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Bhakti-Bewegungen 15.-17. Jahrhundert, insbesondere im Moghul-Reich zahlreiche Dichter breiten Zuspruch, die in den Regionalsprachen (nicht Sanskrit) von der Möglichkeit einer unmittelbaren Beziehung des einzelnen Menschen zu Gottsangen, Gottesbeziehung unabhängig von einer Einbindung in institutionalisierte Organisationsformen oder bestimmte Lehrtraditionen Bhakti = "Teilhabe" oder "Hingabe" des Gläubigen (Bhakta) an einen einzigen Gott Ziel ist die Vereinigung des Gläubigen mit seinem Gott Gottesnamen entstammen dem Visnu-Bereich

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Page 1: Lernkarten_Vorlesung 4

Bhakti-Bewegungen

15.-17. Jahrhundert, insbesondere im Moghul-Reich

zahlreiche Dichter breiten Zuspruch, die in den Regionalsprachen (nicht Sanskrit) von der Möglichkeit einer unmittelbaren Beziehung des einzelnen Menschen zu Gottsangen,

Gottesbeziehung unabhängig von einer Einbindung in institutionalisierte Organisationsformen oder bestimmte Lehrtraditionen

Bhakti = "Teilhabe" oder "Hingabe" des Gläubigen (Bhakta) an einen einzigen Gott

Ziel ist die Vereinigung des Gläubigen mit seinem Gott

Gottesnamen entstammen dem Visnu-Bereich

Frühe nordindische Bhakti-Dichter:Waren dabei diskursiv eng miteinander verwobenSprachen Hindus und Muslime gleichermaßen an und zogen zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen keine klare Grenzlinie.

Wichtigster Vertreter: Kabir

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Bhakti-Bewegungen - Geschichte

auf die Bhakti-Dichter des 15. bis 17. Jahrhundert führen sich heute die wichtigsten Hindu- Strömungen in Nordindien zurück

Zwischen 15. und 21. Jahrhundert gab es dabei entscheidende Neuorientierungen d. h. (teilweise und mehrfache) Brahmanisierung, Institutionalisierung und Homogenisierung.

Besonders im 18. Jahrhundert und in der Kolonialzeit.

Es bilden sich 3 unterscheidbare Gruppen: Volk, Asketen, von Brahmanen dominiertes Volk.

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Kabir

Ein muslimischer Weber ohne formale Bildung aus Banares

Besingt die Erlösung des Menschen durch die Vereinigung der Seele mit dem Einen Gott.Kräftige Bildsprache

Ablehnung jeder äußerlichen, institutionalisierten Form von Gottesverehrung, brahmanische Ritualewerden genauso abgelehnt wie muslimische Rituale

Kabir verortet sich jenseits institutionalisierter brahmanischer und muslimischer Traditionen

Wirkungsgeschichte:zentrale Gründungsgestalt einer überaus breiten und populären Bhakti-Bewegung, die sich ohne Unterschied an alle Menschen richtete, aber zugleich jede institutionalisierte Gottesverehrung ablehnte

Neben Kabir gibt es zahlreiche weitere Dichter, die eine umfassende Bhakti-Dichtung in den Regionalsprachen schufen (Sant-Dichtung)

Diese Dichtung deutet darauf hin, dass es sich hier um eine sehr populäre Bhakti-Massenbewegung im 16. und 17. Jahrhundert gab, die völlig unabhängig von brahmanischen Einfluss war.

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Kabir – Gottesvorstellung

Gott wird nur im Inneren und in keinerlei äußerer Form erkannt.

Fast durchgängige Parallelisierung der Vorstellungen von Hindus und Muslimen. Dievon ihm neben "Hari" (= Visnu) favorisierte Gottesbezeichnung "Ram" (= Rama) wurdez. B. oft in der Zwillingsform oder "Allah-Ram" verwendet.

Kabir nennt Gott "Ram" und "Hari"; diese Namen entstammen der visnuitischen Traditionen, dennoch spricht einiges dafür, dass sie Kabir als abstrakte Bezeichnungen für Gott anwandte, ohne mit "Ram" eine Avatara-Vorstellung oder den Gott Rama näher zu identifizieren.

Gott ist bei Kabir ohne Eigenschaften und Personalität; Gott ist einfach der All-Eine

Kein strenger Monismus: Die Seele bleibt in gewisser Weise unabhängig von dem Einen Gott.

(NB: Monismus Kabirs hat keine erkennbaren Bezüge zum Advaita Vedanta, eher schon zum Islam [Sufismus])

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Ramanandi

Verehren frühe Bhakti-Dichter der Sant-Dichtung, wie z. B. Kabir

Werden im 16. Jahrhundert als zölibatärer Mönchsorden fassbar, der allen (Hindus/Muslimen) offensteht Mönche betätigen sich dabei zugleich als Soldaten

Im Zentrum der Verehrung steht wie bei Kabir der Gott "Ram"

Kennzeichnend ist erotische Bhakti: Gläubigen verstehen sich als weiblich. Annahme weiblicher Identitäten im Ritual, Transvestitentum.

Im 16. und 17. Jahrhundert enge Verbindung mit der Sant-Dichtung gut belegt, aber kaum erkennbarer brahmanischer Einfluss

Allerdings: im 17. Jahrhundert wird "Ram" allmählich explizit mit dem brahmanischen Gott "Rama" aus dem Ramayana identifiziert (potentielle Personalisierung der Ram-Verehrung, Ram wird Gott mit Eigenschaften).

Hängt zusammen mit erotischem Bhakti – Gläubige verstehen sich als die Göttin, mit der sich der Gott vereinigt. Damit das funktioniert braucht Gott Eigenschaften (z.B. muss männlich sein). Gläubige werden zu Ramas Frau Sita.

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Caitanya-Bewegung (Gaudiya)

Caitanya (1486-1534), wirkte in Bengalen und Orissa

Frühe Anhänger stammen aus einem muslimisch beeinflussten Millieu.

Auf Caitanya geht eine populäre, ekstatische, kaum konzeptionalisierte Krishna-Verehrung in Bengalen und Orissa zurück.

Ähnlich wie bei Kabir – von Erfahrung der Vereinigung mit Gott bestimmt.

Das Gegenüber ist bei den Caitanyas ein Gott mit Eigenschaften – Krishna.

Caitanya und viele seiner Anhänger waren Brahmanen, aber die Bewegung war nicht von der brahmanischen Traditionen geprägt.

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Brahmanische Krishna-Verehrung der sechs Gosvamis und Verschmelzung mit Caitanya

Brahmanische Gelehrte aus Bengalen in Vrindaban (sog. "sechs Gosvamis") konzipieren eine systematisierte Verehrung des jugendlichen Krishna in den Kategorien der brahmanischenGelehrsamkeit

Im 17. Jahrhundert wird deren Idee der Krishna-Verehrung von der populären Caitanya-Bewegung in Bengalen weitgehend übernommen:

Bengalischer Gelehrter, der nach Vrindaban gereist ist, schreibt Buch über die Krishna-Verehrungs-Ideen der Gosvamis und verbindet diese mit Caitanya-Ideen.

Das Buch schreibt er auf Bengalisch, d.h. bengalische Krishna-Verehrer können es lesen. Die Synthese wird vollzogen.

Ende des 17. Jahrhunderts: Caitanya-Gemeinschaft mit brahmanischer Lehre der sechs Gosvamis und Praxis der erfahrungsbezogenen Krishna-Bhakti.

Entstehung einer brahmanisch dominierten Caitanya-Gemeinschaft in Bengalen, die aber weiterhin auch viele nichtbrahmanische Elemente enthält.

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Caitanya-Gemeinschaft (seit 17. Jh.)

Verehrung Krishnas ist an die Kuhhirtin Radha gekoppelt.

Erotische Bhakti: göttliches Liebespiel zwischen Krishna und Radha (jugendlicher Krishna). Der Gläubige wird zu einer Kuhhirtin, dh. zu Radha um Krishna mit deren Innigkeit zu lieben.

Transvestitentum (dieses übernehen die Ramanandis von den Caitanyas)

Krishna ist personaler, höchster und einziger Gott.

Rezitieren des Namens Krishnas (z. B. Hare Krishna Mantra) und Singen von Liedern sind zentrale Praktiken.

Brahmanisches Kastensystem spielt kaum eine Rolle, alle Menschen können durch Krishna-Bhakti erlöst werden.

Starke Betonung von zölibatärer Askese.

Gemeinschaft nur lose strukturiert.

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Vallabha-Gemeinschaft (Pushti Marga)

Begründet von dem brahmanischen Gelehrten Vallabha, dieser lebte wie die "sechs Gosvamis" derCaintanya-Gemeinschaft in der Gegend von Vrindaban

Begründete eine in brahmanischen Kategorien formulierte Krishna-VerehrungPraxis: Ständiger Preis Krishnas vor seinem Bildnis, Kontemplation über Krishna, Verehrung des Kindes Krishna. Gläubige zeigen Mutterliebe.

Begründete fest strukturierte Gemeinschaft.Die Mitgliedschaft ist unmittelbar heilswirksam und steht theoretisch allen offen

Explizite Ablehnung jeglicher zölibatärer Askese. Von Mitgliedern wird erwartet, dass sie ihre weltlichen Pflichten weiter erfüllen (diese Pflichten werden nach brahmanischen Vorgaben interpretiert ===> Kastensystem behält Bedeutung)

Gemeinschaft wird geleitet von brahmanischen Vorstehern (Maharajas), die verheiratet sind und brahmanische Riten ausführen. Die Vorsteher müssen Nachfahren Vallabhas sein. (Ghandi entstammte aus Vallabha-Familie) Krishna-Verehrung aller Mitglieder in Hawelis (Haustempel der Maharajas).

Spannung: Gemeinschaft steht allen offen, kann aber nur von Brahmanen geleitet werden.

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Brahmanisierung, Homogenisierung und Institutationalisierung der Bhakti im 18. Jahrhundert und deren Folgen

Politische Konstellation:Im muslimischen Mogulreich entsteht eine einflussreiche Schicht von Hindu-Notablen

Diese fördern brahmanische Gelehrsamkeit, brahmanische Tempelbauten und brahmanische Interpretationsversuche der Bhakti-Bewegungen (z. B. "sechs Gosvamis", Vallabha)

Im 18. Jahrhundert werden diese Hindu-Notablen (insbes. Rajputen) zu mächtigen Regionalherrschern. Neulegitimierung ihrer Herrschaft muss erfolgen – Rückgriff auf brahmanisches Gesellschaftsmodell.

Rajputen erzwingen aufgrund ihrer politischen und ökonomischen Macht eine Zusammenführung und Systematisierung der wichtigsten Bhakti-Strömungen unter brahmanischen Vorgaben.

Schaffung der vier Sampradayas – Vishnuismus mit 4 Hauptströmungen – und Zuordnung der Bhakti-Strömungen.

Ausgrenzung der nicht-brahmanischen Bhakti (wie z.B. Kabir).

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Die Schaffung der vier Sampradayas des Vishnuismus im 18. Jahrhundert

1. Sri-Sampradaya (Ramanuja, 11./12. Jh.: Visistadvaita Vedanta "qualifizierter Advaita")==> Ramanandi

2.Brahm¢- Sampradaya (Madhva, 13/14. Jh.: Dvaita Vedanta"Nicht-Advaita bzw. Dualismus")===> Caitanya

3.Snakadi-Sampradaya (Nimbaditya, 12. Jh.: Dvaitadvaita"Verbindung von Advaita und Dvaita")

4. Rudra-Sampradaya (Vishnusvami, 14. Jh.: Suddhadvaita"reiner Advaita")===> Vallabha

===> alle Strömungen, die sich diesem System entziehen werden "heterodox"