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Grundlegende Literatur: o Bues, Artificial Intelligence im Recht, in: Hartung/Bues/Halbleib (Hrsg.), Legal Tech: Die Digitalisierung des Rechtsmarkts, 2018, S. 275-285 o von Bünau, Künstliche Intelligenz im Recht, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, 2018, S. 47-58 1 Martin Fries

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•  Grundlegende Literatur: o  Bues, Artificial Intelligence im Recht, in: Hartung/Bues/Halbleib (Hrsg.), Legal Tech: Die

Digitalisierung des Rechtsmarkts, 2018, S. 275-285

o  von Bünau, Künstliche Intelligenz im Recht, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, 2018, S. 47-58

1 Martin Fries

•  Ähnliche Unterscheidungen: o  Grupp, in Hartung/Bues/Halbleib (Hrsg.), Legal Tech: Die Digitalisierung des

Rechtsmarkts, 2018, S. 259 ff.: Deduktiv vs. induktiv

o  von Bünau, Künstliche Intelligenz im Recht, in: Breidenbach/Glatz (Hrsg.), Rechtshandbuch Legal Tech, 2018, S. 47 ff: Explizite vs. implizite Programmierung

•  Künstliche Intelligenz kann dabei zunächst mit Regeln starten, lässt diese aber irgendwann hinter sich und sattelt eigene Erkenntnisse auf

•  Theoretische (!) Beispiele für künstliche juristische Intelligenz: o  Ein Laie schildert ohne regelgeleitete Abfrage sein Problem in einem Fließtext; der

Computer erteilt ihm daraufhin einen Rechtsrat

o  Ein Robo Judge verarbeitet die eingehenden Schriftsätze der Parteien ohne menschlichen Input zu einem (Vor-)Urteil

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•  Aufgabe des Wettbewerbs war die rechtliche Prüfung von hunderten von Falschberatungsfällen in der Versicherungsbranche

•  Die Rechtsanwälte lagen in knapp zwei Drittel der Fälle richtig

•  Der Case Cruncher einiger Studenten von der University of Cambridge erzielte in sechs von sieben Fällen die korrekte Ergebnis

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•  Aufgabe des Wettbewerbs war die rechtliche Prüfung von fünf non-disclosure agreements

•  Die Rechtsanwälte benötigten durchschnittlich gut eineinhalb Stunden und konnten durchschnittlich 26 der 30 rechtlichen Probleme identifizieren

•  Die Lawgeex-KI-Software benötigte 26 Sekunden und konnte 28 der 30 rechtlichen Probleme identifizieren

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•  Big Data in Kanzleien: o  Kleine und mittlere Kanzleien: Kaum systematische Datensammlung, auch aufgrund von

Erfordernissen des Datenschutzrechts

o  Großkanzleien: Teilweise systematische Datenspeicherung

•  Big Data in Unternehmen: Je näher am Monopol und je größer die Marktdurchdringung, desto größer und verwertbarer die Datenbasis

o  Beispiel: https://www.donotpay.com und https://www.geblitzt.de

o  Beispiel: Rechtsschutzversicherungen

•  Big Data in der Justiz: o  Elektronischer Rechtsverkehr (nicht-öffentlich)

o  Entscheidungen, vgl. http://www.rechtsprechung-im-internet.de

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•  Die begriffliche Kontur der künstlichen Intelligenz ist verschwommen o  Künstliche intelligent soll z.B. jede Maschine sein, deren Output man nicht von dem eines

Menschen unterscheiden kann, vgl. etwa den sog. Turing-Test o  Nicht begriffsbildend sind Gefühle oder ein Verstehen im engeren Sinne

o  Der Begriff der künstlichen Intelligenz ist dynamisch: Was heute als künstlich intelligent gilt, mag morgen Marktstandard und damit Schnee von gestern sein

•  Schritte auf dem Weg zur künstlichen Intelligenz, sog. Maschinelles Lernen: o  Vorgabe grundlegender Regeln als Starthilfe o  Korrektur erster Ergebnisse „von Hand“ (= Training, Kalibrierung)

o  Erst danach erste „Eigenleistungen“ des Instruments: Ø  Aufdecken von Korrelationen, vgl. Bues, a.a.O., S. 278: „Die „Intelligenz“ dieser

Methode beruht auf Wahrscheinlichkeit und Statistik.“

Ø  Vermuten von Kausalitäten

Ø  Induktion von Mustern und Regeln

Ø  Ggf. eigenständiges Nachdenken bzw. Spielen gegen sich selbst, so etwa AlphaZero von DeepMind

Ø  Kontinuierlicher Selbstcheck

•  Maschinelles Lernen braucht viele Daten, viel Hilfestellung von Hand und viel Zeit!

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•  Deep Learning ist maschinelles Lernen in einem System aus mehreren Muster- bzw. Konzeptebenen

o  Beispiel: DeepArt erkennt nicht nur Farbpixel und Farbstrukturen, sondern auch Motive und Malstile

o  Siehe Gatys/Ecker/Bethge, A Neural Algorithm of Artistic Style, https://arxiv.org/pdf/1508.06576

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•  Das semantische Problem: o  Eine Software kann durch Betrachtung großer Datenmengen Zusammenhänge

feststellen und dadurch womöglich Prognosen für die Zukunft erstellen, sie wird einen Text aber kaum intellektuell verstehen können

o  Gegenfrage: Sind Menschen in der Lage, in diesem Sinne intellektuell zu verstehen, oder handelt es sich hierbei um eine Einbildung, z.B. weil es kein objektives Verständnis, sondern nur subjektiv-individuelle Bedeutungskonstruktionen gibt?

•  Das Subsumtionsproblem: o  Kann eine künstlich intelligente Software prinzipiengeleitet abwägen?

o  Gegenfrage: Wenn eine Software anders abwägt als ein Mensch, ist das notwendig schlechter?

•  Wenn ein juristischer Laie eine regelgeleitete Software bedient, sind beide Probleme weniger gravierend

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•  Anwendungsbereiche im Bereich des Vertragsmanagements: o  Vertragsanalyse, Abgleich mit Klauselstandards

o  Compliance, z.B. im Bereich Datenschutzrecht oder Lizenzmanagement

o  Due Diligence

o  e-Discovery

•  Siehe auch Krause/Hecker, in: Hartung/Bues/Halbleib (Hrsg.), Legal Tech: Die Digitalisierung des Rechtsmarkts, 2018, S. 83-91

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•  Weiteres Beispiel: o  Aus Sicht eines Kreditkartenunternehmens mag jemand kreditwürdiger sein, der

Filzgleiter für Möbel gekauft hat

o  Siehe auch Hermstrüwer, Die Regulierung der prädiktiven Analytik: eine juristisch-verhaltenswissenschaftliche Skizze, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Big Data – Regulative Herausforderungen, 2018, S. 99, 102 f.

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•  Die Entscheidungsmuster künstlich intelligenter Software lassen sich statistisch beschreiben, aber im Zweifel nicht mehr als Regeln nachvollziehen à Transparenz ist insofern ein Stück weit eine Illusion

•  Siehe dazu auch

o  Erbguth, Juristische Entscheidungen nach maschinellem Bauchgefühl, DRiZ 2018, 130-131

o  Wischmeyer, Regulierung intelligenter Systeme, AöR 143 (2018), 1-66

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•  Fall: O beansprucht von T Schmerzensgeld i.H.v. € 500.000 wegen eines Bandscheibenvorfalls nach einem Verkehrsunfall

•  Anwendung der Prozessrisikoanalyse durch o  Rechtsanwälte

o  Rechtsschutzversicherer

o  Prozessfinanzierer

•  Weiterführende Literatur: o  Eidenmüller, Prozeßrisikoanalyse, ZZP 113 (2000), 5-23

o  Risse/Morawietz, Prozessrisikoanalyse, 2017

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•  Künstliche juristische Intelligenz könnte in der Justizforschung zur Analyse gerichtlicher Entscheidungen eingesetzt werden

•  Liegen genügend Datenquellen vor, könnte die Analyse zu der Feststellung führen, dass der faktische Tatbestand vom gesetzlichen Tatbestand regelmäßig ein Stück weit abweicht, was als menschliche Komponente der Entscheidungsfindung wohl nicht gänzlich vermeidbar ist

•  Für den Gesetzgeber wäre ein solcher Befund gleichwohl interessant, denn er könnte faktisch vernachlässigte Tatbestandsmerkmale dann

o  entweder effektuieren, z.B. durch Einführung einer positiven Feststellungspflicht,

o  oder das Recht vereinfachen und das faktisch bedeutungslose Tatbestandsmerkmal bewusst streichen (Gewaltenteilung)

•  Beispiele für triviale Rechtsregeln:

o  Pauschale Entschädigungsansprüche für Fluggäste nach Art. 7 Abs. 1 der europäischen Fluggastrechte-Verordnung Nr. 261/2004

o  Käuferrechte nach der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, vgl. Fries, NJW 2016, 2860-2865, und Fries, VuR 2018, 123-128

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