mitost-magazin # 24
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8. Internationales MitOst-Festival: Zu Gast in Perm / Projekte und Initiativen: Das Vereinsjahr im ÜberblickTRANSCRIPT
#24 Frühjahr2011
Projekte & InitiativenDas Vereinsjahr im Überblick
8. Internationales MitOst-FestivalZu Gast in Perm
das 8. Internationale MitOst-Festival in Russland stellte zweifelsohne
den Höhepunkt des vergangenen Vereinsjahres dar. Trotz oder gerade
wegen der langen und teilweise schwierigen Anreise bis zum Ural
hatten wir eine aufregende und schöne Zeit in Perm, die uns mit
vielen guten Erinnerungen im Gedächtnis geblieben ist. Diese wollen
wir im ersten Abschnitt des Magazins mit verschiedenen Berichten,
persönlichen Eindrücken und vielen Bildern wieder auffrischen.
Im zweiten Teil des Magazins richten wir den Fokus auf die weiteren
Aktivitäten von MitOst: So wurden in Perm ein neuer Vorstand und
ein neuer Projektbeirat gewählt, zwei zentrale Gremien, die aktuell
die Weiterentwicklung des Vereins in verschiedenen Bereichen vo-
rantreiben. Nicht zuletzt auf der Planungskonferenz IV, die im März
2011 in Berlin stattfand, wurden wichtige neue Impulse dafür ge-
geben. Erste sichtbare Veränderung der Neuausrichtung von MitOst
ist die Gründung von Regionalgruppen. Einige dieser Initiativen stel-
len ihre Pläne und Aktivitäten im Magazin vor.
Im vergangen Jahr wurden wieder vielfältige Projekte von MitOst-Mit-
gliedern organisiert und durchgeführt. Im vorliegenden Magazin prä-
sentieren wir diese ausführlich und wollen euch damit Anregungen
zur Umsetzung eigener, kreativer Ideen geben. Werdet aktiv. Macht
mit im internationalen Netzwerk von MitOst! Für Rat und Tat stehen
euch die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle und die ehrenamtlichen
Mitglieder im Projektbeirat und Vorstand jederzeit zur Verfügung.
Die 25. Ausgabe des Magazins soll zum 15-jährigen Jubiläum von Mit-
Ost erscheinen. Dafür brauchen wir eure Hilfe: Bitte schickt uns eure
Glückwünsche, Fotos, Anekdoten, Geschichten, Pläne und Ideen für
die Jubiläumsausgabe an [email protected].
Viel Lesevergnügen wünschen
Vorstand und Geschäftsstelle von MitOst
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Dank für die Förderung des MitOst-Festivals an:
2MitOst Magazin #24
Inhaltsverzeichnis
8. Internationales MitOst-Festival: Zu Gast in Perm
Die Russische Bahn hat uns die besten Leute geschickt . . . . . . . . . 6
РЖД прислала нам лучших людей . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Gelebte Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Следовать своим ценностям . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Neu beim MitOst-Festival . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Впервые на фестивале MitOst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
In den Gulag und zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
В ГУЛАГ и обратно . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Pipeline – under construction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Pipeline – under construction (по-русски) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Kultur im Bahndepot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Ein Treffen ohne Probleme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Projekte & Initiativen – Das Vereinsjahr im Überblick
Mehr Euphorie wagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Regional aktiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
MitGestalten und MitReden – das ist MitOst Hamburg 2011! . . 26
MitOst lebt in der Ukraine auf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
MitOst in Südwest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Als Tandem zum Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
MitOst klickt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Verrückte Ideen und kreative Zeitpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Kleingartenidylle und Laptoporchester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Track Changes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Musikalischer Grenzdialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Mehr Mitgliederprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Description of the action . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Kontakte knüpfen und Netze spinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Neulich bei MitOst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
E-Mail aus Brest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
MitOst unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
FOTO LINKS UND FOTO AUF DER NÄCHSTEN DOPPELSEITE: KIÊN HOÀNG LÊ
3MitOst Magazin #24
8. Internationales MitOst-FestivalZu Gast in Perm
Die Russische Bahn hat uns die besten Leute geschickt
Endlich, da ist er, der Bahnhof Jaroslawskij, unser Gleis und der Zug
im Regen. Auch Ivanka wartet noch auf dem Bahnsteig auf uns, wir
sind die allerletzten – ihr verdanken wir die gemeinsame Fahrt von
Moskau nach Perm mit dem MitOst-Zug. Es geht sofort los.
Das Abteil ist nagelneu, auf dem Boden liegen Teppiche und ja, die
Augen täuschen mich nicht – ein elektronisches Display über dem
Eingang informiert uns laufend über die Uhrzeit und die Außentem-
peratur. Nastja findet die richtigen Worte, um unseren Zugteil zu be-
schreiben: »праздничный вагон«, ein »Festwaggon« ist das. Sogar
die Bosch-Lektoren, die die letzte Nacht in der deutschen Botschaft
bei ihrem Alumni-Treffen verbracht haben, sind beeindruckt.
Auf neuen Schienen durch die russischen Weiten
Noch kennt man viele Gesichter im Zug nicht, aber Platzmangel ist
bekanntlich eine Gemeinschaft fördernde und zusammenbringende
Kraft. Die Raucher stehen in der Verbindung zwischen den Waggons
und summen Lieder im Rhythmus der ratternden Achsen. Bald um-
fasst die Tanzfläche die meisten Betten in der Mitte. Um Mitternacht
der Zugzeit geht ein Geburtstag fließend in den anderen über.
Am nächsten Tag sieht man viele Dörfer und vor allem viele leere
Flächen. Viel Zeit und keine Hektik. Kinder, die sich durch Schlamm
zur Schule kämpfen, sind wider Erwarten nicht in Sicht. Auf meine
Bitte hin geben die Passagiere erste Kommentare ab: Die Eindrücke
reichen von Langeweile (»Ich bin die Strecke schon mehrmals gefah-
ren und mir scheint, ein paar Schienen wurden neu verlegt«) bis zum
unbeschreiblichen Enthusiasmus (»offenherzig, großzügig, alle teilen
alles, der Spirit ist wieder da«).
»Natürlich gefällt es mir hier, sonst wäre ich schon längst ausgestie-
gen« – Holger antwortet gutmütig auf meine neugierigen Fragen. Hol-
ger ist mit der Weite der russischen Landschaft bestimmt gut vertraut,
zumindest theoretisch – zusammen mit seinem Freund Michael wird
er beim Festival ein Workshop über Boris Pasternak halten.
Bei zu ausgelassenem Volkstanz kommt schon mal die Miliz vorbei
Aber noch mehr Pasternak-Fans reisen mit: Genau in der Mitte des
Abteils hat sich ein kleiner Filmkreis zusammengetan, um den dun-
keläugigen Omar Sharif in der Verfilmung von »Doktor Schiwago« zu
bewundern. Da ich das Meisterstück der amerikanischen Filmindust-
rie schon mehrere Male mit meinen beiden Omas anschauen durfte,
Für die Anreise zum MitOst-Festival in Perm wurde das Angebot einer gemeinsamen Zugfahrt organisiert. Von Moskau aus ging es auf Schienen Richtung Osten, ohne Stress und ohne Hektik. Gleichzeitig bot der enge Raum die erste Gelegenheit zum Kennenlernen und Wiedersehen. Von ihren Eindrücken während der Fahrt berichtet Magdalena Hadala.
verzichte ich auf das Angebot und begebe mich auf die Suche nach
weiteren Attraktionen. Das sind in unserem Abteil vor allem Essen
und Kartenspielen, alternativ kann man sich noch einmal recken und
durch das Fenster schauen. Und alle paar Stunden gibt es eine groß-
artige Abwechselung: Das wilde Einkaufen auf den Stationen, wenn
der Zug planmäßig zum Halt gekommen ist.
Das entscheidende Wort gehört aber der Zugbegleiterin: »Eine nor-
male Gruppe«, stellt sie fest und macht trotzdem ein strenges Ge-
sicht. »Nur trinken sie viel und gehen spät schlafen.« Sie erklärt mir,
dass man im Zug eigentlich nicht trinken darf. »Wenn sich andere Pas-
sagiere beschwert hätten, hätte ich die Polizei rufen müssen«. Auf der
Strecke? Die armen MitOstler hatten keine Ahnung, in welcher Gefahr
sie gestern Nacht schwebten, als sie im Durchgang neben den Ab-
teilen fröhliche Volkstänze aufführten. Die Frau hat in ihrer Karriere
aber sicher schon Schlimmeres gesehen. Sie arbeitet seit 21 Jahren
auf der Strecke, hat ein vertrautes Team um sich und ist zufrieden,
immer wieder nach Moskau reisen zu können. Das sieht man auch –
die Freundlichkeit der Mitarbeiter ist unwiderstehlich. »Die Russische
Bahn hat uns die besten Leute geschickt«, meint Benjamin und liegt
damit ganz richtig.
Es ist schon wieder Abend, als wir in Perm ankommen.
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6MitOst Magazin #24
РЖД прислала нам лучших людей
Наконец-то, вот он, Ярославский вокзал, наш путь и поезд под до-
ждем. И Иванка ещё ждёт нас на платформе, мы самые последние
— ей мы обязаны совместной дорогой из Москвы в Пермь на MitOst-
поезде. Тут же отправляемся. Вагон совершенно новый, на полу ков-
рики, и да, глаза меня не обманывают — электронный дисплей над
входом информирует нас о времени и температурой за бортом. На-
стя находит подходящие слова для описания нашей части поезда:
«праздничный вагон». Впечатлены даже лекторы фонда им. Роберта
Боша, которые последнюю ночь провели в Посольстве Германии на
своей встрече выпускников.
По новым рельсам через российские просторы
Пока многие лица в поезде незнакомы, но нехватка пространства
имеет, как известно, большую объединяющую силу. Курильщики
стоят в тамбуре и напевают песни в ритм со стуком колес. Вскоре
танцплощадка охватывает большинство коек в центре вагона. В
полночь по поездному времени один день рождения плавно пере-
ходит в другой. На другой день за окном много сёл, но ещё больше
незастроенных территорий. Много времени и никакой суеты. Детей,
пробирающихся через распутицу в школу, вопреки ожиданиям не
видно. По моей просьбе пассажиры дают первые комментарии:
впечатления — от зевающей скуки («Я уже много раз ездил в этом
Участники фестиваля MitOst имели возможность приехать в Пермь специально организованным поездом — из Москвы в восточном направлении, без стресса и суеты. Ограниченное пространство поезда послужило, кроме того, первой площадкой для знакомства. О своих впечатлениях во время поездки рассказывает Магдалена Хадала.
направлении и мне кажется, что несколько рельсов переложили»)
до неописуемого энтузиазма («добродушные, щедрые, все всё делят,
энергия вернулась»).
«Конечно, мне здесь нравится, иначе я уже давно покинул бы по-
езд» — Хольгер благодушно отвечает на мои любопытные вопро-
сы. Хольгер, наверняка, хорошо знаком с российскими ландшаф-
тами, по крайней мере, теоретически — на фестивале вместе со
своим другом Михаелем он будет вести мастер-класс о Борисе
Пастернаке.
Во время весёлого народного танца нас посещает милиция
Но среди пассажиров есть и другие фанаты Пастернака: ровно в
середине вагона собрался небольшой кино-клуб — повосхищаться
темноглазым Омаром Шарифом в экранизации «Доктора Живаго».
Я уже несколько раз вместе с моими двумя бабушками смотрела
шедевр американской кино-индустрии, поэтому я отклоняю пред-
ложение и отправляюсь на поиски других развлечений. В нашем
вагоне это, прежде всего, приём пищи и игра в карты, в качестве
альтернативы можно ещё раз растянуться на койке и глядеть в окно.
Каждые несколько часов обстановка грандиозно меняется: ажио-
тажные покупки на станциях, когда поезд останавливается по рас-
писанию.
Но решающее слово за проводницей: «Нормальная группа», — за-
ключает она, но продолжает со строгим видом: «Только пьют много
и поздно ложатся спать». Она объясняет мне, что в поезде вообще-
то нельзя употреблять алкоголь. «Если другие пассажиры пожалова-
лись бы, мне пришлось бы позвать милицию». На этом направлении?
Бедные члены MitOst и понятия не имели, в какой опасности они на-
ходились вчера ночью, когда они в проходе представляли веселые
народные танцы. Но проводница за многие годы работы, наверняка,
видела и худшее. Она 21 год работает на этом направлении, у неё хо-
рошая команда, и она рада, что может постоянно ездить в Москву. И
это видно — дружелюбие проводников неотразимо. «РЖД прислала
нам лучших людей», — считает Беньямин, и он совершенно прав.
Уже снова вечер, когда мы прибываем в Пермь.
7MitOst Magazin #24
Welche Ziele hast du dir persönlich für das Festival gesetzt?
Ich will die Ziele aufteilen: Strategisch ging es mir darum, das Festival
erstmals nach Russland zu holen, schließlich heißen wir MitOst. Für
mich selbst war das Festival in Perm auch ein Zeichen dafür, dass
MitOst seine Offenheit, Mobilität, Kompetenzen und vor allem seine
Werte nicht nur deklariert, sondern auch lebt. Für unser Institut war
es zudem wichtig, neue Kontakte zu knüpfen und Projektideen zu
entwickeln. Dieses Ziel wurde erreicht, zum Beispiel haben wir Eszter
Tóth vom MitOst-Projektbeirat für Mitte November nach Perm einge-
laden, damit sie vor Ort ihr Projekt eines Schulforums präsentiert. Auf
der operativen Ebene war es interessant herauszufinden, ob Perm
so viele Ausländer gleichzeitig »verkraftet« – ich denke, das ist eini-
germaßen gelungen. Auch wollten wir das MUFU Depot (»Multifunk-
tionaler Raum für Kultur« – ein vom Permer Team umfunktioniertes
ehemaliges Verwaltungsgebäude der Permer Tram) einer sinnvollen
Nutzung zuführen. Damit haben wir schon bei den »Europäischen Ak-
zenten« im September angefangen und jetzt steht es uns mit variabler
Gestaltung bis Ende November zur Verfügung. Anschließend wird es
gewerblich genutzt, aber das dabei gewonnene Know-how können
wir auf andere Orte übertragen.
Gab es beim Festival für dich größere Überraschungen, positive oder
negative?
Richtige Überraschungen zwar nicht, aber ich fand es enttäuschend,
dass keine Georgier teilgenommen haben. Sie hatten auch eine Ein-
ladung von der Ausländerbehörde bekommen, allerdings nur genau
für den Zeitraum des Festivals. Eine Interessentin hatte schon einen
früheren Flug gebucht und musste dann hohe Stornokosten über-
nehmen. Wir haben ihr noch angeboten, diese zu erstatten, das hat
leider nicht mehr geklappt. Die andere Georgierin hat ihr Visum zu
spät beantragt – da konnten wir leider nicht mehr helfen, was eine
enttäuschende Folge der komplizierten politischen Beziehungen zwi-
schen unseren Ländern ist. Allerdings: Auch nichtgeorgische Teilneh-
mer haben teilweise kein Visum mehr bekommen, weil sie sich zu spät
darum gekümmert haben. Sehr positiv fand ich die Zweisprachigkeit,
was ursprünglich ein Wunsch des Ministeriums war. Damit konnten
Jugendliche aus Perm angesprochen und eingebunden werden, ins-
besondere Alumni von »Engagement täglich«, unserem gemeinsamen
Programm mit dem Theodor-Heuss-Kolleg. Auch der russischsprachige
Trainerpool konnte so an den Workshops im Rahmen des Festivals teil-
nehmen. Diese Zweisprachigkeit sollte beim nächsten Festival erhalten
bleiben, was allerdings bedeutet, dass zum Beispiel für die Eröffnung,
aber auch für einzelne Workshops mehr Zeit eingeplant werden muss.
Welchen Rat kannst du dem Team für das nächste Festival in Bud-
weis noch mit auf den Weg geben?
Das lässt sich nur schwer beantworten, weil die Aufgaben sehr orts-
spezifisch sind. Auf jeden Fall sollte die Kultur-AG wieder eingebun-
den werden. Sie sind ein wunderbares Team mit vielen kreativen
Ideen. Es wäre schön, wenn manche Veranstaltungen des Festivals
der interessierten Bevölkerung der nächsten Gaststadt offen stünden,
und das muss der jeweiligen Öffentlichkeit sehr gut kommuniziert
werden. Unsere Erfahrung zeigt, dass das Festivalprogramm sehr bunt
ist und in viele Richtungen geht (Bildung, Kultur, Kommunikation), so
dass es nicht einfach ist, dem örtlichen Publikum kurz und knackig zu
vermitteln, was in den nächsten Tagen in der Stadt passiert. Davon
hängt aber stark ab, ob das Festival wahrgenommen wird und die
Veranstaltungen von den Bürgern entsprechend besucht werden.
Institut für zivilgesellschaftliches Engagement
Ziel der Arbeit des Instituts ist es, die Entwicklung der Zivilge-
sellschaft und bürgerlichen Initiativen zu unterstützen. Dies
geschieht vor allem durch non-formale soziale Projekte, wobei
Jugendliche, Künstler und Vertreter von ethnischen Minderhei-
ten die Zielgruppe darstellen. Das Institut kooperiert mit vielen
russischen und ausländischen Stiftungen und Vereinen, darunter
auch regelmäßig mit MitOst.
Weitere Infos sind unter
http://civic-engagement-institute.de/
zu finden.
Gelebte WerteSoja Lukjanowa war auf russischer Seite mit ihrem Team für das MitOst-Festival 2010 in Perm verantwortlich. 2004/05 nahm sie am Programm »Kulturmanager aus Mittel- und Osteuropa« der Robert Bosch Stiftung teil und stieß dadurch zu MitOst. Im Jahr 2007 gründete sie mit einigen Mitstreitern die NGO »Institut für zivilge-sellschaftliches Engagement« in Perm, das sie seitdem leitet. Außerdem ist sie Mitglied im Beirat des Ministe-riums für Kultur, Jugend und Massenkommunikation des Permer Gebiets. Mit Karl-Ernst Friederich sprach sie über ihre Eindrücke vom Festival.
8MitOst Magazin #24
Институт гражданской активности
Цель деятельности Института — поддержка развития граж-
данского общества и общественных инициатив. Это проис-
ходит прежде всего в рамках проектов, целевая группа кото-
рых — молодежь, художники и представители национальных
меньшинств. Институт сотрудничает со многими российскими
и зарубежными фондами и объединениями, в том числе на ре-
гулярной основе с MitOst.
Более подробная информация на сайте
http://civic-engagement-institute.de/
Следовать своим ценностямЗоя Лукьянова со своей командой отвечала за проведение фестиваля MitOst 2010 с российской стороны. В 2004–2005 годах она участвовала в программе «Менеджеры в сфере культуры из Центральной и Восточной Европы» Фонда им. Роберта Боша и объединения MitOst и через нее пришла в MitOst. В 2007 году вместе с несколькими сподвижниками Зоя основала в Перми некоммерческую организацию «Институт гражданской активности», которой с тех пор руководит. Кроме того, она входит в состав Совета при Министерстве культуры, молодежной политики и массовых коммуникаций Пермского края. С Карл-Эрнстом Фридерихом она беседовала о своих впечатлениях от фестиваля.
Какие цели ты ставила лично для себя, проводя фестиваль?
Я разграничу цели: стратегически мне хотелось привести фестиваль
в Россию, в конце концов, мы называемся MitOst. Для меня самой
фестиваль в Перми был знаком того, что MitOst свою открытость,
мобильность, компетенции, и прежде всего свои ценности не толь-
ко декларирует, но и живет ими, следует им. Для нашего института,
кроме того, было важно найти новые контакты и развить проектные
идеи. Эта цель была достигнута. Мы, например, пригласили Эстер
Тот приехать в середине ноября в Пермь и провести презентацию
ее проекта школьного форума. На оперативном уровне было инте-
ресно выяснить, способна ли Пермь выдержать столько иностран-
цев одновременно. Думаю, это более или менее получилось. Мы
также хотели найти разумное применение для «МУФУ Депо» [«Муль-
тифункциональное пространство для культуры» — бывшее адми-
нистративное здание пермского трамвая, перепрофилированное
пермской командой]. Это дело мы начали уже в сентябре во время
«Европейских акцентов», и до конца ноября «МУФУ Депо» будет с
вариативным оформлением в нашем распоряжении.
Столкнулась ли ты во время фестиваля с серьезными неожидан-
ностями, позитивными или негативными?
Больших неожиданностей не было. Но меня расстроило, что не при-
ехали грузины. Они тоже получили приглашения, правда, только на
период проведения фестиваля. Одна из грузинских участниц уже за-
бронировала рейс на более раннюю дату, и ей пришлось заплатить
большой сбор за изменение срока. Мы предложили ей возместить
эти расходы, но решить проблему, к сожалению, уже не удалось.
Другая участница из Грузии слишком поздно подала документы на
визу. Тут мы уже, увы, ничем не могли помочь — печальные послед-
ствия сложных политических отношений между нашими странами.
Правда, не только грузинские участники не получили визу — неко-
торые слишком поздно занялись оформлением.
Очень мне понравилась двуязычность фестиваля, изначально это
было желание Министерства. Тем самым в фестиваль была включена
пермская молодежь, в частности выпускники программы «Граждан-
ская активность каждый день» — нашей совместной программы с
Коллегией им. Теодора Хойсса. И русскоязычный тренерский пул
смог поучаствовать в мастер-классах в рамках фестиваля. Двуязыч-
ным хорошо бы быть и следующему фестивалю. Правда, это озна-
чает, что, например, для открытия или для мастер-классов нужно
резервировать больше времени.
Что ты можешь посоветовать команде, которая готовит следую-
щий фестиваль в Ческе-Будеёвице?
На этот вопрос нелегко ответить, поскольку задачи очень зависят от
местности. В любом случае рабочая группа по культуре должна быть
снова включена в подготовку. Они прекрасная команда с множеством
креативных идей. Двуязычность, как я уже сказала, должна быть со-
хранена. Может быть, немецко-английская? Желательно, чтобы неко-
торые мероприятия фестиваля были открыты для заинтересованных
местных жителей. И это нужно очень качественно донести до соот-
ветствующей общественности. Наш опыт показывает, что программа
фестиваля очень пестрая и имеет много направлений (образование,
культура, коммуникация), поэтому не так-то просто объяснить мест-
ной публике коротко и понятно, что будет происходить в ближайшие
дни в их городе. Но от этого во многом зависит то, как жители воспри-
мут фестиваль и захотят ли посетить его мероприятия.
9MitOst Magazin #24
Neu beim MitOst-FestivalEindrücke aus Izhewsk
Bosch-Lektorin Susen Seidel (Izhewsk, Russland) ist mit einigen ihrer Studentinnen, die MitOst vorher nicht kannten, zum Festival nach Perm gereist. Später fragte sie diese nach ihren Impressionen.
Mit dem Festival assoziiere ich eine Giraffe.
Giraffen haben sehr viele Flecken und je-
der Fleck ist ein Mensch, der zu MitOst ge-
hört. Ich mag diese Organisation und warte
auf die nächste Begegnung. Ich habe zwei
Menschen kennen gelernt, die sich in sechs
Sprachen verständigen können. Ich glaube,
Perm ist ein Labor der Ideen und Projekte,
der Kunst und Kultur. Außerdem bin ich jetzt
ein alter Hase im Beatboxing.
Ksenia Lisina
Besonders schön war, dass die meisten Teil-
nehmer dieses Festivals Ausländer waren,
die extra nach Perm gekommen sind. Nach
jeder Party sind wir spazieren gegangen
und waren so laut, dass wir die Anwohner
der umliegenden Häuser geweckt haben.
Deswegen wurden wir einmal beinahe von
einem Polizisten angehalten... Oder wir sa-
ßen die ganze Nacht im Hotel und sangen
verschiedene Lieder (wieder zu laut...) Alle
zehn Minuten kam jemand Neues zu uns,
wir spielten Gitarre, jeder konnte etwas im-
provisieren und zeigen. In dieser Nacht habe
ich auch drei Musikerinnen einer Rockgrup-
pe kennengelernt. Deutsch sprachen sie gar
nicht, nur Englisch. Auf diese Weise konnte
ich auch mein schreckliches Englisch etwas
trainieren.
Darja Osipowa
Ich bin wirklich davon beeindruckt, wie viel-
sprachig und reich an Erfahrungen und Ide-
en das Festival war. Einiges davon habe ich
mitgenommen, zum Beispiel: »Grüne Ideen«
und verschiedene Möglichkeiten, Botschaf-
ten zu vermitteln. Den Workshop unter Lei-
tung der deutschen Beatboxing-Meister Da-
niel Mandolini (Mando) und Philippe Zeidler
(ChloroPhil) werde ich nie vergessen. Dort
haben wir versucht, verschiedene Beats und
Geräusche mit dem Mund zu erzeugen. Wen
würde ich gerne noch mal treffen? Ich denke
alle. Und ich wäre sehr froh, noch einmal an
solch einem Festival teilzunehmen.
Veronika Sulajmonowa
10MitOst Magazin #24
Впервые на фестивале MitOstВпечатления из Ижевска
Лектор фонда Роберта Боша Сузен Зайдель (Ижевск, Россия) приехала в Пермь на фестиваль со своими студентками, которые до этого не знали MitOst. Позднее она спросила их о впечатлениях.
Моя ассоциация с фестивалем — жираф. У
жирафа очень много пятен, и каждое пятно
— это человек, относящийся к MitOst. Мне
нравится эта организация, и я жду новых
встреч. Я познакомилась с двумя людьми,
которые говорят на шести языках. Я думаю,
Пермь — это лаборатория идей и проектов,
искусства и культуры. Кроме того, я теперь
бывалый битбоксер.
Ксения Лисина
Особенно мне понравилось, что участники
фестиваля в большинстве своём были ино-
странцами и специально приехали в Пермь.
После каждой вечеринки мы гуляли по
городу и шумели так, что будили жильцов
близлежащих домов. Поэтому нас однажды
чуть не задержал один милиционер... Или
мы сидели всю ночь в гостинице и пели пес-
ни (опять же громко...). Каждые десять минут
к нам кто-нибудь присоединялся, мы играли
на гитаре, всякий имел возможность сым-
провизировать и представить что-нибудь. В
эту ночь я познакомилась с тремя музыкан-
тами из одной рок-группы. По-немецки они
совсем не говорили, только по-английски.
Так я могла потренировать немного свой
ужасный английский.
Дарья Осипова
Меня действительно впечатлило, насколько
многоязычным был фестиваль, богатым —
опытом и идеями. Кое-что я взяла с собой,
например, «Зеленые идеи» и различные воз-
можности передать то или иное послание.
Мастер-класс немецких виртуозов битбок-
са Даниэля Мандолини (Мандо) и Филипп
Цайдлера (ХролоФил) я никогда не забуду.
Там мы попробовали произвести ртом раз-
личные биты и звуки. Кого я охотно встре-
тила бы снова? Думаю, всех. И я была бы
очень рада еще раз поучаствовать в таком
фестивале.
Вероника Сулаймонова
FOTOS: KIÊN HOÀNG LÊ
11MitOst Magazin #24
Vom Hotel Ural fahren wir fast drei Stunden mit unserem angemiete-
ten japanischen Kleinbus an den nordöstlich von Perm gelegenen Ort
mit der Geheimkodierung: VS-389/36. Drei Stunden über eine schnur-
gerade Landstraße, die durch die hügelige und waldreiche Weite des
Urals vorbei an kristallklaren Seen scheinbar immer tiefer hinein in die
russische Wildnis führt. Die herbstliche Landschaft ist hier sanftmütig
und makellos. Mitten im Nirgendwo biegen wir auf einen Feldweg
ab und holpern zu den verlorenen Holzhäuschen des Dorfes Kučino.
Hier liegt es: Perm-36, das einzige Gulag-Museum in Russland, das in
einem ehemaligen Strafgefangenenlager untergebracht ist.
Unser Bus hält hinter dem Dorf vor einem weiß getünchten Bretter-
zaun, der in der grau-braunen Landschaft etwas irreal wirkt. Ringshe-
rum befinden sich Stoppelfelder und Birkenwälder bis zum Horizont.
Es fühlt sich an, als befinden wir uns längst in Sibirien, denn was wir
hier besichtigen, verbindet man eher mit der bedrohlichen Landschaft
im Osten Russlands. Vor dem zweistöckigen Wachgebäude werden
wir erwartet. Unsere Führung durch den Gulag beginnt dort, wo auch
für jeden Strafgefangenen die Repression ihren Anfang nahm: in der
Passier- und Kontrollstation.
»Gulag« bedeutet auf Deutsch »Hauptverwaltung der Lager« und steht
synonym für ein umfassendes Unterdrückungssystem des kommu-
nistischen Regimes seit den 20er Jahren. Die gesamte Sowjetunion
war überzogen mit einem Netz aus Arbeitslagern, Straflagern, Gefäng-
nissen und Verbannungsorten. Verschleppung, Inhaftierung, Kälte,
Hunger und Zwangsarbeit waren die brutalen Instrumente des sta-
linistischen Gulag-Systems. Bis Ende der 80er-Jahre existierten die
Lager, Millionen Menschen waren inhaftiert und auch die Zahl der
Todesopfer geht in die Millionen. Ein großer Teil der Gefangenen wur-
de nach dem berüchtigten Artikel 58 des russischen Strafgesetzbu-
ches wegen Landesverrats verurteilt. Die Vorschrift stellte Vergehen
wie »antisowjetische Propaganda« und »organisierte Tätigkeit in kon-
terrevolutionärer Absicht« unter Strafe und diente als Grundlage für
unzählige Verhaftungen.
Das Lager befindet sich seit 1946 an seinem heutigen Standort und
bestand bis 1972 als Arbeitsbesserungsanstalt Nr. 6. Es war ein ver-
gleichsweise kleines Arbeitslager mit rund 1.000 Häftlingen, die in
der Umgebung Bäume fällen mussten. Aufgrund seiner günstigen
Lage am Fluss Tschussowoi wurde das Lager nach der Waldrodung in
der Umgebung nicht aufgegeben, sondern mit Technik für weiter ent-
fernt gelegene Wälder ausgerüstet. Später wurden Werkstätten sowie
eine Schmiede und ein Sägewerk eingerichtet. Zu Beginn der 70er
Jahre wurden im Zuge einer neuen Repressionswelle die Sicherheits-
maßnahmen weiter verschärft und es erfolgte ein Aus- und Umbau
In den Gulag und zurückTausende von Straflagern in der Sowjetunion bildeten einst den »Archipel Gulag«, nur eines ist als Dokumen-tationsstätte und Museum erhalten. Am Rande des MitOst-Festivals nutzten einige Teilnehmer die seltene Gelegenheit und unternahmen eine Exkursion dorthin. Von Christoph Schulz
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des ITK-6 zu einem Lager ausschließlich für politische Gefangene.
Um die Geheimhaltung der Existenz des Lagers zu verstärken, bekam
es eine neue Kodierung: VS-389/36. Menschenrechtler nannten es
jedoch fortan »Perm-36«.
Das massive Eisentor öffnet sich und gibt den Blick auf den Hof frei:
rechts das große Wachgebäude, von dem der gelbliche Putz abbrö-
ckelt, links drei hölzerne Wohnbaracken, die 1946 für jeweils 250
Gefangene von Häftlingen erbaut wurden. Hier sind heute zwei Aus-
stellungen zu sehen. An der Stelle der vierten Holzbaracke befindet
sich seit 1972 das Stabsgebäude, in dem ein Kinosaal, eine Bibliothek
und eine Kantine untergebracht sind. Zwischen den Baracken verläuft
eine sandige Birkenallee, die 1948 von Inhaftierten im Rahmen einer
verordneten Verschönerungsaktion angelegt wurde und zur Kranken-
und Sanitätsbaracke führt. Ringsum hohes Gras, verfallene Gebäu-
dereste und der alles umgebende drei Meter hohe hölzerne Zaun.
Dahinter der Postenweg und Metallpfosten mit Porzellanisolatoren,
daran ein dünner Draht, der unter 20 Volt-Schwachstrom stand. In
der Erde befand sich das zugehörige System. Jeder Ausbruchsversuch
löste im Wachgebäude einen Alarm aus. Abseits im Lager befindet
sich der »Schiso«. Schiso ist die Abkürzung für »Strafisolator«, die schä-
bige Isolationsbaracke des Lagers. Inhaftierte konnten für die syste-
matische Nichterfüllung der Arbeitsnorm hier hinein gesteckt werden
oder auch nur, weil der obere Kragenknopf offen war. Eigentlich für
jeden Verstoß. Spätestens hier drin, in den engen und lichtlosen Zel-
len, schnürt es dem letzten Besucher die Kehle zu.
Kurz vor unserer Rückfahrt nach Perm besichtigen wir das nur wenige
hundert Meter vom Stammlager entfernte zweite Lager. Unter härtes-
ter Bewachung wurden hier in einer großen Baracke, einer ehemali-
gen Werkstatt, besonders gefährliche »Staatsverbrecher« rund um die
Uhr in Zellen inhaftiert. Freigang war nur in winzigen, zwei Mal zwei
Meter großen Käfigen möglich. Dieses mehrfach umzäunte und stark
gesicherte Speziallager gehörte zur strengsten Kategorie im sowjeti-
schen Gulag-System – dem »besonderen Regime«.
Unter dem Eindruck von Glasnost und Perestroika wurde Perm-36
im Jahre 1987 geschlossen, die letzten Gefangenen begnadigt und
sämtliche Sicherheitseinrichtungen entfernt. Bulldozer schoben alles
in den Wald. Nur Baracken ohne Gitter waren übrig geblieben. Die
offensichtlichen Spuren der Repression sollten verwischt werden.
Engagierte Historiker entdeckten jedoch Anfang der 90er Jahre das
abgelegene Gelände und setzten sich seither zusammen mit der
Menschenrechtsorganisation »Memorial« für die Rekonstruktion des
Lagers und die Einrichtung eines Museums ein. Unterstützung dafür
kommt auch aus Deutschland. Freiwillige engagieren sich regelmäßig
in den Sommermonaten für den Aufbau des Museums.
Vor Einbruch der Dunkelheit beenden wir unsere Besichtigung. Wir
fahren mit dem Bus vorbei an dem ehemaligen Gebäude der Wach-
mannschaft, das sich außerhalb des Straflagers befindet. Nach Auflö-
sung des Gulags wurden weite Teile des Geländes an das regionale
Gesundheitsamt übergeben. Seither unterhält es hier an diesem ab-
gelegenen und historisch schwer belasteten Platz ein Heim für geistig
behinderte Menschen. Ich habe den Eindruck, die Bewohner sind die
neuen »Verbannten« der postsowjetischen Zeit. Mit einem dumpfen
Gefühl verlassen wir diesen schwermütigen und trostlosen Ort.
Weitere Informationen im Netz:
www.perm36.ru/de/
www.facebook.com/perm36
www.flickr.com/perm-36 (Fotos)
13MitOst Magazin #24
В ГУЛАГ и обратно«Архипелаг ГУЛАГ» некогда в Советском Союзе образовывали тысячи исправительных лагерей, лишь один из них является сегодня документальным центром и музеем. На излёте фестиваля MitOst некоторые участники использовали редкую возможность совершить экскурсию. Рассказывает Кристоф Шульц.
От отеля «Урал» мы едем почти три часа на нашем арендованном
японском микроавтобусе до места с секретным шифром ВС-389/36,
расположенного к северо-востоку от Перми. Три часа по прямо-
му как стрела шоссе, которое по холмистым и лесистым просторам
Урала, мимо прозрачных как хрусталь озёр, заводит нас всё дальше в
российскую глушь. Осенний ландшафт здесь кроток и безукоризнен.
Где-то «нигде» мы сворачиваем на просёлочную дорогу и трясёмся на
пути к затерянным деревянным домишкам деревни Кучино. Он нахо-
дится здесь: Пермь-36, единственный музей политических репрессий
в России, который расположен в бывшем исправительном лагере.
Наш автобус останавливается за деревней, перед выкрашенным в
белый цвет дощатым забором, который на фоне серо-коричневого
ландшафта кажется несколько нереальным. Вокруг со всех сторон
до горизонта жнивьё и берёзовый лес. Такое чувство, что мы давно
находимся в Сибири, так как то, что предстаёт здесь перед нашими
глазами, связывают обычно с угрожающим ландшафтом на востоке
России. Нас ждут у двухэтажного караульного помещения. Наша экс-
курсия в ГУЛАГ начинается там, куда первым делом попадали и за-
ключённые: на контрольно-пропускном пункте.
Слово ГУЛАГ расшифровывается как Главное Управление Лагерей и
используется также для обозначения всеохватывающей репрессив-
ной системы коммунистического режима с 20-х годов. Весь Совет-
ский Союз был покрыт сетью трудовых и исправительных лагерей,
тюрьмами и местами ссылок. Насильственное перемещение, аре-
сты, холод, голод и принудительный труд были брутальными инстру-
ментами сталинской системы ГУЛАГа. До конца 80-х существовали
лагеря, миллионы людей были арестованы, число погибших также
измеряется миллионами. Большая часть заключённых была осуж-
дена по печально известной статье 58 Уголовного кодекса РСФСР
за измену Родине. Её нормы предусматривали наказание по таким
преступлениям как «антисоветская пропаганда» и «организованная
деятельность с контрреволюционными намерениями» и служили
основанием бесчисленных арестов.
Лагерь располагается на своём сегодняшнем месте с 1946 года, и
до 1976 года являлся исправительно-трудовой колонией №6 (ИТК-
6). Это был сравнительно небольшой трудовой лагерь, содержа-
щий около 1000 заключённых, которые валили в окрестностях лес.
Ввиду своего выгодного расположения на реке Чусовой лагерь не
был закрыт по окончании вырубки в окрестных лесах, а оснащён
техникой для обработки лесов, находящихся в отдалении. Позже
воздвигли мастерские, а также кузницу и лесопилку. К началу 70-х
годов в рамках новой волны репрессий меры безопасности были
усилены, и ИТК-6 была преобразована в лагерь только для полити-
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ческих заключённых. Чтобы засекретить существование лагеря, ему
присвоили шифр ВС-389/36. Правозащитники продолжали называть
его Пермь-36.
Массивная железная дверь открывается и можно свободно взгля-
нуть на двор: справа большое караульное помещение, с которого
осыпается желтоватая штукатурка, слева три деревянных жилых ба-
рака, на 250 заключённых каждый, они были построены в 1946 году.
Здесь сегодня расположены две выставки. На месте четвёртого де-
ревянного барака с 1972 года находится здание штаба, в котором
располагаются кинозал, библиотека и столовая. Между бараками
пролегает песчаная берёзовая аллея, которая была посажена аре-
стантами в 1948 году в рамках мероприятий по облагораживанию
территории. Она ведёт к больничному и санитарному баракам. Кру-
гом высокая трава, остатки разрушенных зданий, и окружающий всё
это трёхметровый деревянный забор. За ним дозорная полоса и ме-
таллические столбы с фарфоровыми предохранителями, на них тон-
кая проволока, которая ранее была под слабым напряжением в 20
вольт. В земле находилась связанная с ней система. Каждая попытка
к бегству вызывала тревогу в караульном помещении. В некотором
отдалении находится ШИЗО. Это сокращение от штрафного изоля-
тора, изоляционного барака в лагере. Арестованные могли быть за-
ключены сюда за систематическое невыполнение нормы выработки
или просто потому, что верхняя пуговица воротника была расстёг-
нута. Собственно говоря, за любой проступок. Самое позднее здесь
внутри, в узких и лишённых света камерах, у последнего не впечат-
лённого ещё лагерем посетителя сжимает горло.
Незадолго до отъезда в Пермь мы осматриваем второй лагерь, рас-
положенный лишь в нескольких сотнях метров от основного. Под
строжайшей охраной здесь в большом бараке, служившем ранее
мастерской, круглые сутки в камерах содержались особо опасные
«государственные преступники». Передвигаться они могли только
по крохотной, два на два метра, камере-клетке. Этот многократно
окружённый забором и сильно защищённый спецлагерь принадле-
жал к строжайшей категории советской системы ГУЛАГа – «лагерь
особого режима».
Под влиянием гласности и перестройки в 1987 году лагерь Пермь-36
был закрыт, последние заключённые помилованы и все защитные
сооружения снесены. Бульдозеры уволокли всё в лес. Остались
только бараки без решёток. Очевидные следы репрессий должны
были исчезнуть. Неравнодушные историки открыли в начале 90-х
эту отдалённую территорию и вместе с правозащитной организа-
цией «Мемориал» занялись реконструкцией лагеря и созданием
музея. Поддержка поступает и из Германии. Так, волонтёры летом
регулярно участвуют в развитии музея.
Перед наступлением темноты мы заканчиваем наш осмотр. Проез-
жаем на автобусе мимо бывшего здания караула, которое находится
вне лагеря. После закрытия ГУЛАГа большая часть территории была
передана региональному министерству здравоохранения. С тех пор
в этом удалённом и исторически отягощённом месте располагается
приют для душевнобольных. Мне кажется, его обитатели – новые
«ссыльные» постсоветского времени. С неясным чувством покидаем
мы это унылое и безотрадное место.
Информация в Интернете:
www.perm36.ru/de/
www.facebook.com/perm36
www.flickr.com/perm-36 (Фотографии)
15MitOst Magazin #24
»Pipeline – under construction« – Was war da los?
Witja: Die Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa haben neben
vielen anderen eine ganz eigene, exklusive Kultur der Verbun-
denheit. Diese Kultur ist rund und hat einen Durchschnitt von 1,4
Metern. Ich will natürlich auf den Titel hinaus: Pipelines. Pipelines
verzweigen sich in viele Länder und überwinden große Distanzen.
Natürlich ist das alles andere als einfach. Immer wieder werden
Menschen und gesellschaftliche Fragen zwischen Ost und West
bewusst ausgespielt und ausgegrenzt. Es geht um Macht, Material
und Energie.
Das ist eine sehr sensibles Thema in Osteuropa. Sollte MitOst als
Verein für Sprach- und Kulturaustausch da so direkt herangehen?
Witja: Ich denke schon. Wenn man untereinander im Gespräch
bleiben will, braucht man auch ein relevantes Thema. Engagement,
Bildung, Kulturvermittlung und -austausch, zivilgesellschaftliches En-
gagement, auch dafür steht MitOst. Ich weiß nicht genau, ob die Rei-
henfolge stimmt, aber ich sehe viele Schnittstellen für MitOst nach
innen und außen. Rückblickend konnten wir glücklicherweise fest-
stellen, dass vom MitOst-Vorstand bis hin zu den Teilnehmern der
Workshops – sowohl von russischer als auch von europäischer Seite
aus – das Thema mit Interesse angenommen und viel darüber ge-
sprochen wurde.
»Rückblickend« – ihr wart also auf kritische Stimmen eingestellt?
Nastasia: Ja, wie du selbst festgestellt hast: Es ist ein sensibles
Thema zwischen Ost und West. Der Titel »Pipelines – under con-
struction« ist da schon ein Kunstgriff, um das Thema als Chance
und Metapher anzupacken. Künstler und Kunst sollten dabei zum
gemeinsamen Dialog anregen. Während des Festivals hatten wir be-
eindruckende Sound- und Videoinstallationen zum Thema. In der
ganzen Stadt waren zeitweise unsere Projektionen zu sehen. Die
Beatboxcrew 4x Sample hat zwischen Mittwoch und Sonntag kein
Mikrofon in Perm ausgelassen. Beim Workshop von Mando und Phil
haben über 30 Leute zusammen Musik gemacht. Das sind Momen-
te, die verbinden und glücklich machen! Die Installation »Walk the
Pipeline« von Maja und Maria war mitunter so voll, dass wir den
Einlass und die Ausgabe der Taschenlampen am Eingang begrenzen
mussten. Kurz: Der Verein, alle Künstler, das bunte Publikum und
sogar die Presse hat gestaunt, gefragt, gelernt und am Ende des
Tages mit Vodka angestoßen. So soll es doch sein!
Dann überrascht ihr in České Budějovice hoffentlich mit einem neu-
en Schwerpunkt und wir stoßen am Ende des Tages mit Bier an?
Nastasia: Wir werden da sein und freuen uns schon. Ein Programm
bringen wir diesmal nicht mit. Ein ganzes Programm wie »Pipeline –
under construction« braucht über ein Jahr Vorbereitung. Wir sind aus
der wilden Kultur- und Kreativwirtschaft, d. h. nach 20 Uhr haben
wir uns getroffen und für »Pipeline – under construction« Ideen ent-
wickelt, Förderanträge gestellt, hier und da unsere Idee präsentiert,
Künstler gesucht und gefunden, Partner in Perm getroffen, Visa be-
antragt, Anreise, Aufbau, Feiern, Vernissage, Filmvorführung, Party, Ta-
schenlampe an-aus, Pipeline aufpusten, Regen, Sonne, Schneeregen
in Perm, Tanzen, Reden, Juhuu-Rufen, Abbau, Abschluss..... Was für
eine wunderbare Zeit!
Pipeline – under constructionAuf dem 8. Internationalen MitOst-Festival in Perm überraschte die MitOst-Arbeitsgemeinschaft Kultur zum ersten Mal mit einem eigenen thematischen Schwerpunkt: »Pipeline – under construction«. Zu sehen waren zwei Ausstellungen, vier Workshops, Filmvorführungen und Diskussionen mit den Regisseuren sowie zahlrei-che funkelnde Sound- und Lichtinstallationen auf dem Gelände des alten Straßenbahndepots in der Permer Innenstadt. Felix Krause sprach mit zwei der drei Kuratoren, Nastasia Hase und Witja Frank.
16MitOst Magazin #24
Das klingt gut! Wie geht es weiter mit der Pipeline, wie geht es wei-
ter mit der MitOst-Kultur-AG?
Witja: Die MitOst-Kultur-AG ist ja keine AG mit Plan und Anwesen-
heitsliste im Sinne einer Arbeitsgemeinschaft. Wir sind ein bunter
Haufen mit vielen Türen in alle Richtungen! Die Kultur-AG ist eher
Kultur als AG. Vielleicht können wir die AG irgendwann ablegen? Wie
auch immer, wir wollen auch in Zukunft Kulturprojekte bei MitOst
einpacken und anpacken, zusammen mit verrückten Künstlern und
mutigen Partnerinstitutionen!
Nastasia: Schon bald brechen wir wieder in Richtung Osten auf mit
neuen Ideen, Kunst und Künstlern: Wir haben letztes Jahr in Perm
bei »Pipeline – under construction« viele Freunde gefunden und
gute Kontakte aufgebaut, z. B. zum »Institut für zivilgesellschaftliches
Engagement«. Gemeinsam werden wir dieses Jahr im August eine
Summer-School initiieren. Unser Ziel heißt Kudymkar, eine Kleinstadt
drei Stunden von Perm entfernt. Im Mittelpunkt stehen die Themen
Identität und kulturelle Minderheiten in dieser Region. Konkret geht
es um die Permi-Komi Minderheit, ihre Traditionen, Themen und Le-
benswelten. Mit Modedesign, Theater, Musik und Media-Art geht es
um eine kreative Perspektive in Kudymkar. Wir zwei sind mit einer
Auswahl an Künstlern dabei! Mit unterschiedlichen Blickwinkeln und
gemeinsam entwickelten Konzepten wollen alle einen Schritt nach
vorn gehen. Künstler, Studenten und ganz normale Leute aus Europa
und Russland legen ihre Ideen zusammen, dann geht’s los. Hand in
Hand planen wir zusammen die Workshops und ein kleines Festival.
In Kudymkar liegt viel Potenzial. Die Permi-Komi Tradition und Ge-
schichte offenbaren für uns als Berliner viele neue Formen, Muster
und Ideen. Wir freuen uns über die positive Entwicklung miteinander
und füreinander. Angefangen hat alles mit der Idee einer Pipeline und
jetzt fließt etwas!
17MitOst Magazin #24
Pipeline – under construction? Что это было?
Витя: У стран Центральной, Восточной и Юго-Восточной Европы
(стран MitOst) наряду с многими другими есть совершенно особая,
эксклюзивная культура взаимозависимости. Эта культура круглая
и в среднем размером 1,4 метра. Я говорю сейчас, конечно, о по-
нятии, лежащем в основе проекта. Трубопроводы разветвляются по
многим странам и соединяют дальние территории. Естественно, это
непростое дело. Из игры систематически и преднамеренно исклю-
чаются люди и общественные проблемы между Востоком и Западом.
Речь идёт только о власти, сырьевых ресурсах и энергии.
Это очень чувствительная политическая тема в Восточной Евро-
пе, должен ли MitOst как объединение языкового и культурного
обмена подходить к ней столь прямо и непосредственно?
Витя: Я думаю да. Чтобы оставаться в диалоге друг с другом, нуж-
на подходящая тема. Образование, культурные посредничество и
обмен, гражданская активность — всё это поддерживает MitOst.
Я не знаю, в таком ли точно порядке, но я вижу множество точек
соприкосновения для MitOst, как во внутренней, так и во внешней
среде. По окончании проекта, мы, к счастью, можем констатировать,
что, начиная с членов правления MitOst и заканчивая участниками
мастер-классов – как с российской, так и с европейской стороны –
тема была воспринята с интересом и об этом много говорили.
«По окончании» – то есть вы настраивались на критику?
Настасья: Да, как ты сам сказал: это чувствительная тема в отно-
шениях между Востоком и Западом. Название «PIPELINE – under
construction» – это художественный приём, позволяющий исполь-
зовать тему как шанс и метафору. Люди искусства и само искусство
должны при этом побуждать к совместному диалогу. На фестивале у
нас были впечатляющие звуковые и видеоинсталляции на эту тему.
Наши проекции временами было видно во всём городе. Битбокс-ко-
манда «4xSample» между средой и воскресеньем не выпускала из
рук микрофон. На мастер-классе Мандо и Фила более 30 человек
вместе работали над музыкой. Это моменты, которые объединяют и
делают людей счастливыми! Инсталляция «Walk the Pipeline» Майи
и Марии порой была настолько популярна, что нам приходилось
ограничивать доступ и раздачу карманных фонариков на входе. Ко-
ротко: объединение MitOst, все художники, пёстрая публика и даже
пресса удивлялись, спрашивали, учились, и в конце дня чокались
водкой. Так и должно быть!
А в Ческе Будеёвице вы нас, надеюсь, удивите чем-то новым, и мы
будем в конце дня чокаться пивом?
Настасья: Мы там будем и очень рады этому. Но в этот раз мы не
будем представлять никакой программы. Программа, подобная
«PIPELINE – under construction», готовится больше года. Мы все из
неорганизованной культурной и креативной экономики, то есть
собирались после 8 часов вечера и развивали идеи для проекта,
подавали заявки на финансирование, презентовали тут и там нашу
идею, искали и находили художников, встречались с партнёрами в
Перми, запрашивали визы, затем приезд, возведение, празднование,
вернисаж, показы кинофильмов, вечеринка, карманный фонарик
вкл-выкл, надуть трубопровод, дождь, солнце, дождь со снегом в
На 8-ом Международном фестивале MitOst в Перми рабочая группа MitOst по культуре впервые преподнесла всем сюрприз своим собственным тематическим акцентом: PIPELINE – under construction*. Сюда относятся две тематические выставки, четыре мастер-класса, показы кинофильмов и дискуссии с режиссёрами, а также многочисленные звуковые и световые инсталляции на территории старого трамвайного депо в центре Перми. Не только немецкая и российская пресса заинтересовалась этим и рассказала по ТВ и радио о фестивале MitOst. Феликс Краузе расспросил двух из троих кураторов от рабочей группы MitOst по культуре, Настасью Хазе и Витю Франка для журнала MitOst.
Pipeline – under construction
18MitOst Magazin #24
Перми, танцы, беседы, крики «ю-ху!», демонтаж, завершение… Что
за чудесное время!
Звучит классно! Что будет дальше с PIPELINE, что станет с рабочей
группой MitOst по культуре?
Витя: Рабочая группа MitOst по культуре не имеет плана и журнала
учёта посещаемости. Мы – пёстрая куча со многими входами-выхо-
дами во всех направлениях! Рабочая группа по культуре – это ско-
рее «культура», чем «рабочая группа». Возможно, мы когда-нибудь
сможем отказаться от словосочетания «рабочая группа»? Мы хотим
и в будущем создавать культурные проекты, вместе с безбашенными
деятелями культуры и отважными партнёрами.
Настасья: Уже скоро мы снова отправимся в восточном направле-
нии с новыми идеями, искусством и артистами! За последний год во
время работы над «PIPELINE – under construction» мы нашли в Перми
много друзей и завязали хорошие контакты, например, с Институ-
том гражданской активности. Вместе мы в этом году в августе иници-
ируем летнюю школу. Наша цель – Кудымкар, маленький городок в
трёх часах езды от Перми. В центре внимания — темы идентичности
и культурных меньшинств в этом регионе. В частности мы имеем в
виду коми-пермяков, их традиции, темы, их мир. Речь идёт о креатив-
ной перспективе в Кудымкаре — с помощью дизайна и моды, театра,
музыки и медиа-арта. Мы двое вместе ещё с рядом художников бу-
дем там! С различными углами зрения и совместно развитыми кон-
цептами мы все хотим сделать шаг вперёд. Художники, студенты и
совершенно нормальные люди из Европы и России объединят свои
идеи и потенциал, потом всё и начнётся. Рука об руку мы планируем
мастер-классы и небольшой фестиваль. У Кудымкара большой по-
тенциал. Коми-пермяцкие традиция и история раскрываются для
нас, берлинцев, многими новыми формами, образцами и идеями.
Мы рады позитивному развитию друг с другом и друг для друга. Всё
началось с идеи трубопровода, а теперь что-то происходит!
19MitOst Magazin #24
Márton Szuhay, ein Gründungsmitglied des Kreativnetzwerks lábor
aus Pécs, sah bei seinem ersten Besuch im Herbst 2009 in Perm
ein großes Defizit an physischen Räumen in der Stadt für Kunst und
Künstler, in denen kreativ gearbeitet, präsentiert und gefeiert werden
kann. Zur gleichen Zeit gab es viel Leerstand in der Stadt und auch vie-
le Künstler, die mit der aktuellen Situation unzufrieden waren. Daraus
wurde die Idee zum Bau eines MUFUs geboren.
Nach harten Verhandlungen mit Behörden und Hausbesitzern, die
das »Institut für zivilgesellschaftliches Engagement« führte, standen
am Ende zwei ehemalige Verwaltungsgebäude der Permer Tram zur
Verfügung. Zwei Gebäude ohne Strom-, Wasser- und Heizungsan-
schluss, ohne Toiletten und seit Jahren leerstehend und zugerüm-
pelt. Aber die Gebäude hatten Charme, lagen nah am Stadtzentrum
und direkt an einer Tramhaltestelle. In nur drei Wochen intensiver
Zusammenarbeit entstand in dem einen Gebäude eine Festivalzen-
trale mit Bar und Bühne, draußen eine zweistöckige Musikbühne
und eine Terrasse. Das zweite Gebäude wurde für Ausstellungen
hergerichtet. Dank guter Kontakte zum lokalen Stromanbieter wur-
den Starkstromkabel gelegt und als Krönung gelang es, W-Lan ein-
zurichten. Gerade rechtzeitig wurde alles fertig, um die Gäste auf
dem Festival »Europan Accents in Perm« begrüßen zu können. We-
nig später wurde das Gelände auch für die Präsentation der Veran-
staltungsreihe »Pipeline« auf dem MitOst-Festival genutzt.
Leider war dem MUFU nur eine kurze Lebensdauer beschert, da die
Gebäude auf teurem Spekulationsgrund stehen, und somit schlossen
sich die Türen bereits Ende Oktober wieder. Es bleibt zu hoffen, dass
die Künstler aus Perm die Inspiration dieses Ortes an einen neuen
Ort übertragen können.
Kultur im BahndepotÄhnlich wie ein UFO landete die Idee zur Errichtung eines MUFUs (Multifunktionaler Raum für Kultur) in Perm. Im Rahmen des Projekts »European Accents in Perm« wurde das MUFU als eines von neun Kooperations-projekten von Künstlern aus Perm, Duisburg und Pécs entwickelt und im Sommer 2010 in Perm realisiert. Im Oktober zog dann auch das MitOst-Festival vorübergehend ein. Von Stefanie Endter
Das Projekt wurde von der Europäischen Union unterstützt.
Weitere Informationen: www.perm-duisburg-pecs.eu
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: KRI
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20MitOst Magazin #24
Das Treffen der Lektorenalumni im Vorfeld des MitOst-Festivals in
Perm stand wieder einmal ganz im Zeichen der Vernetzung und des
Austauschs. Allerdings gab es auch Neuerungen im Programm. Zwei
Tage hatten sich 18 aktuelle und ehemalige Boschlektoren Zeit dafür
genommen. Erster Höhepunkt war ein Abendessen mit Gästen der
deutschen Gemeinde in Moskau. Im informellen Rahmen stellten
Cornelia Schiemenz vom ZDF und Rechtsanwalt Andreas Knaul sich
und ihre Tätigkeiten in Moskau vor.
Politischer Diskurs zwischen Modernisierung und unbezahlten Hotelzimmern
Das zweite Highlight war ein Termin im Andrej-Sacharow-Zentrum für
Menschenrechte. Hier gaben Jurij Dzhibladze (Präsident des Zentrums
zur Entwicklung der Demokratie und Menschenrechte (CDDHR) und
Mitglied im Präsidentenrat der Russischen Föderation zu Menschen-
rechten und Entwicklung der Zivilgesellschaft) und Andrej Kalikh
(Programmdirektor CDDHR) Einblick in ihre Arbeit und Erfahrung im
Kampf um die Menschenrechte und für die Entwicklung der Demo-
kratie und zivilgesellschaftliches Engagement in Russland. Interessant
war dabei besonders der Hinweis auf das unterschiedliche Verständ-
nis von »Modernisierung« in den Gesprächen zur Zusammenarbeit
zwischen Russland und Deutschland: Für Russen stünden dabei vor
allem technische Interessen im Vordergrund, die Deutschen würden
dagegen zunächst an Demokratisierung und Abbau der Bürokratie
und Korruption denken. Wie es der Zufall so wollte, war ausgerech-
net an diesem Tag der deutsche Bundespräsident Wulff in Moskau
zu einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Medwedew
eingetroffen. Auch die beiden Präsidenten sprachen über eben jene
Partnerschaften und Modernisierung. In der Presse lässt sich nach-
lesen, wie man dabei aneinander vorbei- und über heikle Themen
lieber hinwegreden kann. Für uns tat sich durch die Anwesenheit des
Bundespräsidenten noch ein weiteres Problem auf: In der Botschaft
war nämlich kein Mitarbeiter mehr an seinem Platz, als wir vor unsere
Abreise die Rechnung für die von uns bewohnten Zimmer des Gäste-
hauses der Botschaft begleichen wollten…
Verschiedene Generationen von Boschlektorentauschen sich aus
Das Wichtigste bei diesem Treffen war aber das Kennenlernen, Wie-
dersehen und der Austausch der Alumni untereinander. Und dafür
gab es viel Zeit und Möglichkeiten: Zum Beispiel beim Auftakttreffen
im Jam Café, wo sich am Vorabend die nach und nach in Moskau
ankommenden Alumni sammelten. Oder beim gemeinsamen Früh-
stücken in den Unterkünften, wobei diejenigen, die sich noch nicht
mit Verpflegung eingedeckt hatten, von denjenigen, die mehr Zeit
für die Vorsorge hatten, mitverpflegt wurden. Auch ein Rundgang
durch die Stadt vorbei an diversen interessanten Orten und Plät-
zen gab dienstälteren Alumni die Gelegenheit, Aktuelles aus dem
Lektorenprogramm von derzeitigen Lektoren zu erfahren, während
Noch-nicht- oder Neu-Alumni Interessantes aus der Post-Bosch-Welt
erfahren konnten.
Fazit: Alles verlief nach Plan – und war richtig schön.
Ein Treffen ohne Probleme?Die Boschlektoren in Moskau
Diesmal ging alles glatt! Zur Erinnerung: Ein Jahr zuvor musste ein ungeplanter, sturmbedingter Abstecher nach Helsinki eingelegt werden, als die Teilnehmer des Alumnitreffens der Boschlektoren mit einer Fähre von Lübeck zum Festival in Danzig fahren wollten. Dies lag wie ein böses Omen über dem diesjährigen Wieder-sehen in Moskau, weshalb bei der Planung vorsichtshalber die Nutzung von Wasserfahrzeugen sowie jeder unnötige Kontakt mit Wasser ausgeschlossen wurde. Von Franziska Bewer
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FOTO: KIÊN HOÀNG LÊ
Projekte & InitiativenDas Vereinsjahr im Überblick
Christoph Schulz
1. Vorsitz, Vorstandsmitglied im 1. Jahr
Welcher Teil deiner Vorstandsarbeit ist dir besonders wichtig?
Mich bewegt die Frage: Wo ist der Kern von MitOst? Konkret: Womit
identifizieren sich alle Mitglieder von MitOst? Ich wünsche mir, dass
es uns im Vorstand gemeinsam mit den Mitgliedern gelingt, Antwor-
ten auf diese Frage zu finden. Und neben den Aufgaben, die ich als
1. Vorsitzender ohnehin verantworte, sind mir die Entwicklung eines
Konzeptes zur Mitgliederwerbung und -bindung, damit verbunden
ein Konzept zur internen und externen Kommunikation sowie zum
Fundraising, besonders wichtig.
An welcher Stelle kann MitOst noch zulegen?
Ich wünsche mir, dass MitOst auch in den nächsten 15 Jahren eine at-
traktive Organisation bleibt, in der sich Menschen aus Europa und sei-
nen Nachbarregionen für Zivilgesellschaft und kulturelle Vielfalt stark
machen. Dabei ist für mich das freiwillige Engagement von zentraler
Bedeutung. Hierbei muss es uns allen gelingen, ältere und erfahre-
ne Mitglieder mit jungen, frisch beigetretenen Mitgliedern paritätisch
zusammenzubringen. Wir brauchen dafür möglicherweise, neben
den jährlichen Mitgliederversammlungen und Planungskonferenzen,
neue Beteiligungsformen. Persönlich würde ich mir wünschen, dass
das Potential und die Leidenschaft, die in allen MitOst-Projekten zu
Mehr Euphorie wagenDer neue Vorstand stellt sich vor
Eine der wichtigsten Aufgaben der Mitgliederversammlung beim Festival in Perm war die Neuwahl des Vereins-vorstands. Da nicht alle Mitglieder persönlich in Perm dabei sein konnten und es einige neue Gesichter in der Vereinsführung gibt, hat Annekathrin Günther den alten und neuen Vorstandsmitgliedern einige Fragen gestellt.
VON LINKS NACH RECHTS.: TINO RASCHE, ESZTER TÓTH, DIRK BRETSCHNEIDER, ULRIKE WÜRZ, CHRISTOPH SCHULZ
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24MitOst Magazin #24
finden sind, (wieder) in die Entwicklung der Organisation gesteckt
werden. Im Vorstand werden wir versuchen, unseren Teil dazu bei-
zutragen.
Ulrike Würz
2. Vorsitz, Vorstandsmitglied im 3. Jahr
Auf welche Ereignisse im MitOst-Jahr freust du dich?
Immer wieder und immer noch (!) freue ich mich auf all die Gele-
genheiten, bei denen wir das Vereinsgeschehen ganz aktiv gestalten,
wo Ideen entstehen und umgesetzt werden, wo wir diskutieren und
auch einfach Spaß haben – gemeinsam mit unseren Mitgliedern und
Mitarbeitern. Das ist z. B. die Planungskonferenz, das sind die MitOst-
Stammtische – und das ist ganz besonders das MitOst-Festival –
diesmal in Budweis!
Was siehst du als Vorstandsmitglied anders, als du es als Vereinsmit-
glied gesehen hast?
Zusammenhängende und zum Teil eng miteinander verwobene
Strukturen sehen, bedenken, berücksichtigen, die mir als Vereins-
mitglied nur als Ausschnitt bekannt und bewusst waren. MitOst als
Ganzes sehen, in all seinen Teilen, in seinen Grenzen, aber insbe-
sondere auch in seinen Möglichkeiten – das ist etwas, was man als
Vorstandsmitglied lernt. Und darüber hinaus – sich immer wieder von
der Vielfalt, vom Engagement der Mitglieder und Mitarbeiter überra-
schen zu lassen!
Dirk Bretschneider
Finanzen, Vorstandsmitglied im 2. Jahr
Wie und wann hast du MitOst kennen gelernt?
Das war auf einem Zwischentreffen der Lektoren im Winter 2005 in
Nowosibirsk. Christopher Schumann, damals Schatzmeister, hatte ei-
nen MitOst-Abend mit improvisierter Wintermodenschau und einem
Russland-Quiz organisiert, das ich knapp gewann. Der erste Preis:
Eine lange, warme Unterhose und ein großes Glas Wodka. Sehr ein-
prägsam.
Mit welchen Erwartungen hast du dich aufstellen lassen?
Ich habe mich nach einem Jahr im Vorstand wieder aufstellen lassen,
weil ein Jahr kein Jahr ist. Im Ernst: Im letzten Jahr sind bei MitOst
Veränderungen angestoßen worden – notwendige, sinnvolle und tief
greifende Veränderungen. Dieser Prozess ist spannend und noch lan-
ge nicht abgeschlossen. Ich erwarte, dass wir nicht auf halbem Wege
Halt machen, dass sich noch mehr Mitglieder der Gestaltungsmög-
lichkeiten bewusst werden und sie – wie sich das für einen Verein
gehört – aktiv und im Sinne des Vereins nutzen. Und da sich Erwar-
tungen nicht von allein erfüllen, bin ich gern wieder dabei.
Tino Rasche
Alumni, Vorstandsmitglied im 1. Jahr
An welcher Stelle kann MitOst noch zulegen?
MitOst ist ein erfahrener Verein mit einem sehr großen Netzwerk in
verschiedene Regionen und Bereiche hinein. Die Gefahr besteht al-
lerdings, zu unübersichtlich, zu beliebig zu werden. Um das zu verhin-
dern, können und müssen wir uns an manchen Stellen noch besser
organisieren und strukturieren. Im Bereich Alumni entwickeln wir
beispielsweise derzeit ein Konzept, um die Ehemaligen noch bes-
ser zu erreichen, zu vernetzen und ihnen interessante Projekte zu
ermöglichen. Eine andere Baustelle ist die Dezentralisierung des Ver-
eins, welche das große Potenzial beinhaltet, leichter an Mitglieder in
verschiedenen Regionen heranzutreten und deren Aktivitäten zu un-
terstützen und zu fördern. Wie diese gestaltet werden kann, bleibt
weiterhin eine spannende Frage.
Welche Erfahrungen verbindest du mittlerweile mit dem Verein und
der Vereinsarbeit?
Der Verein und die Vereinsarbeit begleiten mich mittlerweile seit fast
5 Jahren. Bei einem Projekt im Theodor-Heuss-Kolleg habe ich das
erste Mal von dem weiten und starken Netzwerk von MitOst profitiert.
Später habe ich mich als Alumni immer mehr für die Arbeit des Ver-
eins interessiert. Je mehr ich mich einbringe, desto komplexer werden
die Zusammenhänge und umso spannender ist die Gestaltung dieser
Arbeit.
Eszter Tóth
Projekte, Vorstandsmitglied im 1. Jahr
An welcher Stelle kann MitOst noch zulegen?
Zurzeit erlebt MitOst mit dem Strukturwechsel eine äußerst interes-
sante Phase, was viel Arbeit bedeutet, aber auch sehr viele Mög-
lichkeiten mit sich bringt. Wir haben jetzt die Gelegenheit – und die
Aufgabe – vieles neu zu denken, neu zu definieren oder neu zu struk-
turieren. Ich sehe es als meine besondere Aufgabe, die Beteiligung
der Mitglieder in der Projektarbeit zu stärken.
Was siehst du als Vorstandsmitglied anders, als du es als Vereinsmit-
glied gesehen hast?
Durch meine Vorstandsarbeit habe ich einen größeren Überblick be-
züglich der Vereinsstruktur erhalten. Es ist eine große Herausforde-
rung, was auf den Vorstand in diesen Umbruchzeiten wartet – aber
ich merke auch, wie wichtig alle Mitglieder für den Verein sind und
was für unglaubliche Energien aus der Zusammenarbeit gleichgesinn-
ter Menschen entstehen.
25MitOst Magazin #24
Regional aktivDie Geschäftsstelle von MitOst befindet sich zwar in Berlin, aber unsere Mitglieder leben verstreut in den verschiedensten Regionen und Ländern. Um Vernetzung, Austausch und gemeinsame Projektarbeit auch au-ßerhalb des jährlichen Festivals zu ermöglichen, haben aktive MitOstlerinnen und MitOstler Regionalgruppen ins Leben gerufen. Einige Modelle stellen wir euch hier vor. Zur Nachahmung empfohlen!
MitGestalten und MitReden –das ist MitOst Hamburg 2011!Von Sara Andersch
Als erste MitOst-Regionalgruppe (gegründet im Juli 2010) möchten
wir – das sind mittlerweile 18 Mitglieder – die Bildung und Jugend-
hilfe in der Metropolregion Hamburg mitgestalten und zur Völkerver-
ständigung beitragen. Im Zentrum unserer Arbeit steht der Sprach-,
Kultur- und Jugendaustausch, und zwar insbesondere mit den euro-
päischen Partnerstädten der Hansestadt.
Hamburg ist 2011 »European Greencapital«. Das junge Projektlabor
ECHTZEIT ist unser erstes Projekt und soll einen kritischen Beitrag zu
den Themen unserer (Umwelthaupt-) Stadt leisten. Start der ECHT-
ZEIT war im November 2010: 45 junge Menschen aus Hamburg,
Dresden, St. Petersburg und Kaliningrad sowie aus Coswig, Stuttgart,
Halstenbek, Eberbach, Ulm und Berlin haben zehn Tage lang auf den
Traditionsseglern Pipilotta und Ryvar im Hamburger Hafen gemein-
sam gelebt und gearbeitet. Ziel dabei war es, mehr über Ökologie
und Nachhaltigkeit zu lernen und dazu eigene Projekte zu entwickeln.
Dieses Treffen, das in Kooperation mit dem Theodor-Heuss-Kolleg
und dem Landesjugendamt Hamburg durchgeführt und von der
Senatskanzlei Hamburg und der Stiftung Deutsch-Russischer Jugend-
austausch gefördert wurde, war das erste von drei Projektmodulen.
Das zweite Modul findet voraussichtlich Ende Mai 2011 in St. Peters-
burg statt, wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das gewonnene
Wissen vertiefen und ihre Projekte konkretisieren. Den krönenden Ab-
schluss bildet der Jugendumweltgipfel (JUG 2011) im September, bei
welchem die Projekte dann wieder in Hamburg präsentiert, reflektiert
Infos über uns und unsere Arbeit findet ihr auf:
www.mitost-hamburg.de
www.facebook.com/pages/MitOst-Hamburg/
137658309613083
www.twitter.com/Echtzeit_2010
und verstetigt werden. Gleichzeitig soll die ECHTZEIT zum JUG in die
zweite Runde gehen; dann mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern
aus weiteren Hamburger Partnerstädten (voraussichtlich Prag und
Marseille) sowie aus früheren und zukünftigen europäischen Um-
welthauptstädten (u. a. Stockholm).
Damit uns zwischen den ECHTZEITen nicht langweilig wird, gibt es
das MitOst Hamburg Sommerprogramm: Den Jugendaustausch zur
See. Mit 25 jungen Leuten segeln wir drei Wochen lang von Hamburg
nach Kaliningrad. Das ist nicht nur körperlich anspruchsvoll: Inhaltlich
begeben wir uns auf die Spur eines selbst gewählten Themas (2009
war es die moderne Piraterie).
Und weil zwischen so viel Sprach- und Jugendaustausch der Kul-
turaustausch nicht zu kurz kommen soll, haben wir das Format der
Massenkulturbespaßung erfunden und gehen regelmäßig mit allen
(Nicht-)Mitgliedern, die darauf Lust haben, zu Konzerten oder ins
Theater. Im Februar und März stehen Sergej Babkin und Lessing auf
dem Programm.
Wenn ihr Interesse habt, unsere Regionalgruppe zu unterstützen oder
uns und unsere Arbeit einfach nur mal kennenlernen wollt, schreibt
uns an [email protected].
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26MitOst Magazin #24
MitOst lebt in der Ukraine aufDie Regionalgruppe Ushhorod stellt sich vor. Von Ivanna Pekar
Er atmet, atmet, atmet ein und alle warten auf das Ausatmen. So
kann man den Dezentralisierungsprozess in der Ukraine nennen, und
zwar in der ehemaligen MitOst-Festivalstadt Ushhorod. Der Grund
ist einfach: Die MitOst-Mitglieder in der Stadt sind sehr aktiv und
kaum eine Kulturveranstaltung findet ohne sie statt; mal organisie-
ren sie selbst etwas, mal sind sie Freiwillige bei fremden Projekten
oder kooperieren mit einer anderen NGO in der Stadt, um ein Event
durchzuführen. Häufig fragen die anderen Organisatoren in der Stadt:
»Ist MitOst auch wieder dabei?!« Das meiste wird in Ushhorod mit
MitOst durch das MitOst-Festival 2008 und drei aktive MitOst-Mit-
glieder – Edita Ulman, Tetiana Pavlyshynets und Ivanna Pekar – as-
soziiert. Aber ohne eine eigene Organisation zu haben ist es sehr
schwer, sich zu professionalisieren und dadurch Kooperationen und
Projekte voranzutreiben: Einerseits gibt es häufig Menschen, die sich
für ein bestimmtes Projekt interessieren, aber nicht alle trauen sich
Mitglied in einem deutschsprachigen Verein zu werden, ohne selber
Deutsch zu können. Andererseits läuft in der Ukraine seit drei Jahren
das regionale Programm des Theodor-Heuss-Kollegs »Werkstatt des
Zivilengagements«, aus dem schon über 100 Alumni kommen, die
das Interesse formuliert haben, sich weiter zu organisieren. Diese und
andere Aspekte führten zu der Idee, einen Ushhoroder MitOst-Verein
zu gründen. Dieser füllt sich jetzt mit Leben und sucht zum Beispiel
die einfachste Form, sich offiziell registrieren zu lassen, um dadurch
mehr Energie und Handlungspotential zu erhalten. Viele fragen: Wa-
rum gerade MitOst? Warum nicht eine eigene NGO? Die Initiatoren
sind aber davon überzeugt, dass das MitOst-Netzwerk eine Chance
bietet, auf beiden Seiten interessierte Leute im Bereich Kultur und
Bildung zu schulen und weiter zu qualifizieren. Eine der letzten Ini-
tiativen der »MitOst-Ushhorod-Aktivisten« war die Organisation eines
Alumni-Treffens von ukrainisch-sprachigen Teilnehmern, bei welchem
ein erstes Tätigkeitskonzept ausgearbeitet wurde. Mehr über den Re-
gionalisierungsprozess von MitOst in der Ukraine könnt ihr bei ivanna.
[email protected] erfragen.
MitOst in SüdwestVon Dirk Bretschneider
Das eine oder andere MitOst-Leuchtfeuer hatte es in Stuttgart schon
früher gegeben, aber richtig und regelmäßig aktiv wurden die Mitglie-
der in der Schwabenmetropole seit dem Frühjahr 2010. Den Impuls
lieferte die dritte Planungskonferenz mit der dort ins Leben gerufenen
Fundraising AG. Geld für den Mitgliederprojekte-Topf, das war die De-
vise. Ideen und immer konkretere Pläne kamen fortan im Drei- bis
Vier-Wochen-Rhythmus in wechselnden Lokalitäten auf den Stamm-
tisch. Wir waren mal drei, mal 15 und hätten im Laufe der Monate
auch einen kleinen Kneipenführer schreiben können. Am Ende wur-
de es der MitOst-Salon »Balkanboarding« – eine literarisch-musika-
lisch-kulinarische Reise auf den Balkan mit dem kosovarischen Autor
Beqe Cufaj und der Jugo-Jazz-Connection aus Berlin.
Die Organisation und Durchführung des Abends haben allen Betei-
ligten so viel Spaß gemacht, dass die Pläne für 2011 nicht lang auf
sich warten ließen. Im April war es ein Flohmarktstand: MitOstler aus
Stuttgart und Umgebung spendierten dafür Wertvolles und Nützli-
ches – gebraucht, versteht sich – und der Verkaufserlös wurde nach
Berlin überwiesen. Am 22. Juni wollen wir die kürzeste Nacht des
Jahres für eine Party unter freiem Himmel nutzen. Dazu gibt es Litera-
tur, Musik- und Filmmaterial zum Thema »Weiße Nächte« sowie Ge-
grilltes und Getränke. Fokus ist also diesmal das nördliche Osteuropa.
Im Juli möchten wir dann erstmals auf dem Stuttgarter Festival der
Kulturen vertreten sein – am besten mit einem MitOst-»typischen«
Delikatessen-Stand und natürlich mit Info-Material über den Verein.
Und um die zweite Jahreshälfte kümmern wir uns auch noch. Wer
also Ideen hat, in der Nähe ist und/oder Lust hat, einfach nur mal
vorbeizuschauen, ist herzlich eingeladen. Für die Aufnahme in den
Post-Verteiler genügt eine E-Mail an [email protected].
27MitOst Magazin #24
Als Tandem zum ErfolgDas Mentoringprogramm der Boschlektoren
Gut dreißig Bewerbungen, zehn Vorstellungsgespräche in der ganzen
Republik – dabei wollte ich eigentlich am liebsten zurück nach Ham-
burg. Und dann wurde es doch der Osten, wo die Reise ursprünglich
begonnen hatte. Das ist die Bilanz eines bewegten und manchmal
frustrierenden, vor allem aber spannenden halben Jahres, in dem
ich viel über mich und den Bewerbungszirkus im Hochschul- und
Stiftungsbereich gelernt habe. Eine wichtige Stütze war in dieser Zeit
meine Mentorin Uta Heinrich-Barth. Sie leitet seit vielen Jahren das
Auslandsamt der Evangelischen Hochschule Dresden und war frü-
her selbst Boschlektorin in Minsk. Da ich während meines Lektorats
in Brest (Belarus) die Arbeit mit weißrussischen und internationalen
Studierenden an der Technischen Universität als sehr bereichernd
und wertvoll empfand, wollte ich auch weiterhin in einem Internatio-
nal Office arbeiten und wünschte ich mir einen Mentor, der in diesem
Bereich tätig ist.
Das Mentoringprogramm versucht das Potenzial ehemaliger Lekto-
ren, die bereits im Berufsleben stehen, zu nutzen, um dem aktuellen
Jahrgang den Berufseinstieg zu erleichtern. Dafür bietet es einen or-
ganisatorischen Rahmen mit drei Seminaren, die den Mentoren und
Mentees helfen, ihre Rollen und Ziele zu definieren und den Mento-
ringprozess zu reflektieren. Darüber hinaus gibt es Anregungen, wie
Mentor und Mentee das gemeinsame Jahr gestalten können. Neben
der regelmäßigen Kommunikation zwischen beiden sind zum Beispiel
Mentoringprogramme sind als Instrument des Wissenstransfers und der Alumniarbeit mittlerweile keine Selten-heit mehr. Ihnen allen ist gemein, dass eine berufserfahrene Person als Mentor/in eine/n jüngere/n Mentee bei der beruflichen Entwicklung unterstützt. Seit 2004 gibt es auch für Lektor/innen der Robert Bosch Stiftung ein solches Programm, das in Kooperation mit MitOst entstanden ist. Die Mentor/innen sind ausschließlich ehemalige Boschlektor/innen, die bereits im Berufsleben angekommen sind und eine/n aktuelle/n Lektor/in beim Übergang vom Lektorat ins Berufsleben begleiten. Einen persönlichen Einblick ins Mentoring für Boschlektor/innen bietet Maike Lindner, die im vergangenen Jahr als Mentee an diesem Programm teilnahm.
28MitOst Magazin #24
MitOst klicktvon Ivelina KovanlashkaKönnt ihr euch an die schönen grünen Stoffta-
schen erinnern, die ihr beim letzten Festival in
Perm bekommen habt? Oder die ihr vielleicht
bei anderen Mitgliedern oder bei jemand an-
derem in eurer Stadt gesehen habt? Ja genau,
es geht um jene Stofftaschen, auf denen in 18
Sprachen »Plastiktüte – nein Danke!« steht und
die in verschiedenen Städten und Regionen ver-
teilt worden sind. Wusstet ihr schon, dass sie ein
KlickOst-Projekt sind? Ein Projekt, beim dem die
anderen Mitglieder per Mausklick entschieden
haben, dass es durchgeführt wird.
KlickOst funktioniert ganz einfach – eifrige Pro-
jektemacher stellen kurz und prägnant ihre Idee
vor, alle Ideen werden auf der MitOst-Seite veröf-
fentlicht, und über Doodle sind dann alle Mitglie-
der eingeladen per Klick zu entscheiden, welche
Projektidee gefördert wird. Dieses Projektformat
wurde im letzten Jahr zum ersten Mal umgesetzt
und hat sich als eine vielversprechende Möglich-
keit erwiesen, nicht nur viele MitOstler zu akti-
vieren, am Projektleben des Vereins teilzuhaben,
sondern auch die neuen Medien für das Vereins-
geschehen zu nutzen. Die Idee von KlickOst ist
es nicht nur, die Mitbestimmung der Mitglieder
zu fördern, sondern auch durch die Veröffentli-
chung der Projektideen das kreative Potential des
Vereins zu veranschaulichen.
So wie die anderen Projektformate stellt auch
KlickOst eine Lernmöglichkeit dar. Denn für das
Internet schreibt man anders. Hier kommt es da-
rauf an, kurz und prägnant das Wesentliche auf
den Punkt zu bringen, so dass sich jeder eine
Vorstellung vom Projekt machen kann. Natürlich
werden auch hierbei die Ideengeber durch den
Projektbeirat unterstützt.
In diesem Jahr werden zwei weitere KlickOst-
Projekte ermöglicht – es lohnt sich also der Blick
in den Infobrief oder auf die Website, um dabei
zu sein, wenn MitOst klickt.
ein Besuch des Mentors am Lektoratsstandort, ein Kurzpraktikum des
Mentee beim Mentor, gemeinsame Konferenzbesuche oder Projekte
denkbar. Der Fantasie des Tandems sind dabei kaum Grenzen ge-
setzt, so dass beide abhängig von ihren individuellen Wünschen und
Möglichkeiten die für sie idealen Instrumente für das Mentoringjahr
erfinden können.
Dialog auf Augenhöhe statt Einbahnstraße
Ich wünschte mir von meiner Mentorin vor allem einen Einblick in ihr
Berufsfeld und eine regelmäßige Begleitung, um den Weg vom Lek-
torat ins Berufsleben zu reflektieren und über Lebensentwürfe und
Zukunftspläne zu philosophieren. Denn auch wenn wir Lektoren oft
über Bewerbungsstrategien sprachen, schienen mir die Fragen und
Anregungen von jemandem, der in Leben und Beruf ein paar Schritte
weiter ist, sehr inspirierend und motivierend. Toll war, dass ich mich
jederzeit an Uta wenden und mir sicher sein konnte, bei Bedarf tat-
sächlich ganz schnell eine Antwort zu bekommen – obwohl sie mit
Job und drei Kindern gut eingespannt ist. Uta selbst betont, für sie
sei eine Mentoringpartnerschaft keine Einbahnstraße, sondern beste-
he aus einem Dialog auf Augenhöhe. Das Mentoring bedeute zwar
einerseits, Feedback zu Bewerbungsunterlagen und Vorbereitungen
auf Vorstellungsgespräche zu geben, andererseits biete es aber auch
die Möglichkeit, als Einzelkämpferin im aktuellen Berufsumfeld eine
professionelle Rückmeldung zu erhalten. Ihre Motivation, nun schon
zum zweiten Mal als Mentorin tätig geworden zu sein, entsprang dem
Wunsch, den Kontakt zur Bosch-Stiftung und zu MitOst zu stärken,
und dem Wissen über die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt Fuß
zu fassen. »Außerdem ist es spannend, andere ehemalige Lektorin-
nen und Lektoren in neuen Zusammenhängen wieder zu treffen oder
kennen zu lernen«, meint Uta.
Nach meiner Rückkehr aus Belarus kam ich im letzten Herbst zu
einem Kurzpraktikum im Auslandsamt nach Dresden und blieb als
Programmassistentin drei Monate an der Evangelischen Hochschu-
le. Auf diese Weise lernte ich nicht nur die Arbeit im Auslandsamt
und die Abläufe an einer deutschen Hochschule kennen, sondern
auch die Stadt lieben, in der ich alles mit dem Fahrrad erreichen
und nachholen konnte, was das Kultur- und Nachtleben in Belarus
nicht geboten hatte. Zwischendrin fuhr ich in alle vier Himmelsrich-
tungen, stellte mich an kleinen und großen, privaten und staatli-
chen Hochschulen vor, prüfte schöne und hässliche, alte und neue
Städte auf ihre Lebensqualität und kam allmählich zu dem Schluss,
dass ein attraktiver Job zwar wünschenswert ist, ich mich an dem
Ort aber auch wohl fühlen muss. Nun bin ich erneut in Dresden
gelandet – immerhin wieder an der Elbe – und Uta ist nicht nur
eine Freundin, sondern meine unmittelbare Kollegin geworden. Das
ist ein glücklicher Zufall, der in unserem Mentoringprogramm nicht
eingeplant war. Und vielleicht ist er auch ein kleines bisschen ein
Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit, bei der ich gelernt habe,
dass sich dranbleiben immer lohnt, Zielstrebigkeit schön und gut
ist, aber oft erst mit einer gehörigen Portion Flexibilität zu tollen
Überraschungen führen kann. Denn eigentlich sollte Dresden ja nur
ein Zwischenstopp sein.
29MitOst Magazin #24
Verrückte Ideen und kreative Zeitplänebeurteilt vom Projektbeirat 2010/2011
An diesen Fünf geht kein Projekt vorbei! Unabhängig und unbeirrbar entscheiden sie, was von euch gemacht werden kann und was leider nicht. Worauf es dem aktuellen Projektbeirat bei der Auswahl von Mitgliederpro-jekten ankommt, erfahrt ihr hier..
Martin Hofmann
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
Dass die Teilnehmer ihre Erwartungen einbringen können und diese in der Evaluation auch wieder
aufgegriffen werden. Dass die Zeitpläne aufgehen. Dass Zeit zum Kennenlernen des Projektortes
bleibt.
Wen bewunderst du für ihr/sein Engagement?
»Mama« Muriel Sigasa, eine Pastorenwitwe aus Soweto/Südafrika, die ein Heim für Straßenkinder
aufbaute, nachdem eines Morgens ein Hund einen Babykopf vor ihrer Haustür abgelegt hatte.
Die Bewohner von Tresnjevac/Oromhegyes in Serbien, die sich weigerten, beim Jugoslawienkrieg
mitzumachen.
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
Ich würde gerne ein Musik- und Tanzseminar veranstalten, bei dem Schüler und Studenten aus
verschiedenen Ländern ein bis zwei Stücke und Tänze aus ihrer Heimat mitbringen und sie den
anderen beibringen. Eine andere Idee ist, mit Studenten aus Polen, Deutschland und Rumänien
Erinnerungsorte an das Jahr 1989 aufzusuchen und durch die Verknüpfung von Orten und Fami-
lienbiographien einen Bezug zur Wendezeit herzustellen.
Was sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Inhalte, die man in einem Projekt vermitteln
kann?
Dreimal »viel«, wie in dem Kinderlied: Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine
Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.
Judith Stumptner
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
Wichtig bei Projekten ist mir zunächst die Kreativität, die verrückte Idee, der ungewöhnliche Ansatz
oder eine bisher nicht bedachte Perspektive. Gleichzeitig sollte das Konzept gut durchdacht sein
und die Umsetzung machbar. Lässt sich über das Projekt hinaus dann noch ein längerfristiges
Ergebnis sichern, ist das Projekt für mich ein sicherer Kandidat für die engere Auswahl.
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
Im vergangenen Jahr hatte ich einen Workshop organisiert, in dem es darum ging die Töne einer
Stadt festzuhalten. Während einer Woche sammelten die Teilnehmer Unmengen von Tönen und
Klängen, schnitten sie und bauten sie zu Klangcollagen und Beiträgen zusammen. Gerne würde
ich dieses Projekt fortsetzen und mit dem gesammelten Material einen Hör-Rundgang durch die
Stadt erstellen, der über Handy abrufbar ist oder über einen Audioführer abgespielt werden kann.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Inhalte, die man in einem Projekt vermitteln
kann?
Projekte, die Zuschauer und Beteiligte dazu anregen, ihr eigenes Tun zu reflektieren, an Gesehenes
anzuknüpfen, aktiv zu werden und eigene Vorhaben zu realisieren, halte ich für besonders wert-
voll. Ob das nun auf kulturelle, soziale, politische, umweltbezogene oder andere Inhalte zurückzu-
führen ist, steht für mich dabei zunächst an zweiter Stelle.
30MitOst Magazin #24
Elisa Satjukow
Wen bewunderst du für ihr/sein Engagement?
Die weißrussische Journalistin Swetlana Alexiijewitsch – für das Füllen weißer Flecken auf der
sowjetischen und postsowjetischen Landkarte.
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
Immer noch dasselbe wie im letzten Jahr: Ein Feature über die Beziehungsgeschichte deutsch-
russischer Familien in Deutschland. Leider habe ich bisher noch keine Zeit dafür gefunden.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Inhalte, die man in einem Projekt vermitteln
kann?
Es gibt keine wichtigen oder weniger wichtigen Inhalte. Jedes Thema, das den Initiatoren unter den
Nägeln brennt, ist es wert vermittelt zu werden. Projekte sollen zum Nachdenken anregen. Etwas
anstoßen, bewegen, verändern.
Cindy Bruhn
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
Einerseits auf die Beachtung der Kriterien der jeweiligen Projektausschreibung, andererseits auf
die Qualität, Originalität und den Wirkungskreis des eingereichten Projektantrags.
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
Aktuell habe ich kein Projekt für MitOst in Planung, aber der Schulbezug bzw. die Anknüpfung zur
jungen Generation ist mir sehr wichtig, also vielleicht etwas in dem Bereich. Thematisch wäre es
wohl etwas a) zum Begriff »Grenze«, b) Tanz & Theater oder c) Sprachen lernen – oder auch eine
Kombi aus allem.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Inhalte, die man in einem Projekt vermitteln
kann?
Je nach Projekt werden natürlich unterschiedliche fachliche Inhalte transportiert. Darüber hinaus
trägt wohl jedes Projekt ein Stück mehr zu den großen Begriffen Toleranz und Völkerverständigung
bei: Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Kritikfähigkeit, Netzwerken...
Eszter Tóth
Worauf achtest du bei der Auswahl eines Projekts?
Jedes Mal kommen viele sehr gute Anträge auf uns zu, und es ist immer eine schwierige Aufgabe,
ein bis zwei davon auszuwählen, welche dann von MitOst gefördert werden. Ich schaue im-
mer ganz genau die Zielgruppen an: Welches Projekt bindet die meisten Mitglieder ein? Welches
spricht generell die meisten Menschen an? Welches wendet sich an Zielgruppen, die sonst eher
weniger zu Wort kommen?
Welches Projekt würdest du selbst gern organisieren?
Ich interessiere mich für Kulturprojekte, bei welchen ein Zusammentreffen und Austausch un-
terschiedlicher Kulturen, Künstler oder Akteure stattfindet, kann mich jedoch mit allen Projekten
identifizieren, die im Rahmen von MitOst durchgeführt werden.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Inhalte, die man in einem Projekt vermitteln
kann?
Die MitOst-Projekte zeichnen sich durch ihre Vielfalt aus: Ökoprojekte und Literaturprojekte sind
ebenso vertreten wie Kunstprojekte, Toleranzprojekte oder Jugendprojekte. Die Themen und For-
mate sind unerschöpflich und die selbst gesetzten Ziele abwechslungsreich – aber ein gutes
Projekt bewegt Menschen, es bringt sie zusammen, vermittelt Offenheit, demokratische und kul-
turelle Werte und verändert langfristig etwas in der eigenen Umgebung.
31MitOst Magazin #24
Kleingartenidylle und Laptoporchesterkultur-im-dialog.moe 2010
kultur-im-dialog.moe ist ein Wettbewerb, den MitOst in Kooperation mit der Schering Stiftung ausschreibt. Einmal jährlich fördert er eines oder mehrere größere Kulturprojekte, die sich mit individuellen Erfahrungen oder nationalen Transformationsprozessen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa auseinandersetzen. Annekathrin Günther stellt die Siegerprojekte des Jahres 2010 vor.
Track ChangesDie lettische Kulturmanagerin Zane Zajančkauska forderte sieben
Künstlerinnen und Künstler auf, sich mit städtischen Kleingärten als
eigener Form der Wechselbeziehung von Stadt und Natur und als
besonderer Lebensart zu beschäftigen. Was Kleingärten mit Kunst zu
tun haben, erklärt sie im Interview.
Warum interessierst du dich für das Thema Kleingarten?
Schon der erste Blick auf einen Kleingarten mutet seltsam an, da
die Proportionen an eine Art Welt im Kleinformat oder eine Deko-
ration für einen Trickfilm erinnern. Außerdem ist es ein ungewöhnli-
cher Raum mitten in der Stadt, der aber erstmal nicht urban zu sein
scheint, bei einem genaueren Blick sich aber als genau ein solcher
herausstellt. Mich interessiert, dass hier mehrere Themen zusammen
kommen. Alltag – wie verbringt man sein Leben? Gemeinschaft –
wie funktioniert Zusammenleben? Wie funktioniert die »gemeinsa-
me« Stadt? Kleingärten sind eventuell der einzige Teil der westlichen
Stadt, den die Einwohner selbst gestalten.
Was haben Kleingärten mit Kunst zu tun?
In der Kunst geht es immer um Ideen. Es gibt eine Menge Künst-
ler, die sich mit Gesellschaftsstrukturen, partizipativen Projekten oder
dem Stadtbild beschäftigen. Die Künstler waren auch nicht dazu an-
gehalten, sich direkt mit Kleingärten zu befassen. So hat die litauische
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32MitOst Magazin #24
Musikalischer GrenzdialogDas Projekt »Musikalischer Grenzdialog« unter Leitung von Christian
Gracza zielte darauf ab, Jugendliche und junge Erwachsene der eu-
ropäischen Grenzregion Duna/Dráva mittels zeitgenössischer elekt-
ronischer klassischer Musik für den aktuellen gesellschaftlichen und
künstlerischen Transformationsprozess zu sensibilisieren. Zu diesem
Zweck reiste das Laptoporchester »Endliche Automaten« von Berlin
über Pécs nach Osijek. In Pécs wurde die Missa Choralis von Franz
Liszt von einem regionalen zeitgenössischen Komponisten für das
Laptoporchester überarbeitet und vertont. Es folgte eine zehntägige
öffentliche Orchesterprobe, die gleichzeitig den künstlerischen Rah-
men für eine inhaltliche Auseinandersetzung in Bezug auf Identität
bot. Den Abschluss des Projekts bildete die Uraufführung der Überar-
beitung in den Städtischen Galerien in Osijek.
Um die Kultur der Kleingärten hautnah zu erleben, zogen einige
Künstler temporär in Kleingartenresidenzen in Riga und Leipzig
und tauschten sich mit Stadtsoziologen, Stadtplanern, Kleingar-
tenfreunden bzw. deren Feinden aus. Dabei entstanden eine
Publikation, eine Ausstellung in der Galerie für Zeitgenössische
Kunst Leipzig und im Stadtraum Leipzig (10.9.-14.11.2010) und
eine Ausstellung im Rahmen des Kunstfestivals »Survival Kit«
in Riga (3.-11.09.2010). Als ein Satellitenprojekt erschien eine
Sonderausgabe des Comicmagazins »kush!« mit dem Thema
»Kleingärten«.
Reinhard Krehl stellte sein RESCUE CENTER in einer Kleingar-
tenanlage in Riga auf. Diese soll großen Bauprojekten weichen.
Mit dem RESCUE CENTER wurde aktiv der Widerstand thema-
tisiert, etwa indem man sich mit dem Trocknen von Kräutern,
die gegen Verspannungen bei Sitzblockaden helfen, symbolisch
auf den Kampf vorbereitete. Diese »Naturheilmittel« gegen die
unterschiedlichen »Protestwehwehchen« wurden ausschließlich
mit den Pflanzen und Kräutern hergestellt, die direkt in der Klein-
gartenanlage wachsen. Damit soll zugleich ganz plastisch darge-
stellt werden, welche Werte und welches Wissen verloren ge-
hen, wenn die Gärten durch die Bauvorhaben zerstört werden.
Ingrid Picukane thematisierte in ihrer Installation den distanzier-
ten Blick eines in Lettland lebenden Menschen auf eine typisch
deutsche Kleingartenanlage. Im Vergleich mit den in Lettland
zum Nahrungsmittelanbau genutzten Flächen fällt diese durch
seltsam anmutende Charakteristika auf: Verbotsschilder pflas-
tern den Weg, und es gibt sogar Angaben, wie viel Prozent ei-
ner Fläche jeweils mit Obst, Gemüse und Blumen belegt sein
darf. Da die Kleingärten traditionell »Kolonie« genannt werden,
verwundert es nicht, dass sie innerhalb des Stadtbildes einen
gewissen Autonomiestatus besitzen.
Rescue center
Künstlerin Laura Stasiulyte ein Kunstwerk entwickelt, welches die
»verlorene Zeit« reflektiert. Scheinbar hat diese Arbeit nichts mit Klein-
gärten zu tun. Doch das Thema, wie Zeit »sinnvoll« verbracht werden
kann, verbindet das Kunstwerk sehr gut mit den anderen.
Wie wurden die direkten künstlerischen Interventionen in Riga und
Leipzig von der Bevölkerung und den Kleingartenbesitzern wahrge-
nommen?
Kleingärten sind eine ziemlich geschlossene Welt. Deshalb ist die
erste Reaktion immer Argwohn. Danach kommt aber Interesse und
freundliche Neugier. Weil es eigentlich alle Menschen mögen, wenn
jemand Interesse an ihnen hat.
Wie siehst du die Zukunft der Kleingärten?
Damit beschäftige ich mich nicht. Für mich waren und sind Klein-
gärten interessant als eine Art Laborsituation, in der Menschen und
Gesellschaftsstrukturen gut zu analysieren sind.
Sollten deutsch-lettische Projekte populärer werden? Wenn ja wa-
rum?
Ich weigere mich, über mein Projekt als ein deutsch-lettisches Pro-
jekt zu denken. Und ich denke, dass kein Projekt populärer werden
soll oder muss, nur weil es deutsch-lettisch, deutsch-arabisch oder
arabisch-moldawisch ist. Das Interesse muss an der inhaltlichen Idee
existieren und nicht an den geopolitischen Strukturen dahinter.
Wie sieht deine nächste Projektidee aus?
Anknüpfend an die Kleingartenerfahrung will ich noch einen Artikel
für ein lettisches Magazin schreiben, in dem es um mein Leben in
Deutschland und meine Erfahrungen in Kleingärten und auf Friedhö-
fen gehen wird. Darüber hinaus organisiere ich das Festival der Zeit-
genössischen Kunst »Survival Kit« (Zentrum für Zeitgenössische Kunst
(www.lcca.lv) mit. Das Festival beschäftigt sich mit der Reflektion von
ökonomischen Wandel und anschließendem Wertewandel.
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33MitOst Magazin #24
Kinoterra
Ukraine | Oktober 2009
Projektleitung: Edita Ulman
Wegen der »Zentralisierung« von Kino in der Ukraine steht das trans-
karpatische Kino etwas abseits. Um diesem Umstand etwas entge-
gen zu setzen, gab es eine Open-air Filmvorführung in Ushgorod mit
einer Präsentation von MitOst e.V. und anschließender Diskussion
über die Möglichkeiten, sich in Ushgorod zu engagieren.
Ein Filmprojekt zu organisieren bedeutet... viele interessante, begab-
te und engagierte Leute aus verschiedenen Städten des Landes ken-
nen zu lernen und mit einer Branche zu tun zu haben, die in meinem
Land nicht ausreichend entwickelt ist, aber eine große Perspektive
bietet.
Das Schwerste? Ein gutes Team zu finden.
Das Schönste? Ein gutes Team zu finden.
Das Schlimmste? Passivität der Leute, fehlendes Geld, Probleme im
Team.
Der gute Rat? Von Anfang an Rollen und Aufgaben im Team zu
verteilen und sich daran zu halten!
Das nächste Projekt? Eine weitere Kinoterra.
Die Sprache der Video-art
Polen | 10. Oktober 2009
Projektleitung: Katarzyna Lorenc
In Krakau wurden mehrere kurze Filme des polnischen Künstlers Ar-
tur Żmijewski gezeigt. Es folgten ein Vortrag und eine Diskussion mit
dem Künstler.
Ein Filmprojekt zu organisieren bedeutet... nicht nur interessante Fil-
me auszusuchen, sondern sich Antworten zu Fragen, die womög-
lich gestellt werden, schon vorher zu überlegen – Recherchearbeiten
also zu einer der ältesten Fragen: Was will der Künstler uns damit
sagen? Dass der Künstler selbst anwesend ist, macht die Sache umso
schwieriger – und somit ist die zweite Frage nach dem Schwersten
beantwortet.
Das Schönste? Die Anwesenheit des Künstlers ist gleichzeitig auch
das Schönste an dem Projekt. Sie bietet die Möglichkeit, eigene Inter-
pretationen und Eindrücke anders einzuordnen bzw. zu bestätigen.
Das Schlimmste? Nicht einfach ist die Öffentlichkeitsarbeit in Städten
wie Krakau, wo es ein großes kulturelles Angebot gibt. Trotzdem ist es
uns gelungen, die Zielgruppe zu erreichen. Der Film wurde mehrmals
ausgestrahlt und die Veranstaltung selbst hat länger gedauert als ge-
plant – was ich als Bestätigung der Idee empfunden habe.
Der gute Rat? Der richtige Ort und die richtige Uhrzeit für das Projekt
müssen gefunden werden. Auch die Idee, auf ein modernes Mittel
der Kunst zurückzugreifen, wie in diesem Projekt die Video-art, hat
sich bewährt.
Das nächste Projekt? Steht noch nicht fest.
Transregionales künstlerisch-eklektisches Festival »EKLE«
Ukraine | August bis Oktober 2010
Projektleitung: Tetiana Pavlyshynets
Junge Künstler (Musiker, Schriftsteller, Maler, Fotografen) aus ver-
schienen Regionen der Ukraine, Belarus und Polen kamen zu einer
dreitägigen, auch für Laien offenstehenden Kunstwerkstatt zusam-
men. Es folgte das zweitägige transregionale kunst-eklektische Festi-
val in Ushhorod. Im Rahmen des Festivals wurden die Produkte der
Werkstätten präsentiert und gemeinsame Performances der eingela-
denen Künstler in der Stadt durchgeführt.
Ein Kunstprojekt zu organisieren bedeutet... bereit zu sein, schnelle
Entscheidungen zu treffen. Dabei muss man beachten, dass man mit
Künstlern zusammenarbeitet, deren Denkweise sich ein bisschen von
der anderer Menschen unterscheidet.
Das Schwerste? Unterstützung von der Stadt und den Sponsoren zu
bekommen.
Das Schönste? Wenn man als Zuschauer den ganzen Prozess auf der
Bühne sieht.
Der gute Rat? Man muss sich in dem Bereich, indem man ein Projekt
machen will, auskennen und bereits davor Kontakte haben. Ist das
nicht der Fall, muss man die entsprechenden Leute an der Projektor-
ganisation beteiligen.
Das nächste Projekt? Ich denke, es wird wieder etwas im Kulturbe-
reich sein.
Müll – Nein!
Ukraine | August 2010
Projektleitung: Pascal Riederer
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion überrollte die Einwegver-
packung Osteuropa. Während sich Westprodukte und deren Verpa-
ckungen wie von selbst etablierten, entstand kein Entsorgungssystem
für die neuen Müll-Massen. In Wäldern und Flusstälern der Karpaten
türmen sich die illegal abgelagerten Plastikberge. Dank einer MitOst-
Initiative konnten in der Westukraine mit einer Müllsammel- und
Öko-Aktion Umweltbewusstsein geschaffen, lokale Strukturen geför-
Mehr MitgliederprojekteDie Projekte der Mitglieder sind der Kern der Vereinsarbeit von MitOst. Das Engagement und die kreativen Ideen erstrecken sich von Kunst- und Kulturprojekten über getanzte Kochbücher bis hin zu Planspielen. Diese und andere Mitgliederprojekte sollen als Inspiration für weitere Projekte sowie zum Nachmachen und Nach-denken dienen.
34MitOst Magazin #24
dert und nachhaltige Mülltrennung und -verwertung angeregt wer-
den. Freiwillige aus Europa und lokale Gruppen führten die Aktion
gemeinsam durch.
Ein Umweltprojekt zu organisieren bedeutet... sich die Hände beim
Müllsammeln schmutzig zu machen, mit einem Kleid aus Plastikfla-
schen durchs Dorf zu tanzen und den überrascht-freudigen Gesichts-
audruck der Basarbesucher beim Erhalt einer MitOst-Stofftasche zu
genießen.
Das Schwerste? Vor Ort die Menschen zu motivieren und dabei die
Brücke zu schlagen zwischen den etablierten Gewohnheiten und
dem (westlichen) Umweltdenken.
Das Schönste? Einen Monat später in der nächsten Stadt (ca. 35 km
entfernt) auf das Projekt angesprochen zu werden und zu realisieren,
dass durch die gemeinsame Initiative ein nachhaltiger Denkwandel
angestoßen wurde.
Das Schlimmste? Festzustellen, dass der gesammelte Müll über
Nacht geklaut wurde. Dem ersten Frust folgt dann aber auch die Ein-
sicht: Durch das Sammeln und Trennen des Mülls wurde ein Wert
geschaffen, den es sich lohnt zu besitzen. Das ist der Ansatzpunkt,
um ein Recycling langfristig zu etablieren und zu finanzieren.
Der gute Rat? Bei einem erneuten Umweltprojekt würde ich die
lokalen Partner noch weiter in die Planungsphase einbinden bzw.
das Projekt ganz in ihre Hände legen und als Berater und Helfer zur
Verfügung stehen. Das führt zu nachhaltigem Mitdenken und macht
Folgeprojekte (ohne zusätzliche Geldmittel) wahrscheinlicher.
Das nächste Projekt? Vielleicht ein Zirkusfestival im ländlichen Osten
Deutschlands.
Alethea – Kulturaustausch und –management
Georgien & www | 2010
Projektleitung: Tamuna Gurchiani
Die Einrichtung einer Webseite, um die junge georgische Organisa-
tion »Alethea« zu unterstützen, ist ein Projekt, das auf Nachhaltigkeit,
nicht auf Aktionismus gerichtet ist. »Alethea« hat sich zum Ziel gesetzt,
Kunst- und Kulturprojekte sowie deren Austausch zwischen Ost und
West und innerhalb des Südkaukasus zu fördern. Die Webseite soll
den Nutzern dabei helfen, sich Netzwerke zu schaffen.
Ein Webprojekt zu organisieren bedeutet... eine neue Erfahrung für
mich, die vieles einfacher machte und Zeit sparte.
Das Schwerste? So ein Kleinprojekt zu konzipieren.
Das Schönste? Das schnelle Entscheidungs(Auswahl)-Verfahren
Das Schlimmste? Nichts, es klappte alles prima.
Der gute Rat? Unbedingt nachmachen, so erfahren sehr viele Men-
schen von euren Projekten. In meinem Fall ist dies besonders wichtig,
35MitOst Magazin #24
weil es mir bei der Einrichtung der Webseite auch um meine Kultur-
managementorganisiation geht, so dass potentielle Partner Informati-
onen über uns erhalten können.
Das nächste Projekt? Eine Studienreise für deutsche und internatio-
nale Kulturmanager in Georgien.
Guten Appetit, Balkan!
Bulgarien | August 2010
Projektleitung: Anke Schilling/Rosica Tomova
Je fünf junge Kulturdiplomaten aus Albanien, Bulgarien und Maze-
donien schrieben im Rahmen des Projekts ein kulinarisches Thea-
termenü und brachten es nach einer Woche in Ruse/Bulgarien zur
Aufführung. Die Arbeitssprache des Projekts war Deutsch, allerdings
griffen die Teilnehmer bei dem Workshop »Kreatives Schreiben und
Hybridliteratur« auch auf ihre Muttersprachen zurück. Unter Anleitung
einer professionellen Trainerin studierten die Kulturdiplomaten dann
die Szenen ein.
Ein Theaterprojekt zu organisieren bedeutet... viele neue Freunde
zu finden und interkulturelle Vorurteile abzubauen. Menschen aus
verschiedenen Städten, die Theater lieben und viele Ideen haben,
zusammen zu bringen und etwas Gemeinsames zu schaffen, ist
wunderbar. Es entstehen sehr lange und sehr feste Freundschaften
zwischen den Teilnehmern und den Organisatoren.
Das Schwerste? Teilnehmer zu finden. Die Fördermittel waren organi-
siert und wir waren überzeugt, dass wir unsere Motivation weiterge-
ben können. Aber es gab nur sehr wenige Reaktionen auf die erste
Ausschreibung...
Das Schönste? Die Theateraufführung vor dem öffentlichen Publi-
kum. Das Elias Canetti Haus war gut gefüllt und das Publikum be-
geistert. Die Beiträge und das Echo über »Guten Appetit, Balkan!«
in den Medien machen uns sehr stolz. Das positive Feedback der
Teilnehmer und der Kontakt mit ihnen, auch noch nach dem Projekt,
erfüllen uns immer noch mit Freude.
Das Schlimmste? Das Ende des Theaterprojekts und unsere Tren-
nung. Eine weitere Aufführung konnten wir leider nicht finanzieren.
Der gute Rat? Mehr Zeit mit den Teilnehmern verbringen. Alles muss
gut organisiert werden, damit das Projekt optimal verläuft, aber die
Zeit mit den motivierten Teilnehmern ist einmalig.
Das nächste Projekt? wartet in unseren Köpfen in unkonkreter Form.
Ideen gibt es viele!
(NO) TIME TO LISTEN – zwischen Alltag und Kunst
Deutschland | August 2010
Projektleitung: Dora Schneider
(NO) TIME TO LISTEN fragte Straßenmusiker, welche Beziehung sie
zu ihrer Arbeit haben und wieso sie sich dazu entschieden haben,
auf der Straße zu musizieren. Der Fokus lag dabei vor allem auf Mu-
sikern mittel-, ost- oder südosteuropäischer Herkunft. Es entstanden
Foto-Text-Collagen, auf denen die einzelnen Künstler porträtiert wur-
den. Im Rahmen einer Ausstellung konnte man beim Studieren der
Künstlerportraits parallel dazu über Kopfhörer deren Musik lauschen.
Ein Kunstprojekt zu organisieren bedeutet... an vielen unterschiedli-
chen Aufgaben gleichzeitig zu arbeiten und Entscheidungen zu tref-
fen, ohne einen Bereich zu vernachlässigen. Denn jede Verzögerung
oder Änderung hat Auswirkungen auf die nächsten Arbeitsschritte.
Zusätzlich darf man nicht vergessen, was man für sich persönlich
36MitOst Magazin #24
erreichen möchte, denn nur dann kann man sich dauerhaft für die
Idee einsetzen.
Das Schwerste? Am Schwersten war es geeignete Musiker zu finden
und diese von der Projektidee zu überzeugen. Mit dieser Barriere hat-
te ich am wenigsten gerechnet.
Das Schönste? Die glücklichen, erstaunten und beeindruckten Ge-
sichter aller Beteiligten zum Abschlusskonzert des Projekts.
Das Schlimmste? Etwas »Schlimmes« gab es eigentlich nicht. Höchs-
tens einige wenige Momente in denen man plötzlich denkt: Was, wenn
alles schief geht? Aber auch diese kleinen Panikattacken sind fördernd,
wenn man an einem Punkt steht, an dem man sowieso nicht mehr
aufhören kann. Denn dann strengt man sich noch mal so richtig an.
Der gute Rat? Mir hat es unheimlich geholfen, dass ich zu Anfang so
vielen Menschen wie möglich von meiner Projektidee erzählt habe.
Dadurch habe ich schon früh Feedback, Tipps und sogar Kontakte
vermittelt bekommen, die das Projekt dann entscheidend beeinflusst
und geformt haben.
Das nächste Projekt? Auf jeden Fall wieder etwas mit Musik. Ich habe
festgestellt, dass die Verbindung von Musik und sozialem Engage-
ment zu meinen Interessen am besten passt. In diesem Jahr beteilige
ich mich zum Beispiel an der Organisation eines Benefizkonzerts für
Romakinder.
Plastik Kesa? – Nu, благодаря!
Perm und überall... | Mai-November 2010
Projektleitung: Valeria Svart
Die MitOst-Öko-Gruppe wollte die Vereinsmitglieder durch grüne
Fäden verbinden und gegen den übermäßigen Plastiktütenkonsum
agieren. 500 grüne Leinentaschen mit dem MitOst-Logo und dem
Slogan »Plastiktüte? – Nein, Danke!« in 17 verschiedenen Sprachen
sind jetzt in Mittel-, Südost- und Osteuropa unterwegs.
Ein Umweltprojekt zu organisieren bedeutet... einen gesellschaftlich-
politischen Rahmen zu schaffen, in dem Leute, ihren ethischen Vor-
stellungen entsprechend, das Beste austauschen, konzipieren und
verwirklichen können. Im Falle von einem Öko-Projekt bestätigt sich
immer wieder, dass alles eins ist und alle untereinander und mit der
Natur verbunden sind, ob sie das wollen oder nicht.
Das Schwerste? Die Gemütlichkeit, Trägheit, Verdrossenheit und Taub-
heit, die in der Gesellschaft herrscht, zu überwinden und Reden und
Versprechungen in Handeln zu überführen. Und dabei nicht gleich in
eine naive »Öko-Hippie-Rosa-Brille-Ecke« gesteckt zu werden.
Das Schönste? Die leuchtenden und energievollen Augen der Men-
schen zu sehen, die von einem nachhaltigen, gesunden und positi-
ven Konzept begeistert sind, und nicht nur reden, sondern aktiv han-
deln. Sehen, wie es immer mehr Multiplikatoren gibt.
Das Schlimmste? Wenn aktive Leute ausbrennen und aufhören.
Vor allem, wenn man etwas macht, nur um so zu tun, als ob. Das
Schlimmste ist aber das versteckte Denken: »Ich habe selber keinen
Bock und lass auch andere nichts bewegen«.
Der gute Rat? Umwelt hat viele Aspekte, die eng mit dem eigenen
Alltag verbunden sind (Ernährung, Verkehr, Konsum, Wohnen, Ener-
gie etc.). Such dir den Aspekt raus, für den du am meisten brennst.
Es muss nicht gleich der ganze Planet sein.
Das nächste Projekt? 1) Sammeln und Austausch von Umweltbil-
dungsmaterialien für Interessierte und Multiplikatoren zusammen
mit der Ökogruppe-MitOst. 2) Eine Reihe von Umweltfilmen und
Seminaren zum Thema »Ernährung und Landwirtschaft« in Moldova.
(»Ecoweek – We are what we eat«) – hoffentlich ein THK Alumni-Pro-
jekt. 3) Bäume Pflanzen mit Wikiwoods in Deutschland und Moldova.
37MitOst Magazin #24
Balkans, let’s get up!
Serbien | April 2010
Projektleitung: Darijo Visevic
Der Balkan gilt als sehr heterogener Raum: ethnisch, politisch, sozial,
kulturell. »Balkans, let’s get up!« schickte die Teilnehmer auf die Suche
nach Unterschieden, aber vor allem nach Gemeinsamkeiten. Durch
die an der Arbeit des Theodor-Heuss-Kollegs orientierte interaktive
Methodik kam es neben der inhaltlichen Auseinandersetzung auch
zu einer Entwicklung auf der persönlichen Ebene. Zudem konnten
neue Kenntnisse über Projektmanagement am Schluss im Rahmen
von Miniprojekten erprobt werden. Eine Zukunftswerkstatt zeigte den
Teilnehmern, wie sie die erlernten Fähigkeiten in anderen Rahmen-
bedingungen einsetzen können.
Ein Bildungsprojekt zu organisieren bedeutet... auf Schätze zu treffen,
die sich selbst zum Glänzen bringen können.
Das Schwerste? Gegen Naturgewalten anzukämpfen! Wegen des is-
ländischen Vulkans durfte ich 28 Stunden Zug fahren.
Das Schönste? Die persönliche Entwicklung und das Brennen für die
gute Sache bei Teilnehmern anzustoßen – und damit womöglich eine
Lawine loszutreten – dafür lohnt sich jeder ehrenamtliche Einsatz!
Das Schlimmste? Sich von Problemen runterziehen lassen – immer
weiter!!
Der gute Rat? Naja, immer weiter eben – just go!
Das nächste Projekt? Kommt bestimmt!
So ein Theater mit den Menschenrechten!
Belarus | April 2010
Projektleitung: Ina Lüfink
Fünf Tage kamen junge Menschen aus Deutschland und Belarus zu
einem interkulturellen und integrativen Austausch zusammen. Sie
setzten sich mit der Situation der Rechte behinderter Menschen in
diesen Ländern vergleichend auseinander – sowohl theoretisch als
auch kreativ durch die Methode des Forumtheaters.
Das Schwerste? Das Projekt war nicht nur interkulturell, sondern auch
integrativ, da auch Menschen mit Behinderungen daran teilgenom-
men haben.
Das Schönste? Viele strahlende Gesichter zu sehen und zu merken,
dass die Arbeit Früchte trägt.
Das Schlimmste? Der bürokratische Aufwand und das Misstrauen sei-
tens mancher Einrichtungen.
Der gute Rat? Vieles mit viel Zeit planen.
Das nächste Projekt? Am liebsten wieder in Belarus. Spannend wäre
es, nach einer theatralischen »Trockenübung« nun einen gemeinsa-
men Film zu drehen oder sich mal den musischen Bereich anzu-
schauen.
Bildungsakademie »Kulturaustausch durch Ökologie«
Russland | März 2010
Projektleitung: Inna Leventschuk
Wie wird in verschiedenen Staaten mit dem Thema Ökologie umge-
gangen, welche Lösungsansätze für ökologische Probleme gibt es?
Über diese Fragen tauschten sich junge Leute aus Osteuropa und
38MitOst Magazin #24
Deutschland während einer dreitägigen Bildungsakademie in Perm
aus. In Rollenspielen und Workshops setzten sie sich insbesondere
mit den Themen Müll und Wasser auseinander und erarbeiteten Kon-
zepte für Kleinstprojekte.
Eine Bildungsakademie zu organisieren bedeutet... nicht gleichgültig
gegenüber kulturellen Problemen zu sein und aktiv die Zukunft mit-
zugestalten.
Das Schwerste? Ein Thema zu wählen, das für alle spannend war.
Es gab viele Teilnehmer verschiedener Altersstufen und mit unter-
schiedlichen Ausbildungen. Alle interessierten sich für verschiedene
Probleme und stellten unerwartete Fragen. Alle Experten hatten viel
Interessantes zu berichten, aber es gab nur vier Seminartage...
Das Schönste? In einem interdisziplinären Team zu arbeiten.
Das Schlimmste? Wenn am zweiten Tage des Projekts niemand da
ist. Zum Glück hatten wir eine solche Situation nicht.
Der gute Rat? Habt keine Angst, etwas Neues zu machen. Bei einer
guten Idee findet man leicht Gleichgesinnte. Und immer alles frühzei-
tig planen und vorbereiten...
Das nächste Projekt? Schon angefangen: «Kultur in einem Müllei-
mer», ein ökologisches Filmprojekt mit kulturellem Hintergrund.
ChancenOST
Deutschland | März 2010
Projektleitung: Aniko Boros
Nur negative Nachrichten über Rumänien, Ungarn und die Slowakei
schaffen es in die deutschen Medien. Gesellschaftliche Spannungen,
Korruption, Intoleranz, radikaler Nationalismus, Minderheitenproble-
me, Antisemitismus sind die Schlagworte und scheinen typische Kri-
senzeichen für eine gesamte Region zu sein. Das Projektteam veran-
staltete eine Konferenz mit internationalen Experten und ein Planspiel
mit jungen Teilnehmern als Plattform für den interkulturellen Dialog.
Eine Konferenz mit Planspiel zu organisieren bedeutet... eine große
Herausforderung, eine Menge Spaß und eine unheimlich hohe Kon-
zentration.
Das Schwerste? Passende Referenten zu finden und diese zu über-
zeugen.
Das Schönste? Zu sehen, wie sich am ersten Morgen der Raum füllte.
Das Schlimmste? Die Angst, dass der ChancenOST-Film nicht recht-
zeitig fertig wird.
Der gute Rat? Keine Angst haben, weniger nachdenken und mehr
tun. Ein gutes Team zusammenbauen.
Das nächste Projekt? Hoffentlich ChancenOST Nr. 2 mit einem neuen
Thema.
So many colours, one photography
Mazedonien | April 2010
Projektleitung: Zoran Radiceski
Über zwei Monate hinweg arbeitete das Projektteam mit Kindern und
Jugendlichen aus dem SOS Kinderdorf bei Skopje zusammen. Von
fototechnischem Basiswissen über das Entwickeln der Filme bis hin
zum Bauen einer Lochkamera wurden die Teilnehmer an das Instru-
ment herangeführt, mit dem sie später aufgefordert waren, ihre Sicht
und Empfindungen auf die eigene Umgebung zu dokumentieren.
Ein Fotografieprojekt zu organisieren bedeutet... die Möglichkeit,
Geheimnisse der bildenden Kunst bzw. alte und neuere Wege der
Fotografieproduktion zu übermitteln. Das ist besonders lohnend bei
Jugendlichen aus dem Kinderdorf, die eine solche Chance selten be-
kommen.
Das Schwerste? Die Arbeit mit Kindern macht Organisation und Um-
setzung viel schwieriger, anderseits aber auch viel interessanter. Fo-
tos zu entwickeln ist auch nicht so einfach, aber am Ende lief alles
so wie geplant.
Das Schönste? Der Kontakt mit Kindern, Müttern, Erziehern, der Lei-
tung des Kinderdorfes – alle diese schönen menschlichen Dinge
machen echt Spaß und Vergnügen. Man sieht es den Fotos an, wie
schön alles war!
Das Schlimmste? Der Regen und manchmal das Fehlen der Disziplin,
aber die ist auch nicht so wichtig.
Der gute Rat? Man muss mit Kindern arbeiten, mindestens einmal im
Leben! Dabei ist es ganz unwichtig, ob es um Fotografie oder etwas
anderes geht. Die Kinder sind der wahre Geistesblitz!
Das nächste Projekt? Wohl wieder ein Fotografieprojekt, aber diesmal
vielleicht auch noch mit Video...
39MitOst Magazin #24
Seit drei Wochen freue ich mich darauf, diesen Antrag zu schreiben,
aber irgendwie ist bisher immer etwas dazwischen gekommen. Und
plötzlich ist übermorgen Abgabefrist. Macht nichts, ich habe mir ja
schon die ganze Zeit über Notizen gemacht und bin hoch motiviert.
Einen Antrag schreiben, das ist ein bisschen wie Schule: Fragen so
beantworten, dass es dem Lehrer gefällt und am Ende eine Note
dafür bekommen. Und eine Belohnung – Förderung und das gute
Gefühl, jemanden von der eigenen Idee überzeugt zu haben.
Zutaten für den perfekten Antrag: Zeitdruck, Worthülsen und kalter Kaffee...
Um halb fünf sitze ich mit einer dampfenden Tasse Kaffee vor dem
Rechner. Es kann losgehen. Ich greife nach dem Antragsordner, der
seit Wochen auf meinem Tisch liegt. Da sind sie ja, meine Notizen.
Ich lese: »Austausch auf Augenhöhe, Vorurteile erschüttern, nachhal-
tige Erfahrung ermöglichen, Modellprojekt/gute Dokumentation, das
wird super«.
Ich nehme einen Schluck Kaffee aus der Tasse. Komisch. Ich dach-
te, ich hätte schon viel mehr aufgeschrieben. Aber macht nichts, ich
habe ja eigentlich alles im Kopf. Noch ein großer Schluck Kaffee,
dann öffne ich das Antragsformular. Erstmal trage ich die Daten von
MitOst ein. Nach dreiundzwanzig Minuten und ein bisschen copy-
paste aus alten Anträgen habe ich schon die ersten acht Seiten ge-
füllt. In Gedanken klopfe ich mir auf die Schulter und blicke verstoh-
len auf die Uhr. Gleich sechs, ich höre, wie in der Küche jemand
die Spülmaschine einräumt und dann scheinbar in allen Schubla-
den nach Spültabs sucht. Ich gehe mal gucken, ob ich helfen kann.
Eine Viertelstunde später sitze ich wieder am Rechner. Der Kaffee ist
inzwischen kalt geworden, egal, los geht’s. Einmal angefangen, schrei-
be ich einfach drauf los. Das EU-Wording sitzt, es ist tatsächlich wie
eine Klassenarbeit, da werden Vokabeln abgefragt, die ich nun lässig
in den Text einfließen lasse.
Tag zwei: Das ist zu schaffen
Am nächsten Tag komme ich erst gegen 14 Uhr dazu, mich wieder
dem Antrag zu widmen, wieder waren wichtige und dringende Dinge
zu erledigen. Es bleiben elf Stunden, bis ich aus dem Büro eilen
muss, um noch pünktlich vor Mitternacht in der Post-Filiale an der
Friedrichstraße zu sein und alles fristgerecht abzuschicken. »Das ist zu
schaffen«, mache ich mir Mut.
Ich nehme mir das Programmhandbuch vor und schaue mir die von
meinem organisierten Ich von vor drei Wochen als relevant markier-
ten Stellen an. Dann lege ich meinen fertigen Text von gestern dane-
ben. Ich frage mich, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Auch
nach dem zweiten Lesen erschließt sich mir der Zusammenhang
nicht wirklich. Zudem sind noch zwei Punkte völlig unbearbeitet. Ich
spüre, wie mein Kopf heiß wird und greife instinktiv zur Kaffeetasse.
Description of the actionÜber die Sucht, Anträge zu schreiben
Ein Teil des NGO-Geschäfts besteht aus dem Schreiben von Projektanträgen. Leider fehlt im hektischen Alltag oft die Zeit für die »besinnliche« Schreibarbeit, Anträge werden in letzter Minute verfasst. Für MitOst-Mitarbei-terin Sarah Herke macht dies erst den besonderen Kick aus, der den Suchtfaktor noch erhöht.
40MitOst Magazin #24
Der Blick auf die Uhr sagt mir: Halb drei. Der Blick auf das Antragsfor-
mular sagt mir: Jetzt aber los.
Sechs Stunden lang bin ich verschwunden in einer Welt aus bedeu-
tungsschwangeren Wörtern, Phrasen und Worthülsen, aus guten
Absichten und präzisen Definitionen. Um halb neun finde ich mich
alleine im Büro wieder. Irgendjemand hat mir Schokolade auf den
Schreibtisch gelegt. Während ich in der Küche darauf warte, dass
mein Kaffeewasser kocht, drängt sich mir wieder einmal der Gedanke
auf, wie wenig Aussagekraft solch ein Antrag hat, wenn es um tat-
sächliche Projektmanagement-Kompetenzen geht. Ist ja auch nicht
so, dass die Einser-Schüler in der »freien Wildbahn« am überlebens-
fähigsten gewesen wären, nur weil sie es verstanden, auswendig Ge-
lerntes in schönen Worten auf Papier zu bannen.
... und auch Zeitmanagement und sportliche Höchstleistungen gehören dazu
In der S-Bahn sortiere ich schließlich um halb zwölf die drei Versi-
onen des Antrags auseinander und ineinander. Schon eine Station
bevor ich aussteigen muss, ist alles fertig. Ich lehne mich zurück und
muss ein bisschen grinsen: »Jetzt hätte ich sogar noch zwei Minuten
gehabt.»
Und dann ist es plötzlich vorbei. Der Antrag ist auf dem Weg nach
Brüssel, ich kann nichts mehr tun. Ich atme tief durch und realisiere,
dass ich mitten in der Nacht mitten in Berlin bin, nehme schlagartig
wieder meine Umgebung wahr. Ich muss kichern, als ich in einem
Schaufenster erkenne, warum der Herr in der Postfiliale so irritiert
war. Ich habe einen hochroten Kopf, als wäre ich einen Marathon in
Bestzeit gelaufen.
Und wie bei den Marathonläufern ist schon das termingerechte Ein-
reichen des Antrages, das dem Zieleinlauf gleicht, ein persönlicher
Erfolg. Ob es zu einer Medaille, also einer tatsächlichen Förderung,
reicht, wird in diesem Moment erst einmal nebensächlich. Noch im
Bus denke ich darüber nach, dass ich eigentlich schon seit langem
einmal einen Antrag im Programm KULTUR stellen wollte. Schon
formt sich eine Projektskizze in meinem Kopf. Zuhause, nehme ich
mir vor, kann ich ja mal nach den Antragsfristen schauen.
Antrag mit Happy End
Laut Projektmanagement-Handbüchern sind nur ein bis zwei von
zehn gestellten Anträgen im Sinne einer Förderung erfolgreich. Der
hier beschriebene Antrag im Programm PRINCE blieb leider erfolglos.
Dafür sorgte er dafür, dass der Antrag für das Projekt »Tandem: Cultu-
ral Cooperation Placements Moldova – Ukraine – European Union«,
den wir fünf Monate später stellten, langfristiger vorbereitet werden
konnte und tatsächlich mit einer Förderung durch das Programm KUL-
TUR 2007-13 bedacht wurde.
41MitOst Magazin #24
Zivilgesellschaft braucht Netzwerke, die offen und hierarchiefrei funk-
tionieren. Die den Kontakt von Menschen aus unterschiedlichen Län-
dern, mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen oder aus
unterschiedlichen Generationen ermöglichen. Denn unterschiedliche
Perspektiven ergänzen das eigene Bild.
Diese Netzwerkidee ist in unseren Vereinszielen und im Leitbild tief
verwurzelt. Da ein Netzwerk nicht einfach nur auf Mitgliedschaft be-
ruht, sondern verschiedene Akteure in unterschiedlicher Nähe zuei-
nander einschließt, die zudem noch verschiedene Interessen haben,
besteht die Herausforderung, Angebote und Kommunikationsanlässe
zu schaffen, die sich gut ergänzen und damit zu einer gemeinsamen
Identität beitragen. MitOst tut dies in unterschiedlicher Form und in
vielfältigen Arrangements.
Dezentrale und unterschiedliche Partner zusammenbringen: »Werkstätten bürgerschaftlichen Engagements« in der Ukraine
Das ukrainische Active Citizenship Programm »Werkstätten bürger-
schaftlichen Engagements« ist von Anfang an so konzipiert worden,
dass dabei verschiedene ukrainische und internationale Organisatio-
nen im Bereich politischer Bildung vernetzt werden.
2008 fanden auf Initiative von MitOst-Mitgliedern und Multiplikatorin-
nen des Theodor-Heuss-Kollegs Pilotprojekte in Riwne und Donezk
statt. Hier entwickelten junge Menschen ihre eigenen ehrenamtli-
chen Projektideen und wurden bei der Umsetzung unterstützt.
Durch das Interesse verschiedener Partner aus NGOs – wie der Stif-
tung für regionale Initiativen oder die Donezker Alliance – öffentlichen
Kontakte knüpfen und Netze spinnenVernetzung als Instrument für unsere haupt- und ehrenamtliche Arbeit
Nils-Eyk Zimmermann ist Programmreferent im Profilbereich Bürgerschaftliche Bildung und Partizipation und sieht in einer verstärkten Netzwerkarbeit die Chance, auch Menschen, die nicht bei MitOst Mitglied sind, an die Arbeit des Vereins heranzuführen, für diese zu interessieren und sie in diese zu integrieren. Der Wert dieser Arbeit ist für ihn dabei auch an der Anzahl der Interaktionen messbar.
42MitOst Magazin #24
Verwaltungen und Stiftungen – wie der Heinrich Böll Stiftung – konn-
te das Programm auf die Regionen Tscherkassy, Charkiw und die Krim
erweitert werden. Gleichzeitig wurden engagierte ehemalige Teilneh-
mende qualifiziert und verbreiten die Idee des bürgerschaftlichen
Engagements weiter.
Wie aus einem einzelnen Projekt mehr werden kann: Balkans, let`s get up!
Die internationale Begegnung zwischen jungen Menschen ermög-
licht, Grenzen zu überwinden und Gemeinsamkeiten zu entdecken.
Zum Beispiel im Rahmen von »Balkans, let‘s get up«: Junge Südost-
europäer haben weniger Kontakt zu ihresgleichen in Nachbarländern,
als das noch bei ihren Eltern und Großeltern der Fall war.
Das Team der Initiative »Balkans, let‘s get up« schafft den Rahmen für
die Begegnung und sorgt insbesondere dafür, dass diese auch nach-
haltig Früchte trägt. Besonders wichtig ist ihnen, sich nicht nur auf
Ex-Jugoslawien zu beschränken, sondern den Balkan als eine größere
Region zu sehen.
Die Förderung der Initiative durch Projektmittel von MitOst im Jahr
2010, der Gewinn des Jugenddemokratiepreises der Bundeszentra-
le für politische Bildung und die Unterstützung durch das Theodor-
Heuss-Kolleg ermöglichten es dem Initiatoren-Team, »Balkans, let‘s
get up« aufzubauen. Im Jahr 2011 wurde aus der Initiative ein Koope-
rationsprogramm, in dem 20 Teilnehmende ein Jahr lang bei ihrem
Engagement begleitet werden. Die Perspektive für »Balkans, let´s get
up«: Sich als Organisation festigen und entwickeln. http://www.bal-
kansletsgetup.org
Offene Vernetzungsanlässe schaffen: Festivals, Qualifizierungsmodule, Planungswerkstätten
Für gewachsene Strukturen ist es überlebenswichtig, wenn ab und zu
Impulse von außen ins Zentrum rücken. Angebote wie die Werkstatt
»Dein Engagement – Gesellschaft aktiv mitgestalten« richten sich in
diesem Sinne an Zielgruppen innerhalb und außerhalb des eigenen
Netzes. In Weimar wurden mit EU-Unterstützung für eine Woche
sechzig gesellschaftlich engagierte Europäer zusammengebracht, um
gemeinsame Handlungsfelder und Kooperationspotentiale herauszu-
arbeiten, die sich u. a. zu Themen der grenzüberschreitenden ehren-
amtlichen Tätigkeit fortbildeten. Solche Angebote lassen ein breites
Spektrum an Zielgruppen zu – von Fachkräften bis zu Einsteigern in
das Feld des grenzüberschreitenden Engagements. So wurden in
Weimar gemeinsame Ideen projektiert, Informationen über europä-
ische Fördermöglichkeiten verbreitet und viele Menschen für die Ar-
beitsweise bei MitOst begeistert.
Festivals als Kernangebot. Integration auch ohne Mitgliedschaft, über Sprachgrenzen hinweg
MitOst-Festivals sind das zentrale und bekannteste Vernetzungsinstru-
ment des Vereins. Sie bringen die Menschen aus und um den Verein
zusammen und können den Raum bieten, um die strategisch bren-
nenden Fragen zu debattieren oder Impulse für die zukünftige Arbeit
zu bekommen. Mit der Definition und Profilierung der Schwerpunkt-
Arbeitsfelder von MitOst sind die Voraussetzungen dafür verbessert
worden. Unter ihrem Dach können Ehemalige, Mitglieder, Angestellte
des Vereins und die Fachöffentlichkeit zusammenfinden.
Gerade hierbei ist die Herausforderung, Akteure zu integrieren, die
nicht Mitglieder sind. Etwa, weil sie nicht deutsch sprechen und die
deutsche Sprache lange die alleinige Arbeitssprache im Verein und
seinen Aktivitäten war. Dennoch sind bereits heute viele Personen
Teil unseres Netzwerks, die nicht deutsch sprechen. So hat allein
das Theodor-Heuss-Kolleg über zweihundert nicht deutsch, son-
dern englisch oder russisch sprechende Alumni. Nicht mitgerech-
net die Teilnehmenden an ihren ehrenamtlichen Projekten. Oder
die örtlichen Besucher der MitOst-Festivals, Kooperationspartner
des Vereins bei gemeinsamen Vorhaben und die internationalen
Fachöffentlichkeiten.
Wenn man die Potenziale der Netzwerkarbeit nutzen möchte, muss
man gerade für diese (Noch-) Nicht-Mitglieder attraktiv sein. Integra-
tion heißt aus Sicht dieser sehr unterschiedlichen Gruppen übrigens
nicht unbedingt, in Mitgliederversammlungen abzustimmen. Wohl
aber, an den Entwicklungslinien beteiligt zu sein und die Möglichkeit
zu erhalten, sich mit seinen Kompetenzen und seiner Expertise ein-
zubringen. Das kann auch über abgestufte Steuerungs- und Beteili-
gungsmodelle geschehen, wie sie über korporative Mitgliedschaften
oder regionale Schwesterorganisationen möglich wären.
Um die Vernetzung der Mitglieder und Freunde von MitOst zu verbessern, wurde
im September 2009 eine facebook-Gruppe eingerichtet. Der Gruppe gehören 567
Mitglieder an. Ab sofort wollen wir die Möglichkeiten zum Austausch bei facebook
weiter verbessern und haben dazu eine MitOst-Fanseite eingerichtet. Hier werden
wir auf unsere zahlreichen Aktivitäten, Projekte und Veranstaltungen aufmerksam
machen und Mitstreiter für Aktionen sowie neue Mitglieder finden. Wir wollen mit
der neuen Seite nicht nur das »MitOst-Gefühl« stärker ins Netz tragen, sondern
mit euch unmittelbar in den Dialog treten. Folgt uns, teilt den Link und vor allem
schreibt uns auf: www.facebook.com/mitost
PS: Auch Programme von MitOst, wie das Theodor-Heuss-Kolleg oder die Tandem-
Kulturmanagementprogramme sind bei facebook. Ihr findet sie in den Favoriten
der MitOst-Seite.
MitOst –Gefällt mir!
43MitOst Magazin #24
Annegret Wulff, Mitarbeiterin im Theodor-Heuss-Kolleg, hat das »EU-Russia Civil Society Fo-
rum« mit aus der Taufe gehoben
Kürzlich war ich für MitOst in Prag. Dort wurde das »EU-Russia Civil Society Forum« von 58
NGOs aus Russland und der EU ins Leben gerufen. In Prag wurden eine Reihe von Positi-
onspapieren verabschiedet. Die eigentliche inhaltliche Arbeit begann in einem ersten Treffen
von Arbeitsgruppen, bei denen auch Ideen für konkrete Zusammenarbeit entwickelt wurden.
Neben dem Netzwerkgedanken will das Forum auch Einfluss auf politische Entscheidungen
und die Europäische Russlandpolitik nehmen. Ich sehe großes Potential in diesem vielfältigen
Netzwerk, das sich nur durch die Energie und Begeisterung derer entwickeln wird, die es mit
Leben füllen! Mehr Informationen unter www.eu-russia-csf.org
Annekathrin Günther, Praktikantin bei MitOst von Januar bis März 2011, hat den alternati-
ven MitOst-Reiseführer entworfen
Als Praktikantin bei MitOst war ich vor allem in die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Mitglie-
derbetreuung eingebunden. Zu meinen Aufgaben gehörte die Aktualisierung der Homepage,
die Arbeit am vorliegenden Magazin, Vorbereitungen für das nächste MitOst-Festival in České
Budějovice und die Mitgestaltung neuer Ideen. So zum Beispiel das Homepage-Projekt »Stadt-
gesichter«, für das ich den Fragebogen entworfen habe. Mitglieder haben hier die Möglichkeit,
ihre Stadt mal ganz persönlich vorzustellen. So entsteht ein bunter Reiseführer, der von an-
deren MitOst-Mitgliedern bei ihren Reisen durch Mittel- und Osteuropa genutzt werden kann
und darüber hinaus die Möglichkeit zur Vernetzung bietet. Nach meiner Diplomarbeit werde
ich dort auch reinschauen, denn »Diplombelohnungsreisepläne« nach Polen stehen bereits.
Es war schön, ein Praktikum in einer Umgebung zu machen, wo meine Begeisterung für Mit-
tel- und Osteuropa geteilt wurde.
Michaela Tietz, Alumna des Programms »Völkerverständigung macht Schule«, hat MitOst-
Alumni interviewt
Mails geschrieben, Mails beantwortet, Mails weitergeleitet – so in etwa lassen sich die letzten
Monate meiner Arbeit an den Alumni-Portraits der MitOst-Mitglieder zusammenfassen. Bei
den Portraits geht es darum, die MitOst-Mitglieder mit ihren Interessen und Kompetenzen
vorzustellen – spätere Synergien nicht ausgeschlossen. Nach Abschluss der Sammlung kann
ich jedenfalls sagen, dass eine ganze Menge interessante und über-den-Tellerrand-blickende
MitOst-Alumni existieren. Die Kurzinterviews findet ihr auf der Homepage, wir freuen uns über
weitere Alumni, die den Fragebogen ausfüllen!
Akvilé Eglinskaité, Stipendiatin des Programms »Kulturmanager aus Mittel- und Osteuropa«,
ist glückliche Gewinnerin von »kultur-im-dialog.moe»
Mein Projekt »Open doors« hat den diesjährigen Projektwettbewerb »kultur-im-dialog.moe«
gewonnen, den MitOst zusammen mit der Schering Stiftung ausschreibt. »Open doors« ist
eine Studie über die poetische Kraft der Tür. Künstler verschiedener Sparten aus Litauen und
Karlsruhe werden verschiedene Aktionen im öffentlichen Raum organisieren und dabei die
Bedeutung der Tür im urbanen Raum beleuchten – sowohl auf metaphorische Weise als auch
in Bezug auf die performativen, soziopolitischen und psychologischen Bedeutungen.
Neulich bei MitOstWas hast du zuletzt im Verein gemacht? Antworten von MitOst-Mitgliedern und -Mitarbeitenden.
44MitOst Magazin #24
Henrieke Moll, Mitarbeiterin im Projekt »Tandem«, hat Glückskekse gebacken
Es ist nicht ganz das, was ich zuletzt bei MitOst gemacht habe, aber eines meiner ersten Er-
lebnisse bei MitOst war die Einweihungsfeier der neuen Büroräume in Berlin-Moabit. Für mich
war es die erste Feier bei und mit MitOst, da ich seit Anfang des Jahres als Projektassistenz bei
»Tandem: Kulturmanageraustausch Türkei – Europäische Union« tätig bin. Dabei nehmen je
15 Kulturorganisationen mit Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit aus der Türkei
und aus den EU-Ländern an einem zweijährigen Entwicklungsprozess teil. Die Einweihungs-
feier war ein toller Start in meine neue Arbeit, der mir das ‚Ankommen‘ bei MitOst sehr leicht
gemacht hat. Nicht nur die Feier an sich, auch das Glückskekse-Backen am Vortag wird mir
in Erinnerung bleiben. Jetzt startet das Tandem-Projekt in die nächste Runde und Richtung
Türkei. Es wird und bleibt spannend und ich freue mich sehr, all das aus nächster Nähe miter-
leben zu können. Und sicher gibt es bald auch wieder etwas zu feiern! Mehr Infos zu Tandem
findet ihr auf der MitOst-Homepage.
Felix Krause, Alumnus des Europainstituts Klaus Mehnert, weiß jetzt, wie der Projektbeirat
tickt – und hat selbst eine Projektidee
Bei der Planungskonferenz IV habe ich mich an der Arbeitsgruppe beteiligt, die sich mit den
Arbeitsweisen und dem Selbstverständnis des Projektbeirats beschäftigte. Interessant war für
mich, einen Einblick in die Strukturen bei MitOst zu erhalten und zu erfahren, wo im Bereich
Mitgliederprojekte Probleme bei der Umsetzung liegen. Dies fand ich spannend, da ich mir
vorstellen kann, im nächsten Jahr selbst ein Projekt einzureichen, das sich mit dem Über-
winden von imaginären und tatsächlichen Grenzen innerhalb von Städten beschäftigt. Die
Idee dazu entstand übrigens bei der Projektwerkstatt »Dein Engagement« in Weimar, die von
MitOst organisiert wurde. Aber bis das spruchreif ist, genieße ich lieber die Vorfreude auf das
Festival in Budweis.
Roland Bender, stellvertretender Leiter des Zentralbereichs der Robert Bosch Stiftung
GmbH, ist begeistert von der MitOst-Idee
Es war in Perm. Eingeladen zu einem Workshop über Antragstellung bei Stiftungen war ich
von der Internationalität und dem Engagement der MitOst-Vereinsmitglieder begeistert. Was
ich in Perm erlebte, war gelebte Völkerverständigung. Die Bereitschaft, aus den unterschiedli-
chen Ländern gemeinsam ein Festival im tiefen Osten Russlands zu feiern und Erfahrungen
auszutauschen, war getragen von der Idee der Toleranz und gegenseitigen Verständigung und
Lernbereitschaft. Mich hat dies beeindruckt und deshalb bin ich spontan noch vor der Mit-
gliederversammlung als Fördermitglied MitOst beigetreten. Die Mitgliederversammlung verlief
wie ich es aus anderen Vereinen kenne: sehr traditionell. Daher war es mir ein Anliegen, dem
Vorstand Vorschläge für eine kreative Mitgliederversammlung zu unterbreiten. Ich fand Gehör
und bin gespannt, was in Budweis anders sein wird.
45MitOst Magazin #24
Gegen eine Etikettierung des Landes
Der Start in einem Land, das ich nur in Stereotypen kannte, gestaltete
sich anstrengend und leicht zugleich: Die Bürokratie um eine Auf-
enthaltsgenehmigung traf auf Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft
der Bevölkerung. Schnell kann man sich das Land geografisch er-
schließen, die Struktur belarussischer Städte zeugt von bestechender
Klarheit. Da gibt es immer die Straßen Sowjetskaja, Komsomolzkaja
und einen obligatorischen Leninplatz mit plastischer Anwesenheit
des Namengebers. Geschäfte werden nach ihrem »Inhalt« benannt:
»Kleidung«, »Schuhe« und natürlich etwas umfassender und zugleich
einfacher »Produkte«.
Schwerer zu erfassen ist jedoch die belarussische Seele, was spricht
man hier eigentlich – Russisch oder Belarussisch? Symptomatisch für
die Zerrissenheit und Unentschlossenheit der belarussischen Bevöl-
kerung, ihrer Isolation und Einverleibung sind die unterschiedlichen
Arten der Landesgrenzen: eine unsichtbare nach Russland, eine
durchlässige in die Ukraine und die schwer überwindbare Grenze in
die Europäische Union.
Die belarussische Identität ist nicht schwarz oder weiß, Ost oder West,
sondern ganz speziell belarussisch. Sie bewegt sich spielend zwi-
schen Passivität und gesellschaftlichem Engagement. So kann man
beispielsweise auch jenseits der Hauptstadt in Brest eine alternative
Kunstszene mit einem kleinen freien Theater (http://www.svabodny.
kantakt.net/now.htm) finden.
Auf der Suche im Land des Wisents
Bei den Studierenden überwiegt das meist durch Perspektivlosigkeit
entstandene gesellschaftliche Desinteresse. Dem versuche ich mei-
ne Tätigkeit als Lektorin der Robert Bosch Stiftung entgegen zu stel-
len. Seit zwei Monaten erarbeiten meine Kolleginnen und ich mit 25
Studierenden einen kleinen Reiseführer über das studentische Leben
in Brest. Gerade führen wir, die drei Lektorinnen in Belarus, eine tri-
nationale studentische Energie-Werkstatt zum Thema »25 Jahre nach
Tschernobyl – Neue Wege der Energiegewinnung« mit 30 Studieren-
den aus Deutschland, der Ukraine und Belarus durch. Im Sommer
planen wir eine achttägige Kanu- und Fahrradtour durch die polnisch-
belarussische Grenzregion, in Interviews mit der Bevölkerung werden
wir dann die Besonderheiten des Lebens in der belarussischen Peri-
pherie beleuchten.
In den initiierten Projekten sollen sich die Studierenden frei und auch
kreativ austauschen, Motivation gewinnen, sich mit ihrem Land und
ihrem Leben auseinandersetzen, eigene Ideen entwickeln und hier
vor Ort verwirklichen.
Vor neun Monaten bin ich im Land des Wisents, der Störche, des
Leinens und der Traktoren angekommen. Heute erscheint mir Bela-
rus facettenreicher, offen und schwankend, sich abgrenzend und sich
selbst immer suchend. Und ich suche mit.
E-Mail aus BrestDorit Happ hat an der Freien Universität Berlin Osteuropastudien mit Schwerpunkt Kulturwissenschaften studiert und arbeitet bis August 2011 als Boschlektorin in Brest. Sie hat schon viel von Osteuropa gesehen, in Moskau und Prag gelebt, aber erst durch das Lektorenprogramm bekam sie die Möglichkeit, Belarus zu besuchen. Dort beschäftigt sie sich unter anderem innerhalb des Projekts »Energizer: 25 Jahre nach Tscher-nobyl – neue Wege der Energiegewinnung« mit den Auswirkungen des Reaktorunfalls und den großen Her-ausforderungen in der Energiepolitik des Transformationsstaates. Für das MitOst-Magazin beschreibt sie ihre Eindrücke der »letzten Diktatur Europas«.
46MitOst Magazin #24
MitOst ist seit 15 Jahren eine unabhängige, internationale und ge-
meinnützige Organisation, die bürgerschaftliches Engagement und
Kulturaustausch vor allem in Mittel-, Ost- und Südosteuropa fördert.
Die MitOst-Idee und die zahlreichen kleinen und großen Projekte le-
ben vom Engagement der 1.200 Mitglieder in mehr als 30 Ländern.
Ständig kommen neue aktive Menschen mit innovativen Ideen zu Mit-
Ost. Um möglichst viele förderungswürdige Projekte zwischen Köln
und Krasnojarsk, Stuttgart und Sarajevo sowie Berlin und Bischkek
umsetzen zu können, brauchen wir finanzielle Unterstützung. Das
geht auf unterschiedlichen Wegen:
Spenden für MitOst
Wir freuen uns über Spenden, ganz gleich in welcher Höhe! Nach Er-
halt der Spende senden wir eine Zuwendungsbestätigung zur Vorlage
beim Finanzamt unter Angabe der Anschrift bei der Überweisung zu.
MitOst e.V.
Deutsche Bank Berlin
BLZ 100 700 24
Konto-Nr. 101 501 500
IBAN: DE33100700240101501500
BIC / SWIFT-Code: DEUTDEDBBER
Bitte als Verwendungszweck »Spende« angeben!
Spenden statt schenken
Wünscht euch anstelle von Geschenken eine Spende für die Projek-
tarbeit von MitOst. Ob eine Geburtstagsfeier, eine Hochzeit oder ein
Jubiläum – es gibt immer gute Gründe. Im Übrigen kann man auch
den Jahresbeitrag für eine Mitgliedschaft bei MitOst verschenken.
Fördermitglied werden
Man kann MitOst auch mit einer regelmäßigen Spende im Rahmen
einer Fördermitgliedschaft unterstützen. Das geht ganz einfach: Auf-
nahme-Antrag unter: www.mitost.org/ueber-uns/mitglied-werden.
html ausfüllen, Beitrag (Fördersumme) festlegen und an die Ge-
schäftsstelle schicken.
Aktiv werden und helfen
Verbindet den Spaß an gemeinsamem Engagement, das Zusammen-
treffen von MitOstler/innen mit dem Einsatz für MitOst. Organisiert
einen Benefiz-Flohmarktstand, eine Restgeldkollekte oder einen »Kul-
turabend für MitOst«. Ihr habt schon eine Idee? Die Geschäftsstelle
unterstützt euch bei euren Vorhaben.
PS: Spenden für MitOst kommen zu 100 Prozent der ehrenamtlichen
Projektarbeit zu gute!
MitOst unterstützen47
MitOst Magazin #24
MitOst-Magazin #24 / Frühjahr 2011
Herausgeber:
MitOst e.V. – Verein für Sprach- und Kulturaustausch
in Mittel-, Ost- und Südosteuropa
Verantwortlich:
Christoph Schulz
Vorstandsvorsitzender MitOst e.V.
Alt-Moabit 90
D-10559 Berlin
Redaktion:
Felix Krause und Julia Ucsnay
Übersetzung ins Russische:
Maria Shamaeva und Igor Konovalev
Gestaltung: Maxim Neroda
Foto Cover und Rückseite:
Kiên Hoàng Lê
Geschäftsstelle MitOst e.V.
Alt-Moabit 90
D-10559 Berlin
Tel.: +49 – (0)30 – 31 51 74 – 70
Fax: +49 – (0)30 – 31 51 74 – 71
www.mitost.org