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HEBAMMENSCHULE WIESBADEN Leistungsbewertung im Kreißsaal Eine Schülerinnenperspektive Judith Jeron, Peggy Ludewig, Lisa-Maria Trost September 2010

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HEBAMMENSCHULE WIESBADEN

Leistungsbewertung im

KreißsaalEine Schülerinnenperspektive

Judith Jeron, Peggy Ludewig, Lisa-Maria Trost

September 2010

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ................................................................................................................................. 3 2 Theoretische Grundlagen ......................................................................................................... 5

2.1 Lernziele der Hebammenausbildung ................................................................................ 5 2.1.1 Gesetzliche Grundlagen ............................................................................................. 5 2.1.2 Handlungskompetenz ................................................................................................ 8 2.1.3 Lernziele .................................................................................................................... 9

2.2 Methoden der Wissensvermittlung ................................................................................. 10 2.2.1 Lerngrundsätze ......................................................................................................... 10 2.2.2 Lernmodelle ............................................................................................................. 11

2.3 Leistungsbewertung ........................................................................................................ 14 2.3.1 Ziele der Leistungsbewertung .................................................................................. 14 2.3.2 Möglichkeiten der Leistungsbewertung ................................................................... 15

2.4 Zusammenfassung ........................................................................................................... 18 3 Empirie ................................................................................................................................... 21

3.1 Analyse der Bewertungsbögen ........................................................................................ 21 3.2 Umfrage zur Erarbeitung einer Schülerinnenperspektive ............................................... 25

3.2.1 Fragestellung für die Umfrage zur Schülerinnenperspektive .................................. 25 3.2.2 Methodisches Vorgehen ........................................................................................... 26 3.2.3 Inhaltliche Struktur .................................................................................................. 26 3.2.4 Ergebnisse ................................................................................................................ 27

4 Schlussfolgerung .................................................................................................................... 34 Literatur .................................................................................................................................... 36 Anhang ..................................................................................................................................... 37

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1 Einleitung

Jedes Jahr finden drei Ratstreffen des BundesHebammenSchülerinnenRats (BHSR) statt.

Eingeladen werden Vertreterinnen der Schülerinnen aller deutschen Hebammenschulen,

sowie der neu gegründeten Studiengänge BA midwifery. An den Treffen sind in

unregelmäßigem Wechsel etwa 10 bis 18 Schulen vertreten. Die Schülerinnen einer Schule

richten das Treffen für die etwa 50 Teilnehmerinnen aus. Neben einem inhaltlichen

Programm mit Vorträgen geht es vor allem um den Austausch der Schülerinnen und

bildungspolitische Mitgestaltung. Die Schülerinnen stellen sich und ihre Schulen nach einer

Reihe an Merkmalen vor. Wie viele Kurse gibt es? Wie viele Kreißsäle sind an die Schule

angeschlossen? Wie sind die Externatzeiten und –möglichkeiten etc.? Für die Schülerinnen

bietet dieser Austausch die Möglichkeit, sich Inspiration und Motivation zu holen, neue

Projekte weiter zu geben, aber auch sich von Problemen, Schwierigkeiten und Nöten zu

berichten und manchmal eben auch sich Mut machen zu lassen, Gegebenheiten zu

verändern.

Trotz vieler organisatorischer Unterschiedlichkeiten an den Schulen sowie

Verschiedenheiten der einzelnen Lehrerinnen- und Schülerinnencharaktere gibt es doch

wesentliche Punkte, die viele der Schülerinnen zu beschäftigen scheinen. So ist die

Leistungsbewertung im Praxiseinsatz ein immer wieder kehrendes Thema. Der Bedarf einer

detaillierten Betrachtung der Bewertungssysteme wurde auch von den Lehrerinnen auf der

Tagung in Hünfeld im Januar 2010 unterstrichen. Auch Claudia Dachs, die Beirätin für den

Bildungsbereich im Präsidium des DHV hat mehrmals auf ihr Interesse und die Dringlichkeit

an einer Schülerperspektive zu dem Thema der Leistungsbewertung hingewiesen.

Diese Arbeit versucht sich dem Thema auf drei Ebenen zu nähern.

Im ersten Teil möchten wir die theoretischen Grundlagen der Arbeit liefern. Zum einen

umfasst dies eine genauere Betrachtung der Prüfungsordnung und der festgesetzten Ziele in

der Hebamenausbildung in Deutschland. Weiter möchten wir pädagogische Modelle in der

Praxisbewertung vorstellen und anschließend auf die Ziele von Leistungsbewertung

eingehen.

Es folgt im Kapitel 3 ein Vergleich und eine theoriegeleitete IST- Analyse der aktuellen

Bewertungsbögen von 20 Schulen. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet eine Umfrage unter

Schülerinnen. In der online-Befragung werden zunächst allgemeine Vorstellungen der

Schülerinnen über Inhalt, Art und Bedeutung der Leistungsbewertung abgefragt. Im zweiten

Teil, wendet sich die Umfrage der Umsetzung an den Schulen zu. Die Ergebnisse stellen wir

in Kapitel 3.2.4 vor.

In Abschlusskapitel 4 versuchen wir auf der Ergebnisgrundlage eine Schlussfolgerung zu

ziehen. Ziel der Arbeit wird es nicht sein einen allgemeingültigen idealen Umfragebogen für

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alle Schulen zu entwerfen. Und doch können bestimmte Mechanismen und Probleme

aufgezeigt werden. Die Arbeit kann helfen eine Richtung zu finden und möchte alle-

Schülerinnen, Lehrerinnen und Kreisssaalleitung zum Dialog anregen.

In der gesamten Arbeit werden wir nur die weibliche Form benutzen, wenn wir von

Hebammen, Schülerinnen und Lehrerinnen sprechen. Zum einen dient diese Entscheidung

der besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit, zum anderen ist sie durch politische

Überlegungen begründet. Der Hebammenberuf ist ein Frauenberuf. Männliche

Entbindungspfleger, Schüler und Lehrer sind mit der Bezeichnung allerdings genauso

angesprochen.

Auch werden wir den Schwerpunkt der Arbeit auf die Praxisanleitung im Kreißsaal (KRS)

legen. Wohl wissend, dass der Einsatz auf der Wochenstation und anderen Stationen einen

wichtigen Bestandteil der Ausbildung darstellt. In vielen Schulen gibt es unterschiedliche

Bewertungsbögen für den KRS oder die Stationen. Eine Analyse der Wochenstation ist

sicher eine nötige weitere Aufgabe, würde nur an dieser Stelle den Umfang der Arbeit

überschreiten.

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2 Theoretische Grundlagen

2.1 Lernziele der Hebammenausbildung

Im Folgenden werden die Ausbildungsziele der dreijährigen Hebammenausbildung näher

erläutert. Hierbei wird nach gesetzlichen Grundlagen, erwarteten Handlungskompetenzen

und den daraus abgeleiteten Lernzielen unterschieden.

2.1.1 Gesetzliche Grundlagen

Die dreijährige Ausbildung zur Hebamme sowie die darauf folgende Arbeit der Hebamme

sind durch eine Vielzahl von Gesetzen eindeutig geregelt. Die folgenden Ausführungen

basieren auf den Richtlinien des Hebammengesetzes, der Ausbildungs- und

Prüfungsverordnung sowie dem Bayrischen Curriculum.

1. Hebammengesetz

Die Ausbildung zur Hebamme soll laut Hebammengesetz dazu befähigen, Frauen während

der Schwangerschaft, Geburt und dem Wochenbett fürsorglich zu betreuen und ihnen als

Beratungsperson zur Seite zu stehen, physiologische Geburten zu leiten sowie

Regelwidrigkeiten frühzeitig zu erkennen. Ein weiteres Ziel der Ausbildung ist es, die

Neugeborenenpflege, die Überwachung des Wochenbettverlaufs und eine Dokumentation

des Geburtsverlaufs zu erlernen (HebG, § 5). Daraus ergibt sich laut Hebammengesetz,

dass ausgenommen in Notfällen neben Ärzten lediglich Hebammen oder Entbindungspfleger

befugt sind, Geburtshilfe zu leisten. Diese umfasst nach der Definition des Gesetzes die

„Überwachung des Geburtsvorganges von Beginn der Wehen an, Hilfe bei der Geburt und

Überwachung des Wochenbettverlaufs“ (HebG, § 4). Die Befugnisse der Ärzte werden

jedoch dadurch eingegrenzt, dass sie verpflichtet sind, zu jeder Geburt eine Hebammen oder

einen Entbindungspfleger hinzuzuziehen (HebG, § 4).

2. Ausbildungsverordnung

Die Aneignung der oben erwähnten Fähigkeiten einer Hebamme findet während einer

dreijährigen Ausbildung statt. Das Gesetz verdeutlicht die von den Hebammenschülerinnen

geforderte Eigeninitiative und –verantwortlichkeit. Demnach sind sie verpflichtet, „sich zu

bemühen, die (…) genannten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die

erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen“ (HebG, §14). Hierzu zählen die

Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen, die Erfüllung aufgetragener Verrichtungen sowie

die Einhaltung der Schweigepflicht.

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Die Ausbildungsverordnung sieht vor, innerhalb 1600 Stunden theoretischen und praktischen

Unterrichts Kenntnisse in den Bereichen

� Berufs-, Gesetzes- und Staatsbürgerkunde (130 Stunden)

� Gesundheitslehre (60 Stunden)

� Hygiene und Grundlagen der Mikrobiologie (60 Stunden)

� Grundlagen für die Hebammentätigkeit (160 Stunden)

� Grundlagen der Psychologie, Soziologie und Pädagogik (90 Stunden)

� Biologie, Anatomie und Physiologie (120 Stunden)

� allgemeine Krankheitslehre (40 Stunden)

� spezielle Krankheitslehre (120 Stunden)

� allgemeine Arzneimittellehre (20 Stunden)

� spezielle Arzneimittellehre (30 Stunden)

� Erste Hilfe (30 Stunden)

� Einführung in Planung und Organisation im Krankenhaus (20 Stunden)

� fachbezogene Physik (30 Stunden)

� fachbezogene Chemie (30 Stunden)

� Sprache und Schrifttum (30 Stunden)

� menschliche Fortpflanzung, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (120 Stunden)

� praktische Geburtshilfe (150 Stunden)

� Pflege, Wartung und Anwendung geburtshilflicher Apparate und Instrumente (30

Stunden)

� Schwangerenbetreuung (80 Stunden)

� Wochenpflege (50 Stunden)

� Neugeborenen- und Säuglingspflege (50 Stunden)

� allgemeine Krankenpflege (50 Stunden)

� spezielle Krankenpflege (50 Stunden)

� Grundlagen der Rehabilitation (20 Stunden)

� Organisation und Dokumentation im Krankenhaus (30 Stunden)

zu erlangen, um mit diesen Grundlagen den praktischen Anteil der Ausbildung effektiv

absolvieren zu können. Die 3000 Stunden praktischer Ausbildung finden in den Bereichen

� Entbindungsabteilung und Schwangerenberatung (1280 Stunden)

� Wochenstation (480 Stunden)

� Neugeborenenstation (480 Stunden)

� operative Station (160 Stunden)

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� nicht-operative Station (160 Stunden)

� Kinderklinik (160 Stunden)

� Operationssaal (120 Stunden)

statt. Zusammenfassend werden diese Lernziele und –inhalte der Hebammenausbildung im

Bayrischen Curriculum in drei Schwerpunkte unterteilt: „Aneignung theoretischer Kenntnisse,

Erwerb von Handlungskompetenzen und Persönlichkeitsbildung“ (Bayrisches Curriculum,

1993, S. 216 ff). Weiter heißt es: „Den Schülerinnen soll das theoretische Wissen vermittelt

werden, das sie später als Hebamme brauchen, um Frauen während der Schwangerschaft,

der Geburt und dem Wochenbett beraten und betreuen zu können. Darüber hinaus soll die

Hebamme in der Lage sein, allen Frauen die notwendige Fürsorge zu gewähren und

auftretende Komplikationen beim Geburtsverlauf frühzeitig zu erkennen.

Die Ausbildung muss aber auch das Einüben praktischer Fertigkeiten gewährleisten, damit

die Hebammen eine normale Geburt eigenverantwortlich leiten und sowohl die Wöchnerin

als auch das Neugeborene versorgen können.

Der praktischen Ausbildung auf den Stationen und im Kreißsaal kommt bei der Vermittlung

dieser Qualifikationen eine zentrale Bedeutung zu, was sich auch in dem hohen

Stundenanteil (3000 Stunden) an der Gesamtausbildung (4600 Stunden) zeigt.

Wissen und Handlungskompetenz allein reichen jedoch nicht aus. Zum Berufsbild einer

selbständig, verantwortungsbewusst und hygienisch arbeitenden Hebamme gehören auch

Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale, deren Entwicklung unterstützt werden muß:

Sensibilität für andere, soziales Engagement und Selbsterziehung.“

3. Prüfungsverordnung

Am Ende der Ausbildung steht schließlich eine staatliche Prüfung, die sicherstellt, dass die

Absolventin über die geschilderten vorausgesetzten Fähigkeiten einer Hebamme verfügt. Die

Prüfung besteht aus einem schriftlichen Anteil, der Kenntnisse der Bereiche Geburtshilfe,

Anatomie und Physiologie, Krankheitslehre, Kinderheilkunde sowie Berufs-, Gesetztes- und

Staatsbürgerkunde sicherstellt. Der mündliche Anteil überprüft Wissen der Bereiche

Geburtshilfe, Kinderheilkunde, Krankenpflege sowie Gesundheitslehre und Hygiene.

Außerdem werden in einer praktischen Prüfung dem Lernziel entsprechende Qualifikationen

der Absolventin überprüft. Dies findet in folgender Form statt: „1. Aufnahme einer

Schwangeren und Dokumentation der erhobenen Befunde mit Erstellung eines

Behandlungsplanes, 2. Durchführung einer Entbindung mit Erstversorgung des

Neugeborenen und Dokumentation im Einverständnis mit der Schwangeren, 3. eine

praktische Pflegedemonstration an einem Säugling, 4. eine Fallbesprechung/

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Pflegedemonstration an einer Wöchnerin“ (Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für

Hebammen und Entbindungspfleger, 1993 geänderte Fassung von 1987).

4. Tätigkeitsbereiche

Aufgrund der weitreichenden Handlungskompetenzen und dem breit gefächerten

theoretischen Wissen, stehen der Hebamme vielfältige Möglichkeiten der Berufsausübung

zur Verfügung. So besteht die Option, in einem Angestelltenverhältnis im Krankenhaus im

Bereich des Kreißsaales oder der Wochenstation, der Schwangerenberatung und –

betreuung einer Elternschule oder als Lehrhebamme einer angegliederten Hebammenschule

tätig zu sein. Des Weiteren ist die Hebamme dazu befugt, freiberuflich in einer

Hebammenpraxis, einem Geburtshaus oder einem Belegsystem zu arbeiten. Dieses

weitreichende Angebot lässt viel Raum zur Entfaltung sowie zur individuellen Interpretation

und Verwirklichung der durch die Lernziele definierten geforderten Kompetenzen einer

Hebamme.

2.1.2 Handlungskompetenz

Die geschilderten Ausbildungsziele sowie Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen sind

gesetzlich geregelte Richtlinien, die die Qualität des Hebammenberufes umfassend und im

nationalen und internationalen Vergleich sicherstellen sollen. Die Erwartungen der Paare,

welche die Hebamme in dieser für sie außergewöhnlichen Phase der Familienbildung

begleitet, basieren zwar auf den beschriebenen Fähigkeiten einer Hebamme, sind jedoch

sehr individuell.

Möglichkeiten der Erwartungen der werdenden bzw. neu gegründeten Familie an ihre

Hebammen sind:

� Sensibilität

� Respekt und Anerkennung der Individualität

� Eigeninitiative

� Verantwortungsbewusstsein

� Flexibilität

� Zeit

� Kompetenz und Fachwissen

� Akzeptanz der eigenen Grenzen und des vorgegebenen Kompetenzbereiches

Um diesen Erwartungen und Bedürfnissen gerecht werden zu können, benötigt die

Hebamme ein fundiertes Fachwissen, ein hohes Maß an Menschenkenntnis sowie eine

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starke Persönlichkeit, um den Familien als Vertrauensperson, kompetente Beraterin,

Führungsperson und Vermittlerin zur Seite zu stehen.

Die Hebammenausbildung soll zur Aneignung der geschilderten Kompetenzen führen. Sie

bietet hierfür jedoch lediglich eine Basis, die zur Ausübung ihres Berufes befähigt. Diese

Grundlage soll die Hebamme während ihrer Tätigkeit und mit Hilfe ihrer Lebenserfahrung

erweitern, um so möglichst effizient ihre Aufgaben zu erfüllen und ihren Erwartungen gerecht

zu werden.

2.1.3 Lernziele

Die vorangegangenen Ausführungen betrachtend ergibt sich als übergreifendes Lernziel der

Hebammenausbildung das Erlangen von Handlungskompetenz, also „die Fähigkeit des

Einzelnen, sich in beruflichen Situationen sachgerecht, sowie individuell sozial verantwortlich

zu verhalten.“ (Kultusministerkonferenz, 5. Feb 1999). Dabei lässt sich Handlungskompetenz

in vier Teilbereiche untergliedern (von Saldern 1997):

� Unter Fachkompetenz versteht man den Besitz von theoretischem Wissen und

Fertigkeiten sowie dessen situationsgerechte Anwendung.

� Methodenkompetenz ist die Fähigkeit zur Anwendung bestimmter Lern- und

Arbeitsmethoden, insbesondere zur selbständigen Erschließung unterschiedlicher

Lernbereiche.

� Mit Sozialkompetenz ist die Befähigung gemeint, Gedanken und Gefühle wahrzunehmen,

sich situations- und personenbezogen verständigen zu können und zur Verständigung

bereit zu sein. Soziale Kompetenz bezeichnet somit die Gesamtheit der Fertigkeiten, die

für die soziale Interaktion nützlich oder notwendig sind.

� Persönlichkeitskompetenz bedeutet, eigene Fähigkeiten und Stärken zu kennen

(realistisches Selbstbild) und damit situationsgerecht umgehen zu können, also

beispielsweise der eigenen Überzeugung gemäß zu handeln und soziale Verantwortung

zu übernehmen.

Das Ziel der Ausbildung ist es also, das Erlernen der genannten Fähigkeiten zu ermöglich

und zu fördern. Die Grundlagen hierfür bieten die bereits erwähnten und näher erläuterten

Gesetze. Anschließend ist es die Aufgabe der Hebamme, ihre Kompetenzen durch ihre

Tätigkeit selbst sowie durch Fortbildungen zu festigen, zu erweitern und einen individuellen

Weg zu finden, den Erwartungen gerecht zu werden und die Bedürfnisse ihrer zu

betreuenden Mitmenschen zu erfüllen.

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2.2 Methoden der Wissensvermittlung

Der nun folgende Abschnitt der Arbeit befasst sich mit den Möglichkeiten, Wissen effektiv zu

vermitteln. Bevor unterschiedliche Lernmodelle näher erläutert werden, findet eine

Darstellung der Lerngrundsätze der Hebammenausbildung statt.

2.2.1 Lerngrundsätze

„Die Schülerinnen sind Lernende. Sie benötigen ausreichend Gelegenheit und auch

Anleitung, um sich kooperativ und teamfähig berufsbezogene Kenntnisse anzueignen und

sie in der Praxis nach und nach sicher anzuwenden. Sie sollen unterstützt werden in ihrem

Bemühen, ihr eigenes Handeln zu reflektieren.

Den Schülerinnen sollen im 1. Ausbildungsjahr ausgewählte Grundkenntnisse vermittelt

werden. Im 2. und 3. Ausbildungsjahr sollen sie zunehmen an komplexere Lernsituationen

herangeführt werden und dabei – ebenfalls noch unter Anleitung – zunehmend selbständig

arbeiten. Es ist sinnvoll, den Lernenden häufig Gelegenheit zu Beobachtungen zu geben (z.

B. während des Geburtsverlaufs), damit sie ihre Fähigkeiten schulen können, genau zu

beobachten und das Geschehene in differenzierter Weise zu verbalisieren. Häufige

Nachbesprechungen helfen den Schülerinnen ihr Handeln zu reflektieren, ggf. zu korrigieren

und somit die gewünschte Professionalität zu entwickeln“ (Bayrisches Curriculum, 1993, S.

216 ff). Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass neben der Selbstständigkeit und

Eigenverantwortung der Schülerin auch ein hohes Maß an Unterstützung und

Kooperationsbereitschaft der Lehrkräfte, Praxisanleiter und anderer Teammitglieder

erforderlich ist, um das Wissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Hebamme möglichst

effektiv zu übermitteln. Um dies zu erreichen, sind eine enge Zusammenarbeit sowie ein

regelmäßiger Informationsaustausch zwischen Lernenden und Lehrenden bzw. zwischen

Schule und Kreißsaal/ Station unerlässlich. Eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis

ist erstrebenswert. Hierfür ist die Sicherstellung von genügend Personal nötig, sodass die

Begleitung und Anleitung der Schülerinnen „nicht als Belastung, sondern als Bereicherung

angesehen werden kann“ (Bayrisches Curriculum, 1993, S. 216 ff). In ihrer Diplomarbeit

betont Claudia Hellmers, dass neben der Vermittlung fachlicher Kompetenzen die

Entwicklung der Persönlichkeit einen hohen Stellenwert einnehmen soll (Hellmers, 2002).

Dies schließt mit ein, dass die Lehrenden die individuellen Lebenserfahrungen, Werte und

den bereits erlangten Wissensstand einer jeden Schülerin achten und darauf aufbauen soll.

Persönliche Bedürfnisse, Ängste und Erwartungen dürfen hierbei nicht außer Acht gelassen

werden.

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2.2.2 Lernmodelle

Die Art der Wissensvermittlung und Aneignung bestimmter Fähigkeiten richtet sich sowohl

nach der Art der zu vermittelnden Materie als auch nach dem Ausbildungsstand der

Schülerin. Die Vermittlung sollte so erfolgen, dass das zu Lehrende möglichst effektiv an die

Schülerin gebracht wird mit dem Ziel, sie möglichst zeitnah zu einem selbstständigen

Arbeiten auf der Grundlage fundierten Wissens zu befähigen. Die Lehrende soll dabei

möglichst verständlich agieren und die Schülerin „soll sich gemäß ihrem Ausbildungsstand

von der Anleiterin emanzipieren und ihre Unabhängigkeit erreichen. (…) Die Schülerinnen

sollen als selbstständige Akteure in ihren Lernprozess einbezogen werden (…) und die

Chance erhalten, die Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen“ (Hellmers, 2002, S. 86).

Die im Folgenden dargestellten Lernmodelle basieren auf unterschiedlichen theoretischen

Ansätzen wie beispielsweise dem des Assoziationslernens, der kognitiven Verknüpfung, des

Lernens durch Einsicht oder dem Ansatz der behavioristischen Lerntheorie. Anhand der

genannten und weiteren theoretischen Ansätze des Lernens werden die nun folgenden

Lernmodelle abgeleitet. Sie stellen jedoch lediglich beispielhafte Erläuterungen dar und

erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

a) Theoretische Wissensvermittlung

In den laut Ausbildungsverordnung stattfindenden 1600 Stunden theoretischen und

praktischen Unterrichts kann die Wissensvermittlung auf unterschiedliche Art und Weise

erfolgen. Eine Möglichkeit ist der Frontalunterricht, in dem die Lehrer ihren Schülern verbal

Informationen überbringen. Für eine abwechslungsreichere Gestaltung des Unterrichts

eignen sich zusätzlich der Einsatz verschiedener Medien (Film, Hörspiel, Overheadprojektor,

Tafelbilder, …) sowie der von Gruppenarbeiten und Präsentationen durch die Lernenden.

2. Vor-, Zwischen- und Abschlussgespräche

Gespräche zwischen Schülerin und Lehrerin und/ oder Praxisanleiterin sind für eine effektive

Verknüpfung von Theorie und Praxis unerlässlich. Hierbei sollen Erwartungen aller

Beteiligten ausgetauscht und besprochen werden. Diskrepanzen zwischen Theorie und

Praxis müssen behoben werden.

Ein Vorgespräch dient dazu, den folgenden Einsatz zu strukturieren, gegenseitige

Erwartungen zu besprechen und Rahmenbedingungen zu schaffen, welche beispielsweise

aus dem Erstellen eines Tätigkeitskataloges bestehen können.

Im Zwischengespräch können nun bestehende Probleme besprochen werden, um für den

Rest des Praxiseinsatzes eine für alle Beteiligten zufrieden stellende Lösung zu finden.

Hierbei ist es wichtig zu schauen, inwiefern die im Vorgespräch geäußerten Erwartungen

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und Forderungen erfüllt werden. Leichte Abänderungen der Einsatzstrukturierung sind

möglich.

Das Ziel des Abschlussgespräches ist es, sowohl den Lernenden als auch den Lehrenden

die Möglichkeit zu bieten, ein Feedback zum praktischen Einsatz zu geben und eine

Einschätzung der Gegenseite zu erhalten. Auch eine Selbsteinschätzung der Schülerin sollte

enthalten sein, um ihre Sensibilität zum Erkennen eigener Ressourcen und auch Schwächen

zu verfeinern.

3. Wochenplan

Eine Wochenplanung muss vor Einsatzbeginn in der Praxis erstellt werden. Er sollte

wiedergeben, welche Anforderungen in der jeweiligen Woche von der Schülerin erfüllt

werden sollen. Die Inhalte der einzelnen Wochenpläne sollen aufeinander aufbauen, sodass

die Lernende sich Woche für Woche steigern und ein Ziel für den Ende dieses

Praxiseinsatzes erkennen kann. Somit ist es ihr möglich, ihre Kompetenzen und ihre

Selbstständigkeit kontinuierlich zu steigern, während sie dabei in der Erfüllung der Ziele von

den Lehrenden unterstützt und begleitet wird.

4. Praktische Anleitung

Die praktische Anleitung soll dazu dienen, den Schülerinnen in einer konkreten

Praxissituation Lerninhalte verständlich zu machen. Ziel ist es, die Lernende zu befähigen,

diese Inhalte selbstständig und korrekt auszuführen. Unterschiedliche Ausübungen der

praktischen Anleitung sollen es ermöglichen, auf die individuellen Ressourcen der Schülerin

einzugehen und auf diese aufzubauen, um möglichst effektiv deren Kompetenzen zu

erweitern.

Ein Möglichkeit der praktischen Anleitung ist die „Demonstration einer Tätigkeit durch die

Anleiterin“ (Hellmers, 2002, S. 86). Hierbei gibt die Lehrende ein Handlungsbeispiel, bei

dessen Ausführung sie sich streng an den gesetzlichen theoretischen Vorgaben orientiert.

Besonders geeignet ist diese Form der Anleitung für die erste Phase der Ausbildung. Es

bietet sich hierbei die Gelegenheit, der Lernenden neue oder lediglich theoretisch bekannte

Tätigkeiten zu präsentieren. Somit erhält diese die Chance, sich bestimmte Techniken

anzueignen bzw. mit ihren bisherigen Kenntnissen zu verknüpfen, um eine persönliche

Methode zur Ausübung der demonstrierten Tätigkeit zu entwickeln.

Des Weiteren bietet das Modell der praktischen Anleitung die Möglichkeit, eine Tätigkeit

gemeinsam durchzuführen. Dies bedeutet, dass Anleiterin und Schülerin eine eventuell im

theoretischen Unterricht erlernte Maßnahme zusammen bewältigen und dabei die vorher

getroffenen Vereinbarungen zur Aufgabenteilung einhalten. „Stufenweise kann sich der

Aufgaben-Anteil der Schülerin erhöhen bis sie ihre fachliche Autonomie erreicht hat. Eine

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unvorhergesehene notwendige Unterstützung der Schülerin …“ durch die Anleiterin „ … kann

unter Umständen erforderlich sein und verlangt neue Absprachen“ (Hellmers, 2002, S. 87).

Dieses Signal zur nötigen Hilfestellung kann sowohl durch die Lehrende als auch durch die

Lernende selbst ausgesendet werden, wenn diese bei ihrer Tätigkeit Unsicherheiten

verspürt.

Befinden sich die Kompetenzen der Schülerin auf einem entsprechend hohen Niveau, kann

die praktische Anleitung lediglich darin bestehen, dass die Lehrende die Ausübung

bestimmter Tätigkeiten durch die Lernende beobachtet. Je nach Ausbildungsstand können

diese Tätigkeiten mehr oder weniger komplex sein, sodass am Ende der Ausbildung alle

Techniken und Maßnahmen einer Hebamme durch die Schülerin eigenständig ausgeführt

werden können, während die Anleiterin lediglich die Rolle des Beobachters spielt und es

möglichst vermeidet, „in den Tätigkeitsablauf der Schülerin einzugreifen“ (Hellmers, 2002, S.

88.)

Ein vorheriges Gespräch zwischen Schülerin und Anleiterin zur Klärung der Aufgabenteilung

ist bei allen Modellen unerlässlich. Bei den genannten Variationen der Praxisanleitung

besteht jedoch immer die Möglichkeit, das vorher geplante Modell abzuändern und die

praktische Anleitung nach einem anderen Prinzip fortzuführen, sofern die Situation dies

erfordert. Auch eine Nachbesprechung ist nötig, um ein gegenseitiges Feedback geben zu

können.

5. Rollenspiele

Das Modell des Rollenspiels eignet sich sowohl für den Unterricht in der Schule als auch zur

Durchführung in der Praxis, um einen möglichen Leerlauf im Arbeitsalltag zu überbrücken.

Zuerst werden die Grundlagen eines Fallbeispieles konstruiert (Beispiel: Eine Schwangere

wird mit vorzeitigem Blasensprung in die Klinik eingeliefert. Sie befindet sich in der 29+5

Schwangerschaftswoche). Dann muss geklärt werden, wie viele Personen in das folgende

Rollenspiel integriert werden sollen. Die Besetzung der einzelnen Rollen ist die nächste

Aufgabe. Wenn alle Unklarheiten beseitigt sind, beginnt das Rollenspiel. Dabei ist es von

großer Bedeutung, dass sich alle Beteiligten gut in ihre fiktive Persönlichkeit hineinversetzen

können. Von Vorteil könnte es sein, zusätzlich zu den aktiven Schauspielern, einige

fachkundige Beobachtungspersonen einzusetzen, die die Situation von einem objektiven

Standpunkt aus zu beurteilen in der Lage sind. Nach Beendigung des Rollenspiels folgt die

Auswertung. Hierbei sollen sowohl positive als auch verbesserungsbedürftige Sequenzen –

mit entsprechenden Handlungsalternativen - des Spiels hervorgehoben werden. Die

Anleiterin kann hierbei entweder als aktives Mitglied des Rollenspiels agieren oder den

Posten einer Beobachterin einnehmen.

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Die dargestellten Lernmodelle sind beispielhaft ausgewählt und in unterschiedliche

Richtungen erweiterbar. Sie sollen einen Einblick geben in die vielfältigen Möglichkeiten,

Wissen und Fertigkeiten effektiv zu vermitteln und anzueignen. Sie können sowohl isoliert als

auch kombiniert angewandt werden.

2.3 Leistungsbewertung

Im Abschnitt „Leistungsbewertung“ werden sowohl deren Ziele erläutert, die Lehrende und

Lernende betreffen, als auch konkrete Möglichkeiten der Bewertung aufgeführt.

2.3.1 Ziele der Leistungsbewertung

Die Zielsetzung der Leistungsbewertung innerhalb der Hebammenausbildung umfasst viele

Aspekte. Im Idealfall sollten sowohl Lehrende als auch Lernende von einer regelmäßigen

Rückmeldung über den aktuellen Leistungsstand profitieren.

a) Feedback an die Lehrenden

Ein Ziel besteht darin, den Lehrenden eine möglichst objektive Einsicht in den aktuellen

Ausbildungsstand jeder einzelnen Schülerin zu gewähren. Dies kann sowohl anhand von

schriftlichen oder mündlichen Beurteilungen oder aber auch durch Noten geschehen. So

erhält die Schulleitung durch Praxisanleiterinnen, Hebammen, Pflegekräfte und Dozenten,

teilweise auch von der Schülerin selbst, ein vielfältiges Spektrum an Informationen über

Stärken und Schwächen sowie das Arbeitsverhalten der Lernenden, um daraus nun einen

persönliches, möglichst objektives Bild des Leistungsstandes jeder Schülerin zu erhalten.

Nicht weniger bedeutend ist es für die Lehrende, anhand der genannten vielfältigen

Rückmeldungen aller an der Ausbildung Beteiligten etwas über den Gefühlsstand,

beispielsweise das Selbstbewusstsein, die Ängste und Freuden, die Unsicherheiten und

andere Gefühle, der Schülerin zu erfahren. Denn neben dem Ziel, die Lernende beim Erwerb

möglichst ausgeprägter theoretischer und praktischer Kompetenzen zu unterstützen, spielt

es eine nicht weniger bedeutende Rolle, die Schülerinnen zu starken Persönlichkeiten

heranreifen zu lassen, welche in ihrem Beruf ihre Stärken möglichst selbstbewusst

einzusetzen im Stande sind und dabei ihrem Gegenüber mit einem hohen Maß an

Sensibilität und Menschlichkeit begegnen. Um dies zu erreichen, ist zusätzlich zur

Leistungsüberprüfung und –bewertung die Beachtung der menschlichen, persönlichen

Komponente der Schülerin unerlässlich.

2. Feedback an die Lernenden

Ein weiters Ziel der Leistungsbewertung sowohl in der Theorie als auch in der Praxis ist es,

den Lernenden selbst innerhalb der Ausbildung regelmäßig eine Fremdeinschätzung ihrer

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Kompetenzen zu bieten. Akzeptiert die Schülerin diese Rückmeldung als Hilfestellung,

eventuell noch bestehende Unsicherheiten, Probleme und Mängel in der Ausführung

einzelner Tätigkeiten zu lindern oder gar zu beseitigen, so stellt die Bewertung eine wichtige

Säule für den Entwicklungsprozess der Lernenden dar. Sie erhält durch die möglichst

objektive Konfrontation mit ihren Schwächen die Möglichkeit, an diesen zu arbeiten und

Schritt für Schritt die Erwartungen der Lehrenden zu erfüllen.

Doch auch dem Aspekt der positiven Rückmeldung für besonders gute praktische

Leistungen und ausgeprägte theoretische Kenntnisse sollte genügend Beachtung geschenkt

werden. Das Lob und die Anerkennung von Leistungen spielt im Lernprozess der Schülerin

eine bedeutende Rolle. Durch positives Feedback stärkt sie ihr Selbstvertrauen und dies

erleichtert es ihr, persönliche Ressourcen effektiver zu nutzen. Motivation und Freude am

Lernen werden erhöht, was meist zugleich eine Leistungssteigerung mit sich bringt.

Zusammenfassend dient die Leistungsbewertung der Schülerin sowohl dazu, ihre

Schwächen zu erkennen und eine Verbesserung anzustreben, als auch der Stärkung ihres

Selbstbewusstseins, ihrer Persönlichkeit sowie der Motivation und Freude an der

Hebammenausbildung.

2.3.2 Möglichkeiten der Leistungsbewertung

Die Art und Weise, Leistungen in der Hebammenausbildung zu bewerten, unterscheidet sich

je nach dem, ob sich die zu betrachtenden Aspekte im theoretischen Unterricht oder im

Praxiseinsatz wieder finden. Die nun dargestellten Möglichkeiten der Leistungsbewertung

finden auch in der später folgenden Auswertung der Schülerinnenumfrage Beachtung.

a) Benotung theoretischen Wissens

Im theoretischen Unterricht gilt es, das an die Schülerin vermittelte Wissen regelmäßig zu

überprüfen, um sowohl einen einheitlichen Wissensstand unter den Schülerinnen zu

gewährleisten, als auch den Lehrenden sowie Lernenden eine Rückmeldung über den

individuellen Ausbildungsstand jeder Schülerin zu bieten.

Die Benotung der Leistung kann auf viele verschiedene Arten geschehen. Im Folgenden

werden einige Beispiele aufgeführt und erläutert.

Eine Möglichkeit ist die Durchführung von schriftlichen Tests. Die Dozenten erarbeiten hierfür

eine Lernerfolgskontrolle, die von den Schülerinnen innerhalb einer vorgegebenen Zeit

bearbeitet werden soll. Der Inhalt des Testes basiert auf den Unterrichtsinhalten einer

festgelegten Zeitspanne der vergangenen Unterrichtsstunden. Die Fragestellungen sollten

möglichst eindeutig sein, um Missverständnisse zu vermeiden und gerechte

Voraussetzungen zu gewährleisten mit dem Ziel einer möglichst objektiven und

vergleichbaren Bewertung. Nach Beendigung der Lernerfolgskontrolle erfolgt die Korrektur

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der Arbeiten mit anschließender Benotung oder Bepunktung. Diese sollte für alle Beteiligten

verständlich und nachvollziehbar ausfallen. Eine abschließende Besprechung der Testinhalte

ist anzustreben, um letzte Fragen und Unsicherheiten zu beheben und alle Schülerinnen auf

einen einheitlichen Wissensstand zu bringen.

Solch eine Überprüfung theoretischen Wissens kann auch durch eine mündliche Abfrage

unter sonst gleichen Bedingungen erfolgen. Der Vorteil dieser Methode besteht darin,

eventuell bestehende Missverständnisse während des Gesprächs zu beseitigen und

kurzfristige Veränderungen der Prüfung vorzunehmen, um beispielsweise besser auf die

individuellen Bedürfnisse sowie auf die Persönlichkeit jeder Geprüften einzugehen. Meist

geht eine mündliche Prüfung jedoch mit einem Verlust an Objektivität und Vergleichbarkeit

innerhalb des Kurses einher. Dies liegt daran, dass jedes Gespräch trotz identischer

Grundlagen unterschiedlich verläuft, was sich wiederum auf die Objektivität des Prüfers

negativ auswirkt. Somit sind die Vor- und Nachteile einer mündlichen Prüfung bei der Wahl

der Prüfungsmethode sorgfältig abzuwägen.

Die Ausarbeitung einer Präsentation bietet eine weitere Möglichkeit der Wissensüberprüfung.

Zusätzlich wird hierbei selbstständiges Arbeiten der Schülerin gefördert. Des Weiteren stellt

die Art und Weise des Präsentierten zusätzlich zum Inhalt ein zweites Bewertungskriterium

dar. Die Rhetorik der Schülerin wird gefordert und gefördert und bereitet die Lernende auf

ein selbstbewusstes Auftreten in ihrer beruflichen aber auch privaten Zukunft vor. In der

Arbeit der Hebamme spielt dies in Bezug auf die Glaubwürdigkeit, die Beratungskompetenz

und das Vertrauen eine bedeutende Rolle.

2. Praxisbesuche

Das unter „2.2.d Praktische Anleitung“ beschriebene Modell der Praxisanleitung stellt

ergänzend zur Lernmethode die Möglichkeit der Leistungsbewertung dar. Die

Praxisanleiterin kann in diesem Falle während der Aneignung praktischer Fertigkeiten die

Lernfortschritte im Arbeitsalltag beurteilen und bewerten. Zu betrachtende Aspekte sind

hierbei die Selbstständigkeit der Schülerin in bestimmten Arbeitsabläufen sowie die

Verknüpfung theoretischen Wissens mit der Umsetzung in der Praxis. Ein weiteres

Bewertungskriterium kann die Motivation und das Interesse am Erlernen neuer Fertigkeiten

darstellen. Hierbei sollte jede Bemühung und jeder Fortschritt positiv in die Beurteilung

einfließen.

3. Bewertungsbögen

Bewertungsbögen dienen der Leistungsbewertung währen der Praxiseinsätze. Sie umfassen

meist sehr vielfältige Kriterien. Meist beinhalten sie Aspekte das Arbeitsverhalten sowie das

Sozialverhalten betreffend. Bei der Bewertung des Arbeitsverhaltens kommt es

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beispielsweise darauf an, die Informationsweitergabe, die Pflegedurchführung, die

Arbeitsvor- und -nachbereitung, die Hygiene und Wirtschaftlichkeit der Schülerin zu

beurteilen. Hierbei können stationsspezifische Aufgaben detailliert betrachtet und bewertet

werden. Wichtige Aspekte des Sozialverhaltens können der Umgang mit Patienten,

Angehörigen und Mitarbeitern sein. Außerdem umfassen sie beispielsweise auch das

Verantwortungsbewusstsein gegenüber allen am Arbeitsalltag Beteiligten. Die Bewertung

kann sowohl durch die Beantwortung geschlossener Fragen im Ankreuzverfahren als auch

durch eine freie schriftliche Beurteilung erfolgen.

Des Weiteren können die Bewertungsbögen Platz für eine Selbsteinschätzung der Schülerin

beinhalten, wobei zusätzlich die Möglichkeit bestehen kann, ihrerseits der jeweiligen Station

ein Feedback zu geben, welches beispielsweise die Einführung am Beginn sowie die

Anleitung während des Praxiseinsatzes beinhaltet. Platz für Wünsche und

Verbesserungsvorschläge ergänzen häufig einen Bewertungsbogen. Diese genannten

Aspekte werden in der später folgenden Auswertung der aktuell existierenden

Bewertungsbögen im Kreißsaaleinsatz deutscher Hebammenschulen näher betrachtet.

Auch die Benotung des Praxiseinsatzes kann anhand eines Bewertungsbogens erfolgen. Die

oben genannten Bewertungskriterien werden hierbei gewichtet und zu einer Gesamtnote

zusammengefasst. Hierbei darf die Begründung der Benotung durch genaue Ausführung der

Bewertungskriterien nicht fehlen, um die Beurteilung nachvollziehbar zu gestalten,

Missverständnisse zu vermeiden und der Lernenden sowie allen Lehrenden die Chance zu

geben, die Stärken und Schwächen der Schülerin detailliert zu betrachten. Dies bietet die

Möglichkeit, gezielt an der Optimierung der Praxis zu arbeiten.

Eine ausführliche Analyse der in deutschen Hebammenschulen aktuell existierenden

Bewertungsbögen sowie die Auswertung der Hebammenschülerinnenumfrage zu ihren

jeweiligen Bewertungsbögen im Kreißsaaleinsatz finden im Verlaufe der Arbeit statt.

4. Zwischen- und Abschlussgespräche

Neben den Aspekten der Einsatzstrukturierung, dem Austausch von gegenseitigen

Erwartungen und dem abschließenden Resumé von Erwartungen und Ergebnissen, welche

unter „2.2.b Vor-, Zwischen- und Abschlussgespräche“ ausführlich erläutert werden, ist die

Leistungsbewertung ein weiteres Standbein der Gesprächsführung vorwiegend während und

nach einem Praxiseinsatz.

Hierbei dient das Zwischengespräch hauptsächlich dazu, die Schülerin auf bestehende

Fehler und Schwächen hinzuweisen, um ihr die Möglichkeit zu geben, sich in den

betreffenden Arbeitsfeldern während des Einsatzes zu verbessern und somit ihre

Arbeitsweise hinsichtlich des Einsatzendes zu optimieren.

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Einen weiteren Soll-Ist-Abgleich bietet dann das Abschlussgespräch. Grundlage hierfür kann

der ausgefüllte Bewertungsbogen sein, der nun gemeinsam mit der Schülerin besprochen

werden sollte. Die Praxisanleiterin sollte die Inhalte des Bogens sowie des geplanten

Gespräches vorher jedoch mit den anderen Hebammen und Stationsschwestern, welche

ebenfalls die Arbeit der Schülerin beobachtet und begleitet haben, besprechen, um eine

möglichst objektive Bewertung zu gewährleisten. Im Gespräch selbst, welches eventuell

auch unter Beisein der Schulleitung erfolgen kann, soll nun für Lernende und Lehrende die

Chance zur Gabe eines Feedbacks gegeben sein. Diese Rückmeldung sollte jeweils

sachlich und nicht verletzend erfolgen. Ehrlichkeit und eine ausführliche Begründung der

Bewertung sind von großer Bedeutung. Sinnvoll ist es auch, gemeinsam mit der Beurteilung

Verbesserungsvorschläge vorzubringen, um eine Perspektive für zukünftige Praxiseinsätze

zu geben.

In vielen momentan existierenden Bewertungsmechanismen deutscher Hebammenschulen

findet diese Art der Leistungsbewertung Anklang. Näher wird dieser Aspekt in der später

folgenden Analyse der aktuellen Bewertungsbögen betrachtet.

Die hier genannten Möglichkeiten der Leistungsbewertung und erläuterten

Bewertungsmöglichkeiten sind lediglich Vorschläge für eine effektive Bewertung der

Hebammenschülerin. Erst durch eine kompetente Durchführung und eine Kombination

unterschiedlicher Modelle kann eine Optimierung der Bewertung erfolgen.

2.4 Zusammenfassung

Über Sinn und Unsinn von Leistungsbewertungen lassen sich wahrlich wunderbare Debatten

führen. Letztendlich stehen sich dabei verschiedene pädagogische Richtungen und die ihnen

zugrunde liegenden Menschenbilder gegenüber. Nimmt Maria Montessori nicht das

intrinsische Interesse am Lernen an? Und macht sie damit jegliche Bewertungssysteme

überflüssig?

Mir persönlich geht es nicht um die Bewertung, sondern ich will aus meinenFehlern und dem was ich gut mache, lernen und mich weiterentwickeln.1

Oder lernen wir nach Iwan Pawlow doch durch Konditionierung, durch Belohnung und

Bestrafung? Wir wollen an dieser Stelle diese Grundsatzdebatte nicht weiter ausführen,

sondern stellen dieser Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen nur diese

grundsätzliche Frage als Denkanstoß voran.

1 Alle folgenden, kursiv gedruckten Textstellen sind direkte Zitate der befragten Schülerinnen. Sie sindnur eine sehr kleine Auswahl. Es ist beeindruckend, wie rege die freien Kommentarfelder genutztwurden, um die Benotung zu erklären und mit Beispielen zu ergänzen. Im Anhang befinden sich alleKommentare.

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Tatsache ist nämlich, dass an den Hebammenschulen wie auch im überwiegenden Teil des

deutschen Bildungswesens Bildung bzw. Lernen immer auch Bewertung und Kontrolle

impliziert. Dies wird mit den verschiedenen Funktionen einer Leistungsbewertung begründet.

Zum einen erfüllt sie eine pädagogische Funktion. Bewertung ist Rückmeldung an die

Schülerin, sie bietet ihr Anreiz, Motivation und Disziplinierung zugleich. Weiter erfüllt

Bewertung die Orientierungsfunktion. Sie informiert die Schülerin und die Lehrerin über ihren

aktuellen Wissensstand und den erzielten Lernfortschritt (siehe Kapitel 2.3.1).

Doch auch die Gesellschaft hat ein eigenes Interesse an der Bewertung, da sie

Berechtigungs- und Auslesefunktion übernimmt. So soll eine zuverlässige und vergleichbare

Bewertung das Niveau der Ausbildung und somit die Qualität des Berufsstandes garantieren

aber auch Bewerbung und Berufseinstieg erleichtern.

Darüber hinaus hat jede Bewertung aber auch immer eine Bedeutung für die „Bewertenden“.

Sie ist nämlich zugleich auch ein Ergebnis ihrer Arbeit. „Wie Lernen und Lehren zwei

Aspekte eines Prozesses sind, so spiegelt sich in der Lernleistung auch die didaktische

Leistung des Lehrers wider“ (Schreiner, 1970 S. 4). Für die Schülerin stellt dies wiederum

sicher, dass sich jemand mit ihr auseinandersetzen muss, sie beobachtet und wahrnimmt

und im besten Fall konstruktiv anleitet.

Gerade da Hebammen individuell unterschiedlich arbeiten, ist es schwierig esimmer allen recht zu machen. Ich muss im Endeffekt mit meiner Arbeit zufriedensein, das Feedback der Frauen ist mir wichtiger!

Welche Form der Leistungsbewertung dabei am besten geeignet ist hängt in erster Linie von

der zu überprüfenden Kompetenz ab (zu den verschiedenen Lernziele vgl. Kapitel 2.1.3).

Fachkompetenz lässt sich recht verlässlich durch Klausuren feststellen. Auch die

methodische Kompetenz, also beispielsweise die Fähigkeit analysieren oder bewerten zu

können, lässt sich noch mittels (differenzierterer) schriftlicher Prüfungsformen wie einer

Hausarbeit erheben. Zwar spielt die Persönlichkeitskompetenz, also die Fähigkeit zur

Selbstreflexion, Stressbewältigung, Zeitplanung oder Arbeitsorganisation bei schriftlichen

Prüfungsformen indirekt auch eine Rolle, zur direkten Überprüfung sind jedoch mündliche

Prüfungen, Gespräche oder Rollenspiele sehr viel besser geeignet. Am kompliziertesten ist

jedoch die Bewertung und Überprüfung von Sozialkompetenz, teilweise wird sogar die

Ansicht vertreten, diese entziehe sich einem Nachweis, vollzogen in einer bloßen Prüfung.

Möchte man sie dennoch erheben, muss man sich der Probleme bewusst sein. Vor allem die

bereits angesprochene enge Verbindung des Lernens und Lehrens spielt hier eine

entscheidende Rolle. So hat nämlich die Sozialkompetenz des Bewertenden – sei sie nun

gering vorhanden oder stark ausgeprägt – ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf den

Bewertungsprozess und damit auch auf die Vermittlung des Lernstoffes. Zur Bestimmung

19

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der Sozialkompetenz ist also eine Standardisierung notwendig, die festlegt, welche

Indikatoren zur Bewertung herangezogen werden. Damit wird verhindert, dass lediglich nach

einem vagen Eindruck bewertet wird (Löhmannsröben/ Wex, 2010).

20

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3 Empirie

Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen soll im folgenden Kapitel nun zunächst

festgestellt werden, welche Formen der Leistungsbewertung im Kreißsaal zur Anwendung

kommen. Dazu werden die Bewertungsbögen der Hebammenschulen in Deutschland

ausgewertet.

Im zweiten Teil wird dann mittels einer Onlinebefragung erhoben, was die

Hebammenschülerinnen von einer Leistungsbewertung erwarten. Welche Funktionen soll sie

erfüllen und welche Kompetenzen sind aus Sicht der Schülerinnen besonders wichtig.

Abschließend wird dann noch evaluiert, mit welchen Formen der Leistungsbewertung die

Hebammenschülerinnen besonders gute/ schlechte Erfahrungen machen.

3.1 Analyse der Bewertungsbögen

Eine Möglichkeit der Leistungsbewertung im Praxiseinsatz ist der Bewertungsbogen. Es ist

das Verfahren, welches von allen - uns bekannten - Schulen benutzt wird. Häufig wird die

Methode des Bewertungsbogens mit anderen Methoden wie eigener Dokumentation durch

die Schülerin und Gesprächsnotizen, Tagesbogen, Anleitungs- und

Schülerbegleitungsprotokolle sowie Gespräche ergänzt.

Deshalb legt auch unsere Arbeit einen Schwerpunkt auf die Untersuchung der verwendeten

Bögen. Es interessiert hier weniger ein Ranking oder ein bewertender Vergleich der

verschiedenen Bögen untereinander. Vielmehr geht es uns um eine Beschreibung des

Status Quo insgesamt. Wie finden die Bewertungen aktuell statt? Wie auch im folgenden

Kapitel der Schülerinnenbefragung spielt die Zuordnung zu einer bestimmten Schule keine

Rolle. Die Bögen werden also „anonym“ betrachtet. Als Grundlage dieser Arbeit dienen 20

Bögen. Es gehen nur die Leistungbewertungen für den Kreißsaaleinsatz in die Analyse ein.

Sehr auffallend sind die deutlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Bögen. Sie

umfassen zwischen einer Seite und 14 Seiten. Die Anzahl der Fragen bzw. der einzelnen zu

bewertenden Kategorien erstreckt sich von 4-73.

Länge 1-5 Seiten 13 Bögen6-10 Seiten 5 Bögen11-15 Seiten 2 Bögen

Anzahl der Fragen 0-4 Fragen 3 Bögen4-14 Fragen 4 Bögen15-29 Fragen 8 Bögen30 und mehr Fragen 5 Bögen

Übersicht 1

21

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Trotz der Unterschiedlichkeiten lässt sich erkennen, dass die in „2.1.3. Lernzielen“

dargestellten Handlungskompetenzen in fast allen Bewertungsbögen Anklang finden.

Folgende Gliederung lässt sich also nahezu in allen Bögen erkennen:

Fachkompetenz

Methodenkompetenz

Sozialkompetenz

Persönlichkeitskompetenz

Basierend auf diesen 4 Grundpfeilern ist die Gewichtung der Aspekte von Schule zu Schule

unterschiedlich.

So wird Methodenkompetenz beispielsweise anhand von Beobachtungsfähigkeit, korrekter

Dokumentation und Organisation bewertet. Hierbei spielt die Art und Weise der

Arbeitsgestaltung eine bedeutende Rolle. Sozialkompetenz hingegen erkennt man am

Verhalten gegenüber Patienten, Angehörigen und Vorgesetzten. Persönlichkeitskompetenz

umfasst unter anderem Verantwortungsbewusstsein, berufliches Engagement sowie

realistisches Einschätzen eigener Fähigkeiten aber auch Grenzen. Die fachliche Kompetenz

der Schülerin erkennt man unter anderem daran, wie sie das theoretisch Gelernte in der

Praxis innerhalb der Hebammentätigkeiten aber auch anderer im Berufsalltag anfallenden

Arbeiten umsetzt.

In der Regel gibt es einen einheitlichen Bewertungsbogen für alle drei Ausbildungsjahre. Nur

wenige Schulen haben für die einzelnen Ausbildungsjahre unterschiedliche

Bewertungsbögen. Inwieweit verschiedene Bögen für die einzelnen Stationen

(Wochenbett/KRS) bestehen, darüber können wir nach unserer Sichtung keine eindeutige

Aussage machen. Wir haben in dieser Studienarbeit den Schwerpunkt auf den Praxiseinsatz

im Kreißsaal gesetzt und auch ausschließlich diese Bögen von den einzelnen

Hebammenschulen angefordert und in unsere Auswertung einfließen lassen.

Die weitere Auswertung der Bögen sowie eine erste Interpretation erfolgt nach den

Kategorien:

• Offene Bewertung/ Freitext

• Geschlossene Bewertung/ Ankreuzmöglichkeiten mit Bemerkungen/ Benotung/

• Erstgespräch/ Zwischengespräch/ Abschlussgespräch

• Stellungnahme der Hebammenschülerin an den Kreißsaal/ Hebamme

• Freie Begründungen

• Selbsteinschätzung

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Alle Bögen weisen, wie schon oben gezeigt, eine ähnliche Struktur auf. Fragen - teils offen,

teils geschlossen - sind in Kategorien zusammengefasst, die die erläuterten

Handlungskompetenzen wieder erkennen lassen. Wie genau und explizit gefragt wird, ist

jedoch sehr unterschiedlich, dies lässt sich allein schon aus der Zahl der Einzelfragen

ersehen. Einige Schulen fragen kleinste Details ab, bei anderen werden die großen

Kompetenzbereiche mit einer einzelnen Frage abgedeckt.

Bei Bögen mit sehr vielen Fragen könnte an den einzelnen Schulen diskutiert werden,

inwieweit die Kategorien sinnvoll bzw. überhaupt bewertbar sind oder die große Anzahl an

Fragen nicht vielmehr zum schnellen Ankreuzen und Überfliegen verleiten.

Der Bewertungsspielraum ist sehr unterschiedlich. Die Vielfalt der Bewertungsarten ist

äußerst kreativ. Sie reicht über eine Notenvergabe im Sinne von Schulnoten und einem

davon errechneten Gesamtdurchschnitt über eine Skaleneinteilung von 0/1 bis 15 oder sehr

gut bis ausreichend sowie gut, mittel, schwach, einmal sogar in Form von Smilies ;). In neun

der Schulen wird die Schülerin mit Noten bewertet.

Bögen mit geschlossener Bewertung kommen viel häufiger vor. Nur drei der Schulen nennen

eine der Kompetenzen und lassen der bewertenden Hebamme absoluten Freiraum für ihren

Kommentar. Die anderen 17 enthalten vielfältige Ankreuzmöglichkeiten und sind vermutlich

für die reflektierende Person leichter zu handhaben. Da in vielen Fällen die Mentorinnen

jedoch nur ein geringes bis gar kein Zeitkontingent für solche Dinge haben, könnte es sein,

dass die Bögen in Eile mit der nicht gebührenden Sorgfalt ausgefüllt werden. Um

Fehleinschätzungen zu vermeiden und wichtige Punkte festzuhalten wäre es sinnvoll, wenn

alle Bögen zusätzlich einen Freitext für Bemerkungen hätten. Außerdem sollte die Anzahl

der zu beurteilenden Aspekte in einem überschaubarem Rahmen gehalten werden. Daher

sind in unseren Augen einfach strukturierte Bögen mit geschlossener Bewertung/

Ankreuzmöglichkeiten und der Möglichkeit einer zusätzlichen Begründung der Hebamme

sowie der Hebammenschülerin die sinnvollste Alternative.

Die Wichtigkeiten von Vor-, Zwischen-, und Abschlussgesprächen haben wir in „2.2.2. b

Lernmodelle“ dargestellt. In etwa 50% der Schulen gibt es ein Zwischengespräch welches

sowohl der Hebammenschülerin als auch der bewertenden Person die Möglichkeit gibt,

Stellung zu nehmen. Hier ist es erfreulich, dass sich Theorie und Praxis zu decken scheinen.

Relativ viele Schulen sehen Gespräche vor:

Erstgespräch: 8 Schulen

Zwischengespräch: 11 Schulen

Abschlussgespräch: 7 Schulen

Es ist zu vermuten, dass in mehr als nur den sieben von uns ermittelten Schulen das

Abschlussgespräch vorgesehen ist. Die Zahl ergibt sich aus den eindeutig ersichtlichen

Abschlussgesprächen, die in dem Bogen mit Datum festgehalten werden sollen. In vielen

23

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Schulen verhält es sich jedoch umgekehrt, der Bogen bietet die Grundlage für ein

Abschlussgespräch und wird erst danach geführt.

Um der Hebammenschülerin und ebenso dem Kreißsaal/ den Hebammen zu ermöglichen,

sich in der Zusammenarbeit miteinander weiterzuentwickeln (siehe 2.3.1.a, b), ist in den

meisten Bewertungsbögen ein Feedback in Form von Bemerkungen, Selbsteinschätzungen,

Stellungnahmen oder Rückmeldungen enthalten.

Neben den drei Bewertungsbögen, die völlig freien Raum für die Kommentare lassen und

keinerlei Kriterien vorgeben, findet sich in fast allen Bögen ein Raum für Begründung.

Manchmal ist es jedoch nur eine halbe Zeile, hier kann wohl nicht mehr als ein Schlagwort

Platz finden und eine Erklärung für die Benotung sowie Verbesserungsvorschläge werden

untergehen. In 13 der Bögen findet man explizit einen Raum für Kommentare und die

Aufforderung für eine individuelle Rückmeldung an die Schülerin. Andersherum haben die

Schülerinnen jedoch nur an sieben der Schulen die Möglichkeit für eine Stellungnahme und

eine Einschätzung des Einsatzes. In vier Bögen wird die Schülerin zu einer

Selbsteinschätzung aufgefordert.

Aus den letzten zwei Aspekten ist klar zu erkennen, dass es an den meisten Schulen immer

noch wenige Möglichkeiten für die Hebammenschülerin gibt zu einem absolvierten Einsatz

eine persönliche Stellung einzunehmen und somit dem Kreißsaal/ der Hebamme ein

Feedback zu geben. Zu hoffen ist, dass hier die vorgesehenen Gespräche dem Bedarf der

persönlichen Stellungnahme gerecht werden.

Letztendlich dient ein gut strukturierter Bewertungsbogen der Hebammenschülerin in der

Ausbildung als Orientierung, um zu erkennen, auf welchem Level sie sich befindet. So sieht

sie, wo sich ihre Stärken und wo sich ihre Schwächen befinden. Sie kann sich im Zuge der

Selbsteinschätzung klar werden, wo noch Verbesserungen nötig sind, sie kann Ziele

festhalten und somit ihr eigenes Potential effizient einsetzen.

Für die Hebamme/ den Kreißsaal gibt ein guter Bogen die Möglichkeiten einer objektiven

Beurteilung und einer individuellen Betreuung während der Ausbildung. Da die

Lehrverhältnisse und Arbeitsbedingungen von Schule zu Schule äußerst unterschiedlich

sind, wäre es sehr schwierig und wenig effektiv, einen Standardbogen zu erarbeiten. Jedoch

sollen die vorangegangenen und noch folgenden Betrachtungen eine Hilfestellung dafür

sein, ein Bewertungssystem zu entwerfen, welches die Erwartungen der

Hebammenschülerinnen an ein solches System erfüllt, während es gleichzeitig alle Inhalte

umfasst, die für eine objektive, sachliche und effektive Bewertung nötig sind.

Das anschließende Kapitel nähert sich dem Thema der Leistungsbewertung noch einmal von

einer anderen Perspektive. Es befragt die Schülerinnen zu ihren Vorstellungen und

Erfahrungen. So können zumindest Empfehlungen für die Überarbeitung des

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Bewertungskonzeptes und seiner Umsetzung an einer Schule ausgesprochen werden. Diese

müssen selbstverständlich die örtlichen Rahmenbedingungen sinnvoll einbeziehen.

3.2 Umfrage zur Erarbeitung einer Schülerinnenperspektive

Der zweite Teil unserer empirischen Analyse umfasst eine Umfrage unter

Hebammenschülerinnen. Sie soll zum einen die Vorstellungen und Erwartungen der

Schülerinnen an eine Leistungsbewertung darstellen. Zum anderen soll sie die Beschreibung

des IST-Zustandes des vorangegangenen Kapitels (Bewertungsbögen) ergänzen, sie fragt

die tatsächliche Umsetzung mit ihren Vorteilen und Problemen aus Schülerinnenperspektive

ab.

3.2.1 Fragestellung für die Umfrage zur Schülerinnenperspektive

Es gibt es an den Schulen sehr unterschiedliche Konzepte für die Leistungsbewertung in den

Praxiseinsätzen. Dabei kommen Gespräche, individuelle Anleitung, der Vergleich von Selbst-

und Fremdeinschätzung, standardisierte Fragebögen zum Ankreuzen, frei formulierte

Berichte oder Noten in unterschiedlichem Umfang und Kombinationen zur Anwendung.

Welche Art der Leistungsbewertung letztlich am besten zur Erreichung der Lernziele

geeignet ist, darauf kann und will diese Studie keine Antwort geben. Allerdings lassen sich

aus unseren Ergebnissen einige Vorschläge ableiten, welche Rahmenbedingungen eine

sinnvolle Leistungsbewertung begünstigen – relativ unabhängig von der Form der

Leistungsbewertung.

Dabei geht es uns nicht darum die einzelnen Schulen und deren Bewertungskonzepte

miteinander zu vergleichen. Vielmehr interessieren uns die Rahmenbedingungen unter

denen die Leistungsbewertung stattfindet und welche Form der Bewertung unter diesen

Bedingungen für die Schülerinnen am sinnvollsten erscheint.

Aus den eben skizzierten theoretischen Überlegungen zur Leistungsbewertung ergeben sich

für die Erarbeitung der Schülerinnenperspektive folgende Leitfragen:

A. Was erwarten sich die Schülerinnen von einer Leistungsbewertung? Was sind für

sie die wesentlichen Funktionen einer Bewertung?

B. Wie sieht die aktuelle Umsetzung an den Schulen aus? Sind die Schülerinnen mit

ihr zufrieden, wo haben sie Kritik, Verbesserungsvorschläge? Lassen sich daraus

Empfehlungen ableiten?

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3.2.2 Methodisches Vorgehen

Um möglicht viele Schülerinnen und ihre Meinung in die Arbeit einzubeziehen, haben wir

uns für eine Online-Umfrage entschieden. Das Ausfüllen eines Fragebogens im Internet

ermöglicht es, die Responsequote zu heben und die Kosten und den Aufwand einer

deutschlandweiten Umfrage so gering wie möglich zu halten. Der BHSR verfügt über einen

Emailverteiler von 123 Schülerinnen aus insgesamt 32 Schulen. Diesen Verteiler konnten wir

für unsere Arbeit nutzen. All jene Schülerinnen erhielten am 26.02.2010 Februar eine E-mail

mit dem Link zur Umfrage und der Bitte der eigenen Teilnahme sowie der Weiterleitung an

ihre Klassenkameradinnen. Zusätzlich wurde der Link in Foren wie dem studivz gezielt an

Hebammenschülerinnen geschickt und auf Hebrech bekannt gegeben. Neben den

Maßnahmen, die Schülerinnen direkt zu erreichen, wurden auch alle leitenden Lehrerinnen

der Hebammenschulen angeschrieben. Sie erhielten zum einen die Anfrage uns den

Bewertungsbogen ihrer Schule zu schicken, sowie die Umfrage an ihre Schülerinnen

weiterzuleiten.

Der Zeitraum der Freischaltung umfasste etwa 4 Wochen. Als am 27.03.2010 die Befragung

beendet wurde, hatten 376 Personen den Link genutzt. Von den erhaltenen Bögen müssen

36 als „nicht gültig“ betrachtet werden. Hier wurde der Link geöffnet, ohne dass der

Umfragebogen aufgefüllt wurde. Es gehen also in weiterer Auswertung die Antworten von

340 Schülerinnen ein.

Diese enorme Rücklaufquote ist zum einen ein deutliches Zeichen für die Wichtigkeit des

Themas und das Interesse der Schülerinnen, aktiv an der Gestaltung ihrer Ausbildung

mitzuwirken. Zum anderen stellt sie sicher, dass die Aussagen der Studie ein recht gutes

Meinungsbild aller Hebammenschülerinnen darstellt.

3.2.3 Inhaltliche Struktur

Entsprechend unserer beiden Fragestellungen gliedert sich der Fragebogen in zwei Teile. In

Teil A wird erhoben, was Schülerinnen unter einer guten Leistungsbewertung verstehen. Es

geht also darum, welchen Nutzen die Schülerinnen von einer Leistungsbewertung erwarten,

welche Kriterien bewertet und in welcher Form die Leistungsbewertung stattfinden soll. In

Teil B der Befragung wird dann detailliert erhoben, wie die Leistungsbewertung in den

Kreißsaaleinsätzen aktuell stattfindet und welche Erfahrungen die Schülerinnen mit ihr

machen.

Ich bekomme zeitnah meine Beurteilung, in Form eines Gespräches und einemBericht ohne Noten. Wenn Kritik ausgeübt wird kann ich sie gut annehmen undumsetzen.

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Der Bogen ist derselbe egal welches Ausbildungsjahr man hat und es wird nienach dem aktuellen Ausbildungsstand bewertet, wie eigentlich gedacht, sondernimmer im Vergleich zu einer fertigen Hebamme.

3.2.4 Ergebnisse

Die befragten Schülerinnen sind im Durchschnitt 24 Jahre alt und verteilen sich relativ

gleichmäßig auf die verschiedenen Ausbildungsjahre. 34% der Befragten sind im ersten,

35% im zweiten und 31% im dritten Ausbildungsjahr. 88 Schülerinnen, also 26%, haben vor

ihrer Ausbildung bereits eine andere Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen. Lediglich

28 Schülerinnen und damit 8% haben einen Migrationshintergrund, das heißt, dass

zumindest ein Elternteil nicht in Deutschland geboren ist.

Teil A: Was erwarten Schülerinnen von einer Leistun gsbewertung?

Die Schülerinnen wurden zunächst gebeten, verschiedenen Einzelaspekten eine Bedeutung

zu zuweisen. Wie wichtig ist ihnen jeweils ein Feedback in diesem Bereich? Die abgefragten

Einzelaspekte wurden aus den theoretischen Vorüberlegungen der Handlungskompetenzen

(2.1.2) und Lernziele in der Hebammenausbildung (2.1.3) abgeleitet. Sie entsprechen meist

auch den Kompetenzberechen, wie sie in den Bewertungsbögen vorkommen.

Tabelle 1 gibt hier eine detaillierte Übersicht. Fehlende Antworten auf einzelne Fragen (item-

non-response) wurden herausgerechnet, die Prozentangaben beziehen sich auf die Anzahl

der gültigen Antworten (dies gilt auch für alle folgenden Tabellen).

Am wichtigsten ist den Schülerinnen eine Aussage über ihre Zuverlässigkeit und ihr

Verantwortungsbewusstsein (80%= sollte unbedingt enthalten sein). Auch die Umsetzung

des fachlichen Wissens (74%) und Fachwissen selbst (57%) sowie ihr Verhalten gegenüber

den Patienten (76%) wollen die Schülerinnen dringend bewertet haben. Betrachtet man

weiter all die Aspekte bei denen über die Hälfte der Befragten angeben, dass sie unbedingt

enthalten sein sollen, fällt auf, dass sich die Aspekte besonders auf die

Persönlichkeitskompetenz beziehen (Selbstständigkeit, Interesse, Leistungsbereitschaft und

Eigeninitiative).

Als unwichtig halten sie dagegen die Beurteilung ihres äußeren Erscheinungsbildes. Aber

auch der sachgerechte Umgang mit Verbrauchsgütern, das Arbeitstempo, die

Belastungsfähigkeit und ihr Verhalten gegenüber den Vorgesetzten (vgl. hier Verhalten

gegenüber Patienten!) sind die Aspekte, die ihnen weniger wichtig in einer Beurteilung sind.

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Welche der folgenden Aspekte sollten Deiner Meinung nach bewertet werden?

Sollte unbedingt dabeisein.

Ist mir sehr wichtig. Ist mir wichtig. Ist mir wenigerwichtig.

Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%)

Hygienebewusstsein 87 26% 109 32% 125 37% 19 6%

Ordentliche Arbeitsweise 106 31% 144 43% 83 25% 5 1%

Dokumentation/Berichterstattung 166 49% 132 39% 40 12% 1 0%

Fachwissen 192 57% 101 30% 39 12% 6 2%

Umsetzung des fachlichenWissens in praktisches Handeln

250 74% 71 21% 19 6% 0 0%

Sachgerechter Umgang mit Ge-und Verbrauchsgütern

29 9% 81 24% 166 49% 62 18%

Angemessenes Arbeitstempo 32 9% 114 34% 148 44% 45 13%

Verhalten gegenüber Patientenund Angehörigen

258 76% 67 20% 14 4% 1 0%

Verhalten gegenüberVorgesetzten

76 23% 104 31% 107 32% 49 15%

Kommunikationsfähigkeit 171 50% 119 35% 48 14% 2 1%

Einstellung zur Arbeit 126 38% 107 32% 79 24% 23 7%

Verantwortungsbewusstsein,Zuverlässigkeit

273 80% 52 15% 13 4% 2 1%

Selbständigkeit 195 57% 111 33% 31 9% 3 1%

Leistungsbereitschaft 187 55% 108 32% 35 10% 9 3%

Eigeninitiative 182 54% 117 35% 35 10% 4 1%

Kritikfähigkeit 129 38% 121 36% 69 21% 17 5%

Interesse 189 56% 97 29% 43 13% 9 3%

Belastungsfähigkeit 94 28% 122 36% 90 27% 30 9%

Äußeres Erscheinungsbild 11 3% 51 15% 118 35% 153 46%

Tabelle 1

Neben den zu bewertenden Aspekten wurden die Schülerinnen auch nach der Form gefragt,

in der die Bewertung stattfinden solle. An oberster Stelle steht der Wunsch nach direktem

Austausch, also dem Gespräch. Bei 22 Schülerinnen (6%) soll es die ausschließliche Form

sein, bei 234 (69%) zumindest den Hauptbestandteil der Bewertung ausmachen und von frei

formulierten individuellen Bericht, sowie dem Bewertungsbogen ergänzt werden. Noten

werden als eher ungünstig eingeschätzt. Der Großteil der befragten Schülerinnen bevorzugt

eine Kombination aus den Bewertungsformen. An dieser Stelle ist ein Blick zurück in das

Kapitel der Bewertungsbögen spannend. Alle uns vorliegenden Bewertungsbögen arbeiten

mit den vorgegebenen Kriterien eines Bewertungsbogens zum Ankreuzen. Auch von den

befragten Schülerinnen geben 73,7% an, ihr Bewertungsbogen sei zum Ankreuzen, bei

59,3% gibt es Noten. Bei 92% der Schülerinnen enthält der Bogen zusätzlichen Raum für

freie Kommentare und bei 79% ist ein Abschlussgespräch geplant. Wie häufig diese jedoch

genutzt werden, ist eine andere Frage (vgl. hierzu Teil B Tabelle 5).

In welcher Form sollte die Bewertung stattfinden?

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Ausschließlich Hauptbestandteil als Ergänzung Überhaupt nicht

Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%)

In einem Gespräch 22 6% 234 69% 83 24% 0 0%

Frei formulierter Bericht 3 1% 82 26% 190 60% 43 14%

SchriftlicherBewertungsbogen

3 1% 130 40% 160 49% 35 11%

Noten wie in einem Zeugnis 2 1% 40 13% 103 32% 175 55%

Tabelle 2

Was versprechen sich die Hebammenschülerinnen von einer Bewertung ihres

Praxiseinsatzes im Kreißsaal? Die wichtigste Funktion der Leistungsbewertung ist für sie ein

Feedback über ihre Lernfortschritte zu bekommen. Außerdem erwarten sie Hinweise, in

welchen Bereichen sie sich noch verbessern können. Insgesamt ist für fast drei Viertel der

Schülerinnen also die persönliche Orientierungsfunktion der Leistungsbewertung am

wichtigsten, während einer pädagogischen, einer Auslese- oder Berechtigungsfunktion der

Leistungsbewertung eher untergeordnete Bedeutung beigemessen wird (Abbildung 1).

Im Vordergrund steht somit das Interesse sich weiterzuentwickeln. Entsprechend betonen

auch 85% der Befragten, dass ihnen eine Begründung der Bewertung sehr wichtig ist.

Die Bewertung soll mir helfen meine Stärken und Schwächen zu erkennen, sodass ich meine Leistung verbessern kann.

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Abbildung 1

Teil B: Zufriedenheit mit der aktuellen Leistungsb ewertung (Konzept und Umsetzung)

Wie könnte eine Leistungsbewertung aussehen, die die gewünschten Funktionen erfüllt?

Ein Blick auf die Zufriedenheit mit der aktuellen Bewertung kann darüber Aufschluss geben.

Wie findet die Leistungsbewertung bei den Schülerinnen statt, die besonders zufrieden mit

dem Konzept und dessen Umsetzung an ihrer Schule sind? Dabei ist für uns eine hohe

Zufriedenheit mit der Leistungsbewertung und der Umsetzung ein Hinweis für eine gute

Realisierung der obigen Funktionen. Wir nehmen also an, dass eine Schülerin, die mit der

Leistungsbewertung zufrieden ist, ein konstruktives Feedback bekommt und Hinweise erhält,

in welchen Bereichen sie sich noch verbessern kann.

Die Schülerinnen wurden gebeten, das Konzept der Leistungsbewertung an ihrer Schule

sowie dessen Umsetzung einzeln zu bewerten. Dem Konzept wird im Durchschnitt eine 3,0

gegeben, während die Umsetzung die Durchschnittsnote 3,4 erhält. Insgesamt bewerten

45% der Befragten das Konzept besser als dessen Umsetzung (Tabelle 3).

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Konzept ist gut, aber es fehlt oft in der Umsetzung wie z.B keine Zeit fürBewertungsgespräch, keine richtiges Interesse der Hebamme.

der Bewertungsbogen ist zu allgemein und zu lang.

Vergleich der Benotung des Konzepts mit der Umsetzu ng

Häufigkeit Gültige ProzenteKonzept schlechter als die Umsetzung 43 13,5Umsetzung = Konzept 132 41,5Konzept besser als die Umsetzung 143 45,0Gesamt 318 100,0

Tabelle 3

im prinzip könnte es ein sinnvolles konzept sein wenn man es nicht in 2-3minuten erledigt, irgendwo seine kreuzchen macht und dazu keinerleikommunikation erfolgt...

Die Schülerinnen sind also mit dem Konzept der Leistungsbewertung zufriedener als mit

dessen Umsetzung. Lassen sich Erklärungen für diese Diskrepanz finden und sich daraus

Möglichkeiten der Verbesserung ableiten?

Im abschließenden Teil unserer Arbeit stellen wir die wesentlichen Variablen vor, die die

Zufriedenheit der Schülerinnen signifikant beeinflussen. Das bedeutet, sie sind –aus

Schülerinnenperspektive- wesentliche Ursachen ihrer Kritik. So verdeutlichen die

Korrelationen zum einen die Problemfelder der Leistungsbewertung, implizieren aber

gleichzeitig Ansatzpunkte einer möglichen Veränderung.

Aufgrund der großen Distanz in der Bewertung von Konzept und Umsetzung betrachten wir

diese in den folgenden Tabellen weiterhin getrennt. Tabelle 4 und 5 haben ihren inhaltlich

Schwerpunkt auf dem Konzept, Tabelle 6,7,8 dagegen auf der Umsetzung.

wir werden mit Noten bewertet, meist ohne Begründung und/oder Erklärung. DieFeedbackfelder bleiben leer

Korrelation der Zufriedenheit und einer Bewertung z um Ankreuzen

Sind die Bewertungsfragen zumAnkreuzen?

Wie zufrieden bist Du alles in allem mitdem Konzept Eures Bewertungsbogens?[Schulnoten von 1-6]

Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzungdes Konzepts? [Schulnoten von 1-6]

0

Nein (n=77)

Mittelwert 2,5 3,0

Ja (n=216)

Mittelwert 3,0 3,5

Tabelle 4

Der Großteil der Schulen hat einen Bogen zum Ankreuzen. Sind die Kategorien im Bogen

zum Ankreuzen, so wird dem Konzept im Durchschnitt die Note 3,0 gegeben und es damit

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um eine halbe Note schlechter bewertet, als wenn die Bewertung beispielsweise mit einem

freien Text erfolgt (Tabelle 4).

Die Zufriedenheit sowohl mit Konzept als auch mit dessen Umsetzung steigt deutlich, wenn

ein Abschlussgespräch vorgesehen ist- zumindest dann, wenn dieses häufig oder immer

stattfindet (Tabelle 5).

Korrelation der Zufriedenheit und einem Abschlussge spräch

Ist ein Abschlussgespräch vorgesehen? Und wie häufig findet es statt?

Wie zufrieden bist Du alles in allem mitdem Konzept Eures Bewertungsbogens?[Schulnoten von 1-6]

Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzungdes Konzepts? [Schulnoten von 1-6]

0

Nein (n=60)

Mittelwert 3,3 3,7

Ja, fast nie(n=31)

Mittelwert 3,5 4,0

Ja, selten (n=44)

Mittelwert 3,1 3,5

Ja, häufig (n=70)

Mittelwert 3,0 3,4

Ja, immer(n=105)

Mittelwert 2,5 2,9

Tabelle 5

Im Prinzip deckt der Bewertungsbogen eine große Bandbreite von Kriterien ab,aber verleitet zum schnellen Ankreuzen ohne richtig mit der Schülerin und überdie Schülerin zu reflektieren und nachzudenken. Das passiert fast immer. DerRaum um eine verbale Einschätzung zu leisten bzw. um Bemerkungenfestzuhalten wird fast nie verwendet. Auch der Hinweis für(Zwischen-/Abschluss) gespräche wird nicht beachtet.

Allgemein bin ich zufrieden mit dem Konzept, jedoch fehlen mir die Gespräche,die durchgeführt werden sollen aber nicht stattfinden.

Für die Zufriedenheit der Schülerinnen scheint weiter wichtig zu sein, dass die bewertende

Person möglichst häufig mit ihr zusammenarbeitet (Tabelle 6).

Wir haben im Kreißsaal keine festen Praxisanleiter und arbeiten fast täglich mitanderen Kollegen. Viele der Kollegen können uns nach kurzer Zusammenarbeitnicht bzw. sehr schlecht einschätzen, was die Leistungseinschätzung zum Teilsehr unrealistisch macht.

Korrelation der Zufriedenheit und der Häufigkeit de r Zusammenarbeit mit derbewertenden Person

Wie oft im Monat arbeitet die bewertendePerson mit dir zusammen?

Wie zufrieden bist Du alles in allem mitdem Konzept Eures Bewertungsbogens?[Schulnoten von 1-6]

Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzungdes Konzepts? [Schulnoten von 1-6]

0

0-2 Mal(n=34)

Mittelwert 3,7 3,7

3-5 Mal (n=155)

Mittelwert 3,0 3,6

6-9 Mal (n=54)

Mittelwert 2,7 3,2

Mehr als 10 Mal(n=37)

Mittelwert 2,5 2,7

Tabelle 6

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man wird nur von einer Person bewertet, mit der man manches mal nur sehrwenige Dienste zusammengearbeitet hat. Es ist oft eine persönliche Beurteilung,selten eine fachliche.

Umso zeitnaher die Bewertung stattfindet, desto zufriedener sind die Schülerinnen mit der

Umsetzung der Leistungsbewertung. Eine Bewertung noch im Einsatz bzw. eine Woche

danach stellt dabei sicherlich den Idealfall dar (Note 3,1), selbst eine Bewertung 2-3 Wochen

nach dem Einsatz scheint noch akzeptabel (Note 3,4). Die Zufriedenheit sinkt jedoch deutlich

ab, wenn die Bewertung noch später stattfindet (Note 4,2; Tabelle 7).

Korrelation der Zufriedenheit und der Zeitnähe der Bewertung

Wie zeitnah findet die Bewertung in derRegel statt?

Wie zufrieden bist Du alles in allem mitdem Konzept Eures Bewertungsbogens?[Schulnoten von 1-6]

Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzungdes Konzepts? [Schulnoten von 1-6]

0

Noch im Einsatz(n=85)

Mittelwert 2,7 3,1

Bis 1 Woche danach (n=89)

Mittelwert 2,8 3,1

Nach 2-3 Wochen (n=81)

Mittelwert 2,8 3,4

Noch später (n=61)

Mittelwert 3,6 4,2

Tabelle 7

Der Bewertungsbogen wird von den Hebammen, die einen bewerten, nichtwirklich ernst genommen. Es wird sich dafür nicht genügend Zeit genommen undich denke, dass sich die meisten Hebammen nicht mehr an einen erinnern wennsie mich bewerten!

Leider muss man oft den Beurteilungsbögen hinterherlaufen. Also nachEinsatzende mindestens 3 Wochen immer wieder fragen, ob der Bogen schonfertig ausgefüllt ist und wo er sich dann überhaupt befindet.

Den stärksten Einfluss auf de Zufriedenheit der Schülerinnen mit der Leistungsbewertung hat

jedoch der Umstand, ob sie sich sehr bemühen müssen, um eine Bewertung zu erhalten. Ist

dies der Fall, dann wird die Umsetzung des Konzeptes um eine ganze Note schlechter

bewertet (Tabelle 8).

Korrelation der Zufriedenheit und dem Gefühl sich s ehr um eine Bewertung bemühenzu müssen

Musst du dich sehr bemühen, um eineBewertung zu erhalten?

Wie zufrieden bist Du alles in allem mitdem Konzept Eures Bewertungsbogens?[Schulnoten von 1-6]

Wie zufrieden bist Du mit der Umsetzungdes Konzepts? [Schulnoten von 1-6]

0

Nein(n=115)

Mittelwert 2,5 2,8

Ja (n=199) Mittelwert 3,2 3,8

Tabelle 8

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4 Schlussfolgerung

Unserer Umfrage zur Folge sind die Schülerinnen mit dem jeweiligen Konzept der

Leistungsbewertung ihrer Schule recht zufrieden. Kritisiert wird jedoch vor allem dessen

Umsetzung. Eine Leistungsbewertung sollte also so konzipiert werden, dass sie auch

umsetzbar ist. Das bedeutet, dass sie von den bewertenden Personen (also den Hebammen

im Kreißsaal) zeitlich und inhaltlich bewältigt werden kann und mitgetragen wird. Bei einer

Überarbeitung der Leistungsbewertung sollten daher die (zeitlichen) Möglichkeiten der

Hebammen/ Praxisanleiterinnen auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Es wäre schön, wenn ein ‚feedback-geben‘ in einem Lehrbetriebselbstverständlicher wäre und man sich nicht so lästig vorkäme, wenn man mitdem Zettel winkt…

Daran schließen sich grundlegende Forderungen von Seiten der Schülerinnen an:

Die Leistungsbewertung und damit auch die Schülerin sollte von Seiten der bewertenden

Person ernst genommen werden. Wie die Tabellen 6 und 7 zeigen, bedeutet das

insbesondere, dass die Bewertung zeitnah erfolgt und von einer Person vorgenommen wird,

die die Schülerin kennt und mit der sie regelmäßig zusammenarbeitet. Dann - so ist es

unsere Überzeugung - profitiert nicht nur die Schülerin, sondern auch die Hebamme von

ihrer Tätigkeit in einem Lehrkrankenhaus.

In diesem Zusammenhang wären weiterführende Studien spannend. Wie erleben die

Hebammen die Zusammenarbeit mit der Schule, bzw. mit den Schülerinnen? Wie weit ist

den Hebammen ein persönliches Verantwortungsbewusstsein in einem „Lehrkrankenhaus“

tätig zu sein, bewusst?

Die Beurteilung scheint den Hebammen eine riesige Last zu sein und man musswochenlang hinterherrennen nur um den nichtssagenden Bogen lustlos undabsolut sinnlos (ein kreuzchen hier, ein kreuzchen da) ausgefüllt zu bekommen...:(

Nach Sichtung der freien Kommentare, die die Schülerinnen zur Leistungsbewertung

gemacht haben, ist es unerlässlich hervorzuheben, dass das beste Konzept nicht funktioniert

und folglich Kritik nicht angenommen werden kann, wenn sich Schülerinnen in ihrem

Praxiseinsatz als Mensch nicht respektiert fühlen und Angst haben. Und es ist erschreckend,

wie häufig das der Fall ist.

Gutes Abschneiden“ bedeutet in unserem Haus, dass man sich glücklichschätzen kann, wenn die Beurteilung frei von Beleidigungen ist.

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Eine optimale Lösung des Problems könnte sein, dass jeder Hebammenschülerinnenkurs

gemeinsam mit den Hebammen, Praxisanleiterinnen und der Schulleitung einen für diesen

Kurs individuelles Bewertungssystem ausarbeitet, welches den Erwartungen aller Beteiligten

bestmöglich gerecht wird. Nur wenn alle Beteiligten das Gleiche unter den verschiedenen

abgefragten Kategorien verstehen, kann ein konstruktives Feedback erfolgen. Es ist zu

hoffen, dass der Bewertungsbogen dann von allen Seiten mitgetragen wird und sich die

Schülerinnen so ernst genommen fühlen. Auch für die Hebammen wäre dies vielleicht eine

Chance nicht nur die Last einer zusätzlichen, vorgegebenen Aufgabe zu sehen, sondern sich

auch ihrer Verantwortung und der Bedeutung eines guten Feedback bewusst zu werden.

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Literatur

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Anhang

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