lasermaterialbearbeitung (grundlagen – verfahren – anwendungen – beispiele) || bearbeitung von...

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Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen 9 Das Bearbeiten von Kunst- und Verbundwerkstoffen mit Laserstrahlung hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. Das begründet sich einerseits in der Entwicklung effizienter Strah- lungsquellen und andererseits in der Verfügbarkeit neuer Polymerwerkstoffe, deren Eigenschaſten spe- ziell auf die Lasertechnologie ausgerichtet sind. So stehen bspw. für das Beschriſten und Schweißen spezielle Additive zur Verfügung, die ausgewählte Werkstoffeigenschaſten für den Laserprozess opti- mieren. Neben vielen Vorteilen des Lasereinsatzes gibt es für bestimmte Kunst- und Verbundwerkstoffe folgende Verfahrensnachteile: 1. Verbrennungs- und Verkokungserscheinungen im Wechselwirkungsbereich und 2. Schadstoffemissionen durch die thermische Wechselwirkung. Die Laserstrahlbearbeitung setzt somit spezielle anwendungstechnische Verfahrenslösungen vor- aus, um einerseits die Vorteile der Lasermaterial- bearbeitung nutzen zu können und andererseits einen qualitätsgerechten Bearbeitungsprozess zu ermöglichen. Die Verfahren Beschriſten, Schnei- den und Strukturieren sind inzwischen in der in- dustriellen Anwendung fest etablierte Verfahren. In den letzten Jahren wurden sehr innovative und effiziente Fertigungstechniken wie bspw. das Laser- durchstrahlschweißen, das Perforieren und die Mi- krostrukturierung entwickelt, wodurch sich enorme Anwendungsgebiete eröffnen. Wichtige Einsatzge- biete für die Laserkunststoffbearbeitung sind der Automobilbau, die Medizintechnik, die Elektronik und die Haushaltsgerätetechnik. 9.1 Grundlagen Kunststoffe sind hochpolymere Werkstoffe, die ent- weder vollsynthetisch oder durch chemische Mo- difizierung von vorgebildeten natürlichen Makro- molekülen hergestellt werden. Die Makromoleküle entstehen durch verschiedene Polyreaktionen (Ta- belle 9.1), welche auch die Struktur der Polymere be- stimmen. Zu den Polyreaktionen zählen die Polyme- risation, die Polykondensation und die Polyaddition. Hinsichtlich der Struktur der Makromoleküle unterscheidet man zwischen kettenförmig eindi- mensional aufgebauten Makromolekülen, den soge- nannten Thermoplasten, und vernetzten dreidimen- sional aufgebauten Polymeren, den Duroplasten. Die Grundeigenschaſten der Materialien wie z. B. Dehnung, Festigkeit und Härte sind durch deren Aufbau erklärbar. Bei Duroplasten überwiegen die Hauptvalenzkräſte, d. h. die festen Bindungen zwi- schen den Atomen. Sie sind entsprechend hart und spröde. Diese Eigenschaſten spielen auch eine we- sentliche Rolle für die Verarbeitung des Kunststof- fes. Im Gegensatz zu den Duroplasten fehlt bei den Thermoplasten die Quervernetzung der einzelnen Molekülketten. Sie sind also nicht durch chemische Bindungen, sondern nur durch zwischenmolekulare Kräſte (Nebenvalenzkräſte) miteinander verbunden (vgl. Bild 9.1 a). Die langen, wenig verzweigten Molekülketten von Thermoplasten, die nicht vernetzt sind und sich gegeneinander verschieben können, können sowohl geordnet als auch ungeordnet vorliegen und somit teilkristalline oder amorphe Festkörper bil- den, vgl. Bild 9.1 c und d. Je kristalliner ein Stoff ist, desto härter und spröder ist er /Schw2002-1/. Die Palette der vorhandenen Kunststoffe ist aus- gesprochen groß. Eine Einteilung wird häufig in der Lasermaterialbearbeitung downloaded from www.hanser-elibrary.com by Technische Universität München on November 11, 2014 For personal use only.

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Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen

9Das Bearbeiten von Kunst- und Verbundwerkstoffen mit Laserstrahlung hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. Das begründet sich einerseits in der Entwicklung effizienter Strah-lungsquellen und andererseits in der Verfügbarkeit neuer Polymerwerkstoffe, deren Eigenschaften spe-ziell auf die Lasertechnologie ausgerichtet sind. So stehen bspw. für das Beschriften und Schweißen spezielle Additive zur Verfügung, die ausgewählte Werkstoffeigenschaften für den Laserprozess opti-mieren. Neben vielen Vorteilen des Lasereinsatzes gibt es für bestimmte Kunst- und Verbundwerkstoffe folgende Verfahrensnachteile:1. Verbrennungs- und Verkokungserscheinungen

im Wechselwirkungsbereich und2. Schadstoffemissionen durch die thermische

Wechselwirkung.

Die Laserstrahlbearbeitung setzt somit spezielle anwendungstechnische Verfahrenslösungen vor-aus, um einerseits die Vorteile der Lasermaterial-bearbeitung nutzen zu können und andererseits einen qualitätsgerechten Bearbeitungsprozess zu ermöglichen. Die Verfahren Beschriften, Schnei-den und Strukturieren sind inzwischen in der in-dustriellen Anwendung fest etablierte Verfahren. In den letzten Jahren wurden sehr innovative und effiziente Fertigungstechniken wie bspw. das Laser-durchstrahlschweißen, das Perforieren und die Mi-krostrukturierung entwickelt, wodurch sich enorme Anwendungsgebiete eröffnen. Wichtige Einsatzge-biete für die Laserkunststoffbearbeitung sind der Automobilbau, die Medizintechnik, die Elektronik und die Haushaltsgerätetechnik.

9.1 GrundlagenKunststoffe sind hochpolymere Werkstoffe, die ent-weder vollsynthetisch oder durch chemische Mo-difizierung von vorgebildeten natürlichen Makro-molekülen hergestellt werden. Die Makromoleküle entstehen durch verschiedene Polyreaktionen (Ta-belle 9.1), welche auch die Struktur der Polymere be-stimmen. Zu den Polyreaktionen zählen die Polyme-risation, die Polykondensation und die Polyaddition.

Hinsichtlich der Struktur der Makromoleküle unterscheidet man zwischen kettenförmig eindi-mensional aufgebauten Makromolekülen, den soge-nannten Thermoplasten, und vernetzten dreidimen-sional aufgebauten Polymeren, den Duroplasten.

Die Grundeigenschaften der Materialien wie z. B. Dehnung, Festigkeit und Härte sind durch deren Aufbau erklärbar. Bei Duroplasten überwiegen die Hauptvalenzkräfte, d. h. die festen Bindungen zwi-schen den Atomen. Sie sind entsprechend hart und spröde. Diese Eigenschaften spielen auch eine we-sentliche Rolle für die Verarbeitung des Kunststof-fes. Im Gegensatz zu den Duroplasten fehlt bei den Thermoplasten die Quervernetzung der einzelnen Molekülketten. Sie sind also nicht durch chemische Bindungen, sondern nur durch zwischenmolekulare Kräfte (Nebenvalenzkräfte) miteinander verbunden (vgl. Bild 9.1 a).

Die langen, wenig verzweigten Molekülketten von Thermoplasten, die nicht vernetzt sind und sich gegeneinander verschieben können, können sowohl geordnet als auch ungeordnet vorliegen und somit teilkristalline oder amorphe Festkörper bil-den, vgl. Bild 9.1 c und d. Je kristalliner ein Stoff ist, desto härter und spröder ist er /Schw2002-1/.

Die Palette der vorhandenen Kunststoffe ist aus-gesprochen groß. Eine Einteilung wird häufig in der

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Tabelle 9.1 Polyreaktionen ausgewählter organischer Gläser

Erzeugung von Polystyrol (PS)Polymerisation

Erzeugung von Polymethylmethacrylat (PMMA)Polymerisation

Erzeugung von Polycarbonat (PC)Polykondensation

a) b)

c) d)

Bild 9.1 Struktur der Makromoleküle /Schw2002-1/. a) Thermoplaststoffe, b) Duroplaststoffe, c) amorph, d) teil kristallin

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sogenannten Kunststoffpyramide vorgenommen (Bild  9.2). Kunststoffe werden nach ihrer Einsatz-temperatur in drei große Gruppen unterteilt: � Standardkunststoffe, � Konstruktionskunststoffe und � Hochtemperaturkunststoffe.

Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist die Poly-merstruktur – amorph oder teilkristallin.

Polymere Werkstoffe zeigen ein recht komple-xes Verformungsverhalten. Die Ursachen hierfür liegen in ihrem molekularen Aufbau begründet. Die-ser hat zur Folge, dass eine örtliche Verlagerung der Moleküle nie isoliert erfolgen kann, sondern diese stets kooperative Bewegungen der Nachbaratome bis hin zur Verschiebung ganzer Molekülsegmente nach sich zieht. Dies führt zu einer Vielzahl unter-schiedlicher und sich überlagernder mikroskopi-scher Reaktionen bei mechanischer Beanspruchung.

Je nach Molekülstruktur und Temperatur sind Kunststoffe hartelastisch, zäh, spröde, weichelastisch (gummiartig) oder plastisch fließend. In diesen Zu-standsformen gibt es bezüglich der mechanischen Eigenschaften erhebliche Unterschiede zwischen amorphen und teilkristallinen Thermoplasten so-wie den stark vernetzten Duroplasten /Schw2002-1/.

Die Übergänge von einer Zustandsform in eine an-dere erfolgen in bestimmten Temperaturbereichen: � Erweichungs- bzw. Einfriertemperaturbe-

reich ET (Glasübergangstemperatur)Übergang hartelastisch (fest, spröde) ↔ weiche-lastisch (thermoelastisch)Die untere Grenze dieses Bereiches ist die Glas-übergangstemperatur TG, d. h. die Temperatur, bei der die Kettenbeweglichkeit einfriert (Trans-formationstemperatur).

� Schmelz- bzw. Kristallisationstemperatur (bei teilkristallinen Thermoplasten)Schmelzen ↔ Kristallisieren der teilkristallinen Bereiche.

� Fließtemperatur FT (bei amorphen Thermo-plasten)Übergang weichelastisch (thermoelastisch) ↔ plastisch (thermoplastisch).

� Zersetzungstemperaturbereich ZTZerfall der Makromoleküle, Kohlenstoffbindun-gen werden aufgebrochen /Schw2002-1/.

Die Einsatztemperaturen der Kunststoffe sind je nach strukturellem Aufbau verschieden. Amorphe Thermoplaste können nur unterhalb der Glasüber-gangstemperatur eingesetzt werden. Bei teilkris-tallinen Thermoplasten ist ihr Einsatz auch darü-ber hinaus möglich. Die Schmelztemperatur bildet zumeist die obere Einsatzgrenze. Elastomere und duroplastische Kunststoffe können bis zur Zerset-zungstemperatur eingesetzt werden.

Der hartelastisch-spröde Zustand tritt bei Duroplasten und amorphen Thermoplasten auf. Duroplaste bleiben bis zu ihrer Zersetzung in die-sem Zustand. Der hartelastisch-zähe Zustand ist für teilkristalline Thermoplaste und Kunststoffe mit ori-entierter Struktur charakteristisch. Im weichelasti-schen Zustand ist eine erhebliche Formänderung möglich. Die verformten amorphen oder teilkristal-linen Thermoplaste müssen jedoch unter mechani-scher Belastung einfrieren, damit der gewünschte Zustand erhalten bleibt. Im plastischen Zustand zwischen Fließ- und Zersetzungstemperatur sind Spritzgießen und analoge Verfahren möglich. Die zähflüssige Masse gestattet eine nahezu beliebige Formgebung.

Bild 9.2 Einteilung der Kunststoffe – Kunststoffpyramide /BASF2011/

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Bei den Duroplasten wird die Beweglichkeit der Segmente des Raumnetzmoleküls vom Grad der Vernetzung bestimmt. Duroplaste sind in der Regel stark vernetzt und zeigen deshalb nur eine geringe Änderung der Eigenschaften in Abhängigkeit von der Temperatur. Bei Temperaturen oberhalb 200 °C erfolgt die thermische Zersetzung, wobei die che-mischen Bindungen auseinanderreißen und das Makro molekül zerstört wird. Beim Urformen (Pres-sen, Gießen, Spritzpressen und -gießen) werden die Makromoleküle miteinander vernetzt. Das Umfor-men von Duroplasten ist aufgrund der engmaschi-gen vernetzten Struktur nicht möglich.

Bei Witterungseinfluss werden im Kunststoff bereits bei Temperaturen unter 100 °C physika-lisch-chemische Reaktionen ausgelöst, die den Mo-lekül- und Netzwerkzustand verändern. Derartige Vorgänge äußern sich zunächst in Form von Glanz- und Farbänderungen, führen im weiteren Verlauf je-doch zu einer Verschlechterung der mechanischen und optischen Eigenschaften. Aufgrund der Zeitab-hängigkeit der Reaktionen wird dieser Prozess als Alterung bezeichnet. Die wichtigsten Alterungsfak-toren sind: � Einwirkung elektromagnetischer Strahlung

(Licht-, UV-, γ-Strahlung), � Oxidationswirkung von O2 und O3, � Einfluss von H2O, SO2, NOx u. a.

Durch Zugabe von UV-Stabilisatoren in die polyme-re Matrix kann die UV-Beständigkeit erhöht werden.

Durch Bestrahlung und Oxidation treten in Ab-hängigkeit von der Struktur des Kunststoffes, der Art der Bestrahlung und der Temperatur sowohl ein Abbau der Vernetzung als auch eine Zerlegung der

Polymerketten bis hin zu den monomeren Bestand-teilen auf. Die von speziellen Bindungselektronen absorbierte Strahlungsenergie führt zum Aufspal-ten schwächerer Kettenbindungen, wodurch nach-folgende Oxidationsreaktionen erleichtert werden. Dieser kombinierte Schädigungsmechanismus wird als Fotooxidation bezeichnet. Wasser wirkt sich zusätzlich beschleunigend auf die Fotooxidation aus. Die durch Sonnenlicht und Sauerstoff ausge-lösten Reaktionen resultieren in einer nur mäßigen Witterungsbeständigkeit der meisten technischen Kunststoffe. Sie kann durch entsprechende Zugaben von Antioxidations- und Lichtschutzmitteln erhöht werden. /Ehre2011/

Das Verhalten der Kunststoffe gegenüber Chemi-kalien (Säuren, Laugen, organische Lösungsmittel) ist abhängig von der Struktur der Makromoleküle, der Kristallinität partiell kristalliner Materialien, der Temperatur, der Zeit sowie der Art der verwen-deten Füllstoffe (insbesondere bei Duroplasten). Dabei treten zwei verschiedene Reaktionen auf, das Lösen und das Quellen /Schw2002-2/:Lösen

Durch Einwirkung eines geeigneten Lösungs-mittels bzw. -gemisches gehen Polymere unter Verlust der äußeren Form in eine mehr oder weniger niedrigviskose zwei- oder mehrphasige Flüssigkeit über.

QuellenUnvollständiges Lösen durch Lösungsmittel bzw. -gemische, das mit Maßänderungen verbunden ist.

Aufgrund der guten Absorptionsfähigkeit von Kunststoffen (im UV- und IR-Bereich) und den ver-

Tabelle 9.2 Ausgewählte Temperaturen verschiedener Kunststoffe /Ehre2011/

Glasübergangstemperatur [°C] Schmelztemperatur [°C]PMMA 105 – 120 –PC 145 –PA6 78 225 – 235ABS 95 – 105 –PE-HD -70 130 – 145UP 70 – 150 –

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9.1 Grundlagen 449

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gleichsweise niedrigen Schmelz- bzw. Zersetzungs-temperaturen können bei der Laserbearbeitung sehr hohe Trenngeschwindigkeiten erzielt werden. Sowohl Mehrachs-Bearbeitungszentren mit Ver-fahrgeschwindigkeiten von 100 m ∙ min−1, als auch schnelle Scansysteme mit Relativgeschwindigkeiten bis zu 10 m ∙ s−1 sind für die Kunststoffbearbeitung einsetzbar. Für eine Reihe von Materialien kann die Bearbeitung mit hohen Vorschubgeschwindigkeiten, unter Anpassung bzw. Erhöhung der erforderlichen Laserleistung, zu besseren Bearbeitungsqualitäten führen. Verbrennungs- und Verkokungserscheinun-gen im Wechselwirkungsbereich können mit höhe-ren Vorschubgeschwindigkeiten bzw. sequentieller Bearbeitung sehr oft minimiert werden. Bei einigen Kunststoffen können bspw. auch lokale Störungen wie Risse und Versprödungen durch eine Prozess-führung bei höheren Bearbeitungsgeschwindigkei-ten weitestgehend vermieden werden.

Die Wechselwirkung zwischen Laserstrahl und Kunststoff wird ganz wesentlich durch die optischen Materialeigenschaften, insbesondere die Absorption und die materialabhängigen Streueffekte bestimmt. Kunststoffe ohne Additive absorbieren Licht im UV- und IR-Bereich sehr gut. Im sichtbaren und nahen IR-Bereich sind sie meist transparent oder teiltrans-parent. Die Absorptionsmechanismen beruhen im Falle von UV-Strahlung auf elektronischer Anre-

gung und bei infraroter Strahlung auf der Anregung von Molekülschwingungen (vgl. Bild 9.3). Die Wel-lenlänge eines CO2-Lasers liegt bspw. im Bereich der Absorptionsbande der Dehnungsschwingung der C-C-Bindung. Aufgrund der hohen Zahl dieser Bindungen in Kunststoffen wird die CO2-Laserstrah-lung stark absorbiert. Kunststoffe weisen eine Viel-zahl von Absorptionsmaxima über das Spektrum gesehen auf, sodass eine genaue Anpassung der Laserwellenlänge an den jeweiligen Kunststoff sinn-voll sein kann (bspw. CO2-Laser). Eine Absorption im NIR kann jedoch durch die Zugabe von Zusatz-werkstoffen (Additiven) ermöglicht werden. Als la-serabsorbierende Zusätze sind Ruß, Farbpigmente und Farbstoffe geeignet. Die Konzentration dieser Zusatzwerkstoffe kann dabei so eingestellt werden, dass die Absorption der Laserleistung je nach Bear-beitungsverfahren im Oberflächenbereich oder auch im Volumen des Materials erfolgt.

Die Oberflächenabsorption mit einer für Wel-lenlängen im UV-Bereich typischen optischen Ein-dringtiefe einiger μm wird sehr oft für die Verfah-ren Abtragen, Strukturieren und Gravurbeschriften eingesetzt. Die Verfahren Schneiden, Schweißen und Beschriftung über Farbumschlag erfordern hin-gegen eine Volumenabsorption mit optischen Ein-dringtiefen im Bereich einiger 100 μm. Dies wird für die Wellenlängen des CO2-Lasers mit deutlich

Bild 9.3 Absorptionsspektrum von Kunststoffen /Treffert2011/

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größeren optischen Eindringtiefen (Größenordnung von 100 μm) im Vergleich zu anderen Wellenlängen erzielt. Durch die vorstehend genannte Möglichkeit, den Polymeren Additive zusetzen, werden auch FK-Laser und Diodenlaser für ausgewählte Verfahren einsetzbar.

Die Grundprinzipien der Wechselwirkung zwi-schen dem Laserstrahl und den Kunststoffmateria-lien beruhen auf den Mechanismen: � molekulare Bindungen aufbrechen, � Erwärmen, � Aufschmelzen und � Zersetzen.

Bei der Wechselwirkung können auch mehrere Pro-zesse kombiniert zum Bearbeitungsergebnis führen. Auch wenn bei den UV-Wechselwirkungsprozessen aufgrund der geringen thermischen Einflüsse von einer „kalten Ablation“ gesprochen wird, sind die Laserprozesse immer mit thermischen Aufheiz- und Schmelz- bzw. Zersetzungsvorgängen gekoppelt. Bei Prozesstemperaturen oberhalb der Zersetzungstem-peratur des Kunststoffes werden Zersetzungspro-dukte freigesetzt. Dieses Material kann sich auf der Oberfläche als sogenanntes Debris niederschlagen. Aus diesem Grund wird dem Einsatz einer optimier-ten Absaugvorrichtung bei der Kunststoffbearbei-tung eine große Bedeutung beigemessen.

Diese Aspekte entscheiden über die Auswahl des geeigneten Lasers, der Laserwellenlänge, der Fokussierbedingungen und der Art der Energieein-bringung. Mittlerweile stehen für viele Problemstel-lungen Standardlösungen zur Verfügung. Neben der Absorption spielt auch die Streuung im Kunststoff eine wichtige Rolle. Streueffekte führen zu einer Aufweitung des fokussierten Laserstrahls. Ursachen hierfür sind u. a. Struktur und Zusammensetzung der Kunststoffe. Zusatzwerkstoffe wie Verstärkungs-mittel, Flammschutzmittel und Füllstoffe können die Streueffekte z. T. beträchtlich erhöhen und die Laserintensität so stark abschwächen, dass diese für das Schmelzen und Schweißen des Kunststoffs nicht ausreicht. Die richtige Auswahl des zu bear-beitenden Kunststoffs, der Pigmente und Farbstoffe und nicht zuletzt des Lasertyps bestimmen das Re-sultat des Bearbeitungsprozesses.

9.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen

Das Laserstrahlschweißen von Kunststoffen konnte in den letzten Jahren eine enorme Anwendungs-breite erfahren. Dies liegt insbesondere an der sehr flexiblen und sauberen Prozessführung die-ses Fügeverfahrens im Vergleich zum Kleben oder Ultraschallschweißen. Darüber hinaus konnte eine spezielle Technologie – das Laserdurchstrahlschwei-ßen  – in den unterschiedlichsten Marktbereichen etabliert werden, das zum Teil völlig neue konstruk-tive Bauteilverbindungslösungen ermöglicht.

Eine große Anzahl von Thermoplasten und ther-moplastischer Elastomere lassen sich mit dem La-serstrahl sowohl artgleich als auch artfremd in einer Vielzahl unterschiedlicher Materialkombinationen verbinden. Aufgrund der äußerst lokalen Schmelz-energieeinbringung, können auch miniaturisierte Baugruppen gefügt oder aber Schweißnähte in un-mittelbarer Nähe zu wärmeempfindlichen Bauteilen angeordnet werden. Die relativ kleine Fügezone si-chert eine gute und reproduzierbare Maßhaltigkeit der Bauteile.

9.2.1 Verfahrensprinzip

Der Prozess des Laserstrahlschweißens von Kunst-stoffen basiert auf der definierten und lokalen Ein-bringung der Laserstrahlung in die Fügezone, wobei über die Absorption der Strahlung eine Erwärmung und die Ausbildung einer schmelzflüssigen Phase zwischen den beiden Fügepartnern stattfinden (vgl. Bild 9.4 a). Kommt es zu einer guten Durchmischung der Schmelze bzw. ausreichenden Anbindung der Fügepartner entstehen nach der Abkühlung sehr feste und stabile Verbindungen. Durch das Aufbrin-gen einer zusätzlichen mechanischen Fügekraft wird dieser Prozess unterstützt bzw. überhaupt erst ermöglicht.

Die optischen Eindringtiefen sind für Kunst-stoffe beim Schweißen wesentlich größer als für metallische Werkstoffe und werden in /Gill2009/ mit etwa 100 μm bis mehrere Millimeter angege-

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ben. Der Wärmetransport in das Bauteil geschieht dreidimensional, ist aber durch die schlechte Wär-meleitung der Kunststoffe deutlich geringer als bei Metallen. In der Anwendung des Verfahrens muss aus diesem Grund unbedingt sichergestellt werden, dass die eingetragene Strahlungsenergie nicht zu hoch gewählt wird und dies nicht zu einer Überhit-zung bzw. Verbrennung des Kunststoffmateriales führt.

In Bild 9.4 a ist eine typische Anordnung zum Schweißen von I-Nähten dargestellt. Beide Fügepart-ner müssen über eine hinreichende Absorption der Laserwellenlänge verfügen. Die Relativbewegung kann bspw. durch das Konturschweißverfahren mit einer Achsbewegung oder aber durch ein schnelles Strahlscannen realisiert werden. Eingesetzt werden neben dem CO2-Laser auch Strahlungsquellen im NIR-Bereich, wenn eine ausreichende Absorption im Kunststoff vorliegt. Die schweißbaren Nahttiefen sind jedoch prinzipiell durch das Wärmeleitvermö-gen der Kunststoffe begrenzt. Wird dieses zu groß, kann es an der Kunststoffoberfläche zu Verbrennun-gen kommen. Dieses Problem kann mit dem Ver-fahren Laserdurchstrahlschweißen (vgl. Bild 9.4 b) umgangen werden. Verwendet wird in diesem Ver-fahrensbeispiel eine Überlappnahtanordnung, wo-

bei sich die Schweißnaht im Bereich der Innenflä-chen der zu fügenden Bauteile ausbildet. Für diese Verfahrenstechnologie werden Strahlungsquellen verwendet, die im NIR-Bereich emittieren. Insbe-sondere die Diodenlaser (mit Wellenlängen von 808, 940 oder 980 nm) und FK-Laser (1 030, 1 060 und 1 064 nm) lassen sich für diese Anwendung beson-ders vorteilhaft einsetzen.

Ausgenutzt wird der physikalische Effekt, dass Kunststoffe bei diesen Wellenlängen unterschied-lich ausgeprägte Reflexions- und Transmissions-verhalten aufweisen. Man verbindet beim Laser-durchstrahlschweißen einen transparenten bzw. teiltransparenten und einen absorbierenden Kunst-stoff miteinander. Der transparente Fügepartner wird von der Laserstrahlung durchstrahlt und trifft auf die absorbierende Oberfläche des zweiten Kunst-stoffes. Es kommt zunächst zu einer lokalen Aufhei-zung im absorbierenden Kunststoffmaterial. Ist die eingestrahlte Laserleistung groß genug, bildet sich eine Schmelzzone aus. Durch die dreidimensionale Wärmeleitung wird Energie in den Grenzbereich so-wie den oberflächennahen Bereich des transparenten Fügepartners abgeführt. Ist dieser Wert groß genug (abhängig vom Wärmeleitvermögen, der eingestrahl-ten Laserleistung und der Wechselwirkungszeit),

a) b)

Bild 9.4 Grundprinzipien des Laserstrahlschweißens. a) direktes Schweißen – I-Naht, b) Durchstrahlschweißen – Überlappnaht

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bildet sich auch im transparenten Kunststoffmate-rial eine Schmelzzone aus. Damit wird quasi ein gleichzeitiges und gleichmäßiges Aufschmelzen im Kontaktbereich beider Kunststoffe erreicht. Durch das Aufbringen einer Füge- bzw. Presskraft von au-ßen kann eine hohe Schweißnahtfestigkeit erreicht werden, die sogar in vielen Fällen nahe der Grund-materialfestigkeit liegt.

Aufgrund der mehrfach angesprochenen schlechten Wärmeleitungseigenschaften der Kunst-stoffmaterialien darf ein bestimmtes Spaltmaß nicht überschritten werden. Optimalerweise sollte nach dem Beaufschlagen der Bauteile mit dem erforder-lichen Fügedruck kein Spalt mehr vorhanden sein. Ein guter Wärmekontakt zwischen den Fügepart-nern muss während des Schweißprozesses sicherge-stellt werden. Bei vielen Bauteilanordnungen sollte der maximale Fügespalt kleiner 100 μm betragen, wenn kein Setzweg verfahrensbedingt möglich ist. Oftmals werden in der konstruktiven Auslegung der Fügegeometrie Materialaufmaße für sogenann-te Setzwege vorgehalten. Bild  9.5 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Damit steht im Prozess aus-reichend Material für das Ausbilden der Fügezone zur Verfügung und es entschärfen sich die Toleran-zanforderungen an den vorgelagerten Spritzguss-prozess. Es können deutlich größere Spaltmaße mit lateral begrenzter Ausdehnung während des Schweißens kompensiert werden.

Die Anordnung des Laserdurchstrahlschweißens eröffnet die Möglichkeit, völlig neuartige Fügegeo-metrien zu konstruieren. Der Vorteil des Verfahrens liegt u. a. darin, dass die Schweißnaht im Inneren des Bauteils liegt, sodass die Oberfläche nicht ge-

schädigt wird, Funktionsflächen keine Verbin-dungsübergänge aufweisen und letztlich auch keine Mikrorestpartikel erzeugt werden. Für das Laser-durchstrahlschweißen haben sich unterschiedliche Bewegungskonzepte zum Erzeugen der Relativbewe-gung Laserstrahl – Werkstück bzw. der Abbildung der Laserstrahlung auf die Schweißnahtkontur ent-wickelt. Diese werden in Kapitel 9.2.3 diskutiert.

9.2.2 Materialeignung und Auswahl der Farbstoffe und Pigmente

Thermoplaste und thermoplastische Elastomere bil-den bei einer Erwärmung auf Schmelztemperatur eine Schmelzzone aus und sind somit prinzipiell zum Laserstrahlschweißen geeignet. Sowohl unge-füllte als auch gefüllte Polymere können zur Anwen-dung gebracht werden. In /Treffert2011/ wird bspw. angeführt, dass Polymere mit 30 % Glasfaseranteil lasergeschweißt werden können. Bei der Auswahl und Zusammenstellung der zu fügenden Kunststoffe muss jedoch darauf geachtet werden, dass sich die Schmelztemperaturen beider Materialien nicht zu sehr unterscheiden. Weiterhin muss bei einer art-fremden Verbindung darauf geachtet werden, dass sich beide Schmelzphasen der Kunststoffpartner vermischen lassen. Ansonsten können keine aus-reichenden Festigkeiten der Verbindungen erzielt werden. Tabelle 9.3 zeigt die schweißbaren Kombi-nationen der möglichen artgleichen und artfremden Verbindungen.

Die eingesetzten Kunststoffe sind ohne Additive für den NIR-Bereich transparent oder teiltranspa-rent. Durch den Zusatz von Additiven und Farbmit-teln kann eine Absorption in diesem Laserwellen-längenbereich erreicht werden. Eine sehr einfache und kostengünstige Lösung ist die Zugabe von Ruß in einer Konzentration zwischen 0,05 – 0,5 %. Damit lässt sich allerdings nur eine dunkle Farbtongebung erzielen. Generell können aber auch spezielle La-seradditive eingesetzt werden, die die Laserstrah-lung sehr gut absorbieren und die Eigenfarbe des Polymers nur geringfügig ändern.

Damit lassen sich auch helle und farbenkräfti-ge Polymere durch das Laserdurchstrahlschweißen verbinden /Treffert2011/. Jedoch ist dabei der un-

Bild 9.5 Prinzipdarstellung des Setzweges

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terschiedliche Schwierigkeitsgrad (in Abhängigkeit von der Farbgestaltung) zu beachten, wie in Bild 9.6 dargestellt. Darunter sind im Allgemeinen die Pro-zessanforderungen, das technologische Fenster und die Reproduzierbarkeit zu verstehen.

Eine relativ einfache Kunststoffkombination stellt transparent auf schwarz dar. Für farbige Kunststoffe, die lasertransparent sein müssen, kön-nen nur bestimmte Farbmittel verwendet werden. Für weiße lasertransparente Kunststoffe kommt Ti-tanoxid zum Einsatz. Aufgrund der stark streuen-den Eigenschaften dieses Farbmittels sind jedoch nur sehr geringe Mengen einsetzbar /treffert2011/, /basf2011/.

Neuartige IR-Additive ermöglichen die gezielte-re Anpassung der Absorption für die bevorzugten Wellenlängen im NIR-Bereich. Bild  9.7 illustriert

den funktionalen Verlauf in Abhängigkeit von der Wellenlänge für die beiden organischen NIR-Absor-ber. Die Additive sind nicht ionisch, halogen- und schwermetallfrei und somit auch geeignet für me-dizintechnische Anwendungen. Die dargestellten VIS/NIR-Absorptionsspektren wurden an 3 mm starken Polycarbonat-Spritzgussplatten mit einer Masseadditivierung von 100 ppm der Materialien Lumo genIR 765 und  788 ermittelt. Neben dem verwendeten Polycarbonat können auch andere Standardkunststoffmaterialien wie Polyolefine und Polystyrol, aber auch technische Kunststoffe, bspw. Polyamide, ABS und Polyester, mit den NIR-Absor-bern compoundiert werden. Durch die hohe Trans-parenz und die geringe Eigenfarbe der Additive ist die Voraussetzung gegeben, eine Vielzahl von ein-gefärbten Kunststoffen mit sehr unterschiedlicher

Tabelle 9.3 Schweißbare Kombinationen für ausgewählte Kunststoffe /Treffert2011/

PP POM PBT PBT/ASA

PA6 PA6.6 PES PSU ABS ASA SAN MABS

PPPOMPBTPBT/ASAPA6PA6.6PESPSUABSASASANMABS

schweißbar, feste Verbindung schweißbar, schwache Verbindung nicht schweißbar

Bild 9.6 Schwierigkeitsgrad für das Durchstrahlschweißen bei der Einfärbung von Kunststoffen /Treffert2011/

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen454

Farbgebung anzuwenden. Von Vorteil ist die gute Dispergierfähigkeit in allen Kunststoffen, sodass eine sehr hohe Absorptionskonstanz für den Laser-schweißprozess erzielt werden kann. Die in Bild 9.7 dargestellten Absorptionseigenschaften ermögli-chen den Einsatz von Diodenlasern bei einer Wel-lenlänge von 808 nm. Da sich die IR-Additive beim Erwärmen nicht zersetzen, kann auch das quasi-simultane Schweißverfahren für diese modifizierten Kunststoffe ideal eingesetzt werden. /Treffert2011/

9.2.3 Schweißtechnologien

Die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Kunststoff-materialien und die z. T. individuellen Prozesslösun-gen erfordern angepasste Verfahren und oftmals auch ganz gezielte Optimierungsuntersuchungen. Die unterschiedlichen zum Einsatz kommenden Verfahren können vier Gruppen zugeordnet werden:1. Konturschweißen,2. Maskenschweißen,3. Simultanschweißen und4. Quasi-Simultanschweißen.

Das wichtigste Unterscheidungskriterium ist die Art und Weise der Ausführung der Relativbewegung zwischen Laserstrahl und Werkstück, wobei das Maskenverfahren eine Sonderform des Kontur- oder Simultanschweißens darstellt (DVS-Richtlinie2243).

In Tabelle 9.4 sind die vier Schweißtechnologien ge-genübergestellt.

Wird der Laserstrahl über die Schweißkontur oder das Werkstück unter dem Laser entlang meist einmalig (teilweise auch mit Wiederholungen) be-wegt, spricht man vom Konturschweißen (auch als Vektorschweißen bezeichnet). Die Wechselwirkung erfolgt lokalisiert, da die Abkühlgeschwindigkeiten schneller sind als der komplette Bewegungszyklus. Damit kann dieses Verfahren auch nur ohne Setzweg (vgl. Bild 9.5) arbeiten. Typische Bewegungssysteme sind Roboter, Linearachsen, Drehachsen für Radial-schweißungen oder aber auch Scanspiegel. Mithilfe eines Pyrometers wird in vielen Fällen die Schweiß-temperatur erfasst und auch entsprechend geregelt. Es wird versucht, mit einer möglichst konstanten Prozesstemperatur zu arbeiten. Der erfasste Tem-peraturwert kann zur Regelung der Laserleistung oder aber zur Regelung der Verfahrgeschwindigkeit dienen. Dadurch lassen sich die Beschleunigungs-phasen der Achsbewegungen, aber auch eventuel-le Fertigungstoleranzen bzw. Inhomogenitäten im Werkstück kompensieren. Je nach Auslegung der Bearbeitungsachsen und deren Verfahrwege kön-nen sehr große Bauteile im Konturschweißverfahren bearbeitet werden. Die Laserleistung und die Vor-schubgeschwindigkeit sind so zu wählen, dass Ma-terialüberhitzungen und -verbrennungen vermieden werden, andererseits aber die Wechselwirkungszeit ausreichend groß ist, um ein vollständiges Verbin-dungsschweißen zu gewährleisten.

Ähnlich dem bereits beschriebenen Masken-verfahren zum Laserstrahlbeschriften (vgl. Ka-pitel  7.3.2) wird die Schweißkontur über eine zur Schweißgeometrie skalierbare Belichtungsmaske erzeugt. Durch die individuelle bauteilbezogene Maske lässt sich die Laserstrahlung gezielt abschat-ten und trifft nur an den Stellen auf die Kunststoff-oberfläche, wo sich die Fügekontur befindet (vgl. Ta-belle 9.4). In der Anwendung des Maskenverfahrens kommen zwei verschiedene Technologien zum Ein-satz, das direkte und das strahlbewegte Masken-verfahren. Kann die zu fügende Geometrie durch einen aufgeweiteten Strahl homogen ausgeleuchtet werden, erfolgt der Schweißprozess stationär. Ange-wendet wird diese direkte Methode meist für kleine-re Geometrien und Serienprodukte. Es lassen sich

Bild 9.7 Absorptionsspektren NIR – Kunststoffadditive für das Durchstrahlschweißen /Treffert2011/

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9.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen 455

9

Tabelle 9.4 Unterteilung der Schweißtechnologien

Technologie Prinzipbild Verfahrensmerkmale AnwendungsmerkmaleKontur-schweißen

� Bewegen des Laser-strahles entlang der zu schweißenden Geometrie (Kontur)

� Lokalisiertes Fügen der Kontur

� Prozesszeit ist Funktion der Schweißlänge

� kleinere Stückzahlen � auch für größere Bau-

teilvolumina einsetzbar � flexible Geometrie � große Nahtlängen

möglich � Schweißtemperaturre-

gelung

Masken-schweißen

� Eine Maske verkörpert die zu schweißende Kontur

� Maskenbelichtung mit aufgeweitetem Laser-strahl oder durch Scan-nen einer Linie

� mittlere bis große Stückzahlen

� durch Maske festgeleg-te Geometrie

� kurze Prozesszeiten � hohe Auflösung

Simultan-schweißen

� speziell geformter Strahl erwärmt simultan die Schweißnaht

� Prozesszeit materialab-hängig

� homogene Strahlvertei-lung erforderlich

� große Stückzahlen � feste Geometrie � Setzweg möglich � kurze Prozesszeiten � einfache Schweißkon-

turen

Quasi-Simul-tanschweißen

� Schweißkontur wird durch mehrmaliges und schnelles Scannen simultan erwärmt

� Prozesszeit abhängig von Material, Leistung und Scangeschwindig-keit

� kleine bis mittlere Stückzahlen

� flexible Geometrie � Schweißkonturgröße

durch Scanfeld fest-gelegt

� Setzweg möglich

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sehr kurze Schweißzeiten bei hoher Reproduzier-barkeit erzielen. Das direkte Maskenverfahren ist eine spezielle Form des Simultanschweißens. Das Vorsehen eines Setzweges ist im Unterschied zum strahlbewegten Maskenverfahren möglich. Sind grö-ßere Bauteilgeometrien zu schweißen, kommt ein linienförmiges Strahlprofil zum Einsatz, das in einer Bewegungsachse über die Maske geführt wird. Li-nienförmige Strahlprofile können mit Zylinderlinsen sehr einfach erzeugt werden oder aber direkt mit ei-nem schnell bewegten Scanner. Durch die verfügba-ren Strukturierungsmöglichkeiten der Masken (z. B. durch Laserstrahlschneiden) lassen sich sehr hohe Auflösungen und schmale Schweißnähte (kleiner 100 μm) mit dem Maskenverfahren erzielen.

Vom Simultanschweißen wird gesprochen, wenn ein oder mehrere Laserstrahlen über Spezial-optiken gleichmäßig auf die komplette Schweiß-struktur abgebildet werden. Der Schweißprozess er-folgt simultan auf der gesamten Schweißkontur. Die Einhaltung einer homogenen Energiedichte über die gesamte Fügekontur ist die größte verfahrens-technische Herausforderung. Beim Simultanschwei-ßen können auch offene Schweißkonturen erzeugt werden. Einen interessanten Anwendungsfall stellt das Punktschweißen dar, welches sich auch gleich-zeitig an mehreren Orten des Bauteiles mit mehre-ren Laserstrahlen sehr schnell ausführen lässt. Das Verfahren ist an feste Geometrien gebunden und kommt hauptsächlich bei der Serien- und Massen-produktion zum Einsatz. Mit dem Simultanschwei-ßen ergeben sich im Vergleich zum Konturschwei-ßen sehr kurze Prozesszeiten und es sind keine dynamischen Bewegungssysteme erforderlich. Die spezielle Strahlformung kann über optische Kompo-nenten oder aber die Aufspaltung mehrerer Laser in Glasfaserkomponenten mit anschließender paralle-ler Anordnung oder beliebiger Aneinanderreihung der abbildenden Glasfasern erfolgen.

Das Quasi-Simultanschweißen stellt eine Kom-bination aus dem Kontur- und dem Simultanschwei-ßen dar. Der Laserstrahl wird sehr schnell mehrfach entlang der zu fügenden Kontur bewegt (typische Wiederholfrequenzen: > 50 Hz). Dadurch werden die Bewegungszykluszeiten kürzer als die Abkühl-zeit über Wärmeleitung sowie Konvektion, sodass die komplette Schweißnaht quasisimultan aufge-

schmolzen werden kann. Durch diese Konstellation lassen sich auch Bauteilkonstruktionen mit einem Setzweg versehen.

Das Verfahren erfordert allerdings auch die Ver-fügbarkeit der entsprechenden Streckenenergien mit ausreichender Strahlqualität. Die erforderliche Intensität für das Aufschmelzen der Kunststoffe liegt mit 103 – 105 W ∙ cm−2 relativ niedrig. Es rei-chen Lasersysteme mit mittleren Leistungen bis etwa 600 W aus, um Strahlgeschwindigkeiten von etwa 0,5 m ∙ s−1 zu erreichen. Für dieses sehr dyna-mische Bewegungskonzept werden ausschließlich schnell bewegte Scanner und Drehachsen (Radial-nähte) verwendet. Mit der Verfügbarkeit der schnel-len Scansysteme (3 – 10 m ∙ s−1) hat sich dieses Verfahren neben dem Konturschweißen zu einem sehr weitverbreiteten Kunststoffschweißverfahren entwickelt. Im Vergleich zum Simultanschweißen verfügt das Quasi-Simultanschweißen über eine höhere Flexibilität. Es können beliebige 2D-, 2,5D- und teilweise auch 3D-Konturen gescannt werden. Limitierender Faktor für die Bauteilgrößen stellt das maximale Arbeitsfeld der Scaneinheit dar. Das Ver-fahrensprinzip ermöglicht Schweißergebnisse mit keinem bzw. sehr geringem thermischen Verzug.

Die verschiedenen Anwendungen des Kunst-stoffschweißens führen zu ständig neuen spezifi-zierten Verfahrenslösungen. Insbesondere die ste-tig steigenden Anforderungen im Hinblick auf die Prozesszeitverkürzung und Qualitätsansprüche so-wie die Funktionalität bestimmen maßgeblich diese Entwicklung.

In Tabelle 9.5 ist für die o. g. Faktoren jeweils ein Verfahrensbeispiel vorgestellt.

Diodenlaser verfügen über eine sehr kompak-te Bauweise und lassen sich freistrahlend in einen Schweißkopf mit kleinen Abmessungen integrieren. Diese Vorteile können für das simultane Laserstrahl-punktschweißen ideal ausgenutzt werden. Mithil-fe von strahlführenden Elementen (Wellenleitern) können quadratische oder kreisförmige Flächen geformt werden. Das formende Element, ein hoch-reflektierendes Rohr oder Hohlprofil, homogenisiert das freistrahlende Bündel und überträgt gleichzei-tig auch den erforderlichen Anpressdruck. Mit solch einer Anordnung kann mit relativ geringen Inves-titionskosten ein produktiver und reproduzierbarer

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9.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen 457

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Tabelle 9.5 Sonderformen des Laserstrahlschweißverfahren /Woll2010/, /LPKF2011/

Simultanes Punktschweißen Hybridschweißen Laser-Heißverstemmen

Die simultane Verwendung von mehreren Laserquellen oder La-serstrahlen sowie Strahlformungs-elementen

Prozessunterstützung durch Überlagerung polychromatischer Strahlung einer oder mehrerer Halogenlampen

Laserstrahlerwärmung eines Form elementes mit anschließen-dem mechanischem Verpressen zum Formschluss der Fügepartner

Prozess, bspw. zum Punktschweißen eines Schuss-kanals an der Rückseite einer Pkw-Instrumententa-fel, durchgeführt werden /Woll2010/.

Die Qualitätsansprüche für großflächige Bautei-le zu erhöhen und die Prozessgeschwindigkeit zu steigern ist das Bestreben des Hybridschweißens. Beim sogenannten „TwinWeld-3D-Schweißen“ wird mit einem oder mehreren Halogenstrahlern zu-sätzliche Energie in das Wechselwirkungsvolumen eingebracht. Das Verwenden der zusätzlichen poly-chromatischen Strahlung reduziert gleichzeitig das Auftreten von Spannungen in gefährdeten Material-kombinationen /LPKF2011/.

Beim Laser-Heißverstemmen wird ein Form-schluss zwischen einem Dom (erhabene Kontur) und einem zu haltenden Bauteil hergestellt. Bei diesem Verfahren werden durch Spritzguss erzeugte Ele-mente (meist Dome) durch den Laserstrahl indirekt erwärmt. Der Laserstrahl dringt durch den transpa-renten Nietkopf auf den Nietdom und schmilzt die-sen auf. Ein großer Verfahrensvorteil gegenüber den konventionellen Fügeverfahren besteht darin, dass Materialanhaftungen an das Werkzeug faktisch aus-geschlossen sind. /LPKF2011/

9.2.4 Laserstrahlungsquellen und Systeme

Aufgrund der in Kapitel 9.1 beschriebenen Absorp-tionscharakteristik von Kunststoffen werden zum überwiegenden Teil Festköperlaser und Diodenlaser für das Laserdurchstrahlschweißen verwendet. Für das klassische I-Naht-Schweißen und das Überlapp-schweißen dünner Folien werden auch CO2-Laser eingesetzt. Bei sehr präzisen Fügeaufgaben, z. B. für die Mikrofluidik, kommen Faserlaser zum Einsatz. Viele Applikationen stellen keine erhöhten Anfor-derungen an die Strahlqualität, sodass Diodenla-ser vorteilhaft für das Laserdurchstrahlschweißen angewendet werden. Sie kommen sowohl als frei-strahlende (direktstrahlende) oder als fasergeführte Systeme zum Einsatz. Beide Systemvarianten lassen sich sehr gut in Koordinatenmaschinen, roboterge-führte Systeme oder in spezielle Fertigungsanla-gen integrieren (vgl. Bild 9.8). In der Regel werden Strahlungsquellen im cw-Betrieb eingesetzt. Je nach ausgewähltem Verfahren sind Ausgangsleistungen zwischen 10  und 600 W typisch. Die zur Anwen-dung kommenden Strahlverteilungen sind ebenfalls

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verfahrensabhängig. Sowohl das Konturschweißen als auch das Quasi-Simultanschweißen erfolgen mit einer kreisförmigen Strahlverteilung. Strahl-durchmesser von 250 μm bis mehreren Millimetern sind für diese Verfahren gebräuchlich. Die Vorteile einer gezielten Laserstrahlformung mit optischen Komponenten werden für das Simultanschweißen genutzt. Je nach Kontur kommen kreis-, rechteck- oder linienförmige Strahlprofile zwischen 0,5  und 50 mm bzw. speziell angepasste Profilformen zum Einsatz. Bild 9.8 illustriert exemplarisch zwei Laser-systeme zum Durchstrahlschweißen. In der linken Anordnung wird das Bewegungssystem durch einen Scararoboter gebildet (Konturschweißen). Das rech-te Bewegungskonzept beruht auf der Strahlführung durch einen 2D-Laserscanner (Quasi-Simultan-schweißen). Lasersysteme zum Kunststoffschwei-ßen zeichnen sich durch einen hohen Systeminte-grationsgrad aus und reichen von individuellen Prozesslösungen bis zu modular aufgebauten Stand-alone-Anlagen.

Große Bedeutung kommt den Spannsystemen zu, die auf den Prozess meist individuell abge-stimmt werden und folgende Anforderungen erfül-len müssen:

� Aufbringen der erforderlichen Fügekraft (etwa 2 – 4 N ∙ mm−2),

� gleichmäßige Krafteinleitung über den gesam-ten Fügebereich,

� Gewährleistung der Zugänglichkeit für die La-serstrahlung,

� schnelles Spannen und Lösen.

Für mittlere bis große Serien werden die Laseran-lagen in teil- oder vollautomatisierte Fertigungsab-läufe integriert. Neben der automatischen Teilebe-schickung kommt in diesen Anordnungen auch der Qualitätsüberwachung eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere der Einsatz von Prozessdiagnostik stellt für das reproduzierbare Schweißen eine wich-tige Voraussetzung dar.

9.2.5 Prozesskontrolle

Die Vielfalt der Kunststoffe, die unterschiedlichen Additive, verfahrensbedingte Chargenschwankun-gen und Feuchtigkeitsaufnahme der Kunststoffma-terialien sind nur einige Gründe, die hohe Anfor-derungen an den Schweißprozess stellen und zu

a) b)

Bild 9.8 Maschinensysteme für das Laserdurchstrahlschweißen. a) Konturschweißen mit Robotersystem /Jenoptik2011-2/, b) Quasi-Simultanschweißen mit Scanner /LPKF2011/

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9.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen 459

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unterschiedlichen Bearbeitungsergebnissen führen können. Dies erfordert in vielen Fällen eine mate-rial- oder produktangepasste Verfahrensoptimie-rung. Ein sehr wichtiger Parameter ist der jeweilige reale Transmissions- bzw. Absorptionswert der zu schweißenden Kunststoffmaterialien. Die vielfältig modifizierten Kunststoffe und die Chargenschwan-kungen machen es oftmals erforderlich, die Trans-missionscharakteristik vor dem Schweißprozess zu ermitteln. Für diese Messungen existieren Geräte-lösungen, die sehr schnell reale Transmissionswer-te für das Material liefern.

Die Temperatur ist eine der wichtigsten Prozess-größen beim Laserdurchstrahlschweißen. Verun-reinigungen, Oberflächenfehler, geometrische Ab-weichungen etc. führen im Prozess sofort zu einer Temperaturänderung. Diese Abhängigkeit kann für eine Online-Überwachung der Schweißnaht oder aber zur Temperaturregelung während des Füge-prozesses ausgenutzt werden. Bewährt haben sich schnelle Pyrometer, die mit ihrer Emissionslinie zur Laserwellenlänge abgestimmt sein müssen. Ihr Strahlweg lässt sich sehr gut in den Laserbearbei-tungskopf integrieren und im Prozess mitführen.

Durch die hohen Schweißgeschwindigkeiten müs-sen Pyrometer und Regler sehr dynamisch ausge-legt werden. Bild 9.9 stellt schematisch die Geräte-verknüpfung für eine schnelle Temperaturmessung dar.

Ein weiterer wichtiger Prozessparameter ist die Streckenenergie. Hier ist eine sorgfältige Ab-stimmung erforderlich. Ist diese zu gering wird ein unzureichendes Schmelzvolumen ausgebildet, sodass keine ausreichenden Nahtfestigkeiten er-zielt werden können. Wird die Streckenenergie zu groß gewählt, kann es zu Verbrennungen sowohl in der transparenten als auch in der absorbierenden Kunststoffkomponente kommen (vgl. Bild 9.10 a).

Durch Reduzierung der Verfahrgeschwindigkei-ten ist an den Geometrieumkehrpunkten ebenfalls mit Verbrennungen zu rechnen, wenn die Laser-leistung nicht angepasst wird (vgl. Bild 9.10 b). In Verbindung mit einem schnellen Regler (meist PID-Regler) wird das Pyrometersignal zum Regeln der Laserleistung verwendet, um in Abhängigkeit von der Verfahrgeschwindigkeit nahezu konstante Pro-zesstemperaturen über den gesamten Schweißpro-zess einzuhalten (Bild 9.10 c).

Bild 9.9 Temperaturüberwachung und -regelung mit einem Pyrometer nach /Kamm2008/

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen460

In der Praxis werden neben der Temperaturmes-sung auch andere Verfahren zur Prozesskontrolle erfolgreich eingesetzt. Für Verfahren, die mit ei-nem Setzweg arbeiten, kann eine Fügewegüber-wachung (Schweißweg + Setzweg) vorteilhaft sein. Bild  9.11 veranschaulicht die Wegänderung über die Zeit während des Schweißvorganges. Dargestellt sind auch die Prozessstufen. Darüber hinaus kom-men diagnostische Methoden zum Einsatz, die den Schweißprozess überwachen: � die Reflexion an den Grenzflächen der Fügepart-

ner, � mögliche Oberflächenverbrennungen, � die Schweißnahtgeometrie. /LPKF2011/

9.2.6 Ausgewählte Prüfverfahren

Neben der Bestimmung der Transmission können im Vorfeld des Schweißprozesses auch noch wei-tere Prüfverfahren zur Bestimmung wichtiger Ma-terialeigenschaften zum Einsatz kommen, um die Prozessparameter schnell und sicher optimieren zu können. Mithilfe der dynamischen Differenzkalori-metrie (DSC) lassen sich Aussagen zum Temperatur-Zeit-Verhalten, insbesondere zur Glasübergangs-, Kristallisations- und Zersetzungstemperatur treffen.

Nach dem Schweißprozess kommen sowohl zer-störungsfreie (visuelle und lichtmikroskopische Be-gutachtung) als auch stichprobenartig zerstörende Prüfverfahren (Zugversuch, Scherversuch, Dicht-heitsprüfungen) zum Einsatz. Bild  9.12 illustriert die Ergebnisse eines Zugversuches des Materials PA6GF30. Bei einer richtigen Prozessführung, un-ter Beachtung der Schweißbarkeit, können Schweiß-nahtverbindungen erzielt werden, die im Bereich der Grundfestigkeit der Kunststoffmaterialien lie-gen. Stark hygroskopische Kunststoffe neigen zur Wasseraufnahme und sollten vor dem Schweißpro-zess getrocknet werden. Für den glasfasergefüllten Konstruktionswerkstoff PA6GF30 mit einer maxi-malen Wasseraufnahme von 6,5 % (Bild 9.12) ergibt sich mit zunehmendem Wassergehalt ein deutlicher Abfall der Schweißnahtfestigkeiten. Diese können bis zu 50 % des getrockneten Zustandes betragen. Es besteht die Annahme, dass das Wasser in den amor-phen Bereichen des Kunststoffes eingelagert und

a) b) c)

Temperatur zu hoch –Verbrennungen

gesteuert, vs = 20 mm ∙ s−1

konstante Leistunggeregelt, vs = 20 mm ∙ s−1

konstante Temperatur

Bild 9.10 Einfluss der Streckenenergie. a) Streckenenergie zu hoch, b) Kontur gesteuert, c) Kontur geregelt /Blie2004/

Bild 9.11 Weg-Zeit-Diagramm der Fügewegüberwa-chung /LPKF2011/

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9.2 Laserstrahlschweißen von Kunststoffen 461

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die Kohäsions- bzw. Adhäsionskraft zwischen den polymeren Fügepartnern dadurch verringert wird.

Zur Bewertung der Schweißnaht selbst werden in Analogie zur metallischen Schweißnahtprüfung Schliffbilder quer und teilweise auch längs zur Schweißnaht angefertigt und mikroskopisch ausge-wertet. Mit diesem Prüfverfahren lassen sich Aussa-gen zur Ausbildung der Schweißnaht, zur Geometrie und zur Homogenität ermitteln. Bild 9.13 illustriert ausgewählte Schliffbilder des Gehäuseteiles in Ta-belle  9.6. Gut zu erkennen ist in den Bildern die homogen ausgeprägte Schweißlinse bzw. Fügezone und der beidseitige Schmelzaustrieb infolge des Setzweges. Die subjektive Bewertung lässt auf eine hohe Schweißnahtfestigkeit schließen, was die zer-störenden Prüfverfahren bestätigen.

Für das in Tabelle 9.6 gezeigte Gehäuseteil ist die Dichtheit ein weiteres Prüfkriterium. Beaufschlagt mit einem Druck von 7 bar werden diese Teile unter Wasser abgedrückt und getestet. Im anschließen-den zerstörenden Berstdruckverfahren hielt das geschweißte Bauteil einem Druck von 16 bar stand.

9.2.7 Anwendungsbeispiele

Das Laserstrahlschweißen ist eine sehr flexible Ver-bindungstechnik für Kunststoffe, erfordert aber das lasergerechte Design der Bauteile, um die Vorteile des Laserverfahrens anwenden zu können. Zu die-sen zählen: � eine optisch hochwertige Qualität der Schweiß-

naht, � eine flexible Nahtführung, � keine Verschmutzung der Oberfläche, � eine minimale Wärmebelastung der Bauteile

und � eine hohe Festigkeit der Schweißnaht.

Eine sehr häufige Anwendung ist das Schweißen dichter Verbindungen von Gehäuseteilen. Diese kön-nen empfindliche Sensoren, Leiterplatten oder elek-tronische Bauelemente aufnehmen und schützen. In Tabelle 9.6 ist ein Demonstrationsgehäuseteil darge-stellt. Das quadratische Unterteil wurde mit dem la-sertransparenten Deckel durch das Verfahren Qua-si-Simultanschweißen gefügt. Der absorbierende

a)

b)

c)

Bild 9.12 Zugkraftprüfung – Material PA6GF30. a) Erreichbare Zugkräfte in Abhängigkeit vom Feuchtege-halt, b) und c) Schliffbilddarstellungen für zwei verschie-dene Feuchtegehalte

a)

b)

Bild 9.13 Mikroskopische Darstellung der Schweißnaht-form /FHJe2011/. a) Querschliff, b) Längsschliff 

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen462

Fügepartner besteht aus dem Material PA6 und ist mit Ruß eingefärbt. Der Deckel besteht aus PA6 na-tur und bildet den laserstrahltransparenten Partner.

Geschweißt wurde die Gehäusebaugruppe mit einem Hochleistungsdiodenlaser. Dieser Laser emittiert Strahlung einer Wellenlänge von 980 nm und erreicht eine maximale Ausgangsleistung von 400 W. Die Strahlführung erfolgt mit einer 300-μm-Faser, an deren Ausgang die Strahlung kollimiert und einem 2D-Scanner bereitgestellt wird. Der maschinenintegrierte Scanner erreicht ein Arbeits-feld von (210 × 210) mm2 bei einer Brennweite von 350 mm. Daraus resultiert ein fokussierter Strahl-durchmesser von 2 mm. Durch das schnelle Scan-nen des Laserstrahls mit 1 m ∙ s−1 erreicht man für diese Konturabmessung (30 × 30) mm2 eine quasi-simultane Erwärmung der gesamten zu fügenden Kontur. Der hier gewählte Setzweg beträgt 0,3 mm. Das Schweißergebnis zeigt eine homogen ausge-prägte Schweißnaht mit sehr hohen Festigkeitswer-ten, die der Materialgrundfestigkeit entsprechen. Die zerstörende Prüfung (Tabelle 9.6, rechte Darstel-lung) führt zu einem überwiegenden Materialbruch und nicht zu einem Schweißnahtversagen.

Für diese Art des Laserdurchstrahlschweißens von Gehäuseteilen existiert eine Vielzahl von An-wendungen im Automobilbau, der Sensorik und der Medizintechnik. Bild 9.14 veranschaulicht exempla-

risch eine Anwendungslösung. Das hier angewende-te quasisimultane Schweißen mit dem Laserstrahl löst das Vibrationsschweißen und Heizelemente-schweißen ab. Das Material PA66 lasertransparent (natur) und laserabsorbierend wird für den darge-stellten Flüssigkeitsbehälter eingesetzt. An dieses Bauteil werden erhöhte Anforderungen an Berst-druck, Dichtheit und Standzeit gestellt /LPKF2011/.

Weitere interessante Applikationen für Kunst-stoffeinhausungen sind in Bild 9.15 veranschaulicht. Hochwertige elektronische Komponenten und emp-findliche Substanzen müssen Langzeit geschützt

Tabelle 9.6 Laserdurchstrahlschweißen eines Gehäuseteiles /LPKF2011/

Material:PA6 (eingefärbt) / PA6 (natur)Herstellung: SpritzgussverfahrenTransparenz: 0 % und 35 %

Schweißparameter:P = 70 W; vf = 1 m ∙ s−1

F = 500 N; t = 1,9 s

Prüfparameter:Dichtheitstest: 7 barBerstdruck: 16 bar

Bild 9.14 Flüssigkeitsbehälter für hydraulische Pumpen /LPKF2011/

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oder aber Kraftstoffbehälter dicht geschweißt wer-den. Oft werden Filterkomponenten aus Kunststoff verwendet, die mechanische Teile aufnehmen. Die Verbindung der Gehäuseteile wird durch eine Über-lappnaht im Radialschweißverfahren realisiert, wobei die komplette Filtereinheit unter dem Laser gedreht wird (Bild 9.15 b).

Auch elastische Polymere lassen sich im Durch-strahlschweißverfahren verbinden und dienen dem Schutz beweglicher Teile (Bild 9.15 c). Ein weiteres Beispiel aus dem Automobilbau sind Beleuchtungs-einheiten. Diese haben i. d. R. bereits aus Funktions-gründen die gewünschten optischen Eigenschaften für das Laserdurchstrahlschweißen. Das Spaltmaß zwischen den meist geometrisch ausgedehnten Fügepartnern ist herstellungsbedingt aber relativ groß, wodurch die Anforderungen an eine laser-

gerechte Konstruktion und den Spritzgussprozess steigen. Bei den größeren Bauteilen wie Front- oder Rückleuchten (vgl. Bild 9.16) sind die erreichbaren Spaltmaße häufig größer als die vom Laserprozess tolerierbaren. Wenn möglich werden Setzwege vor-gesehen, um im Quasi-Simultanschweißverfahren größere Spaltmaße durch Setzwege zu kompensie-ren. Die Größe der Rückblenden in Bild 9.16 erfor-dert für diesen Fall das Konturschweißverfahren.

Im Bereich Medizintechnik gewinnen laserge-schweißte Kunststoffverbindungen zunehmend eine größere Bedeutung. Es sind insbesondere die Ver-fahrensvorteile wie hohe Sauberkeit, keine stören-den Mikropartikel, Klebereste oder Rauheiten, die das Laserdurchstrahlschweißen für dieses Feld der Anwendungen interessant machen. Bild 9.17 illus-triert einen Mikrofluid-Einwegfilter für DNA-  und

a) b) c)

Bild 9.15 Verfahrensbeispiele für das Radialschweißen /Jenoptik2011-2/. a) Treibstoffkapsel für Airbag, b) Kraftstoff-behälter, c) Achsmanschette

a) b)

Bild 9.16 Durchstrahlschweißen einer Autorückblende. a) Gesamtansicht, b) Ausschnittsvergrößerung, Darstellung der ausgebildeten Schweißnaht /Jena2011-9.1/

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RNA-Analysen. Die Fügepartner bestehen aus ei-ner PC-Komponente und einem 2K-Spritzgussteil, bestehend aus den Materialien PC und TPE. Gefügt werden beide Bauteile mittels Konturschweißver-fahren.

9.3 LaserstrahltrennenAuch für das Trennen von Kunststoffen lassen sich die Vorteile des Laserstrahlschneidens, die im Kapi-tel 7 ausgeführt wurden, sehr gut anwenden. Dies erfordert jedoch die Berücksichtigung der spezi-fischen Materialeigenschaften der verschiedenen

polymeren Werkstoffe. Insbesondere können bei bestimmten Materialien Verbrennungs- und Verko-kungserscheinungen im Schnittfugenbereich oder aber bei Verbundwerkstoffen z. T. Delaminierungs-effekte auftreten. Ferner muss eine hinreichende Abluftentsorgung der entstehenden Schadstoff-emissionen berücksichtigt werden. Das Laserstrahl-schneiden konkurriert in erster Linie mit den me-chanischen Verfahren Stanzen, Sägen, Fräsen und Wasserstrahlschneiden. Die Entscheidung für den Einsatz eines Laserstrahlverfahrens wird häufig neben den Investitionskosten durch die folgenden Qualitätskriterien bestimmt: � strukturelle Veränderungen des Materials im

Schnittfugenbereich, � erreichbare Form- und Gestaltabweichungen, � entstehende Schnittfugenbreite, � Rauheit und Welligkeit der Schnittkante, � Parallelität der Schnittkante, � farbliche Veränderungen im Wechselwirkungs-

bereich.

Das Schneiden mit herkömmlichen Verfahren ist sehr oft mit einem hohen Verschleiß der Schneid-werkzeuge verbunden. Bereits nach einer geringen Standzeit der Werkzeuge kann es zum Ausreißen oder zu unsauberen Schnittkanten führen. Das Werkzeug muss öfter gewechselt werden, was für viele Anwendungen den berührungslos arbeitenden Laserstrahl interessant macht.

9.3.1 Grundlagen

Das Schneiden von reinen Kunststoffen erfordert im Vergleich zu metallischen Werkstoffen weniger Laserleistung, da die Schmelz- und Zersetzungstem-peraturen deutlich geringer sind. Die Absorption der Laserstrahlung führt zu einer Erwärmung und zum Schmelzen des Kunststoffes in der Wechsel-wirkungszone. Im Prinzip handelt es sich um ein Schmelzschneiden mit einem niedrigen Gasdruck. Für das Schneiden mit einer Bearbeitungsoptik und bewegten Achsen wird koaxial zum Laserstrahl ein Gasstrahl in die Schnittfuge gerichtet, der die Schmelze und zersetztes Material gezielt austreibt. Eine Reihe von Kunststoffe kann durch direktes

a)

b)

Bild 9.17 Mikrofluid – Einwegfilter für DNA- und RNA-Analysen /LPKF2011/. a) Komponente 1, b) Kompo-nente 2

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Sublimationsschneiden (Schmelzanteil gering bzw. nicht vorhanden) getrennt werden.

Ohne zusätzliche Gasunterstützung lassen sich Kunststoffe aber auch durch schnell bewegte Scan-nersysteme trennen. Durch speziell angeordnete Absaugdüsen wird das freigesetzte Material meist großflächig abgesaugt, um Ablagerungen (Debris) auf der Materialoberseite zu verhindern. Oft arbeitet man bei größeren Werkstückdicken auch sequen-tiell, d. h., der Trennprozess erfolgt durch mehrmali-ges Scannen der Kontur.

In Bild 9.18 sind die Schnittfuge eines Verbund-werkstoffes und mögliche Fehler aufgezeigt. Signi-

fikanten Einfluss auf das Bearbeitungsergebnis ha-ben die Prozessparameter: � Wellenlänge, � Laserleistung und Vorschubgeschwindigkeit, � Fokusdurchmesser und -lage sowie � Gasdruck (Bearbeitungskopf).

Die Optimierung der Prozessparameter muss oft-mals individuell auf den Kunststoff und die Addi-tive abgestimmt erfolgen. Schwierig gestaltet sich das Schneiden von Verbundwerkstoffen, wenn die Materialien unterschiedliche Schmelztemperaturen besitzen. Dadurch besteht die Gefahr, dass die nied-rigschmelzende Komponente verbrennt oder stärker abgetragen wird (vgl. Bild 9.18). Mit der Anpassung der Fokuslage sowie des Gasdruckes kann die Pa-rallelität der Schnittfugen beeinflusst werden. Typi-sche Fokusdurchmesser werden in einem Bereich zwischen 100 und 250 μm gewählt.

9.3.2 Laserstrahlungsquellen und Systeme

Die Absorption der Kunststoffe liegt, wie in Bild 9.3 gezeigt, im IR- und UV-Bereich. Eine sehr große Einsatzbreite hat der CO2-Laser erlangt. Da das Ab-sorptionsspektrum von Polymeren im IR-Bereich sehr stark von der chemischen Zusammensetzung abhängt, ist bei bestimmten Materialien (bspw. Poly-ethylen) der Laserbetrieb bei einer Wellenlänge von 9,4 μm anstelle von 10,6 μm sinnvoll. Bei der Be-arbeitung thermoplastischer Kunststoffe reicht das

Bild 9.18 Schnittkantendarstellung mit ausgewählten Fehlergrößen

a) b) c)

Bild 9.19 Systembeispiele zum Bearbeiten von Kunststoffen. a) X-Y-Bearbeitungstisch, b) Roboter mit teilintegrierter Strahlführung /Jena2011-9.2/, c) Roboter mit direkter Laserkopplung /Jena2012-9.3/

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Laserleistungsspektrum von 25 W bis hin zu 1 kW. Dieser Leistungsbereich kann sehr gut durch die Sealed-Off-Laser abgedeckt werden, die auch zum überwiegenden Teil Verwendung finden. In Bild 9.19 sind drei unterschiedliche CO2-Lasersysteme zum Schneiden von Kunststoffen gegenübergestellt. Bild a illustriert eine Flachbettschneidanlage mit einem 1-kW-CO2-Laser. Bild b und c zeigen Roboter-lösungen. Da die Wellenlänge des CO2-Lasers nicht über eine Prozessfaser geführt werden kann, erfolgt die Strahlführung über Spiegel. Bild b zeigt eine Va-

riante, bei der der Laser direkt an die Roboterachse montiert ist. Dadurch verkürzt sich der Strahlweg er-heblich und zwischen Laser und letzter Roboterach-se (mit Bearbeitungskopf) sind lediglich zwei Spiegel erforderlich. Bild c veranschaulicht eine geschickte Strahlführung im Inneren des Roboters. Diese An-ordnung gewährt ein einfaches Strahljustieren und große Bewegungsfreiheit der Roboterachsen.

Werden hohe Ansprüche an die Bearbeitungs-qualität gestellt kommen auch UV-Laser, Excimer-laser und frequenzverdreifachte Nd:YAG-Laser zum Einsatz. Für Verbundwerkstoffe mit unterschiedli-chen Materialeigenschaften können so sehr präzise Konturschnitte mit der kurzen Wellenlänge erzeugt werden. Bild 9.20 illustriert das Bearbeitungser-gebnis eines Innenkonturschnittes eines FR4-Mul-tilayers /LaserMicronics2012/. Mit der Wellenlänge von 355 nm entstehen qualitativ hochwertige Schnitt-kanten ohne Delaminierung des Schichtverbundes.

9.3.3 Ausgewählte Anwendungen

Das Laserstrahlschneiden von Kunststoffen lässt sich für ein relativ großes Materialspektrum anwen-den. Die Bearbeitungsergebnisse sind aber z. T. sehr unterschiedlich und erfordern im Einzelfall oft eine

Bild 9.20 Innenkonturtrennen eines FR4-Multilayers /LaserMicronics2012/

a) b)Schnittkantendarstellung

Bild 9.21 Beispiele – PMMA. a) Sublimationsschneiden, b) Schmelzschneiden

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9.3 Laserstrahltrennen 467

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Prozessoptimierung. Der Kunststoff PMMA war ei-nes der ersten Materialien, welches mittels CO2-Laser getrennt wurde. Die Einsatzgebiete für diesen Werk-stoff reichen von der Werbebranche, über die Medi-zintechnik bis hin zu optischen Anwendungsfeldern.

Generell können sowohl das Schmelz- als auch das Sublimationsschneidverfahren eingesetzt werden. Für die Beispiele in Bild 9.21 stellt sich ein deutlicher Unterschied bei der Wahl der Prozesspa-rameter dar. In der linken Schnittkantendarstellung ist eine lasertypische Riefenstruktur erkennbar. Op-timiert man den Prozess, insbesondere Vorschubge-schwindigkeit, Gasart und -druck, können optisch transparente Kantenqualitäten erzielt werden, die nahezu denen von mechanisch polierten Bauteilen entsprechen (Bild  b). Dieser Vorteil der LMB wird in vielen Bereichen des PMMA-Zuschnittes genutzt, um den konventionell erforderlichen Polierschritt der Trennkante einzusparen. Die Trennergebnis-se sind für die CO2-Laserstrahlbearbeitung relativ unabhängig von den Farbvarianten des Materials. Jedoch lassen sich für XT-Materialien (extrudiert) etwas bessere Kantenqualitäten erreichen als für GS-Material (gegossen). In der Praxis werden die Schutzfolien auf dem PMMA-Plattenmaterial vor der Laserbearbeitung meist nicht entfernt und ohne Qua-

litätsverluste der Schnittkante mit getrennt. Neben dem Kratzschutz der Materialien hat dies im Prozess auch Vorteile in Hinsicht auf mögliche Rückreflexe oder Sublimatablagerungen. Mit dem Laser kann eine gleichbleibende Schnittqualität gewährleistet werden. Allerdings müssen evtl. Chargenschwan-kungen der Kunststoffmaterialien berücksichtigt werden. Die erreichbaren Schneidgeschwindigkei-ten hängen sehr stark von der gewünschten Kan-tenqualität ab. Thermoplastische Kunststoffe kön-nen bereits mit relativ geringen Leistungen von 100 – 300 W mit CO2-Laserstrahlung getrennt wer-den. Neben dem Kunststoff PMMA lässt sich eine Reihe thermoplastischer Kunststoffe wie bspw. PC, PP, PUR, ABS oder Polymerblends qualitätsgerecht trennen. Bild 9.22 illustriert ein Anwendungsbei-spiel aus dem Automobilbereich. In der 5-Achs-Laserzelle werden an einem endlackierten Bauteil funktionelle Konturelemente getrennt (Bild 9.22 a). Die hohe Flexibilität des Lasers wird insbesondere auch im Prototypenbau und der Kleinserie mit va-riablen Bearbeitungsanforderungen angewendet. Interessant ist bei diesen Applikationen, dass auch lackierte Kunststoffoberflächen ohne wahrnehm-bare visuelle Schädigung im Bereich der Wech-selwirkungszone trennbar sind. Die Trennkante

a)

b)

c)

Bild 9.22 Konturschneiden Pkw-Verkleidungselemente, Material: PBT + PC. a) 5-Achs-Bearbeitungszentrum, b) Mikroskopische Schnittkantendarstellung, c) Profildarstellung der Schnittkante

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selbst zeigt im Vergleich zum Werkstoff PMMA ein wesentlich raueres Profil, liegt aber mit einem arithmetischen Rauheitswert von Ra = 6 μm für die meisten Anwendungen in einem tolerierbaren Be-reich (Bild 9.22 b und c).

Im Gegensatz zu den metallischen Werkstoffen erfordern Kunststoffe nur relativ geringe Strahlungs-intensitäten zum Schneiden. Daraus resultieren auch die hohen Bearbeitungsgeschwindigkeiten die sich im Schneidprozess umsetzen lassen. Eine Vielzahl von Anwendungen nutzt schnell beweg-te Scansysteme, um diesen Verfahrensvorteil noch besser auszunutzen. Nachteilig wirkt sich dabei das Fehlen der Prozessgasunterstützung aus. Durch ge-

schickte Scanstrategien kann dies für viele Anwen-dungen kompensiert werden. So lassen sich Verbren-nungen der Schnittkante durch ein sehr schnelles quasisimultanes Scannen der Kontur weitestgehend vermeiden. Die Bilder 9.23 b und c stellen das Be-arbeitungsergebnis zweier unterschiedlicher Scan-varianten gegenüber. Erkennbar sind Ablagerungen an der lackierten Bauteiloberfläche im Bild b. Wich-tig ist die prozessnahe Absaugung der entstehenden Schadstoffemissionen, um einerseits die Bearbei-tungsqualität zu gewährleisten und andererseits Be-diener und System zu schützen (vgl. Kapitel 9.3.5). Scannerbasierte Systeme haben insbesondere einen Verfahrensvorteil, wenn das zu bearbeitende Bauteil

a)

b)

c)

Bild 9.23 Scannerbasiertes Schneiden von Kunststoffen /Jena2011-9.3/. a) Bohrungs-raster – Material: Silikon, b) Bohrung mit Debris, c) Bohrung ohne Debris

a) b) c)

CO2-Laser, Leistung: 200 W, Scangeschwindigkeit: 1 m ∙ s−1; Trennzeit: 0,35 s

Bild 9.24 Trennen von Angussstegen. a) abgeformtes Teil mit Anguss, b) geforderte Endkontur, c) Trennergebnis

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aus sehr vielen Konturelementen besteht, also eine hohe Anzahl von Einstechoperationen erforderlich ist. Bild 9.23 a veranschaulicht dies an einem Boh-rungsmuster für einen Silikonwerkstoff.

Ein weiteres Beispiel für den Lasereinsatz stellt das Trennen von Angussstegen dar (Bild 9.24). Nach einem Spritzgussprozess mit Anguss muss dieser vom Bauteil entfernt werden. Neben den weitver-breiteten mechanischen Trennverfahren werden teilweise auch laserbasierte Trenntechnologien er-folgreich eingesetzt. Das Displayglas in Bild  9.24 kann sehr schnell und in hoher Qualität endbear-beitet werden, wobei sich durch die Trennoperation gleichzeitig auch der Radius ohne Nachbearbeitung formgenau herstellen lässt.

9.3.4 Trennen von Verbundwerkstoffen

Komplexer ist die Bearbeitung von polymeren Ver-bundwerkstoffen, die bspw. einen großen Einsatzbe-reich im Interieurbereich des Automobilbaus finden.

Meist haben die am Verbund beteiligten Materialien sehr unterschiedliche thermische Eigenschaften, was eine sehr gute Prozessabstimmung erfordert. Der Laser kann zum Erzeugen von Sollbruchstellen (Airbag), dem Randbesäumen, dem Konturschnitt sowie zum Beschriften eingesetzt werden. Typische Verbunde sind als Dreischichtsysteme mit Träger-, Zwischen- und Deckschicht aufgebaut. Bild 9.25 illustriert einen solchen Verbund anhand einer la-sergetrennten Schnittkante. Die Materialstärken der Zwischenschicht ändern sich über das Bauteilvolu-men aus Gründen der Funktionalität.

Tabelle 9.7 gibt einen Überblick zu ausgewähl-ten Verbundaufbauten. Im typischen Dickenbereich dieser Werkstoffe (5 – 10 mm) können mit dem Laserstrahl im Unterschied zu den konkurrieren-den Verfahren wie dem mechanischen Trennen und dem Wasserstrahlschneiden vergleichsweise hohe Vorschubgeschwindigkeiten erzielt werden. In Bild  9.27 sind die maximal erreichbaren Wer-te für das Laserstrahltrennen von Material  4 (vgl. Tabelle 9.7) aufgetragen, bei denen die geforderten

CO2-Laser; λ = 10,6 μmMax. Laserleistung: 1 500 WMax. Trenngeschwindigkeit: 12 m ∙ min−1

Gasart: LuftGasdruck: 5 bar

Bild 9.25 Laserstrahlbearbeitung von polymeren Verbundwerkstoffen /Blie2000/

Tabelle 9.7 Struktureller Aufbau ausgewählter Verbundwerkstoffe

Material 1 Material 2 Material 3 Material 4Trägerschicht Polycarbonat (PC)

ABS – glasfaserverstärktPC PUR mit Holzfaser-

formstoffPUR

Zwischenschicht Polyurethan (PUR)-Schaum PUR-Schaum PUR-Schaum PUR-SchaumDeckmaterial PUR-Sprühhaut, strukturiert PVC-Deckschicht PUR-Sprühhaut Textilglasfaser

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen470

Qualitäten erreichbar sind. Dies betrifft insbesonde-re den „Verbrennungsgrad“ und die Parallelität der Schnittkante. Aufgrund der niedrigeren Schmelz-temperatur des PUR-Schaums, im Vergleich zu den Deckmateria lien und Trägerschichten, wird die Zwischenschicht im Schnittspalt stärker abgetragen bzw. schmilzt im Vergleich zur Trägerschicht weiter zurück.

Besonders vorteilhaft lassen sich Laserstrahlver-fahren für die Bearbeitung von Verbundmaterialien einsetzen, die ähnlich aufgebaut sind wie Verbund-werkstoff mit Material 4 (Tabelle 9.7). Entscheidend ist hier, dass durch die thermische Wirkung des La-serstrahlverfahrens eine abgeschmolzene Kante der textilen Deckschicht erzielt werden kann.

Im Gegensatz dazu kommt es bei den mechani-schen Verfahren zu einer Zerstörung der textilen Struktur in der Bearbeitungszone. Bild  9.26 illus-triert typische Deckschichtstrukturen nach dem Trennen mit einem mechanischen Verfahren, dem Wasserstrahlverfahren und dem Laserstrahlverfah-ren /Blie1999/.

Diese positive thermische Beeinflussung der Fasern durch die Laserstrahlung wird ebenfalls für den Zuschnitt von Gewebe- und Stoffmaterialien im textilen Bereich angewendet.

Neben den unterschiedlichen Bearbeitungs-qualitäten sind auch unterschiedliche Vorschubge-schwindigkeiten mit den drei gegenüber gestellten Verfahren erreichbar. Bild  9.27 stellt die Bearbei-tungsgeschwindigkeit der einzelnen Verfahren für unterschiedliche Materialstärken dar.

Bei vergleichbaren Kantenqualitäten der Zwi-schen- und Trägerschicht lassen sich mit dem La-

serstrahlverfahren im Dickenbereich zwischen 5 und 15 mm wesentlich höhere Vorschubgeschwin-digkeiten erzielen. Trotz stärkerer Abnahme der Vorschubgeschwindigkeit mit zunehmender Mate-rialstärke liegt die Endgeschwindigkeit bei maxima-len Materialstärken noch höher als bei den konkur-rierenden Verfahren.

Mit der Lasertechnologie werden völlig neue Anwendungen möglich, die mit anderen Verfahren und Technologien nicht ausführbar wären, wie das folgende Beispiel zeigt. Das Grundprinzip beruht auf einer sensorischen Erfassung von geschwächter Laserstrahlung. Übersteigt diese einen festgeleg-ten Schwellwert, wird der Laserprozess beendet. Diese Methode wendet man für definierte Tiefen-schnitte oder Mikroperforation zur Erzeugung

a) b) c)

Bild 9.26 Fotografische Darstellungen der bearbeiteten Deckflächenstrukturen, Material 4. a) gefräst, b) Wasser-strahl geschnitten, c) Laserstrahl geschnitten

Bild 9.27 Vorschubgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Materialstärke, Material 4

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von Sollbruchstellen für den integrierten Airbag an /Preu2000/.

Bild 9.28 b veranschaulicht schematisch das Bei-spiel einer Sollbruchstelle. Der Laserstrahl dringt von der Trägerschichtseite in den Verbund ein und schwächt das Material bis zu einer Restwand-stärke in der Deckschicht. Von der Rückseite der Deckschicht (Fahrgastinnenraum) sind die Mikro-bohrungen nicht zu sehen. Die erforderliche Rest-wandstärke wird in erster Linie durch das Material und die Öffnungskraft des Airbags bestimmt. Sehr genau kann diese über den integrierten Sensor so-wie den Regelkreis zur Lasersteuerung im Prozess eingestellt werden. Der Schwellwert zum Beenden des Perforationsvorganges wird so angepasst, dass

der Laserstrahl die Deckschicht nicht vollständig durchtrennt. Bild 9.28 a illustriert die Anordnung Bearbeitungskopf, Werkstück und Sensoreinheit.

Ein sehr geringer Teil der Laserstrahlung (die Amplitude ist abhängig von der Restwandstärke) passiert aber die teiltransparente Deckschicht und trifft auf den Sensor. Das detektierte Spannungssig-nal wird ausgewertet und zur Steuerung des Lasers verwendet /Preu2000/. Die Sollbruchstelle wird durch eine Vielzahl von Mikrobohrungen gebildet (etwa 1 500 Löcher). Für ein sicheres Austreten des Airbags sind neben der Restwandstärke auch der Perforationslochabstand und die Bohrungsform in-teressant. Durch die Relativbewegung zwischen La-serstrahl und Bauteil entsteht ein Bohrloch der Form

a) b) c)

Bild 9.28 Prinzipdarstellung der Airbagmikroperforation. a) Bearbeitungsanordnung, b) Prinzip Sollbruchstelle, c) Bohrungsgeometrie

Bohrung Restwandstärke [mm]1 0,1192 0,0913 0,1004 0,109

18 1,5875 0,1096 0,0917 0,1198 0,1009 0,082

Bild 9.29 Querschnitt einer Airbagperforation, Materialdicke: 3,5 mm /Jenoptik2011-2/

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wie in Bild 9.28 c gezeigt. Aus Sicherheitsgründen ist eine 100 %ige Kontrolle erforderlich, d. h., zu je-dem einzelnen Perforationsloch lässt sich eine qua-litative Aussage treffen. Bild  9.29 veranschaulicht einen Querschnittsauszug einer Perforationslinie und verdeutlicht die engen erreichbaren Toleranz-werte der Restwandstärke (das Bohrloch  18 stellt eine Kontrollbohrung dar). Faserverbundwerkstoffe (FVK) sind aufgrund ihrer hervorragenden Leicht-baukennwerte als moderne Funktionswerkstoffe für eine Reihe von Anwendungen außerordentlich interessant. Der große Vorteil dieser Werkstoffgrup-pe – die große Variationsvielfalt bei der Herstellung und Gestaltung solcher Verbunde  – eröffnet die Möglichkeit der Fertigung von maßgeschneiderten Bauteilen und -gruppen. Dieser Werkstoffvorteil er-fordert aber oftmals die Anwendung von modernen, flexiblen Schneidverfahren, um die Bearbeitung der Halbzeuge und die Finishbearbeitung der Bau-teile qualitätsgerecht vornehmen zu können. Mit der Lasertechnik steht dem Anwender ein flexib-les Bearbeitungsverfahren zur Verfügung, das ihm die Möglichkeit bietet, an verschiedenen Stufen der FVK-Herstellung diese Technik bspw. zum Schnei-den, Bohren oder partiellen Aushärten einzusetzen. Der Laser ist somit bei folgenden Prozessstufen ein-setzbar: � Zuschnitt von Fadenhalbzeugen, � Zuschnitt von vorgetränkten Faserhalbzeugen

(Prepregs), � Bearbeitung von ausgehärteten Halbzeugen und � Finishbearbeitung von FVK-Bauteilen.

Notwendigerweise müssen jedoch die Laser- und Prozessparameter für die genannten Prozessstufen verschieden spezifiziert werden.

Tabelle  9.8 stellt wichtige Parameter für ausge-wählte Faserhalbzeuge (Gewebe) und die erreichba-ren Trennergebnisse vor. Aufgrund der spezifischen Schmelz- (Ts) und Zersetzungstemperaturen (Tz) müssen unterschiedliche Laserparameter eingesetzt werden. Das Trennen von C-Fasergeweben (C – Koh-lenstoff, Tz = 3 600 °C) verlangt wesentlich höhere Streckenenergien als bspw. G-Fasergewebe (G – Glas, Ts = 1 300 °C) oder Aramidgewebe (Ts = 550 °C).

Das Zuschneiden von Fasergeweben kann so-wohl im Einlagenschnitt als auch im Mehrlagen-schnitt erfolgen. Die Anzahl der trennbaren Lagen richtet sich nach der verfügbaren Leistung sowie der tolerierbaren Kantenqualität. Die hohen Prozess-temperaturen für C-Fasergewebe erfordern Laser-leistungen im kW-Bereich, um mehr als zehn Gewe-belagen sicher und in einer akzeptablen Prozesszeit vollständig trennen zu können. Bild 9.30 zeigt die Trennergebnisse für das Laserstrahlschneiden von C- und G-Fasergeweben. Mit einer CO2-Laserleis-tung von 1,5 kW können für den Einlagenschnitt (C-Faser) typische Vorschubgeschwindigkeiten von 2 m ∙ min−1 erzielt werden. Für G-Fasern liegen die erreichbaren Geschwindigkeiten deutlich darüber.

Die in Bild  9.30 dargestellten REM-Aufnahmen der Faserschnittflächen illustrieren die Faserstruk-tur nach dem Trennprozess. Während die Fasern im Einlagenschnitt einzeln getrennt vorliegen, erfolgt bei dem Mehrlagenschnitt eine geometrische Um-formung und Glättung der Schnittfläche. Durch den

Tabelle 9.8 Ausgewählte lasertrennbare Faserhalbzeuge

Fadenhalbzeug Schmelz- oder Zersetzungs-temperatur (°C)

Wärmeleit-fähigkeit (W · m−1 · K−1)

Spezifische Wärme (kJ · kg−1 · K−1)

Einlagenschnitt Mehrlagen-schnitt (max. Anzahl)

C-Faser-(HT)-Gewebe

3 600 30 0,7 trennbar mit leich-ten Ausfaserungen

20

E-Glas-Gewebe 1 300 0,8 0,7 gut trennbar 25Aramid-Gewebe 550 0,13 1,2 gut trennbar 25Kombinierter Ver-bund (C-G-G-C-V)

3 600 / 1 300 30 / 0,8 0,7 trennbar mit partiel-lem Verschmelzen

6 (6mal: C-G-G-C-V)

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anteiligen Prozesssauerstoff kommt es bei hohen Temperaturen zu einer Umwandlung der kristalli-nen Kohlenstoffstruktur in eine amorphe Phase. Die Faserenden erhalten gleichzeitig eine Lagefixierung und sind leicht (aber wieder trennbar) verbunden. Bild 9.31 illustriert einen C-Faserzuschnitt für Hal-terungselemente mit einer Lagenzahl von  15. Das leichte Verschmelzen der Faserenden verhindert gleichzeitig ein Ausfasern des Gewebezuschnittes.

Das Laserstrahlschneidverfahren wird auch für die Preformbearbeitung sowie die Bearbeitung von ausgehärteten FVK-Halbzeugen eingesetzt. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Werkstoff-parameter von Faser und Matrix (Epoxidharz, Polyesterharz, ...) müssen speziell angepasste Verfahrensparameter verwendet werden. Die Mat-rixkomponente des Verbundes neigt zum Verbren-nen bzw. zum Rückschmelzen gegenüber dem Fa-sermaterial. Durch eine Kantenkühlung im Prozess (spezielle Gasführung oder ein Gas-Wassergemisch) kann dieser Wechselwirkungserscheinung ent-gegen gewirkt werden. In Bild  9.32 sind exempla-risch Halbzeugzuschnitte, die mit dem Laserstrahl getrennt wurden, dargestellt. Die qualitätsgerecht

a)

b)

c)

Leistung: 1 500 WVorschub: 1 m ∙ min−1

Prozessgas: DruckluftGasdruck: 1 barFokuslage: 0

Bild 9.30 Ergebnisse des CFK-Lagenschneidens /Blie2000/. a) Abhängigkeit der Trennge-schwindigkeit von der Lagenzahl, b) Trennkante – 20 Lagen, c) Trennkante – 1 Lage

Beispiel: HalterungselementMaterial: C-Faser-GewebeAbmessung: (200 × 100) mm2

Lagenanzahl: 15Laserleistung: 1 500 WGeschwindigkeit: 750 mm ∙ min−1

Bild 9.31 Trennen eines C-Faser-Gewebes (15 Lagen) /Blie2000/

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen474

trennbaren Materialstärken sind aufgrund der vor-stehend genannten Effekte eingeschränkt und lie-gen typischerweise zwischen 2 – 5 mm. Abhängig sind diese auch von dem jeweiligen prozentualen Anteil der Fasern am Verbund sowie dem verwende-ten Matrixwerkstoff.

Minimieren kann man den thermischen Einfluss durch die Verwendung von UV-Laserstrahlung. Auf-grund der direkten Zersetzung des Materials wird die Ausbildung einer Schmelze weitestgehend ver-hindert. Dadurch können, entsprechend dem Ab-tragsmodell (vgl. Kapitel 5.4), wesentlich präzisere Konturen getrennt und Delaminationserscheinun-gen im Verbund nahezu vollständig verhindert wer-den. Ein wichtiges Einsatzgebiet ist das Schneiden und Konturieren in der Leiterplattenfertigung. Mit

dem UV-Laser können verschiedene Materialien, insbesondere flexible Leiterplatten, FR4-Multilayer, Keramik und LTCC (Low Temperature Co-fired Ce-ramics) bis zu einer Materialdicke von 1 mm qua-litätsgerecht getrennt werden /lasermicronics2012/.

Interessant ist auch, dass aufgrund der Abtrags-verhältnisse bei kurzen Wellenlängen am Verbund beteiligte Materialien mit sehr unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften sehr präzise durchtrennt werden können. Das Beispiel in Bild 9.33 ver-anschaulicht dies an einem vollständigen Kon-turschnitt einer starr-flexiblen Leiterplatte. Die REM-Aufnahme einer Schnittkante zeigt die hohe Schnittkantenqualität sowohl für den Kupferleiter als auch für den polymeren Träger. Verwendung finden frequenzverdreifachte Nd:YAG-Laser mit

a) b) c)

Bild 9.32 Anwendungsbeispiele zum Laserstrahlschneiden von FVK-Halbzeugen. a) Sensorgehäuse (GFK), b) Chop-perscheibe (CFK), c) Radialverdichter (CFK)

a) b)Bild 9.33 Starr-flexible Leiterplatte /LaserMicronics2012/. a) vollständiger Konturschnitt, b) REM-Darstellung einer Schnittkante

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9.3 Laserstrahltrennen 475

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einer Wellenlänge von 355  nm in Verbindung mit präzisen Scan- und Tischsystemen. Das Erreichen von senkrechten Schnittkanten erfordert zumeist den Einsatz telezentrischer Scanobjektive (vgl. Ka-pitel 6) /lasermicronics2012/.

9.3.5 Schadstoffemissionen

Bei allen Vorteilen, welche die Laserbearbeitung von Kunststoffen und Verbundwerkstoffen gegen-über herkömmlichen Verfahren mit sich bringt, muss beachtet werden, dass während der Bearbei-tung Reaktionen in den Materialien ausgelöst wer-den, die zur Emission teilweise hochgiftiger Gase und Dämpfe führen können (Bild  9.34). Alle klas-sischen Polymere werden unter dem Einfluss der hohen Temperatur des Laserstrahls depolymerisiert und fragmentiert, sodass Monomere und kurzketti-ge Bruchstücke freigesetzt werden. Diese Moleküle können mit dem Sauerstoff der Luft unter Bildung von Schadstoffen wie Formaldehyd oder Acetylalde-hyd partiell weiteroxidieren oder wieder zu Oligo-meren rekombinieren, wobei polyzyklische konden-sierte Aromaten oder klebrige bzw. pastöse Stoffe unbekannter Zusammensetzung entstehen. Welche der Reaktionen bevorzugt stattfindet, ist abhängig vom Material und den Bearbeitungsbedingungen. Um einen optimalen, stabilen und umweltverträg-

lichen Bearbeitungsprozess zu gewährleisten, sind eine angepasste Prozessführung sowie die Separie-rung und Behandlung der entstehenden Schadstoffe erforderlich. Folgende Anforderungen müssen an das Separierungssystem gestellt werden: � Erfassung der Schadstoffe nahe am Bearbei-

tungsort, � hohe Abbauraten, � Separieren und Behandeln grober Partikel bis

hin zu Gasen und � gute Integrationsmöglichkeit in Laseranlagen.

Die Absaugung der Schadstoffe über herkömmliche Filteranlagen, wie sie für metallische Werkstoffe genutzt werden, ist in vielen Fällen unzureichend. Die Filtertechnik wird aus diesem Grund speziell für die Kunststoffbearbeitung ausgelegt. Dabei kom-men spezielle Aktivkohlefilter zum Einsatz, die die Schadstoffe zurückhalten. Häufig wird ein Vorfilter mit einer Additiv-Dosierung (Precoatiermaterial) zusätzlich vorgesehen. Diese Maßnahme verhindert ein schnelles Verkleben und Zusetzen des einge-setzten Filtermaterials.

Eine weitere mögliche Lösungsvariante besteht in der Anwendung eines katalytischen, regenera-tiven Abgasreinigungssystems. Das Prinzip dieses Systems beruht auf der katalytischen Oxidation der Schadstoffe in zwei im Regenerativverfahren betrie-benen Reaktoren. Die somit gereinigte Abluft kann

Bild 9.34 Schematische Darstellung der Reaktionswege bei der LMB von Kunstoffen und Kunststoffverbunden /Blie2000/

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen476

problemlos wieder in den Luftkreislauf zurückge-führt werden. Mit diesem katalytischen Abgasreini-gungssystem sind bei einigen Kunststoffen Abbau-raten bis 95 % erreichbar /Blie2000/.

Die auftretenden Schadstoffe sollten so nah wie möglich an der Entstehungsstelle erfasst werden. Mit sogenannten Lokalabsaugungen, die mit einer Luftströmung von 75 – 300 m3 ∙ h−1 betrieben wer-den, können bis zu 90 % der freigesetzten Schadstof-fe abgesaugt bzw. erfasst werden.

Wichtig für das Bearbeiten von polymeren Ver-bundwerkstoffen ist die Nutzung einer geschlosse-nen Schneidkabine, um Bediener und Umwelt wei-testgehend zu schützen. Typisch für das Schneiden von Verbundwerkstoffen mit einer PVC-Komponen-te ist der hohe Schadstoffanteil an Salzsäure. Diese Schadstoffkomponente muss auf jeden Fall bei der Konstruktion der geschlossenen Laserschneidkabi-ne Berücksichtigung finden, da für die meisten Kon-struktionswerkstoffe ein sehr schneller Korrosions-vorgang einsetzt.

Für den Anwender ist wichtig, die durch den Ge-setzgeber vorgegebenen Arbeitsplatzgrenzwerte mit dem Betrieb der Laseranlage für die Kunststoff-bearbeitung einzuhalten /baua2012/.

9.4 BeschriftenDas Laserstrahlbeschriften hat für Kunststoffe die größte Anwendungsbreite erzielen können. Prin-zipiell kommen dieselben Laserstrahlungsquellen und -systeme zum Einsatz, wie in Kapitel 7.3 aus-geführt. In Ergänzung zu diesem Abschnitt werden nachfolgend einige Verfahrensbesonderheiten und Anwendungsbeispiele für diese Werkstoffgruppe näher diskutiert.

Das Laserbeschriften und -markieren von Kunst-stoffen basiert prinzipiell auf drei verschiedenen Effekten: � Abtragen des Grundmaterials oder einer Ober-

flächenschicht, � Erhitzen des Polymermaterials und Farbum-

schlag durch Karbonisierung (dunkler Kontrast) oder Aufschäumen (heller Kontrast) und

� Erwärmung von Zusatzwerkstoffen und chemi-sche Reaktion dieser Zusatzwerkstoffe.

Beim Abtragen des Grundmaterials, auch als Gravieren bezeichnet, wird das Material durch Ver-dampfen partiell entfernt. Die typischen Abtrags-tiefen betragen 100 – 500 μm. Für diesen Prozess muss eine ausreichend hohe Absorption des Laser-lichts im Grundmaterial gewährleistet sein, sodass die Absorption innerhalb der ersten  μm erfolgt. Für undotierte Kunststoffe werden in der Regel CO2-Laser und UV-Laser eingesetzt, da bei diesen Wellenlängen eine gute Absorption der meisten Kunststoffe vorliegt. Bei beschichteten Kunststof-fen absorbiert die Deckschicht den Laserstrahl, während das Grundmaterial transparent oder teil-transparent ist. Je größer das Verhältnis Absorp-tion zu Transparenz (bzw. nicht absorbierend) der Materialien ist, desto größer ist die Selektivität des Beschriftungsprozesses. Dadurch kann die Deck-schicht selektiv abgetragen und ein entsprechender Farbeffekt erzielt werden. Beispiele hierfür sind be-schriftete Klebefolien oder sogenannte Tag-&-Nacht-Designs, wie sie in Automobilinnenräumen und bei Handy-Tastaturen vorkommen (vgl. Kapitel 7.3). Für den Abtrag der Deckschicht setzt man meist gü-tegeschaltete FK-Laser mit Pulsdauern im Bereich von 100 ns ein. Damit lässt sich der Wärmeeintrag in das Grundmaterial auf ein Minimum begrenzen. Typische Schichtstärken der Deckschicht betragen 20 – 100 μm.

Um höhere Kontraste zu erzielen, wird das Be-schriftungsverfahren auf der Grundlage des Far-bumschlages in Kunststoffmaterialien angewendet. Dafür lassen sich ein entsprechender Tiefeneffekt und eine Volumenabsorption im Kunststoff nutzen. Entsprechend dem verwendeten Kunststoff, der La-serleistung sowie der Pulsdauer können zwei ver-schiedene Farbeffekte erzeugt werden: � ein heller Farbumschlag resultierend durch

Aufschäumen (die beschriftete Polymermatrix streut das sichtbare Licht); Farbumschlagtiefe und -höhe etwa 500 μm,

� ein dunkler Farbumschlag resultierend durch Karbonisierung (die Polymerstruktur wird beim Beschriftungsprozess lokal zerstört, be-stimmte Inhaltsstoffe wie Ruß verursachen eine dunkle Verfärbung); Karbonisierungstiefe: 20 – 100 μm.

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9.4 Beschriften 477

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Eingesetzt werden für diese Beschriftungsmethode CO2- und gütegeschaltete Nd:YAG-Laser. Das Erzie-len beliebiger Grautöne mit hohen Kontrastwerten, wie sie bei der Erstellung personalisierter ID-Karten benötigt werden (vgl. Kapitel 7.3), setzt bestimmte Systemanforderungen und Technologien voraus. Verwendet werden Nd:YVO4-Laser mit kurzen Pul-sen im Bereich kleiner 20 ns /Rofin2004/.

Ob ein Aufschäumen oder ein Karbonisieren stattfindet, ist sehr häufig von dem verwendeten Polymer abhängig. In Tabelle 9.9 sind ausgewählte Kunststoffe und ihre prinzipielle Farbgebung für die Nd:YAG-Laserwechselwirkung dargestellt.

Für sehr hohe Beschriftungskontraste werden dem Kunststoff funktionelle Additive gezielt zuge-setzt. Diese absorbieren den Laserstrahl direkt und können einen Farbumschlag auslösen oder unter-stützen. Im ersten Fall findet die Farbgebung im Additiv statt und weniger bzw. gar nicht in der Po-lymermatrix. Im Ergebnis lassen sich sehr kontrast-reiche Beschriftungen erzielen. Man spricht hierbei auch von intrinsischen Markiersystemen, d. h., sie reagieren unabhängig vom umliegenden Polymer. Die zugemischte Menge beträgt in etwa 0,3 – 0,5 % Gewichtsanteile. Additive können aber auch in Form von anorganischen Pigmenten in die Polymermatrix eingebettet werden und unterstützen den Farbum-schlag im Polymer. /merck2012/ Der Gewichtsanteil beträgt ebenfalls etwa 0,3 – 0,5 %. Die Laseradditive erhöhen dabei nicht nur die thermische Wirkung auf den Kunststoff sondern verstärken auch den erreichbaren Kontrast. Eine Reihe von Kunststof-fen wird erst durch diese Zusätze beschriftbar. Für FK- und CO2-Laser sind kommerziell verschiedene Laseradditive verfügbar. Wesentliche Unterschei-dungsmerkmale sind in ihrer chemischen Struktur und Eigenfarbe gegeben.

Relativ hohe Eindringtiefen der Laserstrahlung bzw. der Farbgebung ermöglichen eine hohe Bestän-digkeit und Abriebfestigkeit der Beschriftung. Ein seit mehreren Jahren erfolgreich eingeführtes Bei-

spiel für stark beanspruchte beschriftete Flächen ist die Kennzeichnung der Computertastaturen (vgl. Bild 9.35). In /BASF1998/ wurden Untersuchungen durchgeführt, um die Verschleißfähigkeit solcher Tastenelemente zu prüfen. Selbst nach 105 Reibzyk-len, die den Finger und Fingernagel simulieren, ist noch eine hohe Beständigkeit der Beschriftung ge-geben.

Die Kunststoffmaterialien bestehen neben der Polymermatrix aus einer Reihe von Inhaltsstoffen, die den Laserprozess z. T. beeinflussen. Eine Über-sicht zu diesen sowie deren Wirkung auf das Be-schriftungsresultat sind in Tabelle 9.10 zusammen-gestellt.

Zwei Beispiele für die in Tabelle 9.10 vorgestell-ten Wirkungen illustrieren die REM-Aufnahmen in Bild 9.36. Im linken Beispiel handelt es sich um ein Polyamid, das in der Polymermatrix (natur) nicht laserbeschriftbar wäre. Durch die schwarze Einfär-bung des Grundmaterials kann ein Farbumschlag durch den beschriebenen Aufschäumeffekt erzielt werden. Die helle und kontrastreiche Beschriftung zeigt eine leicht erhabene Oberflächenstruktur in der REM-Darstellung. In der rechten Darstellung erfolgte die Beschriftung an einem flammgeschütz-ten, schwarz eingefärbten Polyamid mit Glasfa-sern ohne Farbumschlag und einem Abtrag durch Gravur. Die Darstellungen veranschaulichen die

Bild 9.35 Beschriftungsbeispiel mit Additiven

Tabelle 9.9 Farbänderungen in ausgewählten Kunststoffen (λ = 1,06 μm) /merck2012/

TPE PC PS PET ABS PBT PE PP POM PAAufschäumenKarbonisieren

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen478

Tabelle 9.10 Inhaltsstoffe der Polymermatrix und deren Wirkung auf die Beschriftung /merck2012/

Inhaltsstoffe Beispiele WirkungWeiße Pigmente � Titanoxid

� Zinksulfid � Calciumcarbonat

� geringe Mengen förderlich � hohe Konzentration bedingt negative

Beeinflussung (hohe Lichtstreuung)

Schwarze Pigmente � Ruß � Graphit � Eisenoxid

� hohe Konzentration führt zur Überhitzung, Aufschäumung oder Zersetzung (sehr starke Absorption)

Glasfasern / Glaskügelchen � – � kein oder geringer Einfluss

Kohlefasern / Kohleflakes � – � sehr hohe Absorption � hohe Konzentration führt zur Überhitzung,

Aufschäumung oder Zersetzung (sehr starke Absorption)

Mineralien � Talkum � Ton

� können Aufschäumreaktionen auslösen � erhöhte Reflexionen können zu blassen

Markierungen führen

Flammschutzmittel � halogenbasierend � phosphorbasierend � ATH, MgOH, MeCy

� negativer Einfluss

Sonstige Additive � UV-Absorber � Antioxidationsmittel � Verarbeitungshilfsmittel � Formentrennmittel

� können IR-Absorption beeinflussen, Ein-fluss aber meist vernachlässigbar

a) b)

Bild 9.36 REM-Aufnahmen unterschiedlicher Beschriftungen des Kunststoffes Ultramid /BASF2011/. a) schwarz eingefärbt – Aufschäumen, b) flammgeschützt, schwarz eingefärbt mit Glasfaseranteil – Gravur

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9.4 Beschriften 479

9

Verfahrensvariationen in Abhängigkeit von eigen-schaftsändernden Zusätzen. Oftmals ist eine Testbe-schriftung erforderlich, um die Beschriftungspara-meter zu optimieren bzw. bewerten zu können.

Wichtige Bewertungskriterien für Kunststoff-oberflächen sind: � Kontrast, � Homogenität, � Konturschärfe und � Oberflächenqualität.

Der Kontrast wird durch folgende Beziehung be-schrieben:

(9.1)

L Leuchtdichte

Letztendlich stellt sich der Kontrast als Verhältnis der Leuchtdichten  L von Untergrund zur Schrift dar. Für helle Untergründe und dunkler Schrift sind Kontrastwerte von 8 – 10 und für den umge-kehrten Fall bis 60 erzielbar /BASF1998/. Um hohe Kontrastwerte und Konturschärfen zu realisieren, ist neben den Fokusparametern auch die Impuls-dichte in Abhängigkeit von der Impulsfrequenz und der Beschriftungsgeschwindigkeit ein wichtiger Prozessparameter. Die Impulsdichte ist in Bild 9.37 für einen Fokusdurchmesser von 100 μm und unter-schiedliche Beschriftungsgeschwindigkeiten darge- stellt. Eine gute Abstimmung des gewählten Verhält-nisses Impulsfrequenz und Geschwindigkeit ent-

KL LL L

=−+

max min

max min

scheiden maßgeblich das Bearbeitungsergebnis hin-sichtlich der erreichbaren Homogenität. Neben dem Punktdurchmesser (dP) und dem Punktabstand (sP) stellen auch die Punktdichte (dP  / sP) sowie die Punktintensität wichtige Einflussgrößen auf den erreichbaren Kontrast dar. Vielfach muss eine Opti-mierung an der realen Kunststoffoberfläche in Form einer Parametermatrix (vgl. Kapitel  7.3) durchge-führt werden.

Bild 9.38 b illustriert Anwendungsbeispiele für den Farbumschlag mit jeweiligen Laseradditiven. In Bild 9.38 a ist ein feuchteresistentes Kunststoff-gehäuseteil zur Aufnahme einer ESP-Steuerung dargestellt. Dieser PBT-Kunststoff ist neben der sehr

Bild 9.37 Einflussparameter auf die erreichbare Punkt-dichte /BASF1998/

a) b)

Bild 9.38 Beschriftungsbeispiele mit Laseradditiven. a) ESP-Steuerung mit Gehäuseteilen (Ultra-dur) /BASF2011/, b) Polymere mit Laseradditiven micabs /Merck2009/

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen480

kontrastreichen Laserbeschriftung auch für das Laserdurchstrahlschweißen geeignet. Damit kön-nen in der Anwendung der illustrierten Baugruppe beide Laserverfahren effektiv angewendet werden /BASF2011/.

9.5 Abtragen und Strukturieren

Die im Kapitel  5 beschriebenen Abtragsmodelle lassen sich auch für die Kunststoffbearbeitung an-wenden. Für das Abtragen und Strukturieren von Kunststoffe kommen, aufgrund des sehr guten Ab-sorptionsverhaltens, Excimer- und CO2-Laser zum Einsatz. Die Wechselwirkungsmechanismen lassen sich in drei Gruppen unterteilen:1. Polymerablation,2. Schmelzabtragen und3. Abtragen durch Verdampfen.

In der Regel sind die Bearbeitungsverfahren zum Abtragen und Strukturieren Verfahren mit sehr ho-hen Präzisionsanforderungen oder Hochgeschwin-digkeitsprozesse. Aus diesem Grund finden vorwie-gend die Scan- oder Maskenverfahren Verwendung.

Bei der Polymerablation wird die hohe Photo-nenenergie von UV-Laserquellen genutzt, um die Polymerketten aufzubrechen. Innerhalb weniger

Nanosekunden werden sehr hohe Photonenener-gien von etwa 5  eV in die Kunststoffoberfläche eingekoppelt. Durch die geringen Absorptionslän-gen wird die auftreffende Strahlung vollständig im oberflächennahen Bereich absorbiert. Es kommt dabei zu einem hohen Druckanstieg, sodass die auf-gebrochenen Polymerketten sich mit einer hohen kinetischen Energie von der Werkstückoberfläche wegbewegen und teilweise ionisieren. Es reichen be-reits Fluenzen von wenigen J ∙ cm−2 aus, um die Ab-lationsschwellen der Kunststoffe zu erreichen. Eine thermische Belastung des Restmateriales bleibt aufgrund der geringen Eindringtiefe nahezu aus, weshalb auch oft von einem sogenannten „kalten Abtrag“ gesprochen wird. Durch die sehr geringen Fokusdurchmesser im kurzen Wellenlängenbereich (193 – 351 nm) können extrem hohe Auflösungen erreicht werden. Ein sehr wichtiges Einsatzgebiet sind lithografische Prozesse (LIGA), die diese hohen Auflösungsvermögen erfordern. In der Anwendung des LIGA-Verfahrens werden Photoresiste auf Sili-zium- oder Glaswafern strukturiert. Ein Beispiel des Laserstrukturierens mit Excimerlaserstrahlung veranschaulicht Bild  9.39. Hier wurde eine Gitter-struktur in eine mit Photoresist belackte Quarzglas-faserstirnfläche eingebracht /Jaue2006/.

Für die meisten Abtragsprozesse muss eine Vielzahl von Impulsen von der Kunststoffoberfläche absorbiert werden, um zwei- und dreidimensionale Abtragsstrukturen in den Polymeren zu erzielen.

a) b)

Bild 9.39 Gekreuzte Belichtung einer LLF-Stirnfläche /Jaue2006/. a) Übersicht, b) Ausschnitt aus dem Kernbereich

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9.5 Abtragen und Strukturieren 481

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Die wechselwirkenden Volumenanteile werden erwärmt und erreichen nach sehr kurzer Zeit die Verdampfungstemperatur. Der Abtrag erfolgt somit zum überwiegenden Teil durch Verdampfung. In Analogie zum vorgestellten Abdampfmodell (vgl. Kapitel 5) werden hohe Abtragsqualitäten realisiert, wenn der Schmelzanteil möglichst gering bzw. nicht vorhanden ist und der Verdampfungsprozess über-wiegt. Dies kann bei den Kunststoffmaterialien auf-grund der niedrigen Verdampfungstemperatur und des geringen Wärmeleitvermögens mit gepulster Laserstrahlung und schnellen Scansystemen gut er-reicht werden.

Eine interessante Anwendung des Abtragens ist das definierte Einbringen von Isolationsfenstern im Bereich der Aufbau- und Verbindungstechnik. Damit lassen sich Konfektionierungsaufgaben für sehr kleine Leiterstrukturen berührungslos durch-führen. In Bild  9.40 ist das Bearbeitungsergebnis des präzisen Abisolierens eines teflonbeschichteten Kabelstranges dargestellt. Für die verwendete Wel-lenlänge von 248 nm liegt die Absorptionskonstante für Teflon in etwa bei 2 μm−1 und die ablatierte Ma-terialdicke pro Puls unter 1 μm. Damit lässt sich ein sehr präziser und selektiver Abtragsprozess führen /Schi2004/. Das Abtragen von polymeren Struktu-ren wird verstärkt für mikrofluidische Kanalstruk-turen eingesetzt. Die sehr kleinen strukturierbaren Kanalbreiten sind die Voraussetzung, um bspw. mikro mischende Systeme für medizintechnische Anwendungen herzustellen.

Ein sehr großes Einsatzgebiet des Abtragens und Strukturierens hat sich mit den Hochgeschwin-digkeitsanwendungen in der Verpackungsindustrie etablieren können. Die speziellen Laserverfahren

werden für folgende drei Aufgabenschwerpunkte eingesetzt:1. gezielte Mikroschwächung von Verpackungen

als Aufreißhilfe,2. Perforation von Folien und stärkeren Kunststoff-

materialien und3. Ritzen und Schneiden von Verpackungsmate-

rialien.

Verpackungsfolien sind i. d. R. Multilayerstrukturen, die aus mehreren übereinander liegenden Folien mit einer Einzeldicke von einigen 10 μm aufgebaut werden. Diese Schichten bestehen aus verschiede-nen Materialien mit jeweils unterschiedlichen Funk-tionen. Bei der Anwendung des Mikroschwächens kann die selektive Wirkung des Laserstrahles ausge-nutzt werden. Die einzelnen Folienschichten besit-zen für die gewählte Laserwellenlänge unterschied-liche Eigenschaften (Transmission, Absorption). Damit wird es möglich, dass der Laserstrahl die me-chanisch tragenden Folienlagen selektiv schwächt, ohne die Funktionalität der anderen Schichten (Licht- oder Feuchtigkeitsdichte) zu beeinträchtigen. Die Perforation von Folien der Verpackungs- und Lebensmittelindustrie lässt sich für die Verlänge-rung von Frische und Qualität verderblicher Waren einsetzen. Sind die perforierten Lochdurchmessern entsprechend klein, wird die Durchlässigkeit für Feuchtigkeit blockiert, aber gleichzeitig der Aus-tausch von Luft noch gewährleistet. Die eingesetzte Bohrtechnik zeichnet sich durch kleine Löcher aus, welche zudem durch einen Mikroschmelzrand ein-reißgesichert sind. Typische Bohrungsdurchmesser dieser Mikrolöcher betragen je nach Anwendung zwischen 50 und 130 μm. /Rohd2011/

Die Anwendungen der Verpackungsmittelindus-trie verlangen enorme Prozessgeschwindigkeiten, die eine direkte Integration der Lasertechnik in automatisierte Folientransportsysteme (Wickelma-schinen) erfordern. Bild  9.41 veranschaulicht ex-emplarisch eine Systemintegration. Sie gestattet, die Laserquelle oberhalb der Folientransporteinheit anzuordnen. Eine Strahlführung lenkt den Laser-strahl relativ einfach in das Bearbeitungsfeld. Sehr anspruchsvoll hingegen ist die Synchronisation der Lasereinheit mit den hohen Bandgeschwindigkei-ten der Folienbewegung. Die Folienstrukturierung

Bild 9.40 Abtrag von Polymerschichten von miniaturi-sierten Kabelsträngen /Schi2004/

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9 Bearbeitung von Kunst- und Verbundwerkstoffen482

erfolgt im On-the-fly-Modus. Mit der eingesetzten Lasersteuerung müssen nicht nur die zu erzeugen-den Laserstrukturen zu den Bandgeschwindigkei-ten (bis zu 800 m ∙ min−1) synchronisiert, sondern auch auf Änderungen der Bandgeschwindigkei-ten im Prozess online reagiert werden. Eingesetzt werden typischerweise scannende Systeme oder feststehende Optiken (vgl. Bild 9.41 b und  c), die

an unterschiedliche Aufgabenstellungen angepasst sind. Meist werden mehrere Laserquellen und Ab-bildungsoptiken an einer Transferlinie eingesetzt, um simultan zu arbeiten. In Tabelle 9.11 sind ver-schiedene prinzipielle Anordnungsmöglichkeiten dargestellt /Rofin2012-1/.

Die Verfahren unterscheiden sich nach der An-ordnung längs oder quer zur Bahnbewegung, der

a)

b)

c)Bild 9.41 Folientransportsystem /Rofin2012-1/. a) Gesamtansicht, b) Resonatorausgang, c) parallele Strahlanordnung

Tabelle 9.11 Anordnungsvarianten für das Strukturieren während der Bandbearbeitung /Rofin2012-1/

Anwendung Bearbeiten in Bahn-richtung

Bearbeiten quer zur Bahnrichtung

Bearbeitung in und quer zur Bahnrich-tung

Bearbeitung dicker Materialverbunde

Strahlführung / -formung

Bearbeitungskopf Scansystem Scansystem Scansystem

Laserleistungen 100 – 600 W 100 – 600 W 100 – 600 W 1 000 – 2 500 WBahngeschwin-digkeit (mate-rialabhängig)

700 m ∙ min−1 600 m ∙ min−1 600 m ∙ min−1 600 m ∙ min−1

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Flexibilität hinsichtlich der Bearbeitungskontur und dem zu realisierenden Verfahren (Ritzen, Per-forieren und / oder Schneiden). Überwiegend wer-den für diese Anwendungen CO2-Laser eingesetzt. Entsprechend der genannten Verfahren und des zu bearbeitenden Materials sind Laserleistungen in einem Bereich von 100 – 600 W erforderlich. Zum Schneiden von stärkeren Verpackungsmaterialien können auch Systeme bis zu einer maximalen Leis-tung von 2 500 W zum Einsatz kommen. Aufgrund der unterschiedlichen Absorptionsmaxima der ver-schiedenen Kunststoffmaterialien (vgl. Kapitel 9.1) wählt man für bestimmte Polymere auch ande-re Wellenlängen als die typische mit 10,6 μm aus (bspw. 10,25 und 9,35 μm). Polypropylen kann z. B. mit einer Wellenlänge von λ = 10,25 μm deutlich ef-fizienter bearbeitet werden.

Strukturierungen während der Bandbewegung führen infolge der Überlagerung der Bandbewe-gung ohne Kompensationsmaßnahmen zu einer richtungsabhängigen Skalierung der Geometrie. Mikrobohrungen weisen in diesem Fall elliptische Formen auf (vgl. Tabelle 9.12). Eingesetzte Systeme und Algorithmen erlauben die Kompensation der überlagerten Bandbewegung und führen so letzt-endlich zu kreisförmigen Mikrobohrungen. Die in Tabelle 9.12 gezeigten Ergebnisse lassen sich mit ei-ner sogenannten WMC-Technologie (Web Movement Compensation) erzielen, wobei ein Regelbereich zwischen 0  und 380 m ∙ min−1 sicher gewährleistet werden kann /Rohd2011/. In Bild 9.42 sind exem-plarisch zwei Perforationsergebnisse dargestellt. Neben den vielfältigen Anwendungen der Aufreiß-hilfen (Bild a) werden die Perforationsverfahren

Tabelle 9.12 Lochgeometrien in Abhängigkeit von der Bahngeschwindigkeit. oben – ohne Regelung, unten – mit Regelung /Rofin2012-1/

10 m ∙ min−1 50 m ∙ min−1 100 m ∙ min−1 150 m ∙ min−1 200 m ∙ min−1 250 m ∙ min−1

a) b)

Bild 9.42 Perforationsbeispiele /Rofin2012-1/. a) Aufreißhilfe, b) Dampfventil

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auch für sehr spezielle Lösungen eingesetzt, die die Vorteile der Lasertechnik ideal nutzen. Bild b illust-riert das Perforieren eines Dampfventils für Mikro-wellenverpackungen.

Das Laserstrahlstrukturieren kann auch für ein speziell entwickeltes MID-Verfahren vorteilhaft ein-gesetzt werden. Unter MID (Molded Interconnect De-vices) versteht man mechanisch-elektronische Kom-ponenten, bei denen die metallischen Leiterbahnen auf spritzgegossene oder heißgeprägte Kunststoff-

bauteile direkt aufgetragen sind. Diese innovative Technologie bietet sehr gute Designmöglichkeiten, die es erlauben, mechanische und elektrische Funk-tionen in einem Bauteil zu vereinen. Damit kann man Systemkomponenten substituieren (z. B. Weg-fall einer Leiterplatte, das Gehäuseteil übernimmt diese Funktion) oder aber Bauteile und -gruppen mi-niaturisieren. Neben den konventionellen MID-Ver-fahren (2K-Spritzgießen, Heißprägen und Lasersub-traktionsverfahren) hat sich in den letzten Jahren

Tabelle 9.13 Prozessstufen des LDS-MID /LPKF2011-2/

Kunststoffspritzgießen � Herstellen des Spritzguss-

bauteils aus einem LDS-addi-tiviertem thermoplastischen Kunststoff. (z. B. PA6/6T; PBT; LCP; PC/ABS)

Laser-Direktstrukturieren � Laserstrahlscannen der Leiter-

bahnstrukturen � partielles Verdampfen des

Polymers � Aktivieren der Metallkeime

Metallisieren der Leiterbahnen � stromloses Metallisierungsbad � Schichtfolge: Kupfer, Nickel

und Goldfinish

Aufbau- und Verbindungstechnik � Bestückung der Leitungsträger

mit elektronischen Bauelemen-ten (SMD-Technik)

� bleifreies Löten, Kleben oder Drahtbonden

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das Laser-Direktstrukturieren (LDS) sehr stark etabliert. Diese moderne Technologie basiert auf einem vierstufigen Prozess, den Tabelle 9.13 veran-schaulicht. Die Grundkörper werden in einem ers-ten Schritt im Spritzgussverfahren hergestellt. Zur Anwendung kommen thermoplastische Kunststoffe, denen ein laseraktivierbares Additiv beigemischt ist. Der eigentliche Laserprozess erfolgt in Stufe 2. Mithilfe eines schnellbewegten IR-Laserstrahles wird die oberste Polymerschicht verdampft und die aktivierbaren Metallkeime (Additive) freigelegt. Die erzeugte Struktur erfährt gleichzeitig eine Auf-rauung, die den anschließenden Metallisierungs-prozess begünstigt. Dieser selektive Laserprozess muss in der Parameterwahl so angepasst werden, dass der Polymerabtrag in der Tiefe begrenzt wird und gleichzeitig genügend Metallkeime aktiviert werden. Um einen ausreichenden Kontrast zu erzie-len, sollte der Scanwinkel 65° zum Einfallslot nicht überschreiten. /LPKF2011-3/

Die aktivierten Strukturen bilden die Grundlage für den nachfolgenden Metallisierungsprozess. Die erste leitende Schicht aus Kupfer wird durch einen chemischen Galvanisierungsprozess stromlos mit

typischen Schichtdicken von 8 μm abgeschieden. Daran schließt sich das Abscheiden einer Nickel/Phosphorschicht mit Schichtdicken von 3 – 10 μm an. Um den Aufbau- und Verbindungsprozess zu un-terstützen, finden sehr oft dünne Goldschichten von etwa 0,08 – 0,12 μm als Schichtabschluss Verwen-dung. Der finale Prozessschritt (Stufe 4) beinhaltet das Bestücken und Kontaktieren der elektrischen Bauelemente auf dem dreidimensionalen Leitungs-träger. Es können verschiedene SMD-Verbindungs-techniken (Surface Mounted Devices) zur Anwen-dung gelangen, so bspw. das bleifreie Löten, das Kleben oder das Drahtbonden.

Für das LDS-Verfahren kommen Infrarotlaser, in ihren Parametern abgestimmt auf das Laserstruktu-rieren, zum Einsatz. In Bild 9.43 ist exemplarisch ein Lasersystem dargestellt, welches für die Serienpro-duktion mit einem roboterunterstützten Handling ausgelegt ist. Um einen hohen Durchsatz zu gewähr-leisten, kann mit bis zu vier Strahlungsquellen in sieben wählbaren Positionen (sternförmige Anord-nung um das Bearbeitungsfeld) simultan gearbeitet werden. Dadurch lassen sich Zustellzeiten verrin-gern oder aber das Drehen von Bauteilen vermeiden.

a) b)

Vier Laser-köpfe in sieben möglichen Positionen

Ausgewählte ParameterWellenlänge:Laserleistung:Pulsfrequenz:Bearbeitungsraum:Scangeschwindigkeit:

1 064 nm4 × 16 Wmax. 200 kHz(130 × 130 × 50) mm3

4 m ∙ s−1

Bild 9.43 LDS-Anlage ("Fusion3D6000") und Parameter /LPKF2011-2/

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Die minimalen Strukturierungsbreiten hängen maßgeblich vom verwendeten Fokusdurchmesser ab. Standardmäßig werden mit einem Fokusdurch-messer von 2df = 65 μm minimale Leiterbahnen-breiten von 150 μm und Bahnabstände von 200 μm erreicht. Auch für diese Anwendung können Faser-laser (vgl. Kapitel  3) zum Einsatz kommen. Auf-grund der hohen Strahlqualitäten und erreichba-ren Fokusparameter dieser Laser werden minimale Strukturbreiten von 80 μm möglich.

Eine Voraussetzung für die Herstellung homo-gener Leiterbahnenstrukturen im Prozess ist die gleichmäßig verteilte Konzentration des metalloxid-haltigen Additivs im thermoplastischen Grundma-terial. Es ist eine Reihe von Kunststoffmaterialien verfügbar, die u. a. diese Voraussetzung beim Com-poundieren gut erfüllen. Neben Pocan (PBT und PET), zählen PA6/6T (teilaromatisches Polyamid auf der Basis von Ultramid), vernetzbares PBT (Polybu-tylenterephthalat), LCP (Liquid Crystal Polymer) und ein Blend aus PC/ABS zu den Standardmateria-lien. /LPKF2011-3/

Bild 9.44 zeigt einige Anwendungsbeispiele, die das hohe Potenzial dieser Lasertechnologie veranschau-lichen. Wichtige Anwendungsfelder zielen auf die Bereiche Automotiv, Informations- und Kommuni-kationstechnik sowie Medizintechnik ab.

Mit der beschriebenen Technologie lassen sich dreidimensionale Schaltungsträger in einer verkürz-ten Prozesskette und äußerst flexibel herstellen. Das LDS-Verfahren eröffnet im Vergleich zu anderen MID-Technologien auch die Möglichkeit des Rapid Prototypings, d. h. Stückzahlen von „eins“ wirtschaft-lich herzustellen. Dieser speziellen Anwendung liegt die Idee zugrunde, eine direkte Laserstrukturierung auf generativ erzeugten Prototypen vorzunehmen. Ausgangspunkt sind 3D-Kunststoffteile, die mit den in Kapitel 7.8 beschriebenen generativen Verfahren hergestellt werden können. Um die laseraktivierba-ren Additive für den Prozess bereitzustellen, wird ein spezieller Lack von etwa 30 – 40 μm Schicht-dicke auf die Kunststoffoberfläche aufgetragen. Die restlichen Prozessschritte erfolgen in Analogie zum vorstehend beschriebenen Prozess des Serien-

a) b) c)

Bild 9.44 LDS-MID Beispiele /LPKF2011-2/. a) Conti Radarsensor, b) Lenkradschalter, c) Handyantennen

Bild 9.45 Prinzipdarstellung der CNT-Aktivierung /Carbo2010/

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teiles. Der Metallisierungsprozess ist für diese fle-xible Form der Bauteilstrukturierung vereinfacht und angepasst. Die erreichbaren Schichthaftungen der so erzeugten Leiterbahnen liegen bei ähnlichen Abzugskräften wie die der LDS-Kunststoffbauteile /LPKF2011-3/.

In der Entwicklung befinden sich weitere Ver-fahren, um elektrische Leitfähigkeiten an Kunst-stoffoberflächen zu erzielen. Eine noch relativ neue Methode ist das LCA-Verfahren (Laser-Carbo-Aktiv). Es findet hier eine Leitfähigkeitsaktivierung von Kunststoffformteilen aus CNT-haltigen Polymer-blends (CNT – Carbo Nano Tubes) statt. Diese mehr-phasigen Polymerblends enthalten Matrix-disperse Phasen. Das sind Strukturen, in denen die CNTs in einer dispersen Phase (Depots) lokalisiert sind (vgl. Bild 9.45). Mit einem fokussierten Laserstrahl wird die Oberfläche eines nichtleitfähigen Kunststoffteils gescannt, um so eine ortsaufgelöste Modifikation der elektrischen Leitfähigkeit zu erreichen. Es wird an-genommen, dass durch die thermische Wirkung des Laserstrahles die CNTs aus den Depots herausgelöst werden und sich an der Oberfläche zu einer leitfä-higen Struktur verbinden. Die Leitfähigkeit wird letztendlich durch Ausbildung eines Perkolations-netzwerkes erzeugt, wobei die elektrische Leitung zwischen benachbarten Nanotubes (zwischen denen sich Polymerketten befinden) über Hopping- oder Tunnelingeffekte erfolgt. Daher ist die elektrische Leitfähigkeit in derartigen Kompositen stets gerin-ger als für die reinen leitfähigen Materialien (Maxi-mum für CNT-Gehalte < 5 Ma % etwa 0,1 S ∙ m−1). In

Bild 9.46 ist der Prozess der Strukturierung darge-stellt. Eingesetzt werden Laserstrahlungsquellen im IR-Bereich, die mit einer Laserscaneinheit gekoppelt sind. Durch die relativ geringen erforderlichen La-serleistungen sind für den Strukturierungsprozess hohe Scangeschwindigkeiten umsetzbar. Allerdings sind die erreichbaren Leitfähigkeiten geringer als bei metallischen Strukturen. Die Einsatzgebiete sind vorwiegend im Bereich der Sensorik und der Beleuchtung (LED) zu sehen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für das Abtragen und Strukturieren von Kunst-stoffen teilweise hohe Präzisionsanforderungen und minimale Wärmebelastung der Werkstücke gefor-dert werden. Es kommen entsprechend der Aufga-benstellung CO2-, Excimer- und auch FK-Laser zum Einsatz. Bei Mikrostrukturierungen finden meist UV-Laser Verwendung. Sie koppeln direkt in die elektronischen Molekülbanden der Polymere ein, ohne eine signifikante Wärmeeinflusszone zu er-zeugen. Aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge sind diese Systeme gut fokussierbar und können über Maskenabbildung Strukturen im Bereich einiger 100 nm erzeugen. Für die Anwendungen mit ho-hem Durchsatz werden meistens CO2-Laser einge-setzt. Strukturierungen mit hohem Durchsatz bei gleichzeitig hoher Präzision werden teilweise auch mit Festkörperlasern hoher Strahlqualität realisiert, wenn eine ausreichende Absorption der Polymere gegeben ist. Ein typisches Beispiel ist der Einsatz von Faserlasern für das Strukturieren von Druck-walzen.

a) b) c)

Bild 9.46 Lasersystem und Strukturen des LCA-Verfahrens /Carbo2010/. a) Lasersystem, b) Strukturierungspro-zess, c) leitfähige Strukturen

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