mikrostrukturreaktoren für die heterogene katalyse

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Mikrostrukturreaktoren für die heterogene Katalyse Elias Klemm*, Helke Döring, Andreas Geißelmann und Steffen Schirrmeister Herrn Professor Dr.-Ing. Jens Weitkamp zum 65. Geburtstag Seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ist eine große Vielzahl heterogen kata- lysierter Reaktionen, vor allem Gasphasenreaktionen, in Labor-Mikrostrukturreaktoren durchgeführt und deren prinzipielle Eignung und Potenziale in der heterogenen Katalyse nachgewiesen worden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts steht die Übertragung der Mikro- technologie vom Labor- in den Produktionsmaßstab im Vordergrund. Diese Übersicht wid- met sich daher insbesondere den technischen Konzepten und den wirtschaftlichen Aspek- ten. Heterogen katalysierte Gasphasen- und Flüssigphasenprozesse werden dabei getrennt voneinander diskutiert. Die Präparation von Wandkatalysatoren ist in beiden Fällen eine entscheidende Schlüsseltechnologie, der ein eigener Abschnitt gewidmet wird. Abschlie- ßend erfolgt eine Bewertung des Entwicklungsstands. Schlagwörter: Heterogene Katalyse, Mikroreaktoren, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen Eingegangen: 23. März 2007; akzeptiert: 13. April 2007 1 Einleitung In der heterogenen Katalyse wurden Mikro- strukturreaktoren erstmals Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eingesetzt [1]. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts wurde dann im Labormaßstab an vielen Beispielen gezeigt, dass heterogen katalysierte Reaktio- nen – fast ausschließlich Gasphasenreaktionen – in Mikrostrukturreaktoren prinzipiell durch- geführt werden können („proof of principle“) und dass gewisse Vorteile gegenüber konven- tionellen Reaktoren zu erwarten sind. Seit Be- ginn des 21. Jahrhunderts steht nun die Über- tragung der Mikroreaktionstechnik vom Labor- in den Produktionsmaßstab im Vordergrund, d. h. es werden technisch realisierbare Kon- zepte entwickelt und Wirtschaftlichkeitsbe- trachtungen durchgeführt. In dieser Übersicht liegt der Schwerpunkt auf diesen zuletzt genannten Aspekten und nicht auf einer erschöpfenden Darstellung sämtlicher in La- bormikrostrukturreaktoren durchgeführter he- terogen katalysierter Reaktionen. Technische Mikrostrukturreaktoren sind Re- aktoren, bei denen die chemische Umsetzung in einer Vielzahl paralleler Strömungskanäle erfolgt. Mindestens eine Abmessung des Quer- schnitts der Strömungskanäle ist dabei kleiner als 1 mm, in den seltensten Fällen jedoch klei- ner als 100 lm [2]. Die geringen lateralen Abmessungen der Strömungskanäle der Mikrostrukturreaktoren erlauben unter bestimmten Voraussetzungen im Vergleich zu konventionellen Reaktoren die Intensivierung bestehender oder die Ent- wicklung gänzlich neuer Prozesse. Geht man zurück auf die verfahrenstechnischen Grund- lagen, so kann man im Wesentlichen drei Skalierungseffekte („Mikroeffekte“) identifizie- ren, die zu einer Prozessintensivierung führen können [3]: 1. In Richtung der kleinsten Abmessungen der Kanalquerschnitte kommt es zu einer Beschleunigung des Wärmetransports, die gegenüber konventionellen Reaktoren zu einer um mehrere Größenordnungen höhe- ren spezifischen Wärmeübertragerleistung führt. Stark exotherme oder endotherme chemische Umsetzungen können im Ideal- fall isotherm betrieben und im Falle stark exothermer Reaktionen Wärmeexplosionen (Durchgehen von Reaktoren) unterdrückt werden. 2. In Richtung der kleinsten Abmessungen der Kanalquerschnitte kommt es zu einer Beschleunigung des Stofftransports, die gegenüber konventionellen Reaktoren zu einer um mehrere Größenordnungen höhe- ren Mischeffizienz führt. Chemische Reak- tionen können daher im Idealfall bei voll- Die geringen lateralen Abmes- sungen der Strö- mungskanäle der Mikrostrukturreak- toren erlauben unter bestimmten Voraussetzungen im Vergleich zu konventionellen Reaktoren die Intensivierung be- stehender oder die Entwicklung gänz- lich neuer Prozesse. Mikroreaktoren 697 Chemie Ingenieur Technik 2007, 79, No. 6 © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.de DOI: 10.1002/cite.200700052

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Page 1: Mikrostrukturreaktoren für die heterogene Katalyse

Mikrostrukturreaktoren fürdie heterogene KatalyseElias Klemm*, Helke Döring, Andreas Geißelmann undSteffen Schirrmeister

Herrn Professor Dr.-Ing. Jens Weitkamp zum 65. Geburtstag

Seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ist eine große Vielzahl heterogen kata-

lysierter Reaktionen, vor allem Gasphasenreaktionen, in Labor-Mikrostrukturreaktoren

durchgeführt und deren prinzipielle Eignung und Potenziale in der heterogenen Katalyse

nachgewiesen worden. Seit Beginn dieses Jahrhunderts steht die Übertragung der Mikro-

technologie vom Labor- in den Produktionsmaßstab im Vordergrund. Diese Übersicht wid-

met sich daher insbesondere den technischen Konzepten und den wirtschaftlichen Aspek-

ten. Heterogen katalysierte Gasphasen- und Flüssigphasenprozesse werden dabei getrennt

voneinander diskutiert. Die Präparation von Wandkatalysatoren ist in beiden Fällen eine

entscheidende Schlüsseltechnologie, der ein eigener Abschnitt gewidmet wird. Abschlie-

ßend erfolgt eine Bewertung des Entwicklungsstands.

Schlagwörter: Heterogene Katalyse, Mikroreaktoren, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

Eingegangen: 23. März 2007; akzeptiert: 13. April 2007

1 Einleitung

In der heterogenen Katalyse wurden Mikro-strukturreaktoren erstmals Anfang der 90erJahre des letzten Jahrhunderts eingesetzt [1].Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts wurdedann im Labormaßstab an vielen Beispielengezeigt, dass heterogen katalysierte Reaktio-nen – fast ausschließlich Gasphasenreaktionen– in Mikrostrukturreaktoren prinzipiell durch-geführt werden können („proof of principle“)und dass gewisse Vorteile gegenüber konven-tionellen Reaktoren zu erwarten sind. Seit Be-ginn des 21. Jahrhunderts steht nun die Über-tragung der Mikroreaktionstechnik vom Labor-in den Produktionsmaßstab im Vordergrund,d. h. es werden technisch realisierbare Kon-zepte entwickelt und Wirtschaftlichkeitsbe-trachtungen durchgeführt. In dieser Übersichtliegt der Schwerpunkt auf diesen zuletztgenannten Aspekten und nicht auf einererschöpfenden Darstellung sämtlicher in La-bormikrostrukturreaktoren durchgeführter he-terogen katalysierter Reaktionen.

Technische Mikrostrukturreaktoren sind Re-aktoren, bei denen die chemische Umsetzungin einer Vielzahl paralleler Strömungskanäleerfolgt. Mindestens eine Abmessung des Quer-schnitts der Strömungskanäle ist dabei kleinerals 1 mm, in den seltensten Fällen jedoch klei-ner als 100 lm [2].

Die geringen lateralen Abmessungen derStrömungskanäle der Mikrostrukturreaktorenerlauben unter bestimmten Voraussetzungenim Vergleich zu konventionellen Reaktorendie Intensivierung bestehender oder die Ent-wicklung gänzlich neuer Prozesse. Geht manzurück auf die verfahrenstechnischen Grund-lagen, so kann man im Wesentlichen dreiSkalierungseffekte („Mikroeffekte“) identifizie-ren, die zu einer Prozessintensivierung führenkönnen [3]:1. In Richtung der kleinsten Abmessungen

der Kanalquerschnitte kommt es zu einerBeschleunigung des Wärmetransports, diegegenüber konventionellen Reaktoren zueiner um mehrere Größenordnungen höhe-ren spezifischen Wärmeübertragerleistungführt. Stark exotherme oder endothermechemische Umsetzungen können im Ideal-fall isotherm betrieben und im Falle starkexothermer Reaktionen Wärmeexplosionen(Durchgehen von Reaktoren) unterdrücktwerden.

2. In Richtung der kleinsten Abmessungender Kanalquerschnitte kommt es zu einerBeschleunigung des Stofftransports, diegegenüber konventionellen Reaktoren zueiner um mehrere Größenordnungen höhe-ren Mischeffizienz führt. Chemische Reak-tionen können daher im Idealfall bei voll-

Die geringenlateralen Abmes-sungen der Strö-mungskanäle derMikrostrukturreak-toren erlaubenunter bestimmtenVoraussetzungenim Vergleich zukonventionellenReaktoren dieIntensivierung be-stehender oder dieEntwicklung gänz-lich neuer Prozesse.

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ständiger molekularer Vermischung der Re-aktanden durchgeführt werden.

3. Durch die geringen Abmessungen der Ka-nalquerschnitte ergeben sich gegenüberkonventionellen Reaktoren um mehrereGrößenordnungen höhere spezifische Pha-sengrenzflächen. Dies gilt sowohl für diespezifische Wandoberfläche als auch für diespezifische Phasengrenzfläche zweier nichtmischbarer fluider Phasen. Kettenexplosio-nen können so unterdrückt oder Fluid/Fluid-Reaktionen beschleunigt werden.

Auch in der heterogenen Katalyse ergibt sichdas Potenzial von Mikrostrukturreaktoren ausden genannten drei Skalierungseffekten. Eshängt jedoch wesentlich davon ab, wie der fes-te Katalysator in die Mikrostruktur eingebrachtwird. Man unterscheidet dabei Mikrostruktur-reaktoren mit Wandkatalysator von Mikrofest-bettreaktoren. Im Folgenden soll die Diskus-sion auf den wesentlich häufigeren Fall desMikrostrukturreaktors mit Wandkatalysatorbeschränkt werden. Für ergänzende und wei-tergehende Darstellungen sei auf entsprechen-de Literatur verwiesen [4 – 5]

Der prinzipielle Aufbau eines Mikrostruk-turreaktors mit Wandkatalysator wird in Abb. 1gezeigt.

In der weiteren Darstellung werden hetero-gen katalysierte Gasphasen- und Flüssigpha-senreaktionen getrennt diskutiert, da sie sichhinsichtlich ihrer Anforderungen an die tech-nischen Konzepte und die Wirtschaftlichkeitstark unterscheiden. Abschließend wird aufdie Katalysatorbereitstellung eingegangen, diebei Mikrostrukturreaktoren mit Wandkatalysa-toren ein Schlüsselproblem ist.

2 Heterogen katalysierteGasphasenprozesse

In der Praxis spielen heterogen katalysierteGasphasenprozesse eine große Rolle in derRaffinerietechnik, bei der Herstellung vonGrundchemikalien, bei der stationären undmobilen Abgasnachbehandlung und bei derWasserstofferzeugung. Eine Prozessentwick-lung auf Basis von Mikrostrukturreaktoren istdabei am weitesten vorangeschritten bei derHerstellung von Grundchemikalien und beimobilen Einheiten zur Wasserstofferzeugungfür Niedertemperaturbrennstoffzellen (FuelProcessing) [6].

Von den in Abschnitt 1 genannten dreiSkalierungseffekten spielt bei den heterogenkatalysierten Gasphasenprozessen die Be-schleunigung des Wärmetransports zwischenKatalysator und Wärmeträgermedium diegrößte Rolle. Voraussetzung hierfür ist jedochdas Vorliegen sehr schneller, stark exo- oderendothermer Reaktionen wie z. B. Partialoxida-tionen oder die Dampfreformierung. DurchMikrostrukturreaktoren mit Wandkatalysato-ren können im Vergleich zu konventionellenReaktoren mit Katalysatorpellets Hot und ColdSpots bzw. im Extremfall Zünden oder Lö-schen der Reaktion vermieden bzw. minimiertund dadurch bei stark exothermen ReaktionenSelektivitätssteigerungen und bei stark endo-thermen Reaktionen Steigerungen in derRaum-Zeit-Ausbeute erzielt werden. Der Be-trieb bei höherem Temperatur- und/oder Kon-zentrationsniveau sowie der Einsatz aktivererKatalysatoren erlauben zudem weitere Steige-rungen im Umsatzgrad und in der Raum-Zeit-Ausbeute. Letzteres ermöglicht zum Teil umeine Größenordnung kompaktere Apparate [7].

2.1 Herstellung von Grundchemikalien

Grundchemikalien werden mit Anlagenkapa-zitäten von mehr als 10 000 Jahrestonnen, zu-meist sogar von mehreren 100 000 Jahreston-nen hergestellt. Bei schnellen stark exo- oderendothermen Prozessen werden überwiegendRohrbündel-, seltener Wirbelschichtreaktoreneingesetzt. Die Ökonomie solcher Prozessewird getrieben durch eine Minimierung derHerstellkosten. Mit Mikrostrukturreaktorenbieten sich zwei alternative Optimierungs-potenziale. Einerseits können über Selektivi-tätssteigerungen bei gleichem UmsatzgradEinsparungen durch den effizienteren Roh-stoffeinsatz erzielt werden. Der Anteil derRohstoff- an den Herstellkosten einer Grund-chemikalie liegt typischerweise in der Größen-ordnung von immerhin 75 %. Andererseits istAbbildung 1. Prinzipieller Aufbau eines Mikrostrukturreaktors mit Wandkatalysator.

Durch die geringenAbmessungen derKanalquerschnitteergeben sich gegen-über konventionel-len Reaktoren ummehrere Größenord-nungen höherespezifische Phasen-grenzflächen.

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auch über Umsatzgradsteigerungen bei glei-cher Selektivität durch Reduzierung der mit-unter immensen Rohstoff-Rückführungs-ströme eine signifikante Senkung derHerstellkosten zu erreichen. Um diese wirt-schaftlichen Potenziale gegenüber dem Rohr-bündelreaktor ausschöpfen zu können, ist eszunächst einmal ausreichend, wenn die Inves-titionskosten für die neue Reaktortechnologienicht höher sind als diejenigen für die alte.

Aus Gründen der Akzeptanz sollte der Mik-rostrukturreaktor zudem nicht größer als einkonventioneller Rohrbündelreaktor sein. Umdiese beiden Forderungen zu beurteilen, sinddie folgenden beiden Apparatekennzahlen hilf-reich:� der auf das Apparatevolumen bezogene Vo-

lumenanteil des Katalysators VKat/VR fürden Vergleich der Apparategröße;

� die Masse des im Apparat pro m3 Katalysatorverbauten Stahls mStahl/VKat für den Ver-gleich der Reaktorkosten.Das Design des Mikrostrukturreaktors muss

also so erfolgen, dass VKat/VR möglichst großund mStahl/VKat möglichst klein ist. Diese For-derungen führen zu einer Minimierung derDimensionen b, d und e und zu einer Maxi-mierung der Dimensionen a und c (s. Prin-zipskizze in Abb. 1). Die Maximierung der Di-mension a bei gleichzeitiger Minimierung derDimension b bedeutet, dass die Kanäle eineschlitzförmige Geometrie annehmen und dassnur noch eine Dimension, nämlich die Di-mension b, unterhalb 1 mm liegt. Die be-schriebenen Skalierungseffekte können so mitminimalem Fertigungsaufwand erzeugt wer-den. Diese Überlegungen führten letztendlichzum Design des im Rahmen des BMBF-Pro-jektes DEMiS® entwickelten Mikrostrukturre-aktors [8, 9]. An dieser Stelle soll die Diskussi-on der Optimierung der Dimensionen a bis enicht weiter fortgeführt werden, sondern fol-gende realistische Annahme für diese Dimen-sionen getroffen werden: a = 30 mm, b =0,5 mm, d = 3 mm, e = 8 mm (50 % Wärme-trägerkanal). Somit ergeben sich für die beidenobengenannten Apparatekennzahlen die inTab. 1 eingetragenen Werte für Mikrostruktur-reaktor und Rohrbündelreaktor.

Aus Tab. 1 wird ersichtlich, dass Katalysator-schichten von mindestens 300 lm Dicke (dif-fusionslimitierter Vollkontakt oder Schalen-katalysator im Festbett) bis hin zu 1 mm (nichtdiffusionslimitierter Vollkontakt im Festbett)notwendig sind, damit die Volumenanteile desKatalysators und damit unter Annahme glei-cher intrinsischer Katalysatoraktivitäten undgleicher Reaktionsbedingungen die Apparate-volumina von Mikrostrukturreaktor und Rohr-bündelreaktor vergleichbar sind. Noch kriti-

scher ist die hohe verbaute Stahlmasse beimMikrostrukturreaktor, die bei gleichen intrin-sischen Katalysatoraktivitäten und gleichenReaktionsbedingungen erst bei einer 1 mmdicken Katalysatorschicht im Bereich der vonRohrbündelreaktoren liegt.

Eine weitere Steigerungen der Größe VKat/VR und eine weitere Erniedrigung der GrößemStahl/VKat des Mikrostrukturreaktors gegen-über dem Rohrbündelreaktor kann man durchfolgende Maßnahmen erzielen:� Aktivitätssteigerungen des Katalysators,� Erhöhung der Schichtdicke,� Erhöhung des mittleren Temperatur- und

Konzentrationsniveaus im Reaktor,� weitere Designoptimierung.

Bei den ersten drei Maßnahmen ergebensich Grenzen durch einsetzende Wärme- undStofftransportlimitierung in der Katalysator-schicht, die durch das auf ebene Schichtenadaptierte Anderson- und Weisz-Prater-Kriteri-um abgeschätzt werden können [3]. DieseGrenzen müssen für das jeweilige Reaktions-system ausgelotet werden.

Welchen Einfluss die Isothermie des Wand-katalysators auf die Selektivität bei gleichemUmsatzgrad oder den Umsatzgrad bei gleicherSelektivität hat, hängt vom jeweiligen Reakti-onssystem und seiner Temperatursensitivtätab. Bei der Produktion von Grundchemikalienkönnen dabei Selektivitätssteigerungen vonwenigen Prozent Einsparungen an Rohstoffenin der Größenordnung von mehreren Mio.Euro pro Jahr bedeuten. Selektivitätssteigerun-gen von wenigen Prozent zuverlässig zu mes-sen, d. h. nahezu 100 % bilanzierbare, sehrgenaue Messungen durchzuführen, ist im La-borbereich wegen der geringen Durchsätze

Reaktortyp VKat/VR

[%]mStahl/VKat

[t Stahl/m3 Kat.]

Rohrbündelreaktor(Vollkatalysator mit g = 1)

12 – 15 10

Rohrbündelreaktor(Vollkontakt mit g = 0,3 oder Schalenkontakt)

4 – 5 30

Mikrostrukturreaktor(c = 10 lm)

0,2 2200

Mikrostrukturreaktor(c = 100 lm)

1,7 220

Mikrostrukturreaktor(c = 300 lm)

4,9 74

Mikrostrukturreaktor(c = 500 lm)

7,8 45

Mikrostrukturreaktor(c = 1000 lm)

14,1 23

Tabelle 1. Vergleich zwischen Rohrbündelreaktor und Mikrostrukturreaktor mitWandkatalysator für eine variable Schichtdicke c (VKat ist hier die tatsächlich diffusivzugängliche katalytisch aktive Phase).

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sehr schwierig. Erst der Langzeitbetrieb einerPilotanlage kann letztendlich zeigen, wie hochdie Selektivitäts- bzw. Umsatzgradsteigerungist und ob sie über einen ausreichenden Be-triebszeitraum aufrechterhalten werden kann.

Für die jeweiligen Reaktionssysteme istweiterhin zu prüfen, inwieweit neben der Iso-thermie auch eine eventuell engere Verweil-zeitverteilung oder eventuell geringere Stoff-transportwiderstände im Mikrostrukturreaktorzusätzliche Beiträge zur Selektivitäts- oderUmsatzgradsteigerung liefern können.

In einigen Anwendungen werden die Ent-wicklungen jedoch nicht oder nicht aus-schließlich durch Umsatzgrad- oder Selektivi-tätsverbesserungen getrieben, sondern durchAnforderungen an eine erhöhte Kompaktheit.Dies gilt für jüngst attraktiv gewordene GTL-Prozesse auf Ölplattformen [10], das Debot-tlenecking oder das Booster-Konzept [11].

Nicht zu unterschätzende technische undökonomische Probleme können entstehen,wenn der Katalysator zu stark irreversibel des-aktiviert ist und ausgetauscht werden muss.Hierzu muss der Apparat geöffnet und derWandkatalysator mechanisch entfernt werden.Häufig besitzen solche Reaktoren zudem stoff-schlüssige, z. B. gelötete oder geschweißteDichtungen, da lösbare Dichtungssysteme beiden meisten Anwendungen mit Temperaturenüber 200 °C nicht mehr zuverlässig einsetzbarsind. Die vollständige Abtrennung des Kataly-sators und eine erneute Einbringung beivollem Funktionserhalt von Reaktor und Kata-lysator stellen somit eine erhebliche techni-sche und wirtschaftliche Herausforderung dar.Zwar sind durch die sehr gute Temperaturkon-trolle im mikrostrukturierten Reaktor längereKatalysatorstandzeiten zu erhoffen, doch wer-

den diese wohl immer noch im Bereich vonnur einigen Jahren liegen, zumal durch dieProduktivitätssteigerungen, die die Mikroreak-tionstechnik mit sich bringt, die Katalysatorbe-lastung deutlich zunehmen kann.

Technische Lösungen des geschilderten Prob-lems wären dann beispielsweise abtrennbareKatalysatorfolien [12], Mikrofestbettreaktorenoder gar Einwegreaktoren. Abtrennbare Kataly-satorfolien haben das Problem des Form- undKraftschlusses sowie der lösbaren Dichtungs-systeme. Bei Mikrofestbettreaktoren ist zu er-warten, dass die hohen Druckverluste die Her-stellkosten zu sehr belasten. Bei Einwegreak-toren scheint die Wirtschaftlichkeit nicht gege-ben zu sein, was nachfolgend zumindest alsgrundsätzliche Aussage widerlegt werden soll.

Der Einwegreaktor zeichnet sich dadurchaus, dass nach Desaktivierung des Katalysatorsdas System bestehend aus Reaktor und Wand-katalysator durch ein neues ersetzt werdenmuss. Wenn es gelingt, dass der Mikrostruk-turreaktor hinsichtlich seiner Investitionskos-ten merklich günstiger ist als ein Rohrbündel-reaktor, so ist bei reiner Betrachtung derReaktorkosten – wobei ja für eine Gesamtbe-wertung an anderer Stelle realisierte Vorteileder Technologie mit einzubeziehen sind – einEinwegreaktorsystem sogar wirtschaftlich kon-kurrenzfähig. Zwar fällt ein kontinuierlicherInvestitionsbedarf für Ersatzreaktoren an, dieAnfangsinvestition ist jedoch geringer. Beieiner typischen Nettobarwertbetrachtung wer-den über Berücksichtung der Kapitalverzin-sung zukünftige Investitionen nun geringerbewertet als gegenwärtige.

Abb. 2 zeigt das Resultat einer modellhaftenBerechnung des relativen Nettobarwerts derzeitlich verteilten Investition in Einwegreakto-ren im Verhältnis zur einmaligen Investitionin einen konventionellen Reaktor in Abhängig-keit von Katalysatorstandzeit und Reaktor-kosten. Es zeigt sich, dass aus Perspektive desNettobarwerts Einwegreaktor und konventio-neller Reaktor kostenäquivalent sind, beispiels-weise bei einem Investitionskostenverhältnisvon Einweg- zu konventionellem Reaktor von50 % und einer Katalysatorstandzeit von vierJahren (s. Abb. 2). Damit wird deutlich, dass imFalle eines Einwegreaktors und nicht allzu lan-gen Katalysatorstandzeiten die Kosten und da-mit auch die oben angeführten Parameter zurKompaktheit des mikrostrukturierten Reaktorsdann doch eine hohe Bedeutung erlangen.

2.2 Fuel Processing

Methanol, Methan, Ethan oder Propan sindgeeignete chemische Wasserstoffspeicher für

Abbildung 2. Relativer Nettobarwert der zeitlich verteilten Investition in sechsEinwegreaktoren im Verhältnis zur Investition in einen konventionellen Reaktor;Diskontierungssatz 16 %.

Erst der Langzeit-betrieb einer Pilot-anlage kann letzt-endlich zeigen,wie hoch die Selek-tivitäts- bzw. Um-satzgradsteigerungist und ob sie übereinen ausreichen-den Betriebszeit-raum aufrechterhal-ten werden kann.

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Brennstoffzellensysteme, aus denen man Was-serstoff mit der notwendigen Reinheit durchheterogen katalysierte Reformierung und an-schließende heterogen katalysierte Aufberei-tungsschritte wie Wassergas-Shiftreaktion, se-lektive Methanisierung oder präferenzielleOxidation erzeugen kann [6]. Der Abgasstromdes Anodenraums kann zur Kühlung bei derSelektivoxidation und nach katalytischer Ver-brennung z. B. zur Heizung für die Dampf-reformierung herangezogen werden. DiesesGesamtverfahren wird auch als „Fuel Proces-sing“ und das System als „Fuel Processor“ be-zeichnet. Beim mobilen Fuel Processor („on-board-Wasserstofferzeugung“) steht die Ent-wicklung möglichst kompakter und leichterSysteme im Vordergrund.

Die allotherme Dampfreformierung – dane-ben existieren die Alternativen der thermo-neutralen autothermen Reformierung (ATR)und der exothermen partiellen Oxidation(POX) – ist ein stark endothermer Prozess, sodass selbst in Festbettreaktoren mit nur 1 mmDurchmesser „Cold Spots“ mit Temperaturer-niedrigungen von 20 K auftreten [13]. DieseCold Spots sollten im Vergleich zu Mikrostruk-turreaktoren mit Wandkatalysatoren zu Leis-tungsverlusten des Reformers führen. Für einBrennstoffzellensystem mit 100 We und 5 kWe

wurde gezeigt, dass der Fuel-Processor aufBasis von Mikrostrukturreaktoren im Ver-gleich zu Festbettreaktoren zu kleineren undleichteren Systemen führt [14].

3 Heterogen katalysierte Flüssig-phasenprozesse

Flüssigphasenprozesse spielen in der Feinche-mie und der Wirkstoffproduktion eine sehrgroße Rolle, wobei die Produktionshöhen beiFeinchemikalien z. T. weit unter 10 000 Jahres-tonnen, bei Wirkstoffproduktionen sogar nurim Kilogramm oder Tonnenbereich liegen.Flüssigphasenprozesse werden überwiegendim Batch- bzw. Semibatch-Betrieb in Rührkes-selreaktoren durchgeführt. Grundsätzlich sollnachfolgend zwischen heterogen katalysiertenFlüssig- und Gas/Flüssig-Reaktionen unter-schieden werden.

3.1 Heterogen katalysierte Flüssig-phasenreaktionen

Ein großes Potenzial der Prozessintensivie-rung besteht bei stark exothermen Flüssig-phasenreaktionen, bei denen zwei Reaktions-partner beteiligt sind. Üblicherweise werdensolche Reaktionen in Rührkesselreaktoren do-

sierkontrolliert betrieben, d. h. ein Reaktions-partner wird so langsam zudosiert, dass trotzlimitierter Wärmeabfuhrleistung nahezu Iso-thermie erreicht werden kann. Die Prozesszeitist dann nicht mehr von der Kinetik, sondernnur noch von der Zeitkonstante der Wärme-abfuhr abhängig [15].

Beim Rührkesselreaktor nimmt die Zeit-konstante proportional zum Durchmesser zuund beim Mikrostrukturreaktor quadratischmit dem Durchmesser ab. Dies führt dazu,dass sich in industriellen Rührkesseln miteinem Inventar von mehreren 1000 LiternProzesszeiten von mehreren Stunden ergeben,wohingegen in einem Mikrostrukturreaktor in-nerhalb weniger Sekunden dieselben oder so-gar höhere Ausbeuten erzielt werden können[15]. Hinzu kommt, dass die Gefahr von Hava-riesituationen (Durchgehen) im Mikrostruk-turreaktor wegen des geringeren Inventarsund der höheren Wärmeabfuhrleistung deut-lich geringer ist. Diese betriebsrelevante Situa-tion liegt sehr häufig bei nicht oder homogenkatalysierten Reaktionen vor. Für heterogen ka-talysierte Flüssigphasenprozesse sind den Au-toren keine diesbezüglichen Arbeiten bekannt.Ohnehin existieren nur sehr wenige Arbeitenauf dem Gebiet heterogen katalysierter Flüs-sigphasenreaktionen [4, 5], aus denen sich bis-her noch kein überzeugender Vorteil für tech-nische Produktionsprozesse ableiten lässt.

3.2 Heterogen katalysierte Gas/Flüssig-Reaktionen

Bei heterogen katalysierten Gas/Flüssig-Reak-tionen kommt neben der Beschleunigung desWärmetransports als zusätzlich relevanter Ska-lierungseffekt die Erhöhung der auf das Flüs-sigkeitsvolumen bezogenen Gas/Flüssig-Pha-sengrenzfläche aV hinzu. Voraussetzunghierbei ist, dass eine sehr schnell ablaufendeheterogen katalysierte Gas/Flüssig-Reaktionvorliegt, die durch den Gas/Flüssig-Stoffüber-gang stark limitiert ist. Entsprechend dem inAbb. 3 dargestellten Konzentrationsverlaufergibt sich dann die effektive, auf das Flüssig-keitsvolumen bezogene Reaktionsgeschwin-digkeit wie folgt:

reff,V = kL aV LA pA (1)

In diesem Fall ist die effektive, auf dasFlüssigkeitsvolumen bezogene Reaktionsge-schwindigkeit reff,V proportional zu aV. AufGrund der in Mikrostrukturen im Vergleichzum begasten Rührkesselreaktor um bis zuzwei Größenordnungen höheren Gas/Flüssig-Phasengrenzflächen aV sollte mit Mikrostruk-

In industriellenRührkesseln miteinem Inventarvon mehreren1000 Litern ergebensich Prozesszeitenvon mehreren Stun-den, wohingegen ineinem Mikrostruk-turreaktor innerhalbweniger Sekundendieselben oder so-gar höhere Ausbeu-ten erzielt werdenkönnen.

Bei heterogenkatalysierten Gas/Flüssig-Reaktionenkommt neben derBeschleunigung desWärmetransportsals zusätzlich rele-vanter Skalierungs-effekt die Erhöhungder auf das Flüssig-keitsvolumen bezo-genen Gas/Flüssig-PhasengrenzflächeaV hinzu.

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turreaktoren eine erhebliche Prozessintensivie-rung möglich sein. So lässt sich in begastenRührkesseln nur eine Gas/Flüssig-Phasen-grenzflächen von einigen 100 m2/m3 realisie-ren, wohingegen in MikrostrukturreaktorenWerte von einigen 1000 m2/m3 [16] bis zu eini-gen 10 000 m2/m3 [17, 18] ermittelt wurden.

Ähnliches gilt auch, wenn man den häufigverwendeten, auf das Flüssigkeitsvolumen be-zogenen Stoffübergangskoeffizienten kLaV dis-kutiert. In begasten Rührkesselreaktoren be-sitzt dieser einen Wert von 0,1 s–1 für einenspezifischen Energieeintrag von 3 kW/m3 [19],wohingegen er in Mikrostrukturreaktorentypischerweise Werte zwischen 1 bis 10 s–1 an-nimmt [16, 18]. Prinzipiell können dreiDesigns für Gas/Flüssig-Kontaktoren mitWandkatalysator unterschieden werden, diehier nur im Grundaufbau beschrieben undüber die entsprechenden Literaturstellen imDetail nachvollzogen werden können:� Mikroblasensäule:

Hier wird in geschlossenen flüssigkeits-durchströmten Mikrokanälen das Gas dis-pergiert, wobei sich je nach Gas- undFlüssigkeitsleerrohrgeschwindigkeit unter-schiedliche Strömungsbilder einstellen [17,20].

� Mikrofallfilm:Die Flüssigkeit strömt in offenen Mikro-kanälen schwerkraftgetrieben von oben nachunten, wobei das Gas im Gleich- oder Ge-genstrom geführt werden kann [21].

� Mikrosiebkontaktor:Hier strömen beide Phasen übereinandergeschichtet in einem geschlossenen Kanal,wobei die Phasengrenzfläche durch ein Mik-rosieb stabilisiert wird [22].In den letzten Jahren sind alle drei Gas/

Flüssig-Kontaktoren auch für heterogen kataly-sierte Gas/Flüssig-Reaktionen eingesetzt wor-

den [18, 23 –26]. Einen guten Überblick gibthier [27].

Im Sinne der Ausrichtung dieses Übersicht-beitrags sei darauf hingewiesen, dass dieseArbeiten im Wesentlichen die Machbarkeitdieser Reaktionen in Mikrostrukturen imLabor nachweisen, jedoch Überlegungen zurWirtschaftlichkeit und Maßstabsübertragungnoch nicht oder kaum erfolgt sind.

4 Präparation von Wand-katalysatoren

Ein erfolgreicher Einsatz von Mikrostrukturre-aktoren in heterogen katalysierten Prozessenstellt hohe Anforderungen an den Wandkataly-sator:� Ausreichende mechanische Stabilität

Adhäsion zwischen Wandkatalysator undReaktorwand sowie Kohäsion innerhalb desWandkatalysators müssen ausreichend hochsein, damit es nicht zum Abplatzen desWandkatalysators kommt. Typische Belas-tungszustände beim Fügeprozess und imBetrieb der technischen Mikrostrukturreak-toren sind Scher-, Biege-, Stoß- und Schwin-gungsbelastungen.

� Geringe Schichtdickentoleranzen und zumTeil hohe SchichtdickenHohe Anforderungen an die Schichtdicken-toleranzen ergeben sich bei technischenMehrkanalsystemen aus der Gleichvertei-lung der Strömung auf die Kanäle. HoheSchichtdicken von mehreren 100 lm bis inden Millimeterbereich sind vor allem beiReaktoren zur Herstellung von Grundche-mikalien erforderlich (s. Abschnitt 2.1).

� Optimale PorositätZu hohe Werte bedeuten eine zu starkeReduktion an Katalysatormasse pro Flächen-einheit, zu niedrige Werte führen zu Rissbil-dung und Diffusionslimitierungen.

� Hohe Aktivität und SelektivitätUm das Potenzial der Mikrostrukturreakto-ren voll ausschöpfen zu können, sind zumTeil Entwicklungen von neuen Katalysatorenerforderlich.Die Präparationsmethoden für Wandkataly-

satoren können in zwei Klassen eingeteilt wer-den. Solche, die abhängig von bestimmten Re-aktorwerkstoffen, und solche, die unabhängigvon den Reaktorwerkstoffen sind [2].

4.1 Werkstoffabhängige Präparations-methoden

Die wichtigsten werkstoffabhängigen Präpara-tionsmethoden sind:

Abbildung 3. Konzentrationsverlauf bei heterogen katalysierten Gas/Flüssigreaktionen für den Fall einer starken Limitierung durch den Gas/Flüssig-Stoffübergang.

Um das Potenzialder Mikrostruktur-reaktoren voll aus-schöpfen zu kön-nen, sind zum TeilEntwicklungen vonneuen Katalysato-ren erforderlich.

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� Anodische Oxidation von Aluminium bzw.AluminiumlegierungenIm Faraday-Bereich liefert die anodischeOxidation von Aluminium und Aluminium-basislegierungen eine poröse Aluminium-oxidschicht mit einem unidirektionalen, ein-dimensionalen Porensystem. DiePorendurchmesser liegen im Bereich 10 bis200 nm, die spezifischen Oberflächen betra-gen einige 10 m2/g, und es können Schicht-dicken von einigen 100 lm erhalten werden[28]. Durch eine einstündige hydrothermaleBehandlung in siedendem Wasser kann dieOberfläche um den Faktor 10 weiter erhöhtwerden, eine längere Behandlung führtdann zu der erwarteten Abnahme der Ober-fläche („Sealing“) [29]. Die poröse Alumini-umoxidschicht kann abschließend mit Edel-metallen imprägniert und Metall-Träger-Katalysatoren können hergestellt werden[28]. Die anodische Oxidation ist ein serien-taugliches Verfahren, das auch für größereBauteile eingesetzt werden kann. Einen sehrguten Überblick über dieses Verfahren lie-fert [28].

� FeCrAl-LegierungFeCrAl-Legierungen gehören zu den soge-nannten Heizleiterlegierungen, die als Fo-lien oder Drähte erhältlich sind. Durch Glü-hen bei etwa 1000 °C entsteht eine ca. 2 lmdicke a-Aluminiumoxid-Schicht, die wiede-rum als Adhäsionsschicht für eine weitereBeschichtung (s. Abschnitt 4.2) dienen kann[30]. Heizleiterlegierungen sind für den Re-aktorbau nicht geeignet, wohingegen Ein-sätze auf Basis entsprechender, mit Katalysa-tor beschichteter Folien möglich sind [12].

� Trägergestützte KristallisationBei der trägergestützten Kristallisation dientder Träger (hier der Reaktorwerkstoff) selbstals Netzwerkbildner für die Kristallisation[31]. Das Verfahren befindet sich momentanin der Entwicklung.

4.2 Werkstoffunabhängige Präpara-tionsmethoden

Die werkstoffunabhängigen Präparationsme-thoden werden gemeinhin als Beschichtungs-verfahren bezeichnet. Eine Systematisierungkann beispielsweise über den Aggregatszu-stand des Katalysator-Precursors erfolgen (s.Abb. 4).

PVD-Verfahren liefern Schichtdicken unter1 lm, CVD- und Sol-Gel-Verfahren Schicht-dicken von bis zu 10 lm und Suspensions-verfahren Schichtdicken von bis zu einigen100 lm [32]. Nachfolgend sollen die in Abb. 4aufgelisteten Beschichtungsmethoden nicht

im Detail beschrieben werden, weil dies denRahmen des vorliegenden Übersichtsabeitragssprengen würde. Eine hervorragende und um-fassende Übersicht zur Präparation von Wand-katalysatoren liefert hier [32].

5 Schlussfolgerungen

Heterogen katalysierte Gasphasenprozessesind im Gegensatz zu den heterogen kataly-sierten Flüssigphasenprozessen in der Ent-wicklung technischer Konzepte unter Berück-sichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunktedeutlich weiter vorangeschritten. Am Beispielder Fuel-Prozessoren wird deutlich, dass beikleineren Kapazitäten und hohen Anforderun-gen an die Systemintegration Mikrostrukturre-aktoren gegenüber Festbettreaktoren kompak-tere Systeme liefern [14].

Bei der Produktion von Grundchemikalienund den entsprechend höheren Anlagenkapa-zitäten ist das Ziel, ähnlich große oder kleinereApparate im Vergleich zum Festbettreaktor(Rohrbündelreaktor) zu entwickeln, schwererzu erreichen. So sind Schichtdicken von eini-gen 100 lm, aktivere Katalysatoren (bei glei-cher Selektivität), neue Reaktionsregime und/oder weiter optimierte Reaktordesigns notwen-dig.

Bei den heterogen katalysierten Flüssigpha-senprozessen befinden sich die Arbeiten erstim Anfangsstadium, und eine Beurteilungtechnischer Konzepte und wirtschaflicherAspekte ist hier noch kaum möglich.

Die Verfahren zur Präparation von Wandka-talysatoren sind sehr weit vorangeschritten.Große Erfolge sind bei den heterogen kataly-sierten Gasphasenprozessen zu verzeichnen.Hier werden häufig lange Standzeiten (einige100 h bis 1000 h) ohne Abplatzen der Katalysa-

Abbildung 4. Systematisierung der Beschichtungsmethoden nach dem Aggregat-zustand des Katalysator-Precursors unmittelbar oberhalb der Beschichtungszone.

Die Verfahren zurPräparation vonWandkatalysatorensind sehr weit vor-angeschritten.Große Erfolge sindbei den heterogenkatalysierten Gas-phasenprozessenzu verzeichnen.

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toren beobachtet [33, 34]. Vor allem die Sus-pensions- und Sol-Gel-Verfahren sind vielfachin einem Stadium, das eine automatisierbareund reproduzierbare Massenfertigung zulässt.Beispiele sind die Spritztechnologie [35] unddas Washcoaten von mikrostrukturierten Fo-lien [36] (s. Abb. 5).

Bei den heterogen katalysierten Flüssig-phasenprozessen erscheint die anodischeOxidation von Aluminium mit anschließenderImprägnierung ein vielversprechendes mas-sentaugliches Verfahren zu sein. Der Lea-ching-Problematik während des Reaktorbe-triebs muss dabei besonderes Augenmerkgeschenkt werden.

Formelzeichen

aV [m2/m3] spezifische, auf dasFlüssigkeitsvolumenbezogene Phasengrenz-fläche Gas/Flüssig

cA [mol/m3] Konzentration derSpezies A

cA* [mol/m3] Gleichgewichtskonzen-tration der Absorptionc�A � LA � pA)

kL [m/s] Stoffdurchgangskoeffi-zient bezogen auf dieFlüssigphase

LA [mol/bar m3] Löslichkeit der Spezies AmStahl [t] StahlmassepA [bar] Partialdruck der Spezies

Areff,V [mol/m3 s] effektive, auf das Flüssig-

keitsvolumen bezogeneReaktionsgeschwindig-keit

VKat [m3] Volumen der diffusivzugänglichen Kataysator-phase

VR [m3] Reaktorvolumenx [m] Ortskoordinate

Dipl.-Chem. Helke Döring,Prof. Dr.-Ing. Elias Klemm([email protected])Lehrstuhl Technische Chemie,Technische Universität Chemnitz,Straße der Nationen 62, D-09111 Chemnitz,Germany;Dr. Andreas Geißelmann,Creavis Technologies & Innovation,Projekthaus Prozessintensivierung,Degussa GmbH, Rodenbacher Chaussee 4,D-63457 Hanau-Wolfgang, Germany;Dr.-Ing. Steffen Schirrmeister,Research & Development Division, Uhde GmbH,Friedrich Uhde Straße 15, D-44141 Dortmund,Germany.

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Abbildung 5. Links: Spritz-automat (Foto: TU Chemnitz);rechts: automatischeWashcoat-Beschichtung(Foto: IMM Mainz).

Elias Klemm, Jahrgang 1965, studierte Che-mieingenieurwesen an der Universität Er-langen-Nürnberg, wo er 1995 bei Prof. Emigauf dem Gebiet der Technischen Chemiepromovierte. 2001 erfolgte die Habilitationebenfalls auf dem Gebiet der TechnischenChemie. Von 2001 bis 2003 war er bei Prof.Plöcker im Servicebereich Verfahrenstech-nik und Engineering der Degussa AG alsVerfahrensingenieur auf dem Gebiet derMikroverfahrenstechnik tätig. 2003 erfolgtedie Berufung zum C4-Professor für Techni-

sche Chemie an der TU Chemnitz. Sein Arbeitsgebiet ist die Reaktions-technik mit den Schwerpunkten Mikroreaktionstechnik und technischeKatalyse.

704 Chemie Ingenieur Technik 2007, 79, No. 6Übersichtsbeiträge

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Andreas Geißelmann, Jahrgang 1970, stu-dierte Chemie an den Universitäten Dort-mund und Karlsruhe. Nach der Promotionüber Komplexe von Übergangsmetallen mitZuckerderivaten (bei Prof. Klüfers in Karls-ruhe) trat er 1999 in die Degussa in dasGeschäftsgebiet Chemiekatalysatoren ein,wo er mit der Entwicklung von Polymerisa-tions- und Festbettkatalysatoren betraut war.Seit Anfang 2005 leitet er im ProjekthausProcess Intensification ein Projekt zur kom-merziellen Umsetzung von Mikroreaktions-technik in Gasphasenanwendungen, das gemeinsam mit der UhdeGmbH durchgeführt wird.

Helke Döring, Jahrgang 1980, studierte Che-mie an der Technischen Universität Chem-nitz. Ihre Diplomarbeit schloss sie 2004 ander Professur Technische Chemie ab. SeitJuli 2004 ist sie dort als wissenschaftlicheMitarbeiterin beschäftigt und arbeitet an ih-rer Promotion zum Thema „Mikrostruktur-reaktoren für heterogen katalysierte Gaspha-senprozesse“.

Steffen Schirrmeister, Jahrgang 1962,studierte chemische Verfahrenstechnik amMoskauer Mendelejev-Institut, wo er 1991bei Prof. Dorokhov auf dem Gebiet der tech-nischen Kybernetik promovierte. Von 1991bis 1996 war er bei der Krupp KoppersGmbH, Essen, Abteilung technische Grund-lagen, als Verfahrensingenieur auf denGebieten der Prozesssimulation und-(Online-)Optimierung und der Entwicklungeines Expertensystems zur Prozessführungin der Kokereitechnik tätig. Seit 1997 ist er Mitarbeiter der Uhde GmbHim Bereich Forschung und Entwicklung. Hier sind seine Arbeitsschwer-punkte Prozesssimulation und -optimierung, Membrantechnik, Mikro-verfahrens- und Mikroreaktionstechnik. Seit Anfang 2005 leitet er dasProjekt zur kommerziellen Umsetzung von Mikroreaktionstechnik inGasphasenanwendungen, das gemeinsam mit der Degussa GmbHdurchgeführt wird.

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