modellversuche zum erd- und auflastdruck auf winkelstützwände

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891 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 84 (2007), Heft 12 1 Einleitung Bei der Berechnung von Winkelstütz- wänden werden – ebenso wie bei vie- len Stützkonstruktionen – zwei Trag- systeme betrachtet: Zum einen ist dies das Gesamttragwerk Baugrund-Stütz- bauwerk-Hinterfüllung, für welches die bodenmechanischen Nachweise der Flachgründung sowie des Gelän- desprungs zu führen sind. Zum ande- ren erfolgt am Einzeltragwerk Winkel- stützwand der Nachweis der Bauteil- querschnitte. In beiden Fällen bildet der Erddruck eine maßgebliche Ein- wirkung. Der allgemein übliche Erddruck- ansatz für das im Grenzzustand der Tragfähigkeit befindliche Gesamttrag- werk geht auf Mörsch [13] zurück. Man nimmt zwei ebene Gleitflächen an, deren unterer Ansatzpunkt am erd- seitigen Ende des Horizontalschenkels liegt (Bild 1). Diese bilden einen Keil, in dem der aktive Rankinesche Zu- stand herrscht. Deshalb wird bei der Nachweisführung in der 1. Gleitfläche bzw. im vertikalen Schnitt durch das erdseitige Ende des Horizontalschen- kels der aktive Erddruck angesetzt. Für den Nachweis von Tragfähig- keit und Gebrauchstauglichkeit der Bauteilquerschnitte am Einzeltrag- werk Winkelstützwand interessieren die Kontaktdrücke zwischen Wand, Hinterfüllung und dem unter der Wand vorhandenen Baugrund. Die Berechnungsansätze für den am Ver- tikalschenkel einwirkenden Erddruck unterscheiden sich erheblich (siehe z. B. [1], [5], [8], [15], [17], [18]). Sie reichen von einem umgelagerten ak- tiven Erddruck [5] bis nahezu zum Erdruhedruck [17]. Eine systematische Untersuchung der Boden-Bauwerk-Interaktion mit Modellversuchen unter Berücksichti- gung der lagenweisen Hinterfüllung ist bislang nicht bekannt. Es wurden lediglich die Auswirkungen statischer und zyklischer Oberflächenlasten in Zentrifugenversuchen untersucht [6], [7], [9]. Über die Ausbildung des Erd- drucks bzw. über die resultierende Erd- druckkraft an Prototypen berichten Hover [10] und Thamm [16]. Für den sich zwischen der Hin- terfüllung und dem erdseitigen Hori- zontalschenkel einstellenden Kontakt- druck, in Analogie zum Erddruck im Folgenden Auflastdruck genannt, lie- gen keine Untersuchungen vor. Die Überarbeitung der Erddruck- norm DIN 4085 [5] gab den Anlass, der Ausbildung des Erd- und Auflast- drucks mit Modellversuchen näher nachzugehen. 2 Versuchsaufbau 2.1 Modellbildung Der Grundgedanke der Versuche be- stand darin, das gesamte System Bau- grund-Stützwand-Hinterfüllung mit seinen wechselseitigen Beziehungen zwischen Wandbewegung auf der einen sowie Größe und Verteilung des Erddrucks auf der anderen Seite zu simulieren. In diesem Sinn erfolgte die Versuchsdurchführung durch Er- Michael Arnold Dietrich Franke Modellversuche zum Erd- und Auflastdruck auf Winkelstützwände Der Nachweis der Bauteilquerschnitte von Winkelstützwänden erfordert die Kenntnis der direkt an der Wand angreifenden Einwirkungen, insbesondere des Erddrucks am Vertikalschenkel und des Auflastdrucks am Horizontalschenkel. Es werden großmaß- stäbliche Modellversuche vorgestellt, mit denen die Ausbildung dieser Kontaktdrücke infolge Eigenlast der Hinterfüllung sowie infolge gleichmäßiger Oberflächenlasten unter- sucht wird. Errichtung und Hinterfüllung der Wand werden unter Variation der Wand- geometrie und der Nachgiebigkeit der Gründungssohle simuliert. Aus den Versuchs- ergebnissen werden grundlegende Erkenntnisse zum Erd- und Auflastdruck abgeleitet. Model tests on earth pressure and load pressure on cantilever retaining walls. Design- ing the sections of cantilever retaining walls, it is required to know the earth pressure acting directly on the wall stem and the load pressure acting directly on the wall heel. Large scale model tests are presented, which aim to determine the development of the contact pressures due to dead load of the backfill as well as due to uniform surface loads. The model tests simulate the construction as well as the backfilling process. Wall geometry and subsoil flexibility are varied. The principal behaviour of cantilever retain- ing walls is presented. The test results are used to derive basic properties of the earth pressure and the load pressure. Fachthemen DOI: 10.1002/bate.200710076 Bild 1. Bezeichnungen an der Winkel- stützwand Fig. 1. Symbols at the cantilever retain- ing wall

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Page 1: Modellversuche zum Erd- und Auflastdruck auf Winkelstützwände

891© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 84 (2007), Heft 12

1 Einleitung

Bei der Berechnung von Winkelstütz-wänden werden – ebenso wie bei vie-len Stützkonstruktionen – zwei Trag-systeme betrachtet: Zum einen ist diesdas Gesamttragwerk Baugrund-Stütz-bauwerk-Hinterfüllung, für welchesdie bodenmechanischen Nachweiseder Flachgründung sowie des Gelän-desprungs zu führen sind. Zum ande-ren erfolgt am Einzeltragwerk Winkel-stützwand der Nachweis der Bauteil-querschnitte. In beiden Fällen bildetder Erddruck eine maßgebliche Ein-wirkung.

Der allgemein übliche Erddruck-ansatz für das im Grenzzustand derTragfähigkeit befindliche Gesamttrag-werk geht auf Mörsch [13] zurück.Man nimmt zwei ebene Gleitflächenan, deren untererAnsatzpunkt am erd-seitigen Ende des Horizontalschenkelsliegt (Bild 1). Diese bilden einen Keil,in dem der aktive Rankinesche Zu-stand herrscht. Deshalb wird bei der

Nachweisführung in der 1. Gleitflächebzw. im vertikalen Schnitt durch daserdseitige Ende des Horizontalschen-kels der aktive Erddruck angesetzt.

Für den Nachweis von Tragfähig-keit und Gebrauchstauglichkeit derBauteilquerschnitte am Einzeltrag-werk Winkelstützwand interessieren

die Kontaktdrücke zwischen Wand,Hinterfüllung und dem unter derWand vorhandenen Baugrund. DieBerechnungsansätze für den am Ver-tikalschenkel einwirkenden Erddruckunterscheiden sich erheblich (siehez. B. [1], [5], [8], [15], [17], [18]). Siereichen von einem umgelagerten ak-tiven Erddruck [5] bis nahezu zumErdruhedruck [17].

Eine systematische Untersuchungder Boden-Bauwerk-Interaktion mitModellversuchen unter Berücksichti-gung der lagenweisen Hinterfüllungist bislang nicht bekannt. Es wurdenlediglich die Auswirkungen statischerund zyklischer Oberflächenlasten inZentrifugenversuchen untersucht [6],[7], [9]. Über die Ausbildung des Erd-drucks bzw. über die resultierende Erd-druckkraft an Prototypen berichtenHover [10] und Thamm [16].

Für den sich zwischen der Hin-terfüllung und dem erdseitigen Hori-zontalschenkel einstellenden Kontakt-druck, in Analogie zum Erddruck imFolgenden Auflastdruck genannt, lie-gen keine Untersuchungen vor.

Die Überarbeitung der Erddruck-norm DIN 4085 [5] gab den Anlass,der Ausbildung des Erd- und Auflast-drucks mit Modellversuchen nähernachzugehen.

2 Versuchsaufbau2.1 Modellbildung

Der Grundgedanke der Versuche be-stand darin, das gesamte System Bau-grund-Stützwand-Hinterfüllung mitseinen wechselseitigen Beziehungenzwischen Wandbewegung auf dereinen sowie Größe und Verteilungdes Erddrucks auf der anderen Seitezu simulieren. In diesem Sinn erfolgtedie Versuchsdurchführung durch Er-

Michael ArnoldDietrich Franke

Modellversuche zum Erd- und Auflastdruckauf Winkelstützwände

Der Nachweis der Bauteilquerschnitte von Winkelstützwänden erfordert die Kenntnisder direkt an der Wand angreifenden Einwirkungen, insbesondere des Erddrucks amVertikalschenkel und des Auflastdrucks am Horizontalschenkel. Es werden großmaß-stäbliche Modellversuche vorgestellt, mit denen die Ausbildung dieser Kontaktdrückeinfolge Eigenlast der Hinterfüllung sowie infolge gleichmäßiger Oberflächenlasten unter-sucht wird. Errichtung und Hinterfüllung der Wand werden unter Variation der Wand-geometrie und der Nachgiebigkeit der Gründungssohle simuliert. Aus den Versuchs-ergebnissen werden grundlegende Erkenntnisse zum Erd- und Auflastdruck abgeleitet.

Model tests on earth pressure and load pressure on cantilever retaining walls. Design-ing the sections of cantilever retaining walls, it is required to know the earth pressureacting directly on the wall stem and the load pressure acting directly on the wall heel.Large scale model tests are presented, which aim to determine the development of thecontact pressures due to dead load of the backfill as well as due to uniform surfaceloads. The model tests simulate the construction as well as the backfilling process. Wallgeometry and subsoil flexibility are varied. The principal behaviour of cantilever retain-ing walls is presented. The test results are used to derive basic properties of the earthpressure and the load pressure.

Fachthemen

DOI: 10.1002/bate.200710076

Bild 1. Bezeichnungen an der Winkel-stützwand Fig. 1. Symbols at the cantilever retain-ing wall

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richten und Hinterfüllen der Stütz-wand. Damit wurden Wanddeforma-tionen während des Hinterfüllvorgan-ges sowie während des Einwirkens vonOberflächenlasten entsprechend denLagerungsbedingungen der Stützwandermöglicht.

Das betrachtete System wirddurch eine Vielzahl von geometrischenund mechanischen Einflussparame-tern gekennzeichnet. Bei den Modell-versuchen waren deshalb einige Ver-einfachungen erforderlich. Es wurdevon vertikal bzw. horizontal ausgerich-teten, nahezu starren Wandschenkelnkonstanter Dicke ausgegangen. Auskonstruktiven Gründen kam eine festeBreite B der Aufstandsfläche (Bild 1)zum Einsatz. Für den sandigen Bau-grund (im Folgenden bei den Ver-suchen als Unterlage bezeichnet) unddie Hinterfüllung wurde in allen Ver-suchen die gleiche Lagerungsdichtevorgesehen. Die Oberfläche der Hin-terfüllung war horizontal.

Bei den Versuchen wurde dieWandgeometrie in vier Stufen durchdie unterschiedliche Anordnung desVertikalschenkels auf dem Horizon-talschenkel verändert. Eine Variationder Baugrundeigenschaften erfolgteüber die Dicke der Sandschicht, aufwelche die Wand gesetzt wird. Ausge-führt wurden Dicken der Sandunter-lage u von 5 bis 50 cm. Weiterhinwird der Fall einer horizontal undvertikal unverschieblichen Gründungdurch ein Fixieren der Modellwandauf dem Boden des Versuchskastensuntersucht (u = 0 cm). Insgesamt wur-den 14 Versuche mit unterschiedlichenKonfigurationen sowie zwei Wieder-holungsversuche ausgeführt.

2.2 Modellwand und Belastungs-einrichtung

Die Modellwand (Bild 2) besteht auseiner tragenden Unterkonstruktionaus Stahl St 37 sowie aus einer Ver-kleidung, welche die Kontaktflächezwischen Modellwand und Boden dar-stellt. Die 970 mm breite Wand ist indrei Bereiche unterteilt. Der mittleredavon besitzt eine Breite von 400 mmund stellt die eigentliche Messwanddar.

In den beiden symmetrischenRandbereichen, bei denen als Wand-oberfläche polierte Aluminiumblechemit 6 mm Dicke zum Einsatz kamen,erfolgt keine Messung. Die Unterseite

des Horizontalschenkels wird auseinem über die gesamte Breite derWand durchlaufenden, ebenfalls 6 mmdicken Aluminiumblech gebildet. DieUnterkonstruktion des Vertikalschen-kels wird durch vier Stahlprofile derGröße U 65 gebildet, die des Horizon-talschenkels aus vier Profilen U 80.Zwischen den jeweils inneren Profilenspannen aus U 50 bestehende Quer-träger, auf denen die Messdosen be-festigt sind.

Das Längenverhältnis WandhöheH zu Gesamtbreite B der Aufstands-fläche wurde mit 940 mm zu 639 mmals konstant vorgegeben. Die Dickedes erdseitigen Horizontalschenkels

beträgt insgesamt 92 mm. Die Anord-nung des vertikalen auf dem horizon-talen Schenkel erfolgt in verschiede-nen Positionen, so dass sich Breitenbe des erdseitigen Schenkels von 517/440/363/286 mm ergeben. Die Wand-schenkel sind als nahezu starr anzu-sehen. Lediglich im Schraubanschlusszwischen beiden Schenkeln sind trotzsorgfältiger konstruktiver Ausbildungminimale Verformungen nicht zu ver-meiden.

Zum Aufbringen von Ober-flächenlasten auf die Hinterfüllungdiente ein pneumatisch betriebenesDruckkissen [4].

2.3 Messtechnik

Zur Ermittlung derVerteilung der Kon-taktspannungen wurde auf ein schonmehrfach erfolgreich angewandtesMessprinzip zurückgegriffen. Dabeiwird die Messwand in einzelne recht-eckförmige Bereiche unterteilt, andenen mittels eigens konstruierterMessdosen [3] die Erddruckkräftebzw. die Auflastdruckkräfte in wand-normaler sowie in wandtangentialerRichtung gemessen werden. Auf demVertikalschenkel der Messwand sindelf und auf dem Horizontalschenkelsieben Messdosen angeordnet (Bild 3).

Bild 3. Prinzipschnitt MesseinrichtungFig. 3. Section of the measurement equipment

Bild 2. Isometrie der WandkonstruktionFig. 2. Isometry of the wall structure

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Die Messdosen besitzen eine ausgebürstetem Aluminium bestehendeOberfläche von 400 mm ¥ 75 mmund weisen untereinander einen lich-ten Abstand von 2 mm auf.

Die Verschiebungen wurden inzwei parallelen vertikalen Schnittenerfasst. Mit den dazu verwendeten in-duktiven Weggebern wurden die hori-zontalen Verschiebungen in vier Tie-fen und die vertikale Verschiebungam Kopf des Vertikalschenkels ge-messen.

2.4 Modellboden

Für Unterlage und Hinterfüllungkommt ein trockener, als DresdnerSand 98 bezeichneter Modellsand

zum Einsatz. Es handelt sich dabeium einen als eng gestuften Sand (SE)zu klassifizierenden fein- und grob-sandigen Mittelsand. Eine Übersichtüber die bodenmechanischen Eigen-schaften dieses Materials findet sichin [12]. Für die Auswertung der Ver-suche wird ein durch die Beziehungcot f = 1,589 – 0,649 · ID beschriebe-ner dichteabhängiger Reibungswinkelangesetzt, wobei ID die bezogene La-gerungsdichte des Sandes darstellt.

2.5 Versuchsverlauf

Der Ablauf der Versuche ist schema-tisch in Bild 4 dargestellt. (a) Zunächsterfolgte im 2,74 m langen, 0,99 mbreiten und 1,50 m hohen Versuchs-

kasten die Herstellung der Sandun-terlage entsprechend der vorgegebe-nen Versuchsbedingungen. (b) Danachwurde die Modellwand darauf abge-setzt. (c) Nach Montage der Weggeberwurde die Hinterfüllung der Versuchs-wand lagenweise mit der Sandregen-methode [2] eingebaut. Beabsichtigtwar dabei eine mitteldichte Lagerungmit ID = 0,5 sowohl für die Bettungals auch für die Hinterfüllung. Tat-sächlich realisiert wurden Lagerungs-dichten ID zwischen 0,25 und 0,55.Nach Einbau jeweils einer Lage undinsbesondere nach Abschluss der Hin-terfüllung wurden die sich ergeben-den Deformationen und Erddrückegemessen. (d) Im Anschluss wird dasDruckkissen druckfrei aufgesetzt. ImRahmen eines ersten Lastzyklus wirdeine Oberflächenlast von 5 kN/m2

aufgebracht und der Stillstand derWandbewegungen abgewartet. DerZyklus endet mit einer Entlastung. Ingleicher Art und Weise erfolgt dieDurchführung weiterer Lastzyklen,wobei die je Zyklus maximal aufge-brachte Oberflächenlast jeweils um5 kN/m2 erhöht wird. Der Versuchendet, wenn die Wandbewegungenunter konstanter Oberflächenlastnicht mehr zum Stillstand kommen.

3 Versuchsergebnisse Eigenlast der Hinterfüllung

3.1 Wandbewegung infolge Eigenlast

In den in Bild 5 für verschiedeneDicken u der Unterlage dargestellten

M. Arnold/D. Franke · Modellversuche zum Erd- und Auflastdruck auf Winkelstützwände

Bild 4. Versuchsablauf Fig. 4. Test procedure

Bild 5. Wandbewegung während des Hinterfüllvorgangs in Versuchen mit 517 mm breitem erdseitigen Horizontalschenkel,Darstellung der Deformationen 100-fach überhöhtFig. 5. Wall movements during backfilling in tests with 517 mm wide heel, displacements scaled up 100times

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Verschiebungsabläufen lässt sich dasVerformungsverhalten von Winkel-stützwänden während der Hinterfül-lung sehr gut erkennen. Im Falle deran den Versuchskasten aufgeschraub-ten Wand (u = 0 m) traten am Wand-kopf horizontale Verschiebungen vonca. 0,3 mm auf, deren Ursache im un-vermeidlichen Schlupf innerhalb desSchraubanschlusses zwischen Hori-zontal- und Vertikalschenkel liegt. DieBiegeverformung im Vertikalschenkelblieb unter 0,01 mm, der Schenkelkann als starr betrachtet werden.

In allen Versuchen mit Sand-unterlage kam es bei beginnenderHinterfüllung zu einer Drehung derWand zur Erdseite. Dies resultiert ausder zunächst erdseitigen Ausmitte derSohldruckresultierenden sowie ausMitnahmesetzungen, welche durch dieSetzung der Unterlage im Bereich derHinterfüllung hervorgerufen werden.Ab Höhen der Hinterfüllung von 0,3 · H bis 0,6 · H verdrehte sich dieWand in Richtung Luftseite, da sichdie Sohldruckresultierende mit zuneh-mender Hinterfüllhöhe zur Luftseiteverschiebt.

Während des gesamten Hinter-füllvorgangs traten horizontale Wand-bewegungen auf, die durch die hori-zontale Schubbeanspruchung der Un-terlage bzw. der Kontaktfläche Unter-lage/Wand hervorgerufen werden. DieGesamtsetzung derWand stieg erwar-tungsgemäß mit zunehmender Dickeder Unterlage, d. h. der setzungsfähi-gen Schicht.

3.2 Erddruck infolge Eigenlast

Bei der Berechnung des Erddrucksund des Erddruckneigungswinkels ausden an den einzelnen Messdosen ge-messenen wandnormalen und -tan-gentialen Kräften wurde näherungs-weise von einer gleichmäßigen Vertei-lung über die Messdosenfläche aus-gegangen. Der Erddruckneigungs-winkel d wird für eine nach unten ge-richtete vertikale Erddruckkompo-nente als positiv definiert.

Bild 6 zeigt die Verteilung desErddrucks und des Erddruckneigungs-winkels über die Wandhöhe bei voll-ständiger Hinterfüllung. Zusätzlichsind der unter derAnnahme da = 2 · f/3ermittelte aktive Erddruck sowie derErdruhedruck nach Jaky [19] einge-tragen. Der Erddruck stieg im Bereichz £ 0,7 m leicht unterlinear mit der

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Tiefe. Am Wandkopf wurde dabei inetwa der Erdruhedruck erhalten, mitzunehmender Tiefe Werte zwischenaktivem Erddruck und Erdruhedruck.Charakteristisch für alle Versuche warder Rückgang des Erddrucks unmit-telbar im Zwickel der Wand, dessenUrsache in der in Abschn. 3.4 dar-gestellten Neigung des Auflastdruckszu suchen ist.

Der Erddruckneigungswinkelschwankte über die gesamte Wand-höhe um einen Mittelwert von ca.24,5°. Tendenziell war dabei von obennach unten eine Abnahme festzustel-len, welche u. a. durch den Anstiegdes Spannungsniveaus bedingt wird.Die starken Streuungen im oberenWandbereich ergeben sich aus denbei geringen Messgrößen stärker insGewicht fallenden absoluten Mess-fehlern.

Die Neigung des Erddrucks re-sultiert aus der Relativbewegung zwi-schen Boden und Wand. Jede einge-baute Sandlage wirkt für die darun-terliegenden Lagen als Auflast unddrückt diese zusammen. Die größten-teils zwischen 20° und 30° liegendeErddruckneigung legt nahe, dass dierelative Verschiebung, welche sichzwischen Vertikalschenkel und Hin-terfüllung einstellt, ausreicht, um denKontaktreibungswinkel dmax auf demGroßteil der Wandoberfläche voll zumobilisieren.

3.3 Erddruckresultierende infolgeEigenlast

Die wandnormale und wandtangen-tiale Komponente En bzw. Et der aufeinen Meter Wandlänge bezogenen

Erddruckresultierenden wurde ausder auf die Breite der Messwand be-zogenen Summe der Einzelkräfte derMessdosen berechnet.

Der wandnormale Anteil der Erd-druckresultierenden En sowie derenNeigung sind in Bild 7 über die Dickeder Unterlage u aufgetragen. Die er-mittelten Erddruckkräfte liegen zumTeil deutlich über dem Niveau des ak-tiven Erddrucks und nehmen mit zu-nehmender Dicke der Unterlage ab.Die Ursache dafür liegt in der mit derDicke der Unterlage steigenden Nach-giebigkeit der Gründung. Ein klarerEinfluss der Breite des erdseitigenHorizontalschenkels zeigte sich nicht.Dabei muss auf die teilweise vom be-absichtigten Wert abweichenden La-gerungsdichten und das sich damitverändernde Last-Verformungsverhal-ten hingewiesen werden. Tendenzielllieferten die Versuche mit be = 0,286 mdie geringsten Erddruckkräfte.

Der Neigungswinkel der Erd-druckresultierenden d = arc tan Et/Envariiert bei einem Mittel von 24,5° un-abhängig von der Versuchskonfigura-tion zwischen 22° und 27°. Mit demMittelwert des Reibungswinkels derdurchgeführten Versuche von 37,1°ergibt sich ein Quotient d/f von 0,66.Dieser Wert liegt im Bereich desKontaktreibungswinkels, der zwischeneiner Oberfläche aus poliertem Alu-minium und Sand zu erwarten ist[11], [14].

3.4 Auflastdruck infolge Eigenlast

Die Berechnung der normal zur Ober-fläche des Horizontalschenkels gerich-teten Komponente des Auflastdrucks

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Bild 6. Verteilung der wandnormalen Komponente und der Neigung des Erddrucksinfolge Eigenlast in Versuchen mit einer Dicke der Unterlage von 0,05 mFig. 6. Distribution of the component normal to the wall and of the inclination ofthe earth pressure due to dead load in tests with a 0.05 m thick subsoil

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sowie der Auflastdruckneigung ausden Messergebnissen erfolgte analogzum Erddruck unter Annahme einergleichmäßigen Verteilung des Auflast-drucks über die Messdosenfläche.

Alle ausgeführten Versuche zeig-ten – ausgehend von einem deutlichenMinimum am Vertikalschenkel einenmit zunehmender Entfernung vomVertikalschenkel – stark ansteigen-den Auflastdruck, wobei sich diesesVerhalten bei geringeren Breiten deserdseitigen Horizontalschenkels be-sonders stark ausprägt (Bild 8). Her-vorgerufen wird die Ausbildung die-ses Minimums durch den tangentia-len Anteil des am Vertikalschenkelangreifenden Erddrucks. Der Auflast-druck ist in der Nähe des Vertikal-schenkels deutlich geringer als g · h.

Die Abnahme des Auflastdrucksam erdseitigen Schenkelende in denVersuchen mit be = 0,440 m und be =0,517 m ist das Resultat von Lastum-lagerungen zwischen den nachgiebi-gen Messdosen und dem konstruktiverforderlichen, starren Abschlussblecham erdseitigen Ende des Horizontal-schenkels.

Der Neigungswinkel des Auflast-drucks dA wurde von der Luftseite hereinwirkend positiv definiert. Im mitt-leren Bereich ergab sich ein nahezuvertikal wirkender Auflastdruck mitNeigungen zwischen –8° und 4°. Amerdseitigen Ende zeigt sich ein Rück-gang der Auflastdruckneigung in dendeutlich negativen und damit luft-seitig gerichteten Bereich. Eine starknegative Neigung ergibt sich auch imBereich unmittelbar vor dem Vertikal-schenkel mit Werten bis zu –26°, wel-

che der betragsmäßigen Größenord-nung des Kontaktreibungswinkels dmaxentspricht.

3.5 Auflastdruckresultierende infolgeEigenlast

Die oberflächennormalen und -tan-gentialen Komponenten An bzw. Atder Auflastdruckresultierenden wer-den in Analogie zur Erddruckresultie-renden aus den auf die Breite derMesswand bezogenen Summen derEinzelkräfte der Messdosen bestimmtund mit der Eigenlast G = g · be · h desüber dem Horizontalschenkel befind-lichen Bodens normiert.

Die bezogene oberflächennor-male Komponente der Auflastdruck-resultierenden (Bild 9) lag mit Wer-ten zwischen 0,82 und 0,97 teilweisedeutlich unter eins und fällt mit zu-nehmender Breite des erdseitigenHorizontalschenkels geringer aus.Dies ist auf mehrere Ursachen zurück-zuführen. Zum ersten erfolgt ein Teilder vertikalen Lastabtragung über die

M. Arnold/D. Franke · Modellversuche zum Erd- und Auflastdruck auf Winkelstützwände

Bild 7. Wandnormaler Betrag und Neigung der Erddruckresultierenden infolge -Eigenlast in Abhängigkeit von der Dicke der UnterlageFig. 7. Magnitude normal to the wall and inclination of the earth pressure forcedue to dead load with respect to the subsoil thickness

Bild 8. Verteilung des Auflastdrucks und des Auflastdruckneigungswinkels in-folge Eigenlast in Versuchen mit einer Dicke der Unterlage von 0,05 mFig. 8. Distribution of the magnitude and of the inclination of the load pressuredue to dead load in tests with a 0.05 m thick subsoil

Bild 9. Normierter Betrag der Auflastdruckresultierenden infolge Eigenlast in Ab-hängigkeit von der Dicke der UnterlageFig. 9. Normalised magnitude of the load pressure force due to dead load with re-spect to the subsoil thickness

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Tangentialkomponente des Erddrucks.Zum zweiten ist die oben geschilderteLastumlagerung auf das Abschluss-blech des erdseitigen Horizontal-schenkels anzuführen. Als dritte Ur-sache ist die Reibung an den Kasten-seitenwänden zu nennen, die zu demvon Silos bekannten „Anhängen“ desBodens an den Seitenwänden führt.

Die Wirkungsrichtung derAuflast-druckresultierenden dA = arc tan At/Anbetrug zwischen –6,8° und –1,6°. DieAuflastdruckresultierende war damitleicht zur Luftseite hin bzw. nahezusenkrecht gerichtet.

4 Versuchsergebnisse Oberflächenlast

Die vertikale, gleichmäßig verteilteOberflächenlast wurde in Stufen von5 kN/m2 mit zwischenzeitlichen Ent-lastungen auf die vollständig einge-baute Hinterfüllung aufgebracht. DieOberflächenlast wurde solange ge-steigert, bis die Wandbewegungen in-nerhalb einer Laststufe nicht mehrzum Stillstand kamen bzw. bis dieversuchstechnisch größtmögliche Last-stufe 30 kN/m2erreicht war. Bei denVersuchen mit einer Breite des erdsei-tigen Schenkels von 0,286 m wurdebereits die Laststufe 5 kN/m2 nichterreicht, in den Versuchen mit einerBreite des erdseitigen Schenkels von0,363 m die Laststufe 10 kN/m2. Fürweitergehende Auswertungen sind auf-grund des vorhandenen Modellmaß-stabs lediglich die Laststufen 5 und10 kN/m2 relevant.

Bei der Darstellung der Ver-suchsergebnisse wurde als Ausgangs-zustand die vollständige Hinterfül-lung angenommen. Die im Folgendenvorgestellten Messwerte des Erd- undAuflastdrucks geben daher die durchdie Oberflächenlast hervorgerufenenVeränderungen der jeweiligen Mess-größen wieder.

4.1 Wandbewegung infolgeOberflächenlast

In Bild 10 sind die Relativverschie-bungen für die Laststufen 0 kN/m2

(Eigenlast), 5 kN/m2 und 10 kN/m2,ausgehend vom Zustand der voll-ständigen Hinterfüllung, dargestellt.Das gegen Ende des Hinterfüllvor-gangs festgestellte Verformungsverhal-ten setzte sich mit zunehmender Ober-flächenlast fort. Die Wand verdrehteund verschob sich in Richtung Luft-

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seite und setzte sich gleichzeitig. DieVerdrehung wurde wiederum durchdie zunehmend luftseitig ausmittigeLage der Resultierenden in der Sohl-fläche verursacht. Dabei ergaben sichmit wachsender Mächtigkeit der Un-terlage tendenziell größere Wandbe-wegungen.

Eine nähere Betrachtung derEntwicklung der Horizontal- undVertikalverschiebung in Abhängigkeitvon der Oberflächenlast ermöglichtBild 11. Beide Verformungsanteilewuchsen monoton an, in den Ent-lastungszyklen wurde kein messbarerRückgang der Verformungen festge-

M. Arnold/D. Franke · Modellversuche zum Erd- und Auflastdruck auf Winkelstützwände

Bild 10. Wandbewegung infolge Oberflächenlast in Versuchen mit einer Breitedes erdseitigen Horizontalschenkels von 0,440 m, Darstellung der Deformationen100-fach überhöhtFig. 10. Wall movements due to surface load in tests with 0.440 m wide heel,displacements scaled up 100times

Bild 11. Horizontal- und Vertikalverschiebung als Funktion der Oberflächenlastim Versuch mit einer Breite des erdseitigen Horizontalschenkels von 0,440 m undeiner Dicke der Unterlage von 0,25 mFig. 11. Horizontal and vertical displacements vs. surface load in a test with0.440 m wide heel and subsoil thickness of 0.25 m

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stellt. Die Verformungen im Bodensowie in der Kontaktfläche Wand-sohle/Boden tragen daher irreversi-blen Charakter.

Die Wiederbelastungspfade ver-liefen bis wenig unterhalb des imvorangegangenen Zyklus realisiertenLastniveaus auf dem Entlastungspfad,um dann auf einen die Umhüllendeder Last-Verformungskurve bildendenErstbelastungspfad einzuschwenken.Die Umhüllende war bei der Vertikal-verschiebung wenig, bei der Horizon-talverschiebung stärker überlinear. Abdem Lastniveau 20 kN/m2 kommt esunter konstanter Last zu fortgesetztenhorizontalen Verformungen, das Sys-tem befindet sich im Versagenszustand.

4.2 Erddruck infolge Oberflächenlast

Die Verteilungen des Erddrucks in-folge Oberflächenlast für verschie-dene Laststufen ähnelten sich inner-halb eines Versuchs,wobei erwartungs-gemäß die Erddrücke bei der Last-stufe 10 kN/m2 über denen der Last-stufe 5 kN/m2 lagen (Bild 12). AlleVersuche wiesen im oberen Wand-bereich das Maximum des Erddruckssowie eine Verringerung zum Wand-fuß hin auf.

Unmittelbar am Wandkopf wa-ren sehr geringe Erddrücke festzustel-len. Dies ergibt sich aus der nicht bisunmittelbar an den Vertikalschenkelheranreichenden Oberflächenlast, wel-che versuchstechnisch bedingt einenAbstand zur Wand von ca. 6 cm auf-wies.

4.3 Erddruckresultierende infolgeOberflächenlast

Die Entwicklung der wandnormalenKomponente der Erddruckkraft undihrer Neigung in Abhängigkeit vonder Oberflächenlast zeigt Bild 13. DieErddruckkraft stieg bei Erstbelastun-gen nahezu linear mit der Ober-flächenlast an. Im Zuge der Entlas-tungen verringerte sich die Erddruck-kraft unterlinear, ging jedoch nichtvollkommen auf den Ausgangswertzurück. Es kam – wie vom Verdich-tungserddruck her bekannt – zu einerhorizontalen Verspannung der Hin-terfüllung.

Bei Wiederbelastung wuchs dieErddruckresultierende überlinear, umab dem im vorangegangenen Zyklusrealisierten Lastniveau auf den nahe-

zu linearen Erstbelastungspfad einzu-schwenken. Ent- und Wiederbelastungbildeten eine hystereseartige Schleife.

Der Erddruckneigungswinkel ten-dierte im Zuge der Belastung schnellzu einem Niveau von ca. 24°, was derGröße des Kontaktreibungswinkelsentspricht. Bei Entlastungen sank eraufgrund der vertikalen Entspannungdes Bodens und der damit verbunde-nen Relativbewegung zwischen Bo-den und Vertikalschenkel bis in den

negativen Bereich. Im Zuge der Wie-derbelastungen stieg die Neigung derAuflastdruckresultierenden dann wie-derum bis zu ihrem Maximalwert, demKontaktreibungswinkel, an.

4.4 Auflastdruck infolgeOberflächenlast

Der Auflastdruck stieg in allen Ver-suchen vom Wandzwickel zum erd-seitigen Ende des Horizontalschen-

M. Arnold/D. Franke · Modellversuche zum Erd- und Auflastdruck auf Winkelstützwände

Bild 13. Wandnormaler Betrag und Neigung der Erddruckresultierenden alsFunktion der Oberflächenlast im Versuch mit einer Breite des erdseitigen Horizon-talschenkels von 0,440 m und einer Dicke der Unterlage von 0,25 mFig. 13. Magnitude normal to the wall and inclination of the earth pressure forcevs. surface load in a test with 0.440 m wide heel and subsoil thickness of 0.25 m

Bild 12. Verteilung der wandnormalen Komponente des Erddrucks infolge Ober-flächenlast in Versuchen mit einer Breite des erdseitigen Horizontalschenkels von0,440 mFig. 12. Distribution of the component normal to the wall of the earth pressuredue to surface load in tests with 0.440 m wide heel

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kels hin an (Bild 14). Dies resultiertzum einen aus der Ausprägung einestangentialen Erddrucks, welcher diein der Hinterfüllung infolge der Ober-flächenlast wirkenden Vertikalspan-nungen sz = p in der Nähe des Verti-kalschenkels reduziert. Zum anderenkommt es zu einer Verdrehung derWand in Richtung Luftseite, infolgederer sich das erdseitige Ende desHorizontalschenkels aufwärts bewegtund eine Lastumlagerung zum erdsei-tigen Ende hervorruft.

Die Neigung des Auflastdrucksbildete sich in den dargestellten Ver-suchen unabhängig von der Laststufegleichartig aus (Bild 15). Im Wand-zwickel wirkte der Auflastdruck mitNeigungen zwischen –13,5° und –20,5°in Richtung Luftseite, am erdseitigenHorizontalschenkelende mit –1° bis 4°in etwa senkrecht. Es existieren dem-nach Wandkonfigurationen bzw. Last-

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situationen, bei bzw. in denen die vonSmoltczyk [15] vermutete positive Nei-gung des Auflastdrucks nicht auftritt.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die Versuchsergebnisse wurden durcheinige modelltechnisch bedingte Rand-bedingungen wie z. B. die Reibung anden Seitenwänden des Versuchskas-tens, die zwischen Messwand- undSeitenwandbereichen differierendeSteifigkeit und den steifen Abschlussdes erdseitigen Horizontalschenkelsbeeinflusst. Daraus resultierten räum-liche Lastumlagerungen. Der beabsich-tigte ebene Verzerrungszustand wurdenicht vollständig erreicht. Aus diesenGründen wurden die Versuchsergeb-nisse nicht zur Formulierung analyti-scher Ansätze verwendet.

Es lassen sich jedoch die folgen-den grundsätzlichen Eigenschaften

des Verhaltens von Winkelstützwän-den im Gebrauchszustand festhalten:

1. Aufgrund der im Vergleich zuklassischen Schwergewichtsmauerngeringeren Wandbewegungen wird amVertikalschenkel der aktive Erddrucknicht erreicht, der Erddruck liegt zwi-schen aktivem Erddruck und Erdruhe-druck. Bedingt durch die Neigung desErddrucks verbleibt allerdings stets eindeutlicher Abstand zu dem eine hori-zontale Erddruckwirkung vorausset-zenden Erdruhedruck nach Jaky.

2. Die tangentialen Relativver-schiebungen zwischen Vertikalschen-kel und Hinterfüllung reichen aus,um die Reibung im größten Teil dieserKontaktfläche voll zu mobilisieren,d. h., der Betrag des Erddrucknei-gungswinkels erreicht in etwa dieGröße des Kontaktreibungswinkels.

3. Der auf den erdseitigen Hori-zontalschenkel einwirkende Auflast-druck ist ungleichmäßig verteilt. Nahedem senkrechten Schenkel bewirkt dievertikale Komponente des Erddruckseine Reduktion des Auflastdrucks.Durch die Verdrehung der Wandkommt es außerdem zu einer Last-konzentration am erdseitigen Endedes Horizontalschenkels.

4. Bei beginnender Hinterfüllungkommt es zu einer zur Erdseite ge-richteten Drehbewegung der Wand.Zum Abschluss der Hinterfüllung so-wie unter Oberflächenlast verdrehtsich die Wand zur Luftseite. Paralleldazu treten stets Setzungen und Hori-zontalverschiebungen auf.

5. Die Verformungen der Wandtragen irreversiblen Charakter. Einmalinfolge hoher Belastungen eingetreteneVerformungen bleiben dauerhaft er-halten.

Die Versuchsergebnisse bildenweiterhin eine sehr gute Datenbasisfür die Kalibrierung numerischer Mo-delle. Numerische Untersuchungenzum Erd- und Auflastdruckwerden ineinem folgenden Beitrag dargestellt.Schwerpunkte bilden dabei die Ein-schätzung der im Modellversuch vor-handenen räumlichen Effekte, dieÜbertragung in den ebenen Fall so-wie die Untersuchung weiterer Ein-flussparameter.

DankDiese Arbeiten wurden durch dieDeutsche Forschungsgemeinschaft(DFG) unterstützt, wofür an dieserStelle herzlich gedankt sei.

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Bild 14. Verteilung des Auflastdrucks infolge Oberflächenlast in Versuchen miteiner Breite des erdseitigen Horizontalschenkels von 0,440 mFig. 14. Distribution of the load pressure due to surface load in tests with0.440 m wide heel

Bild 15. Verteilung der Auflastdruckneigung infolge Oberflächenlast in Versuchenmit einer Breite des erdseitigen Horizontalschenkels von 0,440 mFig. 15. Distribution of the inclination of the load pressure due to surface load intests with 0.440 m wide heel

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Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Michael Arnold, em. Prof. Dr.-Ing. habil.Dietrich Franke, Institut für Geotechnik, TU Dres-den, George-Bähr-Straße 1, 01062 Dresden

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