medienkompetenz - montagsblatt.de · das entwicklungsfenster für sprache schließt sich nach...
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Medienkompetenz
Was ist das eigentlich? Und haben wir Eltern das auch?Mi 26.02.2014, 20:00 Uhr, Medienabend für die Eltern der1-8. Klasse an der freien Waldorfschule in Landsberg
Christian Rechmann
Der Tag hat 25 Stunden
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8,2
7,9
1,7
4,2
3 Tätigkeiten
Schlafen
Medien
Computer
Schule
Rest
Quelle: ag.ma, 2012 (Schüler ab 10 Jahren)
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28%
34%
29%
44%
37%
27%28% 29%
44%
0%
5%
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15%
20%
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30%
35%
40%
45%
50%
Fernseh,Video Computer Musik hören
An
teil
de
r B
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gte
n
weniger als 1 Stunde 1 oder 2 Stunden 3 oder mehr Stunden
Wie lange nutzt Du die folgenden Medien jeden Tag ?
Quelle: Universität Lüneburg, 5840 Schüler von 11-18 Jahren in den Jahren 2008,2009,2010
Medienkompetenz
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Was meinen wir eigentlich, wenn wir „Medienkompetenz“ fordern?
Wie kompetent muss man sein, um die „neuen Medien“ zu bedienen? Was muss man können?
Medienkompetenz
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Was wollen wir für unsere Kinder?
Bzw. warum entscheiden wir uns, unsere Kinder an bestimmte Medien heranführen?
• Machen Spaß / unterhalten / Keine Langeweile • Sind „bequem“ für die Eltern • Kinder sollen mitreden können / Soziale Vernetzung• „geht heute nicht mehr ohne“ • bessere Chancen im Beruf/ Leben
Medienkompetenz / Wie lernen wir?
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Vor der Medienkompetenz die Frage nach
„Wie lernen wir?“ bzw.
„Was lernen wir mit Hilfe welcher Medien?“
Wie lernen wir?
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Das menschliche Gehirn besitzt weit mehr als 100 Milliarden Nervenzellen.
Jede Zelle im Gehirn sendet ihre Informationen an ungefähr 10 000 andere Nervenzellen.
Dabei liegen die am Informationsvorgang beteiligten Nervenzellen räumlich nah beieinander.
Dabei erfolgt die Reizübertragung auf Ebene der Rezeptoren.
In dem Augenblick, in dem Kontakte zwischen Nervenzellen bestätigt worden sind funktionieren diese. Was nicht genutzt wird, wird abgeschaltet!
Wie lernen wir? In „Entwicklungsfenstern“.
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Das Entwicklungsfenster für Sprache schließt sich nach heutigen Kenntnissen zwischen dem fünften und dem achten Lebensjahr.
Lesekompetenz wird während der ersten 13 bis 15 Lebensjahre erworben.
Bewegen Sprechen Lesen
In den ersten 3 Lebensjahren bis 7. Lebensjahr bis Ende 14. Lebensjahr
Taxifahrer in London.
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• 25.000 Straßennamen
• 20.000 sehenswerteOrte
Ausschnitt dessen, was Londons Taxifahrer können müssen
Quelle: Nach Woollett et al. 2009 / Spitzer, Digitale Demenz.
Hippocampus - Wachstum bei Londoner Taxifahrern.
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Gra
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Su
bst
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Inte
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tät) Intensität vor
Ausbildung
Quelle: Nach Wollet & Maguire 2011, S. 2113 / Spitzer, Digitale Demenz.
Wie lernen wir? Kiki und BuBu.
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98% aller Befragten, in allen Sprachen, in jedem Alter ordnen die beiden gleich zu.
Quelle: Vortrag Dr. Manfred Spitzer, Erfolgreich Lernen in Kindergarten und Schule, 2012
Wie wir lernen.
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-2 -1 0 1 2
Website (verlinkt)
Google, Wiki
e-book
Zeitschrift
Buch
Behaltenes Wissen nach Medium
Quelle: Vortrag Dr. Manfred Spitzer, Was sich das Hirn so denkt, 2013
Wie wir lernen? Lesen vs. Multimedia.
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1913 schrieb Thomas Edison
„Bücher werden bald obsolet sein (… denn wir werden) das Wissen der Menschheit aus Filmen lernen. Unser Schulsystem wird innerhalb von 10 Jahren vollkommen verändert sein.“
Wie wir lernen? Lesen vs. Multimedia.
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Turm von Hanoi / Zahlen rückwärts / Kopf-Knie-Zeh / Marschmallow-Test
Quelle: Spitzer, nach Christakis, in Pediatrics, 2011
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-0,6
-0,4
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0
0,2
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0,6
0,8
Zeichnen
Lehrfilm
Cartoon
Test zu den Frontalhirnfunktionen Konzentration und Selbstkontrolle.
Kopf-Zeh-Knie-Schulter
Zahlen rückwärts
Belohnung aufschieben
Turm um-bauen
Quelle: Spitzer, nach Christakis, in Pediatrics, 2011
Was wir gucken?
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Empfangbare TV-Sender in Dtl. bis 2012
Anzahl der durchschnittlich pro Haushalt empfangbaren TV-Sender in Deutschland von 1988 bis 2012 (jeweils 1. Januar)
Anzahl der Sender
9,00 11
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13,0
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,00
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'88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05 '06 '07 '08 '09 '10 '11 '12
SevenOne Media, Relevant Set: Sendervielfalt - Sendernutzung 2011
Entwicklung der Altersfreigaben bei Computerspielen: Beispiel „Doom“
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"nach heutigen Maßstäben weder als detailliert noch als realistisch/realitätsnah einzustufen" Bekanntmachung der BPjM.
1993 2010
Computerspiele - Was wird gespielt?
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Spiel Erscheinungsjahr Umsatz
1. Call of Duty: Modern Warfare 3 2011 11,66 Mio
2. Calll of Duty: Black Ops 2010 11,30 Mio
3. Call of Duty: Modern Warfare 2 2009 9,89 Mio
4. Grand Theft Auto IV 2008 9,06 Mio
5. Gran Turismo 5 2010 7,49 Mio
6. Call of Duty 4: Modern Warfare 2007 6,09 Mio
7. Fifa Soccer 12 2011 5,63 Mio
8. Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots 2008 5,61 Mio
9. Uncharted 2: Among Thieves 2009 5,57 Mio
10. Battlefield 3 2011 5,25 Mio
Quelle: Verkaufszahlen der 130 beliebtesten PS3 Spiele, 2012
Es gibt doch auch harmlose oder sogar sinnvolle Spiele? Ja, aber die verkaufen sich nicht.
1-Person-Shooter
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“It's a joy for me because I'm one of those people who loves playing Playstation and XBox so, with my thumbs, I like to think that I'm probably quite useful.”
Prinz Harry
Aber “Spielen ist doch auch Lernen?”
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Man findet so gut wie nichts von den vielen seriösen und belastbaren Ergebnissen der Medienwirkungsforschung(…), in denen erhebliche Gewalt- und suchtfördernde Effekte und sogar auffällige neuronale Veränderungen im Gehirn, vor allem bei Kindern und Jugendlichen (…) nachgewiesen wurden.DR. RUDOLF H. WEISS, AUENWALDDipl. Psych., Medienforschung. www.mediengewalt.eu
Dieser Artikel ist tendenziös und aus wissenschaftlicher Sicht wertlos. Gewalthaltige Spiele erhöhen nachweislich das Risiko für Aggressivität und Gewalttäterschaft. Die Diagnose Computerspielsucht (…) erfährt zunehmend klinische Anerkennung.
PROF. DR. CHRISTIAN PFEIFFER, HANNOVERKriminologisches Forschungs-Inst. Niedersachsen
Auswirkungen Computerspiele – Hilfsbereitschaft
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30
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keineGewalt
Gewalt
Zeit
bis
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tun
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)
Quelle: Nach Daten aus Weis & Cerankosky, Tab 2
Auswirkungen von Computerspielen
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Studie zum Thema Einfluss einer Spielekonsole auf Schulerfolg.Verschenkt Play Staiton 2 an Schüler deren Eltern das ohnehin wollten.Vorher wird untersucht, wie gut die Schüler in der Schule sind und wie das sozialverhalten der Schüler ist. Eine identische Kontrollgruppe erhält keine Spielekonsole. Nach 4 Monaten wurde erneut getestet, weiter wurden Eltern und Lehrer beider Gruppen befragt. Schwerpunkt von Lesen, Mathe und „Schulprobleme“.
Quelle: Weis & Cerankosky, The effect of videogame ownership, 2010.
Auswirkungen von Computerspielen
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• Die Jungen spielen nach 4 Monaten noch immer damit (durchschnittlich 40
Minuten täglich)
• Alle hatten zusätzliche Spiele erworben
• 50% hatten Spiele, die nicht für Ihr Alter geeignet waren
• Die „Spieler“ verbrachten 30% weniger Zeit mit Lesen und
• 43% weniger Zeit mit den Hausaufgaben
Quelle: Weis & Cerankosky, The effect of videogame ownership, 2010.
Auswirkungen von Computerspielen
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Video-Konsole Kontrolle
Lese
test
vorher
nachher
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Video-Konsole KontrolleSc
hu
lpro
ble
me
vorher
Quelle: Weis & Cerankosky, The effect of videogame ownership, 2010.
Computerspiele – Schulprobleme / Lesetest
34 Quelle: Spitzer, Digitale Demenz, 2013
„Computerspiele verschenken heißt schlechte Noten verschenken!“
Dr. Manfred Spitzer
Pisa Studie, Nachuntersuchung 2007, 2009
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Nachuntersuchung der sog. „PISA-Verlierer“
Quelle: Befragung von 6.000 Viertklässler und 17.000 Neuntklässlern im Rahmen der Pisa Studie 2007, 2009 zuletzt aktualisiert
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Die PISA-Verlierer
Fazit:
Die PISA-Verlieren sind Opfer ihres Medienkonsums
Geschlecht (Jungs schwächer), Migrationshintergrund und sozialeSchicht sind Verlierer auf der Grundlage ihres Medienkonsums.
Im Vergleich zu ihrer jeweiligen Gegengruppe sind sie durchweg bereits in der Kindheit durch eine sehr viel höhere Ausstattung mit Mediengeräten belastet sowie in Folge davon mit sehr viel längeren Medienzeiten und eine weit intensiveren Nutzung von entwicklungsbeeinträchtigenden Medieninhalten.
Auswirkung Fernsehkonsum auf berufliche Qualifikation.
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100%
<1 1 bis 2 2 bis 3 >3
Täglicher Fernsehkonsum in Stunden
Uni-Abschluss
Beruf
Schule
keine
Quelle: Woody et al.2011
Aber was ist mit lernen, recherchieren?
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„Das Netz scheint mir jede Fähigkeit zur Konzentration (…) zu zerstören. (…) Je mehr wir das Netz benutzen, desto mehr müssen wir kämpfen, um uns auf das Schreiben längerer Abschnitte zu konzentrieren“
Nicolas Carr
Nicolas Carr: Wer bin ich, wenn ich online bin ...: ... und was macht mein Gehirn solange? - Wie das Internet unser Denken verändert, 2010.
Aber was ist mit lernen, recherchieren?
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Man weiß, wie man etwas findet, aber man weiß eigentlich nicht, was man finden möchte.
Elisabeth Noelle-Neumann
Beispiel Facebook:
Jeder Nutzer gestaltet sich seine
eigene Seite
Jeder kann Fan/Freund einer anderen
Seite werden und Freunde zu sich
einladen
Die Beiträge / Posts können
kommentiert und mit einem Like
versehen werden.
Und wie ist das mit den socialen Medien?
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Social Media – was Facebook so weiß.
Quelle: Marcus Brown, wearesocial, 201346
Markus Brown, Wearesocial Germany, hat ein Experiment durchgeführt – er hat 20 Menschen aus London von München aus online „Geprofiled“ – er konnte vorhersagen, wo sie wann waren, wie sie drauf waren, welches Bild sie wahrscheinlich als nächstes posten würden, was ihr Lieblings Starbucks war, welchen Kaffee sie dort – wann – tranken, welche Musik sie mochten, wo sie meistens entlang gingen, Ihre Arbeitswege, welche u-bahn sie nahmen, welche route sie zur u-bahn nahmen und welche von der u-Bahn zur Arbeit, wann essen sie zu Mittag, wann sind sie wieder in der Arbeit, wie lange sind sie in der Arbeit und wann gehen sie wieder heim? Wer Ihre Eltern sind, wer ihre Kinder sind, mit wem sie sprechen, wer ihre Freunde sind, wo ihre Kinder zum Spielen hingehen.
Ergebnisse einer Facebook-Studie an Schülerinnen
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Studie an 3461 Mädchen im Alter von 8 bis 12 Jahren
Quelle: Spitzer, Digitale Demenz, 2013
Je mehr ein Mädchen online ist• desto mehr Freunde, die mir kein positives Gefühl vermitteln• weniger Freunde in der realen Welt• Machen mehr Multitasking (das ist NICHT positiv) • schlafen weniger
Mädchen, die direkt miteinander sprechen sind • erfolgreicher in sozialen Beziehungen• Weniger oft Außenseiter• werden weniger oft gemobt (vor allem nicht online )• haben weniger Bekannte, von denen sie angeben, diese hätten einen aus
Elternsicht schlechten Einfluss
Smartphone – gut gegen Langeweile?
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Kurzzeit- Konzentrations-Kinder bei der Arbeit
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/digitales-denken/ispielzeug-kinderkoepfe-brauchen-ruhe-11498434.html
Was ist denn dann Medienkompetenz?
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• Mitbegründer des ARPA.net• Miterfinder von ELIZA (erste
künstliche Intelligenz) • Ehrendoktortitel der Uni.
Hamburg, Bremen und des Webster College
• Vorsitzender des „Computer Professionals for SocialResponsibility“
• Preis 'Lebensleistung' vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
Joseph WeizenbaumComputerwissenschaftler