mikroalgen aus der wüste

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TREFFPUNKT FORSCHUNG | Mikroalgen wachsen auch bei Temperaturen unter dem Gefrier- punkt oder oberhalb von 60°C, in konzentrierten Salzlösungen oder selbst in verdünnter Schwefel- säure. Mikroalgen im Meer tragen zum Großteil der jährlichen Bio- masseproduktion bei [2]. Diese Organismen werden da- her schon seit mehreren Jahrzehn- ten als industrielle Quelle für die Gewinnung von Biomasse unter- sucht. So haben sich in den ver- gangenen Jahren alle großen Öl- produzenten, eine Reihe von Che- mieunternehmen und sogar große Fluggesellschaften an entsprechen- den Forschungs- und Entwick- lungsprojekten beteiligt. Beson- ders in den USA, aber auch in Europa wurden viele Dutzend neue Unternehmen gegründet, um entsprechende Technologien zu entwickeln und zu vermarkten. Die Jahresproduktion von Mikroalgen betrug im Jahr 2007 etwa 5000–10.000 Tonnen. Damit wurde ein Umsatz von rund 1,25 Milliarden US-Dollar erzielt. Zum Vergleich: Die Jahresproduk- tion von Palmöl betrug im glei- chen Zeitraum 40.000.000 Ton- nen, zu einem Preis von etwa 50 Cent pro kg. Wenn man Europa vollständig mit Biodiesel aus Algen versorgen möchte, be- nötigt man 400 Millionen Kubik- meter Kraftstoff pro Jahr, im güns- tigsten Fall ergäbe sich daraus eine Produktionsfläche von min- destens 9,25 Millionen Hektar, also etwa die Hälfte der Fläche der Bundesländer Hessen oder Rheinland-Pfalz. Als „Nebenpro- dukt“ würde man dabei 300 Mil- lionen Tonnen Protein erhalten, das 40fache der jährlichen Fleischimporte nach Europa. Für die Algenproduktion werden auch Düngemittel benötigt. Im geschil- derten Beispiel wären dies allein 4 Millionen Tonnen Phosphor, was der doppelten Menge der aktuellen Düngemittelproduktion in Europa entspricht [3]. Kritische Faktoren auf dem Weg zu einer industriellen Mikroal- genbiotechnologie sind somit der Flächenverbrauch sowie der Be- darf an ausreichend Sonnenlicht, Wasser und Nährstoffen. Bei einer genaueren Betrachtung des Poten- zials von Mikroalgen als Rohstoff für die Herstellung von Biomasse ergeben sich also eine Reihe von Problemen, die es zu lösen gilt, ehe eine Algenbiotechnologie die Grundlage für eine großtechnische Gewinnung von Biotreibstoffen sein könnte. Allerdings ist es schon heute lohnenswert, über industrielle Al- genkulturen nachzudenken, wenn benötigte Flächen, Wasser und Düngemittel kostengünstig verfüg- bar sind. So konnten wir im vergange- nen Jahr zeigen, dass Massenkultu- ren von Mikroalgen in der Nähe ei- nes Ölfeldes in der Südarabischen Wüste betrieben werden können. Dort stehen die Ressourcen Land, Licht und auch Wasser reichlich und kostengünstig zur Verfügung. Das benötigte Wasser stammt aus dem Abwasser der Erdölproduk- tion, das weder für die Landwirt- schaft noch als Trinkwasser nutz- bar ist. Voraussetzung für die Al- genkultur in der Wüste war es, dass wir spezielle Algen identifi- ziert hatten, die mit dem extremen Klima (über 50°C Lufttemperatur) gut zurecht kamen. Die Tests wurden im Frühsom- mer und Herbst 2010 in Nimr im Sultanat Oman durchgeführt. Der Oman findet sich an der Südost- spitze der arabischen Halbinsel zwischen 17–20°Nord und 52– 60°Ost. Die Landschaft besteht im Inland überwiegend aus Stein- und Sandwüsten, die Temperaturen können im Sommer regelmäßig 50°C übersteigen. Die Ölproduk- tion ist die Haupteinnahmequelle des Sultanats. Zusammen mit je- dem Liter Öl werden dabei je nach Brunnen zwischen 5 und 20 Liter Abwasser an die Oberfläche geför- dert. Das Wasser enthält noch Koh- lenwasserstoffspuren und trägt je nach Herkunftsgebiet wechselnde Schwermetalllasten. Auch der Salz- gehalt variiert geografisch und liegt typischerweise zwischen 2 und 5%, kann aber auch bis zu 20% erreichen. Dieses Wasser wurde früher einfach in den Wüs- ten verdampft. Heute wird es meist sehr kostenaufwändig in tiefe, ansonsten unbrauchbare Wasseradern rückinjiziert. Allein im Ölfeld in der Gegend um Nimr müssen rund 200.000 m 3 Produkti- onswasser am Tag auf diese Weise 88 | Biol. Unserer Zeit | 2/2011 (41) www.biuz.de © 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim NACHWACHSENDE ROHSTOFFE Mikroalgen aus der Wüste Die absehbare Erschöpfung der fossilen Brennstoffe hat zu einer Reihe von industriellen Entwicklungen zur Gewinnung erneuerbarer Kraft- stoffe geführt. Bioethanol aus Mais oder Biodiesel aus Palmöl werden heute kritisch betrachtet, da die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. Mikroalgen lassen sich dagegen im Prinzip auch dort kultivieren, wo Kulturpflanzen nicht gedeihen können. ABB. 1 Ölkontaminierte Probennahmestelle im Oman. Bild: Gerd Klöck.

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Page 1: Mikroalgen aus der Wüste

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Mikroalgen wachsen auch beiTemperaturen unter dem Gefrier-punkt oder oberhalb von 60°C, inkonzentrierten Salzlösungen oderselbst in verdünnter Schwefel-säure. Mikroalgen im Meer tragenzum Großteil der jährlichen Bio-masseproduktion bei [2].

Diese Organismen werden da-her schon seit mehreren Jahrzehn-ten als industrielle Quelle für dieGewinnung von Biomasse unter-sucht. So haben sich in den ver-gangenen Jahren alle großen Öl-produzenten, eine Reihe von Che-mieunternehmen und sogar großeFluggesellschaften an entsprechen-den Forschungs- und Entwick-lungsprojekten beteiligt. Beson-ders in den USA, aber auch inEuropa wurden viele Dutzendneue Unternehmen gegründet, umentsprechende Technologien zuentwickeln und zu vermarkten.

Die Jahresproduktion vonMikroalgen betrug im Jahr 2007

etwa 5000–10.000 Tonnen. Damitwurde ein Umsatz von rund1,25 Milliarden US-Dollar erzielt.Zum Vergleich: Die Jahresproduk-tion von Palmöl betrug im glei-chen Zeitraum 40.000.000 Ton-nen, zu einem Preis von etwa50 Cent pro kg. Wenn manEuropa vollständig mit Biodieselaus Algen versorgen möchte, be-nötigt man 400 Millionen Kubik-meter Kraftstoff pro Jahr, im güns-tigsten Fall ergäbe sich darauseine Produktionsfläche von min-destens 9,25 Millionen Hektar,also etwa die Hälfte der Flächeder Bundesländer Hessen oderRheinland-Pfalz. Als „Nebenpro-dukt“ würde man dabei 300 Mil-lionen Tonnen Protein erhalten,das 40fache der jährlichenFleischimporte nach Europa. Fürdie Algenproduktion werden auchDüngemittel benötigt. Im geschil-derten Beispiel wären dies allein4 Millionen Tonnen Phosphor,was der doppelten Menge deraktuellen Düngemittelproduktionin Europa entspricht [3].

Kritische Faktoren auf demWeg zu einer industriellen Mikroal-genbiotechnologie sind somit derFlächenverbrauch sowie der Be-darf an ausreichend Sonnenlicht,Wasser und Nährstoffen. Bei einergenaueren Betrachtung des Poten-zials von Mikroalgen als Rohstofffür die Herstellung von Biomasseergeben sich also eine Reihe vonProblemen, die es zu lösen gilt,ehe eine Algenbiotechnologie dieGrundlage für eine großtechnischeGewinnung von Biotreibstoffensein könnte.

Allerdings ist es schon heutelohnenswert, über industrielle Al-genkulturen nachzudenken, wennbenötigte Flächen, Wasser undDüngemittel kostengünstig verfüg-bar sind.

So konnten wir im vergange-nen Jahr zeigen, dass Massenkultu-ren von Mikroalgen in der Nähe ei-nes Ölfeldes in der SüdarabischenWüste betrieben werden können.Dort stehen die Ressourcen Land,Licht und auch Wasser reichlichund kostengünstig zur Verfügung.Das benötigte Wasser stammt ausdem Abwasser der Erdölproduk-tion, das weder für die Landwirt-schaft noch als Trinkwasser nutz-bar ist. Voraussetzung für die Al-genkultur in der Wüste war es,dass wir spezielle Algen identifi-ziert hatten, die mit dem extremenKlima (über 50°C Lufttemperatur)gut zurecht kamen.

Die Tests wurden im Frühsom-mer und Herbst 2010 in Nimr imSultanat Oman durchgeführt. DerOman findet sich an der Südost-spitze der arabischen Halbinselzwischen 17–20°Nord und 52–60°Ost. Die Landschaft besteht imInland überwiegend aus Stein- undSandwüsten, die Temperaturenkönnen im Sommer regelmäßig50°C übersteigen. Die Ölproduk-tion ist die Haupteinnahmequelledes Sultanats. Zusammen mit je-dem Liter Öl werden dabei je nachBrunnen zwischen 5 und 20 LiterAbwasser an die Oberfläche geför-dert. Das Wasser enthält noch Koh-lenwasserstoffspuren und trägt jenach Herkunftsgebiet wechselndeSchwermetalllasten. Auch der Salz-gehalt variiert geografisch undliegt typischerweise zwischen 2und 5%, kann aber auch bis zu20% erreichen. Dieses Wasserwurde früher einfach in den Wüs-ten verdampft. Heute wird esmeist sehr kostenaufwändig intiefe, ansonsten unbrauchbareWasseradern rückinjiziert. Alleinim Ölfeld in der Gegend um Nimrmüssen rund 200.000 m3 Produkti-onswasser am Tag auf diese Weise

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Mikroalgen aus der Wüste Die absehbare Erschöpfung der fossilen Brennstoffe hat zu einer Reihevon industriellen Entwicklungen zur Gewinnung erneuerbarer Kraft-stoffe geführt. Bioethanol aus Mais oder Biodiesel aus Palmöl werdenheute kritisch betrachtet, da die landwirtschaftliche Produktion vonEnergiepflanzen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht.Mikroalgen lassen sich dagegen im Prinzip auch dort kultivieren, woKulturpflanzen nicht gedeihen können.

A B B . 1 Ölkontaminierte Probennahmestelle im Oman.Bild: Gerd Klöck.

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behandelt werden. Die örtlichenProduktionsfirmen suchen dahernach umweltfreundlichen Alterna-tiven zur energieaufwändigenRückinjektion.

Ziel unserer Machbarkeitsstu-die an diesem Standort war es he-rauszufinden, ob eine Mikroalgen-kultivierung in lokal erhältlichemWasser und unter den extremen lo-kalen klimatischen Bedingungenmöglich ist. Hierzu wurden in ei-nem ersten Schritt Wasser- undBiomasseproben von der mitRohöl kontaminierten Probenah-mestelle (Abbildung 1) in unseremLabor in Bremen analysiert. Ausdiesen Proben wurden verschiede-nen Mikroalgen und Cyanobakte-rien isoliert, in Reinkulturen über-führt und phylogenetisch einge-ordnet. Biomasse vielversprechen-der, d. h. besonders schnellwüch-siger und temperaturtoleranter Iso-late wurden zurück nach Nimr ge-bracht. Dort wurden über mehrereMonate Wachstumsversuche ineinfachen Photobioreaktoren undin so genannten Open Pondsdurchgeführt.

Unser Standort in der Wüstebei Nimr war ein Container-Campvon deutschen und indischen Con-tractors der dortigen Ölprodukti-onsfirma. Eine Laborinfrastrukturwar nicht vorhanden. Leben undArbeiten fanden im Wesentlichenin sehr einfachen Wohncontainernstatt. Das lokale Klima war nichtnur für die Mikroalgen ein Heraus-forderung. Die Tagesstemperatu-ren betrugen regelmäßig um 50°Cund erreichten direkt über der Erd-oberfläche bis 65°C. Die Lichtin-tensität betrug in der Mittagssonneüber 230.000 Lux.

Trotz der schwierigen Rahmen-bedingungen erwies sich dieMachbarkeitsstudie letztendlich alserfolgreich. Zunächst wurden ineinfachen Photobioreaktoren ausTrinkwasserbehältern von geeigne-ten Algen größere Mengen an Bio-masse gewonnen, die dann als Ino-kulum für größere Kulturen inOpen Ponds (Volumen von etwa

200 l bis 1000 l) dienten (Abbil-dung 2). Das Isolat Oman I er-reichte in Photobioreaktoren unterVerwendung des Produktionswas-sers, das mit einem Düngemittel(0,05% WuxalTM) angereichertworden war, Zelldichten von über40.000.000 Zellen pro Milliliter.Die Verdopplungszeiten betrugendabei teilweise weniger als 16Stunden. Erwähnt werden soll,dass noch keine Optimierung inBezug auf die Medienzusammen-setzung oder eine zusätzliche CO2-Zuführung vorgenommenwurde. Es ging uns in diesen Expe-rimenten allein um den Nachweisder Möglichkeit, unter solchenklimatischen Bedingungen stabileKulturen zu etablieren.

Auch unter widrigen Bedingun-gen war die Algenzucht in Nimrmit hinreichenden Produktivitätenmöglich. Eine wesentliche Voraus-setzung dafür war aber, dass wirindigene Algenstämme verwendenkonnten, da selbst ansonsten ex-trem robuste Laborstämme (bei-spielsweise Chlorella sorokiniana)unter den Bedingungen vor Ort inNimr sehr schnell abstarben. Alswesentlicher Vorteil für die Her-stellung von Mikroalgenbiomassein der Wüste erwies sich die Mög-lichkeit, die aus dem Kulturme-

dium abgetrennten Algen einfachin kurzer Zeit an der Sonne zu tro-ckenen. Damit kann ein ansonstensehr energieaufwändiger Schritt inder Biomasseproduktion sehrpreiswert durchgeführt werden,was die Energie- und Kostenbilanzdes Prozesses positiv beeinflusst[1].

[1] G. Klöck, Microalgae Biodiesel is not sus-tainable (yet), Invited opinion paper, Che-mistry & Industry 2010, 4, 27.

[2] J. Seckbach (Hrsg.), Algae and Cyano-bacteria in Extreme Environments, Series:Cellular Origin, Life in Extreme Habitatsand Astrobiology, Vol. 11, Springer, Ams-terdam, 2007.

[3] R. H. Wijffels, M. J. Barbosa, An Outlookon Microalgal Biofuels, Science 2010, 329,796–799.

Peter Bergmann*, Nils Rutschke*,Heiko Patzelt**, Gerd Klöck*,

** Mazoon Environmental andTechnological Services LLC

(METS), Muscat, Oman.* Hochschule Bremen,

[email protected]

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Weitere Informationen auch unter http://www.renewableenergyworld.com/rea/blog/post/2010/08/a-microalgae-industry-internet-directory

I N T E R N E T

A B B . 2 Einfa-cher Open Pondmit Mikroalgenin Produktions-wasser der Ölför-derung, Volumenetwa 1000 Liter.Bild: Nils Rutschke.