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MM22, 26.5.2015 | www.migrosmagazin.ch
Nachbarn
Eine Sonderausgabe
ber die Menschen in unserer Nhe
BitteWohnungswechsel der Postmelden oder dem regionalenMitgliederdienst: Tel. 058 575 55 44,[email protected]
AusgabeBasel,AZA4002Basel.PsdgDPAGEnt.bez.A44631
Illustration:Badoux
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WEditorial
Hallo,
Nachbar!
Weshalb ist das so?Weshalb ist das Stich-
wort Nachbar heutemit derart vielen nega
tivenAssoziationen behaftet?Wieso lese ich,
wenn ich zumThema Nachbarschaft recher
chiere, erst einmal ber Lrmbeschwerden,
Kinderterror, Grenzstreitigkeiten? Ist es
in Zeiten vonDichtestress, Reihenhuschen
und individueller Lebensweise nichtmehr
mglich, einfach guteNachbarn zu sein?
Meine Frau und ich haben vor zwei Jahren
den Versuch gewagt und ganz spontan einige
nhere undweitere Nachbarn an unserer
Quartierstrasse zu einemFest eingeladen. Das
Wetter liess uns etwas im Stich, aber die Stim
mungwar aufgerumt. Alle haben sich gefreut,
man hat geplaudert, getratscht, Neuigkeiten
ausgetauscht. Nachbarschaft gepflegt halt.
Dieses Jahr werdenwir diesen Event
wiederholen.Mit nochmehr Gsten aus dem
Quartier, denenwir zu selten begegnen.
Menschen, fr die wir in derHetze des Alltags
zuwenig Zeit haben. Bethli, die nichtmehr so
gut zu Fuss ist, aber uns auf der Strasse immer
anstrahlt. Die Kinder aus der Nummer 10, bei
denen uns Annika auf demGartentor stehend,
erwartet. Oder der Architekt aus der Nummer
8, der die halbe Stadt kennt. Und alle freuen
sich darauf. Jeder bringt etwasmit. Einen
Insalatamista, eine Quarkcreme oder einen
Kuchen. Vielleicht auch eine Flasche aus dem
Keller. Nachbarschaft halt.
Ich kann nur empfehlen:Versuchen Sie es
wieder einmal! Das Leben besteht nicht
nur aus SocialMediaBeziehungen,
aus Best Friends Forever auf
Handydistanz. Nein, ganz in der
Nhe gibt esMenschenmit
spannendenGeschichten, die
wir selten erfahren, News aus
demDorf oder der Stadt, die an
uns vorbergehen.
Den Tag der Nachbarn am
29.Mai habenwir zumAnlass
genommen, einMal Nach
barschaft in all ihren Facetten
zu zeigen. Nicht nur die
Nachbarn jenseits des
Gartenzauns, sondern noch
viele Nachbarschaftsformen
mehr. ber die Landesgrenze,
ber die Sprachgrenze, ja sogar
Nachbarschaft ber den Tod hinaus.
Hans Schneeberger, Chefredaktor
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86
4 | MM22, 26.5.2015
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13
38
Nachbarn
8Mitbewohnerinnen
Wand anWandmit
der Schlummermutter.
10 Schulfreunde
Pult an Pultmit demGschpnli.
13 Bauernkinder
Hof anHof imNapfgebiet.
18Bnz Friedli
20Wchnerinnen
Bett an Bett im Spital.
22Grenzgnger
Steg an Steg amRhein.
25 Schicksal
Tr an Trmit einer Toten.
28Parlamentarier
Bank an Bank imBundeshaus.
30Wasserratten
Tuch an Tuch in der Badi.
33Kantonsgrenzler
Steuerfuss an Steuerfuss in der
Innerschweiz.
36Promi
Zaun an Zaunmit Superstar
LucaHnni.
38 Strflinge
Zelle an Zelle hinterGittern.
43Fussballfans
Schulter an Schulter imStadion.
82Auswanderer
Balkon anBalkon inHongkong.
85Supermarktkollegen
Artikel umArtikel an der Kasse.
86Generationen
Haus anHausmit dem
Ersatzgrosi.
88GrneDaumen
BeetanBeet imSchrebergarten.
91 Streithhne
Rasen anRasenmit demFeind.
94Scientologen
Flyer an Flyermit der Sekte.
97Tierfreundinnen
Ei umEi imHhnerstall.
98Sprachgrenzler
Dorf anVillage imSeeland.
110Wohngemeinschaft
Zahnbrste anZahnbrste inder
Gross-WG.
Migros-Welt
51 Saisonkche
BeereumBeere imRezept.
63Knusprige Snacks
64Sommerideen
69Sommerwettbewerb
70Cumulus digital einlsen
73DieBouillon-Revolution
77Neues aus IhrerRegion
Aktionen, Reportagen
und interessanteNews aus den
Genossenschaften.
101Glcksgriff
103Rtsel/Impressum
108Cumulus
M-Infoline: Tel. 0848 840848* oder Fax 0041 44 277 20 09
(Ausland). www.migros.ch/kundendienst; www.migros.ch
Cumulus:Tel. 0848 85 0848* oder +41 44 444 88 44 (Ausland).
[email protected]; www.migros.ch/cumulus
RedaktionMigros-Magazin: Limmatstrasse 152,
Postfach 1766, 8031 Zrich, Tel. 058 577 12 12, Fax 058 577 12 08.
[email protected]; www.migrosmagazin.ch
*Normaltarif
Sonderheft
Nachbarn
Geschichten ber
die Menschen
in unserer
Nhe.
Der Schweizer Comic-
zeichnerBadoux (51)hat
sich fr diese Ausgabe des
Migros-Magazinsmchtig
ins Zeug gelegt. Heraus-
gekommen sind 20Comics,
die fast einwenig an die
legendre Zeichentrickfigur
La Linea erinnern.
MM22, 26.5.2015 | 5
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Nachbarn
MM22
Darauf freuenwir uns
Europischer TagderNach
barschaft:Auch in der Schweiz
finden amFreitag, 29. Mai,
in vielenQuartieren Feste statt.
Hofgesang:DerHofgesangs
verein singt bis Ende Juni in
diversen Zrcher Innenhfen,
umdieNachbarschaft zu
beleben.www.hofgesang.ch
UnntzesWissen
Nachbarn
und Nach
barschaft
Amkommenden
Sonntagabend
wird aufARDdie
1532. Folge der
Sendung Die
Lindenstrasse
ausgestrahlt.
Der VereinNeu
start Schweiz
setzt sich unter
demMotto
Gemeinsamge
niessen statt ein
samverzichten
frkologie und
aktiv gelebte
Nachbarschaft ein.
Im Telefonbuch
gibt es einen
offiziellen An
schluss unter dem
StichwortNach
bar: Es handelt
sich dabei um
DirkNachbar aus
Lausanne.
Mein Bild derWoche Das Treppenhaus ist ein spezieller Ort. Es gehrt allen und
niemandem. Es ist nur eine Verbindung vom Hauseingang zu denWohn
und Brorumen und fr niemanden ein Ziel. Hier bleibt man nicht, hier geht
man bloss durch. Begegnungen mit den Nachbarn sind immer zufllig,
oder sie fhlen sich zumindest so an, auch wenn einer dem Zufall ein bisschen
nachhilft, weil die Frau so schn oder der Mann so interessant ist. Gut mglich,
dass es auch in dem hier abgebildeten grossen Treppenhaus solch inszenierte
Zuflle gibt: Es gehrt zum Europischen Parlament in Brssel.
Leseprobe
Entschuldigung, was lesen Sie gerade?
Joana Schpfer (25), Studentin aus Zrich
a) Fragen an das Leben vonRolf Dobelli
b) Inferno vonDanBrown
c) Macht undGesellschaftsstruktur von JamesColeman
Auflsung:c)WeilichindiesemFachmeinemndliche
Abschlussprfunghabe.
Bernard Beni
Thurnheer (65)
ist der bekann
teste Schweizer
Sportreporter und
hat alsModerator
von Benissimo
und TellStar
TVGeschichte
geschrieben.
Bilder:Keystone/APPhoto/YvesLogghe,iStockphoto,UeliChristoffel
-
Die Teilzeittchter
mit ihren Ersatz
eltern (von links):
TatjanaHug
undSteffiScheuber
im 1.Stock, Susi
undMartinWalther
imParterre.
8 | MM22, 26.5.2015 | NACHBARN
-
Unsere Nachbarinnen die Studentinnen
M
artin (75) und SusiWalther (71)
haben drei Kinder, sechs Enkel und
vier Teilzeittchter. So zumindest
knnteman die Studentinnen
nennen, die in ihremHaus in Olten SO in der
oberstenWohnung leben. Denn dieWalthers
pflegen einen sehr familirenKontakt zu ihren
jungenNachbarinnen. Meine Kinder sagen
mir immerwieder: Bemuttere sie nicht so ,
sagt SusiWalther. Doch sie kann nicht anders:
ZuWeihnachten schenkt sie ihnen eine Klei
nigkeit, an Ostern bastelt sie ihnen einNest,
zumGeburtstag bckt sie ihnen einenKuchen.
Als ihr Sohnmit seiner Freundin aus der
Wohnung auszog, wies ein Bekannter sie auf
dieWohnungsnot der Oltner Studierenden
hin.Fortan boten sie die vier Zimmer Studen
tinnen und Studenten der Fachhochschule
Nordwestschweiz an. Insgesamt 80 junge
Menschen haben in den vergangenen zwlf
Jahren unter ihremDach gewohnt. Anfangs
waren es vor allemAustauschstudenten, die
vierMonate blieben.
Da habenwir einiges erlebt, sagtMartin
Walther und erzhlt vomBrasilianer, dermor
gens um 1Uhr auf demBalkonGitarre spielte
und stndig eine andere Freundinmit nach
Hause brachte. Und von der Schwedin, die
pltzlich sehr hohes Fieber hatte und die er
notfallmssig ins Spital fuhr. Und von der
sterreicherin, die er zu einemVorstellungs
gesprch inWdenswil ZH begleitete, weil sie so
nervs war. Postkarten aus der ganzenWelt
zeugen von den vielen schnen Begegnungen.
Sie halten uns jung, sagen dieWalthers.
ber die Jahre haben sie auch gelernt, sich
etwas abzugrenzen. So sind Gste derMieter bis
22Uhrwillkommen. Bleiben sie ber Nacht,
mssen sie 25Franken zahlen. Seit einigen
Jahren haben dieWalthers nur noch Studen
tinnen inUntermiete, diemehrere Semester bei
ihnenwohnen bleiben.Wie TatjanaHug (23)
und Steffi Scheuber (25).
TatjanaHug stammt aus einem kleinenDorf
nahe demdeutschen Jestetten, wo jeder jeden
kennt. Sie schtzt dieWrme derWalthers. Ich
weiss, ich bin hier nie allein, und das gibtmir
ein gutes Gefhl. Erlischt die Glhbirne oder
funktioniert der Fernseher nicht, istMartin
Walther stets zur Stelle. Sind die dreiWG
Mitbewohnerinnen der jungen Frau alle unter
wegs und siemchte trotzdem etwas plaudern,
freut sich SusiWalther auf einen Schwatz.
Tatjana studiert im 4.Semester Optometrie in
Olten. Sobald wiemglichmchte siemit den
Walthers einen Augentestmachen als kleines
Dankeschn fr ihre Gastfreundschaft.
Steffi Scheuber ausWisen SO studiert in
Basel Fachfrau Radiologie undmacht immer
wieder Praktika in Aarau. Da liegt Olten ideal.
Undmit denWalthers habe sie einenGlcks
treffer gelandet: Sie tauscht sich gernmit ihnen
bei einer Tasse Tee aus, borgt Eier undMilch
oder lsst sich bei kniffligerWsche beraten.
DieWalthers sindmehr als Nachbarn, sagt
sie. Sie sind fast Teil meiner Familie. MM
Ichweiss, ich bin hier nicht
allein, und das gibt
mir ein gutes Gefhl Tatjana Hug
Martin und Susi Walther beherbergen seit zwlf Jahren Studierende in ihrem Haus.
Sie pflegen ein familires Verhltnis zu den jungen Leuten,
fr die sie auch ein bisschen Ersatzeltern sind.
Text:Monica Mller Bild: Salvatore Vinci
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 9
-
Mein Nachbar der Schulfreund
Jetzt sind
wir Freunde Cdric
Laurin und Cdric besuchen die 4.Klasse
im aargauischen Oberrohrdorf.
Seit rund drei Monaten sind sie Pultnachbarn
und seit Kurzem auch Freunde.
Text: Andrea Freiermuth Bild: Salvatore Vinci
10 | MM22, 26.5.2015 | NACHBARN
-
Cdric (10, links) und
Laurin (10) sind immer
fr einen Schabernack
zu haben. Seit sie
Pultnachbarn sind,
gehen sie noch lieber
in denUnterricht.
Laurin: Bis vor Kurzem
hatte ich einen anderen
Pultnachbarn. Der Junge,
der nebenan sass, hatmich
aber genervt, weil er immer
so unruhig war. Darum
habe ich Frau Spierenburg
gefragt, ob ich wechseln
knne und dann einfach
gewartet, bis es so weit war.
Cdric:Wirwechseln die
Sitzordnung hufig. Dieses
Mal durftenwir whlen,
nebenwemwir sitzen
mchten.
Laurin: Ich sitze viel
lieber neben einem ruhigen
Mitschler. So kann
ichmich nmlich besser
auf denUnterricht
konzentrieren.
Cdric: Flieger werfen
odermit Gummibndeln
rumspickenwrdenwir
whrend der Schulstunde
nie. Es gibt einige Schler,
die Radiergummis zer
stckeln und dann die
Mdchenmit diesen Blleli
bespicken. Aber ichmach
da nichtmit.
Laurin:Manchmal droht
Frau Spierenburgmit Ver
setzen. Aber bishermusste
deswegen niemand seinen
Platz wechseln.
Cdric: Einmalmusste
ein Schler fr etwa fnf
Minuten vor die Tre.
Aber sonst ist eigentlich
noch nie etwas Schlimmes
passiert.
Laurin: Streiche spiele ich
lieber in der Freizeit. Die
ist schliesslich da, um sich
auszutoben.
Cdric: Alsomanchmal
passieren schonDumm
heiten, die so nicht geplant
sind. Krzlich hattenwir
beimTggelen keinen Ball
und habenmit einem
Znnisckli gespielt das
ist dabei kaputtgegangen.
Laurin:Dannmusstenwir
den Tggelikasten putzen.
Cdric: Aber das war wh
rend der Pause.
Laurin:Wennwir amPult
sitzen, passieren solche
Dinge nicht. Aber es
ist nicht so, dass wir immer
still sitzenmssen.
Manchmalmachenwir
auch Gruppenarbeiten
oder helfen uns gegen
seitig. Ich habe Cdric zum
Beispiel beim schriftlichen
Dividieren untersttzt.
Cdric: Ich bin dafr in
Geschichte besser.Momen
tan nehmenwir gerade das
Mittelalter durch, bald
habenwir eine Prfung zu
den Burgen. Da fragenwir
uns dann gegenseitig ab.
Laurin:Das Gute am
Platzwechseln ist auch,
dassman so die anderen
Mitschler besser kennen
lernt. Seit Cdric und ich
nebeneinandersitzen,ma
chenwir auch in der Frei
zeit mehrmiteinander ab.
Cdric: In den Ferienwa
renwir zusammen brteln.
Laurin:Und ich habemal
bei Cdric bernachtet.
Cdric: Jetzt sindwir beide
Freunde. MM
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 11
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Sortiment der Migros-Filialen.
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Meine weit entfernten Nachbarn
Ich schtze vor allem die Ruhe hier
oben. Hier spre ich die Natur
noch ganz nah Pia Vogel
Vier Kilometer Luftlinie trennen die beiden Familien Roos und Vogel im Napfgebiet.
Eine Seilbahn, eine Kinderfreundschaft und eine Ziege verbinden sie.
Text:Monica Mller Bilder: Salvatore Vinci
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 13
-
BER 4 MILLIONEN EINKUFE BEWEISEN,
DASS DIE MIGROS GNSTIGER IST ALS COOP.
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BER 4 MILLIONEN EINKUFE BEWEISEN,
DASS DIE MIGROS GNSTIGER IST ALS COOP.
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Vom 5. bis 11. Mai 2015 haben wir zusammen mit dem unabhngigen
Institut LP Marktforschung den grssten Preisvergleich im Schweizer Detailhandel
mit ber 5000 Artikeln wiederholt: Dabei wurden ber 4 Millionen effektiv
gettigte Einkufe mit Coop verglichen. Das Ergebnis: In der Migros kauft
man 10,7% gnstiger ein. Somit ist belegt, was unsere Kunden schon
immer wussten: IN DER MIGROS GIBTS IMMER MEHR FRS GELD.
-
1 Lea Roos und Linus
Vogel sitzen nur selten
gemeinsam in der
blauenGondel, welche
dieHfe ihrer Familien
verbindet.
2 SiebenMinuten
dauert die
1270-Meter-Fahrt im
Seilbhnli vom
Schwndi nach
Ober Lnggrat LU.
3 Lea und Linus fhren
die Ziegen auf dem
Breitbnet spazieren.
1
3
2
L
ea Roos (9) und Linus
Vogel (9) trennt eine
Seilbahn. Oder eher ein
Seilbhnli. Vier Perso-
nen haben Platz in der blauen
Gondel, die vom Schwndi nach
Ober Lnggrat LU fhrt.Mor-
gens um 7.20Uhr fhrt Linus
mit demVelo vomHof seiner
Familie auf demBreitbnet zur
Bergstation und lsst sich die
1270Meter zur Talstation hin-
unterseilen. SiebenMinuten
spter trifft er auf Lea.Meistens
bleibt noch kurz Zeit zum
Fangis spielen, bis siemit dem
Schulbus nach Romoos LU in
die Primarschule fahren. In der
Freizeit treffen sie sich kaum,
dafr ist die Distanz zwischen
denHfenmit vier Kilometern
Luftlinie schlicht zu gross.
ber die Kinder haben sich
auch die Familien nher
kennengelernt. Pia und Stefan
Vogel (beide 46) betreiben auf
demBreitbnet einen Biohof
mit 24Khen, 8 Geissen,
12Hasen, 5Hhnern und 3Kat-
zen. Sie leben vomFleisch- und
Holzverkauf, Stefan Vogel ist
zudemPrsident der Strassen-
genossenschaft Kleiner Susten.
Ihre Tchter Carolin (14) und
Julia (12) besuchen die
Kantonsschule inWillisau LU,
Linus die Primarschule. Alle
packen zuHausemit an.
Die vierKinder helfenmelken
David (34) undMartina (35)
Roos haben ihre Khe im
Schwesterboden vor zwei Jah-
renwegen des tiefenMilch-
preises verkauft. Seither setzen
sie auf Schafsmilch in Bioquali-
tt, 75Tiere haben sie aktuell.
David Roos arbeitet auch
auswrts, imTiefbaugeschft
seines Vaters, oder ermontiert
Solarzellen auf Dchern. Gehts
los zum Ml, kommen die
vier Kinder Lea (9), Sara (7),
David (5) undMarco (2)mit in
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den Stall und helfen der
Kleinstemit derHeugabel.
Die Gemeinde Romoos ist
mit 37Quadratkilometern
Flche etwa gleich gross wie der
Kanton Basel-Stadt. Bloss hat
Romoos etwa 700Einwohner,
in Basel-Stadt sind es rund
190000. Das Napfgebiet ist zer-
klftet, die Hfe sind abgelegen.
So gefllts den Familien Roos
und Vogel. Wir kennen es
nicht anders, sagt David Roos
beim gemeinsamenKafimit
Marmorkuchen und Schoggi-
crme bei denNachbarn.
Seine Frau erzhlt, dass sie
einmal kurz imGemeindehaus
des Nachbardorfs Dopple-
schwand gewohnt habe. Sehr
ungewohnt, sagt sie. Dieses
Gefhl, dass jeder sieht, was
manmacht, habe ihr nicht be-
hagt. Pia Vogel pflichtet ihr bei:
Ich schtze vor allem die Ruhe
hier oben. Hier spre ich die
Natur noch ganz nah. Zur Vor-
stellung, in der Stadt zuwohnen,
sagen alle nur Jesses nei!.
Wiegehts ZiegeKlri?
Oft sehen sich die beidenFamili-
en bloss aus der Ferne.Dann
winken sie sichmit derHeu-
gabel zu. Treffen sie sich in der
Schule oderKirche, tauschen sie
sich auch berKlri, die Ziege,
welche dieVogels der Familie
Roos abgekauft haben, aus. Eben
hat sie zwei Bckli bekommen,
das gibt Trockenfleisch und
Wrste imHerbst. ImAlltag
helfen sich die Vogels und
Roos vor allembeimTrans-
port derKinder. Mal bringen
wir eins hoch,mal bringen sie
eins runter, sagtMartinaRoos.
Auchwenn sie alle die Abge-
schiedenheit schtzen sie sind
froh, dass es da jemanden gibt,
den sie anrufen knnten, soll-
ten sie Hilfe brauchen. Das
gibt uns ein gutes Gefhl, sagt
Pia Vogel. MM
1Von links: David,
Sara, Julia, Lea und
Linus tollenmit Klri
und ihren zwei Bckli
sowieweiteren Ziegen
ber dieWiese beim
Hof der Familie Vogel.
2Ein seltenes Treffen
fast aller Familien
mitglieder auf dem
Breitbnet: David und
Martina Roos (hinten
rechts)mitMarco,
Sara, Lea undDavid.
Stefan und Pia Vogel
(hintenMitte)mit Julia
und Linus.Martin
(59, ganz links) wohnt
auch bei ihnen.
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Es klingelt, undweil es bei uns zwei unter-
schiedlicheKlingeltne gibt, je nachdem,
ob jemand drunten vor der verschlossenen
Haustr oder bereits vor unsererWohnung
wartet, weiss ich: Das ist einNachbars-, kein
Fremdklingeln. Also kein Paketpstler, kein
Monteur, keine Zeugen Jehovas; ich kann die
Tr ffnen, wie ich grad bin, zerzaust, im
Unterleibchen, wie auch immer. Denn vor der
Tr steht ahnte ichs doch! ein kleiner
krauser Blondschopf, der Finn vomunteren
Stock: Ob er zwei Zitronen haben drfe, sie
wrden drumZitronenguetsli backen. Er und
sein Vater haben fter solch spontane Ideen,
mal fehlt dann halt ein Ei,malMilch,mal But-
ter. Kein Problem, umgekehrt hole auch ich
bei ihnen jeweils Reis, Zwiebeln oderwas ich
sonst einzukaufen versumt habe. Finn bittet
also um zwei Zitronen, und ich bin selber baff,
dasswir noch zwei Stck vorrtig haben.
Nachbarschaft ist etwasWunderbares.Man
hat sie sich ja nicht ausgesucht. Dennoch hel-
fenwir uns, wo es geht, giessen Pflanzen, orga-
nisierenMittagstische, leihen einander das
Leiterwgeli aus, um etwas in die Sperrgutab-
fuhr zu transportieren, und gebenKinderklei-
derweiter. Vielleicht habenwir Glck, aber:
UnsereNachbarschaft ist eine arschlochfreie
Zone. In vollen zehn Jahren gab es bei uns nie
Streit umdieWaschkche. Nie! Und das bei
zweiMaschinen auf neunParteien. ImGegen-
teil:Man springt ein, hilft sich aus, hngt auch
mal jemandemdieWsche auf, wenn er sie in
der Trommel vergessen hat, und legt Getrock-
netes zusammen. GuteNachbarschaft ist
unspektakulr wie allesWichtige imLeben.
Wundern Sie sich deshalb nicht, dass ich
vorigen Sonntag, statt das Fussballspiel
Basel -YB schauen zu gehen, ein ungezwun-
genesGrillfestmit denNachbarinnen und
Nachbarn veranstaltete. Zuerst bemaltenwir
mit denKindern unsereGartenkisten, diewir
auf einemVorplatz aufgestellt haben, dann
sassenwir gemtlich im Schatten zusammen.
Nachbarn sind beste Freunde, zu denenman
nicht Freunde sagenmuss. Doch sie sind,
was Freunde sein sollten: Sie sind einfach da.
Als ichUlrike vomunteren Stock unlngst im
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diesemFall sagen, lachte sie. Und ich glaube,
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Die ersten Tage nach der
Geburt haben Karen Ballmer
und Barbara Wehrli
gemeinsam im Spitalzimmer
verbracht. Heute sind die
ehemaligen Bettnachbarinnen
enge Freundinnen.
Text:Monica Mller Bild:Mirko Ries
Meine Nachbarin dieWchnerin
Durch die spezielle Situation,
in der wir uns kennenlernten,
fhlten wir uns
einander gleich nahe Karen Ballmer
K
arenBallmer (heute 41) lag
mit ihrer zwei Tage alten
Tochter Lisa im Spitalbett,
da kamBarbaraWehrli
(heute 40)mit ihrem zehn Stunden
alten Sohn Jonathan zu ihr ins
Zimmer. Erst war der frischgebacke
nenMutter elend zumute, denn sie
vertrug die Schmerzmittel schlecht.
KarenBallmer hatte ebenfalls einen
Kaiserschnitt hinter sich und konnte
sich sehr gut einfhlen.Mit ihren zwei
TagenVorsprung hatte sie bereits
einige Tipps parat. Etwa, wieman
seitlich aus demBett aufsteht, ohne
die Bauchmuskeln anzuspannen.
Fr beide war es das erste Kind. Sie
stillten oft gleichzeitig, schickten ihre
Mnner gemeinsam insWickelzim
mer, assenmiteinander, plauderten
und schliefen nebeneinander ein.
Wir verstanden uns auf Anhieb, und
unsereMnner sich auch, erzhlt
BarbaraWehrli. Durch die spezielle
Situation, in der wir uns kennenlern
ten, fhltenwir uns einander gleich
nahe, sagt Karen Ballmer. Es war
Anfang Dezember, die Besucher
brachtenWeihnachtsguetsli, und
draussen schneite es. Es herrschte
eine Stimmungwie im Schullager.
Sechs Jahre nach der gemein
samen Zeit alsWchnerinnen in der
Privatklinik Bethanien in Zrich
setzen sich Karen Ballmer und
BarbaraWehrli fr ein Fotoshooting
desMigrosMagazins wieder auf ein
Spitalbett. Ein emotionaler
Moment, sagen beide. Sie erinnern
sich an das Gefhl der Geborgen-
heit, das sie hier empfunden haben.
Wir wussten, wennwir die Klinik
verlassen, sindwirmit unseren Babys
auf uns allein gestellt, erzhlen sie.
Aus den Babys von damals sind zwei
vife Kindergrtler geworden, die sich
sehr bersWiedersehen freuen und
kaum auf demBett zu halten sind.
In den vergangenen Jahren haben
Lisa und Jonathan viel Zeit zusam
men verbracht. Erst spazierten die
Mtter gemeinsam der Limmat
entlang, whrend die Babys im
Kinderwagen schliefen. Bald krabbel
ten sie nebeneinander, spter tollten
sie auf Spielpltzen herumund
pilzelten in gemeinsamen Ferien. Seit
sie imKindergarten sind, sehen sie
sich weniger oft. Das ndert nichts an
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ImWochenbett
kamen sie sich
nahe: Barbara
Wehrli (links)mit
Jonathan (6)
und Karen Ballmer
mit Lisa (6).
ihrer Verbundenheit. Leider kann die
eine selten amGeburtstag des
anderen teilhaben, da die Partys
meist gleichzeitig steigen.
Mit denKindern entwickelten sich
auch die Themenweiter, ber die
Karen Ballmer und BarbaraWehrli
jeweils diskutierten: Stillen, Schlafen,
Wiedereinstieg im Job, Familie und
Beruf unter einenHut bringen. Karen
Ballmer ist Fernsehproduzentin,
BarbaraWehrli Tierrztin.
Um einHaar htten die beiden das
Spitalzimmer erneut geteilt: Barbara
Wehrli brachte ihren zweiten Sohn
einenMonat frher zurWelt als
Karen Ballmer ihre Zwillinge. Als sie
ihre Freundin hochschwanger in der
Privatklinik Bethanien besuchte,
wollten dieHebammen sie erst in den
Gebrsaal begleiten. MM
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 21
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Die Brckenbauer Peter
Scholer und Susi Sailer auf
demRhein: Hier soll der
geplante Steg dereinst die
beiden Rheinfelden verbinden.
22 | MM22, 26.5.2015 | NACHBARN
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ber 100 Jahre gab es in Rhein
felden zwei Brcken ber den
Rhein. Eine grosse breite aus
Stein und eine kleine schmale aus
Eisen. Der Eisensteg war Teil des histo
rischenKraftwerks, das 2011 vollstndig
zurckgebaut wurde. Seither fehlt den
Rheinfeldern beidseits des Rheins ein
wichtiger Verbindungsweg: Der Steg ist
aus stdtebaulichen und touristischen
Aspekten wichtig, sagt alt Vizeammann
Peter Scholer (68), der die Interessen
gemeinschaft Pro Steg prsidiert. Das
Kurzentrumund das Spital etwawrden
viele Grenzgnger beschftigen, die frher
mit demVelo oder zu Fuss ber den alten
Steg gekommen seien. Zudem sei die Grenze
in den letzten Jahren viel durchlssiger
geworden. Heute teilen wir viel mit
BadischRheinfelden, wie etwa die Biblio
thek und viele Vereine. Da braucht es ber
gnge in sinnvoller Distanz.
Meine Nachbarin die Brckenbauerin
Wir teilen viel, da braucht es bergnge
in sinnvoller Distanz Peter Scholer
Peter Scholer und Susi Sailer wollen die Nachbarschaft ber den Rhein pflegen.
Darum kmpfen sie dafr, dass Rheinfelden (Schweiz)
und Rheinfelden (Deutschland) bald wieder mit einem Steg verbunden sind.
Text: Andrea Freiermuth Bild: Salvatore Vinci
Nicht immerwar das Nachbarschafts
verhltnis der beiden Rheinfelden so ent
spannt. In denKriegsjahrenwaren die
Grenzen dicht, und bis in die 80erJahre
waren in beiden StdtenMnner amRuder,
die in denKriegswirren sozialisiert wurden.
Vershnt hatman sich ber die Jahre auf
der sogenanntenAHVRunde: dem sonn
tglichen Spaziergang ber die beiden
Brckenmit Einkehr in einer odermehre
ren Beizen entlang der Strecke. Umdiese
Tradition zu erhalten, die lngst nicht
nur von Alten gepflegt wurde, brauchenwir
einen Ersatzsteg, sagt Susi Sailer (48),
Vizeprsidentin der IG Pro Steg und Vertre
terin der badischen Seite.
GegenAtomkraft fr denSteg gebt
In Rheinfelden Schweiz stiess die IG Pro
Steg schnell auf offeneOhren: Die
Gemeindeversammlung sprach sich noch
2011 fr die Erneuerung des Stegs aus.
Auf der deutschen Seite hingegen hat das
Volk kein direktesMitspracherecht.
Solche Entscheide liegen in derHand des
Gemeinderats. Dieser aber zgerte lange,
sich an denKosten von rund sechsMillionen
Franken zu beteiligen unter anderem
auch, weil die Kasse lngst nicht so gut
gefllt ist wie ennet demRhy. 2013 sagten
auch die deutschen Behrden Ja zum Steg.
Inzwischen fhrten die beiden Stdte einen
Ideenwettbewerb fr den Brckenschlag
durch und vergaben den Auftrag an ein
Ingenieurbro aus Deutschland. Der ber
gang soll bis sptestens 2017 realisiert
werden. Nunmssen die beiden Stdte nur
noch zur Ausfhrung Ja sagen.
Dazumussmanwissen: Peter Scholer hat
Erfahrung imMobilisieren von binationalen
Interessengruppen: In den 70erJahren
grndete er die Gewaltfreie Aktion
Kaiseraugst undwar federfhrend im
Kampf gegen das geplante Atomkraftwerk.
Anders als vor 50 Jahren kann er heute auch
auf finanzielle Hilfe aus Bern und Brssel
zhlen. Der Bund und die Europische
Union beteiligen sich aus ihren Fonds fr
regionale Entwicklungmit jeweils rund zwei
Millionen am Steg. MM
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meineNachbarin vor
drei Jahren, als ich nach
Wollishofen ZH zog.
Sie wohnte gleich nebenan und
hatte wie ich einenHund. Zwei
Monate nachmeinemEinzug
kamenwir beimGassigehen ins
Gesprch.Wir tauschtenNum-
mern aus und gingen fast jede
Woche gemeinsam an den See.
Der Freundmeiner Nachbarin war
umdie 40 und hatte Drogenprob-
leme. Sie war damals 28 Jahre alt
und depressiv. Es waren also viele
Probleme vorhanden. Die beiden
waren eigenartig.Mein Freund
und ich gingen dennoch etwa zwei-
mal zu ihnen grillieren.Menschen
sind nunmal unterschiedlich.
EinunerwarteterAnruf
MeineNachbarin und ich beschf-
tigten einenHundesitter. Eines
Tages rief ermich an und sagte,
dassmeineNachbarin sich das
Leben genommen habe. Erfahren
hat er es von den Eltern der Ver-
storbenen. Er htete damals ihren
Hund.Wie genau sichmeineNach-
barin umgebracht hat, weiss ich bis
heute nicht.
Vier Tage, nachdem ich vom
Selbstmord erfahren hatte, war ich
an einer Broparty. Pltzlich klin-
gelte das Telefon. Es war dieMut-
ter der Verstorbenen. Sie fragte
mich, ob ich noch einen Schlssel
zurWohnung habe. Leider konnte
ich ihr nicht weiterhelfen. Viel-
leicht htte ich eine Beziehung zu
den Eltern aufbauen sollen.
Vielleicht httenwir das Erlebte
gemeinsam verarbeiten knnen.
Es htte die Eltern bestimmt
gefreut zu hren, dass es ihrer
Tochter nicht immer schlecht ging.
HtteDiesesWort sagte ich nach
diesemErlebnis oft.
Die Nachricht ihres Suizids kam
unerwartet, aber sie hatmich
nicht berrascht. Hierzulande
distanziertman sich vonDepressi-
ven undKranken.Manwill nicht
fragen,manwill nicht unhflich
sein. Zudem kmmertman sich
wenig umdie Nachbarn. Es gibt
alle zweiMonate einen Fall in der
Schweiz, bei demman den Tod
einer Person erst bemerkt, wenn es
imTreppenhaus riecht. Aber auch
mir bedeutet Nachbarschaft wenig:
Ich bin oft sogar froh, wenn ich
meineNachbarn nicht sehe.
Denn sobald ich jemanden treffe,
beschweren sich die Leute:
ber dieWaschkche, die Sauber-
keit, die Lautstrke.
Zu den anderen Leuten imHaus
habe ich gar kein Verhltnis.
Die Einwohner in unseremBlock
sindmerkwrdig.Wennman
zuflligerweise gleichzeitig ins
Treppenhaus kommt, verkriechen
sichmanche gleich wieder in der
Wohnung. Ich glaube, das ist etwas
sehr Schweizerisches. Zudem kann
man sich und seine Probleme in
der Stadt besser verstecken.
Seit dem Suizidmeiner
Nachbarin fragte ich ftermal
inmeinemUmfeld nach, ob
jemandHilfe brauche.Manchmal
solltemanweniger Angst vor
unangenehmen Fragen haben und
sichmehr einmischen. Ich habe
mich nie wirklich vonmeiner
Nachbarin verabschieden knnen.
Ichweiss bis heute nicht, wann
man ihre Leiche gefunden hat.
Es hat keine Todesanzeige
gegeben, kein Grab, nichts. Alles,
was ich tun konnte, war, dafr
zu sorgen, dass fr ihrenHund ein
schnes, neues Pltzchen gefun-
denwerden konnte. MM
*Name der Redaktion bekannt
Meine Nachbarin die Tote
Man kann niemanden vom
Suizid abhalten
Die Nachbarin von Nina * nahm sich vor zwei Jahren das Leben.
Ein Erlebnis, das bei ihr bis heute nachwirkt.
Aufgezeichnet von: Anne-Sophie Keller Bild: Salvatore Vinci
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 25
-
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2: 13.06.19.06. 7: 12.09.18.09.
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Abfahrtsorte
06:30 Burgdorf
06:45 Basel,
07:20 Aarau
08:00 Baden-Rtihof
08:30 Zrich-Flughafen
08:55 Winterthur
09:15 Wil
Schlssern, Kirchen und Burgen. Anschlie-
ssend Besichtigung der obersterreichischen
Stadt Linz mit ihrem sehenswerten Hauptplatz.
Fahrt ber die sterreichisch-tschechische
Grenze nach Budweis.
3. Tag: Budweis, fak. Ausflug Bhmerwald.
Wir besuchen die Region des grossenMoldaus-
tausees und fahren entlang dem gleichnamigen
Fluss durch die historischen Orte Rosenberg
und Hohenfurt. Durch eine liebliche Naturland-
schaft geht es weiter nach Bhmisch Krumau.
Mehr als dreihundert historische Huser, zwi-
schen denen das Areal des Schlosses (zweit-
grsste Anlage nach der Prager Burg und Unes-
co-Weltkulturgut) und die Kirche des heiligen
Veits dominieren, bilden einen Altstadtkern von
seltener Harmonie und Schnheit. Anschlie-
ssend Fahrt zurck nach Budweis. Beim ge-
meinsamen Spaziergang durch den Stadtkern
mit seinem quadratischen Marktplatz erfahren
wir Interessantes ber die gut erhaltenen
Renaissance- und Barockbauten.
4. Tag: Sdbhmisches Teichen- und
BurgenlandPrag.
Nicht weit von Budweis machen wir unseren
ersten Stopp in Hlubok. Grund dafr ist das
gleichnamige Schloss, das unbersehbar ber
der Moldau thront. Basteien und Trme, Zin-
nen, Erker und spitzbogige Fenster verleihen
dem Schloss etwas mrchenhaftes. Daher
auch der Name Tschechisches Neuschwan-
stein. Nach einer Fhrung geht es weiter
durch das sdbhmische Teichenland zur stim-
mungsvollen Burg Klingenberg mit dem ber
30 Meter hohen Turm. Anschliessend unter-
nehmen wir eine gemtliche Bootsfahrt auf
dem Orlikstausee zum prunkvollen Schloss Or-
lik (Aussenbesichtigung). An diesem herrlichen
Ort haben wir Zeit fr eine individuelle Mit-
tagspause. Entlang der Moldau erreichen wir
am Abend die Goldene Stadt Prag.
5. Tag: Prag mit Altstadtbesichtigung.
Die tschechische Hauptstadt ist gleichzeitig
auch die grsste Stadt des Landes. Zum impo-
santen Stadtbild gehren die Karlsbrcke mit
neunundzwanzig Heiligenstatuen, die Prager
Burgstadt (Hradschin), die Altstadt mit den frh-
lichenMrkten, wo auch heute noch traditionel-
le Handwerkskunst dem Besucher Einblicke in
vergangene Tage gewhrt sowie verschiedene
Kirchen, u.a. die Teynkirche, mit den Klngen der
ltesten Orgel Europas. Heute Vormittag unter-
nehmen wir, unter kundiger Fhrung, eine Be-
sichtigung der Altstadt. Nachmittag zur freien
Verfgung.
6. Tag: Der Prager Burgberg.
Am Vormittag interessante Besichtigung der
Prager Burg, einem in jeder Hinsicht berragen-
den Bauwerk. Hier befindet sich auch die offizi-
elle Residenz des tschechischen Staatsprsi-
denten, so dass man jede Stunde die Wachab-
lsung der in rot-weiss-blauen Uniformen ge-
wandeten Soldaten verfolgen kann. Von den
Grten der Festungsanlage hat man einen
schnen Blick ber die Stadt. Freier Nachmittag
fr individuelle Entdeckungen und Einkufe.
7. Tag: PragRckreise in die Schweiz.
Rckfahrt ber Pilsen, Regensburg, Mnchen,
St. Margrethen zu den Einsteigeorten.
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Zahlreiche Brcken berspannen die Moldau in Prag
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r
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Nina (25) an der Tr,
die niemandmehr
ffnet: IhreNachbarin
hat sich vor zwei Jahren
das Leben genommen.
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 27
-
Handshake an
der Fraktions-
grenze im
Nationalrat:
Gregor A. Rutz
(SVP, links)
undRudolf
Winkler (BDP).
Mein Nachbar der Parlamentarier
Nur denwichtigsten Rat,
wie er abstimmen soll,
nimmt er nie an
Gregor A. Rutz
BDP-Nationalrat Rudolf Winkler und SVP-Nationalrat
Gregor A. Rutz sind unfreiwillig Pultnachbarn im Parlament.
Obwohl sie politisch nicht einer Meinung sind, bezeichnen
sie ihr Verhltnis als freundschaftlich.
Text: Reto E. Wild Bild: Salvatore Vinci
28 | MM22, 26.5.2015 | NACHBARN
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A
lsBDP-Nationalrat
RudolfWinkler (59)
imMrz 2015 fr den
zurckgetretenen
Lothar Zirjen in denNational-
rat nachrckte, wurde ihm der
Stuhl neben demZrcher
SVP-Nationalrat Gregor A. Rutz
(42) zugewiesen. Vorher kann-
ten sich die beiden brgerlichen
Politiker nicht, obwohlWinkler
aus Ellikon an der Thur ZH bis
2005 fr die SVP politisiert hatte
und Rutz damals derenGeneral-
sekretr war.
Ich gabmeinemneuen
Nachbarn den guten Tipp,
das Parteiprogrammder SVP zu
bernehmen, sagt Rutz,
Inhaber einer Kommunikations-
agentur. LandwirtWinkler kon-
tert: Selbstverstndlichmache
ich das Gegenteil von dem, was
Gregor sagt. Du stimmst
sowieso zu drei Viertelnmit den
Linken, sagt Rutz, der 2012
Bruno Zuppiger ersetzte.
Stimmt nicht.Wir beide
sind brgerlich. Aber im sozia-
len Bereich hat dieBDP eine
breitere Optik als die SVP,
entgegnetWinkler. Trotz des
verbalen Schlagabtauschs sitzen
zwei Parlamentarier neben-
einander, die sich respektieren
und einander aushelfen.
Winkler sagt: Gregor kann
mirmehr helfen als umgekehrt,
weil er ber eine grssere
Parlamentserfahrung verfgt.
Ich bitte ihn immerwieder um
Rat. Heutemorgen hatmein
Pager, mit dem ich imParlament
kontaktiert werden kann, nicht
reagiert. Rutz habe sogleich
gewusst: Es ist die Batterie.
Nur denwichtigstenRat wie
er abstimmen soll nimmt er nie
an, witzelt der SVP-Mann.
Dafr bin ich zu alt, lacht
Winkler. Rutzwirdwieder ernst:
Tatschlich gebe es imParla-
ment vielmehr berparteiliche
Kontakte, alsman dies von
aussen denkenwrde.
Siewrden oft unterschiedlich
abstimmen, was jedoch nie in
Streit ausarte. Es ist ganz
normal, dasswir uns bei Alltgli-
chemhelfen und uns unterstt-
zen, sagtWinkler. Mit Gregor
habe ich ein sehr freundschaftli-
ches Verhltnis, obschonwir auf
politischer Ebene gewisseDiffe-
renzen haben.Winkler betont,
dass er sich als Bauer nachbar-
schaftlicheHilfe gewohnt sei.
Die Pultnachbarn diskutieren
ber Zeitungsartikel, Abend-
anlsse in Bern, aktuelle Volks-
abstimmungen. Der vierfache
VaterWinkler: Ich habe Gregor
auch schon ber Familires
ausgefragt. Gregor Rutz hat
keine Kinder, ist aber schon
seit 22 Jahrenmit der gleichen
Frau glcklich und verliebt
zusammen, seit 2004 verhei-
ratet, wie er sagt.
Rutz schtzt amBDP-Mann,
dassman sichmit ihm un-
gezwungen austauschen kann.
UmgekehrtmagWinkler Rutz
sympathische und offene Art.
Mit Rutz knneman ber alles
reden. Er hat ein unheimlich
breitesWissen und ist eine sehr
eigenstndige Persnlichkeit.
EinWermutstropfen bleibt: Es
werde auch ihmnicht gelingen,
Rutz von seinem politischen
Programm zu berzeugen. MM
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 29
-
Einen Sommer lang liegen sie
nur wenigeMeter ausein
ander: Ich sehe Vera immer,
wenn ich insWasser steige,
sagt Elsa Sturzenegger (77), und
dann schwatzenwir zusammen.
Beide gehren einer Gruppe von rund
zehn Leuten an, welche die drei
monatige Badesaison imFamilienbad
Dreilinden oberhalb von St.Gallen
verbringt. Es sind immer die
gleichen hier, darum ist es so lustig.
Die Liegepltze sind seit ber zehn
Jahren dieselben, Stammpltze sozu
sagen. Notfalls verteidigen sie diese
auch mittels useekle, przisiert
Sturzeneggers Partner. Umunntige
Schwierigkeitenmit anderen Bade
gsten zu vermeiden, halten sie sich
gegenseitig die Pltze frei.
Vera Lutz (74) kommt um9Uhr
morgens, Sturzenegger ein wenig
spter. Beide sind sich einig: Am
Morgen ist es am schnsten. Die
Tage verbringen siemit Lesen,
Schwimmen, Picknicken und Plau
dern. VonKindesbeinen an kommen
sie hierher, doch der Kontakt zuein
ander begann erstmit ihren Pensio
nierungen vor gut zehn Jahren. Seit
dann sind die ehemaligen Verkufe
rinnen tglich in die Badi gegangen.
Vera Lutz kam frher schon in ihren
Mittagspausen zumSchwimmen, sie
ist dieWasserratte der beiden. Heute
schwimmt sie einen bis zweieinhalb
Kilometer pro Tag. Die regelmssige
Bewegung scheint sich positiv auszu
wirken: Beide wirken deutlich jnger,
als sie sind. Wir sind die, die auch
bei halbbatzigemWetter in die Badi
gehen, sagt Elsa Sturzenegger. So
gar Nieselregen stehenwir durch,
ergnzt ihre BadiNachbarin. Heim
gehen gilt nicht, damsste schon ein
ganztgiges Unwetter anstehen. Bei
kurzenGewittern flchten die beiden
unters Garderobendach.
Wetter, EntenundClique sind erlaubt
Das Dreilinden ist amWaldrand
gelegen und bietetmit seinemWeiher
chlorfreies Naturwasser an. Das
schtzen die beiden. Sturzenegger
und ihr Partner wohnen in der Nhe,
Lutz kommt vom anderen Ende der
Stadt. Ahwas? Det wohnsch du?,
fragt Sturzenegger. In zehn Jahren
hatten sie noch nie darber geredet,
wer wo lebt. Das Privatleben sollte
man nicht thematisieren, sagt Lutz:
Das ist schliesslich privat. Elsa
Sturzenegger nickt zustimmend.
Themen ohne Tabu sind:Wetter,
Enten oder Leute aus der Clique
zumBeispiel, wenn jemand fehlt. Das
einzig Persnliche, ber das sie reden,
ist Sturzeneggers Partner: Den lernte
sie in der Badi kennen, er gehrt zur
Gruppe.
Alle drei sindDauergstemit
Kabine. Darin lagern sie Badehosen,
Tcher, Liegesthle, Sonnenschirme
und Prosecco fr Fschtli, erklrt
Sturzenegger. Etwa bei Saisonstart
und ende. Letzteres feiern siemit
Sekt, Snacks undGrill. Dann kommt
die Verabschiedung fr neunMonate:
En gueteWinter!, wnschen sie
sich. Man knnte eigentlich ausser
halb der Saison auchmal abmachen,
sinniert Sturzenegger. Aber auch so
ist es fr beide in Ordnung jede hat
schliesslich ihr eigenes Leben. MM
Meine Nachbarin die Frau auf dem Badetuch nebenan
Das Privatleben sollte man nicht
thematisieren Vera Lutz
Am Erffnungstag der Badi Dreilinden in St. Gallen treffen sie sich und verbringen
danach drei Monate fast tglich nebeneinander bis die Saison zu Ende geht.
Vera Lutz und Elsa Sturzenegger kennen sich nur vom Badetuch.
Text: Laila Schlfli Bild: Salvatore Vinci
E
inen Sommer lang liegen sie
nur wenigeMeter ausein
ander: Ich sehe Vera immer,
wenn ich insWasser steige,
sagt Elsa Sturzenegger (77), und
dann schwatzenwir zusammen.
Beide gehren einer Gruppe von rund
zehn Leuten an, welche die drei
monatige Badesaison imFamilienbad
Dreilinden oberhalb von St.Gallen
verbringt. Es sind immer die
gleichen hier, darum ist es so lustig.
Die Liegepltze sind seit ber zehn
Jahren dieselben, Stammpltze sozu
sagen. Notfalls verteidigen sie diese
auch mittels useekle, przisiert
Sturzeneggers Partner. Umunntige
Schwierigkeitenmit anderen Bade
gsten zu vermeiden, halten sie sich
gegenseitig die Pltze frei.
Vera Lutz (74) kommt um9Uhr
morgens, Sturzenegger ein wenig
spter. Beide sind sich einig: Am
Morgen ist es am schnsten. Die
Tage verbringen siemit Lesen,
Schwimmen, Picknicken und Plau
dern. VonKindesbeinen an kommen
sie hierher, doch der Kontakt zuein
ander begann erstmit ihren Pensio
nierungen vor gut zehn Jahren. Seit
dann sind die ehemaligen Verkufe
rinnen tglich in die Badi gegangen.
Vera Lutz kam frher schon in ihren
Mittagspausen zumSchwimmen, sie
ist dieWasserratte der beiden. Heute
schwimmt sie einen bis zweieinhalb
Kilometer pro Tag. Die regelmssige
Bewegung scheint sich positiv auszu
wirken: Beide wirken deutlich jnger,
als sie sind. Wir sind die, die auch
bei halbbatzigemWetter in die Badi
gehen, sagt Elsa Sturzenegger. So
gar Nieselregen stehenwir durch,
ergnzt ihre BadiNachbarin. Heim
gehen gilt nicht, damsste schon ein
ganztgiges Unwetter anstehen. Bei
kurzenGewittern flchten die beiden
unters Garderobendach.
Wetter, EntenundClique sind erlaubt
Das Dreilinden ist amWaldrand
gelegen und bietetmit seinemWeiher
chlorfreies Naturwasser an. Das
schtzen die beiden. Sturzenegger
und ihr Partner wohnen in der Nhe,
Lutz kommt vom anderen Ende der
Stadt. Ahwas? Det wohnsch du?,
fragt Sturzenegger. In zehn Jahren
hatten sie noch nie darber geredet,
wer wo lebt. Das Privatleben sollte
man nicht thematisieren, sagt Lutz:
Das ist schliesslich privat. Elsa
Sturzenegger nickt zustimmend.
Themen ohne Tabu sind:Wetter,
Enten oder Leute aus der Clique
zumBeispiel, wenn jemand fehlt. Das
einzig Persnliche, ber das sie reden,
ist Sturzeneggers Partner: Den lernte
sie in der Badi kennen, er gehrt zur
Gruppe.
Alle drei sindDauergstemit
Kabine. Darin lagern sie Badehosen,
Tcher, Liegesthle, Sonnenschirme
und Prosecco fr Fschtli, erklrt
Sturzenegger. Etwa bei Saisonstart
und ende. Letzteres feiern siemit
Sekt, Snacks undGrill. Dann kommt
die Verabschiedung fr neunMonate:
En gueteWinter!, wnschen sie
sich. Man knnte eigentlich ausser
halb der Saison auchmal abmachen,
sinniert Sturzenegger. Aber auch so
ist es fr beide in Ordnung jede hat
schliesslich ihr eigenes Leben. MM
30 | MM22, 26.5.2015 | NACHBARN
-
Beim Stammplatz
kennen sie
keinen Spass: Die
Badi-Freundinnen
Elsa Sturzenegger
(links) und
Vera Lutz.
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 31
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Meine Nachbargemeinde das Steuerparadies
Im Kanton Zug
was Vergleichbares
zu finden,
wre unmglich
gewesen Karin Birrer
Sie wohnen in Nachbarsgemeinden, doch die
Kantonsgrenze und damit ein unterschiedlicher
Steuerfuss trennt sie. Unter dem Strich geht die
Rechnung fr beide auf: Familie Birrer zahlt in
GisikonLU viel Steuern, kann sich dafr jedoch ein
Eigenheim leisten. Singlefrau Aline Reichmuth gibt in
Risch-Rotkreuz ZG weniger an den Staat ab, haust
aber auf teurem Boden.
Text: Andrea Freiermuth Bilder: Salvatore Vinci
Tiefe Bodenpreise,
hoher Steuerfuss:
Reto und Karin Birrer
mit ihren Kindern
Franziska, Raphael
und Christoph
(von oben) in ihrem
Eigenheim im
luzernischen Gisikon.
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 33
-
Vor demHauseingang
wachsenObstbume
undKruter, auf dem
Rasen stehen eine
Kinderrutschbahn, ein Schwimm-
becken und einRiesentrampolin
und imGarten spriessen diverse
Gemsesorten. Es ist das Reich
vonFamilie Birrer: Vater Reto
(42),Mutter Karin (42) sowie den
drei KindernChristoph (6), Ra-
phael (8) undFranziska (11). Das
Ehepaar Birrer stammt ursprng-
lich aus demKanton Luzern, lebte
jedochmehrere Jahre imKanton
Zug, bevor es 2006 in GisikonLU
ein Eigenheim erstand.
In der Nachbargemeinde
Risch-Rotkreuz ZGwrden die
Birrers laut des Internet-
vergleichsdienstes Comparis bei
einem steuerbaren Einkommen
von 70000Franken rund 5000
Franken an Steuern sparen.
Der hohe Steuerfuss imKanton
Luzern kmmert das Ehepaar
aber nicht: Uns war ein
finanzierbares Eigenheimmit
Umschwung wichtiger.Wir
bezahlten damals 300Franken
pro Quadratmeter. ImKanton
Zug etwas Vergleichbares zu fin-
den, wre unmglich gewesen,
sagt Karin Birrer. Als ehemalige
Hauswirtschaftslehrerin ist es
derHausfrauwichtig, dass ihr
Nachwuchs das Gemse nicht nur
aus dem Supermarkt kennt:
Meine Kinder helfen imGarten
mit. Sie sehen, wie die Pflanzen
wachsen undwie sie gepflegt
werdenmssen. Deshalb rmpf-
ten sie wahrscheinlich auch die
Nase nicht, wenn etwas Grnes
auf demTeller liege.
Die gebrtige Aargauerin Aline
Reichmuth (23) lebt nicht ganz
freiwillig in Risch-Rotkreuz ZG.
Sie hat im vergangenenHerbst
die Polizeischule imKanton Zug
abgeschlossen und sichmit dem
Antritt ihrer ersten Stelle ver-
pflichtet, die kommenden drei
Jahre imKanton Zug zuwohnen.
Ihre 2,5-Zimmer-Wohnung in der
Siedlung Suurstoffi unweit des
Bahnhofs istmit einemMietzins
von rund 1500Franken inklusive
Nebenkosten und Tiefgarage
vergleichsweise gnstig. Der
Bodenpreis an dieser Lage drfte
hingegen nicht ganz so gnstig
sein: Die Besitzerin der Siedlung,
die Zug EstatesAG, will dies-
bezglich keine Auskunft geben.
KleineWohnflche, viel Ruhe
DieWohnung ist eigentlich bloss
ein Studiomit Trennwand zum
Schlafzimmer und nur rund
50Quadratmeter gross. Zudem
befindet sie sich imErdgeschoss
einesWohnblocksmit vier
Etagen. Nicht jede junge Frau
wre bereit, allein in dieser
Parterrewohnung zu leben. Als
Polizistin frchtet sich Aline
Reichmuth aber nicht vor un-
gebetenenGsten. Sie schtzt vor
allem die Ruhe in der Siedlung.
Ich bin eigentlich nur zum
Schlafen hier. Darum bin ich froh,
dass in der Siedlung keinmoto-
risierter Verkehr erlaubt ist.
Wie viel Steuern sie einspart,
weil sie imKanton Zug und
nicht etwa imKanton Luzern
wohnt, weiss sie nicht genau:
ber denDaumen gepeilt, drf-
te es einMonatslohn sein. MM
Hohe Bodenpreise,
tiefer Steuerfuss: Aline
Reichmuth auf der
Terrasse ihres Studios
in Risch-Rotkreuz.
34 | MM22, 26.5.2015 | NACHBARN
-
Patrizia (33): Eine Mutter
kmpft gegen die Armut
Publireportage
Erfahren Sie mehr ber Patrizia und ihre
Kinder: www.dasrichtigetun.caritas.ch
Auf den Schultern Alleinerziehender lastet viel: die Verantwortung fr die
Kinder, der Beruf und der Haushalt. Oft kommen dann noch nanzielle
Probleme hinzu, weil das Einkommen fr den Lebensunterhalt nicht ausreicht.
So wie bei Patrizia Monier (33), Mutter zweier Kinder aus Zrich.
In der Schweiz gibt es rund 200000
Mtter und Vter, die ihre Kinder
allein erziehen. Jede/r sechste von
ihnen ist von Armut betroffen, wobei
die Mehrheit Working Poor sind
also Menschen, die trotz Arbeit zu
wenig fr den Lebensunterhalt ihrer
Familie verdienen. Und: Armut ist
vererbbar. Kinder aus armen Familien
sind als Erwachsene nachweislich
fter von Armut betroffen.
Caritas ruft ffentlichkeit, Politik und
Wirtschaft zum Handeln auf, fordert
eine bezahlbare Kinderbetreuung,
verbesserte Arbeitsbedingungen und
Untersttzungsleistungen fr armuts-
betroffene Alleinerziehende.
Mit einer Spende knnen Sie die
Familien am Existenzminimum ent-
scheidend entlasten und untersttzen
dabei Hilfsangebote wie den Caritas-
Markt und die Secondhandlden,
die Sozial- und Schuldenberatung,
die KulturLegi, Gratis-Ferien und
das Patenprojekt mit mir.
Spendenkonto: 60-7000-4
Fr Online-Spenden:
dasrichtigetun.caritas.ch/schweiz
Frau Monier, mit welchen Problemen
kmpfen Sie derzeit am meisten?
Ich kann meine Rechnungen nicht
pnktlich zahlen, das ist wohl mein
grsstes Problem. Jeden Monat muss ich
schauen, dass noch gengend Geld fr
Lebensmittel bleibt. Ich bin immer unter
Druck und kmpfe tagtglich, dass wir
nicht zum Sozialfall werden.
Haben Sie denn ein Einkommen?
Ja, aber es ist zu wenig. Ich arbeite
stundenweise am Flughafen und wrde
gerne mehr arbeiten. Aber ich nde
keinen Job und bekomme nur Absagen,
weil ich alleinerziehend bin. Immer
heisst es, ich sei zu wenig exibel. Es tut
weh, wenn man keine Chance erhlt.
Wie kommen Sie im Alltag zurecht?
Unser Leben ist ein einziger Verzicht.
Besonders schmerzt es mich, dass ich
immer nein sagen muss, wenn die Kinder
sich etwas wnschen. In den Zoo oder
schlitteln gehen liegt einfach nicht drin.
Das sind Momente, an denen ich fast
zerbreche.
Was gibt Ihnen Kraft?
Meine Kinder. Ohne sie gbe es mich
nicht mehr. Ich wnsche mir so sehr,
dass sie glcklich sind, und ich wrde
ihnen gerne mehr geben, aber ich
kann nicht.
Gegen Armut
in der Schweiz
-
Was geschieht, wenn 4000Leute
ein 6000-Seelen-Dorf
berrennen?Es bricht das totale
Chaos aus. Passiert ist es im
Sommer 2012 inUetendorfBE. LucaHnni (20)
stand imFinale der deutschenCastingshow
Deutschland sucht den Superstar, und
Tausende vonFans schauten sich die Liveber-
tragung in der Turnhalle Uetendorf an.Md-
chenschwarmLuca gewann undwurde ber
Nacht zumStar. Jederwollte ein Stck von ihm.
Die Folgen desHypes bekamdas ganzeDorf zu
spren. Lucas Anhnger, die Fnnis, besetzten
jeweils das Trottoir komplett. Einmal blockier-
ten 1000Leute die Strasse dann kamdie Poli-
zei. Ein anderesMal rannten die Fans vor lauter
Euphorie denGartenzaun derHnnis um. Jetzt
steht an der Stelle ein robusterHolzzaun.
EinDorfwird zumPilgerort
DieNachbarsfamilie Josi kann sich an das
Leben vor demRummel erinnern. Sie zog 2002
von AdelbodenBE nachUetendorf. Frher ist
Lucamit demTffli rumgebrettert, ein
Unruhestifter war er schon immer!, sagt Vater
Christian Josi (50) und schmunzelt. Doch sie
hatten sofort einen gutenDraht zu denHnnis.
Wir hteten in den Ferien gegenseitig das
Haus und die Tiere. Das ist in Uetendorf einfach
so, sagtMutterMartha Josi (44). Als Luca an
der Castingshow teilnahm, hatten die Josis
noch keinenTV-Empfang. Also gingen siemit
ihrenKindern Alisha (10), Renato (12) und
Mein Nachbar der Promi
Frher ist Luca mit dem Tffli
rumgebrettert Christian Josi
Als Martha und Christian Josi vor 13 Jahren ins bernische Uetendorf zogen,
suchten sie vor allem die Ruhe. Schliesslich konnte niemand ahnen, dass der damals siebenjhrige
Nachbarsbub Luca Hnni dereinst zum prominenten Unruhestifter wird.
Text: Anne-Sophie Keller Bild: Salvatore Vinci
Timon (4) jeweils zu anderenNachbarn in die
Stube. Als das Finale in der Turnhalle aus-
gestrahlt wurde, gab es unerwarteten Besuch:
Einige Fans campierten auf derWiese vor
unseremHaus. Das war wie ein Pfadilager.
Undwas sagt eigentlich Luca selbst dazu?
Ich glaube, manche hattenweniger Freude am
Rummel. Es wurde zuweilen etwas viel. Ueten-
dorf wurde beinahe touristisch! Gerade bei
den nchtlichenGesangseinlagen habe sich die
Frage aufgedrngt: Was denkenwohl die
Nachbarn?
LucasMutterMarianne Schmid (53) liess
sich nicht aus der Ruhe bringen: Die Fans
haben die Hauswand bekritzelt, das Haus oder
denHund Samy fotografiert, Geschenke
gebracht und teilweise im Fnfminutentakt
geklingelt.Nach der Arbeitmusste ich an
40Fans vorbei, sagt die Lehrerin. Diese kamen
aus sterreich oder Berlin und fuhren zwlf
Stundenmit den Eltern zu ihrem Pilgerort.
Hereingelassen habe ich niemanden. Aber die
Tr habe ich immer geffnet. Undmanchmal
sagte ich halt: Nein! Lucamuss jetzt erstmal
etwas essen. Vorbereitet sein knneman auf
so etwas nicht: Dochwir sind als Familie sehr
zusammengewachsen, sagt sie.
Seit einem Jahr luft das Leben inUetendorf
wieder in geregelteren Bahnen. 2014 zog Luca in
seine erste eigeneWohnung in der Nhe von
Bern fernab vomElternhaus. Die genaue
Adresse verrt er nicht. Das drftenwohl auch
seine neuenNachbarn zu schtzenwissen. MM
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Familienbildmit
Promi:Martha und
Christian Josimit
ihren Kindern
Alisha, Renato und
Timon (von links)
und demnicht
ganz unbekannten
Nachbarn Luca
Hnni.
NACHBARN | MM22, 26.5.2015 | 37
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Ihre Nachbarschaft ist nicht freiwillig: Kreshnik Krasniqi und
Petar Gashi sitzen beide im Regionalgefngnis Thun
in Untersuchungshaft, Zelle an Zelle.
Die beiden Kosovaren haben sich auf Anhieb gut verstanden.
Text: Ralf Kaminski Bilder: Salvatore Vinci
S
iemachen, was alle gutenNach
barn tun: Sie helfen sich ausmit
Kaffee, tauschen die Tageszei
tungen, gehen sogar zusammen
spazieren. Nur eins drfen sie nicht: ihr
Zuhause verlassen. Kreshnik Krasniqi*
(43) und Petar Gashi* (51) sitzen beide in
Untersuchungshaft imRegionalgefngnis
ThunBE. Krasniqi wegenDiebstahls,
Gashi wegen Einbruchs. Kennengelernt
haben sie sich bei einem Spaziergang in
einem der Innenhfemit den hohenMau
ern, am 22.Oktober 2014. Damals wurde
Krasniqi vomRegionalgefngnis Burgdorf
nach Thun verlegt, woGashi bereits seit
Mitte Juni sass. Wir sprechen die gleiche
Sprache, deshalb habenwirmiteinander
zu reden begonnen, sagt Krasniqi.
Sie sprechen zusammenber alles
Die Kosovaren verstanden sich auf
Anhieb, seit vierMonaten bewohnen sie
benachbarte Zellen. Natrlich lernt
man unter diesen Bedingungen nur
bestimmte Seiten voneinander kennen,
sagt Gashi. Man kann nirgends zu
sammen hin, lernt weder Freunde noch
die Familie des anderen kennen. Aber sie
reden viel, ber alles, sagt Krasniqi.
Ihre Familien, die Politik imKosovo,
Sport, ihre Situation, auch ber ihre
Taten, die Grnde, die Scham.
Beide sind schon zum zweitenMal im
Gefngnis. Das ist auch richtig so.Wir
haben Fehler gemacht, und dasmuss
bestraft werden, sagt Gashi, der einige
Jahremit einer Schweizerin verheiratet
war und nach der Scheidung auf die
schiefe Bahn geriet. Sein erster Gefngnis
aufenthalt in St.Gallen kostete ihn die
CBewilligung und fhrte zu einem
zehnjhrigen Landesverweis. Trotzdem
kam er in die Schweiz zurck, weil er hier
noch immer Familie hat. Er arbeitete
erst schwarz auf demBau undmachte
dann den erwhnten Einbruch. Ich
schmemich, und ich bin froh, dass wir
hier in Thun so gut behandelt werden.
Die Betreuer sind alle sehr anstndig, und
das Essen ist gut. Viele sssen im
Gefngnis undwrden ber die Schweiz
schimpfen. Dabei haben sie Scheisse
gebaut. Sie sind schuld, nicht die Schweiz.
Es ist ein schnes Land.
AuchKrasniqi war nur als Tourist hier.
Er lebt eigentlich inHolland, ist auch
geschieden und hat zwei Kinder, die bei
ihrerMutter wohnen.Monatelang schon
hat er sie nichtmehr gesehen. Ich geriet
an die falschen Leute, habe viel getrunken
und dann diese Dummheit gemacht. Er
beteiligte sich amDiebstahl einer grossen
Mein Nachbar der Mithftling
Es ist wichtig,
eine Vertrauensperson zu haben
Kreshnik Krasniqi
*Namender Redaktion bekannt
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Zelle an Zelle:
Kreshnik Krasniqi (vorn)
und Petar Gashi im
Regionalgefngnis Thun.
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wurde erwischt. Ich schme
mich. Aber es ist passiert, und
ich kann es nicht ungeschehen
machen. Ich kann nur verhin-
dern, dass es je wieder pas-
siert.
Das Schwierigste im
Gefngnis sei, dassman ganz
alleinmit allem fertig werden
msse. Etwamit schlechten
Nachrichten von zuHause,
sagt Krasniqi. Umsowichti-
ger ist es, wenigstens eine
Vertrauensperson zu haben,
mit derman ber diese Dinge
reden kann. Und das ist
Gashi.
Nachbarschaft auf Zeit
Die beiden arbeiten fast
tglich gemeinsam in der
Wscherei, um etwas Geld zu
verdienen. Damit knnen sie
sich einMal proWoche beim
internenKiosk Lebensmittel
kaufen. Sie trainieren auch
mehrmals proWoche zusam-
men im Sportraum. 80 Pro-
zent der Zeit verbringen wir
miteinander, so Krasniqi.
Dazu kommen ab und zu noch
andereHftlinge, mit denen
sie sich gut verstehen. Aber es
sind nie sie selbst, die ent-
scheiden, ob die Zellentren
aufgehen und sie eine dieser
Aktivittenmachen drfen
oder nicht. Undwenn die
Tren zu sind, haben sie nur
sich selbst, den Fernsehermit
seinen paar Sendern und
etwas Lesematerial.
Hinzu kommt: Sie leben
eineNachbarschaft auf Zeit.
Eine, die jeden Tag zu Ende
gehen kann. EinU-Haft-
Gefngnis ist eine Durchlauf-
station; schonmorgen kann
der eine oder andere verlegt
werden. Krasniqi weiss seinen
Gerichtstermin schon: 1. Juni
2015. Bei Gashi ist der Ablauf
nochweniger klar. Er hat auch
keinerlei Vorstellung, wie
lange er letztlich imGefngnis
bleibenmuss. Krasniqi hofft
auf nichtmehr als drei Jahre.
Mit etwas Glck drfte er
nach 24Monatenwieder raus,
zurck nachHolland zu seiner
Familie. Dort will er sich dann
wieder richtige Arbeit suchen,
zumBeispiel als Chauffeur.
Ich bin ein guter Arbeiter,
hier drinnen genauwie
draussen. Gashi will zurck
in denKosovo, wenn er wieder
frei ist. Dort allerdings ist
die wirtschaftliche Situation
alles andere als rosig. Aber
ichmchte sowieso nicht in
Europa bleiben. Sein Traum
ist es, nachKanada oder in
dieUSA auszuwandern.
Dort brauchen sie Leute,
die anpacken knnen, sagt
der Automechaniker.
Werden die beiden sich
wiedersehen, wenn sie der-
einst ihre Zeit imGefngnis
hinter sich haben? Ich glaube
schon, sagt Krasniqi. Und
vonGashi: Ich glaube nicht
worauf be