lernen über nacht

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Guter Schlaf fördert Gedächtnisbildung Lernen über Nacht Ein gesunder Schlaf ist nicht nur wichtig für Gesundheit und Wohl- befinden, sondern fördert auch die Konsolidierung von Erinnerun- gen und somit das Gedächtnis. - Jede Erinnerung wird zunächst als schwache und labile Gedächtnisspur an- gelegt, die für verschiedenste Störein- flüsse anfällig ist“, sagte Dr. Susanne Diekelmann vom Institut für Medizini- sche Psychologie an der Universität Tü- bingen. Um das Erlernte über längere Zeit zu erhalten, müssen diese Inhalte in einem Prozess der Konsolidierung stabi- lisiert werden. Die bereits gefestigten Gedächtnisin- halte können durch bestimmte Einflüs- se reaktiviert und anschließend erneut durch Störeinflüsse verändert oder ver- gessen werden. „Um die Erinnerung langfristig zu erhalten, müssen die In- halte im Sinn einer Rekonsolidierung dann erneut stabilisiert werden“, so Diekelmann. Nickerchen hilft beim Lernen Dass der Schlaf für die Konsolidierung von neu gelernten Inhalten wichtig ist, gilt heute als unbestritten. „Probanden, die nach dem Lernen von neuen Inhal- ten schlafen durſten, zeigten bei einem späteren Gedächtnistest deutlich besse- re Erinnerungsleistungen als solche, die nach dem Lernen wach geblieben wa- ren“, berichtete Diekelmann. Während des Schlafs werden die schwachen und anfälligen neuen Erinnerungen gefes- tigt und in den Langzeitspeicher über- tragen, aus dem sie auch noch nach län- gerer Zeit wieder abgerufen werden können. Aber nicht nur die Konsolidierung von Gedächtnisinhalten nach dem erst- maligen Lernen, sondern auch die Re- konsolidierung bereits gespeicherter In- halte wird durch einen gesunden Schlaf verbessert. „Schlaf hilſt, Gedächtnisin- halte langfristig zu bewahren und auch noch nach längerer Zeit gegen störende Einflüsse zu schützen“, so Diekelmann. Diese Erkenntnisse haben praktische Relevanz. So könnte es sinnvoll sein, nach dem Wiederholen des Erlernten ein Nickerchen zu machen, um zu verhin- dern, dass neues Lernen die bereits ge- lernten Inhalte stört. Dadurch lassen sich wiederholte Inhalte festigen und ge- gen ein Überschreiben durch das neu zu lernende Material schützen. Intelligenz. „Die Differenzierung in ein proletarisches und ein akademisches Schlafverhalten ist ein Mythos“, betonte die Expertin. Polygrafische Merkmale eines guten Schlafs sind: schnelles Ein- schlafen, nur kurzes Aufwachen, genü- gend Tiefschlaf und eine richtige Tak- tung. Dies garantiert eine optimale Leis- tungsfähigkeit am Tag. Schlaf und Krankheitsrisiken Nicht nur für die subjektive Befindlich- keit, sondern auch im Hinblick auf Krankheitsrisiken sollte der Schlaf „gut“ sein. Eine Metaanalyse (Capuccio et al., Sleep 33, 2010) konnte zeigen, dass die Lebenserwartung bei einer Schlafdauer zwischen 7 und 8 Stunden am höchsten ist. Bei Menschen mit einer Schlafdauer von unter 6 Stunden nimmt sie um 12% ab, bei einer Schlafdauer über 9 Stunden sogar um 30% , wobei Langschläfer meist an einer schlechten Schlafqualität leiden. Bei Schlafmangel steigt das Risiko für ei- nen Hochdruck um 60%. Das Risiko für einen Schlaganfall ist sowohl bei „Zu- kurz-als auch bei „Zu-lang“-Schläfern um das 2-Fache und für einen Herzin- farkt sogar um das 2,5-Fache erhöht. Ein weiteres Risiko bei Schlafmangel ist die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit. „Wer länger als 24 Stunden wach ist, dessen kognitive Be- einträchtigung ist vergleichbar mit der bei einem Betrunkenen mit einem Alko- holspiegel von 1 Promille“, so Knab. Viele Komorbiditäten bei OSA Die häufigste schlaezogene Atmungs- störung ist das obstruktive Schlaf- Apnoe-(OSA-)Syndrom. Es liegt vor , wenn während des Schlafs mindestens fünf Atempausen mit einer Dauer von mehr als 10 Sekunden dokumentiert werden und der Patient eine vermehrte Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlaf- zwang angibt. Betroffene fallen meist durch lautes Schnarchen auf. erapie der Wahl ist die Atemmaske (CPAP). Eine Reihe von Herz-Kreislauf-Er- krankungen steht zum OSA in kausalem Zusammenhang. So ist OSA eine der häufigsten Ursachen für eine sekundäre arterielle Hypertonie, andererseits för- dert der Hochdruck auch die Manifesta- tion der OSA. Deshalb sollte man bei al- len Hypertonikern an diese Begleiter- krankung denken. Darüber hinaus ver- schlechtert OSA auch den Verlauf und die Prognose einer KHK, und auch die primäre Manifestation des Vorhofflim- merns wird begünstigt bzw. das Rezidiv- risiko bei dieser Rhythmusstörung er- höht. Dazu kommt ein ungünstiger Ein- fluss auf das metabolische Syndrom, d. h. die Insulinsensitivität nimmt ab. Dr. med. Peter Stiefelhagen Quelle: Vortrag im Rahmen eines Presseworkshops der Fa. Bayer Vital GmbH in Kloster Roggenburg AKTUELLE MEDIZIN REPORT © George Dolgikh / fotolia.com Höchste Zeit für ein Schläfchen! MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (3) 19

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Page 1: Lernen über Nacht

Guter Schlaf fördert Gedächtnisbildung

Lernen über NachtEin gesunder Schlaf ist nicht nur wichtig für Gesundheit und Wohl-be� nden, sondern fördert auch die Konsolidierung von Erinnerun-gen und somit das Gedächtnis.

− Jede Erinnerung wird zunächst als schwache und labile Gedächtnisspur an-gelegt, die für verschiedenste Störein-� üsse anfällig ist“, sagte Dr. Susanne Diekelmann vom Institut für Medizini-sche Psychologie an der Universität Tü-bingen. Um das Erlernte über längere Zeit zu erhalten, müssen diese Inhalte in einem Prozess der Konsolidierung stabi-lisiert werden.

Die bereits gefestigten Gedächtnisin-halte können durch bestimmte Ein� üs-se reaktiviert und anschließend erneut durch Störein� üsse verändert oder ver-gessen werden. „Um die Erinnerung langfristig zu erhalten, müssen die In-halte im Sinn einer Rekonsolidierung

dann erneut stabilisiert werden“, so Diekelmann.

Nickerchen hilft beim LernenDass der Schlaf für die Konsolidierung von neu gelernten Inhalten wichtig ist, gilt heute als unbestritten. „Probanden, die nach dem Lernen von neuen Inhal-ten schlafen dur� en, zeigten bei einem späteren Gedächtnistest deutlich besse-re Erinnerungsleistungen als solche, die nach dem Lernen wach geblieben wa-ren“, berichtete Diekelmann. Während des Schlafs werden die schwachen und anfälligen neuen Erinnerungen gefes-tigt und in den Langzeitspeicher über-tragen, aus dem sie auch noch nach län-gerer Zeit wieder abgerufen werden können.

Aber nicht nur die Konsolidierung von Gedächtnisinhalten nach dem erst-maligen Lernen, sondern auch die Re-konsolidierung bereits gespeicherter In-

halte wird durch einen gesunden Schlaf verbessert. „Schlaf hil� , Gedächtnisin-halte langfristig zu bewahren und auch noch nach längerer Zeit gegen störende Ein� üsse zu schützen“, so Diekelmann. Diese Erkenntnisse haben praktische Relevanz. So könnte es sinnvoll sein, nach dem Wiederholen des Erlernten ein Nickerchen zu machen, um zu verhin-dern, dass neues Lernen die bereits ge-lernten Inhalte stört. Dadurch lassen sich wiederholte Inhalte festigen und ge-gen ein Überschreiben durch das neu zu lernende Material schützen.

Intelligenz. „Die Di� erenzierung in ein proletarisches und ein akademisches Schlafverhalten ist ein Mythos“, betontedie Expertin. Polygra� sche Merkmale eines guten Schlafs sind: schnelles Ein-schlafen, nur kurzes Aufwachen, genü-gend Tiefschlaf und eine richtige Tak-tung. Dies garantiert eine optimale Leis-tungsfähigkeit am Tag.

Schlaf und KrankheitsrisikenNicht nur für die subjektive Be� ndlich-keit, sondern auch im Hinblick auf Krankheitsrisiken sollte der Schlaf „gut“ sein. Eine Metaanalyse (Capuccio et al., Sleep 33, 2010) konnte zeigen, dass die Lebenserwartung bei einer Schlafdauer zwischen 7 und 8 Stunden am höchstenist. Bei Menschen mit einer Schlafdauer von unter 6 Stunden nimmt sie um 12%ab, bei einer Schlafdauer über 9 Stunden sogar um 30% , wobei Langschläfer meist an einer schlechten Schlafqualität leiden.

Bei Schlafmangel steigt das Risiko für ei-nen Hochdruck um 60%. Das Risiko für einen Schlaganfall ist sowohl bei „Zu-kurz-“ als auch bei „Zu-lang“-Schläfernum das 2-Fache und für einen Herzin-farkt sogar um das 2,5-Fache erhöht.

Ein weiteres Risiko bei Schlafmangel ist die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit. „Wer länger als 24 Stunden wach ist, dessen kognitive Be-einträchtigung ist vergleichbar mit der bei einem Betrunkenen mit einem Alko-holspiegel von 1 Promille“, so Knab.

Viele Komorbiditäten bei OSADie häu� gste schla� ezogene Atmungs-störung ist das obstruktive Schlaf-Apnoe-(OSA-)Syndrom. Es liegt vor, wenn während des Schlafs mindestens fünf Atempausen mit einer Dauer von mehr als 10 Sekunden dokumentiert werden und der Patient eine vermehrte Tagesmüdigkeit mit imperativem Schlaf-

zwang angibt. Betro� ene fallen meist durch lautes Schnarchen auf. � erapie der Wahl ist die Atemmaske (CPAP).

Eine Reihe von Herz-Kreislauf-Er-krankungen steht zum OSA in kausalem Zusammenhang. So ist OSA eine der häu� gsten Ursachen für eine sekundäre arterielle Hypertonie, andererseits för-dert der Hochdruck auch die Manifesta-tion der OSA. Deshalb sollte man bei al-len Hypertonikern an diese Begleiter-krankung denken. Darüber hinaus ver-schlechtert OSA auch den Verlauf und die Prognose einer KHK, und auch die primäre Manifestation des Vorho� im-merns wird begünstigt bzw. das Rezidiv-risiko bei dieser Rhythmusstörung er-höht. Dazu kommt ein ungünstiger Ein-� uss auf das metabolische Syndrom, d. h. die Insulinsensitivität nimmt ab.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■

■ Quelle: Vortrag im Rahmen eines Presseworkshops der Fa. Bayer Vital GmbH in Kloster Roggenburg

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Höchste Zeit für ein Schläfchen!

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AKTUELLE MEDIZIN_REPORT

Störende Ein� üsse bei SchwangerenDer positive E� ekt des Schlafs auf das Ge-dächtnis wird auch durch Hormone beein-� usst. Untersuchungen bei Frauen in ver-schiedenen Phasen des Menstruationszy-klus ergaben, dass nur in der Lutealphase, also wenn die Östrogenspiegel relativ hoch sind, der Schlaf die Gedächtnisleistung verbessert, nicht jedoch in der Follikelpha-se, wenn der Östrogenspiegel niedrig ist.

Entscheidend für die im Schlaf statt-� ndende Gedächtnisbildung ist auch die

Schlafqualität. Diese ist z. B. bei Patien-ten mit obstruktiver Schlafapnoe gestört, aber auch bei Schwangeren und stillen-den Müttern. „Bei solchen Kollektiven mit gestörtem Schlaf fand sich eine ver-schlechterte Gedächtnisleistung“, so Diekelmann.

Darüber hinaus dür� en noch andere Faktoren bei der mit dem Schlaf verbun-denen Gedächtnisbildung eine Rolle spielen. Wichtig ist beispielsweise, ob vor dem zu Bett gehen neu gelernte Inhalte

nochmals wiederholt werden. Aber auch die emotionale Bedeutung neuer Lerner-fahrungen bestimmt, wie intensiv diese Erfahrungen im Schlaf verarbeitet wer-den. Gegenstand neuerer Untersuchun-gen sind die Auswirkungen äußerer Ein-� üsse wie elektromagnetischer Funk-wellen auf den Schlaf und somit die Lernfähigkeit. Sti ■

■ Schlafmedizinischer Kongress (DGSM), Wiesbaden, Schlafmedizinischer Kongress (DGSM), Wiesbaden, Schlafmedizinischer Kongress (DGSM)17.–19.10.2013

Musik und Entspannung fördern die Hirnreifung des Feten

Besser Träumen im Mutterleib

Für die Hirnentwicklung spielt beim ungeborenen Kind der Traumschlafeine wichtige Rolle. Dieser kanndurch Umweltein� üsse wie etwamütterlichen Stress oder akustische Wahrnehmungen beein� usst wer-den.

−„Zum Zeitpunkt der Geburt besteht der Schlaf beim Kind etwa zur Häl� e aus Traumschlaf und zur Häl� e aus Leicht- und Tiefschlaf“, sagte Prof. Matthias Schwab, Leiter des Schla� abors an der Neurologischen Universitätsklinik in Jena. Der große Anteil des Traumschlafs legt nahe, dass diesem eine wesentliche Bedeutung bei der fetalen Hirnentwick-lung bereits im Mutterleib zukommt.

Der Schlaf entwickelt sich zwischen der 28. und 36. Schwangerscha� swoche aus einem Zustand unreifer Hirnaktivi-tät, wobei die Entwicklung des Traum-schlafs deutlich später erfolgt als die des Tiefschlafs. Traumschlaf wird nämlich im Wesentlichen in der Hirnrinde er-zeugt, die sich erst am Ende der Schwan-gerscha� entwickelt. „Während sich das Gehirn im Tiefschlaf erholt, ist es im Traumschlaf vergleichbar aktiv wie im Wachsein“, so Schwab. Diese hohe Akti-vität dür� e entscheidend für die Hirn-reifung sein, da sie insbesondere die Ausbildung der Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Sinne eines neuro-nalen Netzwerks stimuliert.

Erhöht Stress in utero das Depressionsrisiko?Die Entwicklung des Traumschlafs kann durch Umweltein� üsse gestört werden. Dazu gehören mütterlicher Stress oder Kortisonpräparate, die zur Induktion der Lungenreife bei Schwangeren mit dem Risiko einer Frühgeburt eingesetzt wer-er Frühgeburt eingesetzt wer-erden. „Schon eine einmalige Gabe von Stresshormonen erzeugt eine Störung des Störung des StörungTraumschlafs, die von häu� geren Wech-seln zwischen Traum- und Tiefschlaf be-gleitet wird und auch nach Beendigung der Behandlung bestehen bleibt“, so Schwab. Da häu� ge Wechsel der Schlaf-stadien ein typisches Zeichen einer De-

pression sind, könnte Stress während der Schwangerscha� durchaus ein Risikofak-tor für die Entwicklung für Depressionen im späteren Leben sein.

Mutter und Kind lieben dieselbe MusikWährend der Entwicklung ist der Fetus im Mutterleib kaum wach, obwohl der durch die Kreislaufgeräusche der Mutter verursachte Geräuschpegel durchaus mit Verkehrslärm vergleichbar ist. „Erst ab der 25. Schwangerscha� swoche ist das Gehör ausreichend entwickelt und der Fe-tus kann durch Geräusche geweckt wer-den“, so Schwab. Weckreize müssen aller-dings tiefe Frequenzen haben, da durch die Bauchwand und die Flüssigkeit im Uterus hohe Frequenzen wegge� ltert werden. Deshalb höre der Fetus bevor-zugt männliche Stimmen, mit Ausnahme der mütterlicheder mütterlicheder n Stimme, die über die Knochenleitung wahrgenommen wird.

Der Fetus ist insbesondere in der Lage, Rockmusik zu hören. Ansonsten entspricht sein Musikgeschmack dem der Mutter, d. h. er mag die Musik, die bei der Mutter zur Entspannung führt. Von der verminderten Ausschüttung mütterlicher Stresshormone pro� tiert auch das Baby.

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■ Schlafmedizinischer Kongress (DGSM), Wiesbaden, Schlafmedizinischer Kongress (DGSM), Wiesbaden, Schlafmedizinischer Kongress (DGSM)17.–19.10.2013

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Schlafen! Vielleicht auch Träumen ...

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