nationalsozialistische d iktatur
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Nationalsozialistische D iktatur. Universität Leipzig, Historisches Seminar Wintersemester 2013/14 Dozent: Dr. Udo Grashoff. Nationalsozialistische Diktatur. 11. NS-Täterforschung Literatur: Herbert Jäger: Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, Olten/Freiburg i.Br. 1967. - PowerPoint PPT PresentationTRANSCRIPT
Nationalsozialistische Diktatur
Universität Leipzig, Historisches SeminarWintersemester 2013/14Dozent: Dr. Udo Grashoff
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
Literatur:
Herbert Jäger: Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, Olten/Freiburg i.Br. 1967.
Christopher Browning: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen, Reinbek 1993
Gerhard Paul (Hg.): Die Täter der Shoah, Göttingen 2002.
Harald Welzer: Täter. Wie ganz normale Menschen Massenmörder werden, Frankfurt a.M. 2005.
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
Bsp.
Georg Heuser
(1913-1989)
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
- SS-Obersturmführer bei Einsatzgruppe A
- Leiter der Abt. IV beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Minsk
- schoss immer wieder selbst bei Erschießungen mit
- ab 1958 Leiter Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz
- 1962 vor Gericht: Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen
- 15 Jahre Haft (1969 entlassen)
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
Begriff um das Jahr 2000 etabliert
Entsprach der Einzigartigkeit der Holocaust-Verbrechen eine Einzigartigkeit der Täter?
Impulse:
- Daniel Goldhagen „Hitlers willige Vollstrecker“ (1996)
- Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung „Verbrechen der Wehrmacht“
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
- Mikroebene im Fokus
- Frage nach individuellem Handeln (gegen Strukturalismus)
- Kritik an bisherigen Täter-Klischees
Nationalsozialistische Diktatur
1. Täter-Bilder
1.1 Bestie
1.2 Befehlsempfänger
1.3 Schreibtischtäter
1.4 Weltanschauungstäter
2. Neuere Täterforschung
2.1 Milieuprägung
2.2 Ethisch-moralischer Referenzrahmen
2.3 Gruppenprozesse
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.1 Bestie
„KZ-Kommandeuse“ Ilse Koch
„die rothaarige Frau des Lagerkommandanten von Buchenwald, [...] die [...] durch das Lager ritt, um Männer mit Tätowierungen zu finden, deren Haut ihre Lampenschirme [...] zieren könnte“
(Arthur L. Smith jr.: Die Hexe von Buchenwald. Der Fall Ilse Koch, Weimar u.a. 1994).
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.1 Bestie
- sadistisch-hysterischer Charakter
- hetzte Hunde auf Häftlinge, feuerte SS-Männer bei Exekutionen an, denunzierte Häftlinge
- besaß eine Lampe aus Menschenhaut
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.1 Bestie
aber:
- kein Nachweis, dass Tötung tätowierter Häftlinge und Präparation von Menschenhaut auf sie zurückging
- ihre Widerwärtigkeit erklärt nicht den Tod tausender Häftlinge
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.1 Bestie
- Klischee diente Angeklagten in Prozessen der Nachkriegszeit zur Distanzierung
- nicht repräsentativ für SS: schon Himmler hatte Barbarisierung befürchtet
a) Verrohungen bestraft (Ziel: „anständig bleiben“)b) bei Erschießungen Rücktritt erlaubtc) Tötungen an Hilfstruppen bzw. Funktionshäftlinge „delegiert“
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.2 Befehlsempfänger
- Herbert Jäger: Befehlsnotstand war Mythos
Handlungsspielräume:
- ungenau formulierte Befehle (z.B. „Rückkehr nicht erwünscht“)
- Möglichkeit, von Erschießungen zurückzutreten
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.2 Befehlsempfänger
Sanktionen?
- Jäger widerlegt neun angebliche Fälle der Hinrichtung
- allerdings Strafversetzung zur Front
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.2 Befehlsempfänger
Einstellung der Beteiligten an Erschießungen
80-85 % innere Übereinstimmung
davon 20 % Exzesstäter, 20 % Initiativtäter, ca. 45 % blinder Gehorsam
15-20 % innere Konflikte
(Quelle: Herbert Jäger)
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.3 Schreibtischtäter
Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen, 1963.
- entstanden aus Gegenargumentation gegen Anklage als „Lügner, Sadist, perverser Verbrecher“
- Adolf Eichmann war kein Hauptverantwortlicher der Judenvernichtung und hat persönlich nicht gemordet
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.3 Schreibtischtäter
Verdienst: nun Funktionseliten und Wehrmacht im Fokus, die bisher von Dämonisierung Hitlers profitiert hatten
Nachteil: Ausblendung des ideologischen Fanatismus
Z.B. Eichmanns bürokratisch untergeordnete Stellung stand in Kontrast zu seiner Initiative, selbst noch, als Himmler Judenmord beendete.
Antisemitismus Eichmanns unterschätzt.
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.4 Weltanschauungstäter
„Tötung nicht aus niederen,
sondern höheren Motiven“
(Werner Best)
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
1. Täter-Bilder:
1.4 Weltanschauungstäter
Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002.
- Rassismus und Antisemitismus als existenzielle Haltung zur Welt
- „kämpfende Verwaltung“ des RSHA (vom Schreibtisch an die Erschießungsgrube)
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
Täter-Bilder:
Vereinzelung der Täter, Isolation aus Gesamtzusammenhang
Typisierung auf ein Merkmal hin
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
2. Neuere Täterforschung
Öffnung in Richtung Strukturgeschichte
Fokussierung auf Situation
Was hat die Hemmschwelle zum Töten herabgesetzt?
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
2.1 Milieuprägung
2.2 Ethisch-moralischer Referenzrahmen
2.3 Gruppenprozesse
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
2.1 Milieuprägung
- tw. Brutalisierung schon im Ersten Weltkrieg
- NS-Karrieristen nach 1933
- terroristisches Milieu im Generalgouvernement und in Ostgebieten
- kriegsbedingte Verrohung und Abstumpfung
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
2.2 Ethisch-moralischer Referenzrahmen
- kein radikaler Antisemitismus nötig
- Rechtfertigung als Partisanenbekämpfung oder als Reaktion auf Lebensmittelknappheit
- Verzahnung von „Anständigkeit“ und Verbrechen
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
2.3 Gruppenprozesse
- Enthemmung durch kollektive Durchführung
- Anreize zur Machtausübung und Bereicherung
- Angst vor Repressalien, Befehlsnotstand, Gruppenzwang (Browning)
- Stabilisierung der Gruppe durch Freiheitsgrade (Welzer)
Nationalsozialistische Diktatur
11. NS-Täterforschung
Wissen über die Täter auch quantitativ genauer:
- Zahl der deutschen und österreichischen Täter des Holocaust 200.000 bis 250.000, zudem zahlreiche Kollaborateure anderer Nationen
- gesamter Polizeiapparat involviert, zudem in Jugoslawien und Sowjetunion Teile der Wehrmacht