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Professur für Allgemeine Psychologie
Vorlesung WS 2011/12
Motivation, Volition, Handeln
Volition und kognitive Kontrolle
Prof. Dr. Thomas Goschke
Literaturempfehlungen
Goschke, T. (2007). Volition und kognitive Kontrolle. In J. Müsseler (2007). Lehrbuch Allgemeine Psychologie (2. Auflage). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Gazzaniga, M., Ivry, R. & Mangun, R. (2007). Cognitive neuroscience. The biology of the mind (3nd Ed.). Norton. (Chapter: Executive functions and frontal lobes)
„Da der Geist… die Kraft besitzt, bei der Verwirklichung irgendeines Wunsches innezuhalten…, so hat er auch die Freiheit, ihre Objekte […] von allen Seiten zu prüfen und gegen andere abzuwägen…
Hier scheint mir die Quelle aller Freiheit zu liegen []. Denn ehe noch die Handlung vollzogen wird, haben wir Gelegenheit, das Gute oder Üble an der Handlung, die wir vorhaben, [] zu beurteilen.
(Locke, 1690, Essay Concerning Human Understanding)
Komponenten der Selbstkontrolle
„bei der Verwirklichung eines Wunsches innehalten“
Hemmung spontaner Impulse
„Das Gute oder Üble an der Handlung, die wir vorhaben, beurteilen“
Antizipation und Abwägung von Handlungseffekten
„entsprechend dem Endergebnis einer ehrlichen Prüfung wollen und handeln“
Selbstdetermination
Handlungskontrolltheorie von Kuhl
Motivation vs. Volition
Zielselektion Auswahl von Zielen aufgrund ihrer Wünschbarkeit und
Erreichbarkeit
Bildung von verbindlichen Absichten
Zielrealisierung (Volition; Handlungskontrolle) Aufrechterhaltung, Abschirmung und Realisierung einer einmal
gebildeten Absicht
Handlungskontrollstrategien
Kuhl, 1983; Kuhl & Goschke, 1994; Kuhl, 2001
Motivationskonflikte und Handlungskontrolle
Multiple Motivationstendenzen
In vielen Situationen werden mehrere Motivationstendenzen durch Anreize oder Bedürfniszustände mehr oder weniger stark angeregt
Konflikte zwischen inkompatiblen Handlungstendenzen Aktuelle Bedürfnisse vs. antizipierte zukünftige Bedürfnisse Spontane emotionale Impulse oder Gewohnheiten vs. langfristige Ziele
Handlungskontrolle Kognitive Mechanismen, die die Realisierung von Absichten in Konfliktsituationen
unterstützen Abschirmung von Absichten gegen konkurrierende Motivationstendenzen
Inhibition unerwünschter Reaktionen
Kuhl, J. (1983). Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle. Heidelberg, New York & Tokyo: Springer.
Volition (Handlungskontrolle)
Volitionale Prozesse verstärken „die mit einem Vorsatz kompatiblen Reaktionstendenzen, so daß sie anstelle der zunächst stärkeren gewohnheitsmäßigen oder impulsiven Reaktionen ausgeführt werden können“
Volition = „psychische Funktionen, welche die Koordination einzelner Teilfunktionen… aufgrund eines einheitlichen Steuerungsprinzips vermittelt, das wir „Absicht“ oder „Ziel“ nennen.“
Kuhl (1996)
Kognitive Kontrolle
• Kognitive Mechanismen, die…
die Koordination und Konfiguration sensorischer, kognitiver und motorischer Systeme im Sinne übergeordneter Ziele vermitteln
die Selektion einer an sich schwächeren Reaktion oder Informationsquelle ermöglichen, wenn diese in Konflikt mit starken, aber aufgabenirrelevanten Reizen oder Reaktionen stehen
Miller & Cohen (2001). Annual Review of Neuroscience
Wann wird kognitive Kontrolle benötigt?
Reizunabhängiges Verhalten
Reaktionen, die nicht eindeutig durch den Stimulus festgelegt sind
Zielabhängige Modulation von Verhaltensbereitschaften
Neue und ungeübte Handlungen
Neuartige „Konfigurierung“ von Verarbeitungssystemen
Etablierung arbiträrer Reiz-Reaktions-Bindungen
Planung neuer Handlungssequenzen
Abschirmung und Inhibition
Inhibition störender Reize
Unterdrückung starker, aber inadäquater Reaktionen
Aufschub von Bedürfnissen / Unterdrückung von emotionalen Impulsen
Strategien der Handlungskontrolle
1. Umweltkontrolle: Bedingungen in der Umwelt werden so arrangiert, daß die Realisierung einer Absicht gefördert wird
Kuhl, J. (1983). Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle. Heidelberg, New York & Tokyo: Springer.
Strategien der Handlungskontrolle
1. Umweltkontrolle: Bedingungen in der Umwelt werden so arrangiert, daß die Realisierung einer Absicht gefördert wird
2. Aufmerksamkeitskontrolle: Die Aufmerksamkeit wird auf Informationen gerichtet, die die Realisierung einer Absicht fördert
Kuhl, J. (1983). Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle. Heidelberg, New York & Tokyo: Springer.
Aufmerksamkeitskontrolle und Versuchungsresistenz (Mischel 1996)
Kind entscheidet sich, sich auf eine Aufgabe konzentrieren, um später Belohnung zu erhalten
Während der Aufgabe erscheint „Mr. Clown Box“ und zeigt interessante Dinge in einem Schaufenster
Fähigkeit, sich nicht ablenken zu lassen, wird durch Selbstkontrollinstruktion gefördert, die die Aufmerksamkeit von der Versuchungsquelle weglenkt („Ich werde nicht zu Mr. Clown Box schauen“)
Bedeutung des inneren Sprechens für die Selbststeuerung (Luria, 1961; Vygotski, 1962):
Externe Instruktionen von Bezugspersonen Interiorisierung (inneres Sprechen) Selbstkontrolle durch Selbstinstruktionen
Aufmerksamkeitskontrolle und Belohnungsaufschub (“delay of gratification”)
(Mischel, 1972, 1996)
Belohungsaufschubparadigma
Kindern wird erklärt, dass sie eine attraktive Belohnung (z.B. Süßigkeit) erhalten, wenn sie warten, bis der Versuchsleiter zurückkommt
Die Kinder können der Versuchsleiter vorher mit einer Klingel zurückrufen, erhalten dann aber nur eine weniger attraktive Belohnung
Kinder warten länger, wenn sie über metakognitives Selbstkontrollwissen verfügen
Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken
Versuchungsquelle (Süßigkeit) nicht anschauen
sich vorstellen, es sei nur ein Bild
Belohnungsaufschub (“delay of gratification”)
Werden Kindergartenkindern (3-5 J.) instruiert, sich während des Wartens mit angenehmen Dinge zu beschäftigen (z.B. Singen), halten sie das Warten länger aus (Mischel et al., 1972)
Kindern < 5 J. haben unzureichendes Wissen über effektive Strategien (z.B. dass es hilft, das begehrte Objekt nicht anzuschauen)
Spontaner Gebrauch von Selbstkontrollstrategien ab Vorschulalter (5-6 J.) (z.B. Augen zuhalten)
Regelmäßiger Erfolg in der Belohnungsaufschubaufgabe ab ca. 10 Jahren ( Wissen über Selbstkontrollstrategien)
Langfristige Korrelate des Belohnungsaufschubs
Studie von Mischel, Shoda, & Peake (1989)
10 Jahre nach dem Belohnungsaufschub-Experiment sollten Eltern die Persönlichkeit ihrer Kinder einschätzen
Kinder, die im Alter von 4 länger auf die Belohnung gewartet hatten,
zeigten bessere Schulleistungen
waren sozial kompetenter
sprachlich versierter
konzentrierter bei einer Sache
Neigten mehr zum Vorausplanen
konnten besser mit Frustration und Stress umgehen
Mischel, Shoda, & Peake (1989). Journal of Personality and Social Psychology, 54, 687-696.
Langfristige Korrelate des Belohnungsaufschubs
Vier Bedingungen beim Belohnungsaufschub:
Belohnung (Süßigkeit) war sichtbar oder verdeckt
Kinder erhielten Selbstkontroll-Instruktion (“Versuche an etwas anderes zu denken”) oder nicht (spontaner Einsatz von Ablenkungsstrategien)
Shoda, Mischel, & Peake (1989). Developmental Psychology, 26, 978-986
Strategien der Handlungskontrolle
1. Umweltkontrolle: Bedingungen in der Umwelt werden so arrangiert, daß die Realisierung einer Absicht gefördert wird
2. Aufmerksamkeitskontrolle: Die Aufmerksamkeit wird auf Informationen gerichtet, die die Realisierung einer Absicht fördern
3. Enkodierkontrolle: Reizmerkmale, die relevant für eine Absicht sind, werden bevorzugt oder tiefer enkodiert
4. Emotionskontrolle: es werden Emotionen generiert, die der Absichtsrealisierung förderlich sind (z.B. gute Laune)
5. Motivationskontrolle: positive Anreize des Ziels werden fokussiert oder aufgewertet
6. Sparsame Informationsverarbeitung: Beschränkung auf relevanteste Information Abbruch des Abwägens zugunsten einer Intention
7. Mißerfolgsbewältigung: Ablösung von unerreichten oder unerreichbaren Zielen
Kuhl, J. (1983). Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle. Heidelberg, New York & Tokyo: Springer.
Neuronale Grundlagen der kognitiven Kontrolle
Willentliche Selbststeuerung als Gegenstand der empirischen Forschung
Welche kognitiven und neuronalen Prozesse liegen der willentlichen Handlungssteuerung zugrunde?
Gibt es im Gehirn eine „zentrale Steuerinstanz“, die Willenshandlungen kontrolliert?
Wie interagieren kognitive und emotionale Prozesse bei der Handlungssteuerung?
Willentliche Handlungssteuerung als Ergebnis der Gehirnevolution
Erweiterter Zeithorizont: Antizipation
von beliebig weit in der Zukunft liegenden Handlungsfolgen
Planen und mentales Probehandeln
Antizipation zukünftiger Bedürfnisse
Belohnungsaufschub zugunsten langfristiger Ziele
Abkoppelung des Verhaltens von der unmittelbaren Reizsituation
Der Fall des Phineas Gage
Frontale Läsionen zeigen sich in “einer Unfähigkeit des Patienten, seine Bewegungen den sprachlich geäußerten Intentionen unterzuordnen, in einer Desintegration organisierter Handlungsprogramme, und in der Ersetzung von zielgerichtetem Handeln durch stereotype Wiederholungen von Bewegungen..."
(Luria, 1973, S. 37)
Dorsolateraler
PFC
Ventrolateraler
PFC
Orbitofrontaler Kortex
Anteriorer
PFC
Frontalkortex
Zentralfurche
Prämotorischer
Kortex
SMA
Dorsolateral
Frontopolar
Frontales
Augenfeld
Ventrolateral
Orbitofrontal
Anteriorer
cingulärer
Kortex
Ventromedial
(A)
(B)
Integrative Funktionen
Kontrollfunktionen
PFC hat reziproke Verbindungen zu
den meisten Assoziationsfeldern des
Neokortex sowie zu subkortikalen
Regionen, die an Emotionen und
Belohnungsprozessen beteiligt sind
Funktionen des Präfrontalkortex
Flexible Anpassung an wechselnde Ziele und Aufgaben
Abschirmung von zielrelevanten Informationen gegen störende Reize
Inhibition automatisierter Reaktionen
Regulation emotionaler Impulse
I.
Flexible Anpassung des Verhaltens an wechselnde Kontexte und Ziele
Dissoziation zwischen (verbalen) Intentionen und Verhalten: Eine Fallbeschreibung
• 69jährige Hausfrau mit linker Frontalhirnschädigung
• Instruktionen, Serie von Kreisen zu zeichnen
• Nach einiger Zeit neue Instruktion: Serie von A‘s zeichnen
• Pt. fährt fort, Kreise zu zeichnen, obwohl sie selbst sagt, dass sie das Falsche tut!
Dissoziation zwischen (verbalen) Intentionen und Verhalten: Eine Fallbeschreibung
Asked to make a square, the patient scrawled an “0”.The most striking aspect of her behavior was that she immediately exclaimed as she did this that it was not a square, nevertheless went over and over her “0” laboriously, never managing to give corners to the figure.
When asked to draw a square the patient began drawing an A, simultaneously exclaiming “that’s not a square - I guess I draw you an A.” When the command to draw a square was repeated another A was produced
However, when a square was then drawn for her as a visual model and she was asked to make a copy, she quickly and accurately made a square.
Perseveration: Wisconsin Card Sorting Test
• Probanden sollen Karten nach einem ihnen unbekannten Kriterium sortieren (Farbe, Form, Anzahl)
• Feedback nach jeder Zuordnung
• Nach 10 korrekten Zuordnungen Wechsel des Klassifikationskriterium
• Frontalhirnpatienten (insb. DLPFC) machen mehr Perseverationsfehler und meistern weniger Kategorien
Milner, B. (1963). Effects of different brain lesions on card-sorting. Archives of Neurology, 9, 90-100.
Drewe, E.A. (1974). The effect of type and area of brain lesion on Wisconsin Card Sorting Test performance. Cortex, 10, 159-170.
Perseveratives Verhalten und mangelnde Steuerung durch Ziele
Goal neglect
• Lesen sie die Buchstaben auf der LINKEN Seite laut vor
K S
P M
L A
T K
• Wenn ein „+“ erscheint, lesen Sie von da an die Buchstaben auf der RECHTEN Seite
• Wenn ein „-“ erscheint, lesen Sie von da an die Buchstaben auf der LINKEN Seite
Duncan, J., Emslie, H., Williams, P., Johnson, R., & Freer, C. (1996). Cognitive Psychology, 30, 257–303.
Perseveratives Verhalten und mangelnde Steuerung durch Ziele
Goal neglect
READY
Schauen nach links
A G
5 8
S E
F Z
B P
+
4 3
7 1
Perseveratives Verhalten und mangelnde Steuerung durch Ziele
Goal neglect
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
An
zah
l Feh
ler
(m
ax.
= 3
)
Frontalhirnpatienten
Kontrollprobanden
Buchstabe lesen
Aufgabenwechselparadigma
Farbe benennen
A
B
E
B
C
A
D
E
A
B
A
C
B
D
C
A
E
B
A
D
B
Abwechselnd Farbe
benennen und Buchstabe
lesen
Wechselkosten
300
400
500
600
700
800
Reakti
on
szeit
(m
sec)
0
5
10
Wiederholung Wechseln
Feh
ler
(%)
Wechsel-
kosten
Aus: Gazzaniga, Ivry, Mangun (2002).
Wechselkosten bei Patienten mit Frontalhirnverletzungen
Präfrontal- patienten
Kontroll- probanden
Aufgabe 2
Auf Farbe reagieren
Flexible Anpassung des Verhaltens an wechselnde Ziele
Aufgabe 1
Auf Form reagieren
Gruber, O. & Goschke, T. (2004). Acta Psychologica, 115, 105-121.
Gruber, Karch, Schlueter, Falkai, & Goschke (submitted) Gruber, Karch, Schlueter, Falkai, Goschke (2006). Neuroimage.
Hirnaktivität während der Vorbereitung auf die nächste
Aufgabe
Linker inferiorer Präfrontalcortex
Parietalcortex
Gruber, Karch, Schlueter, Falkai, Goschke (2006).Neuroimage.
Flexibles Wechseln zwischen Reaktionsdispositionen
46
II.
Aufrechterhaltung und Abschirmung zielrelevanter Information
The spatial delayed-response eye-gaze task
Gluck, Mercado and Myers: Learning and Memory,
Copyright © 2008 by Worth Publishers Funahashi et al., 1989
III.
Unterdrückung automatisierter Reaktionen
Unterdrückung von Gewohnheiten „Benutzungsverhalten“
• Unwillkürliche Ausführung von Gewohnheitshandlungen
• Deutet auf mangelnde Inhibition automatisierter Routinen
Lhermitte, F. (1983). Brain, 106, 237-255.
Shallice, T. et al. (1989). Brain 112 : 1587–1598.
Lesen Sie bitte die Wörter!
Grün
Rot
Blau
Gelb
Rot
Blau
Grün
Benennen Sie bitte die Farben!
Grün Rot
Rot Gelb
Blau Grün
Gelb Blau
Rot Grün
Blau Gelb
Grün Rot
Hirnaktivierung in der Farb-Wort-Interferenz-Aufgabe
Grün Rot
Rot Gelb
Blau Grün
Gelb Blau
Rot Grün
Blau Gelb
Kontrast: Inkongruente - kongruente Reize
Lateraler präfrontaler
Cortex
Anteriorer cingulärer
Cortex
Leung, Skudlarski, Gatenby, Peterson, & Gore (2000). Cerebral Cortex, 10, 552-560.
56
IV. Emotionsregulation
Emotionsregulation
Prozesse, mit denen Individuen willentlich beeinflussen, welche Emotionen sie erleben und ausdrücken
Verschiedene Komponenten von Emotion:
Kognitive Bewertung
Verhalten
Gesichtsausdruck
Physiologische Erregung
Kognitive Regulationstrategien
Rationalisierung / Distanzierung
Umbewertung
Unterdrückung des Emotionsausdrucks
Emotionsregulation
Experiment zur Emotionsregulation
Zulassen! Unterdrücken! Zulassen! Unterdrücken!
Willentliche Emotionsunterdrückung korreliert mit reduzierter Aktivierung der Amygdala
PN PX SN SX PX SNPN SXPX SNPN SXZul. Neut.
Unt. Neut.
Zul. Neut.
Unt. Neut.
Zulass. Neg.
Zulass. Neg.
Unterdr. Neg.
Unterdr. Neg.
Willentliche Emotionsunterdrückung korreliert mit erhöhter Aktivierung im Frontal- und Parietalkortex
PX SNPN SXPX SNPN SX PX SNPN SXPX SNPN SXZul. Neut.
Unt. Neut.
Zul. Neut.
Unt. Neut.
Zulass. Neg.
Zulass. Neg.
Unterdr. Neg.
Unterdr. Neg.
Zusammenfassung: Präfrontaler Kortex und kognitive Kontrolle
Anpassung des Verhaltens an wechselnde Ziele und Aufgaben
Abschirmung von zielrelevanten Informationen gegen störende Reize
Unterdrückung automatisierter Reaktionen
Emotionsregulation
Flexible Kontrolle neuer oder ungeübter Handlungen, die nicht durch automatisierte Reaktionen bewältigt werden können
DLPFC Aktive Aufrechterhaltung von Zielrepräsentationen
NA DA
HT5
„Top-Down“ Modulation konkurrierender Reizrepräsentationen durch aktive Ziele
R inferiorer lPFC u.a. Reaktionsinhibition
Kognitives Kontrollnetzwerk
(Präfrontaler Cortex) • Antizipation langfristiger Folgen
• Handlungsplanung
• Aufrechterhaltung von Zielen
• Inhibition störender Reize
Motivational-affektives Netzwerk
(VTA; NAc; Striatum; Amygdala)
• Lernen von Reiz-Belohnungs-Regeln
• Impulsive emotionale Reaktionen
• Reaktion auf unmittelbare Anreize
Kognitive Kontrolle emotionaler Reaktionen
Konflikt-Überwachungs-
Netzwerk
(medialer PFC) • Konfliktüberwachung
• Fehlerentdeckung
• Verarbeitung von Rückmeldungen
Willentliche Reaktions-aktivierung
Mobilisierung von Kognitiver Kontrolle
Reaktionssysteme
Konflikt
Feedback
Impulsive
Handlungen Bühringer, Wittchen, Gottlebe Kufeld, & Goschke, (2008). Internat. J. of Methods in Psychiatric Research, 17(1 Suppl.), S4-S15.
Warum tun wir nicht immer das, was wir wollen? Intertemporale Entscheidungskonflikte
ODER
Später…
Jetzt
Koexistenz multipler Bewertungs- und Kontrollsysteme
Mit der Evolution „höherer“ kognitiver Funktionen wurden phylogenetisch ältere emotionale und motivationale Systeme nicht eliminiert, sondern diese erfüllen nach wie vor wichtige adaptive Funktionen (Bsp. Furcht)
In modernen Umwelten kann es zu Konflikten zwischen unmittelbaren emotionalen Bewertungen und antizipierten langfristigen Zielen kommen
LeDoux (2000)
„Das Schwierige im Leben ist es, Herz und Kopf dazu zu bringen zusammenzuarbeiten - in meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis“ (Woody Allen)
Interaktion emotionaler und kognitiver Kontrollsysteme bei intertemporalen Konflikten
JETZT !
In 6 Wochen
oder
McClure et al. (2004). Science, 306, 503-507.
Neuronale Korrelate impulsiver und selbstkontrollierter Entscheidungen
McClure et al. (2004). Science, 306, 503-507.
Aktivierung des dopaminergen Belohnungssystems bei unmittelbaren Belohnungen
Aktivierung im dorsolateralen Präfrontalkortex war größer bei Entscheidungen für verzögerte Belohnungen
Ventrales Striatum Medialer orbitofrontaler Kortex
Neuronale Korrelate impulsiver vs. reflektierter Entscheidungen
McClure et al. (2004). Science, 306, 503-507.
Präfrontal- & Parietalkortex
Limbische Regionen
Kleine
sofortige
Belohnung
gewählt
Größere
verzögerte
Belohnung
gewählt
Sensitiv für unmittelbar verfügbare Belohnungen/ Bestrafungen
Anreizmotivation durch sofortig verfügbare Belohnung
u.a. Amygdala, Striatum, N.acc.
Vermittelt Antizipation zukünftiger Belohnungen/Bestrafungen
Unterdrückung aktueller emotionaler Reaktionen
PFC, ACC, OFC, Hippokampus
Impulsives System Reflektiertes System
Zwei-Systeme-Hypothese
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Können Laboraufgaben zur Messung kognitiver Kontrolle alltägliche Selbstkontrolle vorhersagen?
Berkman, Falk & Lieberman, 2011, Psychol. Science
27 Raucher mit der Absicht, das Rauchen aufzugeben
Go/no-go Aufgabe im MRTR-Scanner
„Erlebnis-Sampling“: 8 pro Tag für 3 Wochen Probanden registrierten Stärke des Verlangens zu Rauchen und Anzahl der danach tatsächlich gerauchten Zigaretten
A D V D M C L A X S K A W A X P
Demo: Go/NoGo Task
Reagieren Sie so schnell wie möglich auf den alle Buchstaben
mit Ausnahme des „X“!
Neural correlates of breaking the link between craving and smoking
(Berkman, Falk & Lieberman, 2011, Psych. Sc.
Neural measure of response inhibition = difference between brain activation on successful no-go trials vs. go trials
Können Messungen der Hirnaktivität im Labor alltägliche Selbstkontrolle vorhersagen? Berkman et al., 2011, Psychol. Science
82
Niedrige präfrontale Aktivierung Je stärker das Verlangen, umso mehr wurde geraucht
Hohe präfrontale Aktivierung Kein Zusammenhang zwischen Verlangen und Rauchen
Verlangen nach einer Zigarette
Schwach Stark
Mit
tler
e Za
hl g
erau
chte
r Zi
gare
tten
Niedrige frontale Aktivierung Mittlere frontale Aktivierung Hohe frontale Aktivierung
Aktivierung im rechten inferioren Frontalkortex in NoGo (Inhibitions-) Durchgängen
Klinische Implikationen:
Beeinträchtigte Konfliktüberwachung und kognitive Kontrolle
bei Sucht und Substanzmissbrauch
Now
Later
Beeinträchtigte volitionale Kontrollprozesse bei Sucht und abhängigem Verhalten?
Sucht und abhängiges Verhalten als kognitive Kontrollstörungen
Verlust der Kontrolle über den Substanzgebrauch trotz Einsicht in die langfristigen schädlichen Konsequenzen
Starkes, oft unüberwindbares Verlangen, die Substanz einzunehmen
Entzugssymptome & Toleranzentwicklung
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Verpflichtungen, Aktivitäten, Vergnügen oder Interessen
Kognitive Kontrolle
(Präfrontaler Cortex) • Antizipation langfristiger Folgen
• Handlungsplanung
• Aufrechterhaltung von Zielen
• Inhibition störender Reize
Motivational-affektives Netzwerk
(VTA; NAc; Striatum; Amygdala)
• Lernen von Reiz-Belohnungs-Regeln
• Impulsive emotionale Reaktionen
• Reaktion auf unmittelbare Anreize
Kognitive Kontrolle emotionaler Reaktionen
Konflikt-Überwachung
(medialer PFC) • Konfliktüberwachung
• Fehlerentdeckung
• Verarbeitung von Rückmeldungen
Willentliche
Reaktions-
aktivierung
Mobilisierung von
Kognitiver Kontrolle
Reaktionssysteme
Impulsive
Handlungen
Reduzierte Sensitivität
Für Konflikte oder
Negative Rückmeldungen
Sucht geht mit Beeinträchtigungen kognitiver
Kontrollfunktionen einher
Drogenabhängige zeigen beeinträchtigte Leistungen in Aufgaben,
die kognitive Kontrolle erfordern
Drogenabhängigen zeigen strukturelle und funktionelle
Veränderungen in präfrontalen Hirnregionen
Bechara et al., 2006; Garavan & Stout, 2005; Kalivas & Volkow, 2005; Lubman et al., 2004).
Opiatabhängige Probanden ohne weitere psychische oder
neurologische Störungen
Kontrollprobanden ohne Substanzabhängigkeit oder -missbrauch
Beide Gruppen parallelisiert bzgl. Alter, Geschlecht, elterlichem
Bildungsniveau
Aktivierung im anterioren cingulären Kortex (ACC) bei Fehlern
Kontrollprobanden zeigen erhöhte
ACC-Aktivierung nach Fehlern (graue
Balken)
Opiatabhängigen zeigen keine ACC-
Aktivierung nach Fehlern
Erhöhte ACC-Aktivierung nach Fehlern
korrelierte mit besserer Performanz in
Kontrollprobanden , nicht aber den
Opiatabhängigen
Solid circles = Opiate-Addicted
Open circles = Matched Control
Mögliche Implikationen
Beeinträchtigte Konflikt- und Fehlerüberwachung bei Abhängigen könnte zu einer mangelnden Mobilisierung kognitiver Kontrolle führen
Verhalten wird primär durch (mit Drogen assoziierte) Reize gesteuert
Dominanz konditionierter Gewohnheiten (“Habits”)
Diese Effekte können durch akuten Stress oder zusätzliche kognitive Belastung weiter verstärkt werden
Konflikt-entdeckung
(ACC)
Kognitive Kontrolle
(PFC)
Mobilisierung
Konflikt
Regulation Bewertung
Abschließende Bemerkungen und offene Fragen
Zusammenfassung:
Funktionen des präfrontalen Kortex
Flexibles Wechseln zwischen Aufgaben und Zielen
Aktive Aufrechterhaltung von Zielrepräsentationen
Planen und inneres Probehandeln
Abschirmung gegen Störreize
Unterdrückung automatisierter Reaktionen
Selbstregulation emotionaler Reaktionen
Belohnungsaufschub
„The prefrontal cortex is the anatomical basis
for the function of control"
„Human will appears to be a frontal function“
(Stuss und Benson, 1986, p. 243/244).
Die Idee einer zentralen Steuerinstanz
"Das kognitive System wird von einem einheitlichen zentralen
bewussten Mechanismus gesteuert... "
(Norman und Bobrow, 1975, S.147).
„das Exekutivsystem bildet Absichten und erteilt Kommandos"
(Logan & Cowan, 1984)
„Intentionale Handlungen werden durch das Exekutivsystem
kontrolliert“
(Schacter et al., 1989)
„das Selbst ist der Kontrolleur kontrollierter Prozesse“
(Baumeister, 2000, S. 25)
Probleme der Idee einer zentralen Steuerinstanz
• Wenn der PFC eine zentrale Steuerinstanz ist, wer kontrolliert dann
den PFC?
• Eine Theorie der kognitiven Kontrolle muss erklären, wie
Kontrollprozesse selbst adaptiv reguliert werden, ohne dass eine
innere Kontrollinstanz postuliert wird!
• Modul Kognitive Neurowissenschaften (5. + 6. Semester)
• Seminar Willentliche Handlungssteuerung und kognitive Kontrolle
SS 2012
dlPFC Zielrepräsentationen
vmPFC Wertrepräsen-
tationen Emotionsregulation
Basalganglien
Ventral striatum
Belohnungs-vorhersage
Dorsal striatum
mPFC / ACC Konflikt- & Fehler-
überwachung
Gating (Dopamin)
Hippocampus Episodisches Gedächtnis Antizipation
Amygdala Emotionale
Salienz
Premotor
Modulation posteriorer Repräsentationssysteme
aPFC Koordination
multipler Ziele
Der präfrontale Cortex ist kein homogenes Kontrollsystem, sondern ein komplexes Netzwerk von Teilsystemen mit spezifischen Funktionen, die ihrerseits mit emotionalen und motivationalen Systemen interagieren und durch diese moduliert werden
Gibt es Willensfreiheit?
Zeigen die Neurowissenschaften, dass nicht „Ich“, sondern „mein
Gehirn“ entscheidet?
Zeigen die Neurowissenschaften, dass Willensfreiheit eine Illusion
ist?
• Modul Kognitive Neurowissenschaften (5. + 6. Semester)
• Seminar Willentliche Handlungssteuerung und kognitive Kontrolle
SS 2012