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Lehrpfad Bruchwald Führungsheft für Groß und Klein Verein für Hévíz, Hévíz Keszthelyer Umweltschutzverein, Keszthely Keszthely 2010

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Lehrpfad BruchwaldFührungsheft für Groß und Klein

Verein für Hévíz, HévízKeszthelyer Umweltschutzverein, Keszthely

Keszthely 2010

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Verfasst und illustriert von Zsolt Gyarmati, Krisztina Gyarmati PANNONTáj-ésKertépítészMűhely/Werksattfür Landschafts- und Gartenbau

Lektoriertvon Dr. Géza Kósa MTAÖkológiaiésBotanikaiKutatóintézet/ ForschungsinstitutfürÖkologieundBotanikder UngarischenAkademiederWissenschaften

Druck FotoEuropaKft.8897SöjtörDeáku.101. www.fotoeuropa.hu

Herausgegeber HévízértEgyesület(VereinfürHévíz)

DerLehrpfadunddasFührungsheftkonntemitderUnter-stützung des Norwegischen Zivifonds durch die Vermitt-lungderÖkotársStiftung,unterMitwirkungdesVereinsderStadtHévízfürStadtschutz,FörderungundKulturunddesKeszthelyer Umweltschutzvereins errichtet werden.

„Illa berek, nádak, erek!”

Wenn man eine Landkarte in dieHand nimmt und das Gebiet rund um den Hévízer See betrachtet, sticht einem immerwiederdasWörtchen„berek” insAuge–diesbezeichnetFlurstückemitGewässer.Ursprüng-lichhandeltessichumtiefliegende,moorige,dichtbewachseneGebiete,die zugleich eine geheimnisvolle,mysteriöse Welt darstellen – dieMoorwelt mit undurchdringlichemSchilf- und Seggendickicht, eineWelt,dieTeildesLebensdererge-worden ist, die hier lebten. Solche MoorgebietedienteninKriegszeitenoft als Versteck für die BewohnerausderNähe,dennnursiekanntendieIrrwegeundWegeimMoor.

Eine allbekannte Redewendung,die häufig in Märchen vorkommt,hat das rasche Verschwinden im Moor bewahrt: „illa berek, nádak,erek” - „illa” ist die Kurzform desaltertümlichen Verbs für verschwin-den,„berek”istdieMoorwieseoderBruchwald,„nádak”stehtfürSchilf,„erek”fürRinnsäle.

Schmalblättriger Rohrkolben

(Typha angustifolia)

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Die Moorwelt – in Kurzfassung

DieMoorentstehungistanTorfbildunggebunden,wieesauchbeiderMoorwieserundumdenHévízerSeederFallist.Erdge-schichtlichentstandenauchdieMooredieserRegionnachderletzten Eiszeit, d.h. im Laufe der letzten 10-12 tausend Jah-ren.DieseMoorlandschaftgehörtzudenNiedermooren,wiediemeistenMooreinUngarn.NiedermooresindvomGrund-wasserabhängig,diePflanzendeckeistjenachVerlandungs-gradsehrabwechslungsreich.FürMittelgebirgeundnördlicheLandschaften charakteristische Torfmoosmoore, sogenannte„schwellende”Moorefindensich inUngarnnurkleinflächig,alsNaturreliktekalterZeitabschnitte–eines liegtsogarun-weitvonhier,inSzőce.

Die Voraussetzung für die Torfbildung ist eine permanenteWasserschicht, da eine sauerstoffarmeUmgebung dazu er-forderlichist,dassabgestorbenePflanzenrestesichablagern

können ohne sich zu mineralisieren,wie dies an der frischen Luft passieren würde.ImLaufederZeitentstehtausdiesen organischen Resten, die sichaufeinanderhäufen,eineständigwach-sende Torfschicht.

Gegen Ende der letzten Eiszeit standderWasserspiegeldesBalatonsum10-12 Meter höher als jetzt, so war auch seineFlächedementsprechendgrößer.WennwirdamalsindieserGegendhät-tenunterwegsseinkönnen,hättenwirdenHévízerSeenirgendwoentdecken

Sumpf-Schwertlilie(Iris pseudacorus)

können,daüberseineThermalquelledieBuchtdesBalatonswogte,vomheutigenKlein-BalatonbishinzuEgregy.Dielang-sameVermoorungdieserBuchtistdasErgebniseinesmehreretausendJahre langenProzesses.EinederwichtigstenEigen-schaftendesTorfes,derdabeientstandenist,ergibtsichausseinerlockeren,schwammigenStruktur.WieeinSchwamm,istauchTorfimStande,Wasseraufzunehmenundzuspeichern,wasihmeinebedeutendeRollebeiderRegelungderWasser-verhältnisseundbeiderVezögerungdesNiederschlagabflusseszuweist. Da imwässrigenMilieu die Zersetzung organischerSubstanzennurzumTeilerfolgt,gibtes fürdiePflanzenre-lativwenigaufnehmbareNährstoffe.AberselbstdieAufnah-medieserwenigenNährstoffeistdurchdassaureMilieustarkgehemmt.DiesespeziellenGegebenheitenführengemeinsamdazu,dassLebensräumeentstehen,diealsFutter-undBrut-stellebesondererPflanzenundTieredienen.MoorstehtalsonichtnuralsBezeichnungfürdenTorfboden,sondernauchfürseine besondere Flora und Fauna, für diesen speziellen Lebens-raum,denndiesisteinGefügekomplexerWechselwirkungen,wasmanzusammenfassendÖkosystemnennt.DieAnpassungandieBedingungen imMoor riefbesonderePflanzenarteninsLeben.Esgibtwelche,dieindiesemnähr-stoffarmenMilieu spezifischePflanzenteile entwickelten,umlebensnotwendigeNährstoffeundStickstoffausInsektenge-winnen,indemsiediesefangenundihreeiweißreichenTeileverdauen. So sind zumBeispiel Arten des Alpen-Fettkrauts(Pinguicula alpina),Sonnentaugewächse(Drosera), oder die Wasserschläuche(Utricularia) welche nach der Jahrhundert-wendeauchinderUmgebungvonHévízbekanntwaren.Die oberste Schicht der verlandenden Moore ist die schwar-ze,feinkörnigeMoorerde.DerÜbergangausTorfinMoorerdeisteinnichtumkehrbarerVorgang.Torfzersetztsichander

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LuftundverwandeltsichinBoden.AnfangswarenesdieBemühungenzurWasserregelung,mit der Ziel-setzungderAckergewinnung,spä-terdie immerneueFlächenbean-spruchendeBebauung,diezueinerbeschleunigten Aufstückelung undAustrocknung der einstigenMoor-wiese führten. Sobald der Was-serspiegelsank,nahmdieVerlan-dungihreAnfänge,washeutenochzu beobachten ist. Dies bedeutet nicht nur den Schwund vonWas-sergehalt,sondernauchchemischeVorgänge. Die Torfteilchen zer-fallen buchstäblich unter Einflussvon Luft. Die trockene, staubigeSchichtkann leichtvomWindge-tragenwerdenundsie fängtauchleichtFeuer,waseinegroßeGefahrfür alle Lebewesen darstellt. Auf solchen austrocknenden GebietenverändertsichauchdiePflanzenwelt.EshängtauchvomTaktdesAustrocknungsprozessesab,wiedieeinzelnenPflanzen-gesellschaftenaufeinanderfolgen.

DiePflanzenweltderNiedermoorewichzugunstenderMoor-wiesenundaustrocknenderWiesenmitBlauemPfeifengras.ÜberbleibseldieserWiesen,wiekleinePuzzleteile,sindauchheutenochindenWiesenentlangdesKanalszuentdecken.AlsvorherrschendeGräsergaltendasBlauePfeifengras(Mo-linia sp.) unddieRasen-Schmiele(Deschampsia caespitosa) –diedichtenHorstensindvonweitemzuerkennen.

Riesen-Goldrute (Solidago gigantea)

DieseVorgänge (AufstückelungderMoorwiese,Verlandung,unterlassener Anbau) steuerten leider auch dazu bei, dasssichimmermehrsogenannteinvasivePflanzenausbreiteten,welchediecharakteristischenPflanzenartenverdrängten.Di-esePflanzennenntmanaufGrund ihrerBeschaffenheitAs-similanten,dasiesichrechtschnellaufverändertebiotischeFaktoren einstellen können. Ein geläufiger Vertreter ist dieauchalsBienenweidebekannteRiesen-Goldrute (Solidago gi-gantea), diedieWiesenimSommergoldgelbfärbt.

Worüber erzählt der Torf?

MerkwürdigesfindetmannichtnuraufderOberfläche,auchdieWeltdadrunterhateinigeszubieten,wennmanbedenkt,dassderTorf,seitBeginnseinerEntstehungviele,zumTeilvoll-kommenheilePflanzenteile,wieRindenstücke,Blätter,Früch-te(sog.Makrofossilien)bewahrt.ZudenUntersuchungenzurGeschichtederPflanzenweltsteuernauchBlütenpollenbei,dieimTorfeingeschlossensind.IhreäußerstwiderstandsfähigedoppelteZellwandbeschütztdankSauerstoffabschlussauchüberMillionenvonJahrenihrearten-undgattungsspezifischenFormenundMerkmale.AufPollendiagrammenlassensichÄn-derungeninderKlima-undVegetationsgeschichte dereinzelnen Zeitabschnittenablesen. Untersuchungendieser Art wurden auch im Raum Kis-Balaton und aufdemGebietderÚsztatóma-jor durchgeführt,wounserLehrpfad endet und das Stieleiche (Quercus robur)

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Naturschutzzentrum Békavár (*Frosch-burg) geplant ist(Med z i h ra d s z k y,2005). Diese Unter-suchungsergebnissegeben ein genauesBildüberdieVegeta-tionsänderungen derletzten 10-12 tau-send Jahre.

Daskalte,trockeneKlimanachderEiszeitwarfürLaubbäumeungünstig,sohabenzudieserZeitWaldkiefer(Pinus sylve-stris) aufgroßenFlächenFußgefasst.AlsMischbaumwareneher Birkengewächse (Betula) im größerenMaße charakte-ristisch.UnsereauchheutenochalswaldbildendgeltendenBäumewieGattungen von Eichen (Quercus), Linden (Tilia)undUlmen(Ulmus)sindvor8000-6000Jahrenhäufigerge-worden–erstspäter,alsdasKlimaniederschlagsreicherwur-de,geselltensichBuchen(Fagus)undHainbuchen(Carpinus)dazu. Vor etwa 5000 Jahren übernahmen mesophile laubfal-lende Arten die führende Rolle,damalskameszugeschlossenenWäldern.

Pollenfunde aus der Mitte des 5. JahrtausendszeugenjedochübereinenstarkenRückgangderPol-lenmenge der Baumarten, waswiederum auf den Rückzug desWaldbestandesschließenlässt.

DieskanndasErgebniseinesKli-Blatt und reife Buchecker der Rotbuche (Fagus sylvatica)

Waldkiefer (Pinus sylvestris) und ihre Pollen

mawandels sein, oder aber den BeginnmenschlicherEinflussnah-me auf die LandschaftsformunginderUmgebungandeuten.Blei-bende menschliche Niederlas-sungen lassen sich aufgrund ar-chäologischer Funde bereits ausderNeusteinzeit nachweisen.Zubedeutenderen Eingriffen in Na-tur und Landschaft kam es erstabMitte des 6. bis Ende des 5.Jahrtausends.WiederRückgangder Pollenmenge der BaumartenmitderlandschaftsformendenTä-tigkeitdesMenschenzusammen-hängt,darübermehrimnächstenKapitel.

Die Fußstapfen des Menschen

DieHaltungvonweidendemViehundderimmergrößereFlä-chen fordernde Ackerbau führten gezwungenermaßen zumSchwundderWälder,daAcker-undWeideflächendurchAb-holzung geschaffen worden sind. Im Pollenmuster aus derdamaligen Erdschicht hat sich eine Zunahme im VerhältnisvonGras-undUnkrautpollenergeben.AuchdieAnfängederMetallverarbeitungliegenindieserZeit.DieHerstellungvonKupfer-,Bronze-und späterEisengerätenerforderte immerbessere Erkentnisse in der Verarbeitung, was wiederum zueinemgrößerenHolzeinschlagführte.DieEntwicklungderMe-tallgerätemachtedieAbholzungderWäldererheblichleichter,

Blatt, Blüten- und Fruchtstand der Schwarz-Erle (Alnus glutinosa)

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waszueinerBeschleunigungdieserTätigkeitbeitrug,unddasErscheinungbildderdamaligenLandschaftgrundsätzlichver-änderte.

ArchäologischeFundeausdiesemZeitraumlieferndenBeweisfürdiePräsenzdersichbisHévíz-EgregyerstreckendenBala-tonbucht,anderenUferdieMenscheninderBronzezeitihrePfahlhäusererrichteten.

VondenvielenhiernachweisbarenKulturensindesdieRö-mer, derenvierhundert Jahre lange landschaftsveränderndeTätigkeitauchheutenochnachvollziehbarist.DenkemannuransheutigeStraßennetz, dessenGrundlageneinst vondenRömerngelegtwurden.DerWeg,derausAquincum(Alt-Bu-da*heuteStadtteilvonBudapest)entlangdesSüdufersnachItalienführte,überquertedenBalatonunweitvonhier,inderNähevonFenékpuszta.Hierwurde337v.Chr.aucheinerö-mischeFestungerrichtet,derenRuinenheutenochvonjenerZeitzeugen.DieHeilwirkungdesThermalwasserswarschondenRömernbekannt–SoldatenhabensichhierihremüdenFüße imWasserbaumelndausgeruht.AmRandevonHévízsindRunineneinesWohnhauses,einerrömischenVillazube-sichtigen,inEgregywurdedasGrabeinesrömischenSoldatenentdeckt,welchesebenfallszubesichtigenist.DasPhänomenderBadekulturließjedochnochsehrlangeaufsichwarten.

Römischer Soldat beim Fußbad und Dame von der Jahrhundertwende beim Sonnenbad

Gerber und Bader

Siedlungen,dienachderLandnahmeetstandensind,konzen-triertensichaufhöhergelegenenGebieten-MoorwiesenundSümpfewurdengemieden.DieVerlandungderBuchtwarzuder Zeit schon vermutlich so fortgeschritten, dass die Ver-moorungzueinernatürlichenAbsperrungzwischendemBa-latonundderThermalquelleführte.

NebenderEntdeckungundNutzungdesheilkräftigenTher-malwassers wurde dieses Wasser auch von den Vertreterneines uralten Handwerks benutzt, deren Anwesenheit undSchaffen indenNamenzweierOrtschaftenerhaltengeblie-benist.DasWörtchen„páhok”indenOrtsnamenAlsópáhokundFelsőpáhok lässt sichaufeinenArbeitsgang (dasKlop-fen,Hauen)inderLederherstellungzurückführen.DaswarmeWasserhatdieArbeiterleichtertundbeschleunigt.Mankonn-tebessereErgebnisseerreichen,selbstbeikaltemWetter.DerersteSchrittinderVerarbeitungvonTierhäutenzuLederwargeradederArbeitsgangder’Weiche’.BeimZurichtenkonntedie Haut mit oder ohne Haare zu Leder verarbeitet werden. BeiderurtümlichenPelzgerbungwurdendieHaaremiteinemMesseramAnsatzabgeschnitten,sodassdieWurzelninderHautgebliebensindunddiesewiderstandsfähigermachten.Die Haut wurde in einer Alaun-Kochsalzlösung bearbeitet,danngetrocknet.Dadurch öffneten sich die Poren, undderheißeTalg, der auf dieOberflächegestrichenwurde, konn-te leichterdieHautdurchdringen.DiesesVerfahrenstammthöchstwahrscheinlich aus Innerasien, so nimmt man an, dass dieUngarndieseArtderLederbearbeitungbereitsvorihremEinzugindasKarpatenbecken,dersogenanntenLandnahme,

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kannten.DieLederherstellungwarAufgabederZurichter,dersog.Gerber,dielangeZeitalleinefürdieHerstellungvonStie-feln,Cordovan-undSaffianlederzuständigwaren.Ab dem Mittelalter verbreitete sich auch eine andere Methode, beidermandieeingeweichtenHäutefür2-3WochenindenÄscherlegte.DieHaarlockerungundderHautaufschlußwur-denindiesemGemischausWasserundKalkdurchgeführtsodass die Haare danach wesentlich leichter zu entfernen waren. DarauffolgteeineausHühnerkothergestellteBeize,diefürElastizität sorgteunddieZurichtungerleichterte.ErstdannkameszumeigentlichenGerben.ErstdurchdieWirkungderGerbstoffe, aus eingeweichtem Sumach- und Eichengallen,sowie Eichenrinde, erfolgt die Umwandlung in Leder. NachderTrocknungkamdieFettungundschließlichdieFärbung.Dieses Verfahren wandten zuerst die Gerber an, die den Schu-sternbaldKonkurrenzmachten.AufdensumpfigenMoorwiesenhabendieArmenbiszumGe-orgstag(24.April)BlutegelgesammeltundzogendamitvonHauszuHaus,umhohenBlutdruck,Gicht,Lungenentzündungund andere Leiden zu kurieren. Diese Würmer, die bereitsseitderAntikeinderMedizinzurBehandlungverschiedenerKrankheiteneingesetztwerden,saugensichanihremWirtmitBlutvoll(1-3cm3)-dabeigelangtihrSpeicheldurchdieWun-deinsBlut.EinederwichtigstenSubstanzendarinistHirudin,welches in der Medizin als Blutgerinnungshemmer bekanntistundinderVorbeugungbzw.BehandlungvonThrombosenverwendetwird.DerSpeicheldesBlutegelsheiltnichtnurAr-teriensklerose,erregtauchdenKreislaufanundfördertdieAtmungderAsthmatiker. InderVolksmedizinkamenBlute-gel auchbeiZahnschmerzen zumEinsatz, indemsie direktans Zahnfleisch gesetzt wurden. Als der Egel sichmit Blutvollsaugte,streutemanSalzoderAscheumseinMundwerk,

damitervombehandeltenKörperteilabfiel.InderGrafenzeitverzichtetemanaufdieWürmerundderSaugvorgangwur-demitHilfevonSauggefässen,sogenanntenSchröpfköpfenperfektioniert–beimSchröpfenfehlenjedochdieWirkstoffeaus demSpeichel des Blutegels. Schröpfenwurde inHévízineinemextrafürdiesenZweckerrichtetenSchröpfhausalsTherapieeingesetztundvondenBaderndurchgeführt.

Geburtsstunde der Kulturlandschaft

NachdererstengroßenAbholzungderWälderkamesMit-tedes17. Jahrhunderts zueiner erneutenWelleder Land-schaftsgestaltung,diezueinemdrastischenWandelimLand-schaftsbild führte – zur Trockenlegung von Feuchtgebietenund Mooren. Der Hévíz-Bach und seine Rinnsäle durchzogen das GebietsüdlichvonderheutigenOrtschaft-ersteRegulierungenwur-denunternommen,die sichüber lange JahrehinzogenunddieGewinnungvonHeuwiesenzumZielhatten.InfolgederWasserregulierungen sind die Seggenwiesen in der Umge-bungverschwunden.IhrenPlatzhabenSumpf-undMoorwie-seneingenommen,welchefürdieHeugewinnungwesentlichbessergeeignetwaren.

Inden1700erJahrenhatmanweitereKanalisierungsarbeitenvorgenommen und immer größere Flächen trocken gelegt.DengrößtenWertderGebieterundumHévízhabendieHeu-produktionunddieMühlenamHévíz-Bachdargestellt.

Die Trockenlegungen um die Jahrhundertwende hatten dasZiel,einBadehausamSeezuerrichten.MátyásBél,unga-rischerGeschichtsschreiber, erwähntbereitsamAnfangder

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1700erJahreeinhalbwegsverkommenesBadehaus.AlsPi-onierderBadekulturgiltderdamaligeGutsherrderGegend,GrafGyörgyFestetics. ErbeschäftigteeinganzesHeervonIngenieuren,umdenSeemittenimBruchwaldzuerschließenundihnvondenumliegendenKaltwasserquellenabzutrennen.DieMoorwiesenumdenSeeließerab1795trockenlegen.ErließeinBadehausmitärztlicherVersogungerrichten,denAbfluss,demunserLehrpfadfolgt,hatermitdemEinsatzvonBüffelnsäubernunddasKanalbettvertiefenlassen.Nachsei-nemTodewurdendieEntwicklungennichtweitergeführt,undderAufstiegvomBadeortzumKurortließnochJahrzehnteaufsichwarten.EsistjedochseinerTätigkeitzuverdanken,dassaus dieser Landschaft eine Kulturlanfschaft entstanden ist VerborgenenSchätzenaufderSpurInderzweitenHälftedes20. JahrhundertskameszurBeschleunigungderKanalisie-rungsarbeiten,diemanzurAckergewinnungvornahm.SoistdiedurchunzähligeKanäledurchzogeneLandschaftentstan-den,welchevoneinerdurchmenschlicheEinwirkungbeein-flussteFloraundFaunainBesitzgenommenwurde.DiebunteVielfalt des artenreichen Lebensraums verblasste durch die zunehmende menschliche Gegenwart, einige Arten versch-wanden, andere überwucherten große, homogäne Flächen.

DerMangel anWasserver-änderte grundsätzlich denLebensraum, der in den letz-ten zehntausend Jahren von Wassergeformtundgeprägtwar.DasWasser der Kanä-le, die Uferbereiche und die übriggebliebenenSchilfgür-telsindBiotopefürwertvollePflanzenundTiere.

IndemsowohlimWinteralsauchimSommerdampfendenWasserlebendie„Wasserfeeen”–dieunterArtenschutzste-hendeWeißeSeerose,aufUngarisch„Feeenrose” (Nymphaea alba) unddieEuropäischeSeekanne (Nymphoides peltata), dieimUngarischen„Feeenschleier”genanntwird.NebenderWeißenSeerosekannmanauchBlaueägyptischeSeerosen(Nymphaea caerulea)undebenfallsangesiedelteindischero-safarbene Seerosen (Nymphaea rubra var. longifolia) entde-cken,diedasersteMal1898blühten.DieBlumedesexperi-mentierfreudigenBotanikersSándorLovassywurdebaldzumSymbol der Stadt Hévíz.

Diegeschlossene, organische, ökologischeEinheit ausSeeundumliegenderMoorlandschaftwirddurchdenSchutzwaldabgerundet,dessenUrbäumeamAnfangdesLehrpfadeszubewundernsind.EinkleinesStückFloridawirdlebendigun-ter den Echten Sumpfzypressen (Taxodium distichum), die von Texas bisOst-Virginien heimisch sind und vorwiegendauchinseichtenGewässerngedeihen.DurchAusbildungvonAtemwurzelnhabensiesichandensauerstoffarmenBodenangepasst.Zusammenmitdendurch japanischeAbdrücke

Badende Büffel

Weiße Seerose (Nymphaea alba)

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ausdemPliozänbekanntenUr-weltmammutbäumen (Metase-quoia glyptostroboides) verlei-hensiederUmgebungdesSeesin den Herbstmonaten eine bronzene Farbenpracht. Dieser während der Grafenzeit ange-pflanzte Wald spielt eine we-sentliche Rolle in der Eindäm-mungdesWärmeverlustesundin der Regulierung der Tempe-raturschwankungdesSees,weildieBäumedenWindabfangenunddadurchdafürsorgen,dassder geheimnisvolle Dampfvor-hang,derdasTalsooftumhüllt,zusammenhängendbleibt.NichtnurimBruchwald,sondernauchumdiereichenFut-ter-undVersteck-StellenentlangdesKanalssindesVertre-terderVogelwelt,diesichamhäufigstenblickenlassen.DieUmgebungdesHévízer-AbflussesgiltalsVogelparadies,dadaswarmeWasserdasganzeJahrüberreichanFutterist.DieJadgist jedochsowohl imSommeralsauch imWintereineanstrengendeTätigkeit–mankannbeobachten,wiedieSilber- und Graureiher (Casmerodius albus; Ardea cinerea) imWasserwatenunddabeiaufdiekleinstenRegungenderFischeachten.EinultimativesErlebnisbietetdieBeobach-tungdesEisvogels(Alcedo atthis)beiderJagd.

Eisvögelgeltenals„lebendigePfeile”,dieaufGrashalmenamWasser auf ihre Beute lauern, undwenn kleine Fische sichnaheandieOberflächetrauen,schlägtderEisvogelwieeineSpringfeder,imSturzfluginsWasserunderjagtsoseineNah-rung.PopulationeneinigerArtenüberwinternamAbflussbei

Hévíz,derauchindenWintermona-ten eine reiche Futterquelle bietet,ungeachtet und trotz der Tatsache,dassessichdabeiumZugvogelartenhandelt. Blässhühner (Fulica atra) sindaufdeneisfreienWasserflächeninGruppenzubeobachten.Waldflureund Gebüsch rund um den AbflusssindwichtigeLebensräume.DieWald-gürtelausSchwarz-Erlen (Alnus glu-tinosa)sindzwarangepflanzt,aberinFormvonBruchwäldernsindsieidea-leNist-undFutterplätzefürdieVögel.Auch der Buntspecht (Dendrocopos major) ist hier häufig zu beobach-ten, wie er auf Alt- oder Totholz nach Insekten und Larven sucht. Mit sei-nemkräftigen,spitzen,meißelartigenSchnabelspürterseineNahrungauf,dieerdannmitseiner langen,kleb-

rigen Zunge aus ihrem Versteck hervorzieht. Kleiber (Sitta europaea)oderimVolksmundSpechtmeisensindVögelvonkleineremKörperbau,jedochmitähnlicherLebensweise.IhreungarischeBenennung(csuszka) isteinsprechenderName,derdarüberinformiert,dassderVogeldenBaumstammrauf-undrunterläuft,selbstkopfüber.SeineNahrungsuchtersichindenRindenspalten.

Auf immer mehr Flecken von ungemähten, austrocknendenWiesenkommteszumspontanenStrauch-undBuschwachs-tum.SolcheBuschfleckensindbevorzugteAufenthaltsortederSingvögel. Massenhaftes Erscheinen diverser Strauchartenweist imAllgemeinenaufungünstigeVorgänge,aufdieVer-

Eisvogel (Alcedo atthis)

Silber-Weide (Salix alba)

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schlechterung des naturnahen Zu-standes hin. Dabei dienen Strauch-gruppen strukturell gesehen alsausgezeichneterLebensraumfürklei-ne Vogelarten. Beeren, die hier dasganzeJahrüberzufindensind,sindeinesichereFutterquelle.ImSommerreifen die Früchte des Schwarzen Ho-lunders (Sambucus nigra) heran, im Winter die Hagebutten derWildroseund die Steinfrüchte des Schlehdorns.

WegendeshohenVitaminC-Gehaltsist sowohl Sirup und Tee als auch Marmelade aus Holunderbeeren oder BlütenundausHagebuttenauchfürden menschlichen Verzehr bestens geeignet.(VorichtistgebotenbeidemZwerg-Holunder(Sam-bucus ebulus), der dem Schwarzen Holunder sehr ähnlichsieht,jedochgiftigist!)AuchdieKosmetikindustrieverwendetdieBlütenoderFrüchtedieserPflanzenmitVorliebe,wasinden letztenJahrzehntendazuführte,dasssienichtnurge-sammeltsondernauchgezieltangebautwerden.

WildeFrüchtesindnichtnur sehrschmackhaft,siefindenauchme-dizinischeVerwendung.

GottesApotheke istauchhierortsaußergewöhnlichreich–einerderbekanntesten Heilkräuter ist diePfefferminze, für deren Verarbei-tung eine Destillationsanlage inderRegionzufindenwar.

Schlehdorn (Prunus spinosa)

Schwarzer Holunder (Sambucus nigra)

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Kontakt:

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