mit schrauben bewehren

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190 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 85 (2008), Heft 3 1 Einleitung Selbstbohrende Vollgewindeschrauben werden schon seit Jahren im Holzbau eingesetzt. Ursprünglich als maschi- nell verarbeitbarer Ersatz für gewöhn- liche Holzschrauben verwendet, die vorwiegend quer zur Schraubenachse beansprucht werden, setzt man Voll- gewindeschrauben in den letzten Jah- ren zunehmend auch als Verstärkungs- elemente und als axial beanspruchte Verbindungsmittel in Fügungen von Holzbauteilen ein. Dabei werden die Schrauben auch deutlich geneigt zur Faser angeordnet, so dass die Kraft- übertragung in der Schraube weniger über Lochleibung und Schrauben- biegung, sondern vorwiegend entlang der Schraubenlängsachse über Nor- malkraftbeanspruchung erfolgt. Man nutzt auf diese Weise die hohe Festig- keit des Schraubenmaterials und die günstigen Verbundeigenschaften der Schrauben, die vergleichbar mit jenen des Bewehrungsstahls im Stahlbeton sind. Gleichzeitig gewinnt man hoch belastbare Verbindungen, die ver- gleichsweise einfach herzustellen sind. Anordnungen und Konfiguratio- nen von normalkraftbeanspruchten Schrauben sind in Normen und in der Fachliteratur angegeben, teils zur Verbesserung des Lasteintrags in Holzbauteile (siehe z. B. [2] und [17]), etwa an den Auflagern, aber auch als Verstärkungen im Bereich von Öffnungen in Trägern oder zur Aufnahme von Spaltzugkräften an Stabdübelverbindungen (siehe [3], [10]). Auch werden Fügungen von Holzbauteilen, z. B. Haupt- und Ne- benträgern, mit kreuzweise angeord- neten Schrauben ausgeführt (z. B. nach [8] und [9]). Ein systematischer Weg, solche Schraubenkonfigurationen, die eine ähnliche Funktion wie Bewehrung im Betonbau haben, zu entwickeln und diese zu bemessen, fehlt aber bis- lang. Im Rahmen eines Forschungs- projekts in Kooperation mit dem Hersteller von Vollgewindeschrau- ben ABC-Verbindungstechnik GmbH & Co. KG, Ennepetal, wurden mit Schrauben bewehrungsartig ver- stärkte Bauteile und Bauteilfügun- gen entwickelt und anhand von Be- lastungsversuchen auf Tragverhalten und Belastbarkeit hin untersucht. Die Anordnung und Bemessung der Schrauben erfolgte in Anlehnung an das Konstruieren und Bemessen im Stahlbetonbau mit Hilfe von Fach- werkmodellen. Bezogen auf die be- sonderen Eigenschaften des Holzes mit seinem anisotropen Festigkeits- verhalten wurden die Schrauben ins- besondere als Verstärkungen und Versteifungen für Beanspruchungen quer zur Faserrichtung eingesetzt, weil die entsprechende Materialfes- tigkeit und -steifigkeit um ein Viel- faches niedriger gegenüber derjeni- gen in Faserlängsrichtung liegt. Es wurden Versuche an Biege- balken durchgeführt, bei denen die Bewehrung auf die Verbesserung des Schubtragverhaltens abzielte, indem Schrauben wie die Ausfachung eines Fachwerkträgers in der Mittelebene eingebracht wurden. Die Untersuchung von Bauteil- fügungen erfolgte an zwei verschiede- nen Verbindungsdetails: einem ein- seitig angeschlossenen, exzentrischen Laschenstoß und einer auf Gehrung gefügten, biegesteifen Rahmenecke aus Brettschichtholz. Letztere wurde mit einer Schraubenbewehrung für die Übertragung von negativen wie auch von positiven Momenten ver- sehen. Martin Trautz Christoph Koj Mit Schrauben Bewehren Selbstbohrende Vollgewindeschrauben (VGS) sind moderne Verbindungsmittel des Holz- baus, die aufgrund ihrer hohen Festigkeit und ihrer günstigen Verbundeigenschaften zu- nehmend als Verstärkungselemente oder als Verbindungsmittel für Fügungen von Holz- bauteilen zum Einsatz kommen. Um die konstruktiven Vorzüge, die vergleichbar mit den Eigenschaften einer Bewehrung im Stahlbetonbau sind, systematisch zu nutzen, wurden Bauteile aus Brettschichtholz mit Schrauben verstärkt, deren Konfiguration u. a. mit Hilfe von Fachwerkmodellen auf den inneren Kräfteverlauf abgestimmt waren. Im Rahmen von Sondierungsversuchen an Serien gleich bewehrter Bauteile wurden die Veränderungen und Verbesserungen des Tragverhaltens der auf diese Weise verstärk- ten Bauteile untersucht. Self-tapping screws as reinforcement. Self-tapping woodscrews with continuous threads are state-of-the-art connectors for timber construction and increasingly used as reinforce- ments or in connections with axially loaded fasteners due to their high axial strength and good bond to the wood. To make systematic use of these constructive advantages, comparable to steel reinforcement in concrete construction, various glue laminated tim- ber elements were reinforced with screws using framework models to adapt the screw configuration to the internal flow of forces. The changes and improvements of load bear- ing and deformation characteristics of the reinforced elements were examined in a se- ries of tests. Fachthemen DOI: 10.1002/bate.200810016

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Page 1: Mit Schrauben Bewehren

190 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 85 (2008), Heft 3

1 Einleitung

Selbstbohrende Vollgewindeschraubenwerden schon seit Jahren im Holzbaueingesetzt. Ursprünglich als maschi-nell verarbeitbarer Ersatz für gewöhn-liche Holzschrauben verwendet, dievorwiegend quer zur Schraubenachsebeansprucht werden, setzt man Voll-gewindeschrauben in den letzten Jah-ren zunehmend auch als Verstärkungs-elemente und als axial beanspruchteVerbindungsmittel in Fügungen vonHolzbauteilen ein. Dabei werden dieSchrauben auch deutlich geneigt zurFaser angeordnet, so dass die Kraft-übertragung in der Schraube wenigerüber Lochleibung und Schrauben-biegung, sondern vorwiegend entlangder Schraubenlängsachse über Nor-malkraftbeanspruchung erfolgt. Mannutzt auf diese Weise die hohe Festig-keit des Schraubenmaterials und diegünstigen Verbundeigenschaften der

Schrauben, die vergleichbar mit jenendes Bewehrungsstahls im Stahlbetonsind. Gleichzeitig gewinnt man hochbelastbare Verbindungen, die ver-gleichsweise einfach herzustellen sind.

Anordnungen und Konfiguratio-nen von normalkraftbeanspruchtenSchrauben sind in Normen und inder Fachliteratur angegeben, teils zurVerbesserung des Lasteintrags inHolzbauteile (siehe z. B. [2] und[17]), etwa an den Auflagern, aberauch als Verstärkungen im Bereichvon Öffnungen in Trägern oder zurAufnahme von Spaltzugkräften anStabdübelverbindungen (siehe [3],[10]). Auch werden Fügungen vonHolzbauteilen, z. B. Haupt- und Ne-benträgern, mit kreuzweise angeord-neten Schrauben ausgeführt (z. B.nach [8] und [9]).

Ein systematischer Weg, solcheSchraubenkonfigurationen, die eineähnliche Funktion wie Bewehrung

im Betonbau haben, zu entwickelnund diese zu bemessen, fehlt aber bis-lang.

Im Rahmen eines Forschungs-projekts in Kooperation mit demHersteller von Vollgewindeschrau-ben ABC-Verbindungstechnik GmbH& Co. KG, Ennepetal, wurden mitSchrauben bewehrungsartig ver-stärkte Bauteile und Bauteilfügun-gen entwickelt und anhand von Be-lastungsversuchen auf Tragverhaltenund Belastbarkeit hin untersucht.Die Anordnung und Bemessung derSchrauben erfolgte in Anlehnung andas Konstruieren und Bemessen imStahlbetonbau mit Hilfe von Fach-werkmodellen. Bezogen auf die be-sonderen Eigenschaften des Holzesmit seinem anisotropen Festigkeits-verhalten wurden die Schrauben ins-besondere als Verstärkungen undVersteifungen für Beanspruchungenquer zur Faserrichtung eingesetzt,weil die entsprechende Materialfes-tigkeit und -steifigkeit um ein Viel-faches niedriger gegenüber derjeni-gen in Faserlängsrichtung liegt.

Es wurden Versuche an Biege-balken durchgeführt, bei denen dieBewehrung auf die Verbesserung desSchubtragverhaltens abzielte, indemSchrauben wie die Ausfachung einesFachwerkträgers in der Mittelebeneeingebracht wurden.

Die Untersuchung von Bauteil-fügungen erfolgte an zwei verschiede-nen Verbindungsdetails: einem ein-seitig angeschlossenen, exzentrischenLaschenstoß und einer auf Gehrunggefügten, biegesteifen Rahmeneckeaus Brettschichtholz. Letztere wurdemit einer Schraubenbewehrung fürdie Übertragung von negativen wieauch von positiven Momenten ver-sehen.

Martin TrautzChristoph Koj

Mit Schrauben Bewehren

Selbstbohrende Vollgewindeschrauben (VGS) sind moderne Verbindungsmittel des Holz-baus, die aufgrund ihrer hohen Festigkeit und ihrer günstigen Verbundeigenschaften zu-nehmend als Verstärkungselemente oder als Verbindungsmittel für Fügungen von Holz-bauteilen zum Einsatz kommen. Um die konstruktiven Vorzüge, die vergleichbar mit denEigenschaften einer Bewehrung im Stahlbetonbau sind, systematisch zu nutzen, wurdenBauteile aus Brettschichtholz mit Schrauben verstärkt, deren Konfiguration u. a. mit Hilfevon Fachwerkmodellen auf den inneren Kräfteverlauf abgestimmt waren. Im Rahmen von Sondierungsversuchen an Serien gleich bewehrter Bauteile wurden dieVeränderungen und Verbesserungen des Tragverhaltens der auf diese Weise verstärk-ten Bauteile untersucht.

Self-tapping screws as reinforcement. Self-tapping woodscrews with continuous threadsare state-of-the-art connectors for timber construction and increasingly used as reinforce-ments or in connections with axially loaded fasteners due to their high axial strengthand good bond to the wood. To make systematic use of these constructive advantages,comparable to steel reinforcement in concrete construction, various glue laminated tim-ber elements were reinforced with screws using framework models to adapt the screwconfiguration to the internal flow of forces. The changes and improvements of load bear-ing and deformation characteristics of the reinforced elements were examined in a se-ries of tests.

Fachthemen

DOI: 10.1002/bate.200810016

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2 Versuche zur Balkenverstärkung

Zur Ermittlung des schubversteifen-den Effekts von schräg angeordnetenVollgewindeschrauben wurden Biege-versuche an Einfeldträgern aus Brett-schichtholz mit 5,76 m Stützweite inAnlehnung an DIN EN 408 [13]durchgeführt. Neben unbewehrtenReferenzträgern (Typ A) wurden dreiunterschiedliche Schraubenanordnun-gen auf ihre Wirksamkeit untersucht.Bei einer Versuchsreihe wurden dieSchrauben als Zugstreben unter einemWinkel von 45° zur Trägerachse ein-gebracht (Typ B). Eine zweite Ver-suchsreihe mit einer Schraubenan-ordnung analog zu einem Ständer-fachwerk konnte wegen einer sehrfrüh versagenden Probe nicht weiterausgewertet werden. Der dritte be-wehrte Trägertyp (Typ D) enthielt

ebenfalls unter 45° angeordnete Zug-und Druckdiagonalen, nach Art einesStrebenfachwerks, die sich in derBiegezug- bzw. -druckzone des Quer-schnitts überschneiden. Je Trägertypwurden drei Probekörper bis zumBruch belastet. In allen Versuchenwurden Vollgewindeschrauben vomTyp Spax®-S nach [1] verwendet. DieTrägerabmessungen und Schrauben-anordnungen sind in Bild 1 darge-stellt.

Bei allen bewehrten Trägernwurde eine Erhöhung der Steifigkeitbeobachtet, die aus einer deutlichenZunahme der Schubsteifigkeit resul-tiert. Die Gesamtsteifigkeiten der un-terschiedlichen Versuchsreihen sindin Tabelle 1 zu erkennen. Sie entspre-chen den nach DIN EN 408 ermittel-ten E-Moduln, bei denen der Einflussder Schubverformung – für die gege-

benen Trägergeometrien ca. 4,7 % derGesamtverformung – unberücksich-tigt bleibt.

Um die Erhöhung der Schubstei-figkeit durch die eingeschraubte Be-wehrung zu quantifizieren, müssen dieVerformungsanteile aus Schub undBiegung getrennt betrachtet werden.Nach technischer Biegelehre ergibtsich:

Unter der Annahme eines Verhältnis-ses zwischen Schub- und Elasti-zitätsmodul von G/E = 0,062 für ho-mogenes Brettschichtholz, entspre-chend den Werten nach DIN 1052[14], lassen sich der E-Modul undder Schubmodul der unverstärktenTräger aus der Last-Verformungs-Kurve ermitteln. Auf Basis des mitt-leren E-Moduls der Referenzträgerkann dann die Erhöhung der Schub-steifigkeiten der bewehrten Trägerberechnet werden, die beim Typ Bknapp 250 % und beim Typ D etwa170 % über dem Wert des Referenz-trägers lag.

Ein Einfluss der Verschraubun-gen auf die Bruchlasten war erwar-tungsgemäß nicht festzustellen, dabei der gewählten Versuchsanord-nung die Träger auf Biegezug versa-gen, was bei allen Probekörpern, aus-gehend von Schwachstellen in deruntersten Lamelle, beobachtet wurde.Die Schraubbewehrung bewirkt je-doch eine deutliche Reduktion derDelamination beim Bruchvorgang.Bild 2 zeigt ein typisches Bruchbildder unbewehrten Versuchsträger(Typ A) mit zick-zack-förmigem Riss-verlauf infolge großflächiger Delami-nation in und zwischen den Lamel-len. Dagegen verläuft bei den bewehr-ten Trägern, wie ein typisches Bruch-bild des Typs B (s. Bild 3) zeigt, derBruch in der Regel rechtwinklig durchden Träger hindurch. Das Zusammen-wirken versetzt liegender Fehlstellenin unterschiedlichen Lamellenlagenwird durch die eingeschraubte Beweh-rung reduziert. Es ist eine Erhöhungder Zuverlässigkeit und Reduktionder Streuung der Steifigkeiten festzu-stellen.

fF a l a

EI

f F aA G

f f f

Biegung

SchubS

gesamt Biegung Schub

= ◊ ◊ -

= ◊◊

= +

( )3 448

2 2

Bild 1. Versuchsaufbau und Schraubenanordnung Biegeträger nach DIN EN 408Fig. 1. Test setting and configuration of screw reinforcement for beams accordingto DIN EN 408

Tabelle 1. Vergleich der Gesamtsteifigkeiten BiegeträgerTable 1. Comparison of total bendig stiffness of beams

Trägertyp Mittelwert Standard- 5 %-Quantil 95 %-Quantil abweichung

[N/mm2] [N/mm2] [N/mm2] [N/mm2]

Typ A (unverstärkt) 9380,4 846,7 7987,7 10773,1

Typ B (Zugdiagonalen) 9688,5 603,9 8695,3 10681,8

Typ D (Strebenfachwerk) 9673,0 770,8 8405,2 10940,9

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3 Versuche an Fügungsdetails

Das Tragverhalten von Fügungsde-tails mit selbstbohrenden Vollgewinde-schrauben wurde in zwei Versuchs-reihen an einseitigen, auf Zug belas-teten Laschenstößen und stumpf ge-stoßenen biegesteifen Eckverbindun-gen untersucht.

In den Versuchen mit Laschen-stößen wurde eine klassische Fügungmit Stabdübeln und ein Anschlussmit selbstbohrenden Spax®-S-Vollge-windeschrauben verglichen. Die Geo-metrie der Versuchskörper und die je-weilige Anordnung der Verbindungs-mittel ist Bild 4 zu entnehmen.

Tabelle 2 zeigt die vergleichendeAuswertung der Versuchsergebnissefür die Stabdübelverbindung und denSchraubanschluss.

Die Stabdübelverbindungen ver-sagten im Bruchversuch in zwei Fäl-

len durch Biegezugbruch der Lasche,ausgehend von Fehlstellen im Holzbzw. Schwächungen durch die Stab-dübel. Beim dritten Probekörper tratein Versagen der Lasche infolge Schubauf. Die Exzentrizität der Kraftresul-tierenden bewirkt hier große Biege-momente in der Lasche, die zu gro-ßen horizontalen Auslenkungen und

schließlich zum Versagen des Holz-querschnitts führen.

Die mit Vollgewindeschraubengefügten Anschlüsse erreichten imVersuch höhere Tragfähigkeiten undgrößere Verbindungssteifigkeiten alsdie Stabdübelanschlüsse. Der Bruchtrat bei zwei von drei Versuchskör-pern durch Versagen der diagonalenSchrauben auf Zug in der Fuge zwi-schen den Holzquerschnitten auf(siehe Bild 5). Die zusätzlichen recht-winklig zur Systemachse angeordne-ten Schrauben bewirkten darüber hin-aus eine hohe Resttragfähigkeit desQuerschnitts von ca. 70 % der Maxi-mallast, die durch die hohe plastischeVerformbarkeit der Schrauben miteiner großen Längung der Verbindungverbunden war. Die dritte Probe ver-sagte durch Biegezugbruch der Lasche.Das typische Last-Verformungs-Ver-halten von Stabdübel- und Schraub-anschluss ist in Bild 6 gegenüber-gestellt. Die Exzentrizität der innerenKraftresultierenden war bei der

Bild 4. Versuchsaufbau und Verbindungsmittelanordnung LaschenstößeFig. 4. Test setting and configuration of fasteners for one-sided fish plate joints

Bild 3. Bruchbild Biegeträger Typ B,glatter BruchFig. 3. Clean fracture of beam type B

Bild 2. Bruchbild Biegeträger Typ A, Versagen mit DelaminationFig. 2. Fracture of beam type A, failure with delamination

Tabelle 2. Vergleich Stabdübel- undSchraubverbindung: Mittelwerte Bruch-last, Längssteifigkeit und horizontaleAuslenkungTable 2. Comparison steel dowel andscrew joint: mean values of failureload, logitudinal stiffness and lateraldeflection

Fu Fu/wu uu[kN] [kN/mm] [mm]

Stabdübel 138,67 9,56 26,0

Schrauben 164,07 12,03 14,0

Verhältnis 118,3 % 125,9 % 53,8 %

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Auslenkung des belasteten Laschen-stoßes erkennbar wurde.

Zur Untersuchung von biege-steifen Eckverbindungen wurden L-förmige Versuchskörper aus BSHdurch einen stumpfen Gehrungs-stoß mittels Vollgewindeschraubenund ABC-Gewindestangen gefügt.Der Versuchsaufbau sowie die An-ordnung und Abmessungen der Ver-bindungsmittel sind in Bild 7 dar-gestellt.

Die Gewindestangen sind miteinem Norm-Gewinde nach [15] aus-gestattet und können entsprechend denRegelungen der DIN 1052:2004-08,Abschnitte 12.6 und 12.8 für Holz-schrauben eingesetzt werden.

Die ausgeführte Anordnung derVollgewindeschrauben unterschreitetmit 23° den minimal zulässigen Ein-schraubwinkel der bauaufsichtlichenZulassung von 45° zur Holzfaser. Ander Universität Karlsruhe durchge-führte Auszugsversuche mit selbstboh-renden Vollgewindeschrauben (siehe[11]) haben jedoch gezeigt, dass fürSchrauben mit großem Verhältnis vonGewindeaußen- zu KerndurchmesserderAuszugswiderstand weitgehend un-abhängig vom Winkel zwischen Holz-faserrichtung und Schraubenachse ist.Daher wird der Einbau von Voll-gewindeschrauben bis zu einem Ein-schraubwinkel von 30° zur Faserrich-tung in [9] als problemlos angesehenund die Anwendbarkeit der Bemes-sungsformeln der DIN 1052:2004-08auch für diesen Winkelbereich empfoh-len. Für Einschraubwinkel unter 30°bestehen derzeit noch Bedenken, dadie Dauerstandfestigkeit, besonders beiwechselnden Klimabeanspruchungenim Außenbereich, durch die Bildungvon Längsrissen infolge des Schwin-dens und Quellens des Holzes unterUmständen reduziert wird. Versuchezum Langzeitverhalten parallel zur Fa-ser eingebrachter Vollgewindeschrau-ben laufen derzeit an der UniversitätKarlsruhe. In den an der RWTH durch-geführten Versuchen wurden dennochEinschraubwinkel von unter 30° zuge-lassen, wenn dadurch eine insgesamttragfähigere Schraubenkonfigurationzu erwarten war.

Die Last-Verformungs-Kurven fürpositive und negative Momentenbelas-tung sind in Bild 8 dargestellt.

Im Versuch zeigte die mit negati-vem Moment belastete Eckverbindungein sehr positives Tragverhalten. Beiallen Versuchskörpern trat das Ver-sagen durch Zugbruch der Schraubenin der Gehrungsfuge ein (Bild 10).Durch die an der Innenseite der Eckeangeordnete Gewindestange wurdedie plastische Eindrückung des Hol-zes in der Druckzone des Stoßesdeutlich reduziert und ein Lastpfadfür die Abtragung des Biegemomentesals Kräftepaar vorgegeben. Die ausdem benutzten Fachwerkmodell mitdem entsprechend eingesetzten Hebel-arm der Wirkungslinien der Schrau-ben und Gewindestangen (Bild 9) sichergebenden Stabkräfte stimmen mitder Zugtragfähigkeit der eingesetztenund auf Zug belasteten Schrauben gutüberein.

Bild 7. Versuchsaufbau und Schraubenkonfiguration für biegesteife EckenFig. 7. Test setting and screw configuration for rigid frame corners

Bild 5. Versagen durch Zugbruch derSchraubenFig. 5. Failure by tensile fracture ofscrews

Bild 6. Last-Verformungs-Diagramm Laschenstoß für Stabdübel- und Schraub-anschlussFig. 6. Load-displacement diagram of fish joint for steel dowel and screw connection

Schraubverbindung deutlich geringerals beim Stabdübelanschluss, was ander messbar kleineren horizontalen

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Die mit positivem Moment be-lasteten Ecke erreichte deutlich ge-ringere Belastbarkeiten als diejenigemit negativem Moment, da hier einnicht vorhergesehenes Versagen durchdie Bildung von Querzug- bzw. Schub-rissen in den Kontaktflächen auftrat(Bild 11) – trotz in Gehrungsrichtungvorgesehener Schrauben. Eine Quer-kraftübertragung in der Gehrungs-fuge durch die Dübelwirkung der Ge-windestangen trat nicht in erwarte-tem Umfang auf, so dass der über-wiegende Teil der Fugenquerkraft inder außenliegenden Druckkontakt-zone durch Reibung und die dort an-geordnete Kreuzverschraubung über-tragen und in die parallel zur Geh-rung liegenden Schrauben eingeleitetwurde.

Mit einem daraufhin entwickel-ten, abgewandelten Fachwerkmodell

Bild 8. Last-Verformungs-Diagramm biegesteife EckenFig. 8. Load-displacement diagram for corner joints

Bild 9. Fachwerkmodelle für biegesteife Ecken, links negatives Moment, rechts positives MomentFig. 9. Frame-work models for corner joints, on left negative moment, on right positive moment

Bild 10. Schraubenbruch Ecke mit negativem MomentFig. 10. Fracture of screws in corner loaded with negativemoment

Bild 11. Versagen positive Ecke durch QuerzugFig. 11. Failure of corner due to splitting forces

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(Bild 9) ließ sich die bei maximal auf-gebrachter Last aufgetretene Über-schreitung der Tragfähigkeit der Geh-rungsschrauben relativ genau rechne-risch nachvollziehen. Die Stabkräfte imFachwerk aus der Laststufe zu Beginndes Querzugversagens entsprechen un-gefähr der Bruchlast der Schrauben.Die Aussagekraft von Fachwerkmo-dellen für die Dimensionierung derverstärkenden Schrauben wird auchin diesem Fall klar bestätigt.

Die untersuchten Fügungen mitVollgewindeschrauben und Gewin-destangen weisen gegenüber den üb-lichen biegesteifen Eckverbindungen,geleimter Keilzinkenstoß und Stab-dübelkranz, deutliche konstruktiveund herstellungstechnische Vorteileauf.

Ein Vergleich der charakteristi-schen Tragfähigkeiten eines Keilzin-kenstoßes und eines Stabdübelkran-zes mit den 5 %-Quantilen der in denVersuchen ermittelten Bruchlastender untersuchten Schraubverbindun-gen ist in Tabelle 3 dargestellt. Eszeigt sich, dass die Verbindungen mitVollgewindeschrauben höhere Trag-fähigkeiten erzielen als die üblichenStandardlösungen. Besonders für ne-gatives Biegemoment ist die Bruch-last der Schraubverbindung 63 %höher als beim Keilzinkenstoß undsogar 145 % höher als beim Dübel-kranz.

4 Zusammenfassung und Schluss-folgerungen

Die Steigerung des Schubtragverhal-tens von mit Fachwerken aus Vollge-windeschrauben verstärkten Trägernist nachweisbar und bestätigt den posi-tiven Effekt von in ähnlicher Weiseeingesetzten Schrauben, wie sie beiErtüchtigungen und Sanierungen vonBrettschichtholzträgern auch schon

zur praktischen Anwendung gekom-men sind [12].

Besonders interessant ist darüberhinaus der Stabilisierungseffekt desSchraubenfachwerks auf das Holz-gefüge, der Delaminationen, die beizunehmender Belastung von Gefüge-störungen wie Ästen oder Keilzinkun-gen ausgehen, weitgehend unterbin-det und Steifigkeitsunterschiede ausgleichen Ursachen in ihrem Einflussmäßigt. Dieser Effekt zeigt sich u. a.in der geringeren Standardabweichungder ideellen Gesamtsteifigkeit von be-wehrten Trägern gegenüber der vonunbewehrten Trägern in den Versu-chen. Der innere Kräfteverlauf wirdzur Mitte des Trägers „kanalisiert“, undEinflüsse von Gefügestörungen wer-den reduziert. Die Kombination vonBrettschichtholzbalken mäßiger Qua-lität mit hochtragfähigen Zug- undDrucklamellen und einem schubver-steifenden Schraubenfachwerk könntedemzufolge eine sinnvolle konstruk-tive Nutzung sein, die dementspre-chend weiter zu verfolgen ist.

Fügungen mit Schraubenkon-figurationen, die dem Kraftfluss ent-sprechend angelegt sind, mit vor-wiegend normalkraftbeanspruchtenSchrauben, wie sie im Rahmen desForschungsprojekts an einem ein-seitig angeschlossenen, exzentrischenLaschenstoß und an biegesteifen Rah-menecken durchgeführt wurden, zei-gen mehrere positive Eigenschaften: – Sie sind z. T. deutlich höher belast-bar als vergleichbare traditionelle Ver-bindungensarten.– Sie tragen die Kräfte unter deutlichgeringeren Verformungen ab, wobeiinsbesondere auch die bleibenden Ver-formungen infolge Schlupf der Ver-bindungmittel stark reduziert werden.– Sie sind deutlich einfacher herzu-stellen mit weniger Material- und Ar-beitsaufwand.

– Sie lassen sich konstruktiv so aus-gelegen, dass durch die Anordnungder Schrauben in der Gesamtkonfigu-ration ein quasi-duktiles Tragverhal-ten der Fügung mit angekündigtemVersagen durch sichtbare Deforma-tionen induziert wird.

Beide Beispiele für Bauteilfügun-gen, der Laschenstoß und die biege-steife Ecke, unterstreichen mit ihrenim Vergleich zu bestehenden Fügungs-techniken mit Stabdübeln oder durchLeimung besseren Tragfähigkeiten dasPotential von systematisch mit Schrau-ben bewehrten Fügungen von Brett-schichtholzbauteilen. Sie stellen mitgeringfügigen Modifikationen der Ein-schraubwinkel selbst bereits anwend-bare Konstruktionen dar, auf Basisgegenwärtiger Zulassungen.

Die nicht nur im Kontext diesesForschungsvorhabens festgestelltenpositiven Eigenschaften von Vollge-windeschrauben beim Einschraubenin spitzen Winkeln (< 45°) oder sogarparallel zur Faser, zusammen mit deninnerhalb dieses Projekts untersuch-ten Möglichkeiten der Holzverbin-dungstechnik durch Bewehrung vonHolz mittels Vollgewindeschrauben,dürften ein gutes Argument sein, dasFestigkeitsverhalten von Null-Grad-Schraubenverbindungen noch einge-hender zu erforschen, als es bishergeschehen ist. Es werden sich darausinteressante Perspektiven für eine leis-tungsfähige und zeitgemäße Fügungs-technik im Holzbau ergeben.

ProjektbeteiligteABC Verbindungstechnik GmbH &Co. KGKölner Straße 71–77,D – 58256 EnnepetalDipl.-Ing. Micha Hochstrate

Lehrstuhl fürTragkonstruktionen, Fa-kultät fürArchitektur, RWTH AachenSchinkelstraße 1, 52062 AachenUniv.-Prof. Dr.-Ing. Martin TrautzDipl.-Ing. Christoph KojDipl.-Ing. Arne KünstlerDipl.-Ing. Felix WeberDr.-Ing. Hans-Willi HeydenDipl.-Ing. Jochen Dahlhausen

Ibac Institut für Bauforschung derRWTH AachenSchinkelstraße 3, 52062 AachenUniv.-Prof. Dr.-Ing. Michael RaupachDipl.-Ing. Günther RößlerDr.-Ing. Jeanette Orlowsky

Tabelle 3. Vergleich Tragfähigkeit Eckverbindungen (charakteristische Werte bzw. 5 %-Quantil)Table 3. Load bearing capacity of angle joints (characteristic values resp. 5 %-quantile)

Verbindungstyp M < 0 M > 0

Keilzinkenstoß mit ZwischenstückFk [kN] 25,59 37,8 % 5,12 8,2 %a = 22,5°

Dübelkranz 16 Stabdübel ∆ 10 mm Fk [kN] 17,02 25,2 % 17,02 27,1 %

Verbindung mit Vollgewindeschrauben q0,05 [kN] 41,67 61,6 % 19,36 30,9 %

reiner BSH-Querschnitt Fk [kN] 67,62 100,0 % 62,71 100,0 %

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Literatur

[1] Allgemeine bauaufsichtliche Zulas-sung Nr. Z-9.1-519: Spax-S Schraubenmit Vollgewinde als Holzverbindungs-mittel.

[2] Bejtka, I.: Querzug- und Querdruck-verstärkungen – Aktuelle Forschungs-ergebnisse. In: Tagungsband: Ingenieur-holzbau – Karlsruher Tage, Karlsruhe,2003.

[3] Bejtka, I.: Verstärkung von Bauteilenaus Holz mit Vollgewindeschrauben;Band 2 der Karlsruher Berichte zumIngenieurholzbau; Karlsruhe, 2005.

[4] Bejtka, I., Blaß, H. J.: Self-tappingScrews as Reinforcements in BeamSupports. In: Proceedings. CIB-W18Meeting, Florence, Italy 2006. Paper39-7-2.

[5] Blaß, H. J., Schmid, M.: Self-tappingscrews as reinforcement perpendicularto the grain in timber connections. In:RILEM Symposium: „Joints in TimberStructures“, Stuttgart 2001, pp. 163–172.

[6] Blaß, H. J., Bejtka, I.: Screws withContinuous Threads in Timber Connec-tions. In: RILEM Symposium: „Jointsin Timber Structures“, Stuttgart 2001,pp. 193–201.

[7] Blaß, H. J., Bejtka, I.: Joints with In-clined Screws. In: Proceedings. CIB-W18 Meeting, Kyoto, Japan 2002. Pa-per 35-7-4.

[8] Blaß, H. J., Bejtka, I.: Verbindungenmit geneigt angeordneten Schrauben.

In: Bauen mit Holz 105 (2003) H. 10,S. 28–36.

[9] Blaß, H. J., Bejtka, I.: Selbstboh-rende Holzschrauben und ihre Anwen-dungsmöglichkeiten. In: Holzbau Ka-lender 2004, Bruderverlag Karlsruhe(2004).

[10] Blaß, H. J., Bejtka, I.: Self-tappingscrews as reinforcements in connec-tions with dowel-type fasteners. In: Pro-ceedings. CIB-W18 Meeting, Karlsruhe,Germany 2005. Paper 38-7-4.

[11] Blaß, H. J., Bejtka, I., Uibel, T.: Trag-fähigkeit von Verbindungen mit selbst-bohrenden Schrauben mit Vollgewinde;Band 4 der Karlsruher Berichte zumIngenieurholzbau; Karlsruhe, 2006.

[12] Brüninghoff, H.: Ertüchtigung vonBS-Holz-Tragwerken. In: Taguungsband:Ingenieurholzbau – Karlsruher Tage,Karlsruhe, 2007.

[13] DIN EN 408:2004-08; Holzbau-werke – Bauholz für tragende Zweckeund Brettschichtholz – Bestimmungeiniger physikalischer und mechani-scher Eigenschaften.

[14] DIN 1052:2004-08; Entwurf, Be-rechnung und Bemessung von Holz-bauwerken – Allgemeine Bemessungs-regeln und Bemessungsregeln für denHochbau.

[15] DIN 7998:1975-02; Gewinde undSchraubenenden für Holzschrauben.

[16] Schwaner, K., Widmann, R.: Ge-witzte Holzstapelei – Holzbrücken aus

geschraubten Brettstapeln. In: Deut-sche Bauzeitung 5/98, S. 150–153.

[17] SPAX® Holzbaureport Nr. 3: Quer-druckverstärkung bei einem Binder-auflager; ABC Verbindungstechnik.

[18] SPAX® Holzbaureport Nr. 4: Aus-klinkungsverstärkung bei einem Träger-auflager; ABC Verbindungstechnik.

[19] SPAX® Holzbaureport Nr. 5: Quer-zugverstärkung mittels SPAX®-Voll-gewindeschrauben beim Anschluss vonHaupt- und Nebenträgern mit Blech-formteilen; ABC Verbindungstechnik.

[20] Trautz, M. et al.: Mit Schrauben be-wehren – Selbstbohrende Vollgewinde-schrauben als Verstärkung von Brett-schichtholzträgern und zur Ausbildungvon hochleistungsfähigen Verbindun-gen, Forschungsbericht 01/2007 desLehrstuhls für Tragkonstruktionen derRWTH Aachen; Aachen, 2007.

[21] Heller, H.: Unterspannte Holzbal-kendecke (UHB-Decke) – Ein neuarti-ges Decken-Sanierungsverfahren mitgekreuzten Vollgewindeschrauben, Bau-technik 83 (2006), H. 5, S. 333–340.

Autoren dieses Beitrages:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz, Dipl.-Ing.Christoph Koj, RWTH Aachen, Fakultät fürArchitektur, Lehrstuhl für Tragkonstruktionen,Schinkelstraße 1, 52056 [email protected]

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