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Datum: 11.06.2014 .1- 12' Konsens Prinzip Wohnexperiment in der Grösse eines Partizipation Stadtblocks: Ansicht von Südost über den Graben der Seebahnlinie hinweg.

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Page 1: Konsens Prinzip Partizipation - Genossenschaft Kalkbreite...2014/06/11  · 3 lTIl VJ MO I im ri _i il Mn ii1i 1 il3E_ "3 ZZ_ _IiI71 sm IBM. CIM» 1113111121111111111 IM MIZI1111111111

Datum: 11.06.2014

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Konsens PrinzipWohnexperiment in der Grösse eines

PartizipationStadtblocks: Ansicht von Südost über denGraben der Seebahnlinie hinweg.

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Datum: 11.06.2014

Mitwirkung und Professionalität: Einejunge Genossenschaft bringt dasKunststück fertig, in nur wenigenJahren eine hoch komplexe inner-städtische Überbauung mit Mischnut-zung von Grund auf zu konzipierenund geordnet zu bauen. Eine «Rueintörieure» verkörpert sinnbildlichund doch ganz konkret das Projekt,das ganz auf innere Vernetzungausgelegt ist.Caspar SchärerMartin Stollenwerk (Bilder)Jedes Bauprojekt ist eine Konsensmaschine ohneKonsens kann nicht gebaut werden. Das Herstellenvon Konsens ist kein Spaziergang, noch macht es garSpass, denn es erfordert Kompromisse, die auch we-niger erfreuliche Auswirkungen haben können. Kon-sens oder Eintracht ist also zwar eine Vorausset-zung, aber nicht notwendigerweise ein Garant für eingelungenes Bauprojekt, geschweige denn für guteArchitektur.

Beim Neubau der Genossenschaft Kalkbreite inZürich ist Konsens das konstituierende Moment desganzen Projekts und dies im Massstab eines ganzenStadtblocks mit einer Geschossfläche von annähernd23000 Quadratmetern. Eine Wohn- und Gewerbe-überbauung im Standard Minergie P-eco auf einerallseits von regelwidrigem Lärm bedrängten inner-städtischen Parzelle mit einer integrierten Einstell-

halle für Trams ist an sich schon eine ausreichend

Wohn- und Gewerbeüber-bauung Kalkbreite inZürich von Müller SigristArchitekten

anspruchsvolle Aufgabe für alle Beteiligten. Dieohnehin gesättigte Komplexität wurde hier seitensder Bauherrschaft zusätzlich angereichert, indem sieals junge Genossenschaft mit dem ausdrücklichenAnliegen einer breiten Mitwirkung ihre Mitgliedervon Anfang an in die Planungs- und Entscheidungs-prozesse mit einbezog.

Aufruf zum MitmachenAber was heisst schon «breite Mitwirkung»? Ob-

wohl seit mittlerweile über vierzig Jahren im Bauwe-sen immer wieder praktiziert, sind nur wenige Archi-tektinnen und Architekten wirklich damit in Berüh-rung gekommen. Landläufig stellt man sich daruntertumultuöse Vollversammlungen vor, an denen ten-denziell alternativ-ökologisch angehauchte IdealistenKaskaden von sich widersprechenden Vorstellungenunendlich lange besprechen und am Schluss ohne Er-gebnis auseinander gehen. Grundlegende Dispositio-nen können nicht entschieden werden, weil sich zweihäretische Fraktionen wegen eines Details bekämp-fen, und trotzdem muss die Architektin für jedenTürgriff eine neue Versammlung einberufen. Soweitdie Vorstellung (die sich da und dort vielleicht tat-sächlich mit der Realität deckt). Aber liesse sich dasoben Geschilderte nicht auch ohne Weiteres auf somanche institutionelle oder öffentliche Bauherrschaftübertragen? An vielen Sitzungen mit Bauherren, die(scheinbar) nichts anderem als der Effizienz und demGewinn verpflichtet sind, wird nicht unbedingt grad-linig und zielführend diskutiert, nur weil man einenstraffen Zeitplan vor sich hat.

Die Geschichte der Genossenschaft Kalkbreite

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Datum: 11.06.2014

beginnt im Februar zoo6, als eine kleine Gruppe imlokalen Veranstaltungsmagazin «Züritipp» zu einemöffentlichen Workshop einlädt. An dem Wochenendekommen so erinnert sich der Geschäftsführer ResKeller, ein Initiant der ersten Stunde rund f-ünfzigLeute und legen die ersten Grundsätze zur Bebauungdes zentral im Zürcher Stadtkreis 4 gelegenen Grund-stücks fest. So werden etwa bereits das Konzept dergemischten Nutzung (Wohnen, Arbeiten, Kultur)und das Postulat der Partizipation verabschiedetdies, obwohl die Genossenschaft noch gar nicht ge-gründet ist, und erst recht nicht über das Grundstückverfügt. Die 6350 Quadratmeter grosse Parzelle gehörtder Stadt und ist gemäss einer 1975 angenommenenVolksinitiative für den gemeinnützigen Wohnungs-

bau reserviert. Die Stadt tat sich allerdings schwer

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damit, ein Wohnbauprojekt zu entwickeln; zu vielStrassen- und Eisenbahnlärm rundherum würdeneine Wohnnutzung behindern oder gar verunmögli-chen. Ausserdem wollen die Verkehrsbetriebe Zürich(VBZ), die auf dem Areal einen Abstellplatz für Tramsbetreibt, ihre kostbare Fläche nicht hergeben. Diewidrigen Rahmenbedingungen scheinen die Genos-senschaft Kalkbreite jedoch nicht im geringsten abzu-schrecken, im Gegenteil.

Prozesse steuernWer eine Aufgabe dieser Grössenordnung nicht

nur als «Problem» betrachten will, das «optimal ge-löst» werden muss, braucht ein grundsätzliches Ver-trauen, mit dem er an die Sache herangeht, und darfsich nicht von der Angst vor dem Scheitern leitenlassen. Eine gewisse Vorsicht schadet sicher nicht,

Sozialer Raum, lärmgeschützt und nichtdurch private Aussenräume konkurren-ziert: Der Hof über dem Tramdepot ersetztprivate Balkone.

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aber allzu oft schlägt bei Bauprojekten das Pendel zurAngst hin aus die nach allgegenwärtiger Kontrolleruft. Das Vertrauen jedoch könnte als das Fundamentdes Konsenses betrachtet werden, und damit auch alsFundament der Überbauung Kalkbreite. Darauf bautauch die Genossenschaft: Sie bewirbt sich in einemKonkurrenzverfahren für das Baurecht am Grund-stück, erhält im Herbst 2007 den Zuschlag undmacht sich sofort daran, ein Raumprogramm für denArchitekturwettbewerb zu entwickeln natürlich mitbreiter Mitwirkung der Mitglieder und immer wiedermit öffentlichen Veranstaltungen. So etwas funktio-niert nur, und da ist Kalkbreite-VorstandsmitgliedSabine Wolf sehr deutlich, wenn gewissenhaft, offenund klar kommuniziert wird. Partizipation, so gut siesich auch anfühlt, braucht eine wichtige Partnerin anihrer Seite: die Professionalität. Prozesse müssen ge-steuert, Gespräche moderiert, verschiedene Ideen zu-

sammengeführt und synchronisiert werden. Dasgeschieht nicht von alleine, dafür braucht es Finger-spitzengefiihl, Geduld und Erfahrung.

In etlichen Workshops bereiten die Genossen-schafter den Wettbewerb vor. Sie bestimmen eine Pa-lette von Wohnformen, die auch als Lebensformenverstanden werden: Konventionelle Familienwohnun-gen, Wohngemeinschaften, Cluster als Gemein-schaften mit mehreren Kleinwohnungen und einGrosshaushalt für fünfzig Personen mit zentralemEss- und Aufenthaltsraum sowie Gastroküche. DieWohnfläche wird auf 35 Quadratmeter pro Person be-schränkt (zum Vergleich: der Durchschnitt in derStadt Zürich liegt bei 41, in der ganzen Schweiz beiüber 5o Quadratmetern) und es besteht kein An-

spruch auf einen privat genutzten Aussenraum. DieHaltung dahinter ist klar: Eine Wohnung in der Kalk-breite ist zwar durchaus ein privater Rückzugsort,aber sie ist ebenso Teil eines grösseren Ganzen. DiesesGanze ist die Gemeinschaft der Bewohnerinnen undBewohner, und nicht zum ersten Mal in der Ge-schichte des Wohnungsbaus wird hierfür eine spezifi-sche architektonische Entsprechung gesucht weni-ger nach aussen als nach innen: Die Stichworte hierzusind Austausch, Verbindung und Vernetzung.

Hindernis in der MitteMit dem offenen und einstufigen Architektur-

wettbewerb tritt das Projekt «Kalkbreite» in der zwei-ten Jahreshälfte zoo8 in eine neue Phase. Es wird indie Entwurfspraktiken von über hundert Architektur-büros eingespiesen, die sich mit der Gedankenweltund den Vorstellungen der Genossenschafter, abereben auch mit den nach wie vor schwierigen Rahmen-bedingungen auseinandersetzen. An erster Stelle isthier nochmals die Tramhalle in der Mitte der Parzellezu nennen, die allen Teams erhebliches Kopfzerbre-chen bereitet. Der von den Ausmassen eines Trams,der Höhe der Oberleitungen und den Kurvenradiender VBZ komplett vorbestimmte Raum spaltet dasGrundstück in eine Nord- und Südhälfte sowie einUnten und Oben: im Erdgeschoss die Trams mitihren Ein- und Ausfahrten, darüber auf dem Dach im2. Obergeschoss ein öffentlich zugänglicher, aber dochneun Meter über dem Strassenniveau gelegenerAussenraum. Das grundsätzliche Problem dieser un-günstigen Gemengelage wurde in dieser Zeitschriftanlässlich der Wettbewerbsbesprechung kritisch the-matisiert (vgl. wbw 7/8-2009).

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Datum: 11.06.2014

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Pergola, Rankgerüst und Pflanztröge fürdie Promenade auf dem Dach. Die ge-meinschaftlichen Freiräume Setzen dieRue interieure im Freien fort.

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Erdgeschoss, Tramdepot und Gewerbe

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3. Obergeschoss, Wohnen

2. Obergeschoss, Arbeiten und Wohnen

AdresseKalkbreite 6, 8003 ZürichBauherrschaftWohn- und Gewerbebau: GenossenschaftKalkbreiteTramhalle: Stadt ZürichArchitekturMüller Sigrist Architekten, Zürich;Mitarbeit: Pascal Müller, Grit Jugel,Johannes Maier (PL), Lea Berger, GisellaChacon, Sabine SchelerBaumanagementB&P Baurealisation, ZürichBauingenieurDr. Lüchinger und Meyer, ZürichElektroplanungIBG Graf Engineering, WinterthurSanitärplanungSertis Engineering, ZürichHLK-Planung3-Plan Haustechnik, WinterthurHolzbauplanungMakiol und Wiederkehr, Beinwil am SeeBauphysikBWS Bauphysik AG, WinterthurLandschaftsarchitektFreiraumarchitektur, LuzernFarbgestaltungJörg Niederberger, NiederrickenbachAnlagekosten total (inkl. MWSt.)Wohn- und Gewerbebau: CHF 63.5 Mio.Tramhalle CHF 11.5 Mio.Gebäudevolumen (SIA 416)Wohn- und Gewerbebau: 76 230 m2(ohne UG: 66 620 m3)Tramhalle: 25 859 rn3Geschossfläche (SIA 416)Wohn- und Gewerbebau: 22 900 m2Tramhalle: 3050m2Energie-Standard / LabelMinergie P-ecoWärmeerzeugungZentrale Grundwasser-Wärmepumpe mitFernleitung zu den Unterstationen.TermineWettbewerb 2009, Planung 2009-11,Bau 2012-14, Bezug Frühjahr 2014

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Ausbauten mit hohem Gebrauchswertkontrastieren mit dem Rohbau: In denWohnungen (Bild oben) und am internenVerbindungsweg (Bild unten).

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Den Zuschlag an der öffentlichen Jurierung im Feb-ruar 2009 erhält das Zürcher Architekturbüro MüllerSigrist aus mehreren Gründen: Die Architekten inte-grieren die Tramhalle in ein den ganzen Strassen-block umfassendes Haus mit einheitlicher Fassade;sie übersetzen die Vorgabe der (inneren) Vernetzungnicht mit Laubengängen, sondern mit einem innenliegenden, horizontal durchgehenden Erschliessungs-weg. Ihr Baukörper ist äusserst kompakt, da ist keineEcke und kein Vorsprung zuviel. Den äusseren Gege-benheiten entsprechend wird er verformt und abge-fast: Im Norden, an der Badenerstrasse, ist er achtGeschosse hoch, nach Südwesten, zum Einschnittder Eisenbahn und der dahinter liegenden, stark be-fahrenen Seebahnstrasse hin, flacht er auf halbeHöhe ab. Typologisch handelt es sich um einenBlockrand, der allerdings klar erkennbar als einzelnerBau in Erscheinung tritt.

Die von Anfang an gewünschte Mischnutzungkonnte umgesetzt werden, auch wenn es laut SabineWolf besondere Anstrengungen brauchte, insbeson-dere die Gewerbe- und Kulturflächen im Sinn desGesamtkonzepts zu vermieten und damit einen Bei-trag zur Qualität des städtischen Lebens zu leisten.Ein Glücksfall ist sicher der Einzug des Kinos RiffRaffmit einem so genannten Miniplex-Kino (Architektur:Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld). Weiterwird es im Erdgeschoss ein Cafe und einen Take-Away geben, einen Lebensmittelmarkt sowie kleinereund grössere Ladengeschäfte. Im ersten Obergeschosszieht unter anderem eine Arztpraxis ein, und Green-peace Schweiz bezieht mit siebzig Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern einen neuen Sitz.

An der inneren StrasseBei einer Begehung kurz vor dem Einzug der ers-

ten Genossenschafter ist das räumliche und soziale

Potenzial der 2,5 Meter breiten Rue interieure bereitszu erkennen. Auf dem Weg durch das Gebäude öff-net sich immer wieder ein «Platz» zur Strasse oder einzweigeschossiger Gemeinschaftsraum zum Hof, inregelmässigen Abständen docken Treppenhäuser an,und an vier Stellen erreichen Lichtschächte von obenher diesen halböffentlichen Verbindungsweg. Es gehtan unzähligen Wohnungstüren vorbei, gelegentlichsogar am Fenster einer Wohnung, breite Treppenführen weiter hinauf; die Rue interieure wird zur«Rue exterieure» auf der 2500 Quadratmeter grossenDachterrasse, die sämtliche privaten Aussenräume

kompensieren soll. Der interne Erschliessungswegmit all seinen direkt und indirekt implizierten Ver-bindungen überzeugte die Genossenschafter imWettbewerb und vermag auch in der gebauten Formzu überzeugen, auch wenn zum Zeitpunkt der Be-sichtigung Aneignung und Gebrauch noch nichtsichtbar sind.

Ihre Kraft entwickelt die Architektur im Grund-riss und im Schnitt. Sie stellt dem breit abgestütztenKonsens der Genossenschafter eine robuste Raum-ordnung gegenüber, eine Art inneren Städtebau. Fürdie Fassade und damit für den Städtebau im her-kömmlichen Sinn scheint es aber keine vergleichbareIdee zu geben oder die Mittel reichten nicht dafüraus. An diesem Standort mitten in der Stadt hätteman sich eine stärkere Gliederung und Strukturie-rung der Fassade gewünscht. Die glatte, verputzteOberfläche mit den ohne Übergang eingesetztenFenstern umgibt einen Baukörper von doch be-trächtlichen Ausmassen. Die Tramhalle ist bis auf dieEin- und Ausfahrtstore verschwunden, drückt aber

dem Hybrid-Gebäude ihren Stempel auf, indem sievon innen heraus unverrückbare Bedingungen dik-tiert. Das Farbkonzept des Künstlers Jörg Niederber-

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ger mit verschieden grossen, unregelmässigen Feldernlockert die grosse Fläche etwas auf. Nicht auszuden-ken, wenn sich die Stadtzürcher Behörden mit ihremWunsch nach mehr «Einheitlichkeit und dezenterenFarben» (genau gesagt: Grau) durchgesetzt hätten. Sobildet sich an der Fassade zumindest die Vielfalt ab,die im Inneren stattfindet. Die mit Glasmosaikstei-nen verkleidete Sockelzone mit all ihren Restaurantsund Geschäften vermittelt zum Stadtraum und bietetdort, auf Augenhöhe der Passanten, die Interaktionmit dem «Rest der Welt» an. Das grosse Bauvolumendarüber bleibt eher stumm.

Rasuma

Le principe participatiflmmeuble coopäratif Kalkbreite äZurich de Müller Sigrist Architekten

Lors du nouvel immeuble de la cooperative Kalk-breite ä Zürich, c'est le consensus qui etait lemoment constitutif de tout le projet et ceci äl'echelle d'un ilot d'une surface de planchet de23 000 metres carres. Construire des espaces d'ha-bitations et d'activites selon les standards energe-tiques Minergie-P sur une parcelle du centre-villeassaillie de tous cötes par le bruit, tout en y inte-grant un hangar pour trams, est dejä en soi unetäche exigeante. A cela s'ajoute une jeune coope-rative comme maitre d'ouvrage qui integre des ledebut ses membres dans les processus de deci-sions. Le bureau d'architecture Müller Sigrist atraduit le desir de communaute, de mise en reseauet d'echanges avec un seul grand corps de bäti-ment dans lequel une «rue interieure» relie tous lesdomaines entre eux. Des «places» s'ouvrent detemps en temps quand on deambule ä travers lebätiment et des cages d'escaliers y sont amarrees äintervalles reguliers. Uarchitecture developpe saforce en plan et en profil. Elle confronte un ame-nagement robuste au consensus largement partagedes cooperateurs: une sorte d'urbanisme interieur.

Summary

The Principle of ParticipationKalkbreite mixed use development inZurich by Müller Sigrist Architekten

In the new building for the Kalkbreite coopera-tive in Zurich consensus provides the constituentmoment for the entire projectand this at thescale of an entire city block with a total floor areaof 23 000 square metres. A housing and commer-cial development to Minergie-P energy standardon an inner city site that is assailed by noise on allsides and which incorporates a tram depot is, ofitself, a demanding task. In addition the clientwas a young cooperative which, from the verystart, included its members in the decision-mak-ing processes. The Zurich architects office of Mül-ler Sigrist translated the wishes for community,networking and exchange by using a single largebuilding in which a "tue interieure" connects allareas with each other. On one's way through thebuilding "squares" repeatedly open to the street,or to the courtyard and staircases are docked atregular intervals. The architecture develops itsstrength in floor plan and section. lt presents thebroadly based consensus of the cooperative mem-bers with a robust spatial order, a kind of interiorurban plan ning.