mutter courage und ihre kinder - theater paderborn · liebe lehrer*innen, die marketenderin anna...
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Mutter Courage und
ihre Kinder
von Bertolt Brecht
Materialien zur Inszenierung von Malte Kreutzfeldt
Empfohlen ab 15 Jahren
Fach: Deutsch, Geschichte, Philosophie
Liebe Lehrer*innen,
Die Marketenderin Anna Fierling, Courage genannt, Mutter zweier strammer Söhne und der
stummen Kattrin, zieht im Dreißigjährigen Krieg durch das verwüstete Europa den großen
Heeren hinterher – um „ihren Schnitt“ zu machen und das tägliche Überleben zu sichern. Ihren
Krieg lässt sich die anpassungsfähige Geschäftsfrau von niemandem vermiesen. Aber das große
Geschäft mit dem Verderben zu machen, ist nicht so einfach. Der Krieg lässt nicht mit sich
feilschen und fordert ihr, während die Jahre vergehen, nach und nach immer mehr ab.
In dieser Mappe haben wir Sekundärliteratur zum Stücktext und zur Rezeptionsgeschichte sowie
theaterpädagogische Übungen zusammengestellt, die es Ihnen ermöglichen sollen, den Stoff
ganz praktisch für Schüler*innen erfahrbar zu machen. Neben der Materialmappe bieten wir als
weiteres Vermittlungsformat auch stückbegleitende Workshops für Ihre Klasse an. Kontaktieren
Sie uns hierfür unter [email protected].
Ihr Theaterpädagogik-Team des Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele GmbH
Nächste Premiere im Großen Haus: RICHARD III. von William Shakespeare – Premiere am
02.06.2018
Nächste Premiere im Studio: GESUNDE BEZIEHUNGEN von Evan Placey – Premiere am
17.03.2018
Zu den genannten Inszenierungen bieten wir ebenfalls eine Materialmappe sowie
stückbegleitende Workshops an (Kontakt unter [email protected]).
Besetzung
Mutter Courage Eva Brunner
Eilif / Ein Soldat Tim Tölke
Schweizerkas / Ein Soldat Ogün Derendeli
Kattrin Gesa Köhler
Koch Alexander Wilß
Feldprediger Max Rohland
Yvette Kirsten Potthoff
Feldwebel / Bauer / Ein Soldat David Lukowczyk
Werber / Bauer / Ein Soldat Denis Wiencke
Feldhauptmann / Obrist / Ein Soldat Willi Hagemeier
Ein Sohn / Ein junger Soldat Jelle Altmiks
Till Bäsner
Eine Mutter / Eine Bäuerin Bettina Hammelrath
Vanessa Hillemeier
Drums Clemens Ohlendorf
Bass Daniel Le-Van-Vo
Reeds Sven Hoffmann
Thorsten Floth
Piano Michael Erhard
Regie Malte Kreutzfeldt
Bühne & Kostüme Nikolaus Porz
Musikalische Leitung Michael Erhard
Dramatugrie Daniel Thierjung
Regieassistenz Hermann Holstein
Regiehospitanz Leoni Breker
Inspizienz Robert Häselbarth
Soufflage Beate Leclercq
Technischer Leiter Klaus Herrmann
Bühnenmeister Paul Discher
Beleuchtungsmeister Hermenegild Fietz
Ton & Video Anton Langer
Requisite Annette Seidel-Rohlf
Sona Ahmadnia
Leitung Kostümabteilung Edith Menke
Maske Ramona Foerder
Jill Brand
Premiere: Samstag, 25.11. / 19:30 Uhr im Großen Haus
Dauer: ca. 155 Minuten, eine Pause
Ich möcht sagen, den
Frieden gibts im Krieg
auch, er hat seine
friedlichen Stellen.
Inhalt
Biografie von Bertolt Brecht Seite 1
Die Figuren Seite 2
Was der Dreißigjährige Krieg mit heutigen Kriegen zu tun hat Seite 5
MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER – theateraktiv Seite 11
Zusammenstellung verschiedener Übungen
Service: Theater & Schule Seite 19
Sekundärmedienpool: Literatur/Filme Seite 20
Impressum
Quellen
1
Biografie von Bertolt Brecht
Eugen Bertolt Friedrich Brecht wurde am 10.
Februar 1898 in Augsburg geboren. Nach dem
Notabitur 1917 immatrikulierte er sich in München
für Medizin und Naturwissenschaften, ging aber
vorwiegend seinen literarischen Neigungen nach.
1922 wurde sein erstes Stück »Trommeln in der
Nacht« in München uraufgeführt; sein Drama »Baal«
erschien in Buchform. Bei der Premiere von
»Trommeln in der Nacht« in Berlin lernte Brecht
Helene Weigel kennen.
1924 siedelte Brecht nach Berlin über, wo er am
Deutschen Theater als Dramaturg für Max Reinhardt
arbeitete. Im selben Jahre begegnete er dem
Philosophen und Kulturkritiker Walter Benjamin, mit
dem ihn bis zu Benjamins Suizid im Jahre 1940 eine
Arbeitsfreundschaft verbinden sollte.
Ab 1926 beeinflusste Brechts Hinwendung zum Marxismus zunehmend sein Werk. Es
entstanden sogenannte Lehrstücke, in denen die Trennung von Spielern und Zuschauern aufgehoben werden sollte.
1928 wurde »Die Dreigroschenoper« im Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt. Damit führte
Brecht das von ihm konzipierte »epische Theater« ein: Durch den Einsatz von
Verfremdungseffekten soll die Identifikation des Zuschauers mit dem Geschehen auf der Bühne erschwert werden. Angestrebt wird vielmehr eine kritische Distanz.
1929 heiratete Brecht Helene Weigel. Die Uraufführung der Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« endete – gestört von Anhängern der NSDAP – in einem Skandal.
Einen Tag nach dem Reichstagsbrand 1933 flüchtete Bertolt Brecht mit seiner Familie nach Prag. Weitere Stationen seines Exils waren Carona in der Schweiz, Paris, Dänemark, Schweden
und Finnland. In dieser Zeit im Exil entstanden unter anderem »Mutter Courage und ihre Kinder«, 1941 in Zürich uraufgeführt, sowie »Leben des Galilei«.1941 erhielt Brecht ein Einreisevisum für
die USA, wo er bis 1947 lebte.
Von den USA aus ging Brecht zunächst in die Schweiz, von wo aus er die Situation in
Deutschland sondierte. Wichtigstes Ziel war die Rückkehr ans Theater. Unterdessen führte er
Verhandlungen sowohl mit dem Suhrkamp Verlag (Frankfurt am Main) als auch dem Aufbau Verlag (DDR). Beide Verlage erhielten Veröffentlichungsrechte.
1949 siedelte Brecht nach Ost-Berlin über, wo Helene Weigel mit der Gründung des »Berliner
Ensemble« beauftragt worden war. Brecht wurde Künstlerischer Leiter des Theaters. Seine
Arbeit wurde 1951 mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.
1955 stellte Brecht sich an die Spitze des Protests gegen die Aufnahme der BRD in die NATO.
Am 14. August 1956 starb Bertolt Brecht an den Folgen eines Herzinfarkts.
Quelle: Bertolt Brecht - Biografie und Inhaltsangaben https://www.inhaltsangabe.de/autoren/brecht/
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Die Figuren
Figurensplitter: Die stumme Kattrin
Es ist der zweimal vergewaltigten, stummen und im Gesicht verunstalteten Kattrin in Brechts
Stück vorbehalten, ein selbstloses, d. h. menschliches Verhalten vorzuführen. Es scheint so, als
ob die Leidgeprüfte für das Leiden anderer sensibel geworden ist. Sie hat von ihrer Mutter
gelernt, allerdings ex negativo, wie in-human es ist, im Krieg nur den Profit gelten zu lassen. Als
einziges Kind greift sie ihre Mutter an, als diese keine Hemden opfern will, um Verletzte zu
verbinden. Kattrin ist aber auch bereit, sich zu opfern. Anders als Mutter Courage, die ihre
Kinder infantil hält, um sie an sich zu binden, will Kattrin trotz ihrer Behinderung ihrer Mutter nicht
im Wege stehen, als diese ein neues Leben mit dem Koch fernab vom Krieg plant. Jedoch nicht
für ihre Mutter, sondern für ihr gänzlich unbekannte Kinder opfert Kattrin dann schließlich wirklich
ihr Leben.
Als der Karren der Mutter Courage sich 1636 vor der belagerten Stadt Halle befindet, welche
die kaiserlichen Truppen nachts überfallen wollen, versucht Kattrin mithilfe einer Trommel, die
Stadtbewohner zu wecken, um ein Blutbad zu vermeiden, vor allem um die dort lebenden Kinder
zu retten. Indem sie Leben rettet, wird sie zur Gebärerin, zur Mutter aller sonst zum Tode
verdammten Unschuldigen. Sie ist damit die eigentliche Mutter Courage des Stückes, in dem
Sinne, dass Beide Begriffe sich gegenseitig verstärken: Sie handelt mutig, in der Verteidigung
Unschuldiger, Hilfloser, ohne an einen privaten Profit zu denken. Ganz im Gegensatz zu ihrer
Mutter, die heimlich in die Stadt Halle geht, um geschäftlich von der Belagerung zu profitieren.
[…]
Vom tragischen Kontrast zwischen selbstloser Tochter, die sich in ihrem 32. Lebensjahr opfert,
um fremden Menschen und deren Kindern im Krieg das Leben zu retten, und ihrer parasitären
Mutter, die das Leben ihrer eigenen Kinder im Krieg riskiert, um bessere Geschäfte zu machen,
lebts Brechts Stück Mutter Courage und ihre Kinder. Der anfänglich in der Figur der Mutter
Courage eingefangene unauflösliche Widerspruch von Affekten und Profit wird am Schluss der
Chronik von den zwei Frauen verkörpert und aufgelöst, denn die selbstlose, mutige, stumme
Kattrin stirbt, während die zynische, egoistische, sprachgewandte Anne Fierling überlebt.
Quelle: Italo Michele Battafarano, Hildegard Eilert: Courage. Die starke Frau der deutschen Literatur. Bern: Lang 2003.
Brecht über die Figur der Mutter Courage: Die Courage wird nicht sehend
Die Courage – dies sei gesagt, der theatralischen Darstellung zu helfen – erkennt zusammen mit
ihren Freunden und Gästen und nahezu jedermann das rein merkantile Wesen des Krieges: Das
ist gerade, was sie anzieht. Sie glaubt an den Krieg bis zuletzt. Es geht ihr nicht einmal auf, dass man eine große Schere haben muss, um am Krieg seinen Schnitt zu machen. Die Zuschauer bei
Katastrophen erwarten ja zu Unrecht, dass die Betroffenen daraus lernen werden. Solang die
Masse das OBJEKT der Politik ist, kann sie, was mit ihr geschieht, nicht als einen Versuch, sondern nur als ein Schicksal ansehen; sie lernt so wenig aus der Katastrophe wie das
Versuchskarnickel über Biologie lernt. Dem Stückeschreiber obliegt es nicht, die Courage am Ende sehend zu machen […], ihm kommt es darauf an, dass der Zuschauer sieht.
Quelle: Klaus-Detlev Müller (Hg.): Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1982.
Die Figur des Feldpredigers
Völlig brüchig bliebe die Figur des Feldpredigers, deutete man alle seine Äußerungen psychologisch und nähme sie wortwörtlich. Vernünftiges Reden […] und das Sprechen im Ton
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und Vokabular einer Rolle, die er als Begleiter und Schankknecht der Courage längst
aufgegeben hat, stünden unvereinbar nebeneinander. Der Feldprediger ist aber die Figur, mit
deren Hilfe Brecht vor allem die Verbindung von Kirche und Militär, genauer die ideologische Unterstützung der Militärs durch die Religionsvertreter sowie die Verbrämung eines Machtkriegs
als Glaubenskrieg sichtbar machen will. „ In dem Krieg fallen, ist eine Gnad und keine
Ungelegenheit, warum? Es ist ein Glaubenskrieg. Kein gewöhnlicher, sondern ein besonderer, wo für den Glauben geführt wird, und also Gott wohlgefällig“ (1373). Immerhin ist dann er es,
der in der 5.Szene der Marketenderin die Offiziershemden entreißt, um Verwundete zu verbinden, und so als barmherziger Samariter seinem religiösen Auftrag in einem tieferen Sinne
gerecht wird.
Der Krieg ist nichts als die Geschäfte
Brechts Stück Mutter Courage und ihre Kinder ist wieder von einer Heutigkeit, die eigentlich
nicht zu wünschen wäre. […] Die politische Konstellation, der das Stück seine Entstehung
verdankt, hat sich selbstverständlich verändert. Ob nun zur Hauptsache bereits im Jahre 1938 in
Dänemark konzipiert (wie Brecht aus Anlaß der Kopenhagener Aufführung von 1953 versicherte)
oder zwischen Ende September und Anfang November 1939 in Schweden ausgeführt (wie
Tagebuchnotizen seiner Mitarbeiterin Margarete Steffin besagen) , das Stück ist in Erwartung
beziehungsweise unter dem Eindruck des beginnenden Hitlerkrieges entstanden und war […] an
jene Kräfte in Dänemark und im übrigen Europa gerichtet, die glaubten, sich aus dem Krieg
heraushalten, aber durch ihn ins Geschäft kommen zu können.
Die konkrete Lage, nämlich die Bedrohung durch Hitlers Aggression, entfällt heute als
Voraussetzung – aber sie sie entfiel ja auch bei Brechts Inszenierung in Ostberlin schon. Und
das Stück war und ist an diese Voraussetzung nicht gebunden, weil seine Appellkraft weit über
den Anlass seiner Entstehung hinaus reicht. Freilich darf die dramatische Chronik nicht auf eine
sehr allgemeine pazifistische Botschaft hin enthistorisiert werden. Was demonstriert wird, ist
nicht nur Inhumanität des Krieges und die Notwendigkeit, ihn für alle Zeiten zu ächten. Es ist
andererseits schon gar nicht die hereinbrechende und hinzunehmende Schicksalhaftigkeit des
Krieges. Exemplarisch gezeigt wird […] der Nährboden des Krieges: das Gewinnstreben, das
sich vom Krieg Bereicherung erhofft. Und wer könnte angesichts der ins Monströse steigenden
Rüstung und des wie nie blühenden Waffenhandels noch so naiv sein zu glauben,
Entscheidungen über Krieg und Frieden fielen jenseits der Geschäfte.
„Will vom Krieg leben / Wird ihm wohl müssen auch was geben.“ Dieses Wort am Ende der 1.
Szene, mit dem der Feldwebel Mutter Courages Verlust ihres Sohnes Eilif an die Werber
kommentiert, begleitet als vom Zuschauer unvergessene Drohung die Handlung und ist an deren
Ende mit letzter Unerbittlichkeit erfüllt.
Quelle: Walter Hinck: Mutter Courage und ihre Kinder. Ein kritisches Volksstück. In: Walter Hinderer: Interpretationen:
Brechts Dramen. Stuttgart : Reclam 1995.
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Es ist nur eine
Geldsach.
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Was der Dreißigjährige Krieg mit heutigen Kriegen zu tun hat
Tyrannei, Pestilenz, Hungersnot - der Dreißigjährige Krieg hatte apokalyptische Folgen für die Bevölkerung. Herfried Münkler zieht daraus Lehren für den Umgang mit heutigen Auseinandersetzungen: Zu viel Moral schadet.
Ein SPIEGEL-Gespräch von Jan Fleischhauer und Cordula Meyer
Massengrab der Schlacht bei Lützen 1632
Herfried Münkler, 66, lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte an der Humboldt-Universität
in Berlin. Bekannt wurde er durch seine Forschungen zum florentinischen Machtstrategen
Niccolò Machiavelli. Dieser Tage ist von ihm eine große Studie über den Dreißigjährigen Krieg erschienen, in dem Protestanten und Katholiken zwischen 1618 und 1648 erbittert um die
Religionsherrschaft in Deutschland kämpften.
SPIEGEL: Herr Münkler, Sie haben sich zehn Jahre lang mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigt. Jetzt liegt das Ergebnis vor: fast tausend Seiten, pünktlich zum 400. Jahrestag des
Kriegsanfangs. Was hat Sie am Dreißigjährigen Krieg so fasziniert, dass Sie ein solches
Riesenbuch vorlegen mussten?
Münkler: Als Politikwissenschaftler arbeite ich mit der Annahme, dass die Vergangenheit hilfreich
sein könnte für das Verständnis der Gegenwart. Der Dreißigjährige Krieg mag lange zurückliegen, aber vieles von dem, was ihn auszeichnet, erfährt heute eine Neuauflage. Die Ära
der klassischen Staatenkriege ist definitiv zu Ende. Aber damit ist der Krieg nicht verschwunden, er hat nur seine Form gewechselt. Wenn Sie sich die neuen, unordentlichen Kriege ansehen, wie
in Libyen oder in Syrien, dann kommen Sie nicht umhin, Parallelen zu entdecken.
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SPIEGEL: Ein Kennzeichen der neuen Kriege ist, dass sie endlos andauern. Auch der
Dreißigjährige Krieg, in dem Katholiken und Protestanten gegeneinanderstanden, fand kein
Ende, obwohl für die Krieg führenden Parteien schon lange nichts mehr zu gewinnen war.
Münkler: Jeder Krieg ist eine Form erhöhten Ressourcenverbrauchs an Material, Geld und
Menschen. Solange es um Interessen geht, bestimmt ein Nutzen-Kosten-Kalkül die Entscheidungen. Ob die Parteien einen Krieg weiterführen, hängt davon ab, was sie sich von
einem Friedensschluss versprechen. In dem Augenblick, da es um höhere Werte geht, die nicht teilbar sind wie Religion, ändert sich das Kalkül. An die Stelle der Kosten-Nutzen-Rechnung tritt
eine Bedingungslosigkeit, in der jeder Kompromiss als Verrat an der Sache gilt.
SPIEGEL: Liegt hierin auch ein Grund für die enorme Brutalität, die den Dreißigjährigen Krieg
auszeichnet?
Münkler: Zum Teil sicher. Die Auslöschung von Magdeburg, wo nach Erstürmung der Stadt
20.000 Menschen von den katholischen Truppen unter Johann von Tilly einfach niedergemacht werden, hat ihren Grund auch im religiösen Eifer. Wie immer, wenn es um ideologische
Auseinandersetzung geht, mischen sich Mordlust und Glaubensfuror.
SPIEGEL: Der Dreißigjährige Krieg hat sich als das deutsche Urtrauma ins kollektive Gedächtnis
eingebrannt. Die Bevölkerungszahl sinkt in jener Zeit von etwa 16 Millionen auf 10 Millionen
Menschen. Warum ist ausgerechnet dieser Konflikt so verheerend?
Münkler: Was wir im Dreißigjährigen Krieg erleben, ist die Erfüllung der Offenbarung des Johannes über den Auftritt der vier apokalyptischen Reiter: Tyrannei, Krieg, Pestilenz,
Hungersnot. Vor allem die Verbreitung von Krankheiten und Seuchen infolge der Heerzüge führt
dazu, dass ganze Dörfer und Landstriche verschwinden. Daran wiederum hat die Praxis der massenhaften Vergewaltigung großen Anteil. Die Heere sind syphilitisch verseucht, vom
Kommandeur bis zum Musketier.
SPIEGEL: Wie waren die Überlebenschancen als Soldat?
Münkler: Wo zwei Heere aufeinanderstießen, blieb in der Regel ein Fünftel der Soldaten auf dem Schlachtfeld. Aber so viele Schlachten gab es gar nicht. Der Anteil derjenigen, die bei der
Kleinkriegführung, also bei Überfällen, Metzeleien und dergleichen mehr, zu Tode kamen, ist ungleich höher.
SPIEGEL: Das heißt, man war besser Soldat als Zivilist?
Münkler: Wenn Sie ein junger Mann waren, dann war es jedenfalls rational, sich beim Militär
einzuschreiben und nicht weiter das Feld zu bestellen. Ähnliches galt auch für Frauen, denen die Männer abhandengekommen waren. Für die war es durchaus sinnvoll, sich als Marketenderin
oder Trosshure im Schweif des Heeres zu bewegen. Nur 50 Prozent einer Armee bestanden aus Soldaten, der Rest war gewissermaßen Logistik drum herum.
SPIEGEL: Sie sehen im Dreißigjährigen Krieg auch die Geburtsstunde des Warlords.
Münkler: Man kann hier erstmals die Figur des Condottiere ausmachen, also des
Kriegsunternehmers, der den Krieg als Geschäft betreibt. Einige der Söldnerführer sind ideologisch motiviert. General Tilly beispielsweise ist der Inbegriff eines gläubigen Katholiken.
Man hat ihn auch den geharnischten Mönch genannt. Aber damit ist er die Ausnahme. Leute wie Ernst von Mansfeld, eine besonders ruchlose Figur, kämpfen allein fürs Geld. Man darf nicht
vergessen, dass die Staaten noch nicht über stehende Heere verfügen, die irgendwo in einer
Garnison kaserniert sind und die man vom Friedens- auf den Kriegsfuß versetzen könnte, wie es so schön heißt. Als Kriegsherr müssen Sie Ihre Soldaten erst einmal einsammeln, bevor Sie
losschlagen können.
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SPIEGEL: Bis zum Schluss des Krieges scheint das zentrale Problem aller Parteien die
Finanzierung gewesen zu sein.
Münkler: Die Verstaatlichung des Militärs ist eine Entwicklung, die erst nach dem
Friedensschluss 1648 erfolgt und entscheidend zur Friedenssicherung beiträgt. Vorher kommt
es immer wieder zu der Situation, dass einem Truppenführer das Geld ausgeht und er den Soldaten den Sold schuldig bleibt. In der Folge fällt das Heer auseinander, und die Soldaten
ergießen sich über die Dörfer, wo sie nun mit Gewalt das zu holen versuchen, was ihnen auf dem üblichen Weg eines Tauschs von Sold gegen Waren nicht mehr möglich ist.
SPIEGEL: Und wenn es nichts mehr zu holen gibt?
Münkler: Dann erhöht sich zunächst das Maß der Grausamkeit. Irgendwann bleiben von dem
einst geordneten Heerhaufen nur noch marodierende Banden übrig, die mordend und brandschatzend durchs Land ziehen. Da sich der Krieg nicht mehr auf einen Schauplatz
begrenzen lässt, ist am Ende alles verheert.
SPIEGEL: Diese diffuse Gewalt, wie Sie das nennen, macht die eigentliche Zerstörungskraft des
ungeordneten Krieges aus?
Münkler: Normalerweise existiert in einem Land ein Mehrprodukt, das vom Landesherrn
abgeschöpft wird zur Finanzierung seiner Mätressen, der Theater und Schlösser. Im Krieg wird dieses Mehrprodukt für die Finanzierung des Militärs verbraucht. Das ist ärgerlich, weil dann die
Kultur leidet, aber es ist relativ sozial verträglich. Nach jeder Schlacht kommt es sogar zu einer gewissen Rückverteilung von Werten. Die Gefallenen werden als Dünger untergepflügt,
nachdem man sie vorher ausgezogen und geplündert hat. Als die Schweden ihren König nach
der Schlacht von Lützen auf dem Schlachtfeld finden, ist er nur noch mit dem Hemd bekleidet. Alles andere haben sich die Bauern über Nacht geholt. Es gibt den Satz, wonach man die Kuh,
die man melken will, nicht schlachten sollte. Genau diese Bewirtschaftung des
Kriegsgeschehens bricht im Dreißigjährigen Krieg zusammen.
SPIEGEL: Wallenstein ist dann der Mann, der das stehende Heer erfindet.
Münkler: Wallensteins geniale Idee ist es, das Mehrprodukt über eine Kriegssteuer so
abzuschöpfen, dass alle gleichmäßig zahlen. Das ist auf Dauer weit weniger belastend als die überfallartig erzwungene Kontribution, die schnell in Gewalt umschlägt, wenn sich der
Tributpflichtige nicht mehr in der Lage sieht, die von ihm geforderte Leistung zu erbringen.
SPIEGEL: War Wallenstein ein Warlord?
Münkler: Zweifellos. Er war ein verschuldeter böhmischer Edelmann, der durch die Umverteilung des Besitzes der böhmischen Rebellen zu Vermögen kommt. Und der dann dem Kaiser anbietet,
ihm ein Heer vorzufinanzieren, um gegen die Protestanten zu marschieren. In der Fähigkeit zur Organisation war Wallenstein unübertroffen. In seinen besten Zeiten hat er 100.000 Mann unter
Kommando. Niemand hielt es bis dahin für möglich, dass man ein so großes Heer auf die Beine
stellen, geschweige denn unterhalten könnte. Es ist kein Zufall, dass er einen Bankspezialisten an seiner Seite hatte, Hans de Witte, ein Calvinist im Übrigen. Was dann auch wieder die
pazifizierende Funktion des Geldes zeigt, das locker die Grenzen der Konfessionen überspringt.
SPIEGEL: Wo würden Sie heute Wallensteins und de Wittes Wiedergänger sehen?
Münkler: Sobald Sie genauer in die Finanzierung von Terrornetzwerken eintauchen, stoßen Sie
auf diese Spezialisten für Geldtransfers. Al-Qaida wäre ohne die Fähigkeit, klandestin Geld
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aufzunehmen und zu verschieben, nie groß geworden. Das Gleiche gilt für den "Islamischen
Staat", der zwischenzeitlich sogar eine eigene Steuerverwaltung unterhielt. SPIEGEL: Wenn wir
Sie richtig verstehen, sehen Sie den Dreißigjährigen Krieg als Folie zum Verständnis der neuen Kriege in Afrika oder im Nahen und Mittleren Osten.
Münkler: Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 wird ein System etabliert, in dem die Staaten Monopolisten des Kriegs sind und gewalttätige Konflikte über die Waffentechnologie
entschieden werden. Wer über die besseren Gewehre, Kanonen oder später dann Raketen verfügt, der hat die Nase vorn. Wenn die Staaten nicht mehr die Herren der Kriege sind, werden
Kriege wieder billig. Die Eintrittsschwelle sinkt. Niemand braucht mehr drei Waffengattungen, um
Krieg führend zu sein. Es genügt, dass Sie 100.000 Dollar auftreiben, um ein paar Hundert gebrauchte Kalaschnikows aufzukaufen, mit denen Sie dann die Leute tyrannisieren.
SPIEGEL: Es fehlt eine globale Ordnungsmacht?
Münkler: Solange die USA und Russland in ihren Hemisphären die Kontrolle hatten, gab es jedenfalls noch so etwas wie eine globale Polizei. Mit dem Ende des Kalten Krieges sind dann
diffuse Strukturen entstanden, die nicht territoriale Akteure begünstigen. Die Kriege sind aus den
Wohlstandszentren des Westens an die Peripherie gewandert, dorthin, wo es Rohstoffe gibt. Der IS wäre ohne den Zugriff auf Erdöl niemals in der Lage gewesen, sich zu organisieren.
SPIEGEL: Auch der Dreißigjährige Krieg war irgendwann zu Ende. Was kann man aus dem Friedensschluss in Münster und Osnabrück für die Beendigung der neuen Kriege lernen?
Münkler: Die Krieg führenden Parteien waren 1648 erschöpft, allen voran Spanien, das
permanent Geld in diesen Krieg gepumpt hatte, um der katholischen Sache zum Sieg zu
verhelfen. Der Abfall Portugals und der Aufstand Kataloniens 1640 führten dazu, dass sich die spanische Krone mit heimischen Problemen beschäftigte. Die jesuitischen Beichtväter wollten
natürlich, dass weitergekämpft wurde, bis die allein selig machende Kirche den vollständigen
Sieg davongetragen hat. Aber ohne die Dukaten aus Madrid musste auch der Kaiser in Wien auf politische Rationalität umschwenken. Für einen Krieg wie in Syrien heißt das: Solange genügend
Ressourcen da sind, die von außen hineinfließen, gibt es wenig Hoffnung.
Angriffsopfer im syrischen Aleppo: Kriege sind an die Peripherie gewandert
SPIEGEL: Was macht nach einem Friedensschluss eigentlich eine Generation, die nichts
anderes erlebt hat als Mord und Totschlag?
Münkler: Die mordet weiter. Es gibt mehrere Studien zur Frage, was passiert, wenn ein langer
Bürgerkrieg zu Ende geht. Das Ergebnis ist, dass die Todesrate gar nicht so sehr sinkt, wie man
erwarten sollte. Das Mordgeschehen stellt sich um auf Gewaltkriminalität. Das können Sie in Südafrika studieren, auch in einer Reihe mittelamerikanischer Staaten. Oder nehmen Sie den
Sudan, der irgendwann pazifiziert wurde, aber eben nur halbherzig, weil man nie die Finanzierung durchgehalten hat.
SPIEGEL: Was wäre Ihre Empfehlung?
Münkler: Man sollte schon wissen, was auf einen zukommt, wenn man von außen in solche
Konflikte eingreift. Eine Antwort auf die Demobilisierung von Soldaten könnte sein, dass man die Gewaltakteure mit unserem Geld in Pensionisten der Europäischen Union verwandelt. Oder man
entscheidet sich zu der Antwort: Lasst sie sich doch gegenseitig totschlagen, bis keiner mehr übrig ist. Dagegen muss man dann die Kosten der Flüchtlingsströme setzen. Das sind heikle
Rechnungen, keine Frage. Aber man kommt nicht umhin, Szenarien zu entwickeln und dann
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entsprechende Entscheidungen zu treffen. Nichtstun ist auch eine Entscheidung, manchmal ist
es sogar die kostspieligste.
SPIEGEL: Sie sind demnach kein Freund von zu viel Moral in der Politik?
Münkler: Im Dreißigjährigen Krieg erzwingt der moralische Imperativ die unbedingte Loyalität gegenüber der Religion. Wenn es eine Lehre aus diesem Krieg gibt, dann ist es die, dass
Fähigkeit zum Kompromiss heißt, sich von der Unbedingtheit bestimmter Forderungen zu verabschieden. Solange ich darauf bestehe, dass ich im Recht bin, kann es keinen Frieden
geben.
SPIEGEL: Gilt das auch für humanitäre Forderungen?
Münkler: Wenn man die neuen Kriege analysiert, muss man leider feststellen, dass die humanitäre Hilfe aus dem Westen an der Fähigkeit zur Kriegführung keinen ganz unwesentlichen
Anteil hat. Womit fahren denn die Freischärler im Südsudan oder in der Zentralafrikanischen Republik durch die Gegend? Mit Toyota-Pick-ups, auf die sie hinten ein MG oder einen
Raketenwerfer montiert haben. Und wer hat den Pick-up bezahlt? Die gutherzigen Leute von den
Hilfsorganisationen, die an das Selbstbestimmungsrecht der Völker glauben.
SPIEGEL: Also soll man die Moral am besten ganz außer Acht lassen? Ist das die Lehre aus
Ihrer Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg?
Münkler: Ich bin nicht dafür, sich von der Moral zu verabschieden. Ich plädiere nur dafür, sie
unter die Kuratel strategischen Denkens zu stellen. Gerade in Deutschland glauben viele, wenn man sich nur am moralisch Richtigen und am Recht orientierte, dann würde alles gut. Dass
gerade die Moral in der Politik durchaus antagonistische Folgen haben kann, wird gern übersehen.
SPIEGEL: Herr Münkler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/herfried-muenkler-ueber-den-dreissigjaehrigen-krieg-a-
1175447.html
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Nicht,
dass
Friede
ausgebrochen
ist, wo ich
eben neue
Vorräte
eingekauft
hab.
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MUTTER COURAGE – theateraktiv, für Schulklassen / Gruppen ab 15 Jahren
In unserem theateraktiv-Bereich der Materialmappe haben wir Aufgaben und Übungen entworfen, um den Theatertext mit den Mitteln der Theaterpädagogik erlebbar zu machen. Diese
Übungen sind für ganze Klassen abgestimmt.
Als Einstieg für theaterpädagogische Spiele und Übungen empfehlen wir Ihnen, dass Sie mit
Ihren Schüler*innen vorher ein „Warm-Up“ machen. Das Internet hält eine Vielzahl kleiner, auflockernder Wahrnehmungsübungen zu Körper und Stimme bereit. Wenn Sie dennoch Fragen
dazu haben, sprechen Sie uns einfach an.
Aufgabe 1
Rollen- & Beziehungsbeschreibung
für die ganze Klasse
Einzelarbeit mit abschließender Gruppenbesprechung
ca. 20min
Mutter Courage pflegt eine aus unserer Sicht besondere Beziehung zu ihren Kindern. Im
Folgenden findest du Originalzitate aus verschiedenen Szenen des Stücktextes. Lies diese durch
und beschreibe das Verhalten der Mutter Courage zu Eilif, Schweizerkas und Kattrin.
Im nächsten Schritt überlege dir, warum in der Familie dieses besondere Verhältnis herrscht.
Versetze dich in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zurück und arbeite heraus, warum Mutter
Courage nur Böses über ihre Kinder zu sagen scheint.
Vergleicht eure Ergebnisse und diskutiert.
Courage: Ich heiße Fierling. Die drei nichtn.
Feldwebel: Ich denk, das sind alles Kinder von dir?
Courage: Sind es auch, aber heißen sie deshalb alle gleich? Der zum Beispiel heißt Eilif
Nojocki. Der Junge hat seinen Vater noch gut im Gedächtnis, obwohl das ein
anderer war, den er im Gedächtnis hat.
Feldwebel: Jedes hat einen anderen Namen?
Courage: Als ob Sie das nicht kennten. Den da heiß ich Schweizerkas, sein Vater war
Schweizer. Die heißt Kattrin Haupt. Eine halbe Deutsche. Bringen Sie’s nicht
durcheinander, sonst stehen wir ganz spät noch hier.
[…]
Courage: Meine Kinder sind nicht für das Kriegshandwerk. […] Ein Hühnchen ist er
[Schweizerkas]. Lass ihn in Ruhe. Er ist nichts für euch. […] Er ist ein Kind. Ihr
wollt ihn mir zur Schlachtbank führen, ich kenn euch.
[…]
Feldwebel: Aber deinen Bankert nehmen wir mit. Der wird uns Soldat.
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Eilif: Ich möchts schon werden, Mutter.
Courage: Du hältst das Maul.
[…]
Courage: Gleich, Kattrin. Der Herr Feldwebel zahlt noch seinen Schnaps. – Wo ist Eilif?
Schweizerkas: Der ist mit dem andern weg.
Courage: Du einfältiger Mensch. – Kattrin, ich weiß, du kannst nicht reden. Du bist
unschuldig.
Courage: Für meinen kühnen und klugen Sohn [Eilif]. Ich hab noch einen dummen, der aber
redlich ist. Die Tochter ist nix. Wenigstens red sie nicht, das ist schon was.
Courage: zu Schweizerkas Vergiss nicht, dass sie dich zum Zahlmeister gemacht
haben, weil du nicht kühn bist wie dein Bruder, sondern redlich. Und vor allem,
weil du so einfältig bist […]
[…]
Courage: zu Kattrin Sei froh, dass du stumm bist, da widersprichst du dir nie
oder willst dir die Zunge abbeißen, weil du die Wahrheit gesagt hast. Das ist ein
Gottesgeschenk, Stummsein.
Courage: über Kattrin Sie ist nicht so hübsch, dass sie einer ruinieren möcht. […] Die ist
schon halb kaputt, einen Mann kriegt sie nicht mehr […]. Stumm ist sie auch nur
wegen dem Krieg. Ein Soldat hat ihr als kleines Kind was in den Mund
geschoppt.
Courage: Kattrin! Ich muss dir was mitteilen. Der Koch und ich wolln nach Utrecht. Er hat
eine Wirtschaft dort geerbt. Da hättest du einen festen Punkt und könntest
Bekanntschaften machen. Ich vertrag mich mitn Koch. Wir hätten unser
gesichertes Essen, und du hättest ein Bett. Ich denk, wir entschließen uns,
Kattrin.
Koch: Anna, ich möchte ein Wort mit dir allein haben. – Ich hab dich unterbrochen, weil
das ist ein Missverständnis von deiner Seit, seh ich. Ich hab gedacht, das müsst
ich nicht eigens sagen, weils klar ist. Aber wenn nicht, muss ich dirs halt sagen,
dass du die mitnimmst, davon kann keine Rede sein. Ich glaub, du verstehst mich.
Courage: Du meinst, ich soll die Kattrin zurrücklassen?
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Koch: Wenn wir zwei uns auf die Hinterbein stelln, können wir unsern Unterhalt finden,
aber nicht drei, das ist ausgeschlossen. Die Kattrin nicht.
Courage: Ich hab mir gedacht, sie kann dort einen Mann finden.
Koch: Dass ich nicht lach! Wie soll die einen Mann finden?
[…]
Courage: Koch, sie hat Furcht vorm Krieg. Sie verträgts nicht. Was die für Träum haben
muss! Ich hör sie stöhnen nachts. Nach Schlachten besonders. Ich sag nicht,
was du sagst, is unvernünftig, aber wars dein letztes Wort? Wir haben uns gut
verstanden.
Koch: Mein letztes. Überlegs dir.
Courage: Ich brauch nix zu überlegen. Ich lass sie nicht hier.
Aufgabe 2
Krieg im Alltag
für die ganze Klasse
Gruppen- & Einzelarbeit
ca. 25min
Für die folgende Übung ist es wichtig, dass der Begriff Marketenderin in vollem Umfang
verstanden wird. Daher folgt eine kurze Erklärung:
Marketender*innen waren in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges von hoher Wichtigkeit. Sie
verkauften Genussmittel, Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände an die Soldaten ihres
Heeres. Sie reisten mit den Soldaten auf ihren Kriegszügen und wurden hoch angesehen.
Dementsprechend war der Alltag der Marketender*innen durch die Krieg, den sie begleitete,
extrem gefährlich. Während es sich zunächst ausschließlich um einen Männerberuf handelte,
übten diesen Beruf ab dem 16. Jahrhundert auch Frauen aus. Meist waren es die Ehefrauen
oder auch Kinder der Soldaten, die so etwas zum Lohn des Mannes beitragen konnten. Übte
den Beruf der Marketenderin eine Frau aus, die nicht mit einem der Soldaten liiert war,
prostituierte sie sich in vielen Fällen häufig noch illegalerweise, um eine zweite
Einkommensquelle zu haben. Marketender*innen sorgten neben dem Verkauf von Waren auch
für die Gesundheit der Soldaten und fungierten häufig als Krankenpfleger*innen. Eine verwitwete
oder ledige Frau hatte nur zwei Möglichkeiten, um selbstständig für ihren Unterhalt zu sorgen:
entweder sie wurde Prostituierte oder Marketenderin.
In dieser Übung lest ihr den folgenden Text aus dem II. Teil des Stücks. Eure Aufgabe besteht
darin, das Verhältnis der Mutter Courage zum Krieg zu analysieren. Bedenkt dabei, dass Krieg zu
dieser Zeit zum Alltag dazu gehörte. Ihr kennt es also nicht, dass kein Krieg herrscht. Diskutiert
miteinander und versucht zu einem einheitlichen Ergebnis zu kommen.
Im zweiten Teil dieser Übung versetzt ihr euch erneut in die Lage der Mutter Courage: Der Krieg
ist vorbei und es herrscht Frieden. Ihr seid nun arbeitslos, eure Dienste werden nicht mehr
verlangt. Zusätzlich habt ihr drei Kinder, die ihr versorgen müsst. Wie geht ihr mit dieser
Situation um? Schreibt euch zunächst in Einzelarbeit Stichpunkte auf und bringt eure Ergebnisse
anschließend zusammen.
14
Der dritte Teil dieser Übung baut auf den vorherigen auf. Ihr habt nun eine Lösung für das
„Problem“ des Friedens gefunden und habt das Leben der Courage-Familie daraufhin
ausgerichtet. Doch der Krieg bricht erneut aus. Könnt ihr eurem neuen Plan weiterhin folgen?
Oder stellt der Krieg ein Problem dar? Ist das Dasein als Marketenderin vielleicht doch
profitabler als euer Notfallplan?
II. Teil
[…]
1
Courage: Der Krieg soll verflucht sein.
2
Sommermorgen. Ein junger Mann. Glockenläuten. Dazu Courage und
Feldprediger. Später der Koch.
Feldprediger: Glocken! Frieden! Es ist Frieden!
Courage: Nicht, dass Friede ausgebrochen ist, wo ich eben neue Vorräte eingekauft
hab.
Feldprediger: Warum solln sie sonst die Glocke läuten?
Der junge Mann: Es ist Frieden!
Er geht.
Courage: Marandjosef! Kattrin, Friede! Zieh dein Schwarzes an! Wir gehen in
Gottesdienst. Das sind wir dem Schweizerkas schuldig. Obs wahr ist?
Feldprediger: Ich geh hinüber. Soll ich nicht mein geistliches Gewand anziehn?
Courage: Erkundigen Sie sich erst genauer, vor Sie sich zu erkennen geben als
Antichrist. Ich bin froh übern Frieden, wenn ich auch ruiniert bin.
Wenigstens zwei von den Kindern hätt ich durchgebracht. Jetzt wird ich
meinen Eilif wiedersehen.
Dazu der Koch.
Feldprediger: Und wer kommt da? Wenn das nicht der Koch ist!
Koch: Wen seh ich? Den Feldprediger!
[…]
Courage: Koch, Sie treffen mich im Unglück. Ich bin ruiniert.
Koch: Was? Das ist aber ein Pech.
Courage: Ich hab auf den Feldprediger sein Rat neulich noch Vorräte eingekauft.
[…]
Feldprediger: Sie sind eine Hyäne des Schlachtfelds.
Koch: Wenn sie meine Freundin beleidigen, kriegen Sie mit mir zu tun.
15
Feldprediger: Mit Ihnen red ich nicht. Sie haben mir zu durchsichtige Absichten.
zur Courage Aber wenn ich Sie den Frieden entgegennehmen
seh, so mit Daumen und Zeigefinger, dann empör ich mich menschlich,
denn dann seh ich, Sie wollen keinen Frieden, sondern Krieg, weil Sie
Gewinne machen, aber vergessen Sie dann auch nicht den alten Spruch:
Wer mitn Teufel frühstücken will, muss ein verdammt langen Löffel haben!
Courage: Ich hab nix fürn Krieg übrig, und er hat wenig genug für mich übrig. Ich
verbitt mir jedenfalls die Hyäne, wir sind geschiedene Leut.
Feldprediger: Warum beklagen Sie sich dann über Frieden, wenn alle Menschen
aufatmen? Wegen paar alte Klamotten in Ihrem Wagen?!
Courage: Davon leb ich, und Sie habens bisher auch.
Feldprediger: Also vom Krieg! Aha!
Koch: Als Erwachsener hätten Sie sich sagen müssen, dass man keinen Rat
gibt. zur Courage In der Lag können Sie jetzt nix Besseres mehr tun als
gewisse Waren schnell losschlagen, vor die Preise in Aschgraue sinken.
Ziehn Sie sich an und gehen Sie los, verliern Sie keine Minut!
Courage: Das ist ein ganz vernünftiger Rat. Ich glaub, ich machs.
Sie geht.
[…]
3
Courage kommt gelaufen.
Courage: Koch, der Frieden ist schon wieder aus! Gott sei Dank! In der Stadt
schießen Sie. Warum sind Sie betreten! Was ist los?
Koch: Nix.
Courage: Doch, es ist was. Ich sehs Ihnen an.
Koch: Weil wieder Krieg ist wahrscheinlich. Jetzt kann bis morgen abend
dauern, bis ich irgendwo was Warmes in Magen krieg.
16
Aufgabe 3
Gedankenexperiment
für die ganze Klasse
Gruppenarbeit
ca. 30min
Es kommt zu folgender Situation:
Der Krieg geht weiter – es ist kein Ende in Sicht. Mutter Courage muss ihren Karren neu
beladen. Einige Waren sind zwar klein, sodass noch genug Platz für andere Gegenstände ist,
bringen aber wenig Geld. Außerdem werden sie nicht häufig gekauft. Andere, gefragtere
Gegenstände nehmen viel Platz weg, bringen aber viel Geld ein.
Ihr seid Mutter Courage und entscheidet gemeinschaftlich, welche Waren in den Karren
kommen. Diskutiert! Was sind Vor- und Nachteile? Jeder Gegenstand hat einen Größenwert,
den ihr beachten müsst. Denn in den Karren passt nur ein Wert von 20.
Gegenstand Größenwert Einnahmen Nachfrage
Degen 2 9 Gulden niedrig
Gewehr 7 20 Gulden hoch
Dolch 3 10 Gulden niedrig
Karten 2 2 Gulden hoch
Verbandszeug 1 1 Gulden hoch
Rüstung 15 40 Gulden hoch
Brot 3 7 Gulden hoch
Munition 2 9 Gulden hoch
Wasser 3 8 Gulden hoch
Stiefel 3 5 Gulden normal
Wein 2 4 Gulden normal
Zigaretten 2 10 Gulden niedrig
Fleisch 3 8 Gulden hoch
Für das Ergebnis: Seid ihr die wirtschaftliche Schiene gefahren und habt den sozialen Aspekt
vollkommen außer Acht gelassen? Dann habt ihr zwar gut verdient, aber euer Ruf ist kaputt. Ihr
habt vielleicht nicht das, was dringend gebraucht wird. Habt ihr jedoch lediglich auf das Soziale
geachtet, habt ihr wahrscheinlich wenig verdient und müsst selbst darunter leiden. Überdenkt
eure Entscheidungen noch einmal und versucht, einen Mittelweg zu finden.
17
Anregungen für ein Nachgespräch
für die ganze Klasse
Nachbereitung
ca. 15min
Um den gesehenen Stoff im Unterricht nachbereiten zu können, geben wir Ihnen eine Auswahl
an Fragen für ein Nachgespräch mit anschließender Diskussion mit:
- Welche Szenen sind euch am stärksten im Kopf geblieben?
- Was waren die Charakterzüge der Figuren?
- In welchem Verhältnis stehen die Rollen zueinander? Haben sich die Verhältnisse
geändert?
- Wie wurde das Bühnenbild bzw. wie wurden die Requisiten genutzt?
- Welche technischen Mittel (Musik, Video etc.) kamen zum Einsatz?
- Was war schön, hässlich, traurig, lustig, aufregend, langweilig?
- Wie fandest du den Schluss?
- Wenn du Regisseur*in der Inszenierung gewesen wärst, was hättest du anders
gemacht?
- Könnt ihr das Verhalten der Mutter Courage nachvollziehen?
- Was hat euch an der Inszenierung gefallen bzw. nicht gefallen? Warum?
Wissenswertes zum Stück
- Brechts Stück wird 1941 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.
- Obwohl Brecht das Stück 1938/39 schreibt, entwickelt er es regelmäßig weiter und
verändert es.
- Die deutsche Uraufführung inszeniert Brecht 1948/49 selbst in Zusammenarbeit mit
Erich Engel am Deutschen Theater Berlin. Die Inszenierung ist heftig umstritten, aber
sehr erfolgreich.
- Anschließend lässt Brecht ein „Modellbuch“ veröffentlichen, welches vorschreibt, wie
sein Stück inszeniert werden muss.
- Bis Oktober 1949 erteilt Brecht keine deutsche Aufführungsgenehmigung – aus Angst
vor nationalsozialistischen Regisseuren.
- Die Figur der Kattrin arbeitete Brecht ein, um seiner Ehefrau, Helene Weigel,
Auftrittsmöglichkeiten auf der ganzen Welt zu verschaffen – unabhängig von der
Sprache.
- Die Figur des Schweizerkas wird im Englischen mit Swiss Cheese übersetzt.
18
Wie alles Gute ist
auch der
Krieg am
Anfang halt
schwer
zu machen.
19
Service: Theater & Schule
Das Theater Paderborn bietet ein buntes Rahmenprogramm im Bereich THEATER & SCHULE.
Mit diesem Ansatz möchten wir erreichen, dass kulturelle Bildung flächendeckend für Kinder und
Jugendliche ermöglicht wird.
Mit unseren WUNSCHVORSTELLUNGEN bieten wir Vorstellungstermine an, die vorrangig von
KiTas und Schulen besucht werden. Mit dem Formular WUNSCHZETTEL melden Sie sich für
die Schulvorstellungen an. Der Termin kommt zustande, wenn genügend Anmeldungen von
Schulen aus dem Umkreis bei uns eingegangen sind. Unser Ziel ist eine höhere Anzahl an
Vorstellungen im Vor- und Nachmittagsbereich anbieten zu können, um den Lehrinstitutionen die
Planung eines Theaterbesuchs erleichtern zu können. Für die folgenden Termine können Sie sich
aktuell unter [email protected] anmelden:
MUTTER COURAGE: DIE VERWANDLUNG:
Mittwoch, 07.02.2018, 15:00 Uhr Dienstag, 09.01.2018, 15:00 Uhr
Dienstag, 27.02.2018, 11:00 Uhr Donnerstag, 18.01.2018, 15:00 Uhr
Dienstag, 27.02.2018, 15:00 Uhr
Mittwoch, 28.02.2018, 11:00 Uhr
Mittwoch, 28.02.2018, 15:00 Uhr
Sollten Sie Tickets für unsere regulären Vorstellungen für Gruppen/Klassen buchen wollen,
nutzen Sie bitte ebenfalls den WUNSCHZETTEL und schicken diesen an lojewski@theater-
paderborn.de.
Alternativ haben wir eine Buchungshotline exklusiv für Pädagog*innen eingerichtet. Jeden
Mittwoch erreichen Sie zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr unsere Kassenleitung, Heike
Lojewski, unter 05251/2881 188.
Auch unsere Sichtungsproben sind exklusiv für Erzieher*innen und Lehrer*innen. Wenn Sie noch
vor der Premiere in unsere Inszenierung schnuppern möchten, um zu sehen, ob Sie das Stück
für Ihre Gruppen/Klassen für geeignet halten, melden Sie sich unter theaterpaedagogik@theater-
paderborn.de an und kommen Sie in eine unserer Hauptproben. Im Anschluss findet außerdem
noch ein Nachgespräch mit unseren Dramaturgen statt, sodass Sie einen tieferen Einblick in das
Gesehene bekommen können. Termine werden in den Monatsspielplänen bekannt gegeben.
Weitere Infos finden Sie unter: http://www.theater-
paderborn.de/final/html/theateraktiv_theater_und_schule.php.
Außerdem bieten wir Improworkshops, stückbegleitende Workshops sowie Hausführungen für
Gruppen an. Mehr dazu unter: http://www.theater-
paderborn.de/final/html/theateraktiv_workshops.php.
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Sekundärmedienpool: Literatur/Filme
Bücher: Brecht, Bertolt: Das Leben des Galilei. Suhrkamp, 1998.
Erckmann-Chatrian, Emile: Die Marketenderin. Salzwasser-Verlag GmbH, 2013.
Pantle, Christian: Der Dreißigjährige Krieg: Als Deutschland in Flammen stand.
Propyläen Verlag, 2017 .
Voß, Christin: Kindersoldat(inn)en: Ein Phänomen der Gegenwart und Zukunft?!.
Forum Vlg Godesberg, 2011.
Filme: Wirth, Franz Peter: Wallenstein. STUDIOCANAL, 2013.
Klimow, Elem Germanowitsch: Komm und sieh (OT: Иди и смотри). Belarusfilm
& Mosfilm, 1985.
Till, Eric: Luther. Warner Home Video, 2011.
Impressum Herausgeber Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele GmbH Intendanz und Geschäftsführung Katharina Kreuzhage
Vorsitzender des Aufsichtsrates Michael Dreier Redaktion Dr. Daniel Thierjung (Dramaturgie) & Steven Wadulla (Theaterpädagogik) Gestaltung Steven Wadulla (Theaterpädagogik) Fotos Theater Paderborn / Christoph Meinschäfer
Förderer der Theater Paderborn Westfälische Kammerspiele GmbH Stadt Paderborn / Kreis Paderborn / Ministerium für Familie, Kinder, Jugend und Sport des Landes NRW / Theaterfreunde e.V.
Quellen
https://www.inhaltsangabe.de/autoren/brecht/
http://www.spiegel.de/spiegel/herfried-muenkler-ueber-den-dreissigjaehrigen-krieg-a-1175447.html
Italo Michele Battafarano, Hildegard Eilert: Courage. Die starke Frau der deutschen Literatur. Bern: Lang 2003.
Walter Hinck: Mutter Courage und ihre Kinder. Ein kritisches Volksstück. In: Walter Hinderer: Interpretationen:
Brechts Dramen. Stuttgart : Reclam 1995.
Klaus-Detlev Müller (Hg.): Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1982.
WUNSCHZETTEL
Bei der Anfrage von WUNSCHVORSTELLUNGEN schicken Sie das ausgefüllte Formular bitte per Mail an [email protected].
Möchten Sie Schultheaterkarten für unsere regulären Vorstellungen buchen,
senden Sie das ausgefüllte Formular bitte an [email protected].
Theater Paderborn Westfälische Kammerspiele GmbH
Neuer Platz 6 | 33098 Paderborn | Telefon 0 52 51 / 2881 202 | [email protected] | www.theater-paderborn.de Geschäftsführung: Katharina Kreuzhage | Eingetragen beim Amtsgericht Paderborn HRB 2155 | Steuer-Nr. 339/5778/0728 | USt-ID DE153343260
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Ansprechpartner*in
Ort
Telefonnummer
Vorstellung
Anzahl der Schüler*innen
davon Rollstuhlplätze
Anzahl der Begleitpersonen
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Ersatztermin
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