 1.1) prasentiert, um Bindungsme-

chanismen zu untersuchen [44, 45, 46, 126, 129, 133]. Der Prozess der Gestaltbil-

dung und des Erkennens der nur durch Ecken angedeuteten Figuren wird im Gehirn

ausgefuhrt. Ein vergleichbares Paradigma lasst sich in der auditorischen Modalitat

durch die Benutzung von virtuellen Klangen erreichen. Harmonische Klange, wie

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2.1 Bindungsprozesse bei der Tonhohenwahrnehmung 16

sie normalerweise unser Ohr erreichen, besitzen im Gegensatz zu reinen Sinustonen

nicht nur eine Grundfrequenz sondern auch ein Spektrum an Obertonen [153]. In

diesem Zusammenhang wird auch von der Fundamentalfrequenz und den Harmoni-

schen gesprochen. Fehlt die Fundamentalfrequenz und werden nur die Harmonischen

angeboten, so wird der Klang dennoch auf der Tonhohe der fehlenden Fundamen-

talen wahrgenommen [135]. Dieses Phanomen wird als Wahrnehmung der virtuellen

Tonhohe oder des Residuums bezeichnet; fur eine Ubersicht siehe [90]. Es kann auch

allgemeiner unter dem Begriff der auditorischen Gestalterkennung gefasst werden

[136].

Die Basilarmembran in der Cochlea ist je nach spektralen Anteilen der virtu-

ellen Tone an verschiedenen Orten maximal ausgelenkt. Es erfolgt eine Frequenz-

Ort-Transformation, bei der am basalen Ende der Cochlea die hohen Frequenzen

und am apikalen Ende die tiefen Frequenzen abgebildet werden. Die Aufteilung der

Frequenzbereiche folgt dabei einer logarithmischen Skala. Diese so genannte tono-

tope Organisation setzt sich auf der gesamten Horbahn bis in den auditorischen

Kortex fort [105, 111] (siehe auch Abb. 2.1). Bei komplexen Tonen wird ein raumli-

ches und zeitliches neuronales Aktivitatsmuster erzeugt. Das zeitliche Muster kann

fur Frequenzen unter 5 kHz an die Schwingungen der Basilarmembran phasenge-

koppelt sein. Niedrige Harmonische konnen auf Grund der Filtereigenschaften der

Basilarmembran auch raumlich aufgelost werden. Bei hoheren Harmonischen kann

die Information uber den Klang nur noch uber die Periodizitat des Signals gewonnen

werden.

Die raumliche Kodierung in der Cochlea ist mit der Ortskodierung auf der Re-

tina im visuellen System vergleichbar. Bei den Kanizsa-Figuren wird eine raumlich

unvollstandige Figur zu einem einheitlichen Objekt zusammengesetzt. Bei der Wahr-

nehmung der virtuellen Tonhohe wird aus der unvollstandigen Information ein Klang

in der Tonhohe der Fundamentalfrequenz erzeugt. Fur den Prozess dieser Musterer-

kennung gibt es verschiedene Modelle. Das auditorische System besitzt die Fahigkeit,

allein aus dem zeitlichen Muster eines Schallreizes die Tonhohe zu extrahieren [83],

wie durch Studien an Patienten mit Cochlea-Implantaten nachgewiesen wurde. Fru-

he Implantate besaßen nur eine einzelne Elektrode, die je nach Eingangsfrequenz

mit unterschiedlichen Raten den Hornerv unabhangig von der Frequenzverteilung

in der Cochlea stimulierte. Obwohl die Frequenz-Ort-Transformation in der Cochlea

bei dieser Stimulationsart nicht stattfand, konnten die Patienten Tonhohen unter-

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2.1 Bindungsprozesse bei der Tonhohenwahrnehmung 17

Cochlea

Auditorischer Kortex

Colliculus inferior

Oliva superior

Nucleus cochlearis

Corpusgeniculatummedialis

Nucleus lemniscuslateralis

Abbildung 2.1: Darstellung der Horbahn fur eine Ohrseite; nach [38], vereinfacht. Gezeigtwerden nur die aufsteigenden afferenten Nervenbahnen, die efferenten wurden weggelassen.Die einzelnen Kerne der Horbahn besitzen noch weitere Strukturierungen, die z. T. inunterschiedliche Bereiche projizieren. Die Darstellung ist daher keineswegs komplett. Abdem oberen Olivenkomplex (Oliva superior) liegt die binaurale Information vor.

scheiden.

Das spektrale Muster wird als die Grundlage zur Erkennung der Tonhohe angese-

hen [34, 135, 143]. Andere Theorien beziehen die zeitliche Information mit ein. Der

Prozess der Bestimmung der Tonhohe und damit der Gestaltbildung erfolgt dabei

uber eine Berechnung der Kreuz- oder Autokorrelation oder uber die Auswertung des

Periodizitatsmusters [50, 66, 67, 85]. Der genaue Mechanismus, inwieweit spektrale,

zeitliche oder beide Informationen genutzt werden, ist bisher unklar [21, 86, 123].

Der von Goldstein postulierte pitch processor [34] kann Informationen von beiden

Ohren zu einem einheitlichen Klang verbinden [49, 103]. Die Gestaltbildung sollte da-

her fruhestens nach der Verknupfung der binauralen Information im Olivenkomplex

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2.1 Bindungsprozesse bei der Tonhohenwahrnehmung 18

Freq (Hz)

250

11171247

15871637

2091

Freq (Hz)

280

1120

2240

1960

1400

1680

Freq (Hz)

250

10001250150017502000

Freq (Hz)

250

a b c d

Abbildung 2.2: Das Stimulusparadigma im Kanizsa-Dreieck Experiment (obere Reihe)und das Aquivalent fur die auditorische Modalitat. Gezeigt sind die vier Stimuli a) spektra-ler Ton mit der Frequenz von 250Hz, der dem realen Dreieck entspricht, b) dazu passendervirtueller Ton aus den 4. bis 8. Harmonischen einer fehlenden Fundamentalen von 250 Hz,entsprechend dem virtuellen Dreieck, c) als Zielreiz ein weiterer virtueller Ton, der zu einerFundamentalfrequenz von 280Hz gehort, und d) unharmonischer Ton aus Frequenzen mitPrimzahlwerten.

[111, 125] (Abb. 2.1) und spatestens im sekundaren auditorischen Kortex stattfin-

den, da die hier um 100ms nach Klangbeginn generierte N1-Komponente eher eine

Spezifitat fur die virtuelle Tonhohe als fur die spektrale Tonhohe zeigt [106]. Diese

Uberlegungen ergeben ein Zeitfenster von 3ms bis 100ms und es stellt sich daher die

Frage, ob die Gestaltbildung und Tonhohenanalyse ein Korrelat in der Gammaband-

Aktivitat hat, die in diesem Zeitfenster auftritt.

Um dieser Frage nachzugehen, wurde ein Paradigma in der auditorischen Mo-

dalitat entworfen und in dieser Arbeit untersucht, in dem zwischen der Wahrneh-

mung koharenter und inkoharenter Tone unterschieden wurde (Abb. 2.2). Als ko-

harenter Ton wurde ein Ton gewahlt, der aus der vierten bis achten Harmonischen

(1000Hz, 1250Hz, 1500Hz, 1750Hz und 2000Hz) einer fehlenden Fundamentalfre-

quenz (250Hz) bestand. Die fehlende Fundamentalfrequenz kann aus den hoheren

Harmonischen extrahiert werden. Der Ton wird dann bei einer Tonhohe von 250Hz

wahrgenommen. Ein weiterer koharenter Ton, der weniger komplex war und da-

her auch einen geringeren Aufwand in der Gestalterkennung erfordern sollte, wurde

nur aus der Fundamentalfrequenz von 250Hz gebildet. Als inkoharenter Stimulus

wurde ein unharmonischer komplexer Ton mit einem Spektrum zwischen 1000Hz

und 2000Hz gewahlt, dessen spektrale Komponenten Primzahlfrequenzen besitzen

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2.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 19

(1117Hz, 1247Hz, 1587Hz, 1637Hz und 2091Hz). Bei diesem Ton kann keine ge-

meinsame Grundfrequenz extrahiert und gehort werden. Um die Aufmerksamkeit

der Probanden auf einem hohen Niveau zu erhalten, wurde ein weiterer koharenter

Ton als Zielton gewahlt, bei dessen Auftreten die Probanden einen Knopf drucken

sollten. Dieser Zielton wurde aus der vierten bis achten Harmonischen einer fehlen-

den Fundamentalen von 280Hz zusammengesetzt.

Ziel ist es, die evozierte und induzierte Gammaband-Aktivitat auf koharente und

inkoharente Stimuli sowohl in ihrem Generierungsort, ihrer Starke und Latenz als

auch in ihrer Komplexitat zu vergleichen.

2.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System

Werden die Bindungsmechanismen, die an der Wahrnehmung der virtuellen Ton-

hohe beteiligt sind, untersucht, so kann die Spezifitat der Gammaband-Aktivitat

fur die Koharenz der Stimuli bestimmt werden. Es kann jedoch nicht zwischen top-

down- und bottom-up-Prozessen unterschieden werden. Inwieweit top-down-Prozes-

se die Gammaband-Antwort beeinflussen oder Veranderungen in der Antwort auf

Aufmerksamkeitsunterschiede zuruckzufuhren sind, bleibt unklar.

Fruhere Studien zeigten, dass die evozierte Gammaband-Antwort zumindest durch

Aufmerksamkeit verstarkt wird [139, 145]. Auch fur die induzierte Gammaband-Ak-

tivitat zeigte sich ein Einfluss der Aufmerksamkeit. Marshall et al. [81] fuhrten eine

Studie mit einem Oddball -Paradigma durch, in dem sich haufige Standardtone mit

seltenen, abweichenden Tonen, so genannten Devianten, abwechseln. Beim passi-

ven Anhoren dieser Sequenz erhielten sie einen anderen Verlauf in der induzierten

Gammaband-Aktivitat als beim aktiven Zuhoren, bei dem das Zahlen der Devianten

gefordert war.

In einer Reihe von Studien [28, 81, 127] wurde, wie oben beschrieben, die induzierte

Aktivitat in Oddball -Paradigmen untersucht. Im Gegensatz zu diesen untersuchten

Bertrand et al. [11, 127] die induzierte Gammaband-Aktivitat in einem Oddball -

Paradigma, bei dem die Devianten in Zielreize und Storreize unterteilt waren und

jeweils nach den Zielreizen ein Knopf gedruckt werden musste. Den Probanden war

bekannt, dass zwischen zwei Devianten mindestens drei Standardtone lagen. Nach

dem letzten Standardton vor einem Devianten wurde gegenuber dem ersten Stan-

dardton nach einem Devianten eine spatere und verlangerte induzierte Gammaband-

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2.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 20

Aktivitat beobachtet. Die Gammaband-Aktivitat nach dem ersten auf den Devian-

ten folgenden Standardton besaß eine auffallende Ahnlichkeit mit der induzierten

Gammaband-Aktivitat in einem passiven Paradigma [12, 81]. Den Probanden wur-

den in diesem passiven Paradigma Tone prasentiert, die sie nicht beachten mussten.

Die Ergebnisse konnen auf unterschiedliche Arten interpretiert werden. Eine Mog-

lichkeit ist, dass die induzierte Gammaband-Aktivitat ein Ausdruck erhohter Auf-

merksamkeit ist. Einige Probanden berichteten, dass sie den Standardton im Ge-

dachtnis behielten, um den Devianten besser zu erkennen [11]. Eine andere Mog-

lichkeit der Interpretation ist daher, dass die Anderung im Verlauf der induzierten

Gammaband-Aktivitat ein Korrelat der Objektreprasentation dieses Tons darstellt

und daher einen top-down-Prozess reprasentiert. Das Erkennen der Tonhohe von

Klangen erfordert eine adaquate Reprasentation der auditorischen Objekte im Ge-

hirn. Werden aufeinander folgende Tone miteinander verglichen, so ist zumindest

eine sensorische Gedachtnisleistung erforderlich [93]. Sowohl Studien zur Unterschei-

dung von Deviant- und Standardtonen [28, 81] als auch Simulationsrechnungen [52]

zeigen hier eine Verbindung der Gammaband-Aktivitat zu Prozessen im Kurzzeit-

gedachtnis.

Im Gegensatz zur sequentiellen Reprasentation ist fur den Vergleich binaural,

gleichzeitig dargebotener Klange eine simultane Reprasentation beider Klange und

daher eine erhohte Integration der binauralen Information notwendig. Die binaurale

Interaktion ist bisher vielfach nur im Zusammenhang mit raumlichem Horen und der

Detektion von Zeit- und Phasenunterschieden untersucht worden. Die Komponen-

ten der binauralen Interaktion werden in den auditorischen Hirnstammpotentialen,

in mittellatenten und spaten evozierten Gehirnantworten beschrieben [84]. Binau-

rale Interaktion ist an der Synthese von Klangen beteiligt, deren spektrale Anteile

auf beide Ohren unterschiedlich aufgeteilt sind, aber einen koharenten Eindruck in

der Wahrnehmung erzeugen [49, 103], wie oben beschrieben wurde. Die Reprasen-

tation der Tonhohe ist eng mit dem Ort der N1-Komponente verknupft und zeigt

eine tonotope Organisation [23, 103, 105]. Ebenso spiegelt sich die Differenzierung

von Tonhohen in den Eigenschaften der N1-Komponente wider [87]. Die Integrati-

on und Trennung von Verarbeitungskanalen fur Charakteristika von beiden Ohren

kann fur die Identifikation von Unterschieden und Gemeinsamkeiten der binauralen

Information notwendig sein.

Der Vergleich der sequentiellen und der simultanen Reprasentation von Stimuli

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2.3 Top-down-Aktivitat bei fehlendem sensorischen Reiz 21

SD O RAbbildung 2.3: In einem unterschiedlichen Kontext bekommt das mittlere Zeichen eineunterschiedliche Bedeutung und wird einmal als ”A“ und einmal als ”H“ wahrgenommen;nach [2]

ermoglicht die Untersuchung von unterschiedlichen top-down-Prozessen bei gleichem

Aufmerksamkeitsniveau. In einer fur diese Arbeit durchgefuhrten Studie sollte un-

tersucht werden, ob diese top-down-Prozesse einen Einfluss auf die Gammaband-

Aktivitat haben und sich auch auf die N1m-Komponente auswirken. Die Proban-

den mussten dazu die Tonhohe von binaural dargebotenen Klangen unterscheiden.

Das Paradigma wurde so gestaltet, dass durch einen Signalton ein Kontext geschaf-

fen wurde, in dem entweder der auf den Signalton folgende Stimulus mit diesem

oder in dem beim nachsten Stimulus die Information aus beiden Ohren miteinander

verglichen werden musste. Dieser Kontext verlangt unterschiedliche Objektreprasen-

tationen und nimmt so uber einen top-down-Prozess Einfluss auf das feature binding

und die Wahrnehmung. Ein ahnlicher Effekt wird fur das visuelle System in Abb.

2.3 demonstriert. In einem Schriftzug wird ein und dasselbe Zeichen als zwei ver-

schiedene Buchstaben interpretiert. Erst kortikale Prozesse, die das Zeichen mit den

umliegenden verknupfen, fuhren zur korrekten Bedeutung.

2.3 Top-down-Aktivitat bei fehlendem

sensorischen Reiz

Bei der anfangs beschriebenen Suche nach der Nadel im Heuhaufen muss eine Vor-

stellung der Nadel vorhanden sein. Diese Vorstellung spiegelt sich in einer internen

Reprasentation wider, die bei der Suche fortlaufend mit den sensorischen Informatio-

nen verglichen werden muss. Es wird vermutet, dass dieser Prozess auf der zeitlichen

Synchronisation von cell assemblies beruht [124]. Die Synchronisation zeigt sich bei

Wahrnehmung koharenter Objekte vor allem im Gammafrequenzband. Die Inter-

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2.3 Top-down-Aktivitat bei fehlendem sensorischen Reiz 22

pretation der Effekte im Gammabandbereich ist zum Teil umstritten. Die erhohte

Aktivitat konnte ein Ausdruck der Bindungsprozesse sein, die die verschiedenen neu-

ronalen Felder, in denen die sensorischen Informationen reprasentiert werden, mit-

einander verknupfen (bottom-up). Die Beteiligung von hoheren kortikalen Prozessen

(top-down) kann dabei nicht ausgeschlossen werden [127, 128]. Eine alternative In-

terpretation ist, dass die erhohte Aktivitat gelernte assoziative Reprasentationen

widerspiegelt [113]. Die zweite Interpretation hatte auch zur Folge, dass bei Abruf

der assoziativen Reprasentationen ohne Sinnesreiz eine erhohte Aktivitat im Gam-

maband messbar sein musste.

Den top-down-Prozessen wird von Engel et al. [26] bei der Kontrolle und Steuerung

der Wahrnehmung eine bedeutsame Rolle zugewiesen. Durch zeitliche Koinzidenzen

soll eine Verknupfung sensorischer bottom-up- mit kortikalen top-down-Prozessen

stattfinden. Die kortikalen Prozesse schließen dabei die Verwendung erlernter Re-

prasentationen mit ein. Die kortikalen top-down-Prozesse sollten ebenso auftreten,

wenn in einem Paradigma erhohte Anforderungen an Gedachtnisleistungen benotigt

werden. So konnten in der auditorischen Modalitat in schwierigen Oddball -Paradig-

men Effekte im induzierten Gammaband beobachtet werden [11, 28, 81, 112, 127].

Jedoch konnte in Sternberg-Aufgaben, in denen zuerst verschiedene Stimuli behalten

werden mussen und dann ein Stimulus wieder abgefragt wird, statt Effekten im hoch-

frequenten Gammaband eine Reduktion im 8–12Hz-Frequenzband gemessen werden

[61, 65, 118]. Burle und Bonnet [20] zeigten auf Grund der Modulation von Reakti-

onszeiten in Sternberg-Aufgaben eine Verknupfung von Gammaband-Aktivitat und

8–12Hz-Aktivitat. Diese Beteiligung der Aktivitat aus beiden Frequenzbandern bei

Gedachtnisprozessen wird auch von theoretischen Uberlegungen gestutzt [52].

Weitergehend als das Abrufen einzelner Tone aus dem Gedachtnis ist geistiges

Singen ganzer Melodien. Wahrend dieses mentalen Prozesses wurde die Aktivierung

modalitatsspezifischer Regionen im Gehirn beobachtet. Das Abrufen und Vorstellen

von Melodien aktiviert den frontalen Kortex und den rechten auditorischen Asso-

ziationskortex aber nicht den primaren auditorischen Kortex, wie eine PET-Studie

ergab [146]. Aktivitat, die nur auf das Vorstellen von Melodien und nicht auf das

Abrufen aus dem Gedachtnis bezogen ist, wurde uberwiegend im linken frontalen

Kortex und im supplementar-motorischen Kortex [39] gefunden. Das Abrufen aus

dem Gedachtnis ergab in dieser Studie Aktivitat im rechten Gyrus temporalis supe-

rior und inferior und im frontalen Kortex mit zusatzlicher Aktivierung des rechten

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2.3 Top-down-Aktivitat bei fehlendem sensorischen Reiz 23

Thalamus. Andere Studien zeigen, dass bei Gedachtnisprozessen Regionen im fronta-

len Kortex und parietale als auch spezifische sensorische Bereiche nacheinander aktiv

sind [19]. Wurden Vorstellungen von Klangen und Gerauschen durch die Prasentati-

on von Wortern hervorgerufen, so konnte Aktivitat eher in spaten sekundaren als in

fruhen primaren sensorischen Bereichen sowie in linken frontalen Bereichen gefunden

werden [142].

Die Vorstellung von Sinnesreizen, die dadurch ausgelost werden, dass in einer

Stimulusfolge unerwartet Stimuli ausgelassen werden, erzeugt eine Gehirnantwort,

die entweder durch das unerwartete Ereignis oder durch die Vorstellung des Stimulus

ausgelost wird. Janata [51] fand im EEG eine spate Antwort nach erwarteten und

unerwarteten Beendigungen von Melodien. Die Antwort war unabhangig von der

Erwartungshaltung und besaß eine Topographie, die mit der einer N1-Komponente

korreliert war. Im Hippocampus der Katze konnte in Paradigmen, in denen aus

einer Folge von Stimuli zufallig Stimuli ausgelassen wurden, parallel zu einer P300-

Komponente um 300ms oszillatorische Aktivitat im Gammabandbereich beobachtet

werden [4]. Mit Hilfe der Magnetoenzephalographie, mit der eher kortikale Bereiche

gemessen werden, konnten Raij et al. [114] ebenfalls eine P300 ahnliche Komponente

beobachten, berichteten allerdings nicht von oszillatorischer Aktivitat.

Die große Anzahl verschiedener aktivierter Bereiche wahrend Gedachtnisprozes-

sen, lasst vermuten, dass diese Bereiche uber Netzwerke miteinander verknupft sind.

Fuster [29] geht einen Schritt weiter und stellt die These auf, dass das”Gedachtnis“

selbst als Netzwerk angelegt ist. Nach Engel et al. [26] konnen diese verteilten Berei-

che nicht nur bei Gedachtnisprozessen aktiv sein, sondern auch die Wahrnehmung

uber top-down-Prozesse steuern.

Bei dem mentalen Weitersingen von Melodien, die eine kurze Unterbrechung ha-

ben, sollten diese Prozesse unabhangig von der sensorischen Information hervortre-

ten. Es kann dabei die Hypothese aufgestellt werden, dass auf verschiedene Bereiche

verteilte Effekte erwartet werden konnen, wie sie in den oben beschriebenen Studien

zu Gedachtnisprozessen beobachtet wurden. Weiterhin sollte eine Desynchronisation

im 8–12Hz-Frequenzband gesehen werden. Da fur das Vorstellen der Melodien Bin-

dungsmechanismen notwendig sind, sind ebenfalls Effekte im Gammabandbereich

zu erwarten.

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3

Einfuhrung in die

Magnetoenzephalographie

Mit der Elektroenzephalographie (EEG) und der Magnetoenzephalographie (MEG)

stehen zwei Methoden zur Untersuchung elektromagnetischer Gehirnaktivitat zur

Verfugung, die eine zeitliche Auflosung im Bereich von Millisekunden bieten. Wer-

den im Gehirn Informationen verarbeitet, so fließen in den Neuronen geringe elektri-

sche Strome, die durch postsynaptische Potentiale entstehen. Ein postsynaptisches

Potential lost in den Dendriten eine Depolarisation (bei exzitatorischen Synapsen)

oder Hyperpolarisation (bei inhibitorischen Synapsen) der Zellmembran aus. Die

Umverteilung der Ladungen im Dendriten bewirkt einen Stromfluss, der als Strom-

dipol modelliert werden kann. Der durch ein postsynaptisches Potential ausgeloste

Stromfluss besitzt eine Dauer von ungefahr 10ms. Am Axonhugel des Somas wer-

den die einlaufenden Stromimpulse zeitlich und raumlich, d. h. von verschiedenen

Synapsen kommend, gemittelt. Erreicht die gesamte synaptische Depolarisation die

Membranschwelle [125], so wird ein Aktionspotential ausgelost, das mit einer Dauer

von einer Millisekunde wesentlich kurzer als ein postsynaptisches Potential ist. Das

Aktionspotential wandert auf dem Axon als Depolarisation gefolgt von einer Repola-

risation weiter und kann durch zwei Stromdipole mit entgegengesetztem Vorzeichen

modelliert werden, die einen Stromquadrupol bilden [144]. Das Feld eines Quadru-

pols fallt mit dem Abstand hoch drei ab (∼ 1/r3), ein Dipolfeld wird nur mit dem

Abstand zum Quadrat schwacher (∼ 1/r2).

Damit die Felder außerhalb des Kopfes messbar sind, mussen zeitgleich in einer

großen Anzahl von Neuronen gleichgerichtete durch postsynaptische Potentiale aus-

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3.1 Bestimmung des Dipolfeldes 25

geloste Strome auftreten. Die Dendriten der aktiven Neurone sollten eine moglichst

parallele Ausrichtung besitzen, wie es beispielsweise bei Pyramidenzellen der Fall ist

[125]. Das Moment eines Stromdipols in einem Dendriten betragt ungefahr 20 fAm

[40]. Wird das außerhalb des Kopfes gemessene Magnetfeld mit einem Stromdipol

erklart, so ergibt sich fur diesen ein Dipolmoment von 2–3 nAm bei der Gamma-

band-Aktivitat und bis zu 50 nAm bei N1m-Komponenten [99]. Es mussen daher

ungefahr 100.000 bis 1.000.000 Synapsen gleichzeitig wahrend eines evozierten Po-

tentials aktiv sein. Wird eine Dichte von 100.000 Neuronen pro Quadratmillimeter

mit mehreren tausend Synapsen pro Neuron angenommen, so reicht die Aktivitat

von jeder tausendsten Synapse in einer Flache von einem Quadratmillimeter aus,

um ein messbares Signal zu produzieren [40].

3.1 Bestimmung des Dipolfeldes

Die verteilte Aktivitat eines Neuronenverbandes kann auf Grund des Superpositi-

onsprinzips durch einen einzelnen Stromdipol beschrieben werden. Das magnetische

Feld dieses Dipols wird durch das Biot-Savart-Gesetz beschrieben [95]. Unter der

Annahme des Kopfes als einen spharischen symmetrischen Leiter beschreibt die fol-

gende Gleichung das gemessene Feld Br am Ort r eines Stromdipols Q am Ort rQ

[40]:

Br =µ0

Q× rQ · er

|r− rQ|3, (3.1)

mit der Permeabilitatskonstante µ0 und dem Einheitsvektor er in radialer Richtung.

Ist ein Stromdipol radial orientiert, so ist das außerhalb des Kopfes gemessene Feld

gleich 0. Es konnen daher ausschließlich zur Kopfoberflache tangential orientierte

Quellen erfasst werden. Weiterhin sind Quellen im Zentrum des spharischen Modells

mit rQ = 0 fur das MEG nicht sichtbar.

Gleichung 3.1 ist eine lineare Gleichung, die sich folgendermaßen vereinfacht schrei-

ben lasst:

Br = L(r, rQ) ·Q(rQ). (3.2)

In dieser Gleichungsform beschreibt L(r, rQ) die Projektion des Stromdipols auf

den Sensor am Ort r, welcher das Feld Br misst. Diese Gleichung kann invertiert

werden, so dass das gemessene Feld auf einen Dipolort projiziert wird. Ein als Quel-

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3.2 Gradiometersysteme 26

lenraumprojektion bezeichnetes Verfahren nutzt die Invertierung dieser Gleichung.

Werden mehrere Sensoren eingesetzt, kann durch die Invertierung ein raumlicher

Filter konstruiert werden, der das Signal der Sensoren zusammenfasst und auf die-

se Art und Weise das Signal-zu-Rausch-Verhaltnis verbessert [137]. Signale anderer

Quellen werden durch die Filtereigenschaften ausgeblendet, wodurch zusatzlich die

Signalqualitat verbessert wird.

3.2 Gradiometersysteme

Die Felder typischer gesuchter Quellen neuromagnetischer Aktivitat besitzen eine

Starke im Bereich von 1 fT bis 1 pT. Um diese Feldstarken messen zu konnen, muss

der Einfluss externer Quellen auf ein Minimum reduziert werden. Die Messungen

werden in magnetisch abgeschirmten Kammern durchgefuhrt, um Einflusse, wie sie

durch Schwankungen im Erdmagnetfeld, durch Verkehr (Auto, Bahn) oder durch

das Stromnetz entstehen, zu reduzieren. Ein weiteres Mittel, nur die intrakraniellen

Quellen zu messen, ist die Verwendung von Gradiometerspulen. In einem Gradio-

metersystem wird der magnetische Fluss der neuronalen Quellen durch zwei Spulen

mit umgekehrtem Drehsinn, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, vergli-

chen. Entfernte Storquellen, deren Abstand groß im Vergleich zum Spulenabstand

ist, liefern in beiden Spulen ein Magnetfeld mit nahezu gleichem Betrag, im Gegen-

satz zu nahen Quellen, die in beiden Spulen ein unterschiedliches Feld ergeben. Das

Differenzfeld beider Spulen wird dann aufgenommen.

In einem axialen Gradiometersystem werden die beiden Spulen hintereinander

angeordnet (Abb. 3.1a). Die Spulen mit einem umgekehrten Drehsinn besitzen eine

unterschiedlichen Abstand zur Quelle. Die Unterschiede in der durch die Spulen auf-

genommenen Feldstarken entstehen durch den unterschiedlichen Abstand der Spulen

von der Quelle, da das Feld mit 1/r2 abfallt. Das gemessene Dipolfeld ist vergleich-

bar mit dem von einer einzelnen Spule gemessenen. Es besitzt ein Maximum und ein

Minimum seitlich uber der Quelle und direkt uber der Quelle einen Nulldurchgang.

Dieses System wird in den in dieser Studie verwendeten MEG-Geraten Magnes 37

(Biomagnetic Technologies Inc., San Diego) und Omega 151 (CTF Inc., Vancouver)

benutzt.

Eine andere Moglichkeit besteht darin, zwei Spulen nebeneinander in einer acht-

formigen Konfiguration anzuordnen (Abb. 3.1b). Das gemessene Signal entspricht

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3.2 Gradiometersysteme 27

a b

Abbildung 3.1: In a) ist ein axiales Gradiometersystem und das mit diesem Sensor gemes-sene Feld eines Dipols (schematisch) gezeigt. In b) ist eine planare Gradiometeranordnungund der Betrag des gemessenen Dipolfeldes gezeigt. In realen Anordnungen befindet sichein orthogonales Gradiometer an derselben Position.

dem Gradienten des Feldes parallel zur Kopfoberflache. Dieses so genannte planare

Gradiomter ist die Grundlage des MEG-Gerates Vectorview (Neuromag Ltd., Hel-

sinki). In diesem Gerat befinden sich an einer Sensorposition zwei Spulenpaare, die

zwei zueinander orthogonale Gradientenrichtungen des Feldes messen, die den Gra-

dientenvektor des Feldes bilden. Die gesamte Starke des Gradientenfeldes an der

Sensorposition kann uber den Betrag des Gradientenvektors bestimmt werden. Das

Maximum des gemessenen Signals liegt direkt uber der Quelle und fallt zu den Seiten

hin ab. Der zeitliche Verlauf des Signals ist bei beiden Gradiometersystemen gleich

und wird durch die unterschiedliche Anordnung nicht beeinflusst.

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4

Zeit-Frequenz-Analyse

Bei transienter kortikaler oszillatorischer Aktivitat sind in der Regel der Zeitpunkt

und die genaue Frequenz des Auftretens a priori nur unzureichend oder nach Litera-

turwerten bekannt, bzw. konnen sogar bei der induzierten Aktivitat zwischen wie-

derholten Stimulusprasentationen variieren. Die Analyse im Zeitbereich ergibt keine

Information uber die Frequenzeigenschaften des Signals. Eine Filterung des Signals

beschrankt die Analyse auf ein vorher bestimmtes Frequenzband; jegliche Informa-

tion außerhalb dieses Frequenzbandes wird dabei nicht betrachtet. Die Analyse im

Frequenzbereich, z. B. nach einer Fouriertransformation, liefert eine genaue Informa-

tion uber den gesamten Frequenzinhalt des gemessenen Signals, aber keine zeitliche

Information. Eine im Vergleich zur gesamten Signallange kurze oszillatorische Akti-

vitat kann unerkannt bleiben, da sie keinen großen Energieanteil am Gesamtsignal

liefert und nach der Fouriertransformation moglicherweise die Rauschschwelle nicht

uberschreitet. Als eine mogliche Losung bietet sich hier die Zeit-Frequenz-Transfor-

mation an.

Eine Form der Zeit-Frequenz-Transformation ist die Kurzzeitspektralanalyse, bei

der ein Zeitfenster mit fester Lange uber das Signal geschoben wird und der Frequen-

zinhalt innerhalb dieses Fensters mit einer Fouriertransformation bestimmt wird.

Ein entscheidender Nachteil dieser Methode ist allerdings die starre Lange des Ana-

lysefensters. So musste fur eine Analyse mit guter Frequenzauflosung, wie sie im

niederfrequenten Bereich moglich ist, ein langes Fenster verwendet werden. Fur eine

gute zeitliche Auflosung, die eher fur hohe Frequenzen benotigt wird, empfiehlt sich

dagegen ein kurzes Fenster [10, 31].

Diesem Dilemma begegnet eine weitere Transformation, die so genannte Wave-

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29

let-Transformation, mit einem Kompromiss. Das Signal wird mit einer in Zeit und

Frequenz begrenzten Funktion [22] verglichen. Fur niedrige Frequenzbander wer-

den Analysefenster mit einer großen zeitlichen Ausdehnung verwendet, fur hohe

Frequenzbander werden kurze Analysefenster verwendet, die eine gute zeitliche Auf-

losung bieten. Die Lange des Fensters ist somit vom Frequenzband abhangig. Die

das Signal beschreibende Funktion s(t) wird bei der Transformation mit einer Wa-

veletfunktion w(t, f) gefaltet:

S(t, f) = s(t) ∗ w(t, f). (4.1)

Die Große S(t, f) wird als Wavelet-Transformierte oder Wavelet-Koeffizient be-

zeichnet. Das kleinste Produkt aus zeitlicher Breite und Frequenzbandbreite und

damit der beste Kompromiss zwischen diesen beiden wird mit dem so genannten

Morlet-Wavelet erreicht [31]. Das Morlet-Wavelet zeichnet sich durch eine Gauß’sche

Einhullende sowohl im Zeitbereich als auch im Frequenzbereich um die zentrale Fre-

quenz f0 aus:

w (t, f0) = At exp

(− t2

2σ2t

− 2πif0t

). (4.2)

Dabei ist σt die Breite des Wavelets im Zeitbereich und σf die Breite im Frequenz-

bereich mit σf = 1/2πσt. Die Energie der Waveletfunktion wird uber den Parameter

At auf 1 normiert: ∫|w(t, f0)|2 dt = 1. (4.3)

Nach dem Einsetzen von Gleichung 4.2 in Gleichung 4.3 ergibt sich der Normie-

rungsfaktor

At =(σt

√π)− 1

2 , (4.4)

der fur ein Frequenzband unverandert bleibt.

Durch die Skalierung mit der Frequenz f0 und die Dilatation, d.h. die Verschiebung

in der Zeit durch die Eigenschaften der Faltung, wird eine Wavelet-Familie erzeugt

[24]. Eine Wavelet-Familie zeichnet sich durch ein konstantes Verhaltnis zwischen

zentraler Frequenz f0 und Breite σf aus:

f0/σf = m = const. (4.5)

Aufbauend auf der Wavelet-Transformation lassen sich verschiedene Aspekte eines

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4.1 Evozierte oszillatorische Aktivitat 30

MEG/EEG-Signals untersuchen. Zur Untersuchung evozierter Aktivitat wird die

Wavelet-Transformation uber das Mittel aller gemessenen Epochen angewandt. Zur

Untersuchung der induzierten oszillatorischen Aktivitat bietet sich die Mittelung der

Betrage der Wavelet-Koeffizienten an. Die von Epoche zu Epoche unterschiedlichen

Phasenbeziehungen der Aktivitat finden keine Berucksichtigung und konnen daher

das Signal nicht storen. Eine Variation in der Zeit kann ausgeglichen werden, wenn

sie kleiner ist als die Breite der Waveletfunktion, da sich dann die Aktivitat in den

einzelnen Epochen zum Teil noch uberlappt.

Aus der Kombination beider Berechnungen kann ein statistisches Maß fur die

Signifikanz einer reizkorrelierten, evozierten Antwort gebildet werden. Dieses Maß

wird als magnitude squared coherence γ bezeichnet. Es berucksichtigt sowohl die

Amplituden- als auch die Phaseninformation des Signals.

4.1 Evozierte oszillatorische Aktivitat

Evozierte oszillatorische Aktivitat zeichnet sich durch eine bei jedem Stimulus nur

gering variierende Phasenlage aus. Die evozierte Gehirnantwort kann uber eine Mit-

telung der einzelnen Epochen extrahiert werden. Daher wird die Wavelet-Transfor-

mation erst uber die gemittelten Daten berechnet:

S(t, f0) = w(t, f0) ∗ s(t) = w(t, f0) ∗1

N

∑si(t) (4.6)

mit si als Signal der iten Epoche, N als Anzahl der Epochen und w(t, f0) als Wave-

letfunktion mit der zentralen Frequenz f0. Es wird schließlich die Energie |S(t, f0)|2

des Signals betrachtet. Die Aktivitat sollte sich anhand veranderter Amplituden

gegenuber dem Hintergrundrauschen auszeichnen. Die Starke des Hintergrundrau-

schens wird in einem Intervall vor dem Stimulus abgeschatzt und dann vom Signal

abgezogen.

4.2 Induzierte oszillatorische Aktivitat

Im Gegensatz zur evozierten Aktivitat zeichnet sich induzierte oszillatorische Aktivi-

tat durch eine von Epoche zu Epoche veranderte Latenz und eine variierende Phase

aus. Zur Detektion dieser Aktivitat sind daher Methoden notwendig, die die Pha-

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4.3 Magnitude Squared Coherence 31

se unberucksichtigt lassen und uber einen gegebenen Zeitabschnitt mitteln konnen.

Eine Moglichkeit dies zu erreichen, ist die Mittelung der Amplituden der Wavelet-

Koeffizienten uber einzelne Epochen:

I(t, f) =1

N

N∑i=1

|S(t, f)|2 =1

N

N∑i=1

|w(t, f) ∗ si(t)|2 . (4.7)

Das Ergebnis ist eine Zeit-Frequenz-Reprasentation sowohl der induzierten als auch

der evozierten Aktivitat. In der Praxis zeigt die induzierte Aktivitat jedoch eine

wesentlich großere Amplitude als die evozierten Anteile. Eine große Anzahl von Mit-

telungen kann das Signal-zu-Rausch-Verhaltnis des Ergebnisses weiter verbessern.

Ein Problem, das mit einer großen Epochenanzahl jedoch nicht umgangen werden

kann, ist der Einfluss von Artefakten wie sie von Herz, Augen oder Muskeln ver-

ursacht werden. Der Großteil dieser Artefakte kann durch ein Schwellenkriterium

aussortiert werden. Es bleiben jedoch kleinere Artefakte uber, die bei einer einfa-

chen Mittelung des Signals nicht storen wurden. Sie zeigen jedoch ein breites Fre-

quenzspektrum bei z. T. hohen Amplituden in allen Frequenzbandern. Sie konnen

daher einen merklichen Anteil im berechneten Signal liefern und die Detektion der

eigentlichen, gesuchten Gehirnaktivitat storen.

4.3 Magnitude Squared Coherence

Besitzt oszillatorische Aktivitat im Vergleich zum Rauschen eine sehr geringe Am-

plitude, so kann sie durch eine einfache Mittelung nicht detektiert werden. Sie kann

aber bei einer großen Phasentreue in den einzelnen Epochen unabhangig von ihrer

Amplitude mit Hilfe der Phasenkoharenz extrahiert werden. Fur die Berechnung

der Phasenkoharenz werden die komplexwertigen Koeffizienten der Wavelet-Trans-

formation auf 1 normiert und gemittelt. Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion der

Phasenkoharenz folgt unter der Voraussetzung einer Gleichverteilung der Phasen

und einer großen Epochenzahl von N ≥ 50 einer Rayleigh-Verteilung [80].

Bei der Phasenkoharenz wird vorausgesetzt, dass die Gehirnantwort nur auf einer

Neuausrichtung der Phasen der Hintergrundaktivitat des Gehirns beruht. Es kann

jedoch davon ausgegangen werden [53], dass es bei der evozierten Gehirnantwort

eine additive Komponente gibt, die sich in einer erhohten Amplitude widerspiegelt.

Der Nachteil in der Phasenkoharenz ist die Nichtberucksichtigung der Amplituden-

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4.4 Implementierung der Wavelet-Transformation 32

information.

Ein ahnliches statistisches Maß, in das zusatzlich noch die Amplitudeninformati-

on einfließt, ist die magnitude squared coherence γ2. Es wird untersucht, inwieweit

zwei Signale, hier der Stimulus und die gemessene Antwort, miteinander korrelie-

ren. Dieses Maß stammt aus der Spektralanalyse und wird durch die Mittelung des

Kreuzspektrums zwischen den Wavelet-Koeffizienten des Eingangs- (Stimulus) und

Ausgangssignals (evoziertes Potential) der einzelnen Epochen (Xi bzw. Si) und der

anschließenden Normierung mit dem Mittelwert der Einzelspektren berechnet:

γ2xy(t, f) =

|∑X∗i (t, f)Si(t, f)|2∑ |Xi(t, f)|2∑ |Si(t, f)|2

. (4.8)

Ist das Eingangssignal in jeder Epoche gleich, so vereinfacht sich der Ausdruck zu

γ2(t, f) =

∣∣∣ 1N

∑Si(t, f)

∣∣∣21N

∑ |Si(t, f)|2. (4.9)

Die Gleichung 4.9 beschreibt das Verhaltnis zwischen dem ereigniskorrelierten Signal

und der Summe aus Signal und Rauschen und nimmt Werte im Intervall zwischen

0 und 1 an. Enthalten die zugrunde liegenden Messwerte kein Signal sondern nur

Rauschen, dann ist γ2 = 0, enthalten sie nur Signal und sind frei von Rauschen, so

ist γ2 = 1. Die Werte der magnitude squared coherence folgen fur Mittelungen mit

N ≥ 50 ebenfalls einer Rayleigh-Verteilung. Nach dem Rayleigh-Test sind Werte γ

fur ein Signifikanzniveau p und Anzahl der gemittelten Werte N signifikant, wenn

γ >√−1/N ln p, mit 0 < p ≤ 1 (4.10)

erfullt ist [80]. Diese Detektion der Aktivitat ist unabhangig von Grundlinienakti-

vitat. Es kann jedoch auch die Verteilung der Daten anhand einer Betrachtung der

Grundlinie berechnet werden. Das Signifikanzniveau eines Wertes wird dann durch

den Anteil der Werte in der Grundlinie bestimmt, der großer als dieser Wert ist.

4.4 Implementierung der Wavelet-Transformation

Der Algorithmus zur Berechnung der Wavelet-Transformation wurde unter Verwen-

dung des Morlet-Wavelets in der Programmiersprache C entwickelt. Ein Vorteil in

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4.4 Implementierung der Wavelet-Transformation 33

0 20 40 60 80 100

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Frequenz (Hz)

Par

amet

er m

Abbildung 4.1: Die Auswirkungen des Parameters m auf die Ubertragungsfunktion deszu untersuchenden Frequenzbereichs.

der Verwendung des Morlet-Wavelets liegt darin, dass die Fouriertransformierte des

Wavelets eine analytische Form besitzt und die Transformation daher leicht im Fre-

quenzbereich durchfuhrbar ist. Das Morlet-Wavelet ahnelt außerdem dem Verlauf

oszillatorischer Gehirnaktivitat, die ensteht wenn eine große Anzahl von Neuronen

zu synchronen Oszillationen angeregt wird. Aufgrund dieser Ahnlichkeit besitzt das

Morlet-Wavelet eine gute Detektionsfahigkeit fur die gesuchte Aktivitat.

Die Daten werden zuerst in den Fourierraum F [] transformiert, dann mit der

Waveletfunktion fur die zu analysierenden Frequenzen w(f, f0) multipliziert und

schließlich zurucktransformiert F−1[]:

S(t, f0) = F−1 [w(f, f0)F [s(t)]] . (4.11)

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4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten 34

Der zu untersuchende Frequenzbereich sollte trotz seiner notwendigen Diskreti-

sierung moglichst gleichmaßig durch die Wavelettransformation abgedeckt werden.

Dies bedeutet, dass die Breite des Wavelets im Frequenzraum fur alle Frequenzen

großer als der Abstand zweier Mittenfrequenzen sein sollte. Sollte dies nicht der

Fall sein, bilden sich besonders in den niedrigen Frequenzen Uberschwinger. Da die

Breite σf und der Parameter m umgekehrt proportional zueinander sind (Gleichung

4.5), hat diese Bedingung zur Folge, dass der Parameter m nicht zu groß sein sollte.

Andererseits werden bei zu kleinem m hohe Frequenzen nicht mehr ausreichend ab-

gebildet. Ausgehend von einem zu untersuchenden Frequenzbereich zwischen 10Hz

und 60Hz folgt daraus, dass der Parameter m kleiner gleich 7 und großer gleich 5

sein sollte, wie Abbildung 4.1 entnommen werden kann. Uber den Parameter m lasst

sich zusatzlich das Verhaltnis zwischen Frequenz- und Zeitauflosung des Wavelets

einstellen.

Die Ergebnisse der numerischen Rechnung lassen sich mit einer analytischen Rech-

nung uberprufen; der verwendete Algorithmus und das Programm lassen sich auf

diese Weise testen.

4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen

Daten

Die Uberprufung des Verfahrens der Wavelet-Transformation und der erstellten Pro-

gramme kann mit synthetischen Daten erfolgen, die mit der Waveletfunktion selber

erzeugt werden. Diese Daten ahneln in ihrem Verlauf oszillatorischer transienter

Gehirnaktivitat und bieten sich so fur einen adaquaten Vergleich an. Es ist außer-

dem moglich, eine analytische Transformation zu berechnen, mit der die numerische

Transformation uberpruft werden kann. Es werden zuerst die Transformationseigen-

schaften des Algorithmus getestet. In einem zweiten Test wird das Verhalten zur

Detektion evozierter und induzierter Aktivitat untersucht.

4.5.1 Methoden

Fur die Uberprufung der Transformationseigenschaften und Detektionsfahigkeit wird

der Imaginarteil des Morlet-Wavelets und damit eine dem Wavelet ahnliche Funktion

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4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten 35

als Testfunktion benutzt:

p(t) = p0 exp

(−(t− t0)

2

2σ2p

)sin(2πf0t). (4.12)

Als Amplitude p0 wird die entsprechende Amplitude eines Morlet-Wavelets gewahlt:

p0 = At = (σp

√π)−

12 ; mit der Breite σp wird ebenso verfahren: σp = m/2πf0. Die

Wavelet-Transformation der Funktion 4.12 kann zum Vergleich analytisch berechnet

werden.

Synthetische Daten zur Demonstration und zum Testen des Algorithmus werden

einmal aus der Uberlagerung der Funktion 4.12 mit drei verschiedenen Wertepaa-

ren fur Mittenfrequenz und Latenz (30Hz/250ms, 40Hz/500ms und 50Hz/750ms;

fur alle: Parameter m = 7) und außerdem zur Abschatzung eines Fehlers aus der

Funktion 4.12 mit der Mittenfrequenz 40Hz um den Zeitnullpunkt gebildet.

Zur Uberprufung der Analyse evozierter und induzierter Aktivitat, bei der uber

mehrere Epochen gemittelt wird, wurden Datensatze mit 100 Epochen aus dem ele-

mentaren Signal erstellt. In allen Epochen ist eine Komponente bei 100ms zu finden

und eine weitere Komponente um 500ms mit einer gleichverteilten Variation der

Latenz zwischen 2ms und 120ms. Beide Komponenten besitzen eine Frequenz von

40Hz. Die Datensatze wurden zum einen zuerst gemittelt und dann transformiert

und zum anderen wurde erst eine Wavelet-Transformation durchgefuhrt und dann

die Amplitude der Transformierten gemittelt.

4.5.2 Ergebnisse

Die aus drei Morlet-Wavelets zusammengesetzte Funktion p(t) ist in der Abbildung

4.2 dargestellt. In Abbildung 4.3 wird die numerische Transformation dieser Funktion

gezeigt. In der Transformation ist deutlich eine Variation der Auflosung zu erkennen.

Die niederfrequente Komponente bei 250ms besitzt eine hohere Frequenzspezifitat

bei schlechterer Zeitauflosung als die spate Komponente bei 750ms, die die beste

Zeitauflosung, aber die schlechteste Frequenzauflosung besitzt. Die Flachen, die die

Transformierten im Zeit-Frequenzraum einnehmen, bleiben jeweils gleich.

In der Abbildung 4.4 ist die Testfunktion aus dem Imaginarteil eines einzelnen

Morlet-Wavelets bei 40Hz dargestellt. Das Quadrat des Betrags der analytischen

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4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten 36

0 200 400 600 800 1000−5

0

5x 10

−15

Zeit (ms)

Abbildung 4.2: Synthetische Daten aus der Summe der Imaginarteile der Morlet-Wa-veletfunktion zu den drei Wertepaaren 30 Hz/250ms, 40 Hz/500 ms und 50 Hz/750 ms mitdem Parameter m = 7.

Transformierten dieser Funktion besitzt folgende Darstellung:

|Panalyt(t, f)| = |w(t, f) ∗ p(t)| = π

2(p0At)

2 σ2t σ

2p

σ2t + σ2

p

exp

(− (t− t0)

2

2(σ2t + σ2

p)

·[exp

(−4π2 σ2

t σ2p

σ2t + σ2

p

(f − f0)2

)+ exp(−O((f + f0)

2))

]. (4.13)

Die Transformierte besitzt sowohl in der Frequenz als auch in der Zeit die Form

einer Gaußglocke, deren Breite durch die Breite der Waveletfunktion σt und der

Testfunktion σp bestimmt wird. Die Terme von der Ordnung der Exponentialfunkti-

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4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten 37

0

1

2

0 200 400 600 800 100010

20

30

40

50

60

70

Zeit (ms)

Fre

quen

z (H

z)

Abbildung 4.3: Wavelet-Transformation der synthetischen Daten aus Abbildung 4.2 .

on der Quadratsummen der Frequenzen exp(−O((f + f0)2)) liefern einen Anteil von

10−50 im Verhaltnis zum Term der Frequenzdifferenzen und konnen daher vernach-

lassigt werden.

In Abbildung 4.4 ist ein Vergleich zwischen numerischer |Pnum(t, f)| und analy-

tischer |Panalyt(t, f)| Wavelet-Transformation der Funktion 4.12 dargestellt. Rechts

oben in der Abbildung 4.4 sind sowohl die analytische als auch die numerische Trans-

formation bei einer Frequenz von 40Hz gezeigt. Beide Kurven sind vollkommen de-

ckungsgleich. Der relative Fehler

ε =|Pnum| − |Panalyt||Panalyt|

(4.14)

liegt im Bereich von 10−15, wie in Abbildung 4.4 rechts unten zu sehen ist.

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4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten 38

−0.2 −0.15 −0.1 −0.05 0 0.05 0.1 0.15 0.2−5

−4

−3

−2

−1

0

1

2

3

4

5A

mplit

ude

Zeit (s)

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

Am

plit

ud

e

−0.2 −0.15 −0.1 −0.05 0 0.05 0.1 0.15 0.210

−20

10−10

rel. F

eh

ler

Zeit (s)

ε

Abbildung 4.4: Links: Synthetische Daten aus dem Imaginarteil der Morlet-Wavelet-funktion mit der Frequenz von f = 40 Hz zum Zeitpunkt t = 0 s mit einer Abtastratevon 298 Hz und dem Parameter m = 7. Rechts oben: Wavelet-Transformation der linksgezeigten Funktion. Die analytisch und numerisch berechneten Transformationen bei einerFrequenz von 40 Hz zeigen keine Unterschiede. Rechts unten: Der relative Fehler ε (vgl.Gleichung 4.14) liegt im Bereich des Maximums der Transformation um 10−15.

In der Zeit-Frequenz-Transformation der gemittelten Daten ist deutlich die evo-

zierte Komponente bei 0ms zu erkennen (Abb. 4.5). Die induzierte Komponente

bei 500ms ist ab einer Variation von 10ms (Abb. 4.5, drittes Bild) nicht mehr zu

erkennen.

In der Mittelung der Amplituden der Zeit-Frequenz-Transformationen der einzel-

nen Epochen (Abb. 4.6) ist die induzierte Komponente fur alle gezeigten Variationen

sichtbar. Je großer die Varianz der Zeit des Maximums ist, desto breiter erscheint

diese Komponente und ihre Amplitude nimmt ab. Der evozierte Anteil bleibt bei

dieser Form der Zeit-Frequenz-Analyse erhalten.

4.5.3 Diskussion und Zusammenfassung

Es konnte gezeigt werden, dass die numerische Wavelet-Transformation mit einem

relativen Fehler von 10−15 nur unwesentlich von der analytischen Transformation ab-

weicht. Dieser geringe Fehler lasst sich auf die Transformationseigenschaften und die

gute numerische Umsetzbarkeit des Morlet-Wavelets im Zeit- und Frequenzbereich

zuruckfuhren.

In der Transformation zeigt sich das Skalierungsverhalten der Waveletfunktion,

wie in Abbildung 4.3 zu sehen ist. Fur Aktivitat in niedrigen Frequenzbereichen er-

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4.5 Uberprufung des Verfahrens an synthetischen Daten 39

σ = 2 ms σ = 5 ms σ = 10 ms σ = 20 ms

0 50020

30

40

50

60

Zeit (ms)

Fre

quen

z (H

z)

σ = 40 ms σ = 60 ms σ = 80 ms

0.5 1 1.5 2

σ = 100 ms

Abbildung 4.5: Wavelet-Transformation einer Mittelung von 100 Epochen. Die Datenenthielten eine Komponente bei 0 ms und 40Hz, die in jeder Epoche dieselbe Latenz hatte.Eine weitere Komponente trat um 500ms auf, wobei die Zeit des Maximums von Epochezu Epoche variierte. Die Variation war uber alle Epochen normalverteilt mit einer Varianzvon 2ms, 5ms, 10 ms, 20 ms, 40 ms, 60ms, 80ms und 100 ms, wie in den einzelnen Bildernmarkiert ist.

gibt sich eine gute Frequenzauflosung bei schlechter Zeitauflosung. Dieses Verhaltnis

kehrt sich zu hoheren Frequenzen um. Die Gesamtenergie, hier vergleichbar mit der

Flache der Aktivitat im Zeit-Frequenz-Raum, bleibt dabei identisch.

Zudem konnte hier demonstriert werden, dass die Transformation gemittelter Da-

ten nicht fur den Nachweis induzierter Aktivitat geeignet ist. Schon bei geringer

Variation in der Zeit des Maximums der Aktivitat ist diese in der Transformation

nicht mehr erkennbar. Im Gegensatz dazu ist die induzierte Aktivitat auch bei großer

Variation des Zeitpunkts des Maximums bei Transformation der Einzelepochen und

anschließender Mittelung der Amplituden noch nachweisbar.

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4.6 Illustration des Verfahrens 40

σ = 2 ms σ = 5 ms σ = 10 ms σ = 20 ms

0 50020

30

40

50

Zeit (ms)

Fre

quen

z (H

z)

σ = 40 ms σ = 60 ms σ = 80 ms

0.5 1 1.5 2

σ = 100 ms

Abbildung 4.6: Mittelung von einzeln fur jede Epoche berechneten Wavelet-Transfor-mationen. Es wurden dieselben Daten wie in Abbildung 4.5 benutzt. Die zeitliche Varianzdieser Komponente ist wieder in den einzelnen Bilder markiert.

4.6 Illustration des Verfahrens bei mittellatenten

off-Komponenten

Die Lange eines auditorischen Stimulus ist ein entscheidender Parameter, dessen

Bedeutung besonders in der Sprache deutlich wird. Der Sprachrhythmus wird nicht

nur durch die Wortanfange, sondern auch durch die Wortenden erzeugt. Es treten

nicht nur auf den Beginn eines Stimulus typische Muster von Gehirnantworten auf.

Ebenso lassen sich Antwortmuster finden, die mit dem Ende eines Stimulus korreliert

sind. Diese Antworten werden als off -Antworten bezeichnet. Ihre Benennung erfolgt,

indem der Bezeichnung fur die entsprechende Antwort auf den Beginn des Stimulus

ein off hintenangestellt wird, so z. B. N1 und N1-off.

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4.6 Illustration des Verfahrens 41

Die mittellatenten Komponenten treten im Zeitbereich von 10–60ms nach einem

akustischen Stimulus auf. Die einzelnen Komponenten besitzen ihren Ursprung in

subkortikalen oder kortikalen Bereichen und treten zu charakteristischen Zeitpunk-

ten auf. Sie werden nach ihrer Polaritat im EEG am Vertex benannt: Na bei 19ms,

Pa bei 30ms, Nb bei 38ms und Pb bei 50ms [73]. Wegen ihres ahnlichen zeitlichen

Musters scheinen die mittellatenten Komponenten und die Gammaband-Aktivitat

eng verwandt zu sein [3]. Besonders zu spateren Zeitpunkten ab 50ms zeigt sich

jedoch die Eigenstandigkeit beider Antwortkomplexe [120].

Auditorisch evozierte off -Antworten aus dem Hirnstamm wurden subkutan bei

Katzen [68] und mit Hilfe der Elektroenzephalographie sowohl bei Mausen [43] als

auch bei Menschen [15, 64, 140] untersucht. Mittellatente off -Komponenten wurden

bisher nur bei Katzen in Einzelzellableitungen [1] und beim Menschen mit implan-

tierten intrakortikalen Elektroden beobachtet [141]. Einzelzellableitungen im pri-

maren auditorischen Kortex von Katzen [1] zeigten einen großen Anteil von Neuro-

nen, die auf den Beginn eines Reizes reagierten. Nur 10% der Neuronen reagierten

sowohl auf den Beginn als auch auf das Ende und sehr wenige nur auf das Ende

eines Stimulus.

In weiteren elektro- und magnetoenzephalographischen Studien wurde die N1-off -

Komponente gemessen und besonders hinsichtlich der Generatorposition in Bezug

auf die N1-on-Komponente untersucht. Pantev et al. [104] wiesen identische Gene-

ratororte fur die Quellen der on- und off -Antworten nach. Joutsiniemi et al. [57]

beschrieben bei zwei von vier Probanden einen gleichen Ort und bei den anderen

beiden einen signifikant unterschiedlichen Ort. Hari et al. [41] konnten bei funf von

sieben Probanden einen gleichen Generatorort feststellen. Im Gruppenmittel fanden

sie jedoch einen signifikant weiter anterior liegenden Ort. Noda et al. [94] beobach-

teten einen signifikant weiter superior liegenden Ort fur die off -Komponente.

Die geringe aber vorhandene Variation des Ortes der N1m-off Antwort von der on-

Antwort sowie Einzelzellableitungen an Katzen zeigen die Beteiligung unterschied-

licher aber zusammenhangender neuronaler Netzwerke an der Entstehung der off -

Antwort gegenuber der on-Antwort. Die funktionelle Bedeutung der off -Komponen-

te liegt entweder in der Detektion einer Anderung in den Schallreizen [47] oder in

der Detektion des Endes eines Reizes [54].

Wird das Ergebnis fur die N1-Komponenten auf die mittellatenten Komponenten

ubertragen, so bedeutet dies, dass auch hier unterschiedliche Neuronenpopulationen

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4.6 Illustration des Verfahrens 42

beteiligt sein konnen. An der Entstehung der off -Komponenten konnten verschiede-

ne Mechanismen und Netzwerke beteiligt sein, die zu einem abweichenden zeitlichen

Muster der off - gegenuber der on-Komponenten fuhren. Dies bedeutet, dass sowohl

das Frequenzband, in dem die Antworten auftreten, als auch der Zeitpunkt a priori

unbekannt sind. Mit Hilfe der Wavelet-Analyse kann eine Antwort extrahiert werden,

da diese Methode nicht auf einen Zeitpunkt oder ein eingeschranktes Frequenzband

angewiesen ist. Im Vergleich zu den on-Antworten zeigt die N1-off Antwort kleinere

Amplituden. Bei den mittellatenten off -Komponenten ist daher eine noch kleinere

Amplitude als bei den mittellatenten on-Antworten zu erwarten. Die Berechnung der

magnitude squared coherence ist daher ein zuverlassiges Hilfsmittel zur Bestimmung

der Signifikanz einer eventuellen mittellatenten off -Antwort.

Es wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Experiment durchgefuhrt, das durch un-

terschiedliche Stimuluslangen die eindeutige Identifizierung der mittellatenten off -

Komponenten ermoglichen sollte. Stimuli mit unterschiedlichen Langen wurden ge-

wahlt, um off -Komponenten von Komponenten, die mit dem Beginn des Stimulus

korreliert sind, unterscheiden zu konnen. Es wurde darauf geachtet, dass der Stimu-

lus keine Nachklangeffekte besaß. Diese wurden eine weitere on-Antwort auslosen,

die falschlicherweise als off -Antwort interpretiert werden konnte.

Sollten die bestimmten off -Antworten eine gleiche Latenz in Bezug auf das Ende

eines Stimulus und eine gleiche Frequenz haben wie die on-Antworten sowie einen

ahnlichen Generatorort, so kann ihre funktionelle Bedeutung eher in der Detektion

der Anderung in den Stimuluseigenschaften liegen [47], da dann neuronale Zellver-

bande auf gleiche Weise bei Beginn und Ende des Stimulus aktiv sind. Im anderen

Fall bei Unterschieden zwischen den Komponenten ist eher ein eigenes funktionelles

Netzwerk zur Detektion des Reizendes denkbar [54].

Die Analyse der Daten soll als Beispiel fur die oben beschriebenen Methoden

dienen. Sie wird daher auf die Identifikation der Antworten beschrankt. Es wird

keine Quellenlokalisation durchgefuhrt.

4.6.1 Methoden

Es wurden 2 weibliche und 5 mannliche Probanden im Alter von 22 bis 29 Jahren

(Durchschnittsalter: 25,4 a) ohne audiologischen oder neurologischen Befund unter-

sucht. Alle Probanden waren Rechtshander. Die Stimuli wurden auf der rechten Seite

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4.6 Illustration des Verfahrens 43

0

0

1

−1100 200 300

Zeit (ms)

Am

plitu

de

Abbildung 4.7: Dargestellt ist die Einhullende des mit einem kunstlichen Ohr gemessenenStimulus. Der Stimulus hatte eine Frequenz von 820Hz und An- und Abstiegszeiten von10 ms bei einer Lange von 300 ms.

dargeboten und kontralateral abgeleitet. Die Messungen wurden in einer magnetisch

abgeschirmten Kammer mit einem 37-Kanal-Neuromagnetometer-System (Magnes

37, Biomagnetic Technologies Inc., San Diego) durchgefuhrt. Der mittlere Kanal des

Sensors wurde uber der Elektrodenposition FC5 des internationalen 10/20-Systems

positioniert.

Die Eigenschaften der Stimuli wurden darauf abgestimmt, dass ein moglichst ge-

ringer Nachhall entstand. Die einzelnen Klange der Stimulation wurden in einem

6,3m langen Plastikschlauch in die magnetisch abgeschirmte Kammer ubertragen.

Innerhalb des Schlauchs wurde ein Wellensumpf zur Dampfung des Nachhalls ver-

wendet. Vor der Durchfuhrung der Experimente wurde der prasentierte Stimulus mit

einem kunstlichen Ohr (2,2 cm3 Bruel & Kjær model 4157) gemessen, das mit einem

1/2” Kondensatormikrophon (Bruel & Kjær model 4134) ausgestattet war. Ein Sti-

mulus mit der Frequenz 820Hz lieferte die besten Eigenschaften (siehe Abbildung

4.7). Der Stimulus hatte eine Anstiegs- und Abklingzeit von 10ms. Es wurden Sti-

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4.6 Illustration des Verfahrens 44

muli mit drei verschiedene Langen von 75ms, 150ms und 300ms mit einem Intersti-

mulusintervall von 1000ms± 200ms randomisiert bei einer Lautstarke von 65 dBSL

dargeboten. Epochen, in denen das Magnetfeld eines Kanals um mehr als 2,5 pT va-

riierte, wurden als Artefakt (z.B. Augenbewegungen, Kaubewegungen) klassifiziert

und verworfen. Fur jeden Stimulustyp standen nach diesem Schritt ca. 1200 Epochen

zur weiteren Datenanalyse zur Verfugung.

Die Epochen wurden ereigniskorreliert gemittelt und mit einem Bandpassfilter von

15Hz bis 100Hz gefiltert (Butterworth, 4. Ordnung ohne Phasenverschiebung). Au-

ßerdem wurde von den gemessenen Daten die magnitude squared coherence wie oben

beschrieben berechnet. Um das Signifikanzniveau p zu bestimmen, wurde der Ray-

leigh-Test durchgefuhrt, bei dem die Kohaherenzwerte mit dem Ausdruck√− 1

Nln p

verglichen werden.

4.6.2 Ergebnisse

Die gemittelten und gefilterten evozierten Potentiale zeigten deutliche mittellatente

Komponenten. Wie in Abbildung 4.8 gezeigt, sind bei allen Probanden die Kom-

ponenten Na, Pa, Nb und Pb identifizierbar. Es wurde zwischen den anterioren und

posterioren Kanalen des Sensors eine Polaritatsumkehr beobachtet, die auf unter

dem Sensor liegende dipolare Quellen schließen lasst.

Bei zwei Probanden konnten eindeutige Antworten auf das Ende des Stimulus

in den Zeitreihen beobachtet werden. Die Kurven haben fur die Stimuli mit den

Langen von 150ms und 300ms in identischen Kanalen einen vergleichbaren Verlauf.

Bei beiden Stimuluslangen sind somit Antworten identifizierbar. Beim Stimulus mit

der Lange von 75ms kann keine mittellatente off -Komponente beobachtet werden.

Klare Zuordnungen bei der off -Antwort zu den Wellen Na, Pa, Nb und Pb wie bei

der on-Antwort sind jedoch nicht moglich.

Ein deutlicheres Bild lieferte die Berechnung der magnitude squared coherence mit

Hilfe der Wavelet-Transformation aus Gleichung 4.9. Es ließen sich fur die Stimuli

mit 300ms und 150ms Lange bei allen Probanden off -Antworten beobachten, die

eine signifikante magnitude squared coherence besaßen (p < 0, 01, Rayleigh-Test).

Zusatzlich ließ sich bei vier Probanden auch eine off -Komponente beim Stimulus

mit der Lange 75ms von der on-Antwort trennen. Es zeigten sich bei einigen Pro-

banden individuelle Veranderungen in der Frequenz der off -Antwort gegenuber der

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4.6 Illustration des Verfahrens 45

−400

40

−100

10

−100

10

−100

10

−400

40

−100

10

−200

20

S7

S1

S2

S3

S4

S5

S6

−100

10

−100

10

−100

10

−20

0

20

−100

10

0 25 50 75 100

−100

10

B (

fT)

300 325 350 375 400−20

020

Zeit (ms)

B (

fT)

Zeit (ms)

Abbildung 4.8: Zeitreihen der mittellatenten on- und off -Antworten der ProbandenS1–S7 aus den Kanalen mit maximaler Aktivitat und Polaritatsumkehr. Links sind dieZeitreihen mittellatenter on-Antworten fur die Stimuli mit 75ms, 150ms und 300 ms Langeubereinander gezeichnet, in denen die Komponenten Na, Pa, Nb und Pb markiert sind.Rechts sind die Zeitreihen der mittellatenten off -Antworten fur die Stimuli mit 150 msund 300 ms Lange dargestellt. Eine Zeile entspricht jeweils den Daten eines Probanden.

on-Antwort. So lag die Frequenz fur die off -Antwort bei S1, S2 und S7 cirka 10Hz

bis 20Hz hoher und bei S6 cirka 15Hz niedriger als fur die on-Antwort. Fur S3

und S5 war das Bild uneinheitlich. Fur den Stimulus mit der Lange 150ms lag die

Frequenz fur die off -Antwort etwa 20Hz niedriger als fur die on-Antwort und fur

die Stimuluslange von 300ms waren die Frequenzen fur beide Antworttypen gleich.

Fur S4 waren die Frequenzen der on- und off -Antwort etwa gleich.

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4.6 Illustration des Verfahrens 46

20406080

20406080

204060

S7

S6

S5

S4

S3

S2

S1

80

20406080

204060

20406080

0 200 40020406080

Zeit (ms)0 200 400 0 200 400

80

Fre

quen

z (H

z)

Abbildung 4.9: Dargestellt sind die aus den Wavelet-Transformationen berechneten ma-gnitude squared coherence Diagramme fur die Probanden S1 bis S7. In der linken Spaltesind die Ergebnisse fur den Stimulus mit einer Lange von 75 ms dargestellt, in der mitt-leren Spalte die Ergebnisse fur den Ton mit einer Lange von 150 ms und in der rechtenSpalte die Ergebnisse fur den mit 300 ms langsten Ton. Bereiche im Zeit-Frequenz-Raum,die nicht das Signifikanzniveau von 1 % erreicht haben, sind weiß gelassen worden.

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4.6 Illustration des Verfahrens 47

4.6.3 Diskussion und Zusammenfassung

Mit Hilfe der Wavelet-Analyse konnte die Existenz einer mittellatenten Komponente,

die mit dem Ende des Stimulus korreliert ist, nachgewiesen werden. Es zeigte sich,

dass die Detektionseigenschaften der Methode dazu geeignet sind, Signale kleiner

Amplituden, die in ihrem Auftreten in der Frequenz und in der Latenz unbekannt

sind, zu detektieren. Es waren außerdem bei allen Probanden falsch positiv detek-

tierte Antworten zu Zeitpunkten zu beobachten, an denen keine Antwort erwartet

wurde. Um diesen Effekt zu verhindern, ware die Aufnahme weiterer Messepochen

notwendig gewesen.

Die Variation in der Frequenz zwischen on- und off -Antworten deutet auf spezi-

fische funktionelle Netzwerke hin. Es entspricht den Ergebnissen, dass ebenfalls bei

Einzelzellableitungen bei der Katze unterschiedliche Neuronenpopulationen auf den

Anfang und das Ende eines Reizes aktiv waren. Ausgeschlossen werden kann, dass

die Aktivitat im Frequenzband um 40Hz, die bei einem Reiz mit der Lange von z.B.

75ms bei etwa 125ms auftreten, spate Gammabandaktivitat darstellt. Diese Ant-

worten fehlen bei langeren Stimuli zu dieser Latenz bzw. treten mit einer ahnlichen

Latenz bezogen auf das Ende des Stimulus auf. Die mittellatenten off -Komponen-

ten konnten so als eigene funktionelle Einheit identifiziert werden. Zur Erganzung

dieses Ergebnisses wurde noch die Lokalisation der Quellen beitragen, die aber nicht

Gegenstand dieser Datenanalyse war.

Die Waveletanalyse mit einem Morlet-Wavelet ist also geeignet, elektromagneti-

sche Gehirnaktivitat zu detektieren. Die besondere Analysemethode der magnitude

squared coherence ermoglichte es, Aktivitat zu bestimmen, die durch eine norma-

le Bandpassfilterung im Zeitbereich nur unzureichend bestimmbar war. Es konnten

außerdem Aussagen uber die Frequenzeigenschaften des Signals gemacht werden.

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5

Wahrnehmung koharenter Stimuli

In Experimenten im visuellen System wurde eine erhohte Gammaband-Aktivitat bei

der Wahrnehmung koharenter Stimuli gefunden. In Analogie zu dem so genannten

”Kanizsa-Dreieck“-Experiment [126] wurde ein Experiment in der auditorischen Mo-

dalitat durchgefuhrt, in dem Probanden koharente und inkoharente Klange prasen-

tiert wurden. Die dabei gemessenen MEG- und EEG-Daten wurden dann hinsichtlich

ihrer Unterschiede in der evozierten und induzierten Gammaband-Aktivitat analy-

siert. Die Studie wurde am Institut fur Experimentelle Audiologie der Universitat

Munster durchgefuhrt.

Ziel des Experiments war es, festzustellen, ob vergleichbar zur visuellen Modalitat

die Wahrnehmung koharenter Stimuli zu einer Erhohung induzierter Gammaband-

Aktivitat fuhrt. Es sollte ebenso untersucht werden, ob die Koharenz der Stimuli

Auswirkungen auf die fruhe evozierte Gammaband-Aktivitat zeigt. Aus den Ergeb-

nissen sollten Ruckschlusse auf die Art und Weise der Verarbeitung koharenter Sti-

muli moglich sein. Bei Effekten in der evozierten und induzierten Aktivitat konnten

sensorische und kortikale Prozesse bei der Integration separater Eigenschaften der

Stimuli zusammenwirken. Sollten sich die Effekte auf induzierte Aktivitat beschran-

ken, so liegt der Schwerpunkt der Verarbeitung bei kortikalen Prozessen. Die Ergeb-

nisse der unabhangigen Komponentenanalyse in dieser Studie wurden von Schulte

erzielt [63, 121] und sind nur der Vollstandigkeit wegen mit aufgefuhrt.

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5.1 Methoden 49

5.1 Methoden

Es wurden 12 gesunde Probanden im durchschnittlichen Alter von 26,9± 0,9 Jah-

ren (zwischen 23 und 32 Jahren) ohne audiologischen oder neurologischen Befund

untersucht. Alle Probanden waren nach dem Edinburgh-Handigkeitsfragebogen [96]

rechtshandig. Es wurden gleichzeitig MEG- und EEG-Daten aufgezeichnet. Die Da-

tenanalyse erfolgte fur die evozierte Aktivitat durch Mittelung und anschließende

Bandpassfilterung. Die induzierte Aktivitat wurde durch die Wavelet-Analyse be-

rechnet.

5.1.1 MEG- und EEG-Messungen und Stimuli

Die Messungen wurden in einer magnetisch abgeschirmten Kammer durchgefuhrt.

Den Probanden wurden vier verschiedene Stimuli mit einer Lange von 100ms und

Anstiegs- und Abklingzeiten von 12ms auf dem rechten Ohr dargeboten. Der erste

Stimulus war ein reiner Ton mit einer Frequenz von 250Hz. Der zweite Stimulus

war ein virtueller Klang aus der vierten bis achten Harmonischen eines 250Hz Tons

mit den Frequenzen 1000Hz, 1250Hz, 1500Hz, 1750Hz und 2000Hz. Als dritter Sti-

mulus wurde ein unharmonischer Klang verwendet, dessen spektrale Komponenten

Primzahlfrequenzen besitzen und aus dem gleichen Spektralbereich wie die Kom-

ponenten des zweiten Stimulus stammten (1117Hz, 1247Hz, 1587Hz, 1637Hz und

2091Hz). Der vierte Stimulus, der einen Zielton reprasentierte, war ein weiterer vir-

tueller Klang, dessen fehlende Fundamentalfrequenz 280Hz war und der aus den

vierten bis achten zugehorigen Harmonischen (1120Hz, 1400Hz, 1680Hz, 1960Hz

und 2240Hz) bestand. Die Probanden hatten die Aufgabe, diesen Klang zu erkennen

und dann moglichst schnell einen Knopf zu drucken.

Die Intensitat der Stimuli wurde auf 60 dB uber der Wahrnehmungsschwelle ein-

gestellt, welche vor jeder Messung fur jeden einzelnen Stimulus auf ±2 dB genau

bestimmt wurde. Wahrend des Experiments wurden die Stimuli in zufalliger Reihen-

folge dargeboten. Gegenuber den anderen Reizen wurde der Zielton nur mit halber

Haufigkeit prasentiert, da er in der spateren Datenanalyse nicht weiter betrachtet

und die Epochenzahl der anderen Stimuli moglichst groß gehalten werden sollte. Das

Intervall zwischen den Einsatzen der Stimuli variierte zwischen 1,3 und 1,6 s.

Uber der linken Hemisphare wurde das MEG mit einem 37-Kanal-Neuromagne-

tometer-System (Magnes 37, Biomagnetic Technologies Inc., San Diego), bestehend

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5.1 Methoden 50

aus axialen Gradiometern erster Ordnung, gemessen. Der Sensor wurde mittig uber

den Elektrodenpositionen FC5 und T3 des internationalen 10-20 Systems positio-

niert. Von Elektroden an den Positionen Pz, Cz, P3 und P4 (internationales 10-20

System) wurde das EEG mit einem Synamps EEG-System (Neuroscan) abgelei-

tet. Die Referenzelektrode wurde an der Nase und die Masseelektrode an der Stirn

platziert. Die Datenaufnahme erfolgte bei einer Abtastrate von 298Hz mit einer

Bandbreite von 0,1Hz bis 100Hz. Es wurden insgesamt 2800 Epochen aufgenom-

men. Epochen mit Artefakten von Augenbewegungen oder anderen Storungen wur-

den anhand eines Schwellenkriteriums verworfen. Fur jeden der Stimuli reiner Ton,

virtueller Klang und unharmonischer Klang blieben letztlich ca. 700 Epochen zur

weiteren Analyse ubrig.

5.1.2 Zeit-Frequenz-Analyse

Fur die Analyse der Daten im Zeit-Frequenz-Raum wurde die Wavelet-Transformati-

on mit einem Morlet-Wavelet benutzt. Die Berechnung der Wavelet-Analyse erfolgte

im Frequenzbereich zwischen 20Hz und 60Hz. Anschließend wurden die Amplitu-

denwerte mit der gemittelten Grundlinienaktivitat im Bereich zwischen 200ms und

100ms vor dem Stimulusbeginn korrigiert. Um die evozierte Aktivitat zu detek-

tieren, wurde die Transformation fur die reizkorreliert gemittelten Daten berech-

net. Die großte Aktivitat trat dabei im Frequenzbereich zwischen 24Hz und 48Hz

auf. Die Frequenzbander in diesem Bereich der Wavelet-Transformierten wurden an-

schließend gemittelt und ergaben die zeitlich-variierende Aktivitat in dem genannten

Frequenzbereich. Diese konnte fur eine Bestimmung des Zeitpunkts der maximalen

Gammaband-Aktivitat genutzt werden.

Fur die Analyse der induzierten Aktivitat wurde fur jede einzelne Epoche die

Wavelet-Transformation berechnet und die Amplitude der transformierten Daten

dann uber alle Epochen reizkorreliert gemittelt.

5.1.3 Quellenanalyse

Die evozierte Gammaband-Aktivitat wurde durch Mittelung und anschließende Band-

passfilterung im Frequenzband von 24Hz bis 48Hz, in dem in der Wavelet-Analyse

die großte Aktivitat gefunden wurde, berechnet. Als Filter wurde ein phasenkor-

rigierter Butterworthfilter vierter Ordnung benutzt. Die Quellen der Gammaband-

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5.1 Methoden 51

Aktivitat wurden im Zeitbereich zwischen 20ms und 80ms nach dem Stimulusbe-

ginn mit dem Modell eines beweglichen aquivalenten Stromdipols in einer Kugel

geschatzt. Die simultan gemessenen EEG-Daten gingen nicht in die Quellenanalyse

ein. Es wurden nur solche Quellenorte zugelassen, deren Schatzung folgende zwei Be-

dingungen erfullte: Die Gute der Anpassung zwischen dem berechneten und dem ge-

messenen Feld musste großer als 80% und der Abstand der Quelle von der mittleren

sagittalen Ebene musste großer als 2 cm sein. Die zweite Bedingung diente dazu, die

moglichen Quellenorte auf den temporalen Kortex zu beschranken. Aus den erhal-

tenen Koordinaten fur die Quellenorte wurde der Median bestimmt. Fur diesen Ort

wurde dann anhand des Modells eines festen aquivalenten Stromdipols das zeitlich

variierende Dipolmoment geschatzt. Die Amplitudenwerte der drei großten Maxima

des zeitlich variierenden Dipolmoments wurden gemittelt, um die Dipolstarke der

betreffenden Antwort zu erhalten.

5.1.4 Unabhangige Komponentenanalyse

Die mehrkanaligen MEG-Daten wurden mit Hilfe der unabhangigen Komponenten-

analyse [7, 8] in zeitlich unabhangige und raumlich stationare Komponenten aufge-

teilt. Der verwendete Algorithmus minimiert die statistische Abhangigkeit der se-

parierten Komponenten untereinander. Dies bedeutet, dass aus der Kenntnis einer

Komponente nicht auf den Verlauf einer anderen Komponente geschlossen werden

kann. Die separierten Komponenten wurden zuruck in den Sensorraum projiziert

und durch die Berechnung der quadratischen Abweichung ihr Beitrag zum gemesse-

nen Feld im Bereich von 20ms bis 80ms bestimmt. Dann wurden die Komponenten

gezahlt, die notig waren, das gemessene Feld bis auf ein Residuum von 5% wie-

derzugeben. Die erhaltene Anzahl von unabhangigen Komponenten liefert ein Maß

fur die Komplexitat der Feldverteilung. Auf diese Art und Weise wurde nicht der

zeitliche Verlauf der Komponenten verschiedener Versuchsbedingungen betrachtet,

sondern die Struktur des gesamten Feldes innerhalb eines bestimmten Zeitbereichs.

Ein komplexes Feld, das durch verschiedene inkoharente Quellen erzeugt wird, lasst

sich durch eine hohere Anzahl unabhangiger Komponenten beschreiben als ein Feld,

das in wenigen, koharenten Quellen seinen Ursprung hat [63, 121, 122].

Die Anwendung der unabhangigen Komponentenanalyse erfordert ein Signal-zu-

Rausch-Verhaltnis großer als 2 [13]. Es wurden daher jene Datensatze verworfen, die

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5.2 Ergebnisse 52

ein kleineres Signal-zu-Rausch--Verhaltnis besaßen. Das Signal-zu-Rausch-Verhalt-

nis wurde durch das Verhaltnis zwischen dem Mittelwert der absoluten Amplituden

im Zeitbereich von 20ms bis 80ms und im Zeitbereich 100ms vor dem Stimulus bis

zum Stimulusbeginn berechnet.

5.2 Ergebnisse

Die Aufgabe, den Kontrollton zu erkennen und mit einem Knopfdruck zu bestatigen,

wurde von allen Probanden mit einer mittleren Fehlerquote von 9% bewaltigt, wobei

die mittlere Reaktionszeit 636ms betrug.

5.2.1 Evozierte Gammaband-Aktivitat

Die MEG-Daten wurden fur jeden Stimulus uber 700 Epochen gemittelt. Von den

gemittelten Daten wurde eine Wavelet-Transformation im Frequenzbereich zwischen

20Hz und 60Hz durchgefuhrt. Hier konnte eine maximale Aktivitat im Zeitbereich

zwischen 20ms und 80ms im Frequenzband zwischen 24Hz und 48Hz beobachtet

werden. Die Grenzen fur die Filterung der gemittelten Daten und zur Extraktion der

Gammaband-Aktivitat wurden daher auf diese Werte angepasst. Oberhalb von 48Hz

fiel die Aktivitat stark ab und unterhalb von 24Hz lieferten langsame Komponenten

wie die N1m aus dem sekundaren auditorischen Kortex ihren Beitrag.

Das gefilterte Feld ist in Abbildung 5.1 gezeigt. Die Wellenformen geben die Gam-

maband-Aktivitat bestehend aus ungefahr drei Perioden im Zeitbereich zwischen

10ms und 100ms wieder. In diesen Oszillationen konnte ein dipolares Muster uber

dem Sensor erkannt werden, wodurch die Dipolanalyse mit einem Ein-Dipol-Modell

nahegelegt wurde.

Zur Analyse des Amplitudenverlaufs der Gammaband-Aktivitat wurden die Fre-

quenzbander von 24Hz bis 48Hz der Wavelet-Transformierten gemittelt. Das Maxi-

mum der Gammaband-Aktivitat fand sich in einem Zeitbereich zwischen 50ms und

65ms nach Reizbeginn. Der Zeitpunkt des Maximums lag fur den virtuellen Klang

bei 61,9 ms, fur den reinen Ton bei 54,0ms und fur den unharmonischen Klang bei

57,7ms. Das Maximum der Gammaband-Aktivitat fur den virtuellen Klang trat

signifikant um 7,9ms spater als das Maximum fur den reinen Ton (p < 0, 01, Wil-

coxon-Test) und signifikant um 4,2ms spater als das fur den unharmonischen Klang

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5.2 Ergebnisse 53

A1

A2

-100

A3

0 100

A4

200 300

A5

20

A6

30

A7

40

A8

A9

50

60

A10

A11

A12

A13

A14

A15

A16

A17

A18

A19

A20

A21

A22

A23

A24

A25

A26

A27

A28

A29

A30

A31

A32

A33

A34

A35

A36

A37

0 200100-40-20

02040

t (ms)

B (

fT)

Zeit (ms)

Fre

qu

en

z (

Hz)a

c

b

Abbildung 5.1: Auditorisch evozierte Gammaband-Aktivitat . In (a) ist die Wavelet-Transformation der evozierten Daten gemittelt uber alle Kanale des Sensors fur eineneinzelnen Probanden in der Bedingung virtueller Klang dargestellt. (b) Die Skizze zeigtdie Sensorposition wahrend der MEG-Messung uber dem linken Temporallappen. (c) Dasvon den 37 Kanalen gemessene Feld nach Mittelung und Filterung im Frequenzband von24 Hz bis 48 Hz. Obere Linie: unharmonischer Klang; mittlere Linie: reiner Ton; untereLinie: virtueller Klang.

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5.2 Ergebnisse 54

vp pt nh

0

0

2

100

4

201

2

3

4

5

6

x (c

m)

RM

S (

ft)

Q (

nAm

)

0

5

10

y (c

m)

0

5

10

z (c

m)

b

c

d

ea vp pt nh

Abbildung 5.2: Ergebnisse der Quellenlokalisation fur die Stimuli reiner Ton mit einerFrequenz von 250 Hz (pt), virtueller Klang zur fehlenden Fundamentalen von 250Hz (vp)und unharmonischer Klang (nh). Die gezeigten Werte sind uber alle Probanden gemittelt.Die Fehlerbalken geben die Standardabweichung an. (a) Dipolmoment (b) Lokalisationin anterior-posteriorer Richtung (c) Lokalisation in medial-lateraler Richtung (d) Loka-lisation in inferior-superiorer Richtung und (e) Starke des Sensorfeldes in quadratischerAbweichung vom Sensormittel.

(p < 0, 02, Wilcoxon-Test) auf. Die Zeitpunkte fur die Maxima des elektrischen Fel-

des waren 52,1ms fur den virtuellen Klang, 52,9ms fur den reinen Ton und 50,9ms

fur den unharmonischen Klang. Diese Werte zeigten keine signifikanten Unterschie-

de.

Die Dipole konnten fur alle Probanden im Zeitbereich zwischen 20ms und 80ms

berechnet werden. Die Dipolparameter wurden fur mindestens drei Perioden der

Gammaband-Aktivitat bestimmt und wurden fur alle drei Stimulusbedingungen

uber alle Probanden gemittelt. Die Ergebnisse sind mit den entsprechenden Stan-

dardabweichungen in Abbildung 5.2 gezeigt. Fur den reinen Ton wurde die groß-

te Dipolstarke (Q) erhalten, allerdings wurde das Signifikanzniveau nicht erreicht

(p = 0, 069). Dieses Ergebnis wiederholte sich in der globalen Feldstarke uber dem

Sensor (RMS), die aus der quadratischen Abweichung der einzelnen Kanale vom

Mittel uber den ganzen Sensor berechnet wurde.

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5.2 Ergebnisse 55

20

30

40

50

−40

−20

0

20

40

0 0.2 0.4 0.6 0.820

30

40

50Fre

quen

z (H

z)

Zeit (ms)0 0.2 0.4 0.6 0.8 0 0.2 0.4 0.6 0.8

−0.03

−0.02

−0.01

0

0.01

0.02

0.03

B2 (fT)2

U2 (µV)2

Abbildung 5.3: Gezeigt ist die induzierte Aktivitat im Frequenzband von 20 Hz bis 60 Hz.In der oberen Reihe sind die Mittelungen uber alle MEG-Sensoren und in der unteren Reihedie Mittelungen uber die EEG-Elektroden Cz, Pz, P3 und P4 gezeigt. Von links nach rechtsist die Aktivitat fur den reinen Ton, den virtuellen Klang und den unharmonischen Klanggezeigt.

Die Ortskoordinaten der Quellen in den drei Raumrichtungen anterior-posterior

(x), medial-lateral (y) und inferior-superior (z) sind in den Abbildungen 5.2b, c

und d gezeigt. Die Quellen fur die Gammaband-Antworten auf den unharmonischen

Klang waren 0,8 cm weiter anterior (p < 0, 05, Wilcoxon-Test) als die Quellen fur

die Antworten auf den virtuellen Klang. Die Quellen der Gammaband-Aktivitat fur

den virtuellen Klang und den reinen Ton zeigten in keiner Koordinate signifikante

Unterschiede.

5.2.2 Induzierte Gammaband-Aktivitat

Die induzierte Aktivitat wurde wie beschrieben mit einer Wavelet-Transformation im

Zeitbereich von 200ms vor dem Stimulusbeginn bis 900ms danach im Frequenzbe-

reich von 20Hz bis 60Hz berechnet. Das Mittel uber alle Probanden ist in Abbildung

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5.3 Zusammenfassung 56

5.3 fur die MEG-Sensoren und fur die EEG-Elektroden dargestellt. Es konnte we-

der im MEG noch im EEG eine bei allen Probanden vergleichbare Abweichung der

Aktivitat von der Grundlinienaktivitat im Bereich von 200ms bis 100ms vor dem

Stimulusbeginn beobachtet werden. Es gab außerdem keine Unterschiede zwischen

den einzelnen Bedingungen reiner Ton, virtueller Klang und unharmonischer Klang.

5.2.3 Unabhangige Komponentenanalyse

Die unabhangige Komponentenanalyse konnte bei sieben von zwolf Probanden durch-

gefuhrt werden. Die Daten der restlichen Probanden besaßen nicht das notwendige

Signal-zu-Rausch-Verhaltnis von mindestens zwei. Die berechneten Komponenten

wurden in den Sensorraum zuruckprojiziert (siehe das Beispiel in Abbildung 5.4a

obere zwei Linien) und mit den gemessenen Daten (Abb. 5.4b, untere Linie) vergli-

chen. Die Anzahl der zeitlich unabhangigen und stationaren Komponenten, die notig

waren, um die gemessenen Daten im Zeitbereich von 20ms bis 80ms bis auf einen

Restfehler von 5% zu erklaren, wurde anhand der unabhangigen Komponentenana-

lyse bestimmt. Wie der Abbildung 5.4 zu entnehmen ist, wurden im Vergleich zu

der Anzahl bei den reinen oder virtuellen Klange im Mittel mehr Komponenten ge-

braucht, um die Gammaband-Aktivitat fur den unharmonischen Klang zu erklaren.

Die Komponentenzahl unterschied sich signifikant zwischen virtuellen und unharmo-

nischen Klangen (p < 0, 02, Vorzeichen-Test). Zwischen den virtuellen und reinen

Tonen gab es keinen signifikanten Unterschied.

5.3 Zusammenfassung

In dieser Studie konnte fur drei Tone mit verschiedenen Eigenschaften evozierte

Gammaband-Aktivitat des supratemporalen Kortex gemessen werden. Die Unter-

schiede in der Gammaband-Aktivitat zwischen zwei physikalisch ahnlichen Klangen,

virtuell und unharmonisch, waren in der Lokalisation und in der Komplexitat des

gemessenen Feldes starker ausgepragt als es ihre vergleichbaren Spektren nahe le-

gen. Die physikalisch unterschiedlichen Stimuli, reiner Ton und virtueller Klang, aus

den unterschiedlichen Spektralbereichen 250Hz und 1000–2000Hz ergaben ahnliche

Ergebnisse in der Analyse der Gammaband-Aktivitat.

Der Dipolort der Gammaband-Aktivitat als Antwort auf den inkoharenten, un-

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5.3 Zusammenfassung 57

A1

A2

A3

A4A5

A6

A7

A8

A9

A10

A11

A12A13

A14

A15

A16

A17

A18A19

A20

A21

A22

A23

A24

A25

A26

A27

A28

A29

A30

A31

A32

A33

A34

A35

A36

A37

0 100−40

0

40

Zeit (ms)

B (

fT)

1

2

3

4

6

5

S5S1 S2 S3 S4 S6 S7

Probanden

Anzahl der

Kom

ponente

n

a

b

������������

������������

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

������������

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

�����������������

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

�����������������

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

����������������������

� �� �� �� �

virtueller Klangreiner Tonunharmonischer Klang

Abbildung 5.4: Bestimmung der Komplexitat mit Hilfe der unabhangigen Komponen-tenanalyse. (a) Unterste Linie: Gemessenes Feld, gemittelt und gefiltert (24–48Hz) vonProband S3 und zuruckprojizierte unabhangige Komponenten (obere zwei Linien), (b)Anzahl der unabhangigen Komponenten, die notwendig sind, 95 % der evozierten Gam-maband-Aktivitat im Zeitfenster von 20 ms bis 80 ms zu erklaren. Es wurden nur Datenvon Probanden verwendet, deren Signal-zu-Rausch-Verhaltnis großer als 2 war.

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5.3 Zusammenfassung 58

harmonischen Klang lag weiter anterior als die Dipolorte fur die beiden koharenten

Stimuli virtueller Klang und reiner Ton. Ein Unterschied zwischen den Quellen der

Gammaband-Antworten auf den virtuellen Klang und den reinen Ton konnte nicht

festgestellt werden. Das Dipolmoment zeigte fur den reinen Ton in der Tendenz die

großte Starke, wie auch das Sensorfeld gemessen durch die quadratische Abweichung

vom Mittel, fur diesen Ton am großten war. Der virtuelle und der unharmonische

Klang unterschieden sich darin nicht.

Das Maximum der Gammaband-Aktivitat fur den virtuellen Klang wurde bei

spateren Latenzen beobachtet als fur die anderen beiden Stimuli, wobei die Latenz

fur den unharmonischen Klang noch großer war als fur den reinen Ton. Fur den

unharmonischen Klang konnte eine großere Anzahl von unabhangigen Komponenten

gezahlt werden als fur den reinen Ton und den virtuellen Klang. Dieses Ergebnis

deutet auf eine großere Komplexitat der beteiligten Quellen hin.

Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Eigenschaften in der fruhen evozierten Gam-

maband-Aktivitat fur die verschiedenen Tone konnte in der induzierten Gamma-

band-Aktivitat kein Effekt beobachtet werden.

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6

Untersuchung von top-down-

Aktivitat im auditorischen System

In der vorhergehenden Studie wurde die Spezifitat der Gammaband-Antwort fur

die Koharenz eines Reizes untersucht. Die Gammaband-Aktivitat konnte demnach

ein Korrelat fruher Verarbeitungsprozesse sein. Es bleibt jedoch die Frage bestehen,

inwieweit top-down-Prozesse die Gammaband-Antwort beeinflussen. Bei dem ver-

wendeten Paradigma konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die auf den Zielreiz

gerichtete Aufmerksamkeit einen Einfluss auf die Gammaband-Aktivitat hatte.

Die Messungen zu dieser Studie wurden in Kooperation mit dem Rotman Research

Institute des Baycrest Centre for Gereatric Care in Toronto, Kanada durchgefuhrt.

Es wurden zwei aufeinander folgende Stimuli, hier Signal und Probe genannt, je-

weils auf beiden Ohren prasentiert (siehe Abb. 6.1). Die Probanden bekamen die

Aufgabe, Frequenzen zum einen von aufeinander folgenden und zum anderen von

gleichzeitig dargebotenen Tonen zu vergleichen. Der Vergleich beider Prozesse, die

Objektreprasentation im sensorischen Gedachtnis und die simultane Reprasentati-

on von Objekten, kann einen Einblick in die Integration von Charakteristika, das

so genannte feature binding, und uber den Einfluss von top-down-Prozessen auf die

Reprasentation von auditorischen Reizen geben. Bei diesem Paradigma sollte die

Aufmerksamkeit in beiden Aufgaben ahnlich sein und daher keinen Effekt auf die

Gehirnantworten haben.

Es wurde die evozierte und die induzierte Gammaband-Aktivitat untersucht, die

mit Aufmerksamkeitseffekten oder der Objektreprasentation und dem feature bin-

ding in Verbindung gebracht werden. Außerdem sollte die N1m-Komponente be-

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6.1 Methoden 60

1000 Hz

1000 / 1000 Hz

1010 / 1010 Hz

500 Hz

1000 / 1000 Hz

1000 / 1010 Hz1010 / 1000 Hz

= =

Signal Probe

700 ms

Druckknopf

Abbildung 6.1: Darstellung der Aufgabe zur Unterscheidung von Tonhohen gleichzeitigund aufeinander folgend dargebotener Tone. Ein Signalton mit einer Frequenz von 500 Hzkundigt die Aufgabe an, die Tonhohen des folgenden Probetons, die auf beiden Ohrengleich oder unterschiedlich sein konnen, zu vergleichen. Ein Signalton mit einer Frequenzvon 1000 Hz zeigt an, dass dieser Ton mit dem folgenden binaural dargebotenen Probetonverglichen werden muss. Das Intervall zwischen dem Signal - und dem Probeton betragt700 ms.

trachtet werden, die in Hinblick auf Integrationsprozesse von Bedeutung zu sein

scheint [103].

6.1 Methoden

6.1.1 Probanden

An dieser Untersuchung nahmen 10 Probanden im Alter von 24 bis 32 Jahren mit

einem Durchschnittsalter von 28,0±0,9 Jahren teil. Alle Probanden waren ohne au-

diologische oder neurologische Erkrankungen und nach dem Edinburgh-Handigkeits-

fragebogen [96] Rechtshander.

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6.1 Methoden 61

6.1.2 Stimulation und Aufgabe

Die Probanden bekamen zwei Aufgaben, in denen sie die Tonhohen von binaural dar-

gebotenen Tonen unterscheiden mussten (Abb. 6.1). Eine Messepoche bestand aus

zwei Stimuli: einem Signal - und einem Probeton. Die beiden verschiedenen Aufga-

ben wurden durch unterschiedliche Signaltone angekundigt und kamen in zufalliger

Reihenfolge mit gleicher Haufigkeit. Mit einem binauralen Signalton von 1000Hz

wurde die sequentielle Aufgabe angezeigt. Dieser Signalton musste dann mit dem

folgenden Probeton, der eine Frequenz von 1000Hz oder 1010Hz besaß und ebenfalls

binaural dargeboten wurde, verglichen werden. Die andere Aufgabe wurde mit einem

Signalton von 500Hz angekundigt. Bei dem folgenden Probeton musste entschieden

werden, ob auf beiden Ohren die gleiche Frequenz von 1000Hz dargeboten wurde

oder ob hier links und rechts Tone mit unterschiedlichen Frequenzen von 1000Hz

und 1010Hz gespielt wurden. Der Ton mit der hoheren Frequenz wurde abwech-

selnd zufallig auf dem linken und dem rechten Ohr gespielt. Diese Aufgabe wird als

simultane Bedingung bezeichnet.

Alle Tone besaßen eine Lange von 100ms und Anstiegs- und Abklingzeiten von

10ms. Das Zeitintervall zwischen dem Beginn von Signal - und Probeton betrug 0,7 s.

Nach dem Probeton hatten die Probanden maximal 1,2 s Zeit, einen Knopf fur als

gleich erkannte Tone oder einen anderen fur als ungleich erkannte Tone zu drucken.

Nach dem Knopfdruck folgte nach einer Zeit von 0,9 s±0,1 s die nachste Epoche mit

dem nachsten Signalton.

Die Stimulusintensitat betrug 65 dB uber der zuvor fur jeden Reiz ausgemessenen

Schwellenlautstarke. Vor den MEG-Messungen wurden die Probanden mit der Auf-

gabe vertraut gemacht und trainiert, bis sie in einem Durchgang mindestens 90%

der Tone richtig erkannt hatten.

6.1.3 MEG-Messungen

Neuromagnetische Daten (MEG) wurden mit einem 151-Kanal-Ganzkopf-Neuro-

magnetometer-System (Omega 151, CTF Inc., Vancouver) mit axialen Gradiome-

tern erster Ordnung in einer magnetisch abgeschirmten Kammer aufgenommen. Die

MEG-Signale wurden in acht aufeinander folgenden Durchgangen mit je 160 Epo-

chen bei einer Abtastrate von 312,5Hz registriert. Es wurden nur Daten von Proban-

den analysiert, die in mehr als 70% der Epochen auf die Tone richtig geantwortet

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6.1 Methoden 62

hatten, und von diesen nur jene Epochen, auf die eine korrekte Antwort gegeben wur-

de. Artefaktbehaftete Epochen wurden anhand eines Schwellenwertkriteriums ver-

worfen. Mindestens 450 Epochen von jeder Bedingung standen zur weiteren Analyse

zur Verfugung.

6.1.4 Datenanalyse

Zur Auswertung der N1m-Komponente wurden die Daten fur jeden Stimulus ge-

mittelt. Die gemittelten Daten wurde anschließend mit dem Mittelwert der Grund-

linienaktivitat aus einem Zeitfenster zwischen 200ms bis 50ms vor dem Stimulus

korrigiert und dann mit einem Tiefpass mit einer Grenzfrequenz von 20Hz gefiltert.

Die Quellenanalyse basierte auf dem Modell zweier fester aquivalenter Stromdipole

in einer Kugel. Die Lage der Kugel wurde an die Kopfform der Probanden, die aus

Magnetresonanztomographien extrahiert wurde, angepasst. Es wurde in jeder He-

misphare ein Dipol im Zeitbereich von ±10ms um das Maximum der Aktivitat der

N1m-Komponente bei 100ms geschatzt.

Fur die evozierte Gammaband-Aktivitat war die Abschatzung eines Dipolmodells

nicht moglich. Die gemittelten und ungefilterten Daten wurden auf die Dipolpo-

sitionen der N1m-Komponente projiziert. Anschließend wurde eine Wavelet-Trans-

formation mit einem Morlet-Wavelet im Frequenzbereich zwischen 30Hz und 55Hz

durchgefuhrt. Die Quadrate der Wavelet-Koeffizienten in den Frequenzbandern die-

ser Transformation wurden gemittelt und gaben den zeitlichen Verlauf der Aktivitat

in diesem Frequenzband wieder. An ihnen wurden Amplitude und Zeitpunkt des

Maximums fur beide Hemispharen abgelesen. Alle bestimmten Werte wurden mit

einem Wilcoxon-Rangtest auf ihre Unterschiede uberpruft.

Die induzierte Gammaband-Aktivitat wurde auf zwei unterschiedliche Arten be-

stimmt. Einerseits wurden Wavelet-Transformationen im Frequenzband von 30Hz

bis 55Hz der einzelnen Epochen fur jeden Sensor berechnet und dann gemittelt.

Andererseits wurden die ungemittelten Daten auf die zwei Generatororte der N1m-

Komponenten projiziert. Anschließend wurden Wavelet-Transformationen berechnet

und gemittelt. Diese zweite Methode hat den Vorteil, dass Artefakte ausgeblendet

werden, allerdings auch den Nachteil, dass die Aktivitat aus anderen Quellen unbe-

rucksichtigt bleibt.

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6.2 Ergebnisse 63

6.2 Ergebnisse

6.2.1 Psychoakustik

Neun der zehn Probanden erreichten in der Unterscheidungsaufgabe mindestens 70%

korrekte Antworten. Die Daten eines Probanden mussten wegen einer zu hohen

Artefaktrate und einer daher zu geringen Anzahl von Epochen verworfen werden.

Die acht in die Auswertung eingehenden Probanden antworteten im Schnitt bei

93, 4%± 2, 4% der Aufgaben in der sequentiellen Bedingung und bei 85, 6%± 3, 7%

der Aufgaben in der simultanen Bedingung richtig. Die Quote der richtig gegebenen

Antworten war damit in der sequentiellen Bedingung signifikant besser (p < 0, 05,

Wilcoxon-Test).

6.2.2 Lokalisation der N1m-Komponente

Die Quellen der N1m-Komponenten wurden, wie sich im Vergleich mit Magnetre-

sonanztomographie-Bildern ergab (Abb. 6.2), im sekundaren auditorischen Kortex

gefunden.

In Abbildung 6.3 sind die uber alle Probanden gemittelten Quellenorte fur die

linke und rechte Hemisphare gezeigt. Die dargestellten Konfidenzintervalle fur die

Dipolorte dienen der Orientierung; die Koordinaten wurden wie beschrieben mit

einem Wilcoxon-Test verglichen. In der rechten Hemisphare wurden die Quellen

in der simultanen Bedingung fur die N1m-Komponente auf den Probeton 0,9 cm

weiter medial gefunden als die Quellen fur die N1m-Komponente auf den Signalton

(p < 0, 05, Wilcoxon). Ein Unterschied ergab sich in der linken Hemisphare fur

die sequentielle Bedingung. In dieser Bedingung waren die Quellen fur die N1m-

Komponente auf den Probeton 0,3 cm weiter anterior lokalisiert als die Quellen fur

die N1m-Komponente auf den Signalton (p < 0, 05, Wilcoxon).

6.2.3 Evozierte Gammaband-Aktivitat

Die Projektion der gemittelten Daten und die folgende Wavelet-Analyse im Fre-

quenzbereich zwischen 30Hz und 55Hz ergibt eine Zeitreihe, die den Verlauf der

Aktivierung der Quelle in diesem Frequenzband beschreibt (siehe Abb. 6.4). In den

uber alle Probanden gemittelten Zeitreihen traten Maxima um 60ms mit einer Am-

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6.2 Ergebnisse 64

Abbildung 6.2: Fur jeden Probanden sind ein axialer und ein koronaler Schnitt einerMagnetresonanztomographie dargestellt. Die Schnitte liegen im Mittelwert der geschatztenOrte der N1m-Komponente. Dipolorte, die sich auf den Signalton beziehen, sind mit einemKreis markiert, Dipolorte, die sich auf den Probeton beziehen, mit einem Dreieck. DieDipolorte aus den simultanen und sequentiellen Bedingungen sind mit ausgefullten bzw.leeren Symbolen gekennzeichnet.

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6.2 Ergebnisse 65

4 50

1

y (cm)

x (c

m)

0 1 2

5

6

7

x (cm)

z (c

m)

Links

Signal/simultanProbe/simultanSignal/sequentiellProbe/sequentiell

−6 −5 −4 −3

1

2

y (cm)

x (

cm

)

1 2 3

5

6

7

x (cm)

z (

cm

)

Rechts

Abbildung 6.3: Uber alle Probanden gemittelte Dipolorte der N1m-Komponenten furdie linke und rechte Hemisphare. Die Ellipsen deuten die 95% Konfidenzintervalle fur dent-Test an. Dipolorte, die sich auf den Signalton beziehen, sind mit einem Kreis markiert,Dipolorte, die sich auf den Probeton beziehen, mit einem Dreieck. Die Dipolorte aus densimultanen und sequentiellen Bedingungen sind mit ausgefullten bzw. leeren Symbolengekennzeichnet. Die entsprechenden Konfidenzintervalle sind durchgehend bzw. gestricheltgezeichnet.

plitude von 0,1 nAm bis 0,15 nAm auf.

Fur die weitere Analyse wurden Zeitpunkte und Amplituden der Maxima fur jeden

Probanden einzeln bestimmt und dann gemittelt (Abb. 6.5). Es wurden Unterschiede

zwischen den Amplituden und Zeitpunkten in den Maxima fur die Gammaband-Ant-

worten auf den Probeton gefunden. In der linken Hemisphare erreichte die Gamma-

band-Aktivitat in der sequentiellen Bedingung mit |Q| = 0, 20 nAm±0, 07 nAm eine

großere Amplitude als in der simultanen Bedingung mit |Q| = 0, 14 nAm±0, 05 nAm

(p < 0, 05, Wilcoxon). In der rechten Hemisphare konnte der umgekehrte Effekt

beobachtet werden, allerdings erreichte er nicht das Signifikanzniveau. Die Ampli-

tudenunterschiede zu den gemittelten Kurven ergeben sich hier durch die Mittelung

von Einzelwerten.

In der linken Hemisphare trat das Maximum in der sequentiellen Bedingung mit

t = 67, 5ms±7, 1ms signifikant spater auf als in der simultanen Bedingung mit

t = 58, 1ms±5, 6ms (p < 0, 05, Wilcoxon). Dieser Unterschied war auch in der

rechten Hemisphare zu finden, erreichte aber nicht das Signifikanzniveau (p > 0, 05,

Wilcoxon).

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6.3 Zusammenfassung 66

−0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6−0.05 −0.05

0 0

0.05 0.05

0.1 0.1

0.15 0.15

0.2 0.2

Zeit (s)

|Q| (n

Am

)

|Q| (n

Am

)

Signal: simultanSignal: sequentiellProbe: simultanProbe: sequentiell

−0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6Zeit (s)

Rechts Links

Abbildung 6.4: Projektion des gemessenen Feldes der evozierten oszillatorischen Aktivi-tat im Frequenzband von 30 Hz bis 55Hz auf die Quellen der N1m-Komponenten.

6.2.4 Induzierte Gammaband-Aktivitat

Die induzierte Gammaband-Aktivitat wurde fur alle Sensoren bestimmt. Es konnte

jedoch keine systematische Veranderung in der Aktivitat gefunden werden, weder

innerhalb einer Bedingung als Abweichung von der Grundlinienaktivitat noch als

Abweichung zwischen den Bedingungen. Um das Signal-zu-Rausch-Verhaltnis der

Daten zu verbessern, wurden diese auf die Quellenorte der N1m-Komponente proji-

ziert. Die anschließende Wavelet-Transformation und Mittelung der Epochen ergab

ebenfalls keine Unterschiede von der Grundlinienaktivitat oder zwischen den Bedin-

gungen.

6.3 Zusammenfassung

In dieser Studie erhielten die Probanden die Aufgabe, Tonhohen zu vergleichen. Neun

von zehn Probanden bewaltigten diese Aufgabe mit einer Erfolgsquote von mehr als

70% richtigen Antworten. In dem sequentiellen Tonhohenvergleich erreichten die

Probanden eine signifikant bessere Quote an richtigen Antworten als in der simulta-

nen Bedingung. Es konnten Gehirnantworten mit dem MEG gemessen werden, die

spezifisch mit den Aufgaben verknupft waren.

Die gefundenen Effekte in der oszillatorischen Aktivitat beschrankten sich auf die

evozierten Anteile. In der induzierten Aktivitat konnten keine Differenzen zwischen

den Bedingungen gefunden werden.

Die Effekte in den evozierten Gehirnantworten auf die sequentielle Bedingung wa-

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6.3 Zusammenfassung 67

01020304050

6070

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

���������������

��������������������

��������������������

� �� �� �� �� �� �� �� �� �

� �� �� �� �� �� �� �� �� �

���������

���������

Late

nz (

ms)

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �� �

��������������

� �� �� �� �� �� �� �� �� �

� �� �� �� �� �� �� �

� �� �� �� �� �� �� �

|Q| (

nAm

)

sim

seq

sim

seq

Probe

sim

seq

sim

seq

ProbeSignalRechts Links

Signal

sim

seq

sim

seq

Probe

sim

seq

sim

seq

ProbeSignalRechts Links

Signal

*

*

Abbildung 6.5: Dargestellt sind die Latenzen (linkes Diagramm) und Amplituden (rech-tes Diagramm) der Maxima der evozierten Gammaband-Aktivitat. Die simultane Bedin-gung ist durch das Kurzel ”sim“ und die sequentielle durch das Kurzel ”seq“ bezeichnet.Die signifikanten Unterschiede sind mit einem * markiert.

ren in der linken Hemisphare ausgepragter als in der rechten. Es gab links fur die

sequentielle Bedingung einen Ortsunterschied fur die N1m-Komponenten von Si-

gnal - und Probeton. Die Amplitude der evozierten Gammaband-Aktivitat war links

fur die sequentielle Bedingung hoher als fur die simultane Bedingung. In der rechten

Hemisphare gab es diese Auspragung fur die simultane Bedingung. Die Quellenorte

fur die N1m-Komponente unterschieden sich hier zwischen Signal - und Probeton.

Es konnte außerdem eine starkere evozierte Gammaband-Antwort in der simultanen

Bedingung als in der sequentiellen gefunden werden. Dieser Unterschied erwies sich

aber nicht als signifikant. In beiden Hemispharen wurde das Maximum der evozier-

ten Gammaband-Aktivitat in der sequentiellen Bedingung spater erreicht als in der

simultanen.

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7

Oszillatorische Aktivitat ohne

sensorische Stimulation

In den beiden vorangegangenen Studien wurde untersucht, wie sich die Gammaband-

Aktivitat bei veranderter sensorischer Information verhalt und dabei Unterschiede

in der Objektreprasentation widerspiegelt. Engel et al. [26] zeigten, dass nicht nur

die sensorische Information Einfluss auf die Verarbeitung hat, sondern kognitive Pro-

zesse fruhe Stufen der Verarbeitung beeinflussen. Die Frage bleibt offen, wie sich die

oszillatorische Aktivitat bei rein mentaler Prasentation von Objekten ohne sensori-

sche Information verhalt. Prozesse, in denen eine interne Prasentation von Objekten

aufgebaut wird, sind eng mit Gedachtnisleistungen verknupft. Zusatzlich zur Ak-

tivitat im Gammabandbereich ist daher, wie in Abschnitt 2.3 beschrieben wurde,

oszillatorische Aktivitat im Frequenzband zwischen 8Hz und 12Hz von Interesse.

Diese Aktivitat kann ein Korrelat von Gedachtnisleistungen sein [61, 65], wie sich

in Studien, die die so genannte Sternberg-Aufgabe untersuchen, zeigt. In der Stern-

berg-Aufgabe muss aus einer Abfolge von Stimuli ein bestimmter Stimulus wiederer-

kannt werden. Die Reaktionszeit bei dieser Aufgabe korreliert dabei mit der Anzahl

der zu merkenden Stimuli. Theoretische Uberlegungen zeigen eine Verbindung von

Gammaband-Aktivitat und niederfrequenter Gehirnaktivitat [52].

In Kooperation mit der Brain Research Unit im Low Temperature Laboratory

der Helsinki University of Technology in Espoo, Finnland, wurde ein Experiment

durchgefuhrt, in dem Melodien und Rauschsequenzen in kompletten und in un-

vollstandigen Versionen vorgespielt wurden. In den unvollstandigen Melodien bzw.

Rauschsequenzen mussten die Probanden vor dem Endton fehlende Tone in ihrer

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7.1 Methoden 69

Vorstellung reproduzieren, um den letzten Ton der Melodie bzw. Rauschsequenz als

richtig oder falsch zu erkennnen.

In der induzierten und evozierten Gammaband-Aktivitat und in dem niedrigeren

8–12Hz-Band werden spezifische Veranderungen vermutet, die mit dem Vorstellen

von Melodien und mit Gedachtnisprozessen korrelieren.

7.1 Methoden

In dieser Studie wurden drei weibliche und sieben mannliche Probanden ohne audio-

logischen und neurologischen Befund untersucht. Das mittlere Alter der Probanden

lag bei 30,4±2,6 Jahren bei einer Spanne von 24 bis 51 Jahren. Bis auf eine Aus-

nahme waren alle Probanden Rechtshander. Die Probanden waren Mitglieder der

Arbeitsgruppe des Labors und hatten Erfahrung mit der Teilnahme an MEG-Mes-

sungen. Es befand sich kein professioneller Musiker unter den Probanden und keiner

besaß ein absolutes Gehor.

7.1.1 Stimulation und Aufgabe

Kurze Melodien und Folgen von Rauschimpulsen wurden auf dem rechten Ohr pra-

sentiert. In der Halfte der Melodien bzw. Rauschsequenzen wurden die beiden vor-

letzten Stimuli nicht gespielt. Wahrend der Auslassungen sollten sich die Probanden

die Melodie vorstellen und dann entscheiden, ob der letzte gespielte Ton der Folge

die korrekte Fortsetzung der Melodie war oder nicht (siehe Abb. 7.1). Die Rauschse-

quenzen sollten weiter verfolgt werden, und es musste dann beurteilt werden, ob der

letzte Rauschimpuls dieselbe Tonhohe hatte wie seine Vorganger, um darauf einen

Knopf zu drucken. Die Aufgabe wurde so schwierig gewahlt, dass sie nur dann von

den Probanden korrekt gelost werden konnte, wenn sie sich die Melodie bzw. Rausch-

impulse vorgestellt hatten. Es wurden daher nur solche Probanden ausgewahlt, die

keine besondere musikalische Begabung hatten.

Als Melodien wurden die ersten acht Noten von funf bekannten Musikstucken be-

nutzt (Abb. 7.1 links oben), mit denen die Probanden vor den Messungen vertraut

gemacht wurden. Die Rauschsequenzen bestanden aus acht bandpassbeschrankten

Rauschimpulsen, die aus einem ahnlichen Spektralbereich wie die Tone der Melodie

gewahlt wurden. Die Dauer der Tone und der Rauschimpulse betrug jeweils 100ms

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7.1 Methoden 70

A Should auld aquaintanceB Freude schöner GötterfunkenC Yankee DoodleD Vom Himmel hochE Frere Jacques

1

2

3

4

5

6

7

8

vollständige

unvollständige

vollständige

B

E

D

A

C

A

D

C

E

A

Beginn:

Melodie

randomisiert:

und

Melodien

richtige und

falsche

letzte Note

Knopfdruck

gespielte Note

ausgelassene Note

Melodien:

Abbildung 7.1: Schematische Beschreibung des Paradigmas fur die Melodie-Bedingung.Jede Melodie wurde achtmal in einem Block wiederholt. Die erste Melodie in einem Block(1) war eine komplette Version, die nachfolgenden (2–8) waren randomisiert vollstandigoder unvollstandig. Die Blocke folgten mit verschiedenen Melodien (A–E) in zufalligerReihenfolge aufeinander.

mit Anstiegs- und Abklingzeiten von 15ms. Das Intervall zwischen den Anfangen

von zwei einzelnen Stimuli betrug 633ms und das Intervall zwischen den Einsatzen

der Sequenzen 2,3 s mit einer zufalligen Variation von 0,3 s. Die Tone der Melodie

waren reine Sinustone aus dem Frequenzbereich von 275Hz bis 550Hz. Die Rausch-

impulse waren mit einem Bandpass im Bereich von 275Hz bis 550Hz gefiltert und

variierten mit Ausnahme des letzten Impulses einer Sequenz nicht in ihrem spektra-

len Inhalt. Die Lautstarke der Stimuli wurde auf 60 dB uber der zuvor ausgemessenen

individuellen Wahrnehmungsschwelle eingestellt.

Die Melodien wurden in Blocken von acht gleichen Melodien prasentiert, die je-

weils mit einer vollstandigen richtigen Version begannen und in denen sich dann

randomisiert vollstandige Versionen und unvollstandige mit richtigem und falschem

Ende abwechselten. Die gleiche Aufteilung erfolgte bei den Rauschsequenzen. Jedem

Probanden wurden 400 Melodien und 400 Rauschsequenzen vorgespielt, die in vier

Durchlaufe von je 20 Minuten aufgeteilt waren. Ein Durchlauf enthielt entweder nur

Melodien oder Rauschsequenzen.

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7.1 Methoden 71

7.1.2 Elektrophysiologische Messungen

Die Messungen wurden in einer magnetisch abgeschirmten Kammer mit einem 306-

Kanal Ganzkopf-Neuromagnetometer-System (Vectorview, Neuromag Ltd., Helsin-

ki) durchgefuhrt. An jeder der 102 Messpositionen befanden sich ein Magnetometer

und zwei orthogonal ausgerichtete planare Gradiometer erster Ordnung. Die Daten

der Magnetometer wurden auf Grund ihres zu geringen Signal-zu-Rausch-Verhalt-

nisses nicht in die weitere Auswertung mit einbezogen. Die MEG-Signale wurden mit

einer Abtastrate von 600,6Hz bei einer Filterbandbreite von 0,1–172,2Hz registriert.

7.1.3 Analyse der Daten

Zur Analyse der induzierten oszillatorischen Aktivitat wurde die Wavelet-Transfor-

mation verwendet. Die Transformation wurde in einem Frequenzband von 5Hz bis

40Hz und in einem Zeitbereich von 300ms vor dem funften Stimulus der Sequenz

bis 800ms nach dem achten und letzten Stimulus berechnet. Fur die weitere Ana-

lyse wurden die Frequenzbander von 8Hz bis 12Hz und von 30Hz bis 40Hz wegen

ihrer bei allen Probanden ubereinstimmenden Effekte und der in Abschnitt 2.3 be-

schriebenen funktionalen Relevanz ausgewahlt. Aktivitat oberhalb von 40Hz konnte

auf Grund eines zu geringen Signal-zu-Rausch-Verhaltnisses nicht weiter ausgewer-

tet werden. Das schlechte Signal-zu-Rausch-Verhaltnis konnte durch eine unzurei-

chende Kompensation von Einstreuungen des Stromnetzes bedingt worden sein. Die

quadrierten Betrage der Wavelet-Koeffizienten wurden in jedem Frequenzband ge-

mittelt. Unterschiede zwischen den vollstandigen und unvollstandigen Bedingungen

wurden dann mit einem Wilcoxon-Test uber alle Probanden fur jeden Zeitpunkt und

fur jeden Sensor geschatzt. Die Aktivitat in benachbarten Kanalen mit signifikan-

ten Anderungen (p < 0, 01, Wilcoxon) wurden gemittelt und ergaben die zeitlich

variierende Aktivitat fur spezifische topographische Bereiche fur die beiden Fre-

quenzbander von 8Hz bis 12Hz und von 30Hz bis 40Hz. Fur die Festlegung eines

Bereichs wurde gefordert, dass mindestens drei Kanale mit signifikanten Anderungen

benachbart waren, um falsch positive Ergebnisse auszuschließen.

Aus den Zeitverlaufen wurden dann Extrema der Amplitude der oszillatorischen

Gehirnaktivitat mit deutlichen Abweichungen von der Grundlinie bestimmt. In der

unvollstandigen Bedingung wurde zusatzlich die Breite der Minima bestimmt. Es

wurde dafur die Breite bei der halben Amplitude zwischen dem jeweiligen Minimum

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7.2 Ergebnisse 72

und einer gedachten Linie zwischen Anfang und Ende der Reduzierung gemessen.

Die evozierte Aktivitat wurde mit einer Wavelet-Transformation und darauffol-

gender Berechnung der magnitude squared coherence ausgewertet. Die Berechnung

der magnitude squared coherence wurde im Frequenzband zwischen 5Hz und 40Hz

und fur den Zeitbereich von 300ms vor dem funften Stimulus bis 800ms nach dem

Ende der Sequenz fur alle Gradiometerkanale durchgefuhrt. Es wurden sowohl die

individuellen Resultate als auch das Gruppenmittel uber alle Probanden betrachtet.

7.2 Ergebnisse

Die Probanden haben die gestellte Aufgabe, in den Folgen mit Auslassungen das

richtige Ende der Melodien bzw. die richtige Tonhohe der Rauschsequenzen zu er-

kennen, mit einer Quote von mindestens 80% erfullt.

7.2.1 Induzierte oszillatorische Aktivitat

Je nachdem, ob die Probanden die Tone horten oder sich vorstellen mussten, wurden

mit der Zeit-Frequenz-Analyse Unterschiede in den Gehirnantworten gefunden. Im

Frequenzband von 8Hz bis 12Hz und im Gammafrequenzband gab es eine geringere

neuronale Aktivitat in der unvollstandigen Bedingung im Vergleich zur vollstandi-

gen Bedingung. Die Wahrscheinlichkeitswerte dieser Unterschiede sind in Kontur-

karten fur einen typischen Zeitpunkt dargestellt (Abb. 7.2 und 7.3), zu dem in allen

Abbildung 7.2: (siehe Seite 73) In a) und e) werden Wahrscheinlichkeitskarten derUnterschiede zwischen den induzierten Aktivitatsmustern im 8–12Hz-Frequenzband inder vollstandigen und unvollstandigen Bedingung gezeigt und in b)–d) und f)–h) dieZeitverlaufe der induzierten Aktivitat (durchgezogene Linie: vollstandige Bedingung;gestrichelte Linie: unvollstandige Bedingung). In der linken Spalte sind die Ergebnissefur die Melodiebedingung und in der rechten Spalte die Ergebnisse fur die Rauschbe-dingung gezeigt: a) Wahrscheinlichkeitskarte fur Unterschiede in der Melodiebedingungzum Zeitpunkt 3,66 s. Die Zeitverlaufe fur die Bereiche mit signifikanten Unterschiedensind in b) fur die links parietalen, in c) fur die zentralen und in d) fur die rechts tem-poralen und frontalen Bereiche gezeigt. e) Wahrscheinlichkeitskarte fur Unterschiede inder Rauschbedingung zum Zeitpunkt 3,75 s. Die Zeitverlaufe fur die Bereiche mit signi-fikanten Unterschieden sind in f) fur die links parietalen, in g) fur die links frontalenund in h) fur die rechts temporalen und frontalen Bereiche gezeigt.

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7.2 Ergebnisse 73

2.53 3.17 3.80

−150

−150

−150

4.43

−100

−100

−100

−50

−50

−50

0

0

0

50

50

50

100

100

100

Kanäle links parietal

Kanäle zentral

B)

Kanäle rechts temporal/frontal

2

Zeit (s)

([fT

/cm

]2)

5 86 7

a)

b)

c)

d)

b)

c)d)

9

10%

5%

1%

p−W

ert

Melodiebedingung: 8−12 Hz Band( 9

2.53 3.17 3.80

−150

−150

−150

4.43

−100

−100

−100

−50

−50

−50

0

0

0

50

50

50

100

100

100

Kanäle links parietal

Kanäle links frontal

( B

)2

Kanäle rechts temporal/frontal

([fT

/cm

]

Zeit (s)

2 )

5 86 7

e)

f)

g)

h)

Rauschbedingung: 8−12 Hz Band

10%

5%

1%

p−W

ert

f)

g)h)

Abbildung 7.2: ←− Legende siehe Seite 72

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7.2 Ergebnisse 74

Kanalen die Unterschiede am deutlichsten waren. Die Zeitverlaufe der induzierten

Aktivitat fur Bereiche mit signifikanten Unterschieden (p < 0, 01, Wilcoxon) sind

fur die letzten vier Stimuli der Melodien und Rauschsequenzen dargestellt. Aus den

Zeitverlaufen der induzierten Gehirnaktivitat wurden die Zeitpunkte der Extrema

abgelesen und in Tabelle 7.1 ubernommen.

Induzierte Aktivitat im 8–12Hz-Band

Die induzierte oszillatorische Aktivitat im Frequenzband von 8Hz bis 12Hz ist in

Abbildung 7.2 fur die Melodie- und Rauschbedingung gezeigt. Die Sensorkarte fur

signifikante Unterschiede zwischen der vollstandigen und unvollstandigen Melodiebe-

dingung ist zum Zeitpunkt 3,66 s (das entspricht 493ms nach dem ersten ausgelasse-

nen Stimulus) im linken oberen Bildbereich dargestellt. Es konnten drei Gebiete mit

benachbarten Kanalen ahnlicher Aktivitatsmuster gefunden werden. Die Zeitverlau-

fe dieser Aktivitatsmuster sind in den Abbildungen 7.2b–d gezeigt. Die im Folgenden

genannten Zeitpunkte beziehen sich alle auf den sechsten gespielten Ton einer Me-

lodie oder sechsten Rauschimpuls bzw. auf den ersten ausgelassenen Stimulus (zum

Zeitpunkt 3,167 s bezogen auf den Sequenzbeginn).

Bei den oszillatorischen Antworten auf die vollstandigen Melodien im 8–12Hz-

Band wurde in den links parietalen Kanalen (Abb. 7.2b) nach dem sechsten Sti-

mulus ein fruhes Maximum der neuronalen Aktivitat um 120ms beobachtet, dem

ein weiterer Anstieg der Aktivitat zu einem zweiten Maximum folgte. Die zentralen

Bereiche (Abb. 7.2c) zeigten ebenfalls einen Anstieg. Die maximale oszillatorische

Aktivitat trat jedoch erst nach dem siebten Stimulus auf. Im Bereich der rechten

temporalen und frontalen Kanale (Abb. 7.2d) konnte ein ahnliches Verhalten der

Maxima wie in den links parietalen Kanalen beobachtet werden, allerdings mit einer

wesentlich schwacheren Auspragung.

In der unvollstandigen Bedingung, in der die Probanden sich die Melodien vor-

stellen mussten, trat das fruheste Extremum der Reduzierung der oszillatorischen

Aktivitat in den rechten temporalen und frontalen Kanalen bei 429ms auf (Abb.

7.2d). Diese Reduzierung war geringer ausgepragt als in den anderen Bereichen.

Gefolgt wurde dieses Minimum 20ms spater von einem Minimum mit einer weiten

Ausbreitung in den links parietalen Kanalen (Abb. 7.2b). Die spateste Reduzierung

konnte in zentralen Kanalen (Abb. 7.2c) bei 490ms beobachtet werden. Die Breiten

der Minima und damit die Dauer der Reduzierungen lagen zwischen 245ms und

409ms.

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7.2 Ergebnisse 75

Bedin- Freq.- Bereich +/ vollstandig +/ unvollstandiggung band Abbildung − Zeit (ms) − Zeit/Breite (ms)Melodie 8–12 Hz links + 123 − 449 368

parietal 7.2b + 470zentral 7.2c + 827 − 490 409rechts − 429 245temporalfrontal 7.2d

Rauschen 8–12 Hz links + 142 − 551 183parietal 7.2f + 1041 − 939 306links − 653 205frontal 7.2grechts − 613 459temporalfrontal 7.2h

Melodie 30–40 Hz links/rechts + 551 − 429frontal 7.3b − 572

326

links + 592 − 368temporal 7.3c − 490

306

rechts − 429parietal 7.3d − 572

235

rechts − 102 − 449temporal + 408 − 531

204

7.3e + 572 − 756 122

Tabelle 7.1: Zeitpunkte der Extrema der induzierten Aktivitat fur die Frequenzbander8–12 Hz und 30–40 Hz. Die genannten Zeitpunkte beziehen sich alle auf den sechsten ge-spielten Ton einer Melodie oder sechsten Rauschimpuls bzw. auf den ersten ausgelassenenStimulus (zum Zeitpunkt 3,167 s bezogen auf den Sequenzbeginn). Mit einem ”+“ sind dieMaxima bezeichnet, mit einem ”−“ die Minima. Fur die unvollstandige Bedingung sindaußerdem die Breiten der Reduktion angegeben.

In den Rauschsequenzen traten die Effekte zwischen den vollstandigen und unvoll-

standigen Sequenzen mit geringerer Auspragung und verzogert auf. Die Sensorkarte

fur signifikante Unterschiede ist in Abbildung 7.2e zum Zeitpunkt 3,75 s (entspre-

chend 583ms nach der ersten Auslassung) dargestellt. In den Sensoren im links

parietalen Bereich (Abb. 7.2f) stieg die Aktivitat in der vollstandigen Bedingung

vergleichbar zu den Ergebnissen bei den Melodien zu einem ersten Maximum bei

142ms und zu einem zweiten Maximum bei 1040ms an. In den links frontalen (Abb.

7.2g) und in den rechten temporalen und frontalen Kanalen (Abb. 7.2h) wich die

neuronale Aktivitat nur geringfugig von der Grundlinie ab.

Anders als in der Melodiebedingung trat in der unvollstandigen Rauschbedingung

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7.2 Ergebnisse 76

die erste Reduzierung in links parietalen Kanalen (Abb. 7.2f) zu einem spateren Zeit-

punkt bei 551ms auf. Im weiteren Verlauf folgten Minima der neuronalen Aktivitat

in rechts fronto-temporalen Bereichen (Abb. 7.2h) und in links frontalen Bereichen

(Abb. 7.2g). Nach dem zweiten fehlenden Stimulus folgte in den links parietalen

Kanalen ein weiteres Minimum bei 939ms und damit etwa in dem Zeitbereich, in

dem das zweite Maximum in der vollstandigen Bedingung lag. Die Breite der Minima

variierte zwischen 180ms und 459ms.

Eine ubergreifende Beobachtung in der induzierten Aktivitat im 8–12Hz-Fre-

quenzband als Antwort auf die Melodien und Rauschsequenzen ist der starke Abfall

der Aktivitat 150ms nach Beginn des letzten Stimulus der Sequenz. Dieser Abfall

der Aktivitat konnte besonders in den frontalen, zentralen und temporalen Kanalen

beobachtet werden.

Induzierte Aktivitat im Gammaband

Die Sensorkarte fur signifikante Unterschiede in der induzierten Gammaband-Akti-

vitat ist in Abbildung 7.3a zum Zeitpunkt 3,74 s (572ms nach der ersten Auslassung)

gezeigt. Signifikante Unterschiede wurden in linken und rechten temporalen, rechts

parietalen und frontalen Bereichen gefunden. Die Unterschiede in den temporalen

Bereichen fanden sich im Vergleich zu einer typischen N1m-Komponente in weiter

superior gelegenen Kanalen.

Fur die Antworten auf die Melodien werden die gemittelten Zeitverlaufe der Akti-

vitat der Kanale mit signifikanten Unterschieden in den Abbildungen 7.3b–e gezeigt.

Die linken und rechten frontalen Bereiche zeigten einen identischen Zeitverlauf und

wurden daher gemittelt. Die im Folgenden genannten Zeitpunkte beziehen sich, wie

oben, auf den sechsten gespielten Ton einer Melodie oder sechsten Rauschimpuls

bzw. auf den ersten ausgelassenen Stimulus.

In der Melodiebedingung war auffallend, dass im Vergleich zu den Zeitverlaufen

der oszillatorischen Aktivitat im niedrigeren Frequenzband von 8–12Hz in der voll-

standigen Bedingung eine Verringerung bei 102ms in der Gammaband-Aktivitat in

rechts temporalen Kanalen auftrat. Dieser Verringerung folgte ein Anstieg der neu-

ronalen Aktivitat zu Maxima bei 408ms und bei 572ms (Abb. 7.3e). Etwa zeitgleich

– 20 ms fruher bzw. spater – wurden Maxima in der oszillatorischen Gammaband-

Aktivitat in linken und rechten frontalen Kanalen (Abb. 7.3b) und in links tem-

poralen Kanalen (Abb. 7.3c) beobachtet. In den rechts parietalen Kanalen folgte

die Aktivitat in ihrem Verlauf etwa dem Verlauf in den rechts temporalen Kanalen,

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7.2 Ergebnisse 77

9

2.532.53 3.173.17 3.803.80

−8−8

−8−8

4.434.43

−6−6

−6−6

−4−4

−4−4

−2−2

−2−2

00

00

22

22

44

44

Kanäle links/rechts frontal

Kanäle links temporal

( B

)

Kanäle rechts parietal

2

Kanäle rechts temporal

([fT

/cm

]

Zeit (s)Zeit (s)

2 )

5 86 75 86 7

b) d)

c) e)

a)

10%

5%

1%

p−W

ert

Melodiebedingung: Gammabandb)

e)

d)

c)

Abbildung 7.3: (a) Wahrscheinlichkeitskarte fur die Melodiebedingung der Unterschiedezwischen den induzierten Aktivitatsmustern im Gammaband (30–40 Hz) in der vollstandi-gen und unvollstandigen Bedingung zum Zeitpunkt 3,74 s. Die Zeitverlaufe (durchgezogeneLinie: vollstandige Bedingung; gestrichelte Linie: unvollstandige Bedingung) fur die Berei-che mit signifikanten Unterschieden sind in b) fur die linken und rechten frontalen, in c)fur die links temporalen, in d) fur die rechts parietalen und in e) fur die rechts temporalenBereiche gezeigt.

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7.2 Ergebnisse 78

allerdings mit nur geringer Abweichung von der Grundlinie.

Wahrend der unvollstandigen Bedingung fiel die neuronale Aktivitat zu einer 200–

300ms dauernden Reduzierung mit zwei aufeinander folgenden Minima ab. Die erste

Reduzierung in der Gammaband-Aktivitat trat dabei in den links temporalen Kana-

len (Abb. 7.3c) bei 368ms und 490ms auf. In den anderen Bereichen folgten die zwei

Extrema der Verminderung der neuronalen Aktivitat in linken und rechten frontalen

(Abb. 7.3b) sowie in rechts parietalen Kanalen (Abb. 7.3d) zu gleichen Zeitpunkten

bei 429ms bzw. bei 572ms. In den rechts temporalen Kanalen (Abb. 7.3e) wurde

zusatzlich zur ersten Verminderung bei 449ms und 531ms eine weitere Verminde-

rung nach dem zweiten ausgelassenen Stimulus bei 756ms beobachtet. Die Dauer

der Reduzierungen entsprach ungefahr den Zeiten, die im 8–12Hz-Band beobachtet

wurden und lag zwischen 200ms und 300ms bei der fruhen Reduzierung und bei

122ms fur das spate Minimum rechts temporal.

In den Antworten auf die Rauschsequenzen gab es keine signifikanten Unterschiede

(p > 0, 05, Wilcoxon) in der Aktivitat zwischen der vollstandigen und unvollstan-

digen Bedingung mit Ausnahme des Unterschieds nach dem letzten Stimulus der

Sequenz, der bei allen Probanden auftrat und auch im niedrigeren 8–12Hz-Band

beobachtet wurde.

7.2.2 Evozierte oszillatorische Aktivitat

Die evozierte Aktivitat wurde mit Hilfe der magnitude squared coherence analysiert.

Die Ergebnisse sind fur einen Kanal mit den Werten der hochsten magnitude squared

coherence von einem typischen Probanden in Abbildung 7.4 und im Mittel uber alle

Probanden in Abbildung 7.5 gezeigt.

In den vollstandigen Bedingungen konnte fur jeden Stimulus deutlich evozierte

Aktivitat beobachtet werden. Diese Aktivitat trat in den Frequenzbandern um 8Hz,

zwischen 10 und 15Hz und zwischen 25 und 35Hz sowohl in dem Ergebnis fur den

einzelnen Probanden (Abb. 7.4) als auch im Gruppenmittel (Abb. 7.5) auf. Oberhalb

von 35Hz konnte nur vereinzelt Aktivitat beobachtet werden. In den unvollstandigen

Bedingungen konnte fur die prasentierten Stimuli eine ahnliche Aktivitat wie in den

vollstandigen Bedingungen beobachtet werden. In dem Zeitbereich der Auslassun-

gen konnte beim einzelnen Probanden keine Aktivitat beobachtet werden, die uber

verschiedene Kanale konsistent auftrat. Im Gruppenmittel ließ sich wahrend der

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7.3 Zusammenfassung 79

10

20

30

40

Fre

quen

z (H

z)Melodie Rauschen

2.53 3.17 3.80 4.43

10

20

30

40

Zeit (s)2.53 3.17 3.80 4.43

0

0.04

0.08

0.12

0.16

Abbildung 7.4: Die magnitude squared coherence fur die vollstandige (obere Reihe) undunvollstandige (untere Reihe) Melodie- (links) und Rauschbedingung (rechts) eines typi-schen Probanden. Dargestellt ist ein Kanal der linken Hemisphare mit der großten Ampli-tude als Antwort auf den letzten Stimulus. Die Zeitpunkte geben die letzten vier Stimulian, wobei die ausgelassenen Stimuli bei 3,17 und 3,80 s lagen.

Auslassungen ebenfalls keine Aktivitat finden. Die Werte fur die magnitude squared

coherence waren in der Rauschbedingung geringer als in der Melodiebedingung und

spiegelten auf Grund einer schwacheren Aktivitat ein schlechteres Signal-zu-Rausch-

Verhaltnis wider.

7.3 Zusammenfassung

Die Ergebnisse dieses Experiments zeigen eine komplexe Verteilung in der Reduzie-

rung der oszillatorischen Aktivitat. In der Melodiebedingung wurde eine Reduzie-

rung in der induzierten Aktivitat mit einem Minimum zwischen 450ms und 490ms

sowohl im 8–12Hz-Frequenzband als auch im Gammaband gefunden. Im unteren

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7.3 Zusammenfassung 80

10

20

30

40

Fre

quen

z (H

z)Melodie Rauschen

2.53 3.17 3.80 4.43

10

20

30

40

Zeit (s)2.53 3.17 3.80 4.43

0

0.04

0.08

0.12

Abbildung 7.5: Die magnitude squared coherence fur die vollstandige (obere Reihe) undunvollstandige (untere Reihe) Melodie- (links) und Rauschbedingung (rechts) gemitteltuber alle Probanden. Dargestellt ist ein Kanal der linken Hemisphare mit der großtenAmplitude der evozierten Aktivitat als Antwort auf den letzten Stimulus. Die Zeitpunktegeben die letzten vier Stimuli an, wobei die ausgelassenen Stimuli bei 3,17 und 3,80 s lagen.

Frequenzband konnte diese Reduzierung eher in links parietalen Bereichen, zentra-

len und rechts frontalen und temporalen Bereichen beobachtet werden, wahrend im

Gammaband dieser Effekt in linken und rechten frontalen, in temporalen und rechts

parietalen Bereichen gefunden wurde.

In der Rauschbedingung konnten nur Unterschiede im induzierten 8–12Hz-Fre-

quenzband beobachtet werden. Das Minimum in der unvollstandigen Bedingung trat

spater als bei den Melodien auf. Der Schwerpunkt der Verringerung lag zudem auf

der linken Hemisphare und dort in den frontalen und parietalen Kanalen.

In allen Bedingungen, in denen Unterschiede gefunden wurden, konnten nahezu

zeitgleich mit den Minima in der unvollstandigen Bedingung Maxima in der voll-

standigen Bedingung beobachtet werden. Die Topographien der Bereiche mit Un-

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7.3 Zusammenfassung 81

terschieden differierten zwischen den verschiedenen Frequenzbandern und zwischen

der Melodie- und der Rauschbedingung.

Als Antwort auf die ausgelassenen Stimuli zeigte sich keine evozierte Aktivitat,

weder im 8–12Hz-Band noch im Gammaband.

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8

Diskussion

Im ersten Abschnitt dieser Diskussion werden die Ergebnisse zur Spezifitat der Gam-

maband-Aktivitat auf die Koharenz von auditorischen Stimuli aus Kapitel 5 erlau-

tert. Es werden die aus der Modulation der Gammaband-Aktivitat folgenden Aus-

sagen uber die Bindungsmechanismen bei der Wahrnehmung von virtuellen Klangen

diskutiert. Im zweiten Abschnitt wird beschrieben, auf welche Art und Weise top-

down-Prozesse eine unterschiedliche Objekterkennung der sensorischen Reize auslo-

sen konnen. Die Ergebnisse aus Kapitel 6 werden diskutiert und die Einflusse kor-

tikaler Aktivitat auf die fruhe Gammaband-Aktivitat betrachtet. Die Effekte in der

neuronalen Aktivitat bei intrinsischer Objektreprasentation wahrend des mentalen

Vorstellens von Melodien wurden im Kapitel 7 beschrieben. Die Auswirkungen auf

die kortikale Aktivitat, die ohne sensorischen Reiz ausgelost werden kann, werden

im letzten Abschnitt diskutiert.

8.1 Spezifitat der Gammaband-Aktivitat bei der

Wahrnehmung koharenter Stimuli

Die Koharenz von Stimuli zeigt in der visuellen Modalitat einen Einfluss auf os-

zillatorische kortikale Aktivitat. In der in Kapitel 5 vorgestellten Studie, in der

die auditorische Modalitat untersucht wurde, konnte eine Spezifitat der Aktivitat

im Gammaband auf unterschiedliche Koharenzeigenschaften von Klangen gefunden

werden. Diese Spezifitat druckt sich nicht nur in einem Parameter der gemessenen

Antworten aus, sondern wird durch qualitativ unterschiedliche Auswertungen ge-

stutzt.

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8.1 Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur koharente Stimuli 83

An der Studie nahmen zwolf Probanden teil. Sie erkannten die Zielreize mit einer

mittleren Fehlerquote von 9%. Es kann daher angenommen werden, dass die Pro-

banden den Stimuli aufmerksam zugehort haben und in der Lage waren, virtuelle

Tonhohen der Klange richtig zu erkennen. Es gab keinen Probanden, der berichtete,

die virtuellen Tone in ihrer spektralen Tonhohe anstatt in der Tonhohe der fehlenden

Fundamentalfrequenz gehort zu haben. Die Integration der spektralen Komponenten

war daher erfolgreich.

Fur die in ihrem Spektrum ahnlichen Stimuli, virtueller und unharmonischer

Klang, wurden großere Unterschiede in den elektrophysiologischen Ergebnissen ge-

messen als zwischen dem virtuellen und dem reinen Ton, die sich in ihren Spek-

tren weitaus mehr unterschieden. Nach der Lokalisation der Dipolorte konnten die

Generatoren der Gammaband-Aktivitat dem supratemporalen Kortex zugeordnet

werden. Die Lokalisation entsprach damit fruheren Ergebnissen [107]. Die Orte der

Quellen der evozierten Gammaband-Antworten auf die koharenten, reinen und vir-

tuellen Klange wurden wesentlich naher beieinander gefunden als die Quellen der

Gammaband-Antworten auf den inkoharenten, unharmonischen Klang. Dieses Er-

gebnis laßt vermuten, dass der unharmonische Klang in anderen neuronalen Netz-

werken reprasentiert wird als die koharenten Klange, deren Netzwerke ahnlicher

sind oder sich sogar uberlappen. Fur die N1m-Komponente der langsamen audito-

risch evozierten Potentiale konnten Pantev et al. [103, 106] ein ahnliches Ergebnis

fur spektrale und virtuelle Klange erzielen. Wahrend der Effekt bei der N1m-Kom-

ponente auf die Tonotopie dieser Komponente zuruckgefuhrt werden kann [67, 106],

folgt die Gammaband-Aktivitat nicht einer solchen Organisation [9, 101].

Uberraschend war das Ergebnis, dass in der Tendenz fur den reinen Ton die starks-

te kortikale Aktivitat wahrend der Wahrnehmung im Vergleich zum virtuellen oder

unharmonischen Klang erhalten wurde. Dies zeigt, dass die erhohte Verarbeitung

und Merkmalsintegration des Sinnesreizes sich nicht notwendigerweise in einer ver-

starkten kortikalen Aktivitat ausdruckt. Das erhohte Dipolmoment des Generators

der Gammaband-Aktivitat fur den reinen Ton, das sich auch in der globalen Feld-

starke uber alle Kanale des Sensors zeigte, kann nicht mit einer hoheren Lautstarke

des Stimulus erklart werden, da diese fur jeden Ton einzeln auf 2 dB abgestimmt

wurde.

Fur die evozierte Gammaband-Aktivitat wurden signifikante Zeitunterschiede zwi-

schen den Maxima der Gammaband-Antworten auf die verschiedenen Reize im MEG

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8.1 Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur koharente Stimuli 84

gefunden. Die Gammaband-Antwort auf den virtuellen Klang erreichte das Maxi-

mum dabei am spatesten, wobei sich die Latenzen fur den reinen und den unharmo-

nischen Klang nicht signifikant unterschieden. Im EEG traten die Maxima dagegen

fruher auf und unterschieden sich nicht zwischen den Bedingungen. Die im MEG ge-

fundenen Zeitunterschiede stimmen mit psychoakustischen Befunden von Beerends

[6] uberein. Beerends berichtete, dass eine signifikant langere Zeit benotigt wurde,

die virtuelle Tonhohe im Vergleich zur spektralen Tonhohe richtig zu erkennen. Es

kann daher vermutet werden, dass der Integrationsprozess und damit die Gestalt-

erkennung, aus dem spektralen Muster die Tonhohe der Fundamentalfrequenz zu

generieren, zusatzliche Zeit benotigte. Die Verarbeitung des reinen Tons erforderte

diesen Verarbeitungsschritt nicht bzw. fuhrte fur den unharmonischen Klang nicht

zum Abschluss und erfolgte daher fur diese beiden Stimuli in kurzerer Zeit. Das

Fehlen von Zeitunterschieden im EEG gibt einen Hinweis darauf, dass hier eventuell

andere Neuronenverbande gemessen wurden, die eher radial angeordnet und daher

im MEG nicht sichtbar waren. Eine plausible Erklarung ist aber auch ein schlechteres

Signal-zu-Rausch-Verhaltnis im Vergleich zu den MEG-Daten.

In der unabhangigen Komponentenanalyse der fruhen evozierten Gammaband-

Aktivitat konnte eine hohere Komplexitat fur die Antwort auf den unharmonischen

Klang gefunden werden. Fur die von den koharenten Klangen hervorgerufenen Fel-

der war eine geringere Anzahl von unabhangigen Komponenten notwendig, um das

Feld zu erklaren. Dieses Ergebnis zeigt eine großere Ahnlichkeit der unterliegen-

den Quellen fur diese Antworten im Vergleich zu den Quellen fur den inkoharenten

(unharmonischen) Stimulus. Die moglichen das Feld generierenden cell assemblies

scheinen fur die koharenten Stimuli starker korreliert zu sein als fur den inkoharenten

Ton. Dies ist in Ubereinstimmung mit Ergebnissen von Rodriguez et al. [117], die bei

der Wahrnehmung von Bildern, in denen abhangig von ihrer Orientierung Gesichter

erkannt werden konnten, eine erhohte Phasensynchronitat zwischen einzelnen EEG-

Signalen beim Erkennen der Gesichter nachwiesen.

In der hier vorliegenden Studie wurden keine Effekte in der induzierten, nicht-

phasengebundenen Aktivitat gefunden. Fur die koharenten Stimuli, reiner und vir-

tueller Klang, wurde weder im MEG noch im EEG eine Erhohung der induzierten

Aktivitat beobachtet. Dies scheint im Widerspruch zu den Studien von Tallon-Bau-

dry et al. [126, 129, 133] zu stehen, die fur die koharenten Figuren eine Erhohung

im spaten induzierten Gammaband im EEG gefunden haben. Sie haben allerdings

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8.1 Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur koharente Stimuli 85

keine Veranderungen in der induzierten Aktivitat im MEG messen konnen und se-

hen keine Effekte im fruhen evozierten Gammaband [133]. Es wurde daraufhin ein

Quellenmodell mit einer ringformigen Anordnung von Dipolen entwickelt, das das

fur die induzierte Gammaband-Aktivitat beobachtete Verhalten erklaren sollte [131].

In den Studien von Herrmann et al. [44, 45, 46], in denen die Kanizsa-Figuren un-

tersucht wurden, konnte andererseits auch im EEG keine induzierte Aktivitat beob-

achtet werden. Es wurde aber eine erhohte fruhe evozierte Gammaband-Aktivitat

fur die Zielreize und eine geringere Erhohung fur die Figuren, die dem Zielreiz am

ahnlichsten waren, beobachtet [44, 45]. Dieser Effekt kann in der hier vorliegenden

Studie aber nicht bestatigt werden, da dann der virtuelle Klang die großte evozierte

Gammaband-Aktivitat hatte zeigen mussen. Wahrend Tallon-Baudry et al. ihre Er-

gebnisse im Sinne eines feature binding-Prozesses sehen, interpretieren Herrmann et

al. die Ergebnisse so, dass ein Abgleich mit einer im Gedachtnis abgelegten Vorlage

stattfindet. Je ahnlicher der Stimulus dieser Vorlage ist, um so großer ist die Ant-

wort. Die Ergebnisse beider Gruppen lassen sich fur die auditorische Modalitat nicht

bestatigen. Induzierte Aktivitat im auditorischen Gammaband konnte am Menschen

bisher nur bei schwierigen Oddball-Aufgaben [11, 28, 81, 127], in Reaktionszeitauf-

gaben [55] und in lexikalischen Klassifikationsaufgaben [112] gemessen werden. Zur

Losung dieser Aufgaben waren aber wahrscheinlich komplexere Leistungen und er-

hohte Aufmerksamkeit der Probanden erforderlich. So ist eine intensive Beteiligung

des Gedachtnisses bei den Oddball- und lexikalischen Aufgaben denkbar. Jokeit und

Makeig [55] beobachteten eine Abhangigkeit der induzierten Aktivitat von der Auf-

merksamkeit, die sie mit einer Aufgabe modulierten, in der die Probanden moglichst

schnell auf Tone reagieren mussten. Die induzierte Aktivitat war weniger ausge-

pragt, wenn die Probanden die Stimuli ignorieren konnten. Muller et al. [91, 92]

beobachteten ebenso eine Modulation der induzierten Gammaband-Aktivitat durch

Aufmerksamkeitseffekte.

Insgesamt wurden in den genannten Studien eher Aufgaben benutzt, die eine aus-

gepragte top-down-Aktivitat notwendig erscheinen lassen. Die hier benutzte Aufgabe

erforderte aber eher einen bottom-up-Prozess fur eine sensorische Verarbeitung, die

die Unterscheidung der Stimuli ermoglichen sollte, als einen kognitiven top-down-

Prozess.

Eine Erklarung fur die Unterschiede zwischen dem auditorischen und dem visu-

ellen System in der Wahrnehmung koharenter Stimuli konnte in den anatomischen

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8.1 Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur koharente Stimuli 86

und physiologischen Gegebenheiten liegen. In der visuellen Modalitat liegen die ers-

ten und einzigen neuronalen Verschaltungen vor dem Thalamus (Corpus genicula-

tum lateralis) in der Retina [38] und damit im eigentlichen Sinnesorgan. Hingegen

gibt es in der auditorischen Modalitat weitere Umschaltungen in den Kernen des

Hirnstamms und Mittelhirns, wie Nucleus cochlearis, Oliva superior und Colliculus

inferior, bevor der Thalamus (Corpus geniculatum medialis) erreicht wird (vgl. Abb.

2.1). Es kann auch ab dem Olivenkomplex das Signal beider Ohren zusammen ver-

arbeitet werden. Ein physiologischer Unterschied ist die Auslegung des Gehors auf

eine zeitlich prazise Verarbeitung, die um das zweieinhalbfache besser ist als die des

visuellen Systems [108]. Die neuronalen Muster der Neuronen des Hornerven kon-

nen bis zu einer Signalfrequenz von 5 kHz dem Signal des Sinnesreizes folgen [90].

Daruber hinaus wird fur eine korrekte Lokalisation von Schallquellen eine genaue

zeitliche Information benotigt. Das auditorische System scheint daher auch zu er-

fordern, dass eine Verarbeitung von Reizen moglichst phasentreu zu einem Stimulus

verlauft, um zeitliche Storungen mit Konsequenzen fur weitere Verarbeitungsschritte

zu vermeiden [108].

Unterschiede im fruhen evozierten Gammaband zwischen den Antworten auf spek-

trale und virtuelle Klange, d. h. zwischen inkoharent und koharent wahrgenommenen

Stimuli, wurden in einer neueren Studie von Schulte et al. gezeigt [122]. Melodien

wurden von den Probanden zuerst spektral und nach einer Woche, in der die Me-

lodien wiederholt vorgespielt wurden, dann virtuell auf einer Tonhohe wahrgenom-

men, die aus den spektralen Komponenten der einzelnen Klange extrahiert wurde.

Die Quellen der evozierten Gammaband-Antworten zeigten eine Veranderung im

Ort, und die Anzahl der Komponenten in einer unabhangigen Komponentenanalyse

nahm fur die virtuell wahrgenommene Melodie ab. Diese Ergebnisse deuten ebenso

auf einen pitch processor im Zeitbereich der evozierten Gammaband-Aktivitat hin,

der außerdem plastischen Veranderungen unterworfen sein kann.

Eine Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur kognitive Eigenschaften des Stimu-

lus zeigte sich auch bei Palva et al. [97]. In den Gammaband-Antworten auf sprach-

liche (Silben) und nicht-sprachliche Stimuli gab es eine Lateralisation in der Latenz

des Maximums fur bestimmte Frequenzbander. Sprachliche Stimuli ergaben in der

linken Hemisphare eine fruhere Latenz als in der rechten. Fur die nicht-sprachlichen

Stimuli war dieses Verhalten umgekehrt. Es wurde daraus gefolgert, dass eine fruhe

Verarbeitung des Sinnesreizes unter Beteiligung von top-down-Prozessen, durch die

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8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 87

der sprachliche Inhalt erkannt wurde, stattgefunden haben muss.

In der hier vorliegenden Studie wurde der virtuelle Stimulus in einer ahnlichen

Art wahrgenommen wie der reine Ton. Hingegen wurde der unharmonische Stimu-

lus als eine Summe von Einzelfrequenzen wahrgenommen. Diese subjektiven Berichte

der Probanden lassen sich durch die gemessenen Daten bestatigen. Es wurde von

Goldstein die Hypothese aufgestellt [34], dass es in der Horbahn einen pitch pro-

cessor geben muss, der die Verarbeitung des spektralen und temporalen Musters

ermoglicht und dessen Funktion als Merkmalsintegration gedeutet werden kann. Die

erhohte Latenz der Gammaband-Antwort auf den virtuellen Klang lasst einen Zeit-

bedarf fur den Integrationsprozess vermuten. Diese Merkmalsintegration wird auch

durch den veranderten Quellenort deutlich, der naher am Quellenort fur die Gam-

maband-Antwort auf den reinen Ton liegt als am Quellenort fur die Antwort auf

den unharmonischen Klang mit einem ahnlichen spektralen Inhalt. Der pitch pro-

cessor, an dem kortikale und subkortikale Bereiche beteiligt sein konnten [37], fuhrt

zu einer Konvergenz der einzelnen neuronalen cell assemblies, die auf Hohe des Hor-

nerven noch die spektralen Abschnitte auf der Cochlea reprasentieren. Ein weiterer

Hinweis auf den Integrationsprozess ist die geringere Komplexitat der Gammaband-

Antwort auf den virtuellen Klang im Vergleich zur Komplexitat der Antwort auf den

unharmonischen Klang, wie mit der unabhangigen Komponentenanalyse berechnet

wurde.

Es kann keine Aussage daruber getroffen werden, ob neben bottom-up- auch top-

down-Prozesse an der Integration beteiligt sind. Die Ergebnisse von Palva et al. [97]

sprechen fur eine Beteiligung von top-down-Prozessen. Schulte et al. [122] konnten

zeigen, dass diese fruhen Prozesse einer neuronalen Plastizitat unterliegen. Auf ei-

ne Verbindung der evozierten Gammaband-Aktivitat mit top-down-Prozessen soll

in den nachsten beiden Abschnitten aber noch gesondert eingegangen werden. Es

konnte hier gezeigt werden, dass die fruhe evozierte Gammaband-Aktivitat eine spe-

zifische Abhangigkeit fur die Koharenz von Stimuli besitzt und daher ein Korrelat

von Bindungsmechanismen darstellen konnte.

8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System

In der vorhergehenden Studie wurde eine Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur

die Koharenz von Klangen gezeigt. Es wurden Hinweise auf einen Gestaltbildungs-

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8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 88

prozess, den pitch processor, gefunden. Unklar blieb jedoch, ob es sich hier um einen

rein sensorischen bottom-up-Prozess handelt oder ob auch kognitive top-down-An-

teile beteiligt sind. In dieser, in Kapitel 6 beschriebenen Studie sollten die Aus-

wirkungen eines top-down-Prozesses auf die Gammaband-Aktivitat und die N1m-

Komponente untersucht werden. Es wurden Effekte sowohl in der fruhen evozierten

Gammaband-Aktivitat als auch in der spateren langsamen N1m-Komponente fur

die unterschiedlichen Bedingungen gefunden, die auf top-down-Prozesse zuruckzu-

fuhren sind. Sie geben Hinweise darauf, dass schon die fruhe Gammaband-Aktivitat

und damit fruhe Verarbeitungsstufen durch top-down-Prozesse kontrolliert werden

konnen.

Die Probanden erhielten in dieser Studie die Aufgabe, Tonhohen zu vergleichen.

Die acht Probanden, deren Daten in die Auswertung eingegangen sind, erreichten

in der Bedingung, in der ein sequentieller Vergleich gefordert war, mit 93% eine

signifikant bessere Quote als in einer simultanen Vergleichsbedingung (86%). Die

Aufgabe war daher fur die Probanden unter erhohter Aufmerksamkeit losbar.

Die Quellen der spaten N1m-Komponente konnten nach einem Abgleich mit MRT-

Bildern dem sekundaren auditorischen Kortex zugeordnet werden. Es fanden sich

Unterschiede in den Quellen der N1m-Komponente zwischen den Signal - und Pro-

betonen, die fur die sequentielle und simultane Aufgabe lateralisierten. Fur die se-

quentielle Bedingung wurde in der linken Hemisphare die Quelle der N1m-Antwort

auf den Probeton signifikant weiter anterior gefunden (0,3 cm) als die Quelle der

N1m-Antwort auf den Signalton. Umgekehrt zeigte sich in der sequentiellen Bedin-

gung ein Unterschied zwischen den N1m-Antworten auf die Signal - und Probetone

in der rechten Hemisphare; die Antwort auf den Probeton lag hier weiter medial

(0,9 cm). In der evozierten Gammaband-Aktivitat wurde in der linken Hemisphare

eine erhohte Dipolstarke fur die Antworten auf die Probetone in der sequentiellen

Bedingung im Vergleich zu den Probetonen aus der simultanen Bedingung beobach-

tet. In der rechten Hemisphare war die Gammaband-Aktivitat fur die Antworten in

der simultanen Bedingung am großten. In beiden Hemispharen konnte eine verlan-

gerte Latenz fur die Antworten auf die sequentielle Bedingung nachgewiesen werden.

Systematische Effekte in der induzierten Gammaband-Aktivitat wurden weder im

Signal der MEG-Sensoren noch in der Projektion des Signals auf die Quellen der

N1m-Komponenten nachgewiesen.

Der Ortsunterschied in den Quellenorten fur die N1m-Komponente konnte in der

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8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 89

rechten Hemisphare durch einen Frequenzunterschied erklart werden. Pantev et al.

[100] wiesen nach, dass 1000Hz Tone in der N1m-Komponente etwa 0,5 cm wei-

ter medial reprasentiert werden als 500Hz Tone. Jedoch erklart dies einerseits den

Abstand nur zum Teil und andererseits wurde in der rechten Hemisphare ein ahn-

licher Trend auch zwischen den Antworten auf Signal - und Probeton der sequenti-

ellen Bedingung mit einem Frequenzunterschied von nur 10Hz gefunden. Auch der

Ortsunterschied in der linken Hemisphare fur die N1m-Orte der sequentiellen Be-

dingung kann nicht durch die tonotope Organisation erklart werden, da es sich hier

um spektral fast identische Stimuli handelte. Die Unterschiede, die im Ort der N1m-

Generatoren zwischen Signal und Probe gefunden wurden, sprechen daher fur einen

Einfluss der Aufgabe auf die Verarbeitungsprozesse. Dies bedeutet, dass ein top-

down-Prozess, der durch den Signalton initiiert wurde, stattgefunden haben muss.

Die Lateralisation, die bereits beim Generatorort der N1m-Komponente gefunden

wurde, zeigte sich auch in der Amplitude der evozierten Gammaband-Aktivitat als

Antwort auf die Probetone. Signifikante Unterschiede konnten jedoch nur in der

linken Hemisphare beobachtet werden. Die Amplitude der Gammaband-Antwort war

fur die sequentielle Bedingung gegenuber der Antwort fur die simultane Bedingung

erhoht. In der rechten Hemisphare wurde der umgekehrte Amplitudenunterschied

gefunden. Fur die Signaltone konnten keine Unterschiede zwischen den Bedingungen

festgestellt werden.

Die beiden verschiedenen Bedingungen dieser Studie konnen fur den sequentiel-

len Vergleich mit der Kombination aus Tonhohenverarbeitung und einem Gedacht-

nisprozess beschrieben werden und fur den simultanen Vergleich nur mit einer Ton-

hohenverarbeitung.

Die rechte Lateralitat im Gammaband fur den Vergleich zweier simultaner Fre-

quenzen findet sich in vielen Studien zur Tonhohendiskrimination wieder. Mazzucchi

et al. [82] fanden bei der Unterscheidung von melodischen Sequenzen eine Dominanz

des linken Ohres, die auf eine Dominanz der rechten Hemisphare bei der Verarbei-

tung schließen lasst. Die Autoren interpretieren ihre Daten im Vergleich mit anderen

Studien so, dass eine Dominanz des rechten Ohres dann gefunden wird, wenn eine

Verarbeitung von zeitlichen Aspekten notwendig ist, bzw. eine Dominanz des linken

Ohres im anderen Fall.

In verschiedenen Studien wurde von der Arbeitsgruppe um Zatorre eine uberwie-

gende Aktivierung des rechten Gyrus temporalis superior bei der Beurteilung von

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8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 90

Tonhohen [151], bei der Extraktion einer Fundamentalfrequenz von virtuellen To-

nen [147] und bei dem Erkennen und Erinnern von Melodien [39, 146, 150] gefunden.

Primare auditorische Bereiche, in denen die Generatoren der Gammaband-Antwort

vermutet werden [107], zeigten diese Lateralisation allerdings nicht [149, 151].

Im linken auditorischen Kortex konnte anstatt einer spektralen Verarbeitung eine

Spezialisierung fur zeitliche Muster gefunden werden [72, 149]. Die zeitliche Verar-

beitung war dabei in primaren auditorischen Bereichen lokalisiert. Die sekundaren

Bereiche waren dagegen mehr bei der spektralen Verarbeitung aktiviert. Schnel-

le zeitliche Variationen im Zusammenhang mit sprachlichen oder sprachahnlichen

Lauten zeigten eine detaillierte Verarbeitung im linken primaren auditorischen Kor-

tex [72, 151]. In intracerebralen Messungen konnte im rechten auditorischen Kortex

eine hohere Auflosung frequenzspezifischer Bereiche nachgewiesen werden als im

linken auditorischen Kortex [71]. Diese Unterschiede wurden auf anatomische Gege-

benheiten zuruckgefuhrt, die im linken auditorischen Kortex neben einer starkeren

Myelinisierung, die eine schnellere zeitliche Verarbeitung von Signalen ermoglicht,

auch eine starkere Verbindung der Neuronengruppen untereinander beinhalten. Im

rechten auditorischen Kortex wurden dagegen eine hohere Neuronendichte und dar-

aus folgend eine hoheres spektrales Auflosungsvermogen gefunden (siehe Ubersicht

in [71, 148]).

Die Pravalenz des rechten auditorischen Kortex fur tonale Vergleiche und die

physiologisch mogliche bessere Frequenzauflosung der neuronalen Struktur kann die

erhohte Gammaband-Aktivitat in der rechten Hemisphare erklaren. Der Frequenz-

unterschied von 10Hz zwischen den beiden Tonen fuhrt nur zu einer Phasendifferenz

im zeitlichen Signal von π bzw. einer halben Schwingungsperiode zum Zeitpunkt der

Gammaband-Aktivitat . Es erscheint daher eher moglich, dass der Vergleich auf der

Basis der spektralen Struktur stattfindet bzw. auf der Ebene der Gammaband-Ak-

tivitat vorbereitet wird.

Die Erhohung der Aktivitat im Gammaband in der linken Hemisphare, die durch

den Vergleich der zeitlich aufeinander folgenden Stimuli ausgelost wird, lasst sich

nicht mit einer Dominanz der Hemisphare fur die zeitliche Verarbeitung erklaren,

da es sich dabei um wesentlich kurzere Zeitskalen handelt. Die linke Hemispare

scheint zusatzlich zur rechten an der Verarbeitung und Identifikation von Toninter-

vallen beteiligt zu sein. In einer Lasionsstudie wurde ein Defizit in der Erkennung

von Tonintervallen sowohl bei rechtsseitiger als auch bei linksseitiger temporaler

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8.2 Top-down-Aktivitat im auditorischen System 91

Kortektomie gefunden [74]. In PET- (Positron-Emissions-Tomographie) [152] und

in MEG-Messungen [48] konnte gerade in der linken Hemisphare ein Unterschied

zwischen Probanden mit absolutem und relativem Gehor beim Erkennen von Tonen

gefunden werden.

Es kann vermutet werden, dass die erhohte Gammaband-Aktivitat und die Ande-

rung im Ort der N1m-Komponente bei dem sequentiellen Tonhohenvergleich ein

Korrelat dieser linksseitigen Verarbeitung ist. Der hohere Verknupfungsgrad der

Neuronenverbande [71, 148] konnte eine bessere Verknupfung des aktuellen Stimu-

lus mit dem vorher gehorten Signalton ermoglichen. Diese Interpretation wird von

Ergebnissen von Herrmann et al. [44, 45] unterstutzt. In Aufgaben, in denen Ka-

nizsa-Figuren erkannt werden mussten, wurde die großte Aktivitat in der evozierten

Gammaband-Aktivitat bei dem zu erkennenden Zielreiz gemessen. Die nachstgroßte

Aktivitat wurde bei dem Stimulus gemessen, der dem Zielreiz am ahnlichsten war.

Diese Abhangigkeit der Amplitude der Gammaband-Aktivitat von der Ahnlichkeit

der Stimuli mit einem Zielreiz wurde als Anzeichen fur einen Vergleich mit einer

vorher gespeicherten Vorlage interpretiert. In dem in dieser Studie verwendeten Pa-

radigma wurde der Signalton dieser Vorlage entsprechen.

Das Maximum der Gammaband-Aktivitat fur die Probetone trat in beiden Hemi-

spharen fur die sequentielle Bedingung spater auf als fur die simultane Bedingung.

Das Signifikanzniveau dieses Latenzunterschiedes wurde nur links erreicht. Dieses

Ergebnis steht in Ubereinstimmung mit dem Ergebnis der vorangegangenen Stu-

die. In dieser Studie wurde fur die Extraktion einer Fundamentalfrequenz aus einem

komplexen spektralen Muster eine signifikant spatere Gammaband-Aktivitat gemes-

sen als fur die Verarbeitung eines reinen Tons. Der Vergleich des Signaltons mit

dem Probeton erscheint daher als der zeitlich aufwendigere Prozess, weil ein sensori-

scher Reiz mit einer Vorlage aus dem Arbeitsgedachtnis verknupft werden muss. Die

Verknupfung mit einer Vorlage aus dem Arbeitsgedachtnis konnte als zusatzlicher

Prozess aufgefasst werden, der nach einer ersten Verarbeitung des Reizes stattfinden

kann. Die Integration sensorischer Stimuli ist der schnellere Prozess. Es kann hier

vermutet werden, dass die Information aus beiden Ohren leichter integrierbar ist, da

sie aus einander entsprechenden sensorischen Kanalen resultiert und schon ab dem

oberen Olivenkomplex verarbeitet werden kann.

Induzierte Gammaband-Aktivitat konnte, wie schon in der Studie zur Tonho-

henwahrnehmung von virtuellen Klangen, nicht nachgewiesen werden. Der Grund

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8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information 92

fur dieses Fehlen der induzierten Aktivitat kann wiederum eine ringformige Quel-

lenstruktur sein [131]. Die Ergebnisse im fruhen evozierten Gammaband und in der

N1m-Komponente zeigen andererseits eine fruhe Verarbeitung an. Spatere Bindungs-

mechanismen, die sich in oszillatorischer Aktivitat zeigen wurden, scheinen fur das

Erkennen von geringen Frequenzunterschieden keine Relevanz zu haben.

Die Ergebnisse dieser Studie haben einen deutlichen Einfluss von top-down-Pro-

zessen, die durch einen Signalton getriggert werden, auf die fruhe evozierte Gamma-

band-Aktivitat und die N1m-Komponente gezeigt. Allein mit sensorischen bottom-

up-Prozessen konnen die Unterschiede in der Verarbeitung der Signaltone nicht er-

klart werden. Im Vergleich zu der Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur die Ko-

harenz der Stimuli wurde auch hier eine erhohte Latenz fur die Antworten gefunden,

die durch den Stimulus hervorgerufen wurden, fur den verstarkt Bindungsprozesse

auftreten sollten. Die Aktivierung von Bindungsmechanismen zeigt sich daher nicht

ausnahmslos in einer erhohten Amplitude der Aktivitat sondern auch in einem an-

deren zeitlichen Muster der Antworten.

8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender

sensorischer Information

In der in Kapitel 7 beschriebenen Studie wurde die oszillatorische Aktivitat wah-

rend des Vorstellens von Melodien gemessen. Dieser mentale Prozess kann als rein

kognitiver top-down-Prozess angesehen werden. Die sensorische Information fehlte

wahrend des Vorstellens vollig.

Im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Studien, in denen die sensorische

Verarbeitung von auditorischen Objekten untersucht wurde, konnten hier Ande-

rungen in der induzierten Aktivitat in verschiedenen Frequenzbandern beobachtet

werden. Die Effekte deuten auf ein komplexes Netzwerk von Gehirnaktivitat hin,

das wahrend der Vorstellung der Melodien aktiv war.

Auf jeden prasentierten Stimulus konnte eine evozierte Antwort nachgewiesen wer-

den. In den Ergebnissen der Berechnung der magnitude squared coherence fanden

sich Antworten im niedrigen Gammaband zwischen 25–35Hz und in niedrigeren Fre-

quenzbandern, in denen Komponenten wie die N1m in der Zeit-Frequenz-Transfor-

mation reprasentiert sind. Wahrend der Auslassungen konnten in Frequenzbandern

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8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information 93

uber 5Hz keine evozierten Komponenten nachgewiesen werden, die beim einzelnen

Probanden uber mehrere Kanale oder in einem Kanal im Mittel uber die Probanden

konsistent waren. Es wurde keine Antwort mit einer N1-ahnlichen Topographie ver-

gleichbar den Ergebnissen von Janata [51] gefunden. Janata hatte in einer Studie, in

der das Vorstellen von Melodien gefordert war, Gehirnantworten gefunden, die mit

der Topographie einer N1-Komponente korreliert waren, und hat daraus gefolgert,

dass top-down-Prozesse vergleichbar sensorischen Prozessen eine N1-Komponente

auslosen konnen. Den fur die N1-Komponente charakteristischen Zeitverlauf weist

er jedoch nicht nach. Es ist daher denkbar, dass eine langsamere Aktivitat mit einer

ahnlichen Topographie hervorgerufen wurde, die in der vorliegenden Studie nicht

untersucht wurde.

Ein Grund fur das Fehlen evozierter Aktivitat kann eine zeitliche Variation bei

der Vorstellung der ausgelassenen Stimuli sein. Dann sollte sich allerdings in der

induzierten Aktivitat ein Effekt im gleichen Zeitfenster von 20–150ms zeigen, wie

es aber in dieser Studie nicht beobachtet werden konnte. Das Fehlen der evozierten

Gammaband-Antwort deckt sich mit Ergebnissen von Zatorre et al. [146], die in ei-

ner PET-Studie wahrend des Vorstellens von Melodien keine Aktivitat im primaren

auditorischen Kortex beobachteten, in dem die Gammaband-Antwort generiert wer-

den sollte [107]. Fur die Interpretation der fruhen evozierten Gammaband-Aktivitat

bedeutet dies, dass in der auditorischen Modalitat ein sensorischer Reiz vorhanden

sein muss, um diese auszulosen. Ohne diesen Reiz, der unter anderem einen bottom-

up-Prozess initiiert, scheint die evozierte Gammaband-Aktivitat nicht aufzutreten.

In der induzierten Aktivitat im 8–12Hz-Band konnte wahrend der Auslassungen

und damit wahrend des Vorstellens der Melodien bzw. der Rauschsequenzen eine

Abschwachung gegenuber der Grundlinienaktivitat beobachtet werden. In der indu-

zierten Gammaband-Aktivitat konnte die Reduzierung wahrend des Vorstellens der

Melodien, nicht jedoch wahrend der Rauschsequenzen beobachtet werden. Die Ab-

schwachung zeigte im Gammaband eine andere Topographie als im 8–12Hz-Band.

Die Unterschiede zwischen der Aktivitat in beiden Frequenzbandern konnten auf un-

terschiedliche Quellen mit eigener funktionaler Bedeutung verweisen. Wahrend der

Prasentation der Stimuli wurde dagegen keine Abschwachung der oszillatorischen

Aktivitat beobachtet.

Signifikante Anderungen im 8–12Hz-Band wurden in mehreren kortikalen Berei-

chen gefunden: in frontalen, rechts temporalen, in linken parietalen Regionen pos-

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8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information 94

terior zum Feldmaximum einer N1m-Komponente sowie in zentralen Regionen. Die

induzierte Aktivitat im 8–12Hz-Band in diesen Bereichen scheint nicht identisch

mit der parieto-okzipitalen Alpha-Aktivitat, die im 10Hz-Band ein okzipitales Ma-

ximum besitzt, und unterscheidet sich auch von Tau-Rhythmen aus einem ahnlichen

Frequenzband, die gerade wahrend der Prasentation von Stimuli unterdruckt werden

und im auditorischen Kortex lokalisiert wurden [70, 138].

In Sternberg-Aufgaben, in denen ein Reiz aus einer Folge zuvor prasentierter Sti-

muli wiedererkannt werden musste, wurde, wahrend das Gedachtnis nach dem ab-

gefragten Stimulus durchsucht wurde, eine Unterdruckung im spontanen 8–12Hz-

Band beobachtet [61, 65, 118]. Die beobachtete Abschwachung der 8–12Hz-Aktivitat

in der Melodiebedingung der vorliegenden Studie kann ein Anzeichen fur die Pro-

zesse der Suche im Gedachtnis und des Abrufs der korrekten Tone der Melodie sein,

da diese Prozesse fur die Rauschbedingung nicht erforderlich waren. Pfurtscheller

und Neuper vermuteten, dass der 8–12Hz-Rhythmus die Inhibition in neuronalen

Netzwerken regelt [110] und diese Regelung durch thalamo-kortikale Schleifen vorge-

nommen wird [109]. Eine Abschwachung in diesem Frequenzband kann daher als ein

elektrophysiologisches Korrelat fur das Abrufen von Gedachtnisinhalten interpretiert

werden.

Die Reduktion in links parietalen Regionen wurde sowohl in der Melodie als auch

in der Rauschbedingung gefunden, wobei die Topographie der Abschwachung in der

Melodiebedingung weiter ausgedehnt war. Fur sich genommen konnte die Vermin-

derung ein Korrelat der Vorstellung der fehlenden Stimuli sein, da sie in beiden Be-

dingungen auftrat. Die großere Ausbreitung der Aktivitatsminderung jedoch konnte

mehr mit einer komplexen Struktur des vorgestellten Inhalts zusammenhangen, wie

sie starker in der Melodiebedingung erforderlich war.

Beobachtungen von Halpern und Zatorre [39] bei Prozessen, die dem Vorstellen

und Abrufen von Melodien entsprechen, zeigten eine Aktivierung rechter frontaler

und rechter temporaler Regionen. Die rechts frontalen Bereiche brachten sie dabei

mit dem tonalen Gedachtnis in Verbindung und die rechts temporalen mit der Vor-

stellung. Diese Ergebnisse deuten auf eine unterschiedliche funktionale Bedeutung

der Verminderung der 8–12Hz-Aktivitat in links parietalen und rechts fronto-tem-

poralen Regionen fur den Abruf und das Vorstellen von Melodien hin.

Die fehlenden signifikanten Unterschiede in links frontalen Bereichen in der Melo-

diebedingung im Vergleich zur Rauschbedingung konnten in den verschiedenen An-

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8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information 95

spruchen der Aufgabe begrundet sein, eine komplexe Melodie zu verfolgen und sich

nicht nur an die richtige Tonhohe des zuletzt gehorten Rauschimpulses zu erinnern.

In zentralen Regionen konnte die reduzierte Aktivitat mit Prozessen im supplemen-

taren Motorareal korrespondieren, wie sie in der oben genannten Studie von Halpern

und Zatorre gefunden und dort als Korrelat der Generierung der Vorstellung ange-

sehen wurden.

In der zeitlichen Reihenfolge tritt in der Melodiebedingung das am geringsten

ausgepragte Minimum in den rechten fronto-temporalen Bereichen zuerst auf. Mit

nur geringer Verzogerung von 20ms bzw. 61ms, die einer Oszillation von nur einer

viertel bzw. halben Periode entspricht, folgen links parietale und zentrale Regionen.

Die Unterschiede konnten auf Grund verschiedener Funktionen der beteiligten neu-

ronalen Netzwerke auftreten. Im rechts frontal vermuteten Gedachtnis fur tonale

Information konnte zuerst der Abruf der einzelnen Tone erfolgen, wahrend sich das

Vorstellen der Melodie in den anderen Bereichen fortsetzen wurde.

In der induzierten Gammaband-Aktivitat wurde im Gegensatz zum niedrigeren

Frequenzbereich von 8–12Hz in der vollstandigen Bedingung nach dem sechsten

Stimulus, der auf der Position des ersten fehlenden Stimulus der unvollstandigen

Melodien war, eine Verminderung der Aktivitat mit einem Minimum bei 102ms und

einem anschließenden Anstieg der Aktivitat gefunden. Dieses zeitliche Muster, das

bei den anderen prasentierten Stimuli nicht zu beobachten war, kann in der beson-

deren Aufmerksamkeit begrundet sein, die die Probanden auf diesen Stimulus legen

mussten, da sie sich diesen eventuell vorstellen mussten. Der Zeitverlauf mit einer Re-

duktion der Aktivitat direkt nach dem Stimulus und einem darauf folgenden Anstieg

der induzierten Aktivitat entspricht dem, der in Oddball -Experimenten beobachtet

[11, 127] wurde. Die erhohte Aktivitat wurde dabei als eine mentale Wiederholung

des Tons interpretiert.

Eine Verminderung der induzierten Gammaband-Aktivitat wurde hauptsachlich

in temporalen Regionen sowie weniger ausgepragt in frontalen Regionen beider He-

mispharen und in der parietalen Region der rechten Hemisphare beobachtet. Diese

Topographie unterschied sich von der des langsameren 8–12Hz-Rhythmus besonders

in posterioren Regionen, zeigte aber auch Gemeinsamkeiten in rechten frontalen und

temporalen Arealen.

Die Zeitverlaufe der Reduzierung der Aktivitat im Gammaband und im 8–12Hz-

Band ahnelten sich, obwohl es keine oder nur geringe Zeitunterschiede zwischen den

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8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information 96

einzelnen Bereichen gab. So entsprach die Dauer der Verringerung in der Gamma-

band-Aktivitat etwa der Dauer im 8–12Hz-Band. Die Ahnlichkeit lasst eine Korre-

lation beider Rhythmen vermuten, die jeweils unterschiedliche funktionale Bedeu-

tung besitzen konnten. Anders als im 8–12Hz-Band war die Verminderung in der

Gammaband-Aktivitat in den temporalen Bereichen am großten. Der Grund fur die

Verringerung der Aktivitat konnte, wie Fell et al. [28] vermuten, in hippocampalen

Strukturen liegen. Die induzierte oszillatorische Aktivitat im Gammaband und im

8–12Hz-Band, die in der vorliegenden Studie beobachtet wurde, konnte eine Hin-

tergrundoszillation sein, die dann reduziert wird, wenn eine interne Reprasentation

benotigt wird.

Eine Verringerung der Aktivitat im Gammaband konnte auch von Pulvermuller

et al. beobachtet werden [112]. In einer Aufgabe mussten Worter von Pseudowortern

ohne lexikalischen Inhalt unterschieden werden. Auf die Prasentation der Pseudowor-

ter folgte eine Verringerung der Gammaband-Aktivitat. Ob in dieser Aufgabe die

Aktivitat auf Grundlinienniveau bei den Wortern oder die Verringerung der Akti-

vitat bei Pseudowortern das funktionale Korrelat darstellt, bleibt unklar. Denkbar

ist, dass bei Prasentation von Pseudowortern eine vergebliche lexikalische Suche

einsetzt, die die Veranderung auslost.

Die Korrelation, die in den Ergebnissen der vorliegenden Studie zwischen der Ak-

tivitat im Gammaband und im 8–12Hz-Band gesehen wurde, findet sich in einem

Modell zum Kurzzeitgedachtnis wieder [52], das Daten des Sternberg-Experiments

erklart [20]. In einem Zyklus der niederfrequenten Aktivitat soll es demnach moglich

sein, dass durch die neuronalen Anregungsmuster im Gammaband das Gedachtnis

durchsucht und wieder ausgelesen werden kann. Diese Prozesse sollten beim Vor-

stellen von Melodien in anderer Art und Weise ablaufen, zeigen aber eine mogliche

Verbindung der Gehirnaktivitat in beiden Frequenzbandern.

Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass evozierte Gammaband-Akti-

vitat nicht bei reinen top-down-Prozessen wie dem Vorstellen von Melodien auftritt.

Stattdessen wurde die Gehirnaktivitat durch die Reduzierung oszillatorischer Akti-

vitat im Gammafrequenzband und im 8–12Hz-Band bestimmt. Diese Reduzierung

trat in verschiedenen Regionen auf, die fur das Vorstellen von Bedeutung sein konn-

ten: in frontalen Bereichen, in denen das tonale Arbeitsgedachtnis vermutet wird,

und in Bereichen des auditorischen Kortex. Zusatzlich fand sich eine Verminderung

uber Bereichen, die eine unterstutzende Funktion fur die Vorstellung haben konnten,

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8.3 Induzierte Aktivitat bei fehlender sensorischer Information 97

wie parietale Regionen und das supplementare Motorareal. Die zeitliche und zum

Teil topographische Ahnlichkeit lasst eine funktionale Verbindung beider Rhythmen

vermuten.

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9

Zusammenfassung und Ausblick

Bindungsmechanismen im Gehirn sind bei der auditiven Wahrnehmung von Klan-

gen, von Musik und Sprache auf vielfaltigste Weise beteiligt. In dieser Arbeit wurde

untersucht, in welcher Weise oszillatorische Gammaband-Aktivitat und auch Ak-

tivitat im niedrigeren 8–12Hz-Band spezifisch fur Bindungsmechanismen im audi-

torischen System sind. Die Studien waren so angelegt, dass zwischen bottom-up-

Prozessen, die vom Sinnesorgan in Richtung kortikaler Bereiche verlaufen, und top-

down-Prozessen, die in umgekehrter Richtung mit kognitiver Aktivitat auf die Wahr-

nehmung wirken, unterschieden werden konnte.

Zur Analyse der transienten oszillatorischen Aktivitat wurde eine Wavelet-Trans-

formation benutzt, die eine optimale Auflosung sowohl in der Zeit als auch im

Frequenzraum bot. Auf Grundlage dieser Wavelet-Transformation waren einerseits

die Analyse induzierter nicht-phasengebundener und andererseits die Detektion von

phasengebundener Aktivitat mit nur geringen Amplituden moglich. Die Methode

wurde durch Simulationsrechnungen und in einer Studie zu mittellatenten off -Kom-

ponenten uberpruft. Trotz der geringen Amplitude der off -Antworten konnte mit

der Berechnung der magnitude squared coherence der Wavelet-Transformierten ge-

zeigt werden, dass diese Antworten in ihrer Frequenz gegenuber den on-Antworten

variierten. Dies spricht fur eine unterschiedliche Kodierung von Beginn und Ende

des Reizes und nicht nur fur eine Kodierung der Anderung an sich.

Eine Spezifitat der Gammaband-Aktivitat fur sensorische Bindungsmechanismen

wurde in einer Studie bei der Wahrnehmung von koharenten und inkoharenten Klan-

gen beobachtet. Die Ergebnisse deuten auf integrative Prozesse bei der Wahrneh-

mung von virtuellen Klangen hin. Fur die fruhe evozierte Gammaband-Aktivitat auf

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99

diese Reize konnten Unterschiede im Generatorort und eine verringerte Komplexi-

tat des Feldes im Vergleich zu einem inkoharenten Klang aus demgleichen Spektral-

bereich beobachtet werden. Zwischen zwei koharenten Klangen, einem reinen Ton

und einem virtuellen Klang, wurde eine vergroßerte Latenz fur das Maximum der

Gammaband-Antwort auf den virtuellen nachgewiesen. Es kann daraus geschlossen

werden, dass der Bindungsmechanismus fur die Verarbeitung der spektralen Anteile

des virtuellen Klangs mehr Zeit innerhalb der ersten 60ms nach dem Reizbeginn

benotigte als fur die Verarbeitung eines reinen Tons oder inkoharenten Klangs, bei

denen diese Bindungsmechanismen fur die Wahrnehmung nicht erforderlich waren.

In der zweiten vorgestellten Studie konnten Hinweise auf den Einfluss von top-

down-Prozessen auf die Wahrnehmung von physikalisch nahezu identischen Stimu-

li beobachtet werden. Frequenzvergleiche von Tonen, die einmal den Vergleich der

Information aus beiden Ohren und einmal den Vergleich von einem gehorten Stimu-

lus mit einem im Arbeitsgedachtnis abgelegten Stimulus erforderten, fuhrten in der

evozierten Gammaband-Aktivitat zu Abweichungen in der Latenz der Maxima. Un-

terschiede zwischen den Generatororten der N1m-Komponente auf den Signalton,

der die Aufgabe anzeigte, und auf den Probeton, nach dem die Aufgabe bewal-

tigt werden musste, lateralisierten je nach Anforderung. Diese Lateralisation wurde

auch in der Amplitude der Gammaband-Aktivitat beobachtet. Die zeitlichen Un-

terschiede in der Gammaband-Aktivitat zwischen den Antworten auf die Stimuli

bei simultanem und bei sequentiellem Frequenzvergleich deuten wiederum auf Bin-

dungsprozesse hin. Werden bei der Bindung verschiedene Systeme angesprochen, wie

das sensorische und das Gedachtnissystem, braucht die Verarbeitung mehr Zeit und

zeigt einen aufwendigeren Bindungsmechanismus als wenn die Verarbeitung nur im

sensorischen System stattfindet.

Die rein mentale Aktivierung der Reprasentation von Tonen ohne sensorische

Reizung beim Vorstellen von Melodien fuhrte nicht zu einer evozierten Aktivitat im

Gammaband. Es wurden stattdessen ausgedehnte Bereiche gefunden, in denen eine

Verminderung der oszillatorischen Aktivitat auftrat. Aktivitat in den Frequenzban-

dern von 8–12Hz und im Gammabandbereich erschienen als Korrelat von kognitiven

Prozessen, die das Abrufen der Tone aus dem Gedachtnis und das Vorstellen an sich

beinhalten konnten. Die abweichende Topographie der Effekte in beiden Frequenz-

bandern deutet auf eigene funktionale Bedeutungen hin, die miteinander korrelieren,

da die Reduzierung der Aktivitat sich uber ahnliche Zeitbereiche erstreckte.

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100

In allen Studien wurde beobachtet, dass sich die Eigenschaften von akustischen

Stimuli auf neuronale Aktivitat im Gammafrequenzband auswirken. Die Effekte im

Gammaband konnten durch Unterschiede in der Koharenz, in der Aufgabenstellung

zum Erkennen von Frequenzeigenschaften und durch rein mentale Reprasentation

von Klangen beim Vorstellen von Melodien beobachtet werden. Die Ergebnisse kon-

nen so interpretiert werden, dass bottom-up-Prozesse die fruhe evozierte Gamma-

band-Aktivitat hervorrufen und dass top-down-Prozesse diese Antwort modulieren.

Im visuellen System wurden bei unterschiedlich koharenten Stimuli Effekte in der

spaten induzierten Gammaband-Antwort gefunden. Im Vergleich dazu erscheinen die

Mechanismen im auditorischen System zur Integration verschiedener Eigenschaften

und zur Modulation der Wahrnehmung durch top-down-Prozesse zeitkritischer zu

sein und daher in fruhen Verarbeitungsstufen des akustischen Reizes aufzutreten.

Effekte in der induzierten Aktivitat konnten erst beobachtet werden, wenn die kog-

nitive Reprasentation der Stimuli gefordert war.

Die im auditorischen Kortex lokalisierten Effekte in der Komplexitat der Gam-

maband-Antwort bei der Wahrnehmung virtueller Klange, wie sie durch die un-

abhangige Komponentenanalyse nachgewiesen wurden, und die globalen Effekte in

verschiedenen Frequenzbandern beim Vorstellen von Melodien weisen auf die Not-

wendigkeit einer verbesserten Analyse der Quellen der Gehirnaktivitat hin. Ganz-

kopf-Magnetometer-Systeme, die eine immer großere Verbreitung finden, sind dabei

eine Grundvoraussetzung fur die Untersuchung komplexer funktionaler Integrations-

und Verarbeitungsmechanismen des Gehirns. Neuere Methoden, wie die Synthetic

Aperture Magnetometry und die Integration der Magnetoenzephalographie mit an-

deren bildgebenden Verfahren, konnten Aussagen uber die Struktur beteiligter cell

assemblies und ihr Zusammenwirken in Netzwerken ermoglichen.

Eine Weiterentwicklung der Wavelet-Analyse, z. B. eine Kombination mit der un-

abhangigen Komponentenanalyse, konnte helfen, die Zeit- und Frequenzstruktur der

Gehirnantworten zu studieren und weitere Effekte von neuronaler Aktivitat bei der

Wahrnehmung aufzudecken.

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Lebenslauf

Name Arne Knief

geboren am 13.10.1971 in Oldenburg

Eltern Ursula Knief, geb. Marks und Jurgen Knief

Schulbildung

1978–1982 Hermann-Ehlers-Grundschule, Oldenburg

1982–1984 Orientierungsstufe Marschweg, Oldenburg

1984–1991 Altes Gymnasium Oldenburg

05.1991 Abitur (Leistungsfacher: Mathematik, Physik)

Studium

10.1991–04.1997 Studium der Physik an der Universitat Munster

04.1997 Diplom in Physik mit Nebenfach Kooperativ-Phanomene

Diplomarbeit: Passive Modenkopplung in einem Erbiumfaserlaser

Tatigkeiten

04.1993–04.1996 Studentische Hilfskraft am Institut fur Experimentelle

Audiologie der Universitat Munster

05.1997–08.1997 Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut fur Angewandte

Physik der Universitat Munster

09.1997–12.2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut

fur Experimentelle Audiologie der Universitat Munster

seit 01.2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik und Poliklinik

fur Phoniatrie und Padaudiologie des Universitatsklinikums Munster

Auslandsaufenthalte

01.2000–03.2000 Brain Research Unit, Low Temperature Laboratory,

Helsinki University of Technology, Finland

06.2001–09.2001 Academic Fellowship, Rotman Research Institute for Neuroscience,

Baycrest Center for Geriatric Care,

University of Toronto, Ontario, Canada

Munster, den

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Veroffentlichungen

als Erst- und Koautor

M. Borschbach, M. Schulte, A. Knief, W.-N. Lippe und C. Pantev. Aspects of

neuronal learning rules for the blind separation of independent brain activities. In

Proceedings of ICS’99, IASTED International Conference on Intelligent Systems

and Control, S. 143–148. Santa Barbara, CA, 1999.

A. Knief, M. Schulte, O. Bertrand und C. Pantev. The perception of coherent and

non-coherent auditory objects: a signature in gamma frequency band. Hear Res,

145:161–168, 2000.

A. Knief, M. Schulte, N. Fujiki und C. Pantev. Oscillatory gamma band and slow

brain activity evoked by real and imagery musical stimuli. In J. Nenonen, R. J.

Ilmoniemi und T. Katila (Hg.), Biomag2000, Proc. 12th Int. Conf. on Biomagne-

tism, S. 103–106. Helsinki Univ. of Technology, Espoo, Finland, 2001.

A. Knief, M. Schulte, A. Lamprecht-Dinnesen und C. Pantev. Object Representa-

tion of Sequential and Simultaneous Binaural Sounds. In H. Nowak, J. Haueisen,

F. Gießler und R. Huonker (Hg.), Biomag 2002, Proceedings of the 13th Interna-

tional Conference on Biomagnetism, S. 80–82. VDE Verlag, Berlin, 2002.

A. Knief, M. Schulte und C. Pantev. Gammaband processing of virtual pitch. Neu-

roImage Suppl, 5:S789, 1999.

M. Schulte, A. Knief, B. Ross, S. Makeig und C. Pantev. Virtual pitch of non-

simultaneous succesive harmonics. In H. Nowak, J. Haueisen, F. Gießler und

R. Huonker (Hg.), Biomag 2002, Proceedings of the 13th International Conference

on Biomagnetism, S. 119–121. VDE Verlag, Berlin, 2002.

M. Schulte, A. Knief, A. Seither-Preisler und C. Pantev. Gestalt recognition in a

virtual melody experiment. In J. Nenonen, R. J. Ilmoniemi und T. Katila (Hg.),

Biomag2000, Proc. 12th Int. Conf. on Biomagnetism, S. 107–110. Helsinki Univ.

of Technology, Espoo, Finland, 2001.

M. Schulte, A. Knief, A. Seither-Preisler und C. Pantev. Different Modes of Pitch

Perception and Learning Induced Neuronal Plasticity of the Human Auditory

Cortex. Neural Plast, accepted , 2003.

Page 125: Neuromagnetische Untersuchungen oszillatorischer ... · Aus dem Universitatsklinikum M¨ unster¨ Institut f¨ur Experimentelle Audiologie - Kommissarischer Direktor: Prof. Dr. med

Danksagung

Zuallererst mochte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Christo Pantev fur die

Moglichkeit, diese Arbeit am Institut fur Experimentelle Audiologie zu erstellen,

und fur die gute Betreuung und Unterstutzung bei dieser Arbeit bedanken. Er er-

moglichte mir außerdem, eine Studie dieser Arbeit am Rotman Research Institute in

Toronto, Kanada, durchzufuhren.

Bei Prof. Riitta Hari mochte ich mich fur die Forderung innerhalb des EU-Neuro-

BIRCH II -Programms und die Gelegenheit bedanken, eine Studie dieser Arbeit in

der Brain Research Unit der Helsinki University of Technology in Helsinki, Finnland,

durchfuhren zu konnen.

Auch mochte ich mich bei Prof. Antoinette Lamprecht-Dinnesen bedanken, die mir

ermoglichte, die Arbeit an der Klinik fur Phoniatrie und Padaudiologie zu vollenden.

Besonders gilt mein Dank Michael Schulte fur die sehr intensive Zusammenar-

beit, die vielen anregenden und konstruktiven Diskussionen wahrend der gesamten

Promotionszeit und fur die kritische Durchsicht des Manuskripts.

Stellvertretend fur die Mitarbeiter des Instituts fur Experimentelle Audiologie

mochte ich mich bei Andreas Wollbrink, Karin Berning und Bernhard Ross fur die

Unterstutzung bei den Messungen, fur die gute Zusammenarbeit und das angenehme

Arbeitsklima bedanken.

Außerdem mochte ich Jana Huve, Andreas Hoekstra und Andreas Wollbrink fur

die Durchsicht sowie Ingo Lepper fur die TEX-nische Beratung beim Satz dieser

Arbeit meinen Dank ausprechen.

Vor allem bin ich meinen Eltern Uschi und Jurgen Knief fur ihr permanentes

Interesse, ihr Verstandnis und ihre Unterstutzung wahrend des gesamten Studiums

und daruber hinaus zu Dank verpflichtet. Besonders bedanken mochte ich mich bei

Ute Klenner, die mich mit viel Geduld wahrend der gesamten Promotionszeit auch

außerhalb der Arbeit unterstutzt hat.

Die Arbeit wurde im Rahmen des DFG-Projektes Pa/4-2 von der Deutschen For-

schungsgemeinschaft gefordert.