lungenembolie als lebensretter?

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Hämatochezie unter Antikoagulation Lungenembolie als Lebensretter? Bei einer 68-jährigen Patientin wurde wegen einer tiefen Beinvenenthrombose mit Lungenembolie eine orale Antikoagulation eingeleitet. Einige Wochen spä- ter beobachtete die Patientin eine Hämatochezie. Bei der daraufhin durchge- führten Koloskopie fand sich die eigentliche Ursache der Beinvenenthrombose. - Die 68-jährige Patientin wurde wegen einer akut einsetzenden starken Dys- pnoe stationär eingewiesen. Bei der Auf- nahmeuntersuchung fand sich eine leichte Lippenzyanose, eine Tachykardie mit einer Pulsfrequenz um 120 Schläge/ Min. bei einem Blutdruck von 110/70 mmHg. Das EKG zeigte eine regelmäßi- ge Sinustachykardie mit SI-QIII-Typ und in den rechtspräkordialen Brustwandab- leitungen V1–V3 terminale T-Negativie- rungen (Abb. 1). Die D-Dimere waren stark erhöht, und auch echokardiogra- fisch fanden sich Hinweise für eine aku- te Rechtsherzbelastung. Die darauin geäußerte Verdachtsdiagnose „Lungen- embolie“ konnte computertomografisch bestätigt werden. Mittels Kompressions- sonografie wurde eine tiefe Venen- thrombose im linken Bein nachgewie- sen. Es wurde eine Antikoagulation be- ginnend mit einem niedermolekularen Heparin in therapeutischer Dosierung überlappend mit einem Vitamin-K-An- tagonisten eingeleitet. Der Verlauf ge- staltete sich zunächst unauffällig. Koloskopie bei Hämatochezie Einige Wochen später stellte sich die Pa- tientin jedoch wegen einer Hämatoche- zie vor. Bei der Inspektion der Analre- gion zeigten sich Hämorrhoiden II°. Der rektale Untersuchungsbefund war un- auffällig. Bei der anschließend durchge- führten totalen Koloskopie fand sich im Sigma in einer Höhe von ca. 30 cm ein nicht stenosierender, schüsselförmiger tumoröser Prozess im Sinne eines Sig- makarzinoms (Abb. 2). Diese Diagnose wurde histologisch bestätigt. Sonogra- fisch und computertomografisch erga- ben sich keine Hinweise für eine Fern- metastasierung. Darauin erfolgte die Sigmaresektion, wobei die Antikoagula- tion mit einem niedermolekularen He- parin perioperativ überbrückt wurde. Der postoperative Heilungsverlauf war komplikationslos. Thrombophilie bei Tumorleiden Bei einer idiopathischen rombose bzw. Lungenembolie sollte immer an das Vor- liegen einer malignen Erkrankung ge- dacht werden. Die Frage, wie intensiv in solchen Fällen nach einem okkulten Neo- plasma gesucht werden sollte, wird seit Jahren intensiv, zum Teil kontrovers dis- kutiert. Sicherlich sollte bei allen diesen Patienten eine sorgfältige klinische Un- tersuchung, eine Röntgen-oraxaufnah- me, eine Oberbauchsonografie und eine totale Koloskopie durchgeführt werden. Dr. med. Peter Stiefelhagen Abb. 2 Sigmakarzinom. Abb. 1 EKG: Sinustachykardie mit SI-QIII-Typ als Hinweis auf eine Lungenembolie. Fabula docet Bei einer idiopathischen tiefen Bein- venenthrombose bzw. Lungenembolie muss immer an das Vorliegen eines ok- kulten Neoplasmas gedacht werden. Das Tumorscreening sollte sich an der klinischen Symptomatik, dem Alter und den Begleiterkrankungen orientie- ren, wobei im Allgemeinen eine Rönt- gen-Thoraxaufnahme, eine Ober- bauchsonografie und eine totale Kolos- kopie empfehlenswert sind. AKTUELLE MEDIZIN _ DER BESONDERE FALL 30 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22)

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Hämatochezie unter Antikoagulation

Lungenembolie als Lebensretter?

Bei einer 68-jährigen Patientin wurde wegen einer tiefen Beinvenenthrombose mit Lungenembolie eine orale Antikoagulation eingeleitet. Einige Wochen spä-ter beobachtete die Patientin eine Hämatochezie. Bei der daraufhin durchge-führten Koloskopie fand sich die eigentliche Ursache der Beinvenenthrombose.

−Die 68-jährige Patientin wurde wegen einer akut einsetzenden starken Dys-pnoe stationär eingewiesen. Bei der Auf-nahmeuntersuchung fand sich eine leichte Lippenzyanose, eine Tachykardie mit einer Pulsfrequenz um 120 Schläge/Min. bei einem Blutdruck von 110/70 mmHg. Das EKG zeigte eine regelmäßi-ge Sinustachykardie mit SI-QIII-Typ und in den rechtspräkordialen Brustwandab-leitungen V1–V3 terminale T-Negativie-rungen (Abb. 1). Die D-Dimere waren stark erhöht, und auch echokardiogra-�sch fanden sich Hinweise für eine aku-te Rechtsherzbelastung. Die darau�in geäußerte Verdachtsdiagnose „Lungen-embolie“ konnte computertomogra�sch bestätigt werden. Mittels Kompressions-sonogra�e wurde eine tiefe Venen-thrombose im linken Bein nachgewie-sen.

Es wurde eine Antikoagulation be-ginnend mit einem niedermolekularen

Heparin in therapeutischer Dosierung überlappend mit einem Vitamin-K-An-tagonisten eingeleitet. Der Verlauf ge-staltete sich zunächst unau�ällig.

Koloskopie bei HämatochezieEinige Wochen später stellte sich die Pa-tientin jedoch wegen einer Hämatoche-zie vor. Bei der Inspektion der Analre-gion zeigten sich Hämorrhoiden II°. Der rektale Untersuchungsbefund war un-au�ällig. Bei der anschließend durchge-führten totalen Koloskopie fand sich im Sigma in einer Höhe von ca. 30 cm ein nicht stenosierender, schüsselförmiger tumoröser Prozess im Sinne eines Sig-makarzinoms (Abb. 2). Diese Diagnose wurde histologisch bestätigt. Sonogra-�sch und computertomogra�sch erga-ben sich keine Hinweise für eine Fern-metastasierung. Darau�in erfolgte die Sigmaresektion, wobei die Antikoagula-tion mit einem niedermolekularen He-

parin perioperativ überbrückt wurde. Der postoperative Heilungsverlauf war komplikationslos.

Thrombophilie bei TumorleidenBei einer idiopathischen �rombose bzw. Lungenembolie sollte immer an das Vor-liegen einer malignen Erkrankung ge-dacht werden. Die Frage, wie intensiv in solchen Fällen nach einem okkulten Neo-plasma gesucht werden sollte, wird seit Jahren intensiv, zum Teil kontrovers dis-kutiert. Sicherlich sollte bei allen diesen Patienten eine sorgfältige klinische Un-tersuchung, eine Röntgen-�oraxaufnah-me, eine Oberbauchsonogra�e und eine totale Koloskopie durchgeführt werden.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

Abb. 2 Sigmakarzinom.

Abb. 1 EKG: Sinustachykardie mit SI-QIII-Typ als Hinweis auf eine Lungenembolie.

Fabula docetBei einer idiopathischen tiefen Bein-venenthrombose bzw. Lungenembolie muss immer an das Vorliegen eines ok-kulten Neoplasmas gedacht werden. Das Tumorscreening sollte sich an der klinischen Symptomatik, dem Alter und den Begleiterkrankungen orientie-ren, wobei im Allgemeinen eine Rönt-gen-Thoraxaufnahme, eine Ober-bauchsonogra�e und eine totale Kolos-kopie empfehlenswert sind.

AKTUELLE MEDIZIN_DER BESONDERE FALL

30 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (21-22)