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Nahversorgerbericht 2017 Eine Analyse struktureller und betrieblicher Rahmenbedingungen der Nahversorger in Vorarlberg Verein für Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung www.nahversorgung.org Kontakt: Mag. Karl-Heinz Marent MBA [email protected] T 0664 122 07 02

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Nahversorgerbericht 2017 Eine Analyse struktureller und betrieblicher

Rahmenbedingungen der Nahversorger in Vorarlberg

Verein für Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung

www.nahversorgung.org

Kontakt:

Mag. Karl-Heinz Marent MBA

[email protected]

T 0664 122 07 02

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Zum Geleit

Der Erhalt und die Sicherung der Dorfläden ist ein wesentlicher Faktor für die Sicherung der

Lebensqualität in unseren Dörfen. Es sind aber nicht nur die materielle Güter, die die Dorfläden so

wichtig machen. Schon seit einigen Jahren nimmt auch die immaterielle Leistung als Treffpunkt für

die Bevölkerung da zu sein eine immer wichtigere Stellung ein. In den zahlreichen Befragungen und

Bürgerstammtischen des Vereins wird sichtbar, wie wichtig den BürgerInnen ihr Dorfladen ist.

Durch den Schulterschluss zwischen Land und Gemeinden konnte mit der Nahversorgungsförderung

ein Instrument geschaffen werden, die diese wichtige Infrastruktur aufrecht erhält. Die Erhöhung des

Investionskostenzuschusses zeigt ebenfalls bereits Wirkung. In mehreren Gemeinden wurde der

Dorfladen saniert bzw. neu gebaut. Dies ist ein wichtiges Signal, denn es zeigt, dass die nachhaltige

Absicherung der Nahversorgung von allen Partnern ernst gemeint und mit getragen wird.

Der vom Verein „Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung“ in Kooperation mit dem Land und der

Wirtschaftskammer Vorarlberg erstellte Nahversorgerbericht ist ein wichtiger Gradmesser für die

aktuelle Situation der Nahversorgung. Eine nachhaltige Steuerung wird dadurch möglich und

konkrete Maßnahmen können abgeleitet und geplant werden. Mit dem hier vorliegenden, dritten

Nahversorgerbericht wurde die bisher tiefste Analyse realisiert, denn durch ihn und das

dahinterliegende Datenmaterial können für jede Gemeinde spezifische Aussagen und

Handlungsoptionen entwickelt werden.

Es wird also möglich konkrete Maßnahmen für die überörtliche Ebene zu formulieren, aber auch die

individuellen Rahmenbedingungen und Vorzüge der Dorfläden besser herauszuarbeiten. Dies

entspricht einem wider der Generalisierung, wie wir es ansonsten in so vielen Bereichen beobachten

können. Die Devise der Dorfläden ist aber: „Es gibt in jedem Bereich einen Weltmeister und durch

Austausch kann man gegenseitig voneinander profitieren.“

Der Blick in die Zukunft ist deshalb optimistisch, denn die Dorfläden können auf starke fachliche

Unterstützung und auf das gelebte Miteinander in den Gemeinden bauen. Von ihrem Fortbestand

profitieren aber nicht nur die einzelnen Gemeinden, sondern auch das ganze Land.

Der Dank gebührt daher im Besondern allen LadnerInnen im Ländle. Dank gilt aber auch den

Autoren, Finanziers und Unterstützern dieser Studie. Insbesondere dem Landesststatthalter Mag.

Karl-Heinz Rüdisser und seiner Abteilung sowie dem Obmann der Fachgruppe Lebensmittelhandel in

der Wirtschaftskammer Dietmar Brunner und Spartengeschäftsführer Mag. Julius Moosbrugger. Dies

ist ein gutes Beispiel für das gelebte Miteinander und folglich auch die beste Basis für die

gemeinsame Weiterentwicklung.

Ich wünsche allen Leserinnen ein erkenntnisreiches Lesen.

Bgm. Rainer Duelli – Obmann Verein Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung

Im Namen der Kooperationspartner: Land Vorarlberg und Witschaftskammer

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Inhalt

Zum Geleit ................................................................................................................................................ii

Untersuchungsdesign .............................................................................................................................. iii

1. Einleitung ......................................................................................................................................... 1

2. Strukturelle Voraussetzungen und Rahmenbedingungen .............................................................. 2

2.1. Externe Rahmenbedingungen in Vorarlberg ........................................................................... 5

2.2. Kaufkraftpotential in ausgewählten Dorfladengemeinden ................................................... 11

2.3. Performance der Dorfläden .................................................................................................. 15

2.4. Zwischenfazit ......................................................................................................................... 21

3. Von den externen zu den betriebsinternen Parametern .............................................................. 22

3.1. Allgemeine Informationen über die Betriebe ....................................................................... 24

3.2. Einbettung in regionale Wertschöpfungsketten ................................................................... 27

3.3. Nahversorgungsförderung – Fluch oder Segen? ................................................................... 32

3.4. Leistungen des Vereins .......................................................................................................... 33

3.5. Zusammengefasste Ergebnisse der Nahversorger-Befragung .............................................. 35

4. Handlungsoptionen und -empfehlungen ...................................................................................... 36

4.1. Neuaufstellung der raumplanerischen Rahmenbedingungen für Handelsgroßbetriebe: .... 36

4.2. Regionaler Solidarbeitrag von Einzelhandelsgroßstrukturen................................................ 37

4.3. Nahversorgungsförderung innovationsorientier aufstellen ................................................. 37

4.4. (Tages-)touristische Kaufkraft besser binden........................................................................ 37

4.5. Ortszentren nahversorgungsfreundlich entwickeln .............................................................. 38

4.6. Stärkung regionaler Wertschöpfungskreisläufe .................................................................... 38

5. Dorfläden zukunftsfit - Fazit .......................................................................................................... 39

Quellen .................................................................................................................................................. 40

Untersuchungsdesign

Art der Untersuchung Quantitative Analyse mit bi- und multivariaten Methoden

Persönliche Interviews ergänzt durch einen Fragebogen

sowie Strukturdaten der Gemeinden und Regionen

Zielgruppe Nahversorger mit Betriebskostenzuschuss durch das Land

Vorarlberg, 35 Geschäfte wurden befragt

Zeitraum April bis September 2017

Autoren Johannes Herburger MA, Mag. Karl-Heinz Marent MBA

Interviewer Bernhard Burger, Harald Nesensohn

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1. Einleitung

Sucht man im Duden nach Bedeutungen des Wortes „nahe“, so ist dort unter anderem „nicht weit

entfernt“ zu lesen, wodurch der Hinweis auf eine Entfernung und damit auch auf die räumliche

Komponente erfolgt. Das Wort „versorgen“ ist wie folgt definiert: „Jemandem etwas, was er/sie

(dringend) braucht bzw. woran es ihm fehlt, zukommen lassen.“ Es geht also um die Bereitstellung

wesentlicher Güter und/oder Dienstleistungen.

Nach dem Hinweis auf diese beiden Wörter wird man bei weiterem Schmökern durch den Duden

auch auf die Bedeutung des Wortes. „Nahversorgung“ aufmerksam. So ist dieses dort definiert als die

„Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen in kurzer Entfernung von der Wohnung

bzw. vom Wohnort.“ Auch hier findet sich wieder ein Indiz auf die Entfernung. Eine genauere

Definition formuliert Cerha (1999, S.36): „Unter ‚Nahversorgung‘ wird (…) die Distribution materieller

und immaterieller Wirtschaftsgüter von relativ geringem Wert (Waren und Dienstleistungen) für die

alltägliche Bedarfsdeckung verstanden. Die Versorgungsbetriebe befinden sich nahe dem Wohnort

des Verbrauchers, werden mehrmals pro Woche frequentiert und sind ohne Benutzung eines

Kraftfahrzeuges oder öffentlichen Verkehrsmittels erreichbar.“

Anhand dieser Definitionen deckt der Nahversorger bereits zwei von drei Kriterien der Nachhaltigkeit

ab. Er ist ökologisch nachhaltig, weil er auf kurze Wege setzt: allen BürgerInnen einer Gemeinde

sollte es möglich sein ohne PKW seine täglichen Gebrauchsgüter einzukaufen. Das trägt dazu bei,

dass weniger motorisierter Individualverkehr erzeugt wird, so weniger CO2 ausgestoßen und damit

auch die Umwelt geschont wird. Dies impliziert weiters eine von Funktion von sozialer

Nachhaltigkeit, denn auch Menschen die nicht (mehr) über ein eigenes Auto verfügen, können sich

mit allen wichtigen Gütern des täglichen Lebens selbst versorgen. Durch seine gute Erreichbarkeit

und durch den Verkauf von Gütern des täglichen Bedarfs, ist eine Funktion als Treffpunkt für das

Einzugsgebiet imminent. Alleine diese beiden Punkte zeigen daher, dass ein Nahversorger einen

wesentlichen Teil ländlicher Lebensqualität darstellt.

Doch wie schaut es mit der ökonomischen Nachhaltigkeit aus? Sind solche kleinteiligen Strukturen

langfristig haltbar? Was ist es, was einen Nahversorger bzw. einen Dorfladen in Vorarlberg nachhaltig

erfolgreich macht und wie sind sie gegenüber zukünftigen Veränderungen, wie etwa dem

demografischen Wandel und der Digitalisierung aufgestellt?

Diesen Fragen geht der Verein „Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung“ in seinem mittlerweile

dritten, hier vorliegenden Nahversorgerbericht nach. Im ersten Teil des Berichts wird der Einfluss

demografischer und ökonomischer Strukturen auf die Performance der Dorfläden untersucht. Im

zweiten Teil wird dann der Bogen zu betriebsinternen Parametern geschlagen und die Ergebnisse der

nun schon traditionellen Nahversorgerbefragung werden vorgestellt. Aus diesen Ergebnissen soll

schlussendlich abgeleitet werden, wie die Dorfläden zu den übergeordneten Themenfeldern

„Innovation“ und „Kooperation“, als Schlüsselthemen für die zukünftige Entwicklung, stehen.

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2. Strukturelle Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Für den kleinstrukturierten Lebensmitteleinzelhandel in Vorarlberg ergeben sich trotz der geringen

flächenmäßigen Größe des Landes viele unterschiedliche Rahmenbedingungen. Dies hängt einerseits

mit naturräumlichen Voraussetzungen wie der Topografie und dem Relief, andererseits aber auch

mit der räumlichen, sozio-ökonomischen und sozio-demografischen Entwicklung Vorarlbergs

zusammen. Insbesondere seit dem zweiten Weltkrieg hat sich im Rheintal eine polyzentrale

Stadtregion entwickelt, die neben dem überwiegenden Großteil der Bevölkerung auch den Großteil

der Arbeitsplätze und der Wirtschaftsleistung im Land beherbergt. So entfallen im Jahr 2016 66,5 %

der gesamten Vorarlberger Bevölkerung auf das Rheintal (Statistik Austria, eigene Berechnung), im

Jahr 1951 waren es noch 60,3 % (Feuerstein, 2009: S.362). Ebenso entfallen rund drei Viertel der

gesamten Bruttowertschöpfung des Landes auf das Rheintal (Statistik Austria 2014, eigene

Berechnung).

Die Entwicklung dieser Polyzentralität im Rheintal, aber auch im Walgau, wäre ohne die gesteigerte

Mobilität der Gesamt-Bevölkerung, begünstigt durch die komplette Automobilisierung der

Gesellschaft und den Ausbau des hochrangigen Straßennetzes, nicht möglich gewesen. Damit einher

ging und geht auch ein verändertes Kundenverhalten mit weniger, dafür größeren Einkäufen,

welches sich im Entstehen neuer Betriebsgebiete und Einkaufszentren an den bedeutenden

Verkehrsknoten-punkten widerspiegelt. Wesentliche Treiber solcher Veränderungen waren, neben

dem Auto, auch andere technische Innovationen wie etwa der Kühlschrank, der die Möglichkeiten

der Vorratshaltung erst ermöglichte bzw. massiv vergrößerte (Heinritz, et. al., 2003, S.41).

Die Erlebnisorientierung beim Einkaufen, das ausgeprägte Pendlerverhalten sowie die Verknüpfung

des Einkaufens mit anderen Freizeitaktivitäten fördert auch die Bereitschaft größere Distanzen zu

überwinden (Miosga 2002: S.86). Die neuen (Einkaufs-)Zentren sowie die traditionellen Stadtzentren

ziehen dadurch einen wesentlichen Teil der Arbeits- und Freizeitmobilität auf sich, was sich für die

ländlich-peripheren Regionen des Landes in einem Kaufkraftverlust und dem Ruf der Auspendler-

oder Schlafgemeinde widerspiegelt.

Doch nicht nur die stark gestiegene Mobilität der Bevölkerung führte dazu, dass das

Einkaufsverhalten der heutigen Gesellschaft weitaus schwieriger zu beschreiben ist. Unsere jetzige

Gesellschaft ist durch viele verschiedene Lebensstilgruppen geprägt, die nicht nur durch das Alter

oder die Herkunft von Personen bestimmt sind. Weitere wichtige Faktoren sind zum Beispiel auch

der Grad der Beschäftigung, die sozialen Wertehaltungen, Bindungen und Interessen oder die

Haushaltszusammensetzung (Heinritz, et. al., 2003, S.132). Diese Differenzierung der Lebensstile

spiegelt sich auch in der Vielzahl von Lifestyle-Produkten oder speziellen Fachgeschäften wieder (Bio,

Vegan, bestimmte Marken…). Zu diesen Faktoren kommt auch der bereits erwähnte Wunsch des

Erlebniseinkaufs, sowie der Wunsch nach einem großen und preisgünstigen Warenangebot.

Im Kontext des Lebensmitteleinzelhandels ist es auch äußerst wichtig zu erwähnen, dass der Anteil

der Ausgaben für Lebensmittel immer weiter sinkt. 1975 gab ein durchschnittlicher Vier-Personen-

Haushalt noch etwa 30% seines Einkommens für Lebensmittel aus, heute sind es nur noch rund 20%

(Bayrisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, 2011, S.20).

Durch geringe Ausgaben für Waren des Grundnutzens, wie etwa Lebensmittel, ist es dem

Konsumenten möglich mehr Geld für Waren des Zusatznutzens auszugeben (Heinritz, et. al., 2003,

S.128). Dies zeigt sich an den stark gestiegenen Ausgaben für Einrichtungsgegenstände,

Elektrotechnik oder persönliche Dienste (Weichhart, 2005, S.66). Diese Entwicklung hängt wiederum

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mit der Ausdifferenzierung der Lebensstile zusammen, da solche Produkte gekauft werden, damit sie

den eigenen Lebensstil sowie die eigene Identität nach außen repräsentieren und nach innen

absichern (Gebhart 2002, S.95ff.).

Neben diesen handelsexogenen Einflüssen haben sich auch im Einzelhandel selbst in den letzten 50

Jahren wesentliche Transformationen vollzogen. Dies hat zum einen eine quantitative Dimension,

welche durch Abbildung 1 verdeutlich werden soll. Im Jahr 1970 verfügte Vorarlberg (ohne

Kleinwalsertal) noch über 578 Lebensmittelgeschäfte mit Vollsortiment, mit einer Verkaufsfläche von

insgesamt 42.681m². Bis zum Jahr 2017 schrumpfte die Zahl der Lebensmittelgeschäfte auf 203. Im

Gegensatz dazu stieg die kumulierte Verkaufsfläche bis zum Jahr 2017 um den Faktor 2,5 auf

110.076m² an. Dazu kommen im Jahr 2017 noch 31 Diskonter mit einer kumulierten Verkaufsfläche

von 18.200m² (WKV, 2017, o.S.). Die sich daraus ergebende durchschnittliche Verkaufsfläche von

587,1 m² zeigt auf, dass die Diskonter gerne den maximalen Spielraum bis zur im

Raumplanungsgesetz festgelegten Verkaufsflächengrenze für sonstige Waren (inkl. Lebensmittel) von

600 m² ausnutzen. Nicht in dieser Grenze berücksichtigt sind etwa die massiven Parkplatzflächen, die

zum Teil ein ähnliches Ausmaß wie die Grundfläche des (meist einstöckigen) Gebäudes erreichen.

Abbildung 1: Entwicklung des Lebensmitteleinzelhandels in Vorarlberg (Quelle: WKV 2012, 2017: o.S.)

Die durchschnittliche Verkaufsfläche pro Lebensmittelgeschäft versiebenfachte sich von 73,8m² im

Jahr 1970 auf 507,6 m² im Jahr 2010 und auf 542,2 m² im Jahr 2017 (WKV, 2017, o.S., eigene

Berechnungen). Die Zunahme insbesondere in den letzten sieben Jahren (2010 bis 2017) impliziert

eine Weiterführung des „Ladensterben“ im kleinstrukturierten Handel auf Kosten der größeren

Betriebsformen, da die Gesamtverkaufsfläche trotz des Wegfalls von 13 Betrieben (im Vergleich zu

2010) nicht gesunken, sondern sogar gestiegen ist. Dennoch zeigt sich anhand der stagnierenden

Entwicklung der Verkaufsflächenzahl, dass der Plafond, zumindest was die Verkaufsfläche angeht,

erreicht ist. Was die Anzahl der Betriebe betrifft, könnten sich in den nächsten Jahren noch einige

Veränderungen primär durch das Schließen von kleinen Betrieben ergeben.

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20.000

40.000

60.000

80.000

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700

1970 1980 1990 2000 2010 2017

Entwicklung Lebensmitteleinzelhandel mit Vollsortiment 1970 - 2015

Anzahl Geschäfte mit Vollsortiment Verkaufsfläche kumuliert

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Neben der Konzentration auf größere Betriebsformen ist auch eine Unternehmenskonzentration zu

beobachten. So sind österreichweit 64 % aller Geschäfte mit Vollsortiment in Besitz von REWE und

SPAR. Ebenso ist der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel zwischen 2002 und 2015 österreichweit

von € 13,9 Mrd. auf € 19,5 Mrd. angestiegen, während die Anzahl der Geschäfte von 6.598 auf 5.508

abnahm (Nielsen, 2016, S.8f.). Als die drei wesentlichen Ursachen der Unternehmenskonzentration

im Einzelhandel geben Vogels et. al. Filialisierung, endogenes Wachstum der Unternehmen und

Unternehmensfusionen an (Vogels et. al. 1998, S.13). Als jüngstes Beispiel in Österreich wäre

anzuführen, dass die REWE International AG im Jahr 2010 ADEG Österreich zu 100 % übernommen

hat.

Durch die hohen und weiterhin steigenden Marktanteile der großflächigen Betriebsformen und

großen Unternehmen steigt auch die Nachfragemacht der Betreiber gegenüber Lieferanten und

Produzenten, die sich in Sonderkonditionen widerspiegeln. „Es wird sogar von Beschaffungsseite

versucht, die gegenüber den Großunternehmen erlittenen Verluste im Handel mit den

Kleinabnehmern zu kompensieren (Heinritz, et. al., 2003, S.44).“

Zum anderen hat sich neben dieser quantitativen Verschiebung schon seit langem auch ein

qualitativer Wandel der Betriebsformen vollzogen, welche sich im Wesentlichen durch folgende

Punkte unterscheiden:

Handlungsformen (Standortwahl, Breite und Tiefe des Sortiments, Fremd- oder

Selbstbedienung)

Organisationsformen (Einzelbetrieb, Filialisierung, etc.)

Kooperationsformen (Einkaufsvereinigungen, Werbegemeinschaften, etc.)

Je nach Betriebsform sind auch die Kosten unterschiedliche. Grundsätzlich zeigt sich, dass mit

zunehmender Größe des Betriebstyps die Raum- sowie die Personalkosten sinken. Die Raumkosten

eines SB-Warenhauses betragen nur noch 5,6% des Nettoumsatzes, während sich diese Kosten beim

kleinen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb auf 8,1% des Nettoumsatzes belaufen. Ein ähnliches Bild

lässt sich auch bei den Personalkosten erkennen. Das geringste Raum- und

Personalkostenaufkommen ist beim Discounter zu finden, hier betragen sie 4,9% bzw. 6,8% des

Nettoumsatzes (Doplbaur, 2011, S.149).

Anhand dieser Zahlen wird ersichtlich, dass der kleinstrukturierte Lebensmittelhandel schon alleine

aufgrund seiner Betriebsstruktur im Schnitt mit schwierigeren Voraussetzungen zu kämpfen hat als

seine Mitbewerber. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Betriebsformen muss des Weiteren

bedacht werden, dass viele Unternehmen eine größere Zahl unterschiedlicher Betriebsformen

führen, wodurch dem Konsument „eine Vielfalt der Konkurrenz gleichsam „vorgespielt“ wird

(WEICHHART, 2005, S.71).“ Dies spiegelt sich u.a. am Beispiel REWE wider, zu dem Billa (Supermarkt),

Merkur (Warenhaus), Penny (Diskonter) und die als Großhändler die selbständigen ADEG Händler

beliefert. Mit der Sutterlüty Handels GmbH ist REWE in Form einer Einkaufskooperation verbunden,

die sich im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung (24,9 %) betrieblich widerspiegelt. Sämtliche

betrieblichen Aktivitäten werden aber selbstständig von Sutterlüty durchgeführt.

Hinzu kommen des Weiteren gänzlich neue Betriebsformen die zum Teil ein ähnliches Sortiment

anbieten. So gibt es in Vorarlberg beispielsweise 29 Lebensmittelgeschäfte die ein spezielles

ethnisches Sortiment aufweisen und dadurch auch eine spezielle Zielgruppe ansprechen. Ebenso,

und dies dürfte die Dorfläden härter treffen, bieten mittlerweile 32 Tankstellen ein umfangreiches

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Sortiment an Lebensmitteln an. Diese laufen in Normalfall unter dem Dach von Handelsketten (Billa,

Merkur, Spar), sind speziell auf mobile Kunden ausgerichtet und haben den Vorteil von längeren bzw.

Sonntagsöffnungszeiten (WKV, 2017, o.S.). Dadurch ziehen sie auch Kunden und Kaufkraft an, die nur

einzelne Artikel bzw. beim Großeinkauf vergessene Artikel einkaufen müssen. Beides sind

Einkaufswege, die wichtige Umsatz- und Frequenzbringer für die Dorfläden sind.

In der folgenden Grafik werden die wesentlichen Einflussfaktoren für die Entwicklung des

kleinstrukturierten Lebensmitteleinzelhandels übersichtlich zusammengefasst und dargestellt.

Abbildung 2: Zusammenfassung über die verschiedenen Einflussbereiche

2.1. Externe Rahmenbedingungen in Vorarlberg

Aufgrund dieser vielfältigen Veränderungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten, ist es das Ziel

dieses Kapitels zu prüfen ob und in welchem Ausmaß es einen Einfluss von handelsexternen

Parametern auf die Performance der Dorfläden gibt. Daher werden in einem ersten Schritt die

wichtigsten demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Gemeinden kurz

dargelegt. Danach wird das Kaufkraftpotential in den jeweiligen Gemeinden und Ortschaften, sofern

es die Daten zulassen, errechnet. Aus diesen Ergebnissen werden dann konkrete Schlüsse für die

Performance der jeweiligen Dorfläden gezogen.

Bereits an dieser Stelle wird festgehalten, dass nicht alle 50 geförderten Dorfläden des Landes in

diese Analyse einbezogen werden können. Dies hängt primär mit der Datenverfügbarkeit auf der sub-

kommunalen Ebene zusammen (näheres dazu auf Seite 10).

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2.1.1. Demografische Faktoren

Steckbrief „demografische Rahmenbedingungen“

Was? Konzentration des Bevölkerungswachstums in Kernräumen

Stärkste Zunahme in den Stadt-Umland Gemeinden

Abwanderung junger Erwachsener aus ländlich-peripheren Regionen

Überalterung vor allem in ländlich-peripheren Regionen, mittelfristig aber

landesweit

Wachstum im Vorder- und Mittelwald und vorderen großen Walsertal

Alterung der Bevölkerung führt zu kleineren Haushalten

Warum? Größeres und diversifizierteres Arbeitsplatzangebot in Kernräumen

Attraktivere Kinderbetreuungseinrichtungen in Kernräumen

Vielfalt an Freizeit- und Kultureinrichtungen in Kernräumen

Pendeleinzugsbereiche der Kernräume und diversifizierte Wirtschaft im

Vorder- und Mittelwald

Auswirkungen des demografischen Wandels (Schrumpfung, Alterung)

Implikationen für

Nahversorgung

Weniger Konsumenten wo liegt die kritische Schwelle?

Ältere Konsumenten, kleinere Haushalte kleinere Einkäufe

Alternde Gesellschaft auf wohnstandortnahe Nahversorgung angewiesen

Nahversorger als Treff- und Kommunikationspunkt gewinnt in

schrumpfenden und alternden Gemeinden trotzdem an Bedeutung

Die Bevölkerungsentwicklung in Vorarlberg nimmt eine durchwegs polarisierende Entwicklung.

Während die Gemeinden in den Kernräumen Rheintal und Walgau in den letzten Zehn Jahren eine

Bevölkerungszunahme von zum Teil mehr als 10 % verzeichnen konnten (in der Karte rot eingefärbte

Gemeinden), verlief die Entwicklung in den peripheren Gemeinden am Arlberg und im Montafon in

die entgegensetzte Richtung. Dass die räumliche Distanz zu diesen Kernräumen eine wesentliche

Einflussgröße für die Bevölkerungsentwicklung darstellt, zeigt sich auch daran, dass die Gemeinden

im vorderen und mittleren Bregenzerwald sowie im vorderen großen Walsertal, welche im

Pendeleinzugsbereich der Kernräume liegen, zum Teil beträchtliche Zuwächse verzeichnen konnten.

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Mit dieser Entwicklung einher geht auch eine qualitative und quantitative Veränderung der

Altersstruktur (grüne bis graue Balkendiagramme auf der Karte) in den Abwanderungsgemeinden.

Diese weisen schon jetzt einen überdurchschnittlich hohen Anteil an über 60-jährigen Personen auf,

da primär die jungen Altersgruppen abwandern. Durch den demografischen Wandel induziert leben

mittlerweile in den meisten Gemeinden, die von einer abnehmenden Bevölkerungszahl betroffen

sind, mehr über 60-jährige als unter 20-jährige. Aufgrund der weiteren Alterung der Baby-Boom-

Generation wird sich diese Entwicklung in den kommenden 15-30 Jahren nochmals verstärken.

Eine solche Entwicklung trifft auch den kleinstrukturierten Einzelhandel direkt. So gibt es in den

Kernräumen zwar mehr EinwohnerInnen, allerdings auch mehr Konkurrenz durch großflächige

Betriebsformen und Diskonter und neuerdings auch Tankstellenshops. In den peripheren Regionen

wird es hingegen weniger und ältere Konsumenten geben, die in kleineren Haushalten leben und so

auch nur noch kleinere Mengen einkaufen. Dennoch ist eine alternde Gesellschaft sowohl in den

Kernräumen als auch in den peripheren Gemeinden auf eine wohnstandortnahe Nahversorgung

angewiesen, die auch als Kommunikations- und Treffpunkt dient.

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Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung 2006-2016 und Altersstruktur 2016

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2.1.2. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Steckbrief wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Was? 19 von 96 Gemeinden sind Einpendlergemeinden

Einpendlerzentren sind insbesondere die Städte und Marktgemeinden

sowie Kleingemeinden mit attraktiven Betriebsgebieten (z.B. Klaus, Bürs)

Städte Hohenems und Feldkirch mit leichten Auspendlerüberschuss

Gemeinden in Kernräumen mit stärksten Bevölkerungswachstum mit

hohen Auspendlerüberschüssen (Meiningen, Lochau, Ludesch, …)

Tourismusgemeinden wie Reuthe, Schruns, Lech als Einpendlergemeinden

Ländlicher Raum ansonsten primär von Auspendlergemeinden geprägt

Warum? Konzentration der ökonomischen Aktivitäten auf einige Gemeinden

Günstige Verkehrsanbindung und attraktive Betriebsgebiete in

Kleingemeinden (Autobahnabfahrten Klaus, Nenzing, Bürs)

Touristische Großbetriebe (z.B. Bad Reuthe) oder Tourismuszentren in

peripheren Regionen (Warth, Lech) als Arbeitsplatzzentren

Regionalzentren im Montafon (Schruns) und Bregenzerwald (Egg)

Implikationen für

Nahversorgung?

Auspendler fehlen der Kaufkraft im Ort Großeinkäufe in

Einkaufszentren und Kleineinkäufe in Tankstellenshops

Einkaufszentren liegen z.T. direkt in der Nähe von Betriebsgebieten

Nächtigungen bringen zusätzliches Kaufkraftpotential

In Vorarlberg entwickelte sich seit den 1950er Jahren im Schatten der Textilindustrie eine

diversifizierte Industrielandschaft mit hochspezialisierten und know-how-intensiven Betrieben in der

Metall- und Elektrobranche. Zusätzlich dazu gewann der Tourismus immer mehr an Bedeutung und

auch andere Dienstleistungsbranchen wie der Handel, das Kredit- und Versicherungsgeschäft und

auch das Sozial- und Bildungswesen waren entscheidende Wachstumsträger, was den

Dienstleistungssektor im Laufe der 1980er Jahre zum wertschöpfungs- und

beschäftigungsintensivsten Sektor des Landes machte (Feuerstein, 2009, S.97 u. S.292).

Anhand des Pendlersaldos und der Nächtigungszahlen wird aber ersichtlich, dass sich die

wirtschaftlichen Aktivitäten auf einige Gemeinden konzentrieren. So sind nur 19 der 96 Gemeinden

Einpendlergemeinden, das heißt Gemeinden in denen mehr Erwerbstätige arbeiten, als es

Erwerbstätige am Wohnort gibt. In den 23 Talgemeinden des Rheintals arbeiten 71 % aller

Erwerbstätigen. Ebenso konzentriert sich die Hälfte aller Nächtigungen auf die sechs

nächtigungsintensivsten Gemeinden. Im Vergleich zu 1984 mussten 61 Gemeinden abnehmende

Nächtigungszahlen verzeichnen – und das obwohl die Nächtigungszahl insgesamt um 57 % zunahm.

Die Entkoppelung von Wohn- und Arbeitsort macht die Arbeitsmobilität unumgänglich und das

führt(e) zur Koppelung mit anderen Mobilitätserfordernissen. Dies begünstigt die Einkaufszentren an

den hochrangigen Verkehrsknotenpunkten, die überdies noch über ein größeres Sortiment sowie

andere kombinierte Dienstleistungen (z.B. Gastronomie) verfügen. Die in den letzten Jahren immer

mehr entstehenden Tankstellenshops ziehen die für die Dorfläden wichtigen „vergessenen Einkäufe“

auf sich, da diese auch mit attraktiveren Öffnungszeiten aufwarten können. Tourismusgemeinden

haben immerhin die Chance diese verlorene Kaufkraft zum Teil durch das zusätzliche

Kaufkraftpotential der Gäste abzufedern.

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Abbildung 4: Pendlersaldo und Nächtigungen 2014

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2.2. Kaufkraftpotential in ausgewählten Dorfladengemeinden

2.2.1. Definitorisches

Als Kaufkraft wird die Fähigkeit verstanden „mittels einer Geldeinheit eine bestimmte Gütermenge

zu erwerben (Leser 2005: S.420).“ Als Datenbasis für die Berechnung des hypothetischen

Kaufkraftpotentials in ausgewählten Dorfladen-Gemeinden wurden die monatlichen

Verbrauchsausgaben für Lebensmittel, alkoholische Getränke und Tabak der Haushalte in Vorarlberg,

welche von der Statistik Austria (2015) erhoben wurden, herangezogen. Aus diesen Ergebnissen

wurden dann die Kaufkraftpotentiale für die drei im Folgenden angeführten Gruppen geschätzt. Es ist

wichtig anzumerken, dass die Ergebnisse für Österreich repräsentativ erhoben wurden. Auf

Gemeindeebene könnten sich daher größere Schwankungen ergeben, weshalb die Ergebnisse mehr

als Orientierungswerte, denn als fixe Größen zu verstehen sind.

Das Kaufkraftpotential der Hauptwohnsitzbevölkerung würde zu 100 % ausgeschöpft

werden, wenn alle Hauptwohnsitzhaushalte ihre sämtlichen Ausgaben für Lebensmittel im

Dorfladen tätigen würden. Als weitere Variable wurden die Haushaltsgrößen der jeweiligen

Gemeinden in die Berechnung einbezogen, wodurch etwa die Alters- und Familienstruktur

der Gemeinden besser abgebildet werden kann.

Kaufkraftpotential der Gäste in privaten und gewerblichen Ferienwohnungen:

Ferienwohnungen werden von einer/einem EigentümerIn gewerblich oder privat vermietet.

Über die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste kann berechnet werden, wie viel ein

Ferienwohnungsgast in dieser Zeit hypothetisch für Lebensmittel, Alkohol und Tabak

ausgeben könnte, wenn er ein normales Einkaufsverhalten an den Tag legt. Die

Berücksichtigung der Ferienwohnungsgäste unter Ausschluss der anderen Beherbungsarten

hat zwei Gründe:

Ferienwohnungsgäste gehen eher für (größere) Einkäufe in den Dorfladen, als Hotel-,

Gasthaus-, und Pensionsgäste, die ohnehin in den Betrieben versorgt werden.

Zwischen der Gesamt-Nächtigungszahl und den Umsätzen der Dorfläden gibt es auf

dieser Ebene keine statistischen Zusammenhänge. Zwischen den Ferienwohnungs-

Nächtigungen und den Umsätzen existiert eine statistisch signifikante Korrelation

(Korrelationskoeffizient 0,419 auf dem 5 %-Niveau signifikant).

Kaufkraftpotential von ZweitwohnsitzerInnen:

Die Datengrundlage für diese Berechnung bildet die Zweitwohnsitzstatistik des Landes (VN

vom 1.12.2014: S.A10). Als durchschnittliche Aufenthaltsdauer von ZweitwohnsitzerInnen

wurden 30 Tage angenommen. Dies basiert auf Erhebungen des BMWFW (2014) und der

Gemeinde Bad Füssing (2009)1. Als durchschnittliche Zweitwohnsitzhaushaltsgröße wurde

drei Personen angenommen (Engel & Völkers 2015). Wiederum wurde berechnet wie viel ein

Zweitwohnsitzhaushalt ausgeben könnte, wenn er ein „normales“ Einkaufsverhalten an den

Tag legt. Nicht berücksichtigt werden konnte hingegen die durchschnittlich höhere Kaufkraft

von ZweitwohnsitzerInnen.

Die Kaufkraft-Berechnung konnte nur für jene Dorfladen-Gemeinden vorgenommen werden, deren

Gemeindegebiet durch ein oder zwei Dorfläden vollständig abgedeckt wird. Daher wurde

1 http://www.gde-badfuessing.de/index.php?id=75&tx_ttnews%5Btt_news%5D=341&cHash=cbe71817513f6a7881dedca13872ad77

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beispielsweise Lech, welches über einen Dorfladen im Ortsteil Zug verfügt, nicht berücksichtigt.

Einerseits ist anzunehmen, dass dieser Laden die BewohnerInnen der anderen Ortsteile nicht in dem

Maße anspricht, als dass die Daten der gesamten Gemeinden verwendet werden könnten.

Andererseits sind auch keine Daten zu Ferienwohnungen und Zweitwohnsitzen auf der Sub-

Gemeinde-Ebene verfügbar, wodurch diese Läden aus der Kaufkraftpotentialberechnung

ausgenommen werden mussten.

Als Einzugsgebiet wurden die jeweiligen Gemeindegrenzen definiert. Nichtsdestotrotz können

insbesondere Gemeinden mit Durchzugsverkehr (z.B. Langen bei Bregenz, Meiningen, Tschagguns)

auf zusätzliches Kaufkraftpotential zurückgreifen, welches in diese Berechnung aber nicht einfloss.

Bei der Interpretation einzelner Läden, sollte dies aber durchaus berücksichtigt werden.

2.2.2. Ergebnisse der Kaufkraftberechnung

Insgesamt können jene Gemeinden auf das größte Kaufkraftpotential für Lebensmittel, Alkohol und

Tabak zurückgreifen, welche auch über die höchsten Bevölkerungszahlen verfügen. Dies wären

insbesondere Meiningen, Tschagguns, und Bartholomäberg, mit jeweils über 2.000 EinwohnerInnen

bzw. über 800 Haushalten. Das Kaufkraftpotential, das sich aus diesen Zahlen ergibt, beläuft sich auf

jeweils rund € 5.000.000. Dazu kommen beispielsweise in Tschagguns weitere € 1.500.000, die über

Zweitwohnsitze und Ferienwohnungsgäste in die Gemeinde kommen. Dadurch ist Tschagguns die

Gemeinde mit dem höchsten Kaufkraftpotential. Über das niedrigste Kaufkraftpotential verfügt die

Gemeinde Warth mit € 700.000. Dieses setzt sich zu rund 50 % aus der Kaufkraft der

Hauptwohnsitzbevölkerung (164 EinwohnerInnen in 60 Haushalten) und zu 26 % bzw. 24 % durch

zusätzliche Kaufkraft von ZweitwohnsitzerInnen und Ferienwohnungsgästen zusammen.

Dennoch liegen all diese Werte unter den Schwellenwerten, welche sich die großen Handelsketten

selbst auferlegen. Diese Schwellenwerte liegen im Normalfall jenseits der 5.000-EinwohnerInnen-

Marke. Discounter legen ihre Schwellenwerte mit 10.000 EinwohnerInnen im Einzugsgebiet zum Teil

deutlich höher an (IÖW 2005: S.31; BMVBS 2013: S.16). Zum Vergleich: In Vorarlberg kommen aktuell

1.834 EinwohnerInnen auf einen Lebensmittelhändler mit Vollsortiment (inkl. Discounter) (WKV

2017: o.S.; eigene Berechnungen). Dies verdeutlicht die große Konkurrenz, mit denen sich die

Dorfläden in Vorarlberg im Wettbewerb um die Kaufkraft messen müssen; insbesondere da die

Dorfläden in anderen Bereichen wie Sortimentsbreite- und Tiefe, Verkaufsfläche sowie

Verkehrsanbindung klar schlechter gestellt sind.

Neben den absoluten Zahlen spielt auch die Alters- und Haushaltsstruktur in der jeweiligen

Gemeinde eine wesentliche Rolle, wenn es um die Berechnung des Kaufkraftpotentials in den

Gemeinden geht. Zwar sind die pro Kopf-Ausgaben für Lebensmittel in größeren Haushalten

geringer, jedoch steigen die absoluten Konsumausgaben in größeren Haushalten an. Hier profitieren

insbesondere Zuwanderungs-Gemeinden mit einer jungen Bevölkerungsstruktur mit vielen Familien

und einer hohen durchschnittlichen Haushaltsgröße. Dorfläden in Gemeinden mit einer

überdurchschnittlich alten Bevölkerungsstruktur – und damit auch kleineren Haushalten – können

also auf eine im Durchschnitt niedrigere Kaufkraft je Haushalt zurückgreifen. Diesen Zusammenhang

verdeutlicht auch Abbildung 5: Je höher der Anteil der über 60-jährigen EinwohnerInnen in einer

Gemeinde ist, desto niedriger sind auch die durchschnittlichen Ausgaben für Lebensmittel pro

Haushalt.

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Abbildung 5: Kaufkraft und Alterung je Gemeinde (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen und Darstellungen)

Das niedrigste durchschnittliche Kaufkraftpotential für Lebensmittel pro Haushalt und Jahr ist in der

Gemeinde Klösterle mit € 5.720,- zu finden. In Klösterle sind knapp 27 % alle EinwohnerInnen über 60

Jahre alt und in 62 % aller Haushalte leben nur eine oder zwei Personen. Auf dem anderen Ende der

Skala befindet sich die Gemeinde Silbertal mit einem durchschnittlichen Kaufkraftpotential für

Lebensmittel von rund € 6.560,- pro Haushalt und Jahr. In Silbertal leben in 56 % aller Haushalte drei

oder mehr Personen und nur 20 % aller EinwohnerInnen sind über 60 Jahre alt.

Für die Dorfläden ergibt sich durch diese Problematik eine paradoxe Situation: Gerade in den (über-)

alternden Gemeinden werden die Dorfläden als Treffpunkte immer wichtiger, allerdings verfügen die

Haushalte in diesen Gemeinden über ein niedrigeres durchschnittliches Kaufkraftpotential für

Lebensmittel. Diese Problematik wird mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung, insbesondere

in den peripheren Regionen und Gemeinden weiter zunehmen, wenngleich über zwei wesentliche

Aspekte aktuell nur gerätselt werden kann: Einerseits ist bisher nur schwer einzuschätzen wie stark

sich der Internethandel auf den Lebensmittelbereich auswirken wird; wenngleich die Marktführer

schon jetzt beträchtliche Summen investieren. Andererseits ist auch anzunehmen, dass sich das

Mobilitätsverhalten der zukünftigen von der heutigen SeniorInnen-Generation unterscheiden wird,

da immer mehr SeniorInnen einen Führerschein besitzen werden.

Zusätzlich zum Kaufkraftpotential der Hauptwohnsitzbevölkerung können einige Gemeinden in

denen sich viele Ferienwohnungen oder Zweitwohnsitze befinden, ihr Kaufkraftpotential zum Teil

erheblich steigern. So machen diese Potentialgruppen mehr als ein Viertel des gesamten Potentials

von Schoppernau, Warth, Schröcken, Damüls, Brand oder Bürserberg aus. Umso wichtiger wäre es

also dieses zusätzliche Potential im Dorfladen zu binden.

€ 5.500,00

€ 5.750,00

€ 6.000,00

€ 6.250,00

€ 6.500,00

€ 6.750,00

€ 7.000,00

10% 15% 20% 25% 30%

Du

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Anteil der EinwohnerInnen über 60 Jahre

Kaufkraftpotential je Haushalt und Altersstruktur

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Abbildung 6: Kaufkraftpotential je Dorfladengemeinde

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15

2.3. Performance der Dorfläden

Nachdem die wirtschaftlichen und demografischen Rahmenbedingungen grob skizziert sowie das

Kaufkraftpotential in ausgewählten Dorfladengemeinden vorgestellt wurden, wird nun die

Performance der Dorfläden vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen analysiert und

diskutiert. Als erster Schritt wurde eine Regressionsanalyse durchgeführt mit der geschätzt werden

soll, wie sich das abgeschöpfte Kaufkraftpotential (=Umsatz der Läden) auf die unterschiedlichen

Zielgruppen (Haushalte, Ferienwohnungsgäste, ZweitwohnsitzerInnen) verteilt. In einem zweiten

Schritt wurden die Standortgemeinden der Dorfläden gemäß ihrem Umsatz in Quartile eingeteilt um

einen Einfluss struktureller Kennzahlen auf die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu untersuchen.

Wiederum können nur jene Dorfläden mit einbezogen werden, für die valide Ergebnisse für das

gesamte Gemeindegebiet vorliegen.

2.3.1. Ergebnisse aus der Regressionsanalyse

Die Regressionsanalyse soll den Einfluss der genannten Zielgruppen auf den Umsatz schätzen, da aus

den Rohdaten nicht differenziert werden kann, wer wie viel zum Umsatz beigetragen hat. Dadurch

können Rückschlüsse auf die abgeschöpfte Kaufkraft gewonnen werden.

Die Ergebnisse der Regressionsanalyse sind in Tabelle 1 dargestellt. Insgesamt erklärt das Modell

rund 44 % der gesamten Varianz der Umsätze der Dorfläden. Die restlichen 56 % der Varianz der

Umsätze werden von anderen Parametern beeinflusst, welche nicht in dieses Modell einbezogen

werden konnten. Dies könnten beispielsweise die Distanz zu Einkaufszentren oder aber qualitative

Aspekte der Ladenführung oder das Bewusstsein für den Einkauf im Dorfladen sein.

Modellparameter (Umsatz pro Einheit):

Einheit Wert

Standard-

fehler t Pr > |t|

Anzahl Haushalte * € 1.697 524 3,2 0,003

Ankünfte Gew., Priv.

Ferienwohnungen € 8,5 19 0,5 0,7

Zweitwohnsitze € 703 1834 0,4 0,7

Tabelle 1: Ergebnisse der Regressionsanalyse; * Anzahl Haushalte ist auf dem 5 %-Niveau signifikant

Die geschätzten Werte für die Ankünfte in den gewerblichen und privaten Ferienwohnungen sowie

die Zweitwohnsitze sind nicht statistisch signifikant. Das bedeutet, dass aufgrund der verhältnismäßig

geringen Anzahl an Dorfläden, kein eindeutiger statistischer Effekt erkannt werden kann.

In einer Regressionsanalyse in der nur der Einfluss der Anzahl der Haushalte auf den Umsatz

untersucht wurde, zeigte sich, dass allein diese Variable bereits 42,5 % der gesamten Varianz

erklärte. Daher kann von keinem gesamthaften Einfluss der Ferienwohnungsgäste und

Zweitwohnsitze auf den Umsatz der Dorfläden gesprochen werden. Vielmehr sind es eher einzelne

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Dorfläden, die es schaffen vom zusätzlichen Kaufkraftpotential dieser Zielgruppen zu profitieren. So

geben auch die Ladner in Tourismusgemeinden wie etwa Warth, Zug und Schröcken an, dass über

80% ihres gesamten Umsatzes von Touristen generiert wird.

Anhand dieser Problematik, zeigt sich, dass eine statistische Analyse nur der Vorarlberger Dorfläden

eine zu geringe Fallzahl aufweist, als das gesamthafte Einflüsse der Zweitwohnsitze und

Ferienwohnungen erkannt werden können. Dennoch ist diese externe Kaufkraft für einige Dorfläden,

insbesondere in der peripheren Kleinstgemeinden und Ortsteilen überlebenswichtig.

Im Umkehrschluss bedeutet dies des Weiteren, dass nur der Einfluss der Anzahl der Haushalte

verhältnismäßig genau geschätzt werden kann. Im Schnitt gibt jeder Haushalt jährlich € 1.696,60 in

den 36 untersuchten Dorfladen-Gemeinden aus. Die Spannweite des statistisch signifikanten

Bereichs reicht von € 630,87 bis € 2.763,34, was Folgendes impliziert: Für jeden weiteren Haushalt in

der Gemeinde könnte der Dorfladen einen zusätzlichen Umsatz im Bereich dieser Spannweite

erwarten. Eine wesentliche Einflussgröße hierbei ist wiederum die Altersstruktur und Größe des

jeweiligen Haushalts, wie bereits im vorherigen Kapitel dargelegt wurde.

2.3.2. Untersuchung des Einflusses externer Parameter

Aufgrund der genannten Problematik der geringen Fallzahl der Untersuchung können keine

statistisch signifikanten Korrelationen zwischen der wirtschaftlichen Performance der Dorfläden und

externen Parametern berechnet werden. Eine andere Möglichkeit zur Untersuchung des Einflusses

von verschiedenen Parametern auf die Performance der Dorfläden bietet sich aber durch die

Einteilung der Dorfladen-Gemeinden in Quartile an. Das bedeutet, dass die Umsätze, die in den 36

untersuchten Dorfladen-Gemeinden erzielt wurden, der Reihe nach geordnet werden und dann in

vier Gruppen, zu je neun Gemeinden eingeteilt werden. Die erste Gruppe bzw. das erste Quartil

beinhaltet die neun Gemeinden mit den höchsten Umsätzen, das zweite Quartil die Gemeinden mit

den zweithöchsten Umsätzen, usw.

Zuerst wird aber untersucht, ob es eine in etwa gleichmäßige Verteilung der Umsätze auf die 36

untersuchten Dorfladen-Gemeinden gibt, oder aber ob sich die Umsätze, welche 2015 zusammen

rund € 30.500.000 ausmachten, auf einige wenige Dorfladen-Gemeinden konzentrieren. In Abbildung

7 wird ein Lorenz-Diagramm abgebildet, das helfen soll die (Un-)Gleichverteilung der Umsätze

darzustellen. Die rote Linie stellt dabei eine Gleichverteilung der Umsätze dar, was heißt, dass in

jeder der 36 Gemeinden ein gleich hoher Umsatz von etwa € 850.000 in den Dorfläden erzielt

werden würde. Dass dem nicht so ist, wird anhand der blauen Kurve ersichtlich, welche die

kumulierten Umsätze in den Gemeinden darstellt.

So erzielen etwa die neun Gemeinden mit den niedrigsten Umsätzen zusammen „nur“ rund

€ 1.500.000, während die neun Gemeinden mit den höchsten Umsätzen zusammen mit

€ 14.847.000 beinahe die Hälfte des gesamten Umsatzes aller 36 Läden erzielen. Die 18 Gemeinden

mit den niedrigsten Umsätzen, also die untere Hälfte, erzielen zusammen „nur“ etwas mehr als

€ 6.000.000, während die obere Hälfte das Vierfache davon, also die restlichen € 24.000.000 umsetzt.

Anhand dieser Ergebnisse zeigt sich also eine deutliche Konzentration der Umsätze auf einige wenige

Gemeinden. Daher wird nun anhand einiger Kennzahlen versucht zu verdeutlichen, welchen Einfluss

die anfangs vorgestellten externen Parameter auf die Performance der Dorfläden haben.

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Abbildung 7: Lorenz-Diagramm der Umsatzverteilung

Wie bereits bei der Verteilung anhand des Lorenz-Diagramms erwähnt, zeigt sich eine

überdurchschnittliche Konzentration des generierten Umsatzes der Dorfläden auf die neun

Gemeinden mit den höchsten Umsätzen, welche im ersten Quartil zusammengefasst sind. Von

diesen neun Gemeinden wird in nur drei Gemeinden ein Verlust (abzüglich Förderung) generiert, bei

einem durchschnittlichen Gewinn von € 26.000. Ebenso schaffen es die Gemeinden im ersten Quartil

fast die Hälfte (49 %) des gesamten Kaufkraftpotentials im Dorfladen zu binden. Diese hohe

Kaufkraftbindung wird unterstützt durch ein insgesamt hohes Kaufkraftpotential von insgesamt

knapp über € 30.000.000, welches sich aus einer hohen Anzahl an Haushalten in der Gemeinde und

eine hohen Anzahl an Ferienwohnungsgästen widerspiegelt. Die überdurchschnittlich alte

Bevölkerung (22,1 % sind über 60 Jahre) und die stagnierende Bevölkerungsentwicklung (+0,6 %)

scheinen also keinen allzu großen Einfluss auf die Performance dieser Läden zu haben.

Im Gegensatz dazu, müssen von den neun Gemeinden mit den niedrigsten Umsätzen, sieben einen

Verlust (abzügl. Förderungen) verzeichnen. Der durchschnittliche Verlust in diesem Quartil liegt bei

€ 5.278,-. Neben dem sehr geringen Umsatz (nur 1/10 der Gemeinden des ersten Quartils), können

diese Dorfläden nur 14 % des Kaufkraftpotentials in den Gemeinden binden. Ein Einflussfaktor dafür

ist sicherlich die überdurchschnittlich hohe Zahl an AuspendlerInnen, was sich am sehr niedrigen

Pendlersaldo von 34,10 widerspiegelt. Paradoxerweise führt auch die sehr positive

Bevölkerungsentwicklung von einem durchschnittlichen Plus von 5% und die überdurchschnittlich

junge Bevölkerungsstruktur zu keiner besseren Performance.

0

3.000.000

6.000.000

9.000.000

12.000.000

15.000.000

18.000.000

21.000.000

24.000.000

27.000.000

30.000.000

0 9 18 27 36

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Anzahl der Dorfladen-Gemeinden

Umsatzverteilung der Dorfladen-Gemeinden

Kumulierter Umsatz der Dorfläden hypothetische Gleichverteilung

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Dennoch zeigen die neun Läden die im dritten Quartil gruppiert sind, dass sich auch mit einer

verhältnismäßig kleinen Kaufkraft von kumulierten € 18.400.000 bzw. durchschnittlichen 282

Haushalten in der Gemeinde gute Betriebsergebnisse erzielen lassen. Dies wird insbesondere beim

Vergleich zwischen Umsatz, Cash-Flow und Gewinn/Verlust sichtbar. Zwar setzen diese neun Läden

mit kumuliert € 4.600.000 bzw. durchschnittlich € 510.000 weniger als die Hälfte des Umsatzes der

Läden aus dem zweiten Quartil um, der Cash-Flow liegt mit durchschnittlichen € 21.333 aber über

dem der Dorfläden des zweiten Quartils. Auch der durchschnittliche Gewinn/Verlust liegt mit € 3.244

über den € 1.478 der Dorfläden im zweiten Quartil. Da die Kaufkraftbindung im Dorfladen mit nur 25

% sehr niedrig ist, gibt es also mit verbesserten Kundenbindungsmaßnahmen noch deutlichen

Spielraum nach oben.

Strukturelle Kennzahlen 1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil

Durchschnittl. Anzahl Haushalte 491 345 282 190

Durchschnittl. Ankünfte in

Ferienwohnunge 6.176 2.384 5.096 2.307

Durchschnittl. Pendlesaldo 52,37 59,12 58,39 34,10

Durchschnittl. Anteil über 60-

jähriger 22,1% 21,3% 21,5% 20,8%

Durchschnittl.

Bevölkerungsentwicklung 0,6% 2,7% -2,8% 5,0%

Betriebswirtschaftliche Kennzahlen 1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil

Anzahl Gemeinden mit Verlust

abzügl. Förderung 3 5 4 7

Kaufkraftpotential kumuliert € 30.374.165 € 21.342.464 € 18.424.536 € 11.333.171

Umsatz kumuliert € 14.847.000 € 9.402.000 € 4.612.000 € 1.608.000

Kaufkraftbindung im Dorfladen 49 % 44 % 25 % 14 %

Durchschnittl. Umsatz € 1.649.667 € 1.044.667 € 512.444 € 178.667

Durchschnittl. Anzahl Haushalte 491 345 282 190

Durchschnittl. Umsatz pro HH € 3.358 € 3.027 € 1.816 € 972

Durchschnittl. Cash-Flow € 53.889 € 18.333 € 21.333 € 444

Durchschnittl. Gewinn/Verlust

abzügl. Förderung € 26.000 € 1.478 € 3.244 - € 5.278

Detailergebnisse für Gemeinden können vom Verein auf Anfrage bereitgestellt werden.

Um weitere Erkenntnisse über die externen Einflüsse auf die Performance der Dorfläden zu erlangen,

wurden die Gemeinden je nach Zugehörigkeit zu einem bestimmten Quartil in einer Karte

eingetragen (Abbildung 8). Dabei zeigt sich, dass es insbesondere die Gemeinden sind, die im

direkten Umland der Kernräume Rheintal und Walgau liegen, welche im dritten und vierten Quartil

verortet sind, also die niedrigsten Umsätze verzeichnen. Darunter liegen die Gemeinden des

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vorderen großen Walsertales, die Hanggemeinden des Rheintals und des Walgau (z.B. Viktorsberg,

Buch, Düns, Bürserberg), aber auch die Klein- und Kleinstgemeinden in peripheren Lagen (Schröcken,

Warth, Sibratsgfäll), welche auf kein allzu großes Kaufkraftpotential zurückgreifen können.

Im Gegensatz dazu sind es vor allem die Gemeinden, die bereits weiter in den Talschaften liegen und

auf eine verhältnismäßig große Haushaltsanzahl verfügen, welche die besten Geschäftsergebnisse

liefern. Dies noch unterstützt durch den Einfluss von Kaufkraft von außerhalb der Gemeinde, wie

etwa über Ferienwohnungsgäste. Diese Ergebnisse können weiters so interpretiert werden, als dass

die Nähe zu den Einkaufszentren in den Kernräumen Rheintal und Walgau einen stärkeren Einfluss

auf das Geschäftsergebnis der Dorfläden hat, als eine positive Bevölkerungsentwicklung oder eine

jüngere Altersstruktur. Ausnahmen bilden die Gemeinden Meinigen und Langen bei Bregenz, welche

trotz ihrer Nähe zu den Kernräumen äußerst positive Umsatzzahlen verzeichnen können. Anhand der

Interviews zeigte sich im Fall von Langen, dass der Durchzugsverkehr von BesucherInnen und

Touristen aus Deutschland eine wesentliche Einflussgröße dafür darstellt.

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Abbildung 8: Umsatzquartile

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2.4. Zwischenfazit

Ziel dieses Kapitels war es die strukturellen demografischen und sozio-ökonomischen

Rahmenbedingungen sowie deren Auswirkungen auf die Geschäftsergebnisse der Dorfläden zu

untersuchen. Ebenso wurde versucht über das Kaufkraftpotential die Bindung der Kaufkraft in der

Gemeinde zu errechnen. Diese Berechnungen konnten aufgrund der Datenverfügbarkeit nur für 36

Gemeinden, in denen sich 39 Dorfläden befinden, durchgeführt werden. Dies genügt jedoch, um

einige strukturelle Rahmenbedingungen und (räumliche) Muster herauszufiltern, die auch für die

zukünftige Gestaltung der Nahversorgungsförderung relevant sein könnten bzw. sollten.

Als deutlich positiv zu bewerten ist es, dass es trotz des Zusammenhangs zwischen der Altersstruktur

einer Gemeinde und ihrem Kaufkraftpotential zu keinem negativeren Geschäftsergebnis in

überdurchschnittlich alten und schrumpfenden Gemeinden kommt. Dennoch sollte bedacht werden,

dass mit dem weiteren Verlauf des demografischen Wandels die Anzahl der über 60-jährigen

Personen weiter steigen wird und die Bedeutung des Dorfladens als Treffpunkt im Ort immer

wichtiger wird – selbst wenn die Einkäufe der älteren Kunden und damit die Umsätze kleiner werden.

Bedeutendster Faktor für einen überdurchschnittlich positiven Umsatz ist die absolute Anzahl der

Haushalte, wobei einige Tourismusgemeinden klar von der zusätzlichen Kaufkraft profitieren.

In Bezug auf die demografischen Rahmenbedingungen ist eher das Gegenteil der Fall. Gemeinden mit

einer positiven Bevölkerungsentwicklung und einer jungen Altersstruktur weisen eine

überdurchschnittlich niedrige Kaufkraftbindung im Dorfladen und überdurchschnittlich schlechte

Betriebsergebnisse auf. Dies dürfte allerdings weniger mit der demografischen Struktur der

Gemeinde per se, sondern mit der Lage dieser Gemeinden im Umland der Kernräume Rheintal und

Walgau zu tun haben. Aufgrund dieser Nähe können diese Gemeinden Zuzug und eine dadurch

jüngere Bevölkerungsstruktur verzeichnen. Allerdings ist auch die Auspendlerzahlen in diesen

Gemeinden überdurchschnittlich hoch, was dazu führt, dass sich viele PendlerInnen auf dem

Nachhauseweg in den großen Supermärkten und Einkaufszentren der Kernräume versorgen. Zur

neuesten Herausforderung für die Dorfläden entwickeln sich die Tankstellenshops, die aufgrund ihrer

Öffnungszeiten an den Abenden und am Wochenende zu einer ernsthaften Konkurrenz werden,

wenn es beispielsweise um die „vergessenen“ Einkäufe geht.

Zwar sind auch die peripheren Gemeinden in den Talschaften Auspendlergemeinden, doch schlägt

sich dies bei weitem nicht so negativ im Geschäftsergebnis wieder. Dies spiegelt sich neben der

Kaufkraftbindung von rund 50 % in Gemeinden des höchsten Umsatzquartils auch in den

durchschnittlichen Umsätzen pro Haushalt und Jahr wieder. Dieser liegt in den Gemeinden des

ersten Umsatzquartils (also den Gemeinden die auch tiefer in den Talschaften liegen) bei € 3.358 und

sinkt dann im vierten Umsatzquartil auf nur noch € 972.

Wesentliche Erkenntnisse dieses Kapitels sind:

Nähe/Ferne zu den Kernräumen und Kaufkraftpotential in der Gemeinde sind zwei

wesentliche, aber natürlich bei Weiten nicht alleinige Faktoren für hohe Umsätze der

Dorfläden.

Außerdem ist ein hoher Umsatz zwar ein positiver Indikator für die Performance eines

Dorfladens, eine allgemeingültige Aussage, dass ein hoher Umsatz automatisch auch einen

hohen Gewinn bedeutet, lässt sich allerdings daraus nicht ableiten. Dies wird aber im

kommenden Kapitel noch näher erläutert.

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3. Von den externen zu den betriebsinternen Parametern

Wie im vorherigen Kapitel verdeutlicht wurde, gibt es einige externe Parameter, die zwar außerhalb

des Einflussbereichs der Dorfläden liegen, aber deren Performance dennoch wesentlich beeinflussen

können. Beispiele dafür waren etwa die Lage der Standortgemeinde, die Haushaltsanzahl, die

zufließende touristische Kaufkraft oder auch demografische Trends.

Daneben gibt es aber auch betriebsinterne Parameter, die sich auf die betriebswirtschaftliche

Situation der Dorfläden auswirken. Um sozusagen den Übergang von den externen zu den internen

Parametern sowie allfällige Überschneidungen darzustellen, wird im folgenden Diagramm der

Umsatz (in Form von blauen Kreisen unterschiedlichen Ausmaßes) in Abhängigkeit von der Anzahl

der Haushalte je Gemeinde und von der Verkaufsfläche der Dorfläden abgebildet. Aufgrund der

Datenverfügbarkeit konnten „nur“ 27 der 50 Dorfläden in diese Graphik einbezogen werden.

Dennoch reicht dies, um einige strukturelle Aussagen zu treffen.

Abbildung 9: Umsatz, Verkaufsfläche und Gemeindegröße

In dieser Darstellung sticht deutlich hervor, dass es insbesondere Dorfläden mit einer geringen

Verkaufsfläche (unter 150 m²) und einer geringen Anzahl an Haushalten innerhalb der Gemeinde

schwer haben, hohe Umsätze zu erzielen. Von den neun Dorfläden, die in der roten Ellipse geclustert

sind, erzielt keiner einen Umsatz von mehr als € 500.000. Hingegen können alle Dorfläden, die in der

-

50,00

100,00

150,00

200,00

250,00

300,00

350,00

400,00

450,00

- 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000

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äch

e in

Haushalte pro Gemeinde

Umsatz in Abhängigkeit zu Verkaufsfläche und Haushalten in der Gemeinde

€ 2.000.000

€ 100.000

€ 1.000.000

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grünen Ellipse geclustert sind, einen Umsatz von mehr als € 1.000.000 verzeichnen. Diese acht Läden

verfügen alle über eine Verkaufsfläche von mehr als 250 m², wobei es hinsichtlich der

Gemeindegröße keine deutlichen Trends abzulesen gibt, da die kleinste Gemeinde in diesem Cluster

230 Haushalte verzeichnen kann, die Größte hingegen mehr als 600.

Dass diese beiden Parameter allerdings nicht alleine zur Erklärung der Performance der Dorfläden

reichen, sieht man beispielsweise daran, dass die Dorfläden in den beiden größten Gemeinden

(gemessen an der Haushaltsanzahl) zwar gute Umsätze erzielen können, diese im Vergleich mit

anderen Gemeinden jedoch klar unter ihrem Potential liegen. Dies kann zum einen an der geringeren

Verkaufsfläche, am Standort (regionale Konkurrenz) aber auch an betriebsinternen Parametern

liegen.

Gleichzeitig bedeuten ein „großes“ Einzugsgebiet und eine große Verkaufsfläche nicht gleich einen

hohen Cash-Flow und einen hohen Gewinn. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass von den zehn

Dorfläden mit dem positivsten Cash-Flow fünf unter 150 m² und vier sogar unter 100 m²

Verkaufsfläche aufweisen. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der Betrachtung des Gewinns. Unter

den zehn Dorfläden mit den höchsten Verlusten liegen fünf mit einer Verkaufsfläche über 200 m²

und überdurchschnittlich großen Haushaltszahlen in der Gemeinde.

Die Größe des Kaufkraftpotentials bzw. Haushaltszahl in der Gemeinde und die Verkaufsfläche sind

zwar wesentliche Parameter für die Erzielung eines möglichst hohen Umsatzes, gleichzeitig bedeutet

es aber auch einen erhöhten Personal- und Einkaufsaufwand. Auch statistisch lässt sich zwar

zwischen Verkaufsfläche, Kaufkraftpotential und Umsatz eine signifikante Korrelation herstellen,

zwischen dem Cash-Flow bzw. dem Gewinn, dem Kaufkraftpotential und der Verkaufsfläche

allerdings nicht mehr. Deshalb ist es auch nicht ratsam sich an Schwellenwerten aus der Literatur zu

orientieren, wie etwa der Angabe eines Mindestumsatzes von € 1.400.000 für die Rentabilität eines

Dorfladens, da durch kluge Betriebskonzepte und eine gute Kunden- und Kaufkraftbindung ebenso

positive Geschäftsergebnisse erzielt werden können.

Mehr Aufschlüsse über möglich betriebsinterne Parameter, die die aktuelle Situation, die Zukunfts-

und Innovationsfreudigkeit sowie die Zufriedenheit mit der Nahversorgungsförderung messen,

werden in den folgenden Kapiteln präsentiert. Die Ergebnisse wurden in zwei Formen bearbeitet.

Einerseits wurden die Fragen deskriptiv ausgewertet, um die Häufigkeit bestimmter Antworten bzw.

Zustimmung und Ablehnung zu Aussagen darzustellen und zu analysieren. Dies erfolgt entlang einer

fünfstufigen Skala von starker Ablehnung („stimme gar nicht zu“) bis hin zu starker Zustimmung

(„stimme außerordentlich zu“). Die Fragen bzw. Aussagen sind so gestellt, dass sich bestimmte

Themen, beispielsweise Digitalisierung, durch mehrere Themenblöcke durchziehen um die

Konsistenz der Antworten zu überprüfen.

Andererseits wurden die zahlreichen erhobenen Variablen durch eine Likert-Skala in die zwei

übergeordneten Variablen Kooperation und Innovation eingegliedert. Dies ermöglicht eine

erhebliche Komplexitätsreduktion und ermöglicht eine Einteilung der Dorfläden in einer Matrix

entlang dieser übergeordneten Merkmale (dazu mehr auf Seite 33).

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24

3.1. Allgemeine Informationen über die Betriebe

Der durchschnittliche Vorarlberger Dorfladen unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen

Supermärkten, wie sie in Vorarlberg aber auch anderswo zu finden sind. Neben dem verhältnismäßig

kleineren Einzugsgebiet, welches sich im Normalfall auf die Gemeinde reduziert, unterscheiden sich

auch andere wesentliche quantitative Parameter deutlich vom durchschnittlichen Supermarkt. Diese

Parameter sind in der folgenden Grafik vergleichend dargestellt.

Abbildung 10: Vergleich Dorfladen und Supermarkt

Während die 35 befragten Dorfläden eine durchschnittliche Verkaufsfläche von rund 167,8 m²

aufweisen, liegt derselbe Durchschnittswert für einen Supermarkt in Vorarlberg bei rund 620,0 m²

(eigene Berechnungen nach WKV 2017: o.S. und Nahversorgerbefragung 2017). Die Spannweite vom

kleinsten zum größten Laden reicht von 30 m² bis zu 350 m² Verkaufsfläche. Daneben gibt es aber

noch andere Kennzahlen, die die Unterschiedlichkeit verdeutlichen. So verfügen die 35 Dorfläden

nach eigenen Angaben über durchschnittlich neun bis zehn Stellplätze für PKWs, während ein

durchschnittlicher Supermarkt schon 30 bis 50 Stellplätze aufweisen kann, was die Ausrichtung auf

den motorisierten Individualverkehr verdeutlicht.

Aufgrund des Gasthaussterbens übernehmen die Dorfläden auch immer mehr die Rolle des

Treffpunktes in der Gemeinde. 25 der 35 befragten Dorfläden verfügen über eine Café-Ecke mit

durchschnittlich vier Steh- und vier Sitzplätzen, wobei in 14 dieser 25 Dorfläden ausschließlich

Stehplätze zu finden sind. Demgegenüber setzen neu eröffnete Supermärkte verstärkt auf ein

integriertes (Selbstbedienungs-)Gastronomie-Angebot, was zusätzliche Absatzmöglichkeiten,

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verlängerte Aufenthaltszeiten der Kunden und eine höhere Kundenfrequenz mit sich bringt. Der neue

Sutterlüty in der Rankweiler Stiegstraße bringt es beispielsweise auf 45 Sitzplätze im Gusto-Bereich.2

Der Markteintritt neuer Mitbewerber wie etwa von MPreis erschwert die Zukunftssicherheit

zusätzlich. Dazu kommt, dass es Filialbetriebe deutlich leichter haben, Betriebsübergaben zu

verkraften, da sie nicht so sehr von Einzelpersonen abhängig sind. Hingegen ist in 6 der 35 befragten

Dorfläden in den kommenden fünf Jahren eine Betriebsübergabe geplant, wobei in drei dieser sechs

Läden noch keine Nachfolger gefunden wurden. Würden diese drei Läden schließen wären insgesamt

2.000 BewohnerInnen davon betroffen.

Der Wettbewerb zwischen Dorfladen und herkömmlichem Supermarkt ist also höchst ungleich. Dies

lässt sich neben der durchschnittlichen Verkaufsfläche auch anhand der Flächenproduktivität

(Umsatz pro m² Verkaufsfläche) festmachen. So erwirtschaftet ein durchschnittlicher Vorarlberger

Dorfladen aktuell etwa € 4.100,- Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche, was im Vergleich mit den

Marktkonkurrenten allerdings sehr gering ist.34

Abbildung 11: Flächenproduktivität

In herkömmlichen Supermärkten wie etwa MPreis, Billa, Spar/Eurospar oder Sutterlüty liegt

dieser Wert zwischen € 5.400,-/m² und € 6.000,-/m² bei durchschnittlichen Verkaufsflächen

von rund 600 m² (Spar, MPreis, Billa) bis 818 m² (Sutterlüty).

2 http://www.vol.at/rankweil/10-000-besucher-stuermten-sutterluety-in-rankweil/4179143

3 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/297046/umfrage/flaechenproduktivitaet-fuehrender-unternehmen-im-

lebensmittelhandel-in-oesterreich/ 4 http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1465668/Lebensmittelhandel_Die-Produktivitaetskaiser; eigene Berechnungen

0 2000 4000 6000 8000 10000 12000

Dorfladen

Interspar

Spar/Eurospar

Mpreis

Billa

Sutterlüty

Merkur

Lidl

Hofer

Umsatz pro m² Verkaufsfläche in unterschiedlichen Betrieben

Durchschnittliche Verkaufsfläche Umsatz pro m²

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Große Supermärkte bzw. Warenhäuser wie etwa Interspar oder Merkur liegen € 5.300,-/m²

bzw. € 6.700,-/m² bei durchschnittlichen Verkaufsflächen jenseits der 2.000 m². Ein

durchschnittlicher Interspar in Österreich weißt eine Verkaufsfläche von über 4.000 m² auf.

Die höchste Flächenproduktivität (wiederum österreichweit) weisen die Diskonter LIDL und

Hofer auf. Die durchschnittliche Verkaufsfläche beträgt bei beiden etwa 700 bis 750 m² und

auf dieser Verkaufsfläche werden € 7.500,- (LIDL) bzw. knapp über € 10.000,- (Hofer) Umsatz

pro Quadratmeter erwirtschaftet

Allerdings wird in folgendem Punktdiagramm verdeutlich, dass viele der befragten Dorfläden

dennoch sehr konkurrenzfähige Werte, was die Flächenproduktivität angeht, erwirtschaften können.

So schaffen es immerhin 4 der 35 befragten LadnerInnen eine Flächenproduktivität von über €

6.000,-/m² aufzuweisen, womit sie über den Durchschnittswerten von Billa und Sutterlüty liegen.

Weitere sieben Dorfläden setzen über € 5.000,-/m² um, was im Bereich von Mitbewerbern wie

MPreis, oder Interspar liegt. Dennoch können 16 der 35 untersuchten Läden nur eine

Flächenproduktivität unter € 4.000,-/m² verzeichnen, acht davon liegen gar unter € 3.000,-/m².

Wie bereits erwähnt wurde, gibt es im Unterschied zum Umsatz keine signifikante Korrelation

zwischen dem Gewinn/Verlust, der Verkaufsfläche und dem Kaufkraftpotential eines Dorfladens. Das

wird auch daran ersichtlich, dass Läden die eine Flächenproduktivität von unter € 3.000,-/m²

aufweisen Gewinne pro Quadratmeter Verkaufsfläche im Ausmaß von über € 250,- verzeichnen

können, während Dorfläden die über € 5.000,-/m² Umsatz liegen Verluste zu verzeichnen haben.

Obwohl es positive Ausreißer gibt, muss darauf bedacht werden, dass immerhin 15 Dorfläden, also

knapp die Hälfte aller befragten, Verluste aufweisen und zehn Dorfläden unter € 20.000

Jahresgewinn liegen.

Abbildung 12:Umsatz und Ertrag

-€ 500,0

-€ 250,0

€ 0,0

€ 250,0

€ 500,0

€ 750,0

€ 1.000,0

€ 1.250,0

€ 0,0 € 1.000,0 € 2.000,0 € 3.000,0 € 4.000,0 € 5.000,0 € 6.000,0 € 7.000,0 € 8.000,0

Gew

inn

/Ver

lust

pro

Ver

kau

fsfl

äch

e

Umsatz pro m² Verkaufsfläche

Verhältnis von Umsatz und Gewinn pro m² Verkausfläche je Dorfladen

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3.2. Einbettung in regionale Wertschöpfungsketten

Dass die Einbettung in regionale Wertschöpfungsketten essentiell für den wirtschaftlichen Erfolg

regionaler Einrichtungen ist, zählt zu den Standardaussagen in der Regionalentwicklung. Gerade für

den Dorfladen stimmt diese Aussage aber umso mehr, da regionale Produkte einerseits ein (wenn

auch nicht mehr das wesentliche) Alleinstellungsmerkmal der Dorfläden sind und andererseits auch

eine höhere Handelsspanne generieren und deshalb schon aus wirtschaftlichen Gründen vorteilhaft

sind. Ebenso kann die Kooperation mit in der Wertschöpfungskette nachgelagerten Einrichtungen,

wie etwa der Gemeinde, einem Gasthaus, ortsansässigen Unternehmen und Vereinen weitere

Vorteile bringen, da die Abnahmemengen und -frequenz relativ konstant sind und die Verbindlichkeit

über das soziale Nahverhältnis in der Gemeinde höher ist.

3.2.1. Einkauf, Großhändler und regionale Produzenten

Als primäre Bezugsquelle für die Sortimentsgestaltung der Dorfläden dienen nach wie vor die

Großhändler SPAR, REWE und WEDL, wobei letzter nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Von

den 35 befragten Dorfläden gaben nur noch zwei an, über WEDL ihre Produkte zu beziehen.

Hingegen entfallen 17 der 35 befragten Dorfläden auf SPAR als Großhändler und 16 von 35 auf

REWE. Bereits an dieser Stelle kann darauf verwiesen werden, dass es zwischen den beiden

Großhändlern SPAR und REWE keine signifikanten Unterschiede gibt, was die betriebswirtschaftliche

Performance der Dorfläden betrifft.

Im Durchschnitt beziehen die Dorfläden 77,8 % ihrer Produkte über ihre Großhändler, wobei

wiederum keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Großhändlern festzustellen sind.

Vielmehr dürften die Verfügbarkeit von Produkten in der Region sowie die Motivation der

LadnerInnen eine wichtigere Rolle spielen, ob und in welchem Ausmaß regionale Produkte in den

Dorfläden zu finden sind. So geben nur 5 der 35 LadnerInnen an, dass es schwierig ist in ihrer Region

regionale Produkte zu bekommen. Am schwierigsten scheint die Verfügbarkeit von regionalen

Fleischwaren, da „nur“ 23 der 35 befragten LadnerInnen bei einem regionalen Metzger einkaufen. 33

von 35 kaufen hingegen bei einem regionalen Bäcker, 32 von 35 bei einer regionalen Sennerei und 30

von 35 bei regionalen Bauern ein.

Im Gegensatz dazu gibt es aber beinahe vollkommene Zustimmung zur Aussage, dass der Einkauf

beim jeweiligen Großhändler am praktikabelsten ist und das obwohl alle LadnerInnen selber

entscheiden können, ob sie auch bei anderen regionalen Lieferanten einkaufen. Da nur 12 von 35

LadnerInnen die Aussage, dass ihre Einkaufskonditionen Ihnen finanzielle Nachteile bringen

verneinen sowie nur 15 von 35 LadnerInnen keine Probleme mit den Abnahmemengen haben, sollte

der verstärkte Einsatz für den Aufbau von regionalen Liefer- und Logistikstrukturen als wichtige

Maßnahme für die Einkaufsmöglichkeiten der Dorfläden angesehen werden.

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Abbildung 13: Befragungsergebnisse Einkauf

Interesse von Seiten der Dorfläden an solchen Projekten besteht grundsätzlich, was sich

beispielsweise daran zeigt, dass 10 von 35 LadnerInnen einem gemeinsamen Einkauf der Dorfläden

außerordentlich positiv und weitere fünf LadnerInnen ziemlich positiv sehen. Finanziell nachteilige

Einkaufskonditionen beim Großhändler dürften dabei eine wichtige Rolle spielen, da dies sechs der

zehn LadnerInnen angeben, die einem gemeinsamen Einkauf positiv gegenüberstehen. Überhaupt

sind nur 9 von 35 LadnerInnen einer solchen Maßnahme gegenüber negativ eingestellt, wobei keine

Tendenz in Richtung SPAR oder REWE feststellbar ist.

3.2.2. Kundschaft und Kundenbindungsmaßnahmen

In Kapitel 2.3.2 wurde dargelegt, dass die Dorfläden zwischen 14 % und 50 % der potentiellen

Kaufkraft, welche durch die dort lebenden Haushalte sowie Touristen und Zweitwohnsitze vorhanden

wäre, als Umsatz im Laden binden können. Es gibt also enormes Steigerungspotential im Bereich der

Kunden- und damit auch der Kaufkraftbindung, wozu unterschiedliche Methoden und

Herangehensweisen angedacht werden können. Dazu zählen etwa internetgestützte (z.B. Social

Media), aber auch traditionelle (z.B. Dorfladen-Zeitung) Methoden sowie Kooperationen mit

NetzwerkpartnerInnen und anderen Dienstleistern und Dienstleistungen. Wesentlicher Erfolgsfaktor

bei der Implementierung und Umsetzung von Maßnahmen ist die Einstellung der LadnerInnen zu

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%100%

Es ist schwierig in meiner Region regionale Produkte zubekommen

Die großen Abnahmemengen bei meinem Großhändlersind ein Problem

Meine Einkaufskonditionen bringen mir finanzielleNachteile

Mehrere Dorfläden sollten sich für einen gemeinsamenEinkauf zusammenschließen

Der Einkauf bei meinem Großhändler am praktikabelstenfür mich

Ich kann selbst entscheiden, ob ich auch bei anderen(regionalen) Lieferanten einkaufe

gar nicht kaum mittelmäßig ziemlich außerordentlich

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diesen Methoden. Nur bei einer positiven Grundhaltung können diese auch wirkungsvoll umgesetzt

werden.

Abbildung 14: Geschlecht der Kunden

Abbildung 15: Alter der Kunden

Als wichtigsten Garant für eine erfolgreiche Kundenbindung sehen die LadnerInnen sich selbst bzw.

ihr know-how über „ihre“ KundInnen und Gegebenheiten an. Dies spiegelt sich vor allem an der fast

durchgängig positiven Beantwortung der Aussage „Die Menschen kommen zu mir ins Geschäft, weil

ich einen guten Ruf habe“ wider. Ebenso stimmten 30 der 35 befragten LadnerInnen (85 %) der

Aussage „Jeder Ladner weiß am besten was Kunden wollen“ ziemlich oder außerordentlich zu. Das

Verständnis der LadnerInnen nahe am Kunden zu sein bzw. „ihre“ Kunden zu kennen ist gemeinhin

einer der überragenden Erfolgsgaranten der Dorfläden. Die überaus positive Rückmeldung auf diese

Aussagen zeugt von einem starken Selbstbewusstsein der LadnerInnen, wenngleich dies gerade in

Dorfläden die eine sehr schwache Kaufkraft- und damit auch Kundenbindung aufweisen

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zweischneidig zu sehen ist, da man mit der wenigen Stammkundschaft zufrieden ist und die

Motivation zur Innovation darauf aufbauend als verhältnismäßig gering einzustufen ist.

Abbildung 16: Befragungsergebnisse Kundschaft und Kundenbindung

Gleichzeitig ist aus den Zahlen aber auch zu entnehmen, dass die LadnerInnen betrieblichen oder

strukturellen Innovationen im Bereich den Kundenakquise und Kundenbindung größtenteils positiv

zustimmen. So finden jeweils über 70 % der befragten LadnerInnen, dass die Dorfläden soziale

Medien nutzen sollten, um ihre Kunden auf dem Laufenden zu halten, oder aber, dass ein

gemeinsamer Internet-Shop, wie er gerade aktuell ausgearbeitet wird, eine wichtige Innovation ist.

Ebenso wird die Übernahme von bestimmten Dienstleistungen, wie etwa einer Cafe-Ecke oder einer

Post-Stelle von (weit) mehr als der Hälfte positiv gewertet. Ebenso positiv gesehen wird der

Vorschlag, dass eine Dorfladen-Rechnung als Busticket für WandererInnen gelten könnte. Dafür

müsste aber erst eine entsprechende Kooperation mit dem Verkehrsverbund Vorarlberg aufgebaut

werden. Weiters ist positiv zu sehen, dass sich beinahe 80 % aller befragten Dorfläden bei ihren

Kundenbindungsmaßnahmen nicht an die Vorgaben des Großhändlers halten müssen und daher viel

Spielraum in diesem Bereich haben.

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Bei Kundenbindungsmaßnahmen muss ich mich an dieVorgaben meines Großhändlers halten.

Durch die Übernahme verschiedener Dienstleistungen(z.B. Post) kommen Kunden öfter in die Dorfläden.

Eine Kaffeecke im Laden steigert die Kundenfrequenz.

Jeder Ladner weiß am Besten was Kunden wollen

Die Einführung eines gemeinsamen Internet-Shops derDorfläden wäre eine wichtige Sache.

Die Dorfläden sollten soziale Medien nutzen, um ihreKunden am Laufenden zu halten

Eine Dorfladen-Rechnung sollte als Bus-Ticket fürWanderer gelten.

Dorfläden brauchen mehr als regionale Produkte um sichvon Supermärkten unterscheiden zu können.

Die Menschen kommen zu mir ins Geschäft weil icheinen guten Ruf habe.

gar nicht kaum mittelmäßig ziemlich außerordentlich

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Neben Einzelpersonen können auch Institutionen und Einrichtungen in der Gemeinde als wichtige

Kunden auftreten, da sie in größeren oder kleineren Abständen, aber immerhin regelmäßig und

daher für den Dorfladen gut kalkulierbar als Kunden auftreten. In 17 Gemeinden besteht

diesbezüglich eine Kooperation mit einem oder mehreren Gasthäusern, in 27 Gemeinden mit der

Schule und/oder dem Kindergarten und in 31 Gemeinden mit Vereinen. Immerhin 17 der 35

befragtem LadnerInnen gaben an, dass sie drei oder mehr Kooperationen (Gasthaus, Vereine, KiGa,

Firmen, …) in der Gemeinde betreiben, wovon wiederum 10 über eine halbe Million Euro Umsatz

bzw. 8 über eine Million Euro Umsatz erzielen können.

3.2.3. Zwischenfazit

Zwar können in dieser Studie keine Aussagen über die quantitative Finanzströme entlang einer wie

auch immer zu definierenden Wertschöpfungskette getroffen werden, dennoch konnten einige für

die Dorfläden relevante Indizien gewonnen werden.

Grundsätzlich kann bereits von einer guten Einbindung der Dorfläden in lokale und regionale

Wertschöpfungsketten gesprochen werden, was zumindest an der Gesamtzahl der Kooperationen

mit vorgelagerten (Bauern, Sennereien etc.) und nachgelagerten (Gasthaus, Vereine etc.)

Partnerbetrieben sichtbar wird. Gerade in Gemeinden im direkten Umland der Zentralräume Rheintal

und Walgau ist dies besonders relevant, da diese in einem verhältnismäßig größeren

Konkurrenzkampf mit Supermärkten und Einkaufszentren um Einzel- und Privatkunden stehen.

Verstärkte Bemühungen die Liefer- und Logistikstrukturen zu stärken bzw. neu aufzubauen ist aus

Sicht der Dorfläden jedenfalls zu unterstützen und die Dorfläden sollten in solche Projekte jedenfalls

als aktives Bindeglied mit einbezogen werden. Ein dementsprechendes Projekt steht derzeit in der

LEADER-Region Vorderland-Walgau-Bludenz in den Startlöchern.

Positiv zu bemerken ist des Weiteren, dass die Bereitschaft sich in neue und innovative Formen der

Kundenakquise und Kundenbindung zu begeben grundsätzlich vorhanden ist, was sich an den hohen

Zustimmungsraten zum Einsatz von sozialen Medien und Netzwerken, online-Bestellservices sowie

analogen Formaten widerspiegelt. So gab es vereinzelt auch Wünsche nach neuen Produkten mit

dem Dorfladen-Logo wie etwa Stofftaschen, Mantelschürzen und Lebensmitteln. Dieser Wunsch

scheint aus dem hohen Zuspruch an den Dorfladen-Papiersäcken zu wachsen. Ebenso ist die

Dorfladen-Zeitung sehr gut angekommen und viele LadnerInnen hoffen auf eine Weiterführung,

teilweise am liebsten viermal jährlich.

Insgesamt scheint also ein professionelles Auftreten und Marketing ein starkes Anliegen der

Dorfläden zu sein. In den folgenden Kapiteln wird daher näher beleuchtet inwiefern es noch

Zustimmung zu solchen Ideen gibt, wenn persönliche Initiative oder gar die

Nahversorgungsförderung daran geknüpft ist.

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3.3. Nahversorgungsförderung – Fluch oder Segen?

An der grundsätzlichen Ausrichtung der Nahversorgungsförderung scheiden sich größtenteils die

Geister. So viel kann schon vorweg genommen werden. Grundsätzlich einig sind sich die LadnerInnen

nur darin, dass sie ohne Nahversorgungsförderung nicht überleben könnten und dass die Erhöhung

der Nahversorgungsförderung wichtig für das Fortbestehen des Betriebs ist. Dass sie aber so bleiben

soll wie sie ist, ist damit aber noch lange nicht besiegelt. So geben bei der Aussage „die

Nahversorgungförderung ist gut so wie sie ist“ 18 der 35 befragten LadnerInnen „mittelmäßig“ an,

was üblicherweise ein Indikator dafür ist, dass man nicht ganz zufrieden mit der

Nahversorgungsförderung ist, man sich aber auch nicht traut die Aussage zu verneinen. Ein ähnliches

Verhalten findet man bei der Aussage „ich bin mit der derzeitigen Form der

Nahversorgungsförderung zufrieden“. Hier geben 13 LadnerInnen den Wert „mittelmäßig“ an.

Außerdem drücken 17 LadnerInnen eine leicht positive Zustimmung zu dieser Aussage aus. Insgesamt

lässt sich aus diesen Zahlen herauslesen, dass die Nahversorgungsförderung wenig überraschend

zwar überlebenswichtig ist, sie aber dennoch optimiert werden könnte.

Abbildung 17: Befragungsergebnisse Nahversorgungsförderung

Eine Möglichkeit dafür, wäre die Nahversorgungsförderung an bestimmte Leistungen oder

Bedingungen zu koppeln, was von einigen LadnerInnen ohnehin gefordert wird.

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Die Nahversorgungsförderung sollte an die Einstellungvon sozial Benachteiligten gebunden sein.

Ich bin mit der derzeitigen Form derNahversorgungsförderung zufrieden.

Die Zusammenarbeit mit anderen Nahversorgern oderlokalen Betrieben sollte durch eine höhere Förderung

anerkannt werden.

Die Nahversorgungsförderung ist gut so wie sie ist.

Die Nahversorgungsförderung sollte sich an denServices der Dorfläden orientieren (z.B. Kaffeecke,

Postannahme).

Betriebliche Neuerungen (online-shop, Öffnungszeitenetc.) sollten durch eine höhere Förderung vergütet

werden.

Ohne Nahversorgungsförderung könnte ich nichtüberleben

Die Erhöhung der Nahversorgungsförderung war wichtigfür mich.

gar nicht kaum mittelmäßig ziemlich außerordentlich

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33

Die größte Zustimmung findet diesbezüglich die Aussage „betriebliche Neuerungen (online-

shop, Öffnungszeiten etc.) sollten durch eine höhere Förderung vergütet werden“, welche

immerhin von 20 der 35 befragten LadnerInnen (57 %) positiv gesehen wird.

Ebenfalls über die Hälfte der befragten LadnerInnen (18 von 35) könnten sich vorstellen, dass

die Nahversorgungsförderung an Kooperationsaktivitäten mit anderen LadnerInnen oder

sonstigen lokalen Betrieben gekoppelt ist. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die

„außerordentliche“ Zustimmung verhältnismäßig gering ist.

Immerhin 16 der 35 LadnerInnen (45,7%) finden, dass sich die Förderung an den Services der

Dörfläden, wie etwa einer Cafe-Ecke oder einer Postannahme orientieren sollte. Dabei ist

natürlich zu berücksichtigen, dass ein Katalog, welche Services vergütet werden könnten

zuerst zu definieren ist und dass des Weiteren gar nicht alle Dorfläden über die notwendigen

räumlichen Voraussetzungen verfügen um solche Services zu implementieren.

Größtenteils abgelehnt wird schließlich, dass die Nahversorgungsförderung an die Einstellung

von sozial benachteiligten Personen gebunden ist. Diese Ablehnung hängt

höchstwahrscheinlich an der zusätzlichen Arbeitsbelastung, die insbesondere zu Beginn eines

solchen Arbeitsverhältnisses zu erwarten sein dürfte.

Erfreulicherweise zeigt sich, dass die Ablehnung von Kooperation und Innovation, wie etwa die

Einführung eines online-Shops oder die Übernahme zusätzlicher und/oder neuer Dienstleistungen

nicht zunimmt, wenn die Nahversorgungsförderung daran gekoppelt werden würde. Allerdings ist

eine leicht Abnahme der „außerordentlichen“ Zustimmung und eine starke Zunahme von

Unentschiedenen zu beobachten, was auf eine gewisse Skepsis hindeutet.

3.4. Leistungen des Vereins

Der Abbau einer solchen Skepsis durch fachliche Unterstützung ist eine der Kernaufgaben des

Vereins. Je nach Art der (neu zu entwickelnden) Leistungen des Verein ist jedoch mehr oder weniger

Eigeninitiative der LadnerInnen notwendig.

In der Analyse der Einstellungen zu unterschiedlichen Leistungen des Vereins wird deutlich, dass

primär jene Leistungen am positivsten beurteilt werden, die am meisten Öffentlichkeitswirksamkeit

erzeugen und der Work-Load bei den LadnerInnen am geringsten ist. So wird beispielsweise den

Aussagen „Die Vernetzung und Zusammenarbeit mit Systempartnern durch den Verein ist wichtig,“

„Gemeinden sollte die Bürger über die Wichtigkeit der Nahversorgung informieren,“ „Ich wünsche

eine verstärkte Pressearbeit zur Bewusstseinsbildung“ und „Es ist wichtig, eine eigenständige

Dorfladen-Marke zu etablieren“ mit Abstand am positivsten zugestimmt. Vernetzungsarbeit

innerhalb der Dorfladen-Community steht mit einer „ziemlichen“ und „außerordentlichen“

Zustimmung von 24 der 35 befragten LadnerInnen ebenfalls hoch im Kurs. Wiederum sehr hohe

Zustimmung im Ausmaß von mehr als 66 % generiert der vom Verein organisierte Online-Shop, was

konsistent mit ähnlichen Aussagen in anderen Fragebereichen ist und die hohe Priorität für diese

Maßnahme widerspiegelt.

Außerordentliche Zustimmung bei 12 von 35 befragten LadnerInnen findet des weiteren der

Vorschlag, einen erfahrenen Ladner oder eine erfahrene Ladnerin beim Verein als SpringerIn

anzustellen. Dies könnte beispielsweise in den Läden die stark vom Saisonstourismus abhängig sind,

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34

in Urlaubszeiten oder krankheitsbedingten Ausfällen relevant sein. Eine weitere Thematik bei der

ein/e solche/r SpringerIn relevant sein könnte ist während der Betriebsübergabe. Diesbezüglich gab

es in den letzten drei Jahren zwei Fälle in denen es keine NachfolgerInnen, es aber engagierte

Personen aus der Dorfbevölkerung gab, denen allerdings das Kaufmännische Know-How fehlt.

Gerade hierbei könnte der/die SpringerIn als erfahrene Fachkraft über eine bestimmte Zeitspanne

hinweg unterstützend in die Geschäftsleitung mit eingreifen.

Abbildung 18: Befragungsergebnisse Leistungen des Vereins

Verhältnismäßig wenig Zustimmung gibt es hingegen zu einem durch den Verein organisierten

Weiterbildungsangebot sowie zu Einzelberatung durch den Verein. Zu diesen Leistungen gibt es nur

vier bzw. drei LadnerInnen die „außerordentlich“ sowie jeweils vier LadnerInnen die „ziemlich“

zustimmen. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass jeweils 13 LadnerInnen die Position

„mittelmäßig“ angegeben haben und solche Angebote daher auch nicht ablehnen bzw. ihnen eine

generelle Wichtigkeit eventuell „für andere“ zuerkennen. Weitere Faktoren, die diese niedrigen

Werte bedingen könnten, sind zusätzlicher Work-Load und fehlende Sensibilisierung.

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Ich wünsche mir Einzelberatung durch den Verein

Ich wünsche mir vom Verein ein Weiterbildungsangebot

Ein vom Verein organisierter Online-Shop wäre mirwichtig

Ich kann mir vorstellen bei Treffen mit anderen Ladnernteilzunehmen

Ein erfahrener Ladner (z.B. Springer, angestellt beimVerein) der mich ab und zu entlasten könnte wäre

hilfreich

Es ist wichtig eine eigenständige Dorfladen-Marke zuetablieren

Ich wünsche eine verstärkte Pressearbeit zurBewusstseinsbildung

Gemeinden sollten die Bürger über die Wichtigkeit derNahversorgung informieren

Die Vernetzung und Zusammenarbeit mitSystempartnern (LWK, WK, Land,...) durch den Verein

ist wichtig

gar nicht kaum mittelmäßig ziemlich außerordentlich

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35

3.5. Zusammengefasste Ergebnisse der Nahversorger-Befragung

Insgesamt 103 kurze, aber dennoch wohlüberlegte Antworten hatten die 35 befragten LadnerInnen

zu geben. Dabei ging es um quantitative Informationen zum Betrieb, wie etwa Flächenzahlen oder

der Anteil unterschiedlicher KundInnen am Umsatz, aber auch um die Einstellung zu bestimmten

Themen, wie etwa digitale Medienformen, die Zufriedenheit mit ihrem Großhändler, oder zu

Vernetzung und Zusammenarbeit. Die Einstellung zu bestimmten Themen wurde durch 39 Aussagen

erfasst, die durch eine Likert-Skala, welche von hohe Ablehnung („gar nicht“) und hohe Zustimmung

(„außerordentlich“) misst, klassifiziert wurden. Die Aussagen waren dabei so konzipiert, dass sie

primär die zwei übergeordneten Dimensionen „Innovation“ und „Kooperation“ messen sollen.

Durch das Verfahren der summierten Einschätzungen nach Likert (siehe Atteslander 2010: S.236f.)

wurden die Antworten der LadnerInnen auf diese 39 Aussagen in zwei Indizes, die ebendiese

Dimensionen abbilden sollen, eingeteilt. Ziel dieses Verfahrens ist es, komplexe Informationen

übersichtlich und leicht verständlich in der folgenden Abbildung darzustellen.

Abbildung 19: Ergebnisse Kooperations- und Innovationsindex

Auf der horizontalen Achse, ist der Kooperationsindex dargestellt. Je weiter rechts der Punkt, also

der jeweilige Wert ist, desto kooperationsfreudiger haben die LadnerInnen ihre Antworten gegeben,

je weiter links, desto mehr konzentrieren sie sich auf ihren Großhändler. Auf der vertikalen Achse ist

der Innovationsindex abgebildet. Je weiter oben der Punkt ist, desto positiver sind die LadnerInnen

betrieblichen oder digitalen Innovationen gegenüber eingestellt. Je weiter unten auf der Skala sich

der Punkt befindet, desto mehr vertrauen die LadnerInnen auf bewährte Methoden. Durch die

Verteilung der Punkte wird des Weiteren deutlich, dass die Kooperationsfreudigkeit zunimmt, wenn

auch ein hoher Innovationsindex erzielt wird und vice versa.

-2,00

-1,50

-1,00

-0,50

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

-2,00 -1,50 -1,00 -0,50 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00

Inn

ova

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Kooperationsindex

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Insgesamt zeigt sich durch die Konzentration vieler Punkte im rechten oberen Viertel, dass viele der

befragten LadnerInnen in beiden Indizes hohe Werte erzielen. Also sowohl betrieblichen und

digitalen Innovationen gegenüber positiv eingestellt sind und auch Kooperationen mit vor- und

nachgelagerten Betrieben in der Wertschöpfungskette sowie Dorfläden befürworten. Des Weiteren

kann festgestellt werden, dass der erreichte Wert bei den beiden Indizes nicht von der Größe des

Marktgebiets, vom Umsatz oder von der Verkaufsfläche der Betriebe abhängt.

Allerdings lässt sich eine Abhängigkeit vom Großhändler feststellen. So erzielen LadnerInnen die von

SPAR beliefert werden sowohl beim Kooperations- als auch beim Innovationsindex durchschnittlich

niedrigere Werte als LadnerInnen die von REWE beliefert werden, was auch damit zusammenhängen

dürfte, dass von den zehn LadnerInnen die angegeben haben finanzielle Unterstützung durch ihren

Lieferanten bekommen, sieben von SPAR beliefert wurden. Grundsätzlich ist daran nichts Negatives

festzustellen, da ja keine Zusammenhänge zwischen Großhändler und Betriebsergebnis der Läden

festgestellt werden konnten.

Für den Verein „Dörfliche Lebensqualität und Nahversorgung“ bedeuten diese Ergebnisse insgesamt,

dass sich der eingeschlagene Weg lohnt: Also vermehrt auf ein gemeinsames, kooperatives

Marketing und innovative Instrumente zu setzen, um die traditionellen und regionalen Werte, die ein

Dorfladen repräsentiert weiterzuentwickeln.

4. Handlungsoptionen und -empfehlungen

Die Aufgabe des Vereins sowie seiner Systempartner (Land, WKV, LWK) ist es nun also gangbare

Modelle und Vorschläge zu entwickeln. Der im Folgenden aufgelistete Katalog soll mögliche Optionen

aufzeigen, die eher als erste Ideen und Anregungen zu verstehen sind, denn als fixe Wünsche.

4.1. Neuaufstellung der raumplanerischen Rahmenbedingungen für

Handelsgroßbetriebe:

Einzelhandelskonzentration in den Zentralräumen Rheintal und Walgau aber auch in den regionalen

Zentren schaden den traditionellen gewachsenen Strukturen. Aktuell gelten 600 m² Verkaufsfläche

für Lebensmittel als Grenze ab der eine Widmung für Einkaufszentren erforderlich ist. Für die

raumplanerische Beurteilung werden des Weiteren unterschiedliche Konzepte und Studien

(Ortszentren als Schwerpunkte des Einzelhandels, CIMA-Studie) herangezogen, deren Anwendung

allerdings nicht immer transparent ist. Ebenso wird die Verkaufsflächengrenze von 600 m² oft um

einige Quadratmeter unterschritten, um diesem Regulativ zu umgehen. Die Anzahl der Nebenräume

gastronomischer Flächen oder versiegelten Flächen für Stellplätze werden nicht berücksichtigt.

Im Rahmen der Novellierung des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes sollte daher angestrebt

werden, die raumplanerischen Rahmenbedingungen für Handelsgroßbetriebe neu aufzustellen. Die

bisher geltenden Flächengrenzen sollten abgeschafft werden, da diese leicht zu umgehen sind.

Vielmehr sollten sich Neuausweisungen von Handelsgroßbetrieben zukünftig an transparenten, den

regionalen Strukturen entsprechenden Parametern orientieren. Mögliche Parameter dafür wären:

prognostizierte Bevölkerungsentwicklung, Verkaufsfläche pro Kopf in der Region,

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Kaufkraftabschöpfung bzw. -bindung in der Region, versiegelte Fläche in m² gesamt, usw. Ein solcher

Katalog wäre in einem interdisziplinären Prozess gemeinsam zu entwickeln. Jedenfalls sollte ein

landesweiter bzw. regionaler Perimeter für solche Festlegungen präferiert werden. Denkbar wäre es

auch EKZ-Widmungen nur noch zu vergeben wenn dies in einem regionalen Entwicklungskonzept auf

fachlicher Basis festgelegt wurde. Einer qualitativen Aufwertung bestehender Flächen sollte dieses

Reglement aber nicht im Wege stehen.

4.2. Regionaler Solidarbeitrag von Einzelhandelsgroßstrukturen

Diese fiskalische Forderung orientiert sich an bestehen und publizierten Forderungen der

Wirtschaftskammer Österreich aus dem Mai 2006 (WKO 2006: S.11 f.). In diesen elf Jahren hat sich

diese Problematik deutlich verschärft. Durch die hohe Marktkonzentration, die im Prinzip auf drei

dominierende Betriebe (SPAR, REWE, Hofer) hinausläuft ist schon lange kein Wettbewerb auf

Augenhöhe mehr möglich und gewachsene Strukturen, die wichtige soziale Funktionen im Dorf

übernehmen, erodieren immer mehr. Die Zukunftssicherung dieser gewachsenen Strukturen benötig

aber viel Arbeit und Fachwissen und somit Kapital.

Anstatt nur die öffentliche Hand für Marktversagen aufkommen zu lassen, sollten sich auch

Handelsgroßbetriebe bzw. Gemeinden, in denen solche Betriebe angesiedelt sind, daran beteiligen.

Dies kann beispielsweise über einen interkommunalen Finanzausgleich oder über die Einzahlung in

einen zweckgebundenen Nahversorgungsfonds geschehen.

4.3. Nahversorgungsförderung innovationsorientiert aufstellen

Die Nahversorgungsförderung ist darauf ausgerichtet die kleinteilige Struktur der Nahversorgung in

Vorarlberg zu erhalten. Dies geschieht erfreulicherweise sehr niederschwellig und mit sehr wenig

bürokratischem Aufwand. Diese trägt ebenfalls zu einem erfolgreichen Erhalt dieser kleinteiligen

Struktur bei.

Dennoch zeigte sich in der Befragung der LadnerInnen, das die Förderung trotz ihrer eminenten

Wichtigkeit als optimierungsfähig angesehen wird. Mögliche Beispiele wären etwa die Bindung der

Förderung an bestimmten Dienstleistungen, Teilnahme an Innovationsprojekten, etc. Es geht also

nicht darum die Nahversorgungsförderung komplett zu überarbeiten, sondern mit kleinen Schritten

die Vorteile der jetzigen schlanken und niederschwelligen Handhabe mit neuen Elementen zu

verknüpfen.

4.4. (Tages-)touristische Kaufkraft besser binden

Gerade die Dorfläden in den Tourismusgemeinden (Warth, Schröcken, Zug,…) profitieren sehr stark

von der zusätzlichen Kaufkraft, die über die Nächtigungsgäste in die Gemeinde fließt. Allerdings

können nicht alle Gemeinden mit solchen Nächtigungszahlen aufwarten. Dennoch sind der Großteil

der Dorfladen-Gemeinden beliebte Naherholungsgebiete, wovon aber der Dorfladen kaum profitiert.

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Hier gilt es Angebote zu entwickeln, die zumindest einen Bruchteil dieser zusätzlichen Kaufkraft im

Laden binden können. Ein mögliches Beispiel wäre etwa eine Kooperation mit dem Verkehrsverbund

Vorarlberg: Eine Dorfladen-Rechnung könnte als Busticket dienen, oder eine Busticket als

„Gutschein“ für einen Einkauf im Dorfladen.

4.5. Ortszentren nahversorgungsfreundlich entwickeln

Eigentlich ist eine solche Forderung eine Selbstverständlichkeit. Dennoch macht sie nur dann Sinn,

wenn auch regionale Entwicklungen auf diese Zielformulierung ausgerichtet sind und nicht durch

Projekte auf der grünen Wiese konterkariert werden (siehe auch Kapitel 5.1.). Diese Tendenzen gibt

es nach wie vor, obwohl verschiedene Konzepte und Publikationen des Landes immer wieder die

Stärkung der Ortszentren fordern (z.B. Ortszentren als Einkaufsschwerpunkte).

Gerade der Dorfladen kann und sollte bei Zentrenentwicklungen in Klein- und Kleinstgemeinden eine

wesentliche bzw. eben zentrale Rolle einnehmen. Neben seiner Versorgungsfunktion rückt die

Funktion als Treffpunkt in der Gemeinde aufgrund des Gasthaussterbens immer mehr ins

Rampenlicht. Gerade für ältere Läden, deren Verkaufsfläche bzw. Zuschnitte nicht mehr den

aktuellen Anforderungen entsprechen, bedeutet ein Neubau- bzw. Sanierungsprojekt im

Ortszentrum eine Chance, selbst erneuert zu werden. Aktuelle Beispiele aus Gemeinden wie

Bartholomäberg zeigen, dass selbst auf einer verhältnismäßig geringen Verkaufsfläche von 90 m² bei

kluger Raumaufteilung Platz gewonnen und Personalkosten eingespart werden können.

Eine nahversorgerfreundliche Orts(-zentren-)entwicklung impliziert des Weiteren eine gute

fußläufige bzw. fahrradfreundliche Erreichbarkeit, was sich nicht nur an der Distanz sondern auch in

der Wegequalität widerspiegelt. Ebenso profitiert der Laden von einer hohen sozialen (Bevölkerung)

und funktionalen Dichte (Gasthaus, Kindergarten, Schule, Altersheim) in seiner Umgebung und vice

versa. Eine hohe funktionale Dichte bedeutet des Weiteren kurze (Liefer-)Wege zu wichtigen

Kooperationspartnern. So wird der Dorfladen zu einem wesentlichen Bestandteil und Knotenpunkt

eines lebenden Zentrums.

4.6. Stärkung regionaler Wertschöpfungskreisläufe

Was die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von regionalen Produkten und Produzenten angeht, ist die

Rückmeldung aus den Dorfläden sehr unterschiedlich. Während einige Läden überhaupt keine

Probleme mit dem Bezug von regionalen Produkten haben, ist es für andere nicht immer bzw. kaum

möglich regionale Produkte regelmäßig und dauerhaft in ihr Sortiment zu bringen. In diesem Bereich

gilt es niederschwellige Angebote (siehe LEADER-Region Vorderland-Walgau-Bludenz) zu entwickeln

um diese Wertschöpfungslücken zu schließen, da die Dorfläden beim direkten Einkauf bei den

Produzenten eine bessere Handelsspanne erzielen können.

Ebenso kann der Dorfladen als Händler deutlich profitieren wenn lokale und regionale Partner

Produkte direkt über ihn beziehen. Darunter fallen beispielsweise Vereine, kommunale Einrichtungen

wie Schulen oder Kindergärten, aber auch Wirtschaftsbetriebe und Gasthäuser. Schon jetzt konnte

fast jeder der befragten LadnerInnen mehrere solcher Kooperationen vorweisen. Ausbaupotential

gibt es aber immer und mögliche Maßnahmen könnten beispielsweise in der Entwicklung von

abgestimmten Angeboten (z.B. Jausenpakete, Geschenkkörbe, Lieferservice, etc.) ansetzen.

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5. Dorfläden zukunftsfit - Fazit

Die Sicherung des kleinstrukturierten Einzelhandels ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für

die Förderung der Lebensqualität in ländlich geprägten Räumen. Das liegt neben seiner

Versorgungsfunktion auch an seiner Funktion als sozialer Knotenpunkt in der Gemeinde, was

insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der damit einhergehenden

Alterung der Bevölkerung sowie kleiner werdender Haushalte eine immer wichtigere Komponente

seines Daseins ist. Der Erhalt dieser Strukturen ist in Vorarlberg deshalb klar als politisches Ziel

definiert und in Form der Nahversorgungsförderung instrumentalisiert.

Dennoch ergeben sich durch die aktuellen Entwicklungen im Einzelhandel, angefangen von der

Marktkonzentration bis hin zur Digitalisierung und digitalen Einkäufen immer neue

Herausforderungen auf die zum Teil zu spät, zu gering oder gar nicht (re-)agiert wird und so die

gesetzten Zielsetzungen zur Sicherung der Nahversorgung konterkarieren. Ziel dieser Studie war und

ist es daher sowohl strukturelle Einflüsse auf die Dorfläden und betriebliche Rahmenbedingungen in

Form der Nahversorgerbefragung zu untersuchen um daraus Handlungsoptionen ableiten zu können.

Die schwierigste Ausgangslage haben aktuell sicher jene Dorfläden, die im direkten Umland der

Zentralräume Rheintal und Walgau situiert sind und in direkter Nachbarschaft mit (über-)großen und

immer bunter werdenden Mitbewerbern zu kämpfen haben. Dies wird durch die sehr hohe Arbeits-

und Freizeitmobilität der Bevölkerung und der damit verbundenen geringen Tagesbevölkerung in den

Dörfern verschärft. Doch auch in den peripheren Gemeinden, die zwar insgesamt höhere Umsätze

verzeichnen können, geht mit Abwanderung und Alterung ein Verlust von Kaufkraftpotential einher.

Allerdings zeigt sich, dass die Mehrheit der LadnerInnen sowohl was Kooperations- als auch

Innovationsfreudigkeit angeht positiv eingestellt ist. Für die Entwicklung von zukunftsfähigen

Konzepten ist dies von größter Wichtigkeit, denn ein deutliches Ergebnis ist: Größe führt nicht direkt

zu wirtschaftlichem Erfolgt. Dies zeigt sich an Betriebsergebnissen in Gemeinden die zwar nur über

ein geringes Kaufkraftpotential und kleine Läden verfügen, aber dennoch positivere Erträge als

manch größerer Dorfladen erzielen können; manche können bei Indikatoren wie der

Flächenproduktivität sogar mit großen Supermärkten mithalten.

Es sind daher innovative Shop-Konzepte gefragt, die einerseits Personalkosten einsparen und

andererseits Strukturen, die zu Innovation und Kooperation anregen. Kooperationsanreize sind

deshalb sowohl entlang der Wertschöpfungskette zu setzen, als auch zwischen Betrieben der

gleichen Hierarchie in der Wertschöpfungskette. Bei allen Maßnahmen sollten auch die lokalen sowie

regionalen strukturellen Rahmenbedingungen, etwa die Wirtschaftsstruktur oder

Bevölkerungsdynamik explizit mit betrachtet werden.

Zusammen mit den lokalen und regionalen Kenntnissen können so spezifische und konkrete

Maßnahmen abgeleitet werden, die vom Verein gemeinsamen mit den Verantwortlichen in den

Gemeinden und Läden entwickelt werden. So kann und soll nachhaltiger Optimismus erzeugt

werden, der die regionale Wertschöpfung und die Wertschätzung für die Leistungen der Dorfläden

fördert und nachhaltig sichert.

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