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1965 H. FELTKAMP, N. C. FRANKLIN, W. KRAUS und W. BRUGEL 15 Konstellationsanalyse mit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie, 111 1) ANALYSE DER NMR-SPEKTREN VON DECALOLEN UND DECALINDIOLEN-( 1.4) von HERBERT FELTKAMP, NORMAN C. FRANKLIN und WOLFGANG KRAUS, gemeinsam mit WERNER BRUGEL Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Walter Hiickel zum 70. Geburtstag gewidmet Aus dem Pharmazeutisch-Chemischen Institut der Universitat Tubingen und dem Haupt- laboratorium der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG, Ludwigshafen Eingegangen am 1. Juli 1964 Die Kernresonanzspektren aller Monodecalole und Decalindiole-(1.4) werden aufgenommen und im Hinblick auf die bevorzugte Konstellation gedeutet. Allgemein ergibt sich, daB es unmoglich ist, die Gleichgewichtskonstante von Verbindungen, deren gemeinsames Merkmal eine 1.2-Disubstitution ist, aus der chemischen Verschiebung des X-Signals zu bestimmen. Die Messung der Bandenbreite ergibt bessere Werte, die hier aber nicht immer so genau zu inter- pretieren sind wie in anderen Cyclohexan-Systemen *). Es wird ferner gezeigt, da8 die geringe Signalbreite der Methylen-Protonen nicht notwendig von raschen wechselseitigen Umwandlungen der Konstellationen herruhrt. In vorangehenden Arbeiten 1J) wurden verschiedene Methoden auf ihre Brauch- barkeit zur Bestimmung von Konfigurationen, Konstellationen und Gleichgewichts- konstanten einiger Cyclohexyl-Systeme untersucht. Wir haben nun einige dieser Verfahren auf die acht Monodecalole und die sechs Decalindiole-(l.4) angewendet. Die Ergebnisse zeigen, da13 die Messung der Bandenbreite (W) des X-Protons, das am gleichen C-Atom wie die OH-Gruppe sitzt, ein genaueres Bild vom Konstellations- gleichgewicht ergibt als die Bestimmung der chemischen Verschiebung (7) dieses X-Protons. Bei jeder dieser Methoden murj man die Werte T~ und 7, oder W, und W, be- stimmen3). Es ist nicht immer moglich, die an den konstellativ fixierten Alkoholen *) Anmerkung bei der Korrektur (26. 1. 1965) : lnzwischen konnten durch Untersuchungen an 16 stereoisomeren 2.5-Dialkyl-cyclohexanolen-( 1) die auftretenden UnregelmaBigkeiten weitgehend geklart werden. Die Kopplungskonstanten andern sich unter dem EinfluB der sterischen Anordnung anderer am Ring befindlicher Substituenten ; H. FELTKAMP und N. C. FRANKLIN, Tetrahedron [London], im Druck (1965). 1) 11. Mitteilung: H. FELTKAMP, N. C. FRANKLIN, K. D. THOMAS und W. BRUGEL, Liebigs Ann. Chem. 683, 64 (1965), voranstehend. 2) H. FELTKAMP und N. C. FRANKLIN, Liebigs. Ann. Chem. 683, 55 (1965). 3) Wir benutzen dieselbe Nomenklntur wie in den beiden vorangehenden Arbeiten 1.2).

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1965 H. FELTKAMP, N. C. FRANKLIN, W. KRAUS und W. BRUGEL 15

Konstellationsanalyse mit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie, 111 1 )

ANALYSE D E R NMR-SPEKTREN VON DECALOLEN U N D DECALINDIOLEN-( 1.4)

von HERBERT FELTKAMP, NORMAN C. FRANKLIN und WOLFGANG KRAUS, gemeinsam mit WERNER BRUGEL

Herrn Professor Dr. Dr. h . c . Walter Hiickel zum 70. Geburtstag gewidmet

Aus dem Pharmazeutisch-Chemischen Institut der Universitat Tubingen und dem Haupt- laboratorium der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG, Ludwigshafen

Eingegangen am 1. Juli 1964

Die Kernresonanzspektren aller Monodecalole und Decalindiole-(1.4) werden aufgenommen und im Hinblick auf die bevorzugte Konstellation gedeutet. Allgemein ergibt sich, daB es unmoglich ist, die Gleichgewichtskonstante von Verbindungen, deren gemeinsames Merkmal eine 1.2-Disubstitution ist, aus der chemischen Verschiebung des X-Signals zu bestimmen. Die Messung der Bandenbreite ergibt bessere Werte, die hier aber nicht immer so genau zu inter- pretieren sind wie in anderen Cyclohexan-Systemen *). Es wird ferner gezeigt, da8 die geringe Signalbreite der Methylen-Protonen nicht notwendig von raschen

wechselseitigen Umwandlungen der Konstellationen herruhrt.

In vorangehenden Arbeiten 1 J ) wurden verschiedene Methoden auf ihre Brauch- barkeit zur Bestimmung von Konfigurationen, Konstellationen und Gleichgewichts- konstanten einiger Cyclohexyl-Systeme untersucht. Wir haben nun einige dieser Verfahren auf die acht Monodecalole und die sechs Decalindiole-(l.4) angewendet. Die Ergebnisse zeigen, da13 die Messung der Bandenbreite (W) des X-Protons, das am gleichen C-Atom wie die OH-Gruppe sitzt, ein genaueres Bild vom Konstellations- gleichgewicht ergibt als die Bestimmung der chemischen Verschiebung (7) dieses X-Protons.

Bei jeder dieser Methoden murj man die Werte T~ und 7 , oder W, und W, be- stimmen3). Es ist nicht immer moglich, die an den konstellativ fixierten Alkoholen

* ) Anmerkung bei der Korrektur (26. 1 . 1965) : lnzwischen konnten durch Untersuchungen an 16 stereoisomeren 2.5-Dialkyl-cyclohexanolen-( 1) die auftretenden UnregelmaBigkeiten weitgehend geklart werden. Die Kopplungskonstanten andern sich unter dem EinfluB der sterischen Anordnung anderer am Ring befindlicher Substituenten ; H. FELTKAMP und N. C. FRANKLIN, Tetrahedron [London], im Druck (1965).

1) 11. Mitteilung: H. FELTKAMP, N. C. FRANKLIN, K. D. THOMAS und W. BRUGEL, Liebigs Ann. Chem. 683, 64 (1965), voranstehend.

2 ) H. FELTKAMP und N. C. FRANKLIN, Liebigs. Ann. Chem. 683, 55 (1965). 3) Wir benutzen dieselbe Nomenklntur wie in den beiden vorangehenden Arbeiten 1.2).

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1965 Konstellationsanalyse mit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie, 111 77

(mit trans-verkniipftem Ringsystem) erhaltenen Werte als BezugsgroBen fur die Alkohole mit labiler Konstellation (Ringe cis-verkniipft) zu verwenden. Auch wenn man Bezugswerte hat, liegt der Hauptnachteil darin, daB sich sowohl die chemische Verschiebung als auch die Bandenbreite nur schwierig exakt messen IaBt.

DIE Z-DECALOLE Die den a-Decalolen friiher4) zugeordrieten Konfigurationen und die Daten der

zugehorigen Kernresonanzspektren sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Im a-Decalol vom Schmp. 49" (1) sind die Ringe trans-verkniipft; das System ist

also starr und hat eine axiale Hydroxylgruppe. Die chemische Verschiebung des X-Protons der Verbindung I (6.277) ist die eines sterisch fixierten aquatorialen Protons (Abb. 1 a, S. 79). Dieses koppelt rnit einem benachbarten aquatorialen und zwei axialen Protonen (Fernkopplungen werden vernachlassigt) ; jedoch ist die Banden- breite (W, = 7.5 & 0.5 Hz) etwas geringer, als sie bei Benutzung bekannter Werte fur J,, und J,, zu erwarten ware. Wir folgern daraus, daB das System durch die axiale Hydroxylgruppe neben dem angegliederten Ring starker deformiert wird als bei fehlendem derartigem Substituenten. Die normalen H-C-C-H-Winkel wer- den aufgeweitet, und man erhalt andere Kopplungskonstanten als erwartet. Vielleicht ist jedoch auch die Elektronegativitat der Hydroxylgruppe fur die geringeren Kopp- lungskonstanten verantwortlichs).

Bekanntlich 1,6) beeinfluRt ein axialer Substituent in fixierteri Systemen die chemische Verschiebung der CH2-Protonen. Aus diesem Grunde ist die Bande der CH2-Pro- tonen weniger breit als bei vergleichbaren trans-verkniipften Systemen rnit aquato- rialem Substituenten.

Das entsprechende trans-verkniipfte a-Decalol vonz Schmp. 63" (11) rnit einer aqua- torialen Hydroxylgruppe zeigt diesen ,,Axial-Substituenten-Effekt" nicht, und man findet den erwarteten breiten Bandenkomplex der CHrProtonen (Abb. 1 b, S. 79). Das X-Proton (6.85 7) ist hier axial fixiert, und das beobachtete breite Resonanzsignal kommt durch Kopplung mit einem aquatorialen und zwei axialen Protonen zustande. Wiederuni ist die Bandenbreite geringer als erwartet. Da die Ringspannung hier sehr klein sein diirfte, scheint die Hydroxylgruppe die GroBe der Kopplungskonstanten zu vermindern. Die Linienbreite 1aRt sich jedoch wegen schlechter Auflosung nur schwierig genau messen.

Bei den beiden a-Decalolen mit cis-verkniipftem Ringsystem steht die Hydroxyl- gruppe entweder cis (111, Schmp. 93") oder trans (IV, Schmp. 55") zur Bindung zwischen C-8 und C-9. Die stabilsten Konstellationen des Alkohols 111 haben le.9".10e- (111 A) bzw. la.9e.10a-Substitution (111 B)7).

5 ) K. L. WILLIAMSON, J. Amer. chem. SOC. 85, 516 (1963). 6 ) N. MULLER und W. C . TOSCH, J. chem. Physics 37, 11 67 (1962). 7) Bei der hier benutzten Nomenklatur wurden alle Substituenten als axial bzw. aquatorial

in Bezug auf den Ring bezeichnet, der die Hydroxylgruppe enthalt.

78 H. FELTKAMP, N. C . FRANKLIN, W. KRAUS und W. BRUGEL Bd. 683

111 A THX I11 B . OH

HX

Wegen der geringeren sterischen Hinderung sollte die Konstellation I11 A die stabilere sein, das X-Proton folglich uberwiegend axial stehen und eine chemische Verschiebung ahnlich wie beim entsprechenden Alkohol I1 mit trans-Ringverknupfung aufweisen.

Der gemessene Wert (6.32 T) entspricht fast einem aquatorial fixierten Proton, kann also zur Bestimmung der Gleichgewichtslage der beiden Konstellationen (111 A und 111 B) nicht benutzt werden.

Es wurde schon fruher2) beobachtet, daB das X-Proton von Cyclohexanen, die ahnlich 1.2-disubstituiert sind, eine anomale chemische Verschiebung hat.

Auch aus der Bandenbreite kann man nicht auf die Gleichgewichtslage schlieRen, denn die in Frage kommenden Kopplungen weichen von denen der starren Systeme ab (Tab. 1). Man kann also die trans-verknupften Alkohole nicht als Bezugssub- stanzen zur Bestimmung von W, und We verwenden. Die CH2-Protonen erscheinen als enger Bandenkomplex (8.53 T) der Halbwertsbreite 14 Hz.

Dieses schmale Signal konnte entweder durch rasches Umklappen verschiedener Konstella- tionen zustande kommen, oder, wenn die Verbindung iiberwiegend in der Form I11 A vor- liegt, auch durch die axiale Bindung C-8 ---f C-9 verursacht werden. Temperaturerniedrigung sollte im ersteren Falle die Bande verbreitern, jedoch keinen EinfluB auf den ,,Axial-Substi- tuenten-Effekt" haben 8).

Der Alkohol ZV vom Schmp. 55" besteht ebenfalls aus zwei sich wechselseitig umwandelnden Isomeren mit le.9e. loa- (1V A) bzw. 1a.9a. 10e-Substitution (IV B) : Die Konstellation IV A muBte die stabilere sein; jedoch sollten hier die Energie-

unterschiede im Vergleich zum Alkohol 111 nicht so groR, d. h. die Konstellation IVB sollte gegenuber 111 B bevorzugt sein. Diese Vermutung wurde durch die Banden- breite des X-Protons bestatigt. Ein genauer Vergleich ist jedoch nicht moglich, da es an

8) Leider konnten wir Tieftemperaturmessungen zur Entscheidung zwischen diesen beiden Moglichkeiten nicht ausfiihren. Vielleicht ist das NMR-Spektrum von cis-Decalin wegen eines ,,Axial-Substituenten-Effekts" bei tiefen Temperaturen nicht in zwei Signale auf- gelost.

1965 Konstellationsanalvse mit Hilfe der Kernresonanzsuektroskouie. I11 79

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Abbildung 1. NMR-Spektren von Decalolen in CDC13 und von Decalindiolen-(l.4) in Deuterodimethylsulfoxyd

a : trans-a-Decalol Schmp. 49" ( I ) . - b: rrans-a-Decalol Schmp. 63" (11). - c: trans-Decalin- dioL(1.4) Schmp. 146" (IX). - d : trans-Decalindiol-(l.4) Schmp. 159-160" (X). - e) trans-

Decalindiob(l.4) Schmp. 166 - 167" (XI). - f) cis-Decalindiol-( 1.4) Schmp. 157" (XIV).

80 H. FELTKAMP, N. C. FRANKLIN, W. KRAUS und W. BRUGEL Bd. 683

geeigneten Bezugswerten fehlt. Aus dem gleichen Grunde kann die chemische Ver- schiebung des X-Protons (6.22~) nicht zur Berechnung der Gleichgewichtskonstanten herangezogen werden, denn daraus miiljte geschlossen werden, da8 es starker aquatorial als das entsprechende aquatorial fixierte Proton der trans-Verbindung I (6.27 7) ware.

DIE @-DECALOLE

Konfigurationen und Daten der Kernresonanzspektren der P-Decalole (V -VIII) finden sich ebenfalls in Tabelle 1. (S. 76).

Der Alkohol V vom Schmp. 53" hat trans-verknupfte Ringe und eine axiale Hydro- xylgruppe. Folglich ist die chemische Verschiebung des X-Protons (5.90 7) die eines fixierten aquatorialen Protons. Die geringe Bandenbreite, die durch Kopplung dieses X-Protons mit zwei benachbarten axialen und zwei aquatorialen Protonen zustande kommt, bestatigt dies. Man findet einen Wert, wie er nach der Berechnung aus den bekannten Werten J,, und J,, erwartet wird. Vermutlich ist also diese Verbindung nicht so deformiert wie das entsprechende x-Decalol I1 und zeigt daher keine so kleinen Kopplungskonstanten. Die chemische Verschiebung der CH2-Protonen weist auf einen ,,Axial-Substituenten-Effekt" hin. Daher ist die Halbwertsbreite der Bande geringer als bei dem entsprechenden aquatorialen Alkohol VI.

Der Alkohol VI vom Schmp. 75" hat ein axiales X-Proton. Die chemische Ver- schiebung (6.43 7) und die Bandenbreite (28 f 0.5 Hz) bestatigen dies.

Die stabilsten Konstellationen des Alkohols VIZ vom Schmp. 18" mit cis-verknupf- tem Ringsystem haben die Anordnung 2e.9".10e (VlI A) bzw. 2a.9e.10a (VII B):

HX

Untersuchungen am Model1 zeigen, dalj die Energieunterschiede der beiden Kon- stellationen dieser Verbindung ahnlich wie beim Cyclohexanol sein sollten. Man erwartet dementsprechend eiiie ahnliche Gleichgewichtskonstante. Aus der Banden- breite erhalten wir K = 6.0 + 1, woraus m = 0.85 f 0.2 folgt. (ANET~) findet K = 8.09 und m = 0.89.) Aus der chemischen Verschiebung ergibt sich jedoch K = 0.88 und m = 0.47, also ein groljerer Prozentsatz an Konstellation VII B. Dies ist konstellationsenergetisch schwer erklarbar.

Wahrscheinlich beeinflufit das cis-verknupfte Ringsystem die chemische Verschiebung des X-Protons, so daR man das trans-verknupfte System nicht als Bezugssubstanz nehmen kann.

9) F. A. L. ANET, J. Amer. chem. SOC. 84, 1053 (1962).

1965 Konstellationsanalyse rnit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie, 11 1 81

Beim P-Decalol vom Schmp. 105" (VIII) ist die Hydroxylgruppe cis-standig zur Bindung C-8 --z C-9. Die beiden stabilsten Konstellationen haben daher die Anord- nungen 2e.9e.10u (VIII A) bzw. 2u.9u.10e (VIII B):

OH

Die Hydroxylgruppe der Konstellation VIII B tritt in starke Wechselwirkung rnit dem Proton an C-8. Die Verbindung sollte daher hauptsachlich in der Konstellation VIII A rnit axialem X-Proton vorliegen. Die gemessene Bandenbreite (W = 26 f 1 Hz) bestatigt dies. Benutzt man wie zuvor die Signalbreiten der trans-Verbindungen als Bezugswerte, so finden wir K = 7.0 f 3.0 und damit m = 0.85 & 0.06. Die Mes- sung der chemischen Verschiebung gibt in diesem Fall K = 9.0 und m = 0.90 in Ubereinstimmung rnit der Theorie und den Werten aus den Bandenbreiten.

Warum die Ubereinstimmung hier so vie1 besser als beim cis-@-Decaloi VII ist, konnen wir nicht erklaren.

DIE DECALINDIOLE-( 1.4) Die Konfigurationen dieser Diole sind von BAUMANN und P R E L O G ~ ~ ) sowie von

HUCKEL und KRAUS 11) bereits bestimmt worden. Wir haben diese Ergebnisse bei der Zusammenstellung der Konstellationen und Kernresonanzdaten (Tab. 2) verwendet.

Das Decalindiol-( 1.4) vom Schmp. 146" (IX) hat trans-verknupfte Ringe. Beide X-Protonen absorbieren bei gleichem Feld rnit derselben Bandenbreite (1 1 i 1 Hz), sind also gleichwertig und aquatorial (Abb. 1 c, S. 79). Wir erwarteten eine Signal- breite wie beim trans-a-Decalol (I; 7.5 & 1 Hz). Die beiden axialen Hydroxylgruppen erscheinen bei gleichem Feld als Dublett (J = 4 Hz). Eine solche Aufspaltung wurde bei den Monodecalolen (in Deuterochloroform) nicht beobachtet. Da die Diole in Deutero- dimethylsulfoxyd vermessen wurden, handelt es sich hier moglicherweise urn einen Losungsmittelefl'ekt. Die groljere Signalbreite beruht dann darauf, dalj bei den Decalindiolen-( 1.4) das X-Proton rnit dem Hydroxyl-Proton koppelt.

Sind zwei axiale Substituenten vorhanden, so wird die Bandenbreite der CH2- Protonen rnit nur 8 Hz sehr schrnal. Anscheinend wird die CHz-Bande um so enger, je mehr axiale Substituenten an einem starren System stehen. Der im Ringsystem trans-verknupfte Alkohol X vom Schmp. 159-160" hat wie IX zwei gleichwertige X-Protonen (7.03 r), die nach der Bandenbreite (22 & 2 Hz) beide axial sind (Abb. 1 d, S. 79). Demnach sind die aquatorialen Hydroxylgruppen gleichwertig und erschei-

10) P. BAUMANN und V. PRELOG, Helv. chim. Acta 41, 2362 (1958). 11) W. HijCKEL und W. KRAUS, Chem. Ber. 92, 1158 (1959); 95, 233 (1962).

Liebigs Ann. Chem. Bd. 683 6

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1965 Konstellationsanalyse rnit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie, 111 83

nen bei gleichem Feld wiederum als Dublett aufgespalten (J = 5 Hz). Fur aquatoriale Hydroxylgruppen spricht auch die Breite der CHz-Protonen-Bande (7.87 - 9.23 T).

Das Kernresoiianzspektrum (Abb. 1 e, S. 79) des Decalindiols vom Schmp. 166-167" (XI) beweist eindeutig, da13 hier eine axiale und eine aquatoriale Hydroxylgruppe vorliegen. Diese erscheinen bei verschiedenem Feld (das aquatoriale OH-Proton bei 5.837, das axiale bei 5.93~) je als Dublett aufgespalten (JoH, = 5 Hz, JOHe = 6 Hz). Die zugehorigen X-Protonen erscheinen ebenfalls bei verschiedenen Feldstarken (6.55 bzw. 7.07 T). Nach den Bandenbreiten (11.5 5 0.5 und 25 + 3 Hz) ist das erstere Proton aquatorial und das letztere axial. Die chemischen Verschiebungen von axialem und aquatorialem Proton unterscheiden sich hier also um 30 Hz. Das Dublett bei 7.87 T (J = 10 Hz) konnte zu einem tertiaren Proton an der Ringver- knupfung gehoren; man sollte in diesem Fall jedoch eine hohere Aufspaltung als ein Dublett erwarten. Da man weil3 121, da13 P-standig zu einer elektronenanziehen- den Gruppe stehende CH2-Protonen bei niedrigerem Feld erscheinen konnen als P-standige CH-Gruppen, kann das Dublett auch zu dem aquatorialen Proton an C-2 oder C-3 gehoren, welches rnit dem axialen Proton am gleichen C-Atom koppelt. Die Absorption der Methylen-Protonen dieses Alkohols wird nur durch einen axialen Substituenten beeinflu&. Daher liegt die Bandenbreite zwischen denen der Alkohole IX und X.

Die Ringe des Alkohols XZZ vom Schmp. 93" sind cis-verknupft und tragen eine axiale und eine Bquatoriale Hydroxylgruppe. Die beiden stabilsten Konstellationen (XI1 A und XI1 B) verhalten sich wie Bild und Spiegelbild, sind also energiegleich. Folglich ist die Substanz ein Racemat rnit der Gleichgewichtskonstanten K = 1.

XI1 A Hx.q OH 5 - Ho;po ;x 8 XI1 B

Leider la13t sich das durch das Spektrum nicht exakt bestatigen, da die chemische Verschiebung der X-Protonen durch 1.2-Disubstitutionen beeinfluBt wird. Ferner konnen die Bandenbreiten der Diole rnit trans-Ringverknupfung nicht als Bezugs- werte fur Diole mit cis-verknupften Ringen verwendet werden. Der Signalbreite von 16 & 0.5 Hz kann man jedoch entnehmen, da13 diese Verbindung weder nur aquatoriale noch nur axiale Protonen hat. Auch die Gleichwertigkeit beider Protonen weist darauf hin, daB die Verbindung in beiden Konstellationen vorliegt. Die Bandenbreite der Methylen-Protonen ist sehr gering. Man kann jedoch nicht

12) L. M. JACKMAN, Applications of Nuclear Magnetic Resonance Spectroscopy in Organic Chemistry, Pergamon Press, London 1959.

6'

H. FELTKAMP, N. C. FRANKLIN, W. KRAUS und W. BRUGEL Bd. 683 84

entscheiden, ob hierfiir schnelles Umklappen der Konstellationen oder der axiale Substituent verantwortlich ist.

Der Alkohol XZZZ vom Schmp. 127- 128" hat ebenfalls eine axiale und eine aqua- toriale Hydroxylgruppe sowie cis-verknupfte Ringe. Er ist jedoch nach dem Modell nicht identisch mit dem eben besprochenen Alkohol XII. Wiederum sind die beiden stabilsten Konstellationen (XI11 A und XI11 B) Spiegelbilder :

HO.. 7 HX ' - H'p' ;OH

XI11 B XI11 A

Die Verbindung ist also ein Racemat niit der Gleichgewichtskonstanten K = 1 , die sich jedoch, wie bei XII, nicht genau aus dem Kernresonanzspektrum bestimmen Ial3t. Dieses ist rnit demjenigen von XI1 fast identisch, so daB alle Beobachtungen an dieser Substanz hier gleichermafien gelten.

Das Decalindiol-(1.4) vorn Schmp. 157" (XIV) hat ebenfalls cis-verkniipfte Ringe. Eine Hydroxylgruppe ist cis-standig zur benachbarten C - C-Bindung des angegliederten Rings, die zweite Hydroxylgruppe trans-standig zur entsprechenden C -C-Bindung. Die beiden moglichen Konstellationen lauten also 1".4e.9e.10u (XIV A) und la.4a.9a.10e (XIV B). Erstere ist sehr vie1 stabiler, weil in der Konstellation XIV B die axiale Hydroxylgruppe an C-4 den Protonen an C-6 und C-8 stark genahert ist.

H o . q x o H - H x p o f x OH

XIV A XIV B

- HX

6 H

Die beiden Hydroxylgruppen absorbieren bei verschiedenem Feld (Abb. 1 S. 79), weil die Verbindung wahrscheinlich in der Konstellation XLV A fixiert ist. Dann haben die beiden aquatorialen Hydroxylgruppen verschieden orientierte Substituenten an den benachbarten C-Atomen (C-9 und C-10). Es sollten also auch die X-Protonen bei verschiedenen Feldern absorbieren. Obwohl man nur einen Peak (bei 6.44 7) beob- achtet, laI3t seine groI3e Breite (28 & 2 Hz) vermuten, daB es sich hierbei um zwei nicht-aquivalente Protonen mit sehr ahnlicher cheniischer Verschiebung handelt. Daher kann man die Gleichgewichtskonstante dieser Verbindung nicht messen.

Der DEUTSCHEN FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT danken wir fur die Unterstiitzung dieser Untersuchung und dem DEPARTMENT OF SCIENTIFIC AND INDUSTRIAL RESEARCH fur die Gewahrung eines NATO-Post-doctoral-Research-Fellowship fur N. C. FRANKLIN.

1965 H. SEEBOTH, D. BARWOLFF und B. BECKER 85

BESCHREIBUNG D E R VERSUCHE Die Kernresonanzspektren wurden bei 60 MHz mit einer V ~ ~ r ~ ~ - A 6 0 - A p p a r a t u r aufge-

nommen. Fur die Decalole wurde Deuterochloroform, fur die Decalindiole-(I .4) Deutero- dimethylsulfoxyd als Losungsmittel benutzt.

Die a- und D-Decalole wurden durch Destillation getrennt und uber Derivate gereinigt13,II). Die Decalindiole- (1 .4) konnten durch Saulenchromatographie 1 1 ) und Gegenstromverteilung 1 5 )

gewonnen werden. Die Reinheit aller Decalole wurde gaschromatographisch bewiesen.

13) D. MAUCHER, Dissertation Univ. Tubingen 1960. 14) D. ROCKER, Dissertation Univ. Tubingen 1963. 15) H. FELTKAMP und W. KRAUS, Liebigs Ann. Chem. 651, 1 1 (1962).

Uber Reaktionen von Naphtholen und Naphthylaminen unter dem Einflul3 von Hydrogensulfit (BUCHERER-ReaktiOn), X*

DARSTELLUNG VON 3.4-BENZO-CARBAZOLEN U N D p-NAPHTHYLHYDRAZIN-DERIVATEN

von HELMUTEI SEEBOTH, DIETER BARWOLFH und BARBARA BECKER

Aus dem Institut fur Organische Chemie der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin-Adlershof

Eingegangen am 6. Juni 1964

Das Na-Salz der Tetralon-(2)-sulfonsaure-(4) (I) bildet mit Phenylhydrazin- Derivaten substituierte 1.2-Dihydro-3.4-benzo-carbazol-sulfonsauren-(2) (II), die sich in der Regel durch NaHS03-Abspaltung in substituierte 3.4-Benzo- carbazole (111) umwandeln lassen. Bei Verwendung von N.N-Diphenyl-hydrazin bleibt die Reaktion dagegen auf der Stufe des Diphenylhydrazons IV der Tetralon-(2)-sulfonsaure-(4) stehen. - Durch Umsetzung von Saurehydraziden mit 2-Hydroxy-naphthalin-carbonsaure-(3) in wanriger NaHSO3-Losung kann man Derivate des P-Naphthylhydrazins (z. B. VIIl und XI) bequem darstellen.

Nach BUCHERER und Mitarbeitern 1) sind 3.4-Benzo-carbazole durch Umsetzung von P-Naphtholen oder P-Naphthylaminen, deren a-Stellung unbesetzt ist, mit Phenyl- hydrazin i n waBriger NaHSO3-Losung zuganglich. Wir2J) fanden, daB bei dieser

* ) IX. Mitteilung: H . SEEBOTH und A. RIECHE, Liebigs Ann. Chern. 671, 77 (1964). I ) H. TH. BUCHERER und Mitarbeiter, J. prakt. Chem. 121 77, 403 (1908); 79, 369 (1909);

2 ) A. RIECHE und H . SEEBOTH, Liebigs Ann. Chem. 638, 81 (1960). 3) H. SEEBOTH, Monatsber. dtsch. Akad. Wiss. 3, 48 (1961).

81, I (1910).