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Die Steuerkraft der Länder (vor Ausgleich) …
53,3%
53,8%
54,1%
54,1%
65,8%
79,4%
79,4%
87,9%
88,0%
91,8%
95,6%
99,3%
116,8%
121,6%
128,3%
147,6%
Thüringen
Sachsen
Mecklenburg-Vorp.
Sachsen-Anhalt
Brandenburg
Saarland
Schleswig-Holstein
Niedersachsen
Bremen
Berlin
Rheinland-Pfalz
Nordrhein-Westfalen
Baden-Württemberg
Hessen
Bayern
Hamburg
Januar 2015. Länderdurchschnitt = 100 %. Bundesministerium der Finanzen, vorläufige Abrechnung zur Durchführung des FAG 2013.
Graphik 1
Länderdurchschnitt 100%
Der Länderfinanzausgleich. Zahlen, Fakten, Behauptungen – ein Überblick
Der Länderfinanzausgleich – ein umstrit-
tenes Thema. Worum geht es?
Nicht alle Länder sind wirtschaftlich
gleich stark. Dafür gibt es oft historische
Gründe (z.B. die Nachwirkungen der
deutschen Teilung) oder Gründe, die in
der Wirtschaftsstruktur liegen (z.B. das
Wegbrechen der Montanindustrie).
Die Folge: So wie die Wirtschaftskraft
streut auch die Steuerkraft der Länder. In
Hamburg liegt sie beispielsweise 48 %
über dem Länderdurchschnitt, in den neu-
en Ländern um annähernd 50 % darunter.
Zu den prägenden Elementen des deut-
schen Föderalismus gehört jedoch auch
die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse
im Bundesgebiet. Und die Lebensverhält-
nisse werden nun einmal ganz wesentlich
davon mitbestimmt, welche Finanzmittel
den Ländern und Gemeinden für die Be-
reitstellung öffentlicher Leistungen zur
Verfügung stehen. Deshalb enthält das
Grundgesetz den Auftrag, in einem Fi-
nanzausgleich unter den Ländern sicher-
zustellen, dass die unterschiedliche Fi-
nanzkraft angemessen ausgeglichen wird
(Art. 107 GG).
Entscheidend ist der Einwohnerbezug: Al-
le Berechnungen erfolgen auf der Grund-
lage »pro Einwohner« – für Geber- wie
für Nehmerländer. Denn: jeder Einwohner
hat einen gleichen Anspruch auf Daseins-
vorsorge. Ein möglicherweise bestehender
außerordentlicher Bedarf oder außer-
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Januar 2015. Verbleibende Einnahmen im Durchschnitt der Jahre 2012 und 2013 nach LFA und Allgemeine BEZ, ohne Sonderbedarfs-BEZ. Quelle: Schulte, Hubert;
in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2014: 381-398.
Verbleibende Einnahmen nach Finanzausgleich 2012/2013 je Einwohner
Graphik 2
3 890
3 874
3 866
3 744
3 614
3 482
Hessen
Baden-Württemberg
Bayern
Nordrhein-Westfalen
Flächenländer West (ohne NRW)
Flächenländer Ost
Geberländer
Empfängerländer
Durchschnitt Flächenländer
ordentliche Belastungen (beispielsweise
aufgrund hoher Arbeitslosigkeit oder einer
anpassungsbedürftigen Infrastruktur) spie-
len im Finanzausgleich keine Rolle.
Sind nach Finanzausgleich alle Länder
gleich?
Nein. Ein finanzschwaches Land bleibt fi-
nanzschwach – auch nach Finanzaus-
gleich.
So, wie umgekehrt ein finanzstarkes Land
finanzstark bleibt. Das garantiert das Fi-
nanzausgleichsgesetz (siehe auch S. 3).
Bayern beispielsweise standen im Jahre
2013 nach Finanzausgleich 2,4 Milliarden
Euro mehr zur Verfügung als bei durch-
schnittlichem Steueraufkommen. Sachsen
hingegen fehlten 600 Millionen Euro am
Durchschnitt.
Der Finanzausgleich bewirkt eine Anglei-
chung der Finanzkraft der Länder, aber –
anders als sein Name besagt – eben keinen
Ausgleich.
Deshalb bestehen trotz Finanzausgleich
immer noch beeindruckende Unterschiede
in der Einnahmenausstattung der Länder
fort.
Die Geberländer verfügen über jährlich
3.874 Euro je Einwohner, das entspricht
104,0 % des Durchschnitts der Flächen-
länder, sie übertreffen den Durchschnitt
um 150 Euro. Der Abstand der drei Ge-
berländer gegenüber den Flächenländern
im Westen (ohne NRW) beläuft sich auf
250 Euro je Einwohner. Gegenüber den
Flächenländern im Osten beträgt der Ab-
stand sogar 390 Euro je Einwohner! Das
ist ein Abstand von 10,5 Prozentpunkten.
Diese Zahlen verdeutlichen den erhebli-
chen Abstand zwischen Ländergruppen
und einzelnen Ländern, der nach allen
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Stufen des Finanzausgleichs verbleibt. Es
erfolgt somit eine (teilweise) Anglei-
chung, aber keinesfalls ein Ausgleich der
Finanzkraft der Länder.
Welche Einnahmen werden im Finanz-
ausgleich berücksichtigt?
Grundsätzlich alle Einnahmen von Län-
dern und Gemeinden. Im Wesentlichen
betrifft das die Steuereinnahmen – wobei
die kommunalen Steuereinnahmen derzeit
nur zu 64 % berücksichtigt werden.
Unberücksichtigt bleiben Einnahmen, die
unerheblich sind, die in allen Ländern in
vergleichbarer Höhe anfallen, die Entgelte
darstellen oder die nur aufwendig zu er-
mitteln wären.
Wie hoch darf der Ausgleich unter den
Ländern sein?
Das Maßstäbegesetz, auf dem der Finanz-
ausgleich beruht, fordert eine hinreichen-
de Annäherung der Finanzkraft der Län-
der. Diese ist nach dem Gesetz dann er-
reicht, wenn die Eigenstaatlichkeit der
Länder und ihre Einbindung in die bun-
desstaatliche Solidargemeinschaft zu-
gleich berücksichtigt sind. Letzthin han-
delt es sich also um einen Abwägungspro-
zess.
Der Ausgestaltung des Finanzausgleichs
für den Zeitraum 2005 bis 2019 haben alle
Länder zugestimmt.
Was darf der Finanzausgleich nicht?
Das Maßstäbegesetz verbietet ausdrück-
lich, dass die Leistungsfähigkeit der Ge-
berländer entscheidend geschwächt wird.
Ebenso ist eine Nivellierung der Finanz-
kraft der Länder ausgeschlossen. Das be-
deutet: Auch nach Finanzausgleich müs-
sen finanzkraftstärkere Länder höhere
Einnahmen aufweisen als der Länder-
durchschnitt – und finanzkraftschwächere
Länder dementsprechend geringere Ein-
nahmen. Der Finanzausgleich darf auch
nicht die Finanzkraftunterschiede zwi-
schen den einzelnen Ländern aufheben.
Und schon gar nicht darf er die Finanz-
kraftreihenfolge unter den Ländern verän-
dern.
Allen diesen Anforderungen wird der ge-
genwärtige Finanzausgleich gerecht.
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1950
1955
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
2025
Maßstäbegesetz
FAG 1993 , 2005
neue Länder
BVerfG 1999
FAG 1969, 1988
BVerfG 1986
BVerfG 1992
große Finanzreform
BVerfG 1952
FAG 1950 ff, 1955, 58, 65
Januar 2015. FAG = Finanzausgleichsgesetz. BVerfG = Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich sowie klagende Länder; 2013: Klage
eingereicht.
Der Finanzausgleich in Deutschland
FAG 2020
Württemberg-Baden
Hamburg
Nordrhein-Westfalen
Baden-Württemberg
Bremen
Hessen
Saarland
Hamburg
Hamburg
Bremen
Saarland
Schleswig-Holstein
Baden-Württemberg
Bayern
Hessen
Bremen
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
2013
Bayern
Hessen
Graphik 3
Seit wann gibt es den Finanzaus-
gleich?
Seit 1949 – also seit Bestehen der Bundes-
republik.1 In seiner Geschichte ist er er-
staunlich selten substantiell verändert
worden, wesentliche Elemente galten von
Anfang an. 1995 wurden die ostdeutschen
Länder in den Finanzausgleich integriert.
Vier Verfahren wurden bisher vor dem
Bundesverfassungsgericht zum Finanz-
ausgleich geführt. Gleich im ersten Ver-
fahren (1952) stellte das Bundesverfas-
sungsgericht fest: In welcher Intensität der
Finanzausgleich unter den Ländern ausge-
übt wird, sei eine finanzpolitische und
keine verfassungsrechtliche Frage; sie
entziehe sich mithin der Prüfung durch
das Bundesverfassungsgericht.
1 Erstmals geregelt im Gesetz des Wirtschaftsrats zur
vorläufigen Regelung der Kriegsfolgelasten im Rech-
nungsjahr 1949 vom 6. August 1949.
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3,53%
3,39%3,32% 3,32%
2,97% 3,00%2,90%
2,95%3,03%
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Ausgleichsbeträge im Länderfinanzausgleich (LFA) 2005 - 2013
Graphik 4
Januar 2015. In % der Finanzkraft. Quelle: Schulte, Hubert; in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2014: 381-398..
Anteil des
Länderfinanzausgleichs
an der Finanzkraft der
Länder
Erwartung aller Länder 2001 für 2005: 3,84%
Durchschnitt 2005 - 2013: 3,14%
Wie groß ist das Umverteilungsvolu-
men unter den Ländern?
Überschaubar. Im Jahre 2013 belief sich
das Volumen des Finanzausgleichs auf
8,5 Milliarden Euro. Bezogen auf die ge-
samten Steuereinnahmen von Ländern und
Gemeinden (328,5 Milliarden Euro) wa-
ren das gerade 2 ½ %, von der Finanzkraft
der Länder waren es nur 3 % und machen
im langfristigen Durchschnitt lediglich
0,3 % des Bruttoinlandprodukts aus.
Das ist deutlich weniger als das, was 2001
bei Zustimmung aller Länder zum seit
2005 geltenden Länderfinanzausgleich
erwartet worden war.
Fazit: Das Volumen des Länderfinanzaus-
gleichs erreichte in keinem Jahr den ge-
meinsam erwarteten Anteil von 3,84 % an
der Finanzkraft der Länder.
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Januar 2015. Millionen Euro. Bundesministerium der Finanzen.
6 92
0
7 49
0
8 27
3
7 56
8
7 44
5
6 61
0
6 80
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7 32
2
7 91
7
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3
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8
7 03
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7 32
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7 89
1
8 45
9
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Das Volumen des Finanzausgleichs 1998 bis 2013
Graphik 5
Hat das Volumen des Finanzaus-
gleichs zugenommen?
Nein. In den zurückliegenden 16 Jahren
bewegte sich das Volumen des Finanz-
ausgleichs in einem Korridor zwischen 6,6
und knapp 8,5 Milliarden Euro. Der nie-
drigste Wert wurde 2003 realisiert, die
beiden höchsten in den Jahren 2000 und
2013.
Im Jahre 2000 lag das Volumen des Fi-
nanzausgleichs bezogen auf die Steuer-
einnahmen von Ländern und Gemeinden
bei 3,7 %, im Jahre 2003 bei 3,2 %, 2008
bei 3,0 % und 2013 bei 2,8 %.
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Wer sind die Geberländer, wer die
Nehmerländer?
Im Jahre 2013 gab es drei Geberländer:
Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.
Ihnen standen dreizehn Nehmerländer ge-
genüber. Einige der Nehmerländer nah-
men jedoch, gerechnet je Einwohner, nur
vergleichsweise kleine Beträge in An-
spruch, weil sie sich in der Nähe der
durchschnittlichen Finanzkraft der Länder
bewegten (Hamburg, Nordrhein-
Westfalen und Niedersachsen). Hamburg
übrigens wechselte in der Vergangenheit
öfter vom Geber- zum Nehmerland und
zurück. In 2014 ist es (wieder) Geberland.
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g l o b a l e F i n a n z k r i s e
Anteile der Geberländer am Finanzausgleich
35%
49%
51%
30%
22% 29
%
30% 27
% 20%
5%
2008 2009 2013*
Januar 2015. Bundesministerium der Finanzen, eigene Berechnungen *) vorläufige Abrechnung zur Durchführung des FAG 2013.
Hamburg
Hessen
Baden-Württemberg
Bayern
Graphik 7
Warum zahlt Bayern gegenwärtig die
Hälfte des Finanzausgleichs?
Das hat vor allem etwas mit der globalen
Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun, die
sich ab dem Jahre 2009 in den öffentli-
chen Haushalten niederschlug. In den Jah-
ren 2005 bis 2008 lag der bayerische An-
teil am Finanzausgleich bei etwa 30 %. Im
Jahre 2009 stieg er dann sprunghaft auf
knapp 50 % an (während gleichzeitig das
Volumen des Finanzausgleichs von 8,2
auf 6,8 Milliarden Euro fiel).
Bayern kam eben besser durch die Krise
als die beiden anderen Geberländer. An-
fangs knickte Baden-Württemberg deut-
lich ein, dann Hessen.
Inzwischen hat sich Baden-Württemberg
aber wirtschaftlich wieder erholt und 2013
mit 29 % einen fast gleich hohen Anteil
am Länderfinanzausgleich übernommen
wie 2008. Dagegen muss Hessen seinen
aktuellen Einbruch auf 20 % (von zuvor
30 % im Jahre 2008) erst noch überwin-
den.
Schon ist aber absehbar, dass der bayeri-
sche Anteil am Länderfinanzausgleich
wieder zurückgehen wird – sobald Hessen
zu alter Finanzkraft zurückfindet.
So wie gerade Baden-Württemberg.
Nicht eine zunehmende Schwäche der
Nehmerländer ist also ursächlich für die
bayerischen Belastungen, sondern unglei-
che Krisenauswirkungen im Kreise der
Geberländer.
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Anteile der einzelnen Geberländer am Finanzausgleich
21%
35%
26%
30%
25%
30%23
%5% 5%
1998 2008
Januar 2015. Bundesministerium der Finanzen, eigene Berechnungen
Nordrhein-Westfalen
Hessen
Baden-Württemberg
Bayern
Hamburg
Graphik 8
Wird die Zahl der Geberländer immer
kleiner?
Mit finanziell bedeutsamen Beiträgen zum
Gesamtvolumen des Finanzausgleichs wa-
ren seit 1995 (dem Zeitpunkt des Einbe-
zugs der ostdeutschen Länder in den Fi-
nanzausgleich) vier Länder beteiligt: Ba-
den-Württemberg, Bayern, Hessen und
Nordrhein-Westfalen. 1998 trug jedes die-
ser Länder rund ein Viertel zum Länderfi-
nanzausgleich bei. In den folgenden zehn
Jahren fiel jedoch der Anteil Nordrhein-
Westfalens auf null. Mit der Folge, dass
sich 2008 drei Länder (Baden-Württem-
berg, Bayern und Hessen) die Lasten im
Finanzausgleich teilten – zu jeweils etwa
einem Drittel. (Hamburg war sowohl 1998
als auch 2008 mit jeweils rd. 5 % betei-
ligt.)
Bei der Zahl von drei großen Geberlän-
dern wird es auch weiterhin bleiben. Kei-
nes dieser drei Länder wird aus dem Kreis
der Geberländer ausscheiden. Und sobald
Hessen zu alter Finanzkraft zurückgefun-
den hat, werden die Beiträge zum Finanz-
ausgleich auch wieder gleichmäßig auf al-
le drei Länder verteilt sein (siehe auch
S. 8).
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Der Länderfinanzausgleich nach Einwohnern
Januar 2015. Millionen Einwohner. Nehmerländer ohne Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Niedersachsen. Einwohner per 30. Juni 2013.
Graphik 9
Auf die Zahl der Geberländer kommt es
jedoch gar nicht an. Das ist und bleibt eine
Milchmädchenrechnung, denn die Länder
sind bekanntlich unterschiedlich groß.
Im Finanzausgleich spielen zwei Größen
eine Rolle: die Zahl der Einwohner – und
der Abstand der eigenen Finanzkraft je
Einwohner zu der des Länderdurch-
schnitts.
Was aber zeigt der Vergleich der Einwoh-
nerzahlen zwischen Geber- und Nehmer-
ländern?
Lässt man die Länder Hamburg, das mal
Geber-, mal Nehmerland ist, sowie Nie-
dersachsen und Nordrhein-Westfalen –
deren Finanzkraft gewöhnlich in unmittel-
barer Nähe des Länderdurchschnitts liegt
– einmal unberücksichtigt, dann zeigt
sich: Die Einwohnerzahlen in Geber- und
in Nehmerländern sind annähernd gleich
verteilt: Drei große Geberländer mit zu-
sammen 29 Millionen Einwohnern unter-
stützen elf kleine Nehmerländer mit ins-
gesamt 26 Millionen Einwohnern.
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So wird der Finanzausgleich abgewickelt …
Bundesanteil
an der
Umsatzsteuer
53,4%
Landesanteil
an der
Umsatzsteuer
44,6%
Bundesanteil
20,5%
Landesanteil
77,5%
Landesanteil
27,0%
Bundesanteil
71,0%N
orm
alfa
ll
Bei
spie
lsfa
ll G
eber
land
Bei
spie
lsfa
ll N
ehm
erla
nd
Januar 2015.
Graphik 10
Welchen Betrag zahlt Bayern an Ber-
lin?
Gar keinen. Im Finanzausgleich fließen –
anders, als man es vielleicht erwarten
würde – überhaupt keine Zahlungen von
einem Land an ein anderes. Die Verrech-
nung erfolgt vielmehr über die technische
Verteilung des Umsatzsteueraufkommens,
allein durch Absenkung oder Erhöhung
des Bundesanteils.
Ein Land mit länderdurchschnittlicher Fi-
nanzkraft führt (nach Abzug des Gemein-
deanteils von 2 %) 53,4 % des örtlichen
Aufkommens an den Bund ab; 44,6 % be-
hält es selbst.
Im Falle eines Geberlandes steigt der An-
teil des Bundes (im Beispiel auf 71,0 %;
das Land behält damit nur 27,0 % als sei-
nen Eigenanteil an der Umsatzsteuer).
Im Falle eines Nehmerlandes ist es umge-
kehrt: Der Bundesanteil sinkt (im Beispiel
auf 20,5 %; der Landesanteil am örtlichen
Aufkommen der Umsatzsteuer steigt auf
77,5 %). Wobei auch der Fall auftreten
kann, dass der Bund überhaupt keine Ab-
führungen aus einem Land erhält, sondern
seinerseits zusätzliche Abschläge zahlt.
Die Verteilung erfolgt in einem vorläufi-
gen Verfahren, das durch quartalsweise
Abrechnungen und eine Endabrechnung
ergänzt wird.
Oberster Sachwalter des Finanzausgleichs
ist also der Bund – sowohl hinsichtlich der
gesetzlichen Regelung (Maßstäbegesetz,
Finanzausgleichsgesetz) als auch hinsicht-
lich der praktischen Durchführung (Clea-
ring-Verfahren). Die Finanzministerien
und die Rechnungshöfe aller sechzehn
Länder begleiten und überprüfen das Ver-
fahren laufend.
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Grenzbelastungen der drei großen Geberländer 2005 bis 2012
13 885
10 414
5 0643 383 3 222
-1 670
- 459
279
- 70
867
Bayern Baden-Württemberg Hessen Rheinland-Pfalz Berlin
Zuwachs Steueraufkommen Veränderungen Beiträge LFA
Januar 2015. Millionen Euro. Summe der Jahre 2005 bis 2012. Schulte, Hubert, in: Jahrbuch für Öffentliche Finanzen 2013: 387-405, eigene Berechnungen.
Zum Vergleich
Graphik 11
Was hat ein Geberland von eigenen
Anstrengungen?
Ein gängiges Vorurteil lautet: Von zusätz-
lichen Einnahmen habe ein Geberland
(fast) nichts. Der Finanzausgleich kassiere
weitgehend alles ab.
Überraschend, wie sich dieses Vorurteil
hält. Denn schon das Maßstäbegesetz,
auf dem der Finanzausgleich beruht,
verbietet genau dieses.
Und so sehen die Tatsachen aus: Bayern
hat von 2005 bis 2012 ein Steuermehr-
aufkommen von 13,89 Mrd Euro, davon
hat es nur 12,0 % abgegeben. Baden-
Württemberg hat von 10,41 Mrd Euro
Mehraufkommen lediglich 4,4 % abge-
geben. Bei Hessen erfolgte im Ergebnis
überhaupt keine Abschöpfung des
Mehraufkommens, im Gegenteil: die
Beiträge im Finanzausgleich verringer-
ten sich sogar. Die Steuereinnahmen
wuchsen in Hessen von 2005 bis 2012
um 5,1 Mrd Euro, gleichzeitig wurde
Hessen um 279 Mio Euro im Finanzaus-
gleich entlastet. Dieses Beispiel zeigt,
wie der Finanzausgleich auch Geberlän-
der gegen eine mögliche Überlastung
schützt: Zu den 5,1 Milliarden Euro
Steuermehreinnahmen 2005 bis 2012 ka-
men noch 279 Millionen Euro Entlastung
bei Finanzausgleich, die dem Land zur Fi-
nanzierung des Haushalts zusätzlich zur
Verfügung standen.
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Bonus in Höhe von
12 % für Länder mit besonders
hohem Steuerwachstum
Anreizelemente des Finanzausgleichs
Begrenzung der
durchschnittlichen Abschöpfung
auf 72,5% der Überschüsse
Von jeder Steuermehreinnahme
verbleibt dem Land auch nach
Finanzausgleich ein
Eigenbehalt. Bei den
Kommunalsteuern ist dieser
besonders hoch, da 36 % nicht
in den Finanzausgleich
einbezogen sind.
Deckelung Eigenbehalt Prämie
Januar 2015.
Graphik 12
Eigenbehalt, Prämie, Deckelung –
Maßnahmen zur Stärkung des Eigenin-
teresses, Verhinderung übermäßiger
Belastungen
Die vorangehende Seite hat bereits ge-
zeigt: Der Finanzausgleich belässt den
Geberländern große Teile ihrer Steuer-
mehreinnahmen. Den Vorwurf, der Fi-
nanzausgleich habe nur unzureichende
Anreizwirkungen, wird man bei einem tat-
sächlichen Eigenbehalt zwischen 75 und
90 % nicht wirklich aufrechterhalten kön-
nen.
Darüber hinaus werden aber auch über-
durchschnittliche Steuerzuwächse mit ei-
ner Prämie belohnt; hier sieht das Finanz-
ausgleichsgesetz einen Bonus in Höhe von
12 % vor – unabhängig davon, ob es sich
um ein Nehmer- oder ein Geberland han-
delt.
Übrigens: Die höchste Prämie je Einwoh-
ner hatte bisher Berlin (2010).
Schließlich werden auch die Geberländer
noch einmal zusätzlich gegen eine zu hohe
Abschöpfung ihrer Finanzkraft geschützt:
Eine Deckelung der Abschöpfung auf
72,5 % der Überschüsse verhindert wirk-
sam eine übermäßige Inanspruchnahme.
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Januar 2015. Millionen Euro.
Bayerische Ausgleichsleistungen 2013
Bayern
4 320
sieben
Umsatzsteuerpunkte
(rd. zwei Milliarden Euro)
Graphik 13
Kann das denn gerecht sein? Bayern
hat mehr in den Finanzausgleich ein-
gezahlt als erhalten.
Um dies gleich klarzustellen: Der Finanz-
ausgleich ist keine Pensionskasse, in die
man einzahlt, um eines Tages einen schö-
nen Batzen Geld zurückzubekommen.
Vielmehr: Ein Land trägt dann zum Fi-
nanzausgleich bei, wenn die Finanzkraft je
Einwohner über dem Länderdurchschnitt
liegt. Das kann je nach Gegebenheiten
auch dauerhaft sein. Hessen und Baden-
Württemberg haben seit Bestehen der
Bundesrepublik nie etwas aus dem Fi-
nanzausgleich erhalten.
Nicht vergessen sollte man auch: Bayern
zahlte im Jahre 2013 zwar 4,2 Milliarden
Euro in den Finanzausgleich ein; aber da-
von stammte gut die Hälfte aus sieben
Umsatzsteuerpunkten, die der Bund 1995
den Ländern für die Durchführung des Fi-
nanzausgleichs überlassen hatte. Die tat-
sächliche »Belastung« des bayerischen
Landeshaushalts ist also gerade mal halb
so groß wie es den Anschein hat.
15 / 25
Aber Berlin erhält doch den größten
Teil des Finanzausgleichs?
Ein beliebter Vorwurf gegen den Finanz-
ausgleich ist, dass vor allem Berlin »profi-
tiere« – denn die Hälfte des Ausgleichsvo-
lumens fließt derzeit an Berlin.
Nur: Die Ausgleichsleistungen, die Berlin
erhält, bemessen sich wie bei allen ande-
ren Nehmerländern nach der Einwohner-
zahl und dem Abstand zur länderdurch-
schnittlichen Finanzkraft. Für die Stadt-
staaten (und einige schwachbesiedelte
Flächenländer) kommt noch die besondere
Einwohnerwertung dazu. Darüber hinaus-
gehende Ausgleichselemente gibt es im
Finanzausgleich nicht.
So werden etwa die Hauptstadtfunktionen
Berlins über direkte Leistungen des Bun-
des ausgeglichen, die im Hauptstadtfinan-
zierungsvertrag festgelegt sind. Der Fi-
nanzausgleich hat damit nichts zu tun,
ebenso wenig wie mit den Belastungen
aus der ehemaligen deutschen Teilung; für
diese gibt es die Sonderbedarfs-Bundes-
ergänzungszuweisungen (SoBEZ).
In der aktuellen politischen Auseinander-
setzung um den neu zu regelnden bundes-
staatlichen Finanzausgleich taucht mit ei-
niger Beharrlichkeit der (interessengelei-
tete) Vorschlag auf, Berlin aus dem hori-
zontalen Länderfinanzausgleich (LFA)
herauszunehmen und durch den Bund di-
rekt zu finanzieren. Diese Forderung ist
aus mehreren Gründen strikt zurückzu-
weisen:
Eine Bundesfinanzierung für Berlin an
Stelle seines Einbezugs in den horizonta-
len LFA lässt sich weder mit den Haupt-
stadtaufgaben, dem Umfang der LFA-
Zuweisungen an Berlin noch den Wirkun-
gen der Einwohnerwertung begründen.
Die Hauptstadtfunktion spielt wie bereits
dargelegt keinerlei Rolle im LFA. Der
Umfang der LFA-Zuweisungen an Berlin
ist weder absolut noch pro Kopf im Ver-
gleich zu den ostdeutschen Flächenlän-
dern außergewöhnlich hoch, wenn beide
horizontalen Umverteilungsstufen (Um-
satzsteuerausgleich und Länderfinanzaus-
gleich) gemeinsam betrachtet werden (und
sachgerechter Weise für Berlin die gewer-
tete Einwohnerzahl verwendet wird).
Nur wenige wissen, dass Sachsen (bei
ähnlicher Einwohnerzahl) zusammenge-
nommen absolut und relativ mehr Geld
erhält als Berlin. Nur fließt das Geld dort
nicht hauptsächlich im Wege des Finanz-
ausgleichs, sondern über den vorgelager-
ten Umsatzsteuerausgleich. Umsatzsteuer-
ausgleich und Länderfinanzausgleich wir-
ken beide umverteilend, sind beide im Fi-
nanzausgleichsgesetz geregelt, nutzen so-
gar den gleichen Verteilungsweg über die
Variation des Bundesanteils an der Um-
satzsteuer (siehe oben, S. 11).
Allerdings: Die Zahlen für den Länderfi-
nanzausgleich, bei denen Berlin exponiert
dasteht, werden kontrovers diskutiert. Die
Zahlen für den Umsatzsteuerausgleich da-
gegen kennen bislang vor allem Fachleute.
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Horizontale Umverteilung 2013 - Vergleich Berlin und Flächenländer Ost
3 268 3 350
1 860
1 4781 384
1 822
713829 827 842 867 842
Berlin Sachsen Sachsen-Anhalt Brandenburg Mecklenbg.-Vorp. Thüringen
Horizontale Umverteilung absolut Horizontale Umverteilung pro Kopf
Januar 2015. Summe aus LFA und Umsatzsteuerausgleich. Pro-Kopf-Wert für Berlin auf Basis Einwohnerwertung. Quelle: Schulte, Hubert in: Wirtschaftsdienst
10/2014. Graphik 14
Die besondere Einwohnerwertung für Ber-
lin ist verfassungsgerichtlich bestätigt
worden (s. unten). Sie ist aufgrund der
unverfügbar vorgegebenen strukturellen
Eigenart der Stadtstaaten (Ballungszentren
ohne Umland), die zu einem im Vergleich
zu Flächenländern höheren (abstrakten)
Finanzbedarf pro Kopf führt, geboten. Die
besondere Einwohnerwertung verhindert
im Falle des finanzkraftstarken Hamburg
eine Überabschöpfung, im Falle der fi-
nanzkraftschwachen Länder Berlin und
Bremen eine unzureichende Auffüllung
der Finanzkraft im LFA.
Auch aus der relativen Wirtschafts- und
Finanzkraft Berlins lässt sich keine Son-
derstellung gegenüber den neuen Ländern
herleiten. Berlin liegt bei den einschlägi-
gen Indikatoren (z.B. BIP und Steuerauf-
kommen je Einwohner) sogar vor den ost-
deutschen Flächenländern, aber immer
noch deutlich unter dem Durchschnitt der
westdeutschen Flächenländer. Gesamt-
staatlich ist die Forderung nach einer Son-
derregelung anachronistisch, weil Bun-
deszuweisungen für Berlin statt Einbezie-
hung in den Länderfinanzausgleich ein
Schritt zurück in den Status vor der deut-
schen Einheit wären. Berlin verlöre damit
erheblich an Autonomie im bundesstaatli-
chen Gefüge, was auch die Länderge-
samtheit schwächen würde.
Die Sonderregelung wäre zudem finanz-
verfassungsrechtlich nicht zulässig; einer
Verfassungsänderung selbst sind durch
Artikel 79 Grundgesetz sehr enge Grenzen
gesetzt.
17 / 25
Die besondere Einwohnerwertung.
Es gibt zwei Formen von besonderen
Einwohnerwertungen im Finanzausgleich
– die für schwachbesiedelte Länder
(Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg
und Sachsen-Anhalt) und die für Stadt-
staaten (Hamburg, Bremen und Berlin).
Die erstgenannte gibt es erst seit 2005, die
zweite in dieser Form seit 1958 (mit weit
zurückliegenden historischen Vorläufern).
Beide Wertungen bewirken, dass die je-
weiligen Länder mit einem stärkeren Ge-
wicht in die Berechnung des Finanzaus-
gleichs eingehen.
Dies ist auch so gewollt. Dünnbesiedelte
Länder haben einen größeren Aufwand
bei der Infrastruktur, Stadtstaaten stellen
regelmäßig Leistungen nicht nur für das
Umland, sondern auch weit entfernte Re-
gionen bereit.2 Hinzu kommen ballungs-
bedingte Mehrausgaben.
Die Berücksichtigung historisch gewach-
sener, struktureller Eigenarten der Stadt-
2 Ein Beispiel: Von den 100 000 Studenten an Berliner
Universitäten kommen nur 37 % aus Berlin selbst; 13 %
stammen aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.
16 % kommen aus dem Ausland (jeweils auf der Basis
des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung; WS
2011/2012).
staaten durch eine besondere Einwohner-
wertung hat das Bundesverfassungsgericht
wiederholt als zulässig bestätigt. Es han-
dele sich hierbei nicht um die Einstellung
von Sonderbedarfen dieser Länder in die
Berechnung des Finanzausgleichs, son-
dern um die Folge einer spezifischen
Problematik des deutschen Bundesstaates.
Das Bestehen von Stadtstaaten gehöre
zum historischen Bestand der deutschen
Staatsentwicklung seit dem 19. Jahrhun-
dert; es sei sachgerecht, diese Andersar-
tigkeit der Stadtstaaten gegenüber den
Flächenstaaten im Länderfinanzausgleich
zu berücksichtigen. Die Andersartigkeit
der Stadtstaaten betreffe nicht etwa nur
deren Nachbarländer, sondern alle Glieder
des Bundes.
Umfang und Höhe dieser Berücksichti-
gung dürften allerdings vom Gesetzgeber
nicht frei gegriffen werden, sondern müss-
ten sich nach Maßgabe verlässlicher, ob-
jektivierbarer Indikatoren als angemessen
erweisen – verglichen etwa mit der Wer-
tung der Einwohner einer Durchschnitts-
gemeinde.
Soweit das Bundesverfassungsgericht.
Die besondere Einwohnerwertung ist
letztmalig im Jahre 2001 (im Vorfeld der
Festlegungen für den Finanzausgleich
2005 bis 2019) im Auftrag des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen vom Bundesinsti-
tut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
(BBSR) überprüft worden. Bayern und
Hessen haben den Ergebnissen seinerzeit
zugestimmt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass auch im kommunalen Finanzaus-
gleich die Städte regelmäßig nach Ge-
meindegrößenklassen behandelt werden
und ebenfalls eine besondere Einwohner-
wertung erhalten. Für die Landeshaupt-
stadt München betrug sie im Jahre 2012
beispielsweise gut 190 %.
Begründet wird diese Einwohnergewich-
tung von der bayerischen Staatsregierung
völlig zu Recht damit, dass »die Gemein-
den mit zunehmender Größe mehr Aufga-
ben, unter anderem auch für das Umland,
erbringen (etwa Ausbildung, Kultur, Ver-
kehrsnetz) und auch die Aufgabenerfül-
lung in einigen Bereichen kostspieliger
wird (etwa im sozialen Bereich).«3
3 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, »Der
kommunale Finanzausgleich in Bayern«, Ausgabe Mai
2012, S. 38
18 / 25
Die armen Länder leisten sich Dinge,
von denen andere nur träumen kön-
nen!
In aller Klarheit: Der Ausgleich unter den
Ländern füllt lediglich die Einnahmen
steuerschwacher Länder auf. Teilweise.
Ein finanzschwaches Land bleibt finanz-
schwach, auch nach Finanzausgleich. Wie
hoch der Bedarf ist, wofür das Geld aus-
gegeben wird – auf beides nimmt der Fi-
nanzausgleich keine Rücksicht. Wer sich
etwas Besonderes leistet, bekommt dafür
kein Geld von den anderen Ländern.
Die Ausgleichsleistungen sind allein ein-
nahmenorientiert, dienen der Angleichung
der unterschiedlichen Finanzkraft. Sie
sind daher nicht zweckgebunden und ste-
hen zur Deckung des allgemeinen Finanz-
bedarfs zur Verfügung.
Mit anderen Worten: Jedes Land ist frei,
seine Einnahmen nach eigenen Prioritäten
auszugeben – auch die aus dem Finanz-
ausgleich. Wie – das entscheidet der Lan-
desgesetzgeber, also das Parlament, auf
Vorschlag der Landesregierung.
Und das heißt zugleich auch: Jedes Land
muss mit den Einnahmen auskommen, die
ihm zur Verfügung stehen. Sobald die
Schuldenbremse – für die Länder ab 2020
– definitiv wirkt, gibt es ohnehin keinen
Ausweg mehr in die Neuverschuldung.
Mehr als das, was in der Kasse ist, kann
nicht ausgegeben werden.
Das gilt für alle Länder in gleicher Weise.
Und das heißt: Wer seiner Bevölkerung
etwa gute Schulen und unentgeltliche
Kitas anbietet, muss sich deshalb an ande-
rer Stelle einschränken. Zum Beispiel
beim Straßenausbau oder auch bei der Be-
amtenbesoldung.
Übrigens: Schon 1952 war von den sei-
nerzeit klagenden Ländern vorgetragen
worden, der Finanzausgleich prüfe nicht,
ob die Nehmerländer ihre Steuern sorg-
sam einzögen und ihre Ausgaben sparsam
bewirtschafteten. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat diesen Vorwurf seinerzeit
als unberechtigt zurückgewiesen.
Wer aber sorgt dafür, dass die Länder
ihre Haushalte in Ordnung bringen?
Mit der Föderalismusreform II, die 2009
in Kraft trat, wurde ein abgestimmter Ka-
talog finanzpolitischer Instrumente einge-
führt – Zielrichtung: eine sichere Umset-
zung der Haushaltskonsolidierung, die
Vermeidung weiterer Haushaltsnotlagen
durch übermäßige Verschuldung und die
Einhaltung der Schuldenbremse, die den
Ländern (von Ausnahmefällen abgesehen)
ab 2020 eine Neuverschuldung verbietet.
― Dem neu eingeführten Stabilitätsrat
obliegt die laufende Haushaltsüber-
wachung von Bund und Ländern.
― Die Länder berichten dem Stabilitäts-
rat jährlich über die Entwicklung be-
stimmter Haushaltskennziffern zur
aktuellen Haushaltslage, über die
Einhaltung der Kreditaufnahmegren-
zen sowie die voraussichtliche Ent-
wicklung bei Zugrundelegung stan-
dardisierter Annahmen (Standardpro-
jektion).
― Bei Überschreiten bestimmter
Schwellenwerte leitet der Stabilitäts-
rat eine Prüfung ein, ob der betreffen-
den Gebietskörperschaft eine Haus-
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Sanierungsverfahren nach § 5 Stabilitätsratsgesetz
Januar 2015. *) sowie Wirtschaftsminister des Bundes.
StabilitätsratFinanzminister von Bund
und Ländern *)
Überwachung der
Haushaltswirtschaft
HaushaltskennziffernFinanzierungssaldo,
Kreditaufnahme,
Schuldenstand,
Zins-Steuer-Relation
Standardprojektion
Sanierungsvereinbarung mit
dem Stabilitätsrat
Abbau der Nettokreditaufnahme
Benennung der erforderlichen Maßnahmen
regelmäßige Berichterstattung
2 012
1 810
1 609
1 408
1 207
1 006
805
604
402
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Feststellung einer
drohenden
Haushaltsnotlage
Evaluation
Überschreitung von
Schwellenwerten
20202010
Stabilitätsberichtejährlich
Graphik 15
haltsnotlage droht. Gleiches gilt,
wenn die Standardprojektion keine
zufriedenstellenden Ergebnisse zeigt.
― Stellt der Stabilitätsrat eine drohende
Haushaltsnotlage fest, vereinbart er
mit der betreffenden Gebietskörper-
schaft ein in der Regel fünfjähriges
Sanierungsprogramm. Dieses Sanie-
rungsprogramm legt fest, wie die Net-
tokreditaufnahme im Sanierungszeit-
raum abzusenken ist und welche
Maßnahmen dazu umzusetzen sind.
― Zweimal jährlich – im April und im
September – berichten die betreffen-
den Gebietskörperschaften über die
Umsetzung der Maßnahmen und den
voraussichtlichen Erfolg ihrer Konso-
lidierungsanstrengungen. Falls erfor-
derlich, sind sie verpflichtet, weitere
Maßnahmen zu benennen, um den
angestrebten Konsolidierungserfolg
sicherzustellen.
Derzeit gibt es vier Sanierungsländer. Die
mit dem Stabilitätsrat abgeschlossenen
Sanierungsprogramme umfassen den Zeit-
raum 2012 bis 2016.
Aber: Anstrengen müssen sich natürlich
alle Länder, um die Schuldenbremse ab
2020 einzuhalten. Nur einigen wenigen
Ländern gelingt dies aus dem Stand.
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Ausgabenzuwächse je Einwohner zwischen 2003 und 20131
7,6%
8,4%
11,0%
14,2%
14,8%
15,1%
15,3%
18,9%
23,0%
23,7%
26,2%
26,3%
26,9%
27,1%
29,5%
31,7%
BERLIN
Sachsen-Anhalt
Mecklenburg-Vorp.
Thüringen
Brandenburg
Bremen
Sachsen
Hamburg
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Hessen
Bayern
Baden-Württemberg
Saarland
Graphik 16
Januar 2015. Ausgangsdaten: ZDL, eigene Berechnungen. Bereinigt um die Ausgaben im Länderfinanzausgleich. Einwohner nach Zensus. 1 Länder und
Gemeinden
Länderdurchschnitt 22,7%
Und warum kommen manche Länder
derzeit mit ihrem Geld nicht aus?
Das zeigt ein Blick auf die Zuwachsraten
der Ausgaben. Die streuen unter den Län-
dern – zwischen 7,6 % und 31,7 %. Wohl-
gemerkt, für einen Zeitraum von zehn Jah-
ren. Da verläuft sich mancher Sonderef-
fekt, der für ein einzelnes Jahr Bedeutung
gehabt haben mag.
Deshalb wird man sich dort im Einzelfall
kaum auf außerordentliche Finanzierungs-
erfordernisse berufen können.
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Finanzströme im Bundesstaat (Auszug)
Zahlungen des Bundes an die Länder
GA Wirtschaft 754
Wohngeld 880
GA Agrarstruktur 667
BaFöG1 226
GA Wissenschaft/ Forschung
639
Kosten der Unterkunft
3 235
GA Bildung 695
Städtebauförderung 683
Regionalisierungs-mittel 6 876
Gemeindeverkehrs-finanzierung
1 581
Entflechtungsmittel 2 569
Investition Ganztagsschulen
Sonstige Finanzströme
EU-Strukturmittel 3 758
Elterngeld 1 710
Forschungsförderung 5 030
Erneuerbare Energien 13 200
Ausgaben des Bundes Verteidigung, Umwelt, Landwirtschaft
16 500
Steuervergünstigungen 21 700
Finanzhilfen 2 845
Sozialversicherungen 163 400
Bundesstaatlicher Finanzausgleich
Steuereinnahmen 619 700
Verteilung der Umsatzsteuer (Länderanteile)
87 800
Länderfinanzausgleich 8 500
Bundesergänzungs-zuweisungen
10 000
Januar 2015. Millionen Euro. Bundesstaatlicher Finanzausgleich gemäß vorläufiger Abrechnung des BMF für das Jahr 2013, alle anderen Zahlen für das Jahr 2010.
Graphik 17
Auf eine Gesamtbetrachtung kommt
es an …
Die Beziehungen zwischen dem Bund und
den Ländern wie auch den Ländern unter-
einander beschränken sich nicht auf die
Steuerverteilung. Vielmehr gibt es eine
Vielzahl von Finanzierungsflüssen, darun-
ter
― Gemeinschaftsaufgaben (u.a. Agrar-
struktur und Küstenschutz, Verbesse-
rung der regionalen Wirtschaftsstruk-
tur),
― Finanzhilfen (u.a. Investitionshilfen
für Seehäfen, Städtebauförderung,
Leistungen nach dem Gemeinde-
verkehrsfinanzierungsgesetz),
― Geldleistungsgesetze des Bundes (u.a.
Grundsicherung im Alter und bei Er-
werbsminderung, Kosten der Unter-
kunft, Wohngeld, Leistungen nach
dem BAföG),
― Hochschulpakt, Exzellenzinitiative
für Spitzenforschung an Hochschulen,
― Förderung des öffentlichen Personen-
nahverkehrs,
― diverse Förderprogramme des Bundes
(u.a. Innovationsförderung), Sonder-
programme der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (u.a. Wohnraummo-
dernisierungs- und Wohneigentums-
programme),
― Subventionen für einzelne Wirt-
schaftsbereiche (Steinkohlebergbau),
― Umlage nach dem Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG), landwirt-
schaftliche Sozialpolitik,
― Investitionen des Bundes in Bundes-
fernstraßen/Bundesautobahnen,
Schienenwege und Bundeswasser-
straßen.
22 / 25
Alle diese Finanzierungszuflüsse haben,
ebenso wie Beschaffungen des Bundes,
unterschiedliche Verteilungswirkungen,
weil sie sich nicht gleichmäßig (d.h. ein-
wohnerbezogen) auf die Länder verteilen.
Hinzu treten die spezifischen Wirkungen
von Steuervergünstigungen, die ebenfalls
nicht regional gleichmäßig wirken, darun-
ter die Umsatzsteuervergünstigungen für
Bergbahnen und Hoteliers, die Investiti-
onszulage oder Steuerermäßigungen für
die Land- und Forstwirtschaft.
In diesem diffizilen Geflecht ist es leicht,
den Überblick zu verlieren.
Am Anfang einer Neuregelung der födera-
len Finanzbeziehungen muss daher eine
Bestandsaufnahme stehen, die über die
heutigen Finanzströme und ihre Vertei-
lungswirkungen Auskunft gibt. Erst im
Gesamtkontext lässt sich beurteilen, ob
die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse
gewahrt ist.
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Allianz Versicherungen
Bakelite GmbH
Bausparkasse Schwäbisch Hall
Blaupunkt
Fiat Group Automobiles Germany AG
Deutsche Grammophon
Deutsche Bank
Hoffmann-La Roche
I.B.M. DeutschlandKali Chemie AG
Kodak Deutschland
KukidentMannesmann AG
Minimax AG
Mondamin GmbH
Neckermann
Deutsche Philips GmbH
Rütgers Germany GmbH
Sarotti
Siemens & Halske
Schwarzkopf
Stiebel-Eltron
UFA
Varta AG
Volkswagen
Berlin
Bremen
Hamburg
Hannover
Braunschweig
Essen
Köln
Düsseldorf
Wuppertal
FrankfurtWiesbaden
Stuttgart
München
10
3412
156
64
33
2843
98
Januar 2015. Klett`s Spezialliste der verlagerten und sitzverlegten Betriebe der Ostzone und von Berlin, 1950; eigene Auswertungen.
Unternehmensverlagerungen aus Berlin nach 1945
Agfa
Deutsche Bau- und Bodenbank
Deutsche Babcock und Wilcox AG
Deutsche Erdöl AG
C & A Brenninkmeyer
Deutsche Industriebank
Dyckerhoff & Widmann AG
General Motors
Hertie
Knorr Bremse AG
Lindt & Sprüngli
Telefunken
Graphik 18
Unternehmensverlagerungen nach
1945
Zu den historischen Gründen unterschied-
licher Steuerkraft gehören unter anderem
die Nachwirkungen der deutschen Tei-
lung. Diese sind bis heute nicht umfassend
aufgearbeitet.
Ein Teilaspekt lässt sich jedoch aufzeigen:
die Unternehmensverlagerungen (bzw.
Verlagerung von Unternehmenssitzen) aus
Berlin als unmittelbarer Folge der deut-
schen Teilung. »Klett’s Spezialliste der
verlagerten und sitzverlegten Betriebe«
geht von 2 000 Firmen aus, die in den
unmittelbaren Nachkriegsjahren von Ber-
lin in das Bundesgebiet wechselten; davon
sind rd. 900 (Stand 1950) namentlich in
der »Spezialliste« nachgewiesen.
Hiervon sind nur wenige wieder nach Ber-
lin zurückgekehrt. Die anderen tragen
heute zur Wirtschaftskraft jener Länder
bei, in denen sie ihre neuen Firmensitze
und Produktionsstätten begründet haben.
Stand Januar 2015
Daten: Zentrale Datenstelle der Landesfinanzminister,
Statistisches Bundesamt, Bundesministerium der Fi-
nanzen
© Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin, 2015
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Texte (Auszüge)
Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland
Art. 107 Abs. 2 GG
Durch das Gesetz ist sicherzustellen, daß die un-
terschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen
ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft
und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeinde-
verbände) zu berücksichtigen. Die Voraussetzun-
gen für die Ausgleichsansprüche der ausgleichs-
berechtigten Länder und für die Ausgleichsver-
bindlichkeiten der ausgleichspflichtigen Länder
sowie die Maßstäbe für die Höhe der Ausgleichs-
leistungen sind in dem Gesetz zu bestimmen. Es
kann auch bestimmen, daß der Bund aus seinen
Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisun-
gen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen
Finanzbedarfs (Ergänzungszuweisungen) ge-
währt.
Gesetz über verfassungskonkretisierende
allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des
Umsatzsteueraufkommens, für den Finanz-
ausgleich unter den Ländern sowie für die
Gewährung von Bundesergänzungs-
zuweisungen (Maßstäbegesetz - MaßstG)
§ 3 Maßstäbegesetz
Von Mehr- oder Mindereinnahmen gegenüber den
länderdurchschnittlichen Einnahmen sowie von
überdurchschnittlichen Mehreinnahmen oder un-
terdurchschnittlichen Mindereinnahmen je Ein-
wohner gegenüber dem Vorjahr muss dem betref-
fenden Land ein Eigenbehalt verbleiben.
§ 6 Maßstäbegesetz
Der Finanzausgleich unter den Ländern dient der
Annäherung ihrer Finanzkraft. Dabei sind die Ei-
genstaatlichkeit der Länder einerseits und ihre
Einbindung in die bundesstaatliche Solidarge-
meinschaft andererseits zu berücksichtigen. Es
bestehen Ausgleichsansprüche der Länder mit un-
terdurchschnittlicher Finanzkraft (ausgleichsbe-
rechtigte Länder) und Ausgleichsverbindlichkei-
ten der Länder mit überdurchschnittlicher Finanz-
kraft (ausgleichspflichtige Länder).
§ 9 Maßstäbegesetz
Der angemessene Ausgleich erfordert eine den
ländereigenen Aufgaben entsprechende hinrei-
chende Annäherung der Finanzkraft der Länder.
Diese ist erreicht, wenn die Eigenstaatlichkeit der
Länder und ihre Einbindung in die bundesstaatli-
che Solidargemeinschaft zugleich berücksichtigt
sind. Auszuschließen sind sowohl eine entschei-
dende Schwächung der Leistungsfähigkeit der
ausgleichspflichtigen Länder als auch eine Nivel-
lierung der Finanzkraft der Länder. Der Länderfi-
nanzausgleich darf weder die Finanzkraftabstände
zwischen einzelnen Ländern aufheben, noch zu
einer Verkehrung der Finanzkraftreihenfolge un-
ter den Ländern führen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom
20. Februar 1952 (1 BvF 2/51)
Das bundesstaatliche Prinzip begründet seinem
Wesen nach nicht nur Rechte, sondern auch
Pflichten. Eine dieser Pflichten besteht darin, daß
die finanzstärkeren Länder den schwächeren Län-
dern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben.
Diese Pflichtbeziehung führt nach der Natur der
Sache zu einer gewissen Beschränkung der finan-
ziellen Selbständigkeit der Länder. ( … )
Eine Kontrolle der Ausgabenwirtschaft der Län-
der ist sowohl dem Bunde als auch den Ländern
untereinander durch Art. 109 GG verwehrt. Aber
auch hierdurch wird der horizontale Finanzaus-
gleich nicht berührt. Denn in § 5 FAG sind nur
bestimmte typische Ausgaben, und zwar durch-
weg nach objektiven Maßstäben in die Berech-
nung des Ausgleichs einbezogen worden, so daß
weder eine leichtfertige Ausgabenwirtschaft eines
ausgleichsberechtigten Landes noch eine sparsa-
me Ausgabenwirtschaft eines pflichtigen Landes
die Höhe der Beiträge und Zuschüsse berühren
kann. Deshalb ist auch der Vorwurf unberechtigt,
daß die ausgleichspflichtigen Länder die Folgen
fremder Willensentscheidungen zu tragen hätten.
( … )
Die Frage, bis zu welchem Intensitätsgrad in den
so abgesteckten Grenzen der horizontale Finanz-
ausgleich vorgetrieben werden kann, ist eine fi-
nanzpolitische und keine verfassungsrechtliche.
Sie entzieht sich der Prüfung durch das Bundes-
verfassungsgericht.
Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten
Senats vom 27. Mai 1992 (2 BvF 1, 2/88, 1/89,
1/90)
Der horizontale Finanzausgleich nach Art. 107
Abs. 2 Satz 1 GG ist in erster Linie ein Ausgleich
des Finanzaufkommens; Sonderbedarfe einzelner
Länder haben daher außer Betracht zu bleiben. Er
dient dazu, den Ländern staatliche Selbständigkeit
durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung zu
ermöglichen (vgl. BVerfGE 72, 330 [383]). Dies
25 / 25
verlangt, die absoluten Erträge der Länder im
Hinblick auf das Verteilungsziel des Länderfi-
nanzausgleichs angemessen vergleichbar zu ma-
chen. Erst dadurch können die Erträge als Indika-
toren für die Finanzkraft der Länder im Hinblick
auf die Erfüllung der ihnen verfassungsrechtlich
zugewiesenen Aufgaben dienen.
Das geeignete und grundsätzlich angemessene
Kriterium hierfür ist die Einwohnerzahl. Sie ist
der gegebene Bezugspunkt, wenn es um den Ver-
gleichsmaßstab für die Fähigkeit der Länder geht,
ihre Aufgaben zu erfüllen. Mit diesem Kriterium
wird zwar ein Bedarfsmaßstab für die Aufgaben-
erfüllung durch die Länder zugrundegelegt. Die-
ser ist aber in dem Sinne abstrakt, daß er jedweder
besonderen, aus spezifischen Situationen sowie
eigenen Prioritäts- oder Dringlichkeitsentschei-
dungen der Länder herrührenden Ausgabenlast
vorgelagert ist. Nur wo die Angemessenheit die-
ses Kriteriums aus unverfügbar vorgegebener
struktureller Eigenart von Ländern, wie sie den
Stadtstaaten eigentümlich ist, von vornherein ent-
fällt, ist es gerechtfertigt, die tatsächliche Ein-
wohnerzahl als Bezugspunkt für die Vergleich-
barmachung des Finanzaufkommens zu modifi-
zieren (vgl. BVerfGE 72, 330 [400 f.]). ( … )
Verfassungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt al-
lein die Entscheidung des Gesetzgebers selbst. Sie
muß ihre Grundlage in verläßlichen objektivierba-
ren Indikatoren finden. Soweit der Gesetzgeber
sich für einen Veredelungsfaktor entscheidet, muß
dessen Ausgestaltung innerhalb der Bandbreite
der Indikatoren verbleiben, die für die strukturelle
Eigenart der Stadtstaaten aussagekräftig sind.
Auch ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, die
Gründe für die Wahl des konkreten Wertes der
Einwohnerwertung darzulegen; bei der Gestaltung
des Länderfinanzausgleichs übt er, anders als eine
Verwaltungsbehörde, kein gesetzesgebundenes
Ermessen aus.
Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten
Senats vom 24. Juni 1986 (2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84
und 1, 2/85)
Die Berücksichtigung der vorgegebenen struktu-
rellen Eigenart der Stadtstaaten Bremen und
Hamburg durch die Einwohnerwertung des § 9
Abs. 2 FAG ist dem Grunde nach zumindest zu-
lässig. Es handelt sich hierbei nicht um die Ein-
stellung von Sonderbedarfen dieser Länder in die
Berechnung des Länderfinanzausgleichs, sondern
um die Folge einer spezifischen Problematik des
deutschen Bundesstaates. Das Bestehen von
Stadtstaaten gehört zum historischen Bestand der
deutschen Staatsentwicklung, insbesondere auch
seit der Entstehung des deutschen Bundesstaates
im 19. Jahrhundert. Es ist sachgerecht, die An-
dersartigkeit der Stadtstaaten gegenüber den Flä-
chenstaaten im Länderfinanzausgleich zu berück-
sichtigen. Dies kann in Form einer Einwohnerver-
edelung geschehen, die Auswirkungen auf alle
Flächenstaaten hat. Die Andersartigkeit der Stadt-
staaten betrifft nämlich nicht etwa nur deren
Nachbarländer, sondern alle Glieder des Bundes.
Umfang und Höhe dieser Berücksichtigung dür-
fen allerdings vom Gesetzgeber nicht frei gegrif-
fen werden. Sie müssen sich – nach Maßgabe ver-
läßlicher, objektivierbarer Indikatoren – als an-
gemessen erweisen, wobei auch die Auswirkung
der Einwohnerwertung gemäß § 9 Abs. 3 FAG –
verglichen mit der Wertung der Einwohner einer
Durchschnittsgemeinde – mit in Ansatz zu brin-
gen ist. Als solche Indikatoren kommen etwa in
Betracht: ein schlichter Großstadtvergleich, bei
dem die Finanzausstattung von Städten vergleich-
barer Größe – unter Einbeziehung der für sie
wirksamen staatlichen Sonderleistungen – mit
derjenigen der Länder Bremen und Hamburg ver-
glichen wird; das Fehlen der Möglichkeit eines
landesinternen Finanzausgleichs in den Ländern
Bremen und Hamburg, die beide Ballungszentren
ohne Umland sind; die Besonderheit, daß die
Länder Bremen und Hamburg Hauptstädte ohne
Umland sind. Dabei kann auch ein Blick auf die
hanseatische Pendlerproblematik geworfen wer-
den. Diese hat insofern eine stadtstaatenspezifi-
sche Komponente, als die beiden Hansestädte für
die Wirtschaftsregion, in der sie liegen, Industrie-,
Handels- und Dienstleistungszentren darstellen,
die zugleich Enklavecharakter haben, d.h. nach al-
len Seiten von Staatsgrenzen umschlossen sind.
( … )
Die zulässige Berücksichtigung stadtstaatlicher
Besonderheiten kann nicht die Bedeutung einer
finanziellen Status- oder Besitzstandsgarantie
haben; sie ist auch weder eine Absicherung ge-
genüber allgemeinen wirtschaftlichen Struktur-
veränderungen, die nicht zuletzt durch technologi-
sche und weltwirtschaftliche Entwicklungen be-
dingt sind und die Hansestädte härter als andere
treffen mögen, noch gegenüber Verschiebungen
des Wohlstandsniveaus zwischen den Bundeslän-
dern. Gegenüber solchen Veränderungen und
Wandlungen kann der Länderfinanzausgleich kei-
ne Abhilfe bieten.