lumaho 022012 magazin
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Geschichten hinter den FotosTRANSCRIPT
Absinth (Franz Klapp)
Guten Tag
und willkommen bei der dritten
Ausgabe von "LUMAHO magazin". In
diesem virtuellen Heft ist mit zwei Ar-
beiten Franz Klapp als Gast vertreten.
Er schreibt über die Entstehung seines
Fotos Absinth und über eine
Schwarzweißserie: Himmelsmoor!
Franz Klapp und ich kennen uns von
flickr. Im letzten Sommer beim Grillfest
der Freunde des Silobades lernte ich
ihn persönlich kennen: da nannte er
sich Joerg Behring ... :-)
Ich erzähle diesmal über eine Busfahrt
nach Weißenburg und von einer Arbeit,
die im Werden ist ...
Viel Spass beim Lesen
Manfred Hofmann LUMAHO
Himmelmoor
Zuerst eine kleine Vorgeschichte wie es zu den Bildern kam.Im Zeitraum Frühjahr 2000 bis zum Herbst 2002 war ich in einer kleinen Fotogruppe um den Fotografen Ulrich Mack. Wer mehr über Mack erfahren möchte, bitte googeln. Nur so viel:Mack war Berufsfotograf für unter-schiedliche Magazine in den 60er und 70er Jahren, des letzten Jahrhunderts, bis er Dozent für visuelle Kommunika-tion an der FH Dortmund wurde. Er gründete die Sommerakademie in Frankreich und war als Vortragsredner in Sachen Leica-M für Leica tätig. 1964 gewann er einen World- Press Fotoa-ward für seine Reportage „Wildpferde in Kenia“.
Schon viele Jahre hatte er eine Beru-fung an die Uni in Bosten, mit der Tä-tigkeit als Artist in Residence. Im Win-terhalbjahr war er in Boston, die ande-
re Zeit sahen wir uns alle 4-6 Wochen. Wir bekamen Aufgaben, die dann beim nächsten Mal an Hand der neuen Bilder besprochen wurden. Immer Schwarz-Weiß, immer Vollformat, also mit der sichtbaren Negativmaske. Ich verwende dies seitdem, andere halten es für eine schlechte Angewohnheit.
Im Frühjahr 2002 ging es darum meh-rere Menschen während der Arbeitszeit zu begleiten und zu fotografieren. Ich bekam die Aufgabe für 3 – 5 Friedhofs-gärtner auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Wir sollten Bilder bei der Ar-beit machen und versuchen diese durch Bilder im privaten Umfeld, also in der Wohnung, mit Frau und Kind, zu ergänzen.
Der Ohlsdorfer Friedhof ist groß und mit 391Hektar der größte Parkfriedhof der Welt.
Es gibt viele Kapellen und fast so viele Gärtnereien.Es gelang mir einen Kontakt zu einer der Gärtnereien herzustellen und dies auch zur Leiterin. Ich erzählte meinen Grund und fragte an ob ich eine Grup-pe Gärtner tagsüber begleiten und fo-tografieren könne. Die Gruppe beriet sich und sagte ab.
Was sollte ich tun? Ich gebe zu, ich hatte keine gesteigerte Lust auf dieses Thema und Mack würde sofort er-kannt, wenn ich Bilder gezeigt hätte, bei denen offensichtlich der persönli-che Kontakt fehlte. Es war ja auch eine mistige Aufgabe an der ich zu schei-tern drohte.
Ich überlegte was ich als Alternative hätte. Ich brauchte auch nicht lange, da viel mir das Himmelmoor ein. Ich war dort schon einige male gewesen und ich wollte es versuchen. Das Him-melmoor ist bei Quickborn, einer klei-neren Stadt, nördlich von Hamburg. Ich kannte die Gegend, ich wusste, daß dort Torf abgebaut und dazu eine Lokomotive mit Wagen benutzt wird, eine Moorbahn.
Ich erkundete die Örtlichkeit und da ich nicht gleich den Kontakt zum
Werksleiter bekam versuchte ich es auf Umwegen, bis wir uns telefonisch ver-ständigen konnten.Am vereinbar-ten Tag fand ich mich ein und erzählte was ich vorhatte. Er willigte ein und
tat es auch gleich für seine Arbeiter.
Ich versprach das Ergebnis zu zeigen und auch für jeden Bilder vorbei zu bringen. Die Arbeiterkamen aus verschiedenen Regionen Europas.
Ein Portugiese, der schon seit einigen
Jahren immer in der Sommersaison dort arbeitete.
Ein Russe mit deutschen Wurzeln, der in Quickborn mit Frau und Kindern lebte. Der Lokführer, schon seit vielen Jahrzehnten dabei und kurz vor der Rente.
Nicht alles habe ich behalten, auch den Namen und den Hintergrund des schüchternen Mannes nicht, der die Wagen im Torfwerk entleerte.
Den Russen fragte ich, ob ich ihn auch zu Hause besuchen und ein paar Bilder machen dürfe. Er winkte ab. Heute würde ich die Sache wohl anders ange-hen, vielleicht. Vermutlich lehnte er aus leidvoller Erfahrung mit der
Staatssicherheit oder dem Geheim-dienst in seiner früheren Heimat ab. Verdenken konnte ich es ihm nicht.
Zumindest diesen Teil der Aufgabe habe ich nicht erfüllt, doch war ich ja schon an der Grundaufgabe geschei-tert, denn das was ich an Bildern mit-brachte war ja nicht die gestellte Auf-gabe.
Es war ein sonniger Freitag. 2 Filme belichtete ich, heute würden es wohl wesentlich mehr werden, denn ich stand damals noch am Anfang meiner Hobbyfotografie.
Die Männer haben sich an meiner An-wesenheit nicht gestört, sie waren freundlich aber auch nur am Rande in-teressiert.
Mit dem „Zug“ fuhr ich ins Moor, dort hin, wo der Abbau erfolgte. Mit moder-nen Geräten, u. a. einem Bagger, wur-de der Torf abgebaut, zu Haufen zu-sammen geschoben und in die bereit-stehenden Wagen gefüllt. Die leeren Wagen wurde gegen die volle Ladung getauscht und es ging zurück zum Werk.Die Fahrt fühlte sich abenteuerlich an, die Angst immer im Nacken, gleich springt die Lok aus den Schienen. Doch nichts passierte, nur Weichen mussten gestellt werden.
Im Werk wurden die Wagons auf ein Gleis geschoben und von dort ging es zur ersten Station. Die Wagen wurden gekippt und der Torf fiel in eine Grube aus der er mit einem Förderband in das Innere des Torfwerks transportiert wurde. Mehr war nicht zu sehen, nur weitere Maschinen, die den Torf bear-beiteten, zerkleinerten und mischten.
In anderen Teilen des Werks lagen Sä-cke oder Haufen mit Zuschlagsstoffen, Mulch und anderes, Kalk, ich weiß es nicht mehr so genau.
Je nach Auftrag wurden die unter-schiedlichsten Zuschlagsstoffe beige-mischt und auch in der Konzentration verändert. Alles in allem rund 18 ver-schiedene Torfgemische für die unter-schiedlichsten Anforderungen. Für Bauern, für Gärtnereien, Baum-schu-len, für den privaten Gebrauch. LKW’s kamen und das gemischte Material wurde mittels Förderschnecken verla-den.
Lange wird es so nicht mehr gehen. In 2003 gab es die erste Unterbrechung, der Pachtvertrag war abgelaufen ob-wohl in 1920 und auch später der Ver-trag auf ewig und immer abgeschlos-sen war. Das Moor sollte nach dem gültigen Naturschutzgesetz renaturiert werden. Man verhandelte, erreichte Zwischenlösungen und bis 2020 wird
wohl der Torfabbau noch gehen, dann ist Schluß. Eigentlich schade, doch wenn ein maschineller Abbau erfolgt, ist ein Ende bald nahe. Hier dauerte es gut 100 Jahre, doch waren wohl die letzten 50 Jahre die Zeit mit dem größ-ten Abbau und es passiert was immer und überall passiert, egal mit welcher Tätigkeit der Mensch der Natur zu Lai-be rückt, alles ist endlich und die na-türlichen Ressourcen bald am Ende. Der Abbau der Natur erfolgt immer schneller als die Natur darauf reagie-ren kann. Tauschende, zehntausende oder vielleicht auch Millionen von Jahre hat die Natur gebraucht, was der Mensch in wenigen Jahrzehnten für sich verbraucht.
Was ist das Himmelmoor?Man bezeichnet es als Hochmoor und ich sag es mal mit Wikipedia:
„Die Begriffe Regenmoor und Hoch-moor werden gleichbedeutend verwen-det. Auf Grund der Torfbildung wach-
sen Regen- bzw. Hochmoore in die Höhe. Sie gleichen gewissermaßen mit Wasser vollgesogenen Torfmoos-schwämmen, die mehr oder weniger erhaben in der Landschaft liegen. Da-her rührt der Begriff Hochmoor, der sich strenggenommen nur auf die klas-sischen uhrglasförmig aufgewölbten Moore Nordwestdeutschlands bezieht. Die Moore stehen nicht unter Einfluss mineralsalz-reichen Grund- oder Ober-flächenwassers, sondern werden aus-schließlich durch Niederschläge – hauptsächlich Regenwasser (daher die Bezeichnung) – genährt. Die Bezeich-nung Regenmoor vereint damit alle nicht oder kaum bis deutlich aufgewölbten Moore, die sich durch eine extreme Mineralsalzarmut und weitere daraus resultierende ökologi-sche Eigenschaften auszeichnen.“
Und was kann ich zu meiner Technik sagen?Ich fotografierte, und tue es noch heu-te, mit einer Leica M. wie immer , so auch damals fast ausschließlich mit dem 50mm Summilux (f=1,4). Wenig mit dem 35er Summicron (f=2,0) und noch weniger mit der 90er. Ich nutze den eingebauten Belichtungsmesser und achte auf eine gleichmäßige Be-lichtung. Kein Schnick-schnack, kein Hexenwerk. Damals verwendete ich oft den Delta 400 und als Filmentwickler X-tol von Kodak. X-tol in unterschiedli-chen Mischungsverhältnissen, doch meist in 1:2 bis 1:3. Da ich es mir hier
nicht auf der Negativhülle vermerkt habe, kann ich es nur vermuten.
Schon seit vielen Jahren nutze ich einen 2-Bad Entwickler, der dem Kodak D76 ähnlich ist. Durch die Teilung in die Bäder A und B wird eine ausgeglichene Entwicklung erreicht, ein Umstand, der bei 2-Badentwickler immer vorliegt. Solche Filmentwickler haben eine bessere Zeichnung in den Schatten und Lichtern, mit dem relativen Nachteil, dass der Entwickler nicht diese bemerkenswerte Kantenschärfe am Filmkorn hat, wie z. B. der legendäre Rodinal- Entwickler.
Filmkorn ist auch so eine Mär. Das Filmkorn ist nicht sichtbar, jedenfalls nicht so wie man es sich vorstellt. Was landläufig als Filmkorn bezeichnet wird, sind die Zwischenräume des Filmkorns. Durch diese Zwischenräume gelangt das Licht ungehindert und schwärzt das Bild an dieser Stelle. Da
es körnig wirkt, nennt man es Filmkorn auch wenn es inhaltlich falsch ist. Aber wir verwenden so viele Fehldefinitionen in unserer Sprache, da kommt es auf eine mehr oder weniger nicht mehr an.
Diese „Kantenschärfe“ ist für mich nicht entscheidend. Wichtig für mich ist die unproblematische Entwicklung, denn zwischen 20 und 26°C ist das Entwicklungsergebnis gleich. Bei ande-ren Entwicklern hat man schon bei ei-ner Abweichung von gut einem °C eine Beeinflussung der Filmempfindlichkeit von 3 ASA, sprich einem Blenden oder Zeitwert. Ein Stopbad ist ebenfalls nicht erforderlich wenn man für 30 sec. eine Zwischenwässerung vor-nimmt. Der Rest ist Standard und Rou-tine.
Hat man erst einmal den Bogen her-aus, kann man sogar unterschiedliche Filme von verschiedenen Herstellern gleichzeitig entwickeln. Ich habe schon oft einen Tri-X mit einem Acros 100 von Fuji zusammen entwickelt.
Das ist nun meine Geschichte vom Himmelmoor und wie ich zu den Bildern kam.Ich werde in diesem Jahr wieder hin fahren. Vor vielen Jahren war ich dort und traf den alten Lokführer. Nun war er Rentner, doch seine Lieber zum Moor zeigte sich durch seine täglichen Spaziergänge, dort, in der Natur.
Hamburg, im Januar 2012Joerg Behring
Busfahrt nach Wissembourg
Ich fahre ja sehr gerne mit öffentlichen
Verkehrsmitteln sinnlos und fotografie-
rend durch die Landschaft; zumeist mit
der Bahn. In den Weihnachtsferien
stellte ich mir die Aufgabe, mit Bussen
von Forst nach Wissembourg (Frank-
reich) zu fahren, mit dem Nahver-
kehrsticket des hiesigen Verkehrsver-
bundes.
Es ist bekloppt, aber es geht ...
Ich fuhr morgens in Forst los, das Ti-
telfoto ist wenige Meter von meinem
Häuschen entfernt gemacht und der
Blick geht nach Westen.
Ich fuhr bis nach Neustadt und sehr
bald hatte ich Anschluss an den nächs-
ten Bus, der wieder am oberen
Haardtrand entlang fuhr, über Ham-
bach, St. Martin bis nach Landau.
In einem der Dörfer stiegen zwei ältere
Damen ein, die schräg hinter mir sa-
ßen und sich über (vermutlich) alle
Dorfbewohner unterhielten.
Dazwischen kommentierten sie Dinge,
die sie beobachteten. Bei der Fahrt
durch ein Dörfchen sahen wir ein Ehe-
paar auf dem Weg zu ihrem PKW mit
ihren Nordic Walking Stöcken. Sie lu-
den diese dann in den Wagen. Dies
sahen auch die beiden Damen ...
Ich gebe den Dialog in Pfälzisch wie-
der.
Hin weise :"Stecke"=Stocke; "steckle"=
mit Stöcken gehen;"duen"=etwas tun;
"frier"=früher;"geloffe"=gelaufen;
"Holzbee"=Holzbein;"missen"=müssen
"Ach gugge mol do, die zwee duen ah
steckle."
"Ah frier hodd mer dess net ge-
brauchd, do iss mer so geloffe."
"De Emil hot immer een Stecke debei
g'het, awwer der hot jo ah eh Holzbee
g'het."
"Guck, jetzt duhn se die Stecke
ei'lade."
"Her, die henn en Mercedes! Ei dann
missen se steckle."
Wir erreichten die pfälzische Stadt, die
sich seit Jahren redlich bemüht das
Pirmasenser oder Zweibrücker Lebens-
gefühl zu erreichen: Landau. Sensatio-
nell für eine Stadt an der Deutschen
Weinstraße, aber wenige Blicke genü-
gen und man weiß, diese Stadt wird
ihren Weg machen, vielleicht sogar ei-
nes Tages in der Lage sein, Ludwigsha-
fen die Krone der Langeweile und des
Siff vom Haupte zu reißen.
Ich verfluchte meine schlechte Pla-
nung, denn ich sollte nun fast 50 Minu-
ten hier verbringen. Aber unter Stress
fängt man erst an richtig zu denken:
ich könnte doch auch umgekehrt fah-
ren ... mein ursprünglicher Plan war,
von Wissembourg mit dem Zug zu-
rückzufahren ... ich rannte zum Fahr-
plan: ja, es geht. Nach 5 Minuten saß
ich im Zug nach Wissembourg und
nach gut 30 Minuten war ich dort.
Ich kenne Weißenburg, so der
deutsche Name, ganz gut und hielt
mich nicht lange dort auf, aber es war
ein angenehmer Aufenthalt. Zurück
ging es mit dem Bus nach Landau,
durch die liebliche Landschaft der
Südlichen Weinstraße, vorbei an
Wingerten, deren Produkte ich nie
trinken werde.
Die Ausbeute dieser kleinen Reise war
mager und das lag am Wetter, die ver-
sprochenen Sonnenstrahlen kamen
einfach nicht.
Interessant wurde die Sache durch das
Farbfoto, das ich auf dieser Seite zei-
ge. Es zeigt einen Teil eines Spielplat-
zes, der in einem kleinen Park am Ran-
de des Ortskerns von Weißenburg
liegt. Eine Schaukel für kleinere Kinder,
die Anordnung im Kreis fand ich unge-
wöhnlich und originell. Besonders ge-
fiel mir die Einfassung des weich ge-
polsterten Bereiches unter der Schau-
kel. Ich nahm dieses Objekt in die Mit-
te der Komposition.
Ein leerer Kinderspielplatz hat für mich
immer etwas melancholisches, als hät-
te jemand die Kinder weggerufen und
sie wären nur ungern gegangen.
Dieses Gefühl versuchte ich dann bei
der Bearbeitung des Fotos einzubrin-
gen ... Darf man derart manipulieren,
dem Betrachter eine Stimmung vermit-
teln, die objektiv so nicht vorhanden
war, sondern nur in meiner Phantasie?
Ich habe im raw Konverter einen 400
ISO Film simuliert, Gelbfilter, den Rand
abgedunkelt und den Kontrast angeho-
ben, die "Weißen" gestärkt.
Alles Möglichkeiten, die ich früher im
klassischen Schwarzweißprozess ge-
nutzt habe und beherrsche.
Damals habe ich mir keine Gedanken
gemacht, was man denn darf und was
nicht.
Jetzt machte ich mir Gedanken, denn
es sind wenige Mausklicks die notwen-
dig sind und dann ist es passiert - si-
cher, man muss wissen, wo man klickt
und welche Kurven man wie beeinflus-
sen muss.
Das musste ich früher auch wissen,
denn so ein Foto, ich möchte es fast
"brut" nennen, war im konventionellen
SWProzess nicht einfach. Der Nachteil
war, dass man damals die Entschei-
dungen VORHER treffen musste. Und
ich wäre nicht losgefahren mit einem
400 ISO Film den ich nach N+1 belich-
tet und später entwickelt hätte. Das
passt nicht zu "in motion". Gut, ich
hätte 2 Kameras mitnehmen können,
eine für die Fahrtaufnahmen und eine
ohne Film, für die Aufnahmen vor Ort,
um dann je nach Licht und Stimmung
entscheiden zu können, welchen Film
ich einlege und wie ich ihn belichte.
Das Ergebnis hätte mir gefallen - so
wie jetzt auch. Ist nur die Tatsache,
dass es heute (fast) jeder mit dem PC
und einem passenden Programm ma-
chen kann ein Hinderungsgrund es
nicht zu tun?
Nur weil es weniger elitär ist, ist es
weder besser noch schlechter gewor-
den, Aufnahmen zu manipulieren.
Absinth
Zuerst die Vorgeschichte wie es zum Bild kam.
Im März 2006 fuhr ich in die Provence. Für gut 2 Wochen blieb ich in Arles hängen. In dieser Zeit, wo auch immer, fiel mir ein kleiner Flyer zu einer Fotoausstellung mit Bildern von Willy Ronis in die Hände. Ich suchte nach dem Ort, der dann nicht all zu weit von Arles war, der Ort heißt L’Isle-sur-la-Sorgue und liegt im Département Vaucluse.
-März 2006-
Es war kühl, der Tag trübe und Regen gab es auch, genau richtig sich eine Fotoausstellung anzusehen. Um es kurz zu machen, es hatte sich gelohnt, zumal ja Willy Ronis kein ganz unbekannter französischer Fotograf ist. Die Begeisterung war so groß, dass ich einen Fotoband mit seinen Bildern kaufte.
Da es kühl und ungemütlich war betrat ich ein Cafe’ im Ort und setzte mich in den hinteren Teil des Raumes.
Irgendwann greife ich dann schon mal zur Kamera um das eine oder andere Foto zu machen. Hier war es auch so und ich wählte die mitgenommene Ma-miya C33 mit dem 80 mm Normalob-jektiv. Ich fingerte am Belichtungsmes-ser herum und ich stellte irgend etwas am Objektiv ein. Die Bilder, die dann entstanden waren scheinbar aus der Hüfte geschossen, so halb aus der Hüf-te, wenn man das so im Sitzen sagen kann. Ich erinnere mich noch dunkel an eine relativ lange Belichtungszeit, die ich damit kompensierte die Kamera neben mir auf einer Stuhlsitzfläche ab-zustellen.
Bei anderen Bildern zielte ich halb aus dem Augenwinkeln. Man muß halt mal was wagen...
Zu Hause dann die Filmentwicklung und irgend wie waren die Negative recht dunkel. C’est la vie.Zur damaligen Zeit besaß ich einen Flachbettscanner, Marke Canon, LF 500 oder so.Er konnte stehen und man legte das Negativ direkt auf das Glas. Das Scannergebnis sah etwas seltsam aus, so halt.
Canonscan 23.03.2006
Ich schraubte mit meinem Photoshop 5 daran herum, verbog die Gradations-kurve, dass es eine Freude war. Ich drehte an der Helligkeit, mit allem so
Absinth kam mir in den Sinn, obwohl ich bis heute keine Berührung mit diesem alkoholischen Getränk habe. Ich stellte mir vor wie es sein könnte wie ein Absinth-Abhängiger die Welt sieht, wenn er morgens nach durchzechter Nacht die Augen öffnet, einen üblen stechenden Schmerz im Auge verspürend.
lange bis das Ergebnis mir gefiel. Es sah schon anders aus und mir kam relativ schnell der Gedanke wie der Titel lauten könnte: Absinth.
das "fertige" Bild 2006
Als ich mir danach mein Buch aus L’Isle-sur-la-Sorgue, mit den Bildern von Willy Ronis ansah, stellte ich fest, dass ich im selben Cafe’ gesessen hatten, welches der französische Meisterfotograf von außen abgelichtet hatte. Auch nicht schlecht , dachte ich so aber so viele Cafe’s gab es ja nicht im Ort.
Mit meinem aktuellen Scanner von Ep-son, einem V500, habe ich das Bild noch einmal gescannt und man sieht (rechts - und Titelbild), dass es doch nicht so ist wie der ja eigentlich grotti-ge Canonscan, nur so richtig Absinth ist es nicht mehr. Der Stich ins Auge fehlt.
Und so sieht das Ergebnis aus, wenn das Negativ auf dem Papier landet, der eigentliche Charme des verhunzten Scanns von damals fehlt.
Hamburg, im Januar 2012Joerg Behring
Papierabzug des Scans vom 28.08.2011
Scan und bearbeitet 28.08.2011
Georg Heym
Träumerei in Hellblau
Alle Landschaften haben
Sich mit Blau gefüllt.
Alle Büsche und Bäume des Stromes,
Der weit in den Norden schwillt.
Blaue Länder der Wolken,
Weiße Segel dicht,
Die Gestade des Himmels in Fernen
Zergehen in Wind und Licht.
Wenn die Abende sinken
Und wir schlafen ein,
Gehen die Träume, die schönen,
Mit leichten Füßen herein.
Zymbeln lassen sie klingen
In den Händen licht.
Manche flüstern, und halten
Kerzen vor ihr Gesicht.
Georg Heym war ein deutscher Schrift-
steller und einer der wichtigsten Lyri-
ker des literarischen Expressionismus -
wie Wikipedia schreibt.
Er starb 25jährig im Jahre 1912 beim
Schlittschuhlaufen auf der Havel beim
vergeblichen Versuch einen Freund zu
retten, der ins Eis eingebrochen war.
Die Mitglieder der Werkstätte Fotogra-
fie Mannheim wollen in diesem Jahr
sich mit literarischen Texten beschäfti-
gen; man konnte sich Texte aussuchen
oder sich einen Text zulosen lassen -
oder beides.
Ich suchte mir drei Texte aus:
Franz Kafka: Nachts
Ein kurzer für Kafka typischer Text
über die Nacht, das Schlafen und das
Wachen.
Hugo Ball: Wolken
Ein Lautgedicht des Dadaisten Hugo
Ball aus landsmannschaftlicher Ver-
bundenheit - er stammt auch aus der
Pfalz (Pirmasens). Nein ... es ist
einfach spannend ein Lautgedicht zu
visualisieren!
Arthur Rimbaud: Le bateau ivre
Ein 100 Zeilen Langgedicht ...
Einer der Mitfotografen sagte (in ande-
rem Zusammenhang): "Man muss den
Mut zum Scheitern haben."
Den habe ich.
Ob ich mich mit allen drei Texten aus-
einandersetzen werde weiß ich noch
nicht, vielleicht bin ich nach einem
schon "erledigt".
Begonnen habe ich mit dem zugelos-
ten Gedicht, das ich hier vorstelle:
Träumerei in Hellblau von Georg
Heym.
Es ist spannend zu überlegen, was das
Gedicht sagt und wie man selbst dar-
auf reagiert.
Das Gedicht von Georg Heym erzählt
von Tagträumen: die Ferne, das Reisen
und von der Sehnsucht nach Verände-
rung.
Dann folgen die Träume der Nacht, die
sich mit hellen Klängen herein schlei-
chen, die nichts bedrohliches haben,
nein, sie sind willkommen, denn es
sind schöne Träume.
Ich versuchte mit den ersten Bildern
diese Tagtraumstimmung einzufangen.
Das Bild der Person an der Haltestelle
leitet zur Nacht über und das Foto von
der Landstraße bei Lauterburg ist ein
"nächtlicher" Traum.
Aber sein Lebensschicksal ließ mich
auch nicht los, dieser frühe Tod im
Fluss, eingebrochen ins Eis der Havel.
Deshalb fotografierte ich "in letzter Mi-
nute" im Pfälzer Wald an der Eiswoog
(der Name hat seinen Grund) Eis und
angeschmolzenes Eis, experimentierte
mit Unschärfe.
Ob ich das so lasse, ob ich es erweite-
re oder etwas ganz anderes daraus
mache, das weiß ich noch nicht - hier
stelle ich also eine Arbeit im Werden
vor ... auch mit dem Risiko des Schei-
terns.
Vögel am Himmel
sind schon eine Plage, erst recht Vögel
in tonigem Schwarzweißhimmel. "Ist
das ein Fleck?", frägt sich der eine
oder andere und versucht durch Annä-
herung die Frage zu lösen.
Ich kenne einen, der trägt bei Bildbe-
sprechungen weiße Baumwollhand-
schuhe und wischt dann hemmungslos
über das Foto um zu prüfen: Fleck
oder Vogel.
Er hat recht!
Das Foto habe ich übrigens mit Light-
room bearbeitet. Nach Jahren mit Bib-
ble pro orientierte ich mich neu.
Im nächsten Magazin werde ich über
meine Erfahrungen mit Lightroom be-
richten ...
... das nächste Magazin...
...kommt im Sommer 2012 und wer
Lust hat, der kann gerne nicht nur dar-
in Lesen, sondern auch veröffentli-
chen ... einfach mir schreiben.
Verantwortlich für den Inhalt:
Manfred Hofmann
Silvanerweg 10
67147 Forst
www.lumaho.de