konfliktbarometer 2008 panorama

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H EIDELBERGER I NSTITUT F ¨ UR I NTERNATIONALE KONFLIKTFORSCHUNG t i s r e v i n U r e d t f a h c s n e s s i W e h c s i t i l o P r u ¨ f t u t i t s n I m a ¨ at Heidelberg K ONFLIKTBAROMETER 2008 Krisen - Kriege - Putsche e s s u ¨ l h c s s n e d e i r F - n e n o i t n e v r e t n I - n e g n u l d n a h r e V 17. J ¨ AHRLICHE KONFLIKTANALYSE Globales Konfliktpanorama

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Konfliktbarometer

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Page 1: Konfliktbarometer 2008 Panorama

HEIDELBERGER INSTITUT FUR

INTERNATIONALE KONFLIKTFORSCHUNG

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KONFLIKTBAROMETER 2008Krisen - Kriege - Putsche

essulhcssnedeirF-nenoitnevretnI-negnuldnahreV

17. JAHRLICHE KONFLIKTANALYSE

Globales Konfliktpanorama

Page 2: Konfliktbarometer 2008 Panorama

HIIKDas HEIDELBERGER INSTITUT FUR INTERNATIONALE KONFLIKTFORSCHUNG (HIIK) am INSTITUT FUR POLI-TISCHE WISSENSCHAFT DER UNIVERSITAT HEIDELBERG ist ein gemeinnutziger eingetragener Verein. Es widmetsich der Erforschung, Auswertung und Dokumentation innerstaatlicher und internationaler politischer Konflikte. Das HIIKging 1991 aus einem u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstutzten ForschungsprojektKOSIMO (Konflikt-Simulations-Modell) hervor, welches von Prof. Dr. Frank R. Pfetsch (Universitat Heidelberg) geleitetwurde.

KonfliktKonflikte sind Interessengegensatze (Positionsdifferenzen) um nationale Werte von einiger Dauer und Reichweite zwi-schen mindestens zwei Parteien (organisierte Gruppen, Staaten, Staatengruppen, Staatenorganisationen), die ent-schlossen sind, sie zu ihren Gunsten zu entscheiden.

KonfliktgegenstandeTerritoriumSezessionDekolonisationAutonomieSystem / IdeologieNationale MachtRegionale VorherrschaftInternationale MachtRessourcenSonstiges

KonfliktintensitatenGewaltgrad Intensitats-

gruppierungIntensitats-

levelIntensitats-bezeichnung

Definition

nicht-gewaltsam niedrig

1 LatenterKonflikt

Eine Positionsdifferenz um definierbare Werte von nationaler Bedeutung istdann ein latenter Konflikt, wenn darauf bezogene Forderungen von einer Parteiartikuliert und von der anderen Seite wahrgenommen werden.

2 ManifesterKonflikt

Ein manifester Konflikt beinhaltet den Einsatz von Mitteln, welche im Vorfeldgewaltsamer Handlungen liegen. Dies umfasst beispielsweise verbalen Druck,die offentliche Androhung von Gewalt oder das Verhangen von okonomischenZwangsmaßnahmen.

gewaltsam

mittel 3 Krise Eine Krise ist ein Spannungszustand, in dem mindestens eine der Parteien ver-einzelt Gewalt anwendet.

hoch

4 ErnsteKrise

Als ernste Krise wird ein Konflikt dann bezeichnet, wenn wiederholt und organi-siert Gewalt eingesetzt wird.

5 Krieg Kriege sind Formen gewaltsamen Konfliktaustrags, in denen mit einer gewissenKontinuitat organisiert und systematisch Gewalt eingesetzt wird. Die Konflikt-parteien setzen, gemessen an der Situation, Mittel in großem Umfang ein. DasAusmaß der Zerstorung ist nachhaltig.

Die in dieser Publikation angegebenen Konfliktintensitaten geben den hochsten Intensitatsgrad an, der im Laufe desaktuellen Jahres erreicht wurde. Somit kann beispielsweise auch ein Konflikt als ernste Krise klassifiziert werden, in

dem in der zweiten Jahreshalfte keine Gefechte mehr stattgefunden haben.

Das vorliegende Konfliktbarometer 2008 gibt den aktuellen Stand unserer Forschung wieder. Dadurch konnen sichAbweichungen von Daten alterer Ausgaben ergeben. Das HIIK ubernimmt keine Haftung fur die Richtigkeit der

gedruckten Daten in dieser Veroffentlichung.

Redaktionsschluss: 30. November 2008

Page 3: Konfliktbarometer 2008 Panorama

Globales Konfliktpanorama 1

Globales Konfliktpanorama

Globale Entwicklung

Im Jahr 2008 werden insgesamt 345 Konflikte gezahlt.Abgesehen von den 39 Konflikten, die mit massivemEinsatz von Gewalt ausgefochten werden, werden 95Konflikte mit sporadischem Gewalteinsatz ausgetragenund daher als Krisen klassifiziert. Im Gegensatz dazuwerden 211 nichtgewaltsame Konflikte gezahlt, die in129 manifeste und 82 latente Konflikte zu unterscheidensind.Im Vergleich mit dem Vorjahr bleibt die Zahl der Konfliktefast dieselbe (344 im Jahr 2007 und 345 im Jahr 2008).

Globale Konfliktintensitaten 2008 im Vergleich zu2007

� 2007� 2008

7979

126126

107107

2626

66

8282

129129

9595

3030

99

0102030405060708090

100110120130140150

Anz

ahl

Latenter Konflikt ManifestierterKonflikt Krise Ernste Krise Krieg

Die Gesamtzahl der nichtgewaltsamen Konflikte nimmtum sechs zu, wahrend sich die Zahl der Krisen umzwolf verringert. Jedoch steigt, nach dem relativ fried-lichen Jahr 2007, die Zahl der hochgewaltsamen Kon-flikte in 2008 erneut an. Es werden neun Kriege und 30ernste Krisen gezahlt, die sich zu 39 hochgewaltsamenKonflikten summieren; 2007 sind sechs Kriege und 26ernste Krisen, d.h. insgesamt 32 Konflikte hoher Inten-sitat, gezahlt worden. Vier der Kriege sind schon 2007auf dieser Intensitatsstufe ausgetragen worden: Afgha-nistan (Taliban), Sudan (Darfur), Somalia (UIC) und SriLanka (LTTE). Da diese vier Konflikte auch 2006 schonals Kriege eingestuft worden waren, wobei der Konflikt inDarfur schon im funften Jahr als Krieg ausgetragen wird,zeichnet sich hier eine Verhartung und Selbstperpetuie-rung massiver Gewalt ab.Vier der ubrigen funf Kriege des Jahres 2008 sind imVorjahr als ernste Krisen eingestuft worden: Tschad(verschiedene Rebellengruppen), Irak (al-Sadr-Gruppe),Pakistan (Islamisten) und Turkei (PKK/KONGRA-GEL /Kurdengebiete). Ihre Eskalation zu Kriegen bedeutet ei-ne Intensivierung der bereits massiven Gewalt. Nur imFall von Russland vs. Georgien eskaliert ein bislangnichtgewaltsamer, aber dennoch angespannter Konfliktzu einem recht kurzen Krieg. Diejenigen beiden Kriegedes Jahres 2007, die 2008 nicht mehr auf dieser Inten-sitatsstufe ausfochten werden, deeskalieren leicht aufdie Stufe einer ernsten Krise.Die Gesamtzahl der ernsten Krisen nimmt 2008 um vier

zu. Wahrend zwei von ihnen im Jahr 2007 Kriege gewe-sen sind (siehe oben) und zwolf bereits ernste Krisen,eskalieren 14 von einer Krise und zwei von einem ma-nifesten Konflikt zu ernsten Krisen. Die von einem ma-nifesten Konflikt zu einer ernsten Krise eskalierten Kon-flikte sind beide im subsaharischen Afrika angesiedelt:In Kenia entzunden sich an Oppositionsprotesten gegenangeblichen Wahlbetrug landesweite ethnische Zusam-menstoße, die mehrere Wochen andauern und 1.500Todesopfer fordern [→ Kenia (Opposition)]; in Nigerialost eine umstrittene Kommunalwahl zweitagige Massa-ker zwischen Christen und Muslimen aus, denen min-destens 400 Menschen zum Opfer fallen. Diejenigen derernsten Krisen des Vorjahres, die weder zu Kriegen es-kalieren noch auf derselben Intensitatsstufe verbleiben,deeskalieren alle zehn auf die Stufe einer Krise, d.h. blei-ben trotz der Deeskalation gewaltsam.Insgesamt nimmt die Zahl der Konflikte um eins zu, dafunf Konflikte 2007 enden und sechs neue 2008 auftre-ten. Zusatzlich werden vier Konflikte als im Jahr 2008beendet angesehen. In Europa endet 2008 ein Konflikt,da Mazedonien und die selbsterklarte unabhangige Re-publik Kosovo ihre Grenzstreitigkeiten beilegen [→ Ma-zedonien (Kosovo)]. Im subsaharischen Afrika hat einKonflikt im Jahr 2007 geendet, und ein neuer Konfliktbricht 2008 aus. Zudem enden in der Region 2008 zweiKonflikte, einer davon in Angola, wo die ersten Wahlenin 16 Jahren klar von der regierenden Volksbewegungfur die Befreiung Angolas (MPLA) gewonnen werden.Die wichtigste Oppositionspartei und fruhere Rebellen-gruppe Nationale Union fur die Vollige UnabhangigkeitAngolas (UNITA) akzeptiert ihre Niederlage und setztso einem jahrzehntelangen Burgerkrieg ein Ende, dermit sehr hohem Gewalteinsatz gefuhrt worden war. ImTschad vereinigt sich die Rebellengruppe Bewegung furDemokratie

InhaltsverzeichnisGlobales Konfliktpanorama 1

Globale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Analyse innerstaatlich - zwischenstaatlich . . . . . . . . . . . . . . 3Weltkarte: Konflikte hoher Intensitat 2008 . . . . . . . . . . . . . . 3Regionale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Dynamiken innerhalb einzelner Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . 4Konfliktgegenstande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Putsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Massnahmen der Konfliktbewaltigung 7Verhandlungen und Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Autoritative Entscheidungen des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Regionen 14Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Afrika sudlich der Sahara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Asien und Ozeanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Mittlerer Osten und Maghreb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56

Page 4: Konfliktbarometer 2008 Panorama

2 Konfliktbarometer 2008

und Gerechtigkeit im Tschad (MDJT), die von 1998 bis2003 aktiv die Regierung bekampft hatte, mit mehre-ren anderen Rebellengruppierungen, die seit 2005 ge-gen die Regierung kampfen [→ Tschad (verschiedeneRebellengruppen)]. Zwei Territorialkonflikte in den Ame-rikas, zwischen Guyana und Surinam bzw. zwischenHonduras und Nicaragua, enden 2007 aufgrund interna-tionaler Gerichtsspruche. Vier neue Konflikte brechen indieser Region im Jahr 2008 aus, alle innerstaatliche Aus-einandersetzungen, die schon im Jahr ihres Beginns dieSchwelle zur Gewalt uberschreiten [→ Chile (Mapuche);Nicaragua (verschiedene Oppositionsgruppen); Pana-ma (Opposition); Peru (Opposition)]. Ein Konflikt in denAmerikas wird als 2008 beendet angesehen. In Asienund Ozeanien haben 2007 zwei Konflikte geendet, na-mentlich Singapur (Malaien) und Vietnam (KKNLF). ImVorderen und Mittleren Orient endet weder 2007 noch2008 ein Konflikt, auch bricht 2008 kein neuer aus.Fur die langfristige Trendanalyse werden die funf In-tensitatsstufen zu drei Gruppen zusammengefasst: diebeiden nicht-gewaltsamen Stufen werden als Konflik-te niedriger Intensitat bezeichnet, Krisen als Konfliktemittlerer Intensitat, ernste Krisen und Kriege werden zuKonflikten hoher Intensitat zusammengefasst.

Globale Konflikte niedriger, mittlerer und hoherIntensitat von 1945 bis 2008

Geringe IntensitatMittlere IntensitatHohe IntensitatGesamt

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50

100

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200

250

300

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19451950

19551960

19651970

19751980

19851990

19952000

2005

Zudem zeigt die obige/untenstehende Grafik die Ge-samtzahl der beobachteten Konflikte. An der Verlaufs-kurve lasst sich ein mehr oder weniger kontinuierlicherAnstieg in der Zahl der beobachteten Konflikte ablesen.Die meisten dieser Konflikte sind Konflikte niedriger In-tensitat. Bei der Betrachtung der Konflikte hoher Inten-sitat ist ein fortlaufender und meist regelmaßiger Anstiegerkennbar, der nur durch kleinere Deeskalationsphasenunterbrochen wird. Der bisherige Hohepunkt ist mit 49hochgewaltsamen Konflikten im Jahr 1992 erreicht wor-den, kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetuni-on. Nach einem spektakularen Ruckgang auf nur 30 imJahr 2005 steigt die Zahl der hochgewaltsamen Konflik-te 2006 wieder auf 36, sinkt 2007 auf 32, um schließlich2008 wieder auf 39 anzusteigen – die hochste Anzahlseit 2004. Die Zahl der Krisen ist in den vergangenenJahren in zuvor unbekannte Hohen gestiegen, bis aufein Maximum von 113 im Jahr 2005. Jedoch hat sich die-ser Trend im Jahr 2006 umgekehrt, die Zahl der Krisennimmt nun im dritten Jahr langsam ab. Dennoch bleibt

sie auf einem sehr hohen Niveau.

Analyse innerstaatlich -zwischenstaatlich

Mit 254 innerstaatlichen und 91 zwischenstaatlichenKonflikten sind im Jahr 2008, wie auch schon in den Vor-jahren, mehr als zwei Drittel der beobachteten Konflikteinnerstaatliche Auseinandersetzungen. Da nur acht der91 zwischenstaatlichen Konflikte mit dem Einsatz vonGewalt ausgetragen werden, machen innerstaatlicheKonflikte die große Mehrheit der gewaltsamen und ins-besondere der hochgewaltsamen Konflikte aus.

Anzahl an inner- und zwischenstaatlichenKonflikten 2008 nach Intensitatslevel

� zwischenstaatlich� innerstaatlich

4141 4242

7700 11

4141

8787 8888

3030

88

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

Anz

ahlK

onfli

kte

Latenter Konflikt ManifestierterKonflikt Krise Ernste Krise Krieg

Wahrend 88 der 95 Krisen innerstaatliche Konflikte sind,werden sieben zwischenstaatliche Krisen beobachtet:Armenien – Aserbaidschan, Eritrea – Dschibuti, Israel– Libanon, Pakistan – Indien, Thailand – Kambodscha(Grenzverlauf) und Tschad – Sudan. Davon sind zwei,namentlich Armenien – Aserbaidschan und Tschad –Sudan, schon 2006 und 2007 als Krisen eingestuft wor-den, wahrend Israel – Libanon 2007 als Krise und 2006als ernste Krise klassifiziert worden ist.

Inner- und zwischenstaatliche Konflikte hoherIntensitat von 1945 bis 2008

innerstaatlichzwischenstaatlich

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19551960

19651970

19751980

19851990

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2005

Acht der neun Kriege sowie alle 30 ernsten Krisen desJahres 2008 werden innerhalb eines Staates ausgetra-gen. Nur einer der hochgewaltsamen Konflikte, der kurzeKrieg zwischen Russland und Georgien, wird zwischenzwei Staaten gefuhrt und stellt damit den ersten

Page 5: Konfliktbarometer 2008 Panorama

3amaronaptkinoKsel lfabolG

Weltkarte: Konfikte hoher Intensitat 2008

ernste KrisenKriege

Die Lander mit Konfikten sind hier mit ihrer jeweils hochsten Intensitat eingefarbt.

Legende

Name und Konfiktgegenstande

Europa - Ernste Krisen

1 Georgien (Abchasien) - Sezession

2 Georgien (Südossetien) - Sezession

3 Russland (islamistische Rebellen/Inguschetien) - Sezession,System/Ideologie

Europa - Kriege

4 Russland - Georgien - Internationale Macht

Sub-Sahara Afrika - Ernste Krisen

5 Burundi (Palipehutu-FNL Rwasa) - Nationale Macht

6 DR Kongo (Bundu dia Kongo) - Autonomie, System/Ideologie

7 DR Kongo (CNDP) - Regionale Vorherrschaft, Ressourcen,Andere

8 Kenia (Opposition) - Nationale Macht

9 Kenia (SLDF) - Regionale Vorherrschaft

10 Mali (Tuareg/Kidal) - Autonomie, Ressourcen

11 Nigeria (Christen - Muslime) - System/Ideologie

12 Nigeria (MEND, Ijaw/Niger Delta) - Regionale Vorherrschaft,Ressourcen

13 Sudan (SPLM/A / Südsudan) - Territorium, Sezession,Ressourcen

Sub-Sahara Afrika - Kriege

14 Tschad (verschiedene Rebellengruppen) - Nationale Macht

15 Somalia (UIC) - System/Ideologie, Nationale Macht

16 Sudan (Darfur) - Regionale Vorherrschaft, Ressourcen

Die Amerikas - Ernste Krisen

17 Kolumbien (FARC) - System/Ideologie, Regionale Vorherr-schaft, Ressourcen

18 Mexiko (Drogenkartelle) - Regionale Vorherrschaft, Ressour-cen

Asien und Ozeanien - Ernste Krisen

19 Indien (Islamisten) - System/Ideologie

20 Indien (Kaschmir) - Sezession

21 Indien (MPLF, ZRA, KCP/Manipur) - Sezession

22 Indien (Naxaliten) - System/Ideologie

23 Pakistan (BLA, BRA, BLF/Belutchistan) - Sezession, Res-sourcen

24 Pakistan (Nord- und Südwaziristan) - Autonomie, Sys-tem/Ideologie

25 Pakistan (Sunniten - Schiiten) - System/Ideologie, RegionaleVorherrschaft

26 Philippinen (CPP, NPA) - System/Ideologie

27 Philippinen (MILF/Mindanao) - Autonomie, System/IdeaologieRessourcen

28 Thailand (muslimische Separatisten/südliche Grenzprovinzen) -Sezession, System/Ideologie

Asien und Ozeanien - Kriege

29 Pakistan (Islamisten) - System/Ideologie, Nationale Macht

30 Sri Lanka (LTTE) - Sezession

Vorderer und Mittlerer Orient und Maghreb - Ernste Krisen

31 Iran (PJAK/Kurdengebiete) - Autonomie

32 Irak (al-Sarkawi-Gruppe/AQI) - System/Ideologie, NationaleMacht

33 Irak (Aufständische) - System/Ideologie, Nationale Macht

34 Israel (PNA, al-Fatah, Hamas/Palästina) - Sezession, Sys-tem/Ideologie, Ressourcen

35 Libanon (Religionsgruppen) - System/Ideologie, NationaleMacht

36 Jemen (Bewegung Gläubiger Jugendlicher) - System/Ideologie

Vorderer und Mittlerer Orient und Maghreb - Kriege

37 Afghanistan (Taliban) - System/Ideologie, Nationale Macht

38 Irak (al-Sadr-Gruppe) - System/Ideologie, Nationale Macht

39 Türkei (PKK/KONGRA-GEL / Kurdengebiete) - Autonomie

Page 6: Konfliktbarometer 2008 Panorama

4 Konfliktbarometer 2008

zwischenstaatlichen Krieg seit dem Krieg zwischen denUSA und Irak 2003 dar. Die letzte ernste Krise zwischenStaaten ist 2006 zwischen Israel und Libanon ausge-fochten worden, wahrend 2007 keiner der hochgewalt-samen Konflikte zwischen Staaten ausgetragen wordenist. Die Langzeitanalyse, fur die die beiden hochstenIntensitatsstufen, d.h. ernste Krise und Krieg, zusam-mengefasst wurden, zeigt, dass die seit Beginn des Un-tersuchungszeitraumes hochgewaltsame innerstaatlicheKonflikte klar uberwiegen.

Regionale EntwicklungenWie im Vorjahr wird fast ein Drittel aller Konflikte (111) inAsien und Ozeanien ausgetragen. Das subsaharischeAfrika folgt mit 79 an zweiter Stelle, Europa mit 65 andritter, der Vordere und Mittlere Orient mit 47 an vierterund die Amerikas mit 43 Konflikten an funfter Stelle. Asi-en und Ozeanien ist dabei mit 68 von der großten Zahlnichtgewaltsamer Konflikte wie auch von den meistenKrisen (31) betroffen. Bezuglich der Krisen folgt Afrikamit 30 an zweiter Stelle. Hinsichtlich hochgewaltsamerKonflikte stehen diese beiden Regionen gemeinsam anerster Stelle, da beide von zwolf Konflikten hoher In-tensitat betroffen sind. Wahrend jedoch nur zwei derhochgewaltsamen Konflikte Asiens und Ozeaniens alsKriege eingestuft werden, werden im subsaharischenAfrika drei Kriege ausgefochten. An dritter Stelle folgtder Vordere und Mittlere Orient mit neun hochgewalt-samen Konflikten, darunter drei Kriege. Ein Krieg unddrei erste Krisen Konflikte werden in Europa beobach-tet, zwei ernste Krisen in den Amerikas.

Verteilung aller Konflikte 2008 nach Region undIntensitatstyp

� Niedrige Intensitat� Mittlere Intensitat� Hohe Intensitat

47

37

30

68

29

14

30

11

31

9

412

2

12 9

0

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110

120

130

Anz

ahl

Europa Sub-SaharaAfrika die Amerikas Asien und

Ozeanien

Vorderer undMittlerer Orientund Maghreb

Diese Rangfolge zeigt einen bemerkenswerten Wandelvom Jahr 2007 zum Jahr 2008 an: Einerseits nimmt dieZahl hochgewaltsamer Konflikte im Vorderen und Mittle-ren Orient sowie in den Amerikas leicht ab (von zehn aufneun bzw. von drei auf zwei). Andererseits aber steigt siein Asien und Ozeanien von zehn auf zwolf und im sub-saharischen Afrika von neun auf zwolf an. Die starks-te Eskalation ist in Europa zu beobachten, wo die Zahlder Konflikte hoher Intensitat von null im Jahr 2007 aufvier im Jahr 2008 zunimmt. Wahrend die letztjahrige nulleinen historischen Tiefstand dargestellt hatte, der zumersten Mal seit 1967 erreicht worden war, markieren die

vier hochgewaltsamen Konflikte in Europa im Jahr 2008den hochsten Stand seit 1998. Einer dieser Konflikte,Russland (islamistische Rebellen/Inguschetien) ist in derRegion des nordlichen Kaukasus angesiedelt, wo bis2006 auch Europas einzige langanhaltende erste Kriseder jungsten Vergangenheit ausgetragen worden ist [→Russland (islamistische Rebellen/Tschetschenien)]. Dieanderen drei hochgewaltsamen Konflikte in Europa wer-den alle auf georgischem Territorium ausgetragen [→Georgien (Abchasien); Georgien (Sudossetien); Russ-land – Georgien].Wenn die Anzahl der Konflikte in Relation zur Zahlder Staaten einer Region gesetzt wird, nimmt der Vor-dere und Mittlere Orient sowohl in Bezug auf Konflik-te insgesamt wie auch hochgewaltsame Konflikte denersten Rang ein. Asien und Ozeanien folgt hinsichtlichder Gesamtzahl der Konflikte an zweiter, bezuglich derZahl hochgewaltsamer Konflikte an dritter Stelle. Afri-ka sudlich der Sahara steht bei den Konflikten hoherIntensitat an zweiter, bei der Gesamtzahl der Konfliktean dritter Stelle. Aus dieser Perspektive erscheint wederAsien und Ozeanien noch Afrika als die konfliktreichsteoder am meisten von massiver Gewalt betroffene Regi-on, sondern der Vordere und Mittlere Orient. In beiderleiHinsicht waren Europa und die Amerikas die friedlichs-ten Regionen der Welt.

Dynamiken innerhalb einzelner Konflikte

Wie in den Vorjahren verbleiben von 2007 auf 2008ungefahr zwei Drittel aller Konflikte, d.h. 227 von 345,auf derselben Intensitatsstufe. Insgesamt deeskalieren65 Konflikte, alle bis auf einen um nur eine Stufe. Zweidavon deeskalieren von Kriegen zu ernsten Krisen [→Irak (Aufstandische); Pakistan (Nord- und Sudwasiris-tan)], zehn von ernsten Krisen zu Krisen, beispielsweiseMyanmar (Opposition) und Libanon (Fatah al-Islam).In diesen Fallen nimmt die Gewalt lediglich graduellab. In weiteren 32 Fallen jedoch werden die gewaltsa-men Handlungen wenigstens fur den Beobachtungszeit-raum eingestellt. Beispielsweise deeskaliert die Krisezwischen Opposition und Regierung in Chile um zweiStufen zu einem latenten Konflikt, und 31 Krisen, z.B. Georgien (Opposition) und Syrien – Israel, beruhi-gen sich zu manifesten Konflikten. Die verbleibenden20 Konflikte, die deeskalieren, entwickeln sich alle vonmanifesten zu latenten Konflikten. Im Gegensatz zu den65 deeskalierenden Konflikten eskalieren 47. Bis auf nuracht Falle uberschreiten alle diese Konflikte die Schwellezur Gewalt oder es intensiviert sich der Gewalteinsatz.Ein Konflikt, die Auseinandersetzung zwischen Russ-land und Georgien, eskaliert um drei Stufen von einemmanifesten Konflikt zu einem Krieg. Zusatzlich eska-lieren acht Konflikte um zwei Stufen: Zwei von nicht-gewaltsamen, manifesten Konflikten zu ernsten Krisen,namentlich Kenia (Opposition) und Nigeria (Christen –Muslime). Sechs Konflikte eskalieren von der niedrigstenIntensitatsstufe zu Krisen, und zwar drei innerstaatliche,namentlich Kolumbien (verschiedene indigene Grup-pen), Algerien (Berber/Kabylei) und Jemen (IslamischerDschihad), sowie drei zwischenstaatliche Konflikte: Eri-

Page 7: Konfliktbarometer 2008 Panorama

Globales Konfliktpanorama 5

trea – Dschibuti, Thailand – Kambodscha (Grenzverlauf)und USA – Pakistan. Zudem bleiben nur acht der 38Konflikte, die um nur eine Stufe eskalieren, gewaltlos,entwickeln sich also von latenten zu manifesten Konflik-ten.

Intensitatsanderung AnzahlEskalation um vier Stufen 0Eskalation um drei Stufen 1Eskalation um zwei Stufen 8Eskalation um eine Stufe 38keine Anderung 227Deeskalation um eine Stufe 64Deeskalation um zwei Stufen 1Deeskalation um drei Stufen 0Deeskalation um vier Stufen 0

Dagegen uberschreiten die verbleibenden 30 Falle ent-weder die Schwelle zur Gewalt, oder aber es inten-siviert sich die eingesetzte Gewalt. So eskalieren vierernste Krisen zu Kriegen: Irak (al-Sadr-Gruppe), Turkei(PKK/KONGRA-GEL/Kurdengebiete), Pakistan (Islamis-ten) und Tschad (verschiedene Rebellengruppen). Vier-zehn Konflikte intensivieren sich von Krisen zu erns-ten Krisen und zwolf eskalieren von gewaltlosen, ma-nifesten Konflikten zu Krisen. Unter den letzteren be-finden sich die Auseinandersetzungen zwischen Oppo-sition und Regierung in Armenien, Burundi, Nepal undThailand sowie der Grenzkonflikt zwischen Indien undPakistan.

Konfliktgegenstande

Wie in den Vorjahren ist auch 2008 mit 107 Fallen Sys-tem/Ideologie der haufigste Konfliktgegenstand. DieserGegenstand bedeutet, daß die betreffenden Auseinan-dersetzungen sich um Veranderungen des politischenoder wirtschaftlichen Systems drehen oder ideologischeDifferenzen betreffen, wie etwa das Anstreben einerTheokratie statt eines sekularen Staates, religiose Un-terschiede, Demokratisierungsbestrebungen in Autokra-tien oder der Wunsch nach einer sozialistischen Wirt-schaftsordnung. Der zweithaufigste Konfliktgegenstandist mit 74 Fallen Nationale Macht, gefolgt von Ressour-cen mit 71 Fallen. Dabei gilt es zu beachten, daß Kon-flikte sich haufig um mehr als einen Gegenstand dre-hen, weshalb ein und derselbe Konflikt in dieser Statistikmehrmals auftauchen kann. Oft treten die drei haufigs-ten Gegenstande auch gemeinsam auf, ebenso sind dieKombination von Territiorium und Ressourcen, Regiona-ler Vorherrschaft und Ressourcen oder InternationalerMacht und System/Ideologie verbreitet.Wahrend Konflikte um Territorium wie auch um Inter-nationale Macht zumeist ohne den Einsatz von Gewaltgefuhrt werden (46 von 53 bzw. 32 von 38 Falle), wirdin Konflikten um Nationale Macht, Regionale Vorherr-schaft, Sezession oder Autonomie, Ressourcen undSystem/Ideologie in ungefahr der Halfte der beobach-teten Falle Gewalt eingesetzt. Ungefahr ein Funftel (20)

der Konflikte um System/Ideologie werden sogar alshochgewaltsam klassifiziert, sodass dieser Gegenstandder wichtigste in hochgewaltsamen Konflikten ist: Mit 20Fallen werden mehr als die Halfte der 39 hochgewalt-samen Konflikte uber Differenzen in Fragen von Systemoder Ideologie ausgetragen, sei es allein oder in Kombi-nation mit anderen Gegenstanden. Die zweitwichtigstenGegenstande in Konflikten hoher Intensitat sind Nationa-le Macht, Ressourcen und Sezession mit je zehn Fallen.Hinsichtlich der Haufigkeit der Konfliktgegenstande be-stehen zwischen den verschiedenen Regionen derWelt bemerkenswerte Differenzen, die auf unterschied-liche regionale Konfliktmuster hindeuten. So ist Sys-tem/Ideologie, insgesamt der haufigste Konfliktgegen-stand, in Asien und Ozeanien vorherrschend (38 Falle,d.h. ein Drittel der Konflikte), ebenso im Vorderen undMittleren Orient (27 Falle, also mehr als die Halfte) undden Amerikas (24 Falle, wiederum mehr als die Halfteder Konflikte). Im Gegensatz dazu ist dieser Konflikt-gegenstand in Europa von untergeordneter Bedeutung(12 Falle) und im subsaharischen Afrika fast unbekannt(sechs Falle). Bemerkenswert ist dabei jedoch, dasssich die Gewaltanfalligkeit dieses Gegenstandes in allenRegionen zeigt – so werden funf der sechs Systemkon-flikte im subsaharischen Afrika gewaltsam ausgetragen,drei sogar unter massivem Gewalteinsatz.

Globale Haufigkeit der Konfliktgegenstande 2008nach Intensitatsgruppen

� Niedrige Intensitat� Mittlere Intensitat� Hohe Intensitat

46 1825

53

43

2132

41

22

6

22

14

34

2119

5

20

51

106

20

10 71

1010

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

Hau

figke

it

Territorium

Sezession

Dekolonisation

Autonomie

System

/Ideologie

Nationale

Macht

Regionale

Vor-herrschaft

InternationaleM

acht

Ressourcen

Andere

Der global betrachtet zweithaufigste Konfliktgegenstand,Nationale Macht, ist in Afrika sudlich der Sahara bedeut-sam (25 Falle, d.h. fast ein Drittel der Konflikte), ebensoin Asien und Ozeanien (24 Falle) und im Vorderen undMittleren Orient (15 Falle). Dagegen ist es in den Ame-rikas mit sechs und in Europa mit funf Fallen vergleichs-weise selten. Gleichermaßen ist der global dritthaufigsteStreitgegenstand, Ressourcen, im subsaharischen Afri-ka, wo viele Konflikte durch die Ausbeutung naturlicherRessourcen durch Rebellen angeheizt werden, mit 29Fallen sehr oft anzutreffen, ebenso in den Amerikas mit20 Fallen, aber sehr selten in Europa mit sechs Fallen,Asien und Ozeanien mit elf und dem Vorderen und Mitt-leren Orient mit funf Fallen.Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied besteht dar-in, dass Konflikte uber Regionale Vorherrschaft, ein

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6 Konfliktbarometer 2008

sehr gewaltanfalliger Gegenstand, hauptsachlich in Afri-ka sudlich der Sahara (18 Falle) sowie in Asien undOzeanien (22 Falle) ausgefochten werden, wahrend die-ser Konfliktgegenstand in Europa unbekannt ist (keinFall) und im Vorderen und Mittleren Orient sehr selten(ein Fall). In den Amerikas ist es mit sechs Fallen nichtsehr haufig, jedoch bedeutsam, da es in beiden hoch-gewaltsamen Konflikten dieser Region auftritt. Konflikteuber Selbstbestimmung, d.h. uber Autonomie oder Se-zession, sind in Europa vorherrschend (14 bzw. 20 Falle)und in Asien und Ozeanien recht haufig (15 bzw. 18Falle), aber weniger haufig in Afrika sudlich der Saha-ra (jeweils neun Falle) und in den Amerikas mit drei bzw.einem Fall sowie im Vorderen und Mittleren Orient mitvier bzw. zwei Fallen recht selten.

Putsche

Wahrend 2007 nur ein Putsch, auf den Phillipinen, ver-sucht worden – und gescheitert – ist, werden 2008 dreiversuchte oder erfolgreiche Staatsstreiche beobachtet.In Mauretanien putscht das Militar gegen Prasident Mo-hamed Abdallahi, den ersten demokratisch gewahltenFuhrer des Landes. Abdallahi hatte das Amt des Prasi-denten nach den ersten Wahlen im Anschluß an den Mi-litarputsch gegen den damaligen Prasidenten MaaouiyOuld Taya im Jahr 2005 ubernommen [→ Mauretanien(Putschisten)].

Putsche und Putschversuche von 1945 bis 2008

Putsche

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0

5

10

15

20

25

30

Anz

ahl

19451950

19551960

19651970

19751980

19851990

19952000

2005

In Guinea-Bissau schlagen zwei Putschversuche gegendie Regierung des Prasidenten Joao Bernardo Vierafehl. Am 6. August geben die Behorden bekannt, einKomplott einer Gruppe von Offizieren unter der Fuhrungvon Admiral Jose Americo Bubo Na Tchute, Oberbe-fehlshaber der Marine, aufgedeckt zu haben. Bei einemweiterem Putschversuch in Guinea-Biassau eroffnet ei-ne Gruppe von Soldaten fruhmorgens am 23. Novem-ber das Feuer auf Viera’s Residenz. Im folgenden stun-denlangen Feuergefecht zwischen der Prasidentengar-de Vieras und den Angreifern, darunter einige Mitglie-der der Prasidentengarde, wird eine Person getotet undmehrere weitere verletzt. Am selben Tag verlegt Guinea-Bissaus Nachbar und enger Verbundeter Senegal Trup-penverstarkungen an die Grenze und bietet fur den Fall,dass es notig sein sollte, Viera und seine Familie auszu-

fliegen, ein Flugzeug an. Die UN, die EU sowie die Wirt-schaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECO-WAS) verurteilen den versuchten Staatsstreich. Ser-geant N’Tacha Yala, ein Neffe des OppositionsfuhrersKumba Yala von der Partei fur Soziale Erneuerung, wirdam 24. November als mutmaßlicher Fuhrer der angrei-fenden Soldaten von den Behorden festgenommen.Desweiteren gibt die turkische Regierung unter Minis-terprasident Recep Tayyip Erdogan von der Partei furGerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bekannt, einengeplanten Staatsstreich seitens eines Netzwerks na-tionalistischer Hardliner und Sakularen namens Erge-nekon aufgedeckt zu haben. Die Ermittlungsbehordenverdachtigen die Gruppe der Planung von Terroran-schlagen als Mittel zur Provokation einer Machtubernah-me durch die Armee in der Turkei, die zwischen 1960und 1980 drei erfolgreiche Militarputsche erlebt hat. ZumZeitpunkt der Aufdeckung des angeblichen Putschpla-nes hatte eine Anklage gegen die AKP vor dem Verfas-sungsgericht wegen anti-sakularer Aktivitaten zu wach-senden Spannungen in der Turkei gefuhrt. Am 14. Ju-li werden 86 Personen, darunter fuhrende Figuren ausArmee, Wirtschaft und der sakularen Presse, unter an-derem wegen der Bildung einer bewaffneten terroristi-schen Vereinigung und der Planung eines gewaltsamenPutschversuchs angeklagt.

Terrorismus

Terrorismus bleibt auch im Jahr 2008 ein wichtiges Mitteldes Konfliktaustrags. Die uberwaltigende Mehrheit derTerroranschlage des Jahres kann entsprechend der Me-thodologie des HIIK bestimmten Konflikten zugerechnetwerden. Hier konnen verschiedene Muster des Terro-rismus unterschieden werden: Auf der einen Seite wer-den terroristische Mittel von lokalen Akteuren eingesetzt,um weltliche Ziele wie Selbstbestimmung oder Nationa-le Macht zu verfolgen. Dies ist 2008 etwa in Spanien derFall, wo die ETA versucht, die Spanische Regierung da-zu zu zwingen, dem Baskenland die Unabhangigkeit zuverleihen [→ Spanien (ETA/Baskenland)], in Nordirland[→ Vereinigtes Konigreich (IRA und andere/Nordirland)]oder auf der franzosischen Insel Korsika, auf der Se-paratisten Bombenanschlage auf offentliche Gebaudesowie auf Ferienhauser von Nicht-Korsen veruben [→Frankreich (FLNC/Korsika)]. In diesen Konflikten ist dasAusmaß sowohl der eingesetzten Mittel als auch der her-vorgerufenen Zerstorung relativ gering. In anderen Tei-len der Welt dagegen, etwa in Mexiko [→ Mexiko (Dro-genkartelle)] und Sri Lanka [→ Sri Lanka (LTTE)] richtensakulare Terrorgruppen großen Schaden an.Auf der anderen Seite veruben das transnationale Ter-rornetzwerk al-Qaida und die mit ihm verbundenenGruppen zahlreiche Anschlage unterschiedlichen Aus-maßes, die von fundamentalistischem religiosem Glau-ben motiviert sind, hunderte Tote fordern und großenSchaden anrichten. Einer der schwerwiegenden Einzel-anschlage ist der koordinierte Angriff auf mehrere Ho-tels, einen Bahnhof und weitere offentliche Platze in derindischen Stadt Mumbai, bei dem fast 200 Menschensterben. Die Angreifer scheinen von Pakistan gekom-

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Globales Konfliktpanorama 7

men zu sein, wo islamistische Aufstandische mit Verbin-dungen zu al-Qaida Krieg gegen die Regierung fuhrenund dabei oft terroristische Taktiken wie etwa Selbst-mordanschlage einsetzen. Pakistan ist der Hauptruck-zugsraum fur Taliban aus Afghanistan und deren Un-terstutzer sowie islamistische Aufstandische aus Usbe-kistan. Pakistans nordwestliche Stammesgebiete sinddas Siedlungsgebiet einheimischer Milizen, die die Ta-liban unterstutzen; einige davon beginnen nun, sichdem wachsenden Einfluss der Taliban entgegenzustel-len. Pakistanische Aufstandsbekampfungsmaßnahmen[→ Pakistan (Islamisten); Pakistan (Nord- und Sudwa-siristan)] werden weiterhin mit hohem Gewalteinsatzgefuhrt. Die Kampfe zwingen mehr als 300.000 Men-schen zur Flucht. US-amerikanische Streitkrafte betre-ten bei dem Versuch, Stellungen der Taliban anzugrei-fen, mehrfach pakistanisches Hoheitsgebiet [→ Afgha-nistan (Taliban)]. Im Verlauf einer dieser Operationen er-eignet sich ein gewaltsamer Zusammenstoß zwischenUS-amerikanischen und pakistanischen Truppen [→ Pa-kistan – USA].In Afghanistan nehmen terroristische Angriffe der Ta-liban sowohl auf Regierungstruppen und internationa-le Streitkrafte wie auch auf Zivilisten zu. Irak ist nachwie vor das Land im Vorderen und Mittleren Orient, indem die Bevolkerung unter der hochsten Zahl von Ter-rorangriffen durch verschiedene Gruppen von Aufstandi-schen, darunter al-Qaida Irak (AQI), zu leiden hat. Au-ßer in Afghanistan und im Irak ist al-Qaida unter demNamen al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) in Al-gerien aktiv. Wahrend es partiell gelingt, die AQIM undAQI einzudammen und diese im Irak und in Algerienan Starke verlieren, breitet sich die AQIM in andereMaghreb-Staaten wie Mauretanien aus. Zudem verubenmilitante Gruppierungen mit Verbindungen zu al-QaidaTerroranschlage in weiteren Landern, beispielsweise Fa-tah al-Islam im Libanon und Syrien sowie der IslamischeDschihad und die Jemenitische Soldaten-Brigade im Je-men.Islamistischer Terrorismus ist jedoch nicht auf Asi-en und Ozeanien sowie den Vorderen und Mittle-ren Orient beschrankt, sondern auch weiterhin Be-standteil des Sezessionskonflikte in den russischenNordkaukasus-Republiken [→ Russland (IslamistischeRebellen/Tschetschenien) und weitere], wo die Rebel-len in ihrem Streben nach der Errichtung eines un-abhangigen kaukasischen Emirats auf der Grundlage is-lamischen Rechts zunehmend auf terroristische Mittelzuruckgreifen. Von diesen Konflikten ist in diesem Jahrderjenige in Inguschetien der gewaltsamste.Im Gegensatz dazu wie auch zu den letzten Jahrenbleibt Westeuropa im Jahr 2008 von islamistischen Ter-rorangriffen verschont. Dennoch bleibt die Lage an-gespannt. Im Februar außern das deutsche Innenmi-nisterium und Bundeskriminalamt (BKA) den Verdacht,al-Qaida plane weitere Terrorangriffe in Deutschland.Die deutsche Bundespolizei verhaftet am 29. Septem-ber am Kolner Flughafen zwei mutmaßliche Terroris-ten an Bord eines niederlandischen Flugzeugs. Die bei-den Verdachtigen werden spater mangels Beweisenfreigelassen. Am 9. Dezember wird ein libanesischer

Staatsangehoriger wegen der Planung von Bombenan-schlagen auf deutsche Personenzuge im Juli 2006 zulebenslanglicher Haft verurteilt.In Großbritannien werden in einer Serie von fruhmor-gendlichen Hausdurchsuchungen in Birmingham gemaßder Anti-Terror-Gesetzgebung funf Manner festgenom-men. Ein im November veroffentlichter Geheimdienstbe-richt kommt zu dem Ergebnis, das Vereinigte Konigreichbleibe in absehbarer Zukunft ein Ziel hoher Prioritat fural-Qaida. In Danemark werden zwei Manner fur die Vor-bereitung eines Terroranschlags zu sieben bzw. zwolfJahren Haft verurteilt. In Spanien wird elf muslimischenManner vorgeworfen, ein Sprengstoffattentat auf einenTeil des U-Bahn-Netzes der Stadt Barcelona zu planen.Weitere acht Menschen werden in Spanien aufgrund desVerdachts, islamistischen Extremisten geholfen zu ha-ben, in Gewahrsam gehalten.Die einzigen Terrorangriffe des Jahres 2008, die gemaßder Methodik des HIIK keinem bestimmten Konflikt zu-geordnet werden konnen, sind mehrere Bombenan-schlage in der somalischen autonomen Region Puntlandund der sezessionistischen somalischen Region Soma-liland: Die Explosion einer Bombe totet am 5. Febru-ar 20 bis 100 Menschen, vor allem athiopische Migran-ten, in der Kustenstadr Bosaso, Puntland. Am 9. Aprilwird ein Bombenanschlag auf das Parlament Somali-lands verubt. Im schwerwiegendsten Vorfall explodierenam 26. Oktober zeitgleich funf Bomben in Somalilandund Puntland. In Hargeisa, der Hauptstadt Somalilands,greifen Selbstmordattentater in mit Sprengstoff belade-nen Autos das Gelande des Entwicklungsprogrammsder UN, den Prasidentenpalast und die athiopische Bot-schaft an, wobei mindestens 25 Menschen ums Lebenkommen. In Bosaso, der großten Stadt Puntlands, wer-den bei ahnlichen Anschlagen auf die Geheimdienstzen-trale mindestens drei Personen getotet. Niemand uber-nimmt die Verantwortung fur die Anschlage. Die USAmachen al-Qaida verantwortlich, wahrend Somalilandam 27. November die islamistischen Shabab-Milizen ausSudsomalia beschuldigt, die Anschlage ausgefuhrt zuhaben [→ Somalia (UIC)].

Maßnahmen derKonfliktbearbeitung

Verhandlungen und AbkommenIn mindestens 77 der gegenwartigen 345 Konflikte hal-ten die Konfliktparteien – oder wenigstens einige derKonfliktparteien – Gesprache, Verhandlungen oder Kon-ferenzen ab.Insgesamt belauft sich die Zahl der Gesprache in die-sen Konflikten auf mindestens 208. Davon werden min-destens 62 in hochgewaltsamen und mindestens 57 inKonflikten mittlerer Intensitat gefuhrt, sowie mindestens89 in nichtgewaltsamen Auseinandersetzungen. In Bo-livien halten Regierung und Opposition mindestens 20Treffen ab und schließen schließlich am 20. Oktober einAbkommen, das ein Verfassungsreferendum am 25. Ja-nuar 2009 sowie Wahlen im Dezember 2009 vorsieht

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8 Konfliktbarometer 2008

[→ Bolivien (Opposition)]. Jeweils mindestens zehn Ver-handlungsrunden werden in den Konflikten Kolumbien– Equador, Griechenland – Mazedonien und Moldau(Transnistrien) gefuhrt, enden jedoch ergebnislos. Ins-gesamt enden die Verhandlungen in ungefahr der Halfteder 77 Konflikte, in denen Gesprache gefuhrt werden,ohne dass ein Abkommen erzielt wird.

Anzahl von Verhandlungen 2008 nach Intensitat

� 2008

1313

8686

4747

3939

2323

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Anz

ahlK

onfli

kte

Latenter Konflikt ManifestierterKonflikt Krise Ernste Krise Krieg

Die Konfliktparteien unterzeichnen 52 Vertrage in ins-gesamt 37 Konflikten, davon zwolf im subsaharischenAfrika, elf in Europa, acht in Asien und Ozeanien undsechs im Vorderen und Mittleren Orient. In hochgewalt-samen Konflikten schließen die Konfliktparteien 22 Ab-kommen miteinander, darunter elf Waffenstillstandsver-trage. Zehn Ubereinkunfte werden in Konflikten mittlererIntensitat und 20 in Konflikten niedriger Intensitat erzielt.In den neun Kriegen fuhren die Konfliktparteien in dreiFallen keinerlei Verhandlungen [→ Sudan (Darfur); SriLanka (LTTE); Turkei (PKK/KONGRA-GEL / Kurdenge-biete)]; in zwei Fallen werden zwar Gesprache gefuhrt,enden aber ergebnislos [→ Chad (verschiedene Rebel-lengruppen); Afghanistan (Taliban)]. Im Krieg zwischenislamistischen Aufstandischen und der Foderalen Uber-gangsregierung (TFG) in Somalia schließen verschie-dene Konfliktparteien mehrere Abkommen miteinander[→ Somalia (UIC)]. Im Mai beginnen in Dschibuti Frie-densgesprache zwischen der Allianz fur die Wiederbe-freiung Somalias (ARS), einer oppositionellen Vereini-gung von Islamisten und anderen Mitgliedern der Op-position, mit Sitz in Eritrea. Nach von der UN vermittel-ten Gesprachen vom 31. Mai bis 9. Juni unterzeichnenARS und TFG einen Friedensvertrag. Allerdings wirdder Friedensschluss sofort von einer Hardliner-Fraktionder ARS abgelehnt, was zu einer Spaltung in der ARSfuhrt. Neuerliche Waffenstillstandsabkommen und Ver-trage, die die geschlossenen Abkommen bekraftigen,werden am 18. August, 26. Oktober und 26. Novembergeschlossen, wobei das letztgenannte zusatzlich Vor-schlage bezuglich einer Machtteilung beinhaltet. Jedochgehoren weder der Prasident der TFG, Abdullahi Yusuf,noch die militante islamistische al-Shabab-Gruppe unddie Hardliner-Fraktion der ARS zu den Unterzeichnerndes Abkommens.Im pakistanischen Swat-Tal in der Nordwestprovinzfuhren Friedensgesprache zwischen dem militantenTaliban-Unterstutzer Maulana Fazullah und der pakis-

tanischen Regierung zu einem Waffenstillstand und ei-ner nur vorubergehenden Deeskalation [→ Pakistan(Islamisten)]. Von November an werden 2.000 Men-schen in den heftigen Kampfen getotet. Im Irak been-det am 10. Mai ein Waffenstillstand zwischen der al-Sadr-Gruppe und der Regierung Kampfe, die insgesamtbis zu 1.000 Menschenleben gefordert und mindestens2.500 weitere Menschen verletzt haben [→ Irak (al-Sadr-Gruppe)]. Auch im Konflikt zwischen Russland und Ge-orgien finden Verhandlungen unter internationaler Ver-mittlung statt [→ Russland – Georgien].

Internationale Organisationen

Die Vereinten Nationen (UN) unterhalten 20 Missio-nen. Davon werden 17 von der UN-HauptabteilungFriedenssicherungseinsatze (DPKO) durchgefuhrt, dieverbleibenden drei sind politische Missionen der UN-Hauptabteilung Politische Angelegenheiten oder vomDPKO unterstutzt. Unter den letzteren befinden sichdie Unterstutzungsmission der Vereinten Nationen in Af-ghanistan (UNAMA) mit einer Starke von 253 zivilenAngestellten internationaler Herkunft, 1.127 einheimi-schen zivilen Angestellten sowie 15 militarischen Be-obachtern, zwei Polizisten und 40 Freiwilligen der UN;das Integrierte Buro der Vereinten Nationen in Sier-ra Leone (UNIOSIL) mit 55 Zivilangestellten interna-tionaler Herkunft, 156 einheimischen Zivilangestellten,funf Militarbeobachtern, zwei Polizisten und 18 UN-Freiwilligen, sowie das Integrierte Buro der VereintenNationen in Burundi (BINUB) mit 117 Zivilangestellteninternationaler und 229 Zivilangestellten lokaler Her-kunft, acht Militarbeobachtern, neun Polizisten und 47Freiwilligen der UN. UNIOSIL wird von UNIPSIL ab-gelost. Insgesamt betragt die Personalstarke der Frie-denssicherungseinsatze im Oktober 90.243 Mann, dar-unter 12.125 Polizisten, 75.512 Soldaten und 2606 Be-obachter, nachdem sie im Januar ein Hoch von 90.883Mann erreicht hatte – die hochste Zahl zwischen 1995und 2008. Im Januar 2005 hatte die Personalstarke derUN-Friedenssicherungseinsatze 60.050 Mann betragen;im Juni 1999 war ein Tiefpunkt von 12.084 Mann erreichtgewesen.Erneut stellen Pakistan mit 10.637 Mann (Stand: Okto-ber 2008), Bangladesch mit 9.619 und Indien mit 8.834Mann die großten Kontingente von Soldaten und Polizei-kraften bei UN-Operationen; gemeinsam bieten sie da-mit ein Drittel der UN-Blauhelme auf. Somit setzt sich derTrend, dass die Lander der Sudhalbkugel den großtenTeil der Last der Friedenssicherungseinsatze tragen,fort. Dies trifft insbesondere bei UN-Missionen in Afrikazu. Daraus resultiert eine neue Spaltung in diejenigen,die die Friedenssicherung durchfuhren bzw. bei denender Frieden gewahrt wird auf der einen Seite, und dieje-nigen, die die Operationen finanzieren und kontrollieren,auf der anderen. Deutschland tragt im Januar ein Maxi-mum von 758 Mann zu acht Missionen (UNAMA, UNI-FIL, UNMEE, UNMIK, UNMIL, UNMIS, UNOMIG) bei,davon allein 544 zu UNIFIL. Im Oktober ist diese Zahlauf 410 Mann in sieben Missionen (dieselben bis aufUNMEE) gesunken.

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Globales Konfliktpanorama 9

Bis zum 31. Oktober belauft sich die Anzahl der 2008zu Tode gekommenen Mitarbeiter von UN-Missionen auf109, verglichen mit 90 im Jahr 2007. Zwischen 1948und 2008 sind insgesamt 2.435 Menschen wahrend ih-res Einsatzes in einer UN-Mission ums Leben gekom-men, 128 davon aus Indien, 114 aus Kanada, jeweils 99aus Pakistan und dem Vereinigten Konigreich, 98 ausFrankreich, 94 aus Nigeria und 92 aus Bangladesch. Diezehn Lander, die den großten finanziellen Beitrag zu denUN-Friedenssicherungseinsatzen leisten, sind die USA,Japan, Deutschland, das Vereinigte Konigreich, Frank-reich, Italien, China, Kanada, Spanien und die RepublikKorea (Stand: Januar 2008). Die Vollversammlung derVereinten Nationen bestimmt die Beitrage anhand einerSkala, die den relativen wirtschaftlichen Wohlstand derMitgliedsstaaten berucksichtigt, wobei die standigen Mit-glieder des UN-Sicherheitsrats entsprechend ihrer be-sonderen Verantwortung einen hoheren Anteil uberneh-men mussen. Zusatzlich stellen viele Lander freiwilligweitere Ressourcen, die nicht ruckerstattet werden, inForm von Transport, Versorgungsleistungen, Personalund finanziellen Beitragen, uber ihren festgelegten antei-ligen Beitrag an den Friedenssicherungskosten hinausbereit.Außer UNIPSIL wird keine neue Mission entsendet. Al-lerdings beginnt die komplexe Hybride Mission der Afri-kanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur(UNAMID), die am 31. Juli 2007 vom UN-Sicherheitsratbewilligt worden ist, am 31. Dezember 2007 formal ih-re Tatigkeit [→ Sudan (Darfur)]. Im September 2008hat UNAMID ihre genehmigte Starke von bis zu 9.555Soldaten und 6.432 Polizisten noch nicht erreicht, son-dern zahlt lediglich insgesamt 10.461 Uniformierte, dar-unter 8.287 Soldaten. Die Zahl der Todesopfer unter denMissionsangehorigen belauft sich auf zwolf Soldaten,vier Polizisten und einen einheimischen Zivilangestell-ten. In UNAMID druckt sich das Ziel der UN, zunehmendstrategische Partnerschaften mit multilateralen und re-gionalen Organisationen einzugehen, aus.Eine Mission, die Mission der Vereinten Nationen inAthiopien und Eritrea (UNMEE), endet im Juli, obwohldie Spannungen zwischen den beiden Landern uber derFrage der Grenzdemarkation 2007 bis hin zur Gefahr ei-nes erneuten Militargangs gestiegen sind [→ Athiopien– Eritrea]. UNMEE war acht Jahre zuvor, im Juli 2000,eingerichtet worden, um die Verbindung zu den Par-teien aufrechtzuerhalten und einen Mechanismus zurUberwachung des Waffenstillstandes zu etablieren, denAthiopien und Eritrea nach von Algerien und der Orga-nisation der Afrikanischen Einheit vermittelten Annahe-rungsgesprachen unterzeichnet hatten. Seit September2000 war UNMEE autorisiert gewesen, das Ende derFeindseligkeiten zu uberwachen und zur Sicherstellungder Befolgung der eingegangenen Sicherheitsverpflich-tungen beizutragen.Wie bereits in den Vorjahren stellt Afrika sudlich der Sa-hara die Region dar, in der mit neun Missionen (ein-schließlich UNMEE) die meisten UN-Missionen tatigsind: die beiden politischen Missionen BINUB in Burundiund UNIOSIL in Sierra Leone, MINURCAT in der Zen-tralafrikanischen Republik und Tschad, MONUC in der

DR Kongo, UNOCI in Cote d’Ivoire, UNMEE in Athiopienund Eritrea, UNMIL in Liberia, UNMIS im Sudan und UN-AMID in der Darfur-Region des Sudan. Der Vordere undMittlere Orient folgt mit funf zeitgleichen UN-Missionen,namentlich der politischen Mission UNAMA in Afghanis-tan, UNTSO in Israel, UNDOF auf den Golanhohen zwi-schen Israel und Syrien, UNIFIL im Libanon und MINUR-SO in der Westsahara (Marokko). Trotz der hohen Ge-samtzahl der Konflikte und auch hochgewaltsamer Aus-einandersetzungen in Asien und Ozeanien fuhrt die UNdort nach wie vor nur zwei Friedenssicherungseinsatzedurch (UNMOGIP in Indien und Pakistan sowie UNMITin Osttimor). In Europa unterhalt die UN mit UNFICYP inZypern, UNOMIG in Abchasien (Georgien) und UNMIKin Kosovo (Serbien) eine Mission mehr als in Asien undOzeanien. Wie in den vergangenen Jahren ist die Stabi-lisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (MINU-STAH) die einzige UN-Mission in den Amerikas.Insgesamt setzt die internationale Gemeinschaft weiter-hin immer starker auf robuste Mandate und entsendetBlauhelme auch in hochgewaltsame Konflikte. Allerdingssetzt die UN zur Wahrung oder Wiederherstellung vonFrieden und Sicherheit auch Maßnahmen ein, die keineEntsendung militarischen Personals beinhalten. Zu der-artigen Maßnahmen gehoren Sanktionen. Im Jahr 2008erhalt die UN wie im Jahr 2007 elf Sanktionsregime auf-recht, 2006 waren es neun gewesen. Diese Sanktio-nen betreffen erstens sieben Staaten im subsaharischenAfrika (Cote d’Ivoire, DR Kongo, Liberia, Ruanda, Sier-ra Leone, Somalia und Sudan). Zweitens erhalt die UNdas 2006 verhangte Waffenembargo gegen die Volksre-publik Korea aufrecht sowie ein weiteres Waffenembar-go und die Einfrierung der Konten gegen hochrangigeAngehorige des ehemaligen Regimes im Irak und derenengste Familienangehorige. Drittens bleibt ein Reisever-bot wie auch eine Einfrierung der Konten gegen Individu-en, die verdachtigt werden, an dem 2005 verubten todli-chen Terroranschlag gegen den libanesischen Premier-minister Rafik Hariri, bei dem außer ihm auch 22 weiterePersonen ums Leben gekommen sind, in Kraft; ebensogegen al-Qaida, die Taliban und mit ihnen in Verbindungstehende Individuen und Vereinigungen.Hinsichtlich der in Konflikten eingesetzten Waffen wirdam 30. Mai in der irischen Hauptstadt Dublin ein interna-tionaler Vertrag angenommen und am 3. Dezember zuUnterzeichnung freigegeben. Der Vertrag zur Achtungvon Streubomben verbietet den Einsatz, die Herstellungwie auch die Beschaffung von Streubomben und sollam ersten Tag des sechsten Monats nach der dreißigs-ten Ratifikation in Kraft treten. Der Oslo-Prozess, derzum Abschluss des Vertrags gefuhrt hat, hatte im Fe-bruar 2007 in der norwegischen Hauptstadt begonnen;im Mai 2007 war ein Treffen in der peruanischen Haupt-stadt Lima gefolgt. Die Prinzipien, die der Vertrag ent-halten soll, werden am 22. Februar in dem abschließen-den Vortreffen in Wellington (Neuseeland) dargelegt. ImNovember verabschiedet das Europaische Parlament ei-ne Resolution, die alle Regierungen der EU aufruft, dasAbkommen zu unterzeichnen und zu ratifizieren, da ei-nige EU-Staaten noch nicht ihre Absicht hierzu verlaut-bart hatten. Finnland hatte erklart, es werde nicht unter-

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zeichnen. 92 Lander unterzeichnen den Vertrag, darun-ter alle EU-Lander bis auf Finnland, Polen, Rumanien,die Slowakei, Griechenland und Zypern. Zu den Nicht-unterzeichnern gehoren auch die Hauptproduzenten vonStreumunition, darunter die USA, Russland, China, Indi-en, Pakistan und Brasilien.Streubomben bezeichnen einen Munitionstyp, der – ausder Luft abgeworfen oder am Boden eingesetzt – bei sei-ner Explosion eine große Anzahl von kleinerer Submu-nition uber eine weite Flache verteilt; nicht-explodierteBomblets, die noch lange nach dem Ende eines Ge-waltkonfliktes Zivilisten toten oder verstummeln konnen,aufzufinden und zu entfernen ist sehr kostspielig. Dieallgemeinen Regeln des humanitaren Volkerrechts zumSchutz der Zivilbevolkerung gelten wie fur alle Waffenauch fur Streumunition. Dennoch sind Streubomben imersten und zweiten Tschetschenien-Krieg (1995 bzw.1999) von Russland eingesetzt worden, ebenso von US-amerikanischen und britischen Streitkraften in der Bun-desrepublik Jugoslawien im Jahr 1999 [→ Serbien (Ko-sovo)], von den USA in Afghanistan im Jahr 2001 [→Afghanistan (Taliban)], von Israel wie von der Hisbol-lah 2006 im Libanon [→ Israel (Hisbollah)] sowie inSudossetien im August 2008 von Georgien [→ Georgi-en (Sudossetien)] und, laut Human Rights Watch, auchvon Russland [→ Russland – Georgien].Außer der UN unterhalten auch verschiedene Regional-organisationen im Jahr 2008 Missionen. So beschaftigtbeispielsweise die Organisation fur Sicherheit und Zu-sammenarbeit in Europa (OSZE) ca. 3.000 Mitarbeiterin insgesamt 18 Missionen zur Vereinfachung politischerProzesse, Konfliktpravention oder -beilegung sowie zurForderung der Zivilgesellschaft und der Rechtsstaatlich-keit. Darunter sind sieben Missionen auf dem Balkan,namentlich Albanien, Bosnien-Herzegowina, Montene-gro, Serbien, Kosovo, Skopje (Mazedonien) und Zagreb(Kroatien). Hinzu kommen eine Mission in Moldawien,eine in Georgien sowie eine Geschaftsstelle in Minsk(Belarus), Baku (Aserbaidschan), Jerewan (Armenien)und Tadschikistan, Projektkoordinatoren in der Ukrai-ne und Usbekistan, OSZE-Zentren in Aschgabad (Ka-sachstan) und Bischkek (Kirgistan) sowie ein personli-cher Beauftragter des amtierenden OSZE-Vorsitzendenim Konflikt mit dem sich die Minsker Konferenz derOSZE befasst [→ Armenien – Aserbaidschan]. Im Zu-ge des Kriegs zwischen Russland und Georgien im Au-gust [→ Russland – Georgien], der eine schwere Her-ausforderung fur das bis dato bestehende System derkooperativen Sicherheit in Europa darstellt, gibt das Tref-fen des OSZE-Ministerrats Ende des Jahres 2008 Dis-kussionen uber die Rolle der OSZE neuen Antrieb. DieMinister einigen sich jedoch nicht auf eine gemeinsa-me politische Erklarung. Dennoch wird eine ministerialeStellungnahme zum Berg-Karabach-Konflikt abgegeben[→ Armenien – Aserbaidschan].Der Rat der Europaischen Union entsendet 2008 als Teilseiner Europaischen Sicherheits- und Verteidigungspoli-tik (ESVP) funf neue Missionen – zwei nach Europa unddrei ins subsaharische Afrika -, zusatzlich zu den neunbereits bestehenden EU-Missionen. Am 16. Februar, un-mittelbar vor der einseitigen Unabhangigkeitserklarung

des Kosovo, beschließt der Rat die Entsendung derPolizei- und Justizmission im Kosovo (EULEX) mit einemauf zwei Jahre ausgelegten Anfangsmandat [→ Serbien(Kosovo)]. EULEX stellt die bisher großte zivile Missi-on unter der ESVP dar und erreicht Anfang Dezembermit 1.300 internationalen und 500 einheimischen Mitar-beitern vorlaufige Einsatzbereitschaft. Ihre volle Starkevon 1.900 internationalen und 1.100 einheimischen Mit-arbeitern soll sie zum Ende des Winters 2009 errei-chen. Nach der Eskalation der Konflikte in Georgienauf eine hochgewaltsame Stufe [→ Georgien (Abchasi-en); Georgien (Sudossetien); Russland – Georgien)] be-schließt der Rat am 15. September die Einrichtung derEuropaischen Uberwachungsmission (EUMM) in Geor-gien, um in Ubereinstimmung mit dem von den Kon-fliktparteien im August unterzeichneten Sechs-Punkte-Abkommens zur Stabilisierung Georgiens und der um-liegenden Region beizutragen. Die EUMM wird am 1.Oktober entsendet. Ungefahr 340 Mitarbeiter werden indas Hauptquartier in der georgischen Hauptstadt Tiflissowie zusatzliche Außenstellen in den Stadten Gori, Po-ti und Sugdidi entsandt, hinzu kommen ungefahr 200Beobachter. Am 28. Januar beschließt die EU die EU-FOR Tschad/ZAR, eine militarische Uberbruckungsope-ration im Osten des Tschad und Nordosten der Zen-tralafrikanischen Republik, die die Versorgung mit hu-manitarer Hilfe erleichtern und zum Schutz der Zivil-bevolkerung wie des Personals, der Einrichtungen undAusrustung der UN beitragen soll [→ ZentralafrikanischeRepublik (verschiedene Rebellengruppen); Tschad (ver-schiedene Rebellengruppen)]. Die Mission erreicht ihrevolle Einsatzfahigkeit am 15. September; am 30. No-vember sind 3.400 Soldaten aus 25 europaischen Staa-ten im Einsatz. Am 12. Februar entscheidet der Rat, eineEU-Mission zur Unterstutzung der Reform des Sicher-heitssektors in der Republik Guinea-Bissau (EU SSRGuinea-Bissau) einzurichten. Der offizielle Beginn wirdauf Juni festgelegt, mit einer Starke von 21 internationa-len und 18 einheimischen Mitarbeitern. Sie ist die erstevollstandig im neueingerichteten Hauptquartier fur EU-Operationen zum zivilen Krisenmanagement, dem Zivi-len Planungs- und Durchfuhrungsstab (CPCC), geplanteMission. Am 23. November beschießt eine Gruppe vonSoldaten die Residenz des Prasidenten [→ Putsche].Jungst beschließt die EU, nach dem Ausbruch einer Se-rie der Piraterie und bewaffneten Raubes vor der soma-lischen Kuste, die Entsendung der militarischen Missi-on EU NAFOR Somalia. Zusatzlich zu diesen funf neu-en Mission unterhalt die EU neun weitere: drei in Euro-pa, zwei im subsaharischen Afrika und vier im Vorderenund Mittleren Orient. Namentlich sind dies die Grenzhil-femission der EU in Moldawien und der Ukraine (EU-BAM), die EU-Militaroperation in Bosnien-Herzegowina(EUFOR ALTHEA), die EU-Polizeimission (EUPM) inBosnien-Herzegowina, die Ende 2008 beendet werdensoll, die EU-Polizeimission fur die DR Kongo (EU POLDR Congo), die EU-Mission zur Unterstutzung der Re-form des Sicherheitssektors in der DR Kongo (EUSECDR Congo), die EU-Polizeimission in Afghanistan (EU-POL Afghanistan), die EU-Polizeimission in den Palasti-nensischen Autonomiegebieten (EUPOL COPPS), die

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Grenzbeobachtermission der Europaischen Union amGrenzubergang Rafah in den Palastinensischen Autono-miegebieten (EU BAM Rafah) und die integrierte Missionder EU zur Stutzung der Rechtsstaatlichkeit im Irak (EU-JUST LEX).Die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) unterhalt achtOperationen: In Europa unterhalt sie die mit ei-nem robusten UN-Mandat ausgestattete und vonder NATO gefuhrte KFOR im Kosovo, das NATO-Hauptquartier Sarajevo in Bosnien-Herzegowina, dasNATO-Hauptquartier Skopje in Mazedonien, das NATO-Hauptquartier Tirana in Albanien und die NATO-Verbindungsstelle Belgrad in Serbien. Im Vorderen undMittleren Orient unterhalt die NATO die ISAF in Afgha-nistan, ”Active Endeavor” im Mittelmeer als ein Teil dervielfaltigen Reaktionen der NATO auf ”die terroristischeBedrohung” und die ”NATO-Ausbildungsmission im Irak”(NTM-I) im Irak.Die Afrikanische Union (AU) verwaltet eine Mission inSomalia (AU-Mission in Somalia, AMISOM) sowie diehybride UN-AU-Mission UNAMID, die spat im Jahr 2007die AU-Mission im Sudan (AMIS), die seit 2004 in Darfurstationiert gewesen war, abgelost hat. Auch andere Re-gionalorganisationen wie etwa die ZentralafrikanischeWirtschafts- und Wahrungsgemeinschaft (CEMAC) un-

terhalten Operationen in Afrika sudlich der Sahara. EinBeispiel ist die Multinationale Truppe in Zentralafrika(FOMUC), eine Friedensmission der CEMAC, die diezentralafrikanische Regierung mit 380 Soldaten und 170Polizisten unterstutzt. Am 12. Juli wird die Verantwortungfur die FOMUC von der CEMAC auf die Wirtschaftsge-meinschaft zentralafrikanischer Staaten (ECCAS) ubert-ragen, was auch die Umbenennung der Mission in Missi-on fur die Konsolidierung des Friedens und der Sicher-heit (MICOPAX) zur Folge hat.In den Amerikas unterhalt die Organisation Amerikani-scher Staaten (OAS) ein standiges OAS-Buro in Haiti,das die einzige OAS-Mission zur Unterstutzung meh-rerer Wahlen in Haiti 2006 abgelost hat. Die Hauptauf-gaben des standigen Buros sind die Forderung der In-stitutionalisierung des provisorischen Wahlrats, die Un-terstutzung der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit sowieder soziookonomischen Entwicklung und die Starkungder inter-amerikanischen Zusammenarbeit im Kampf ge-gen die Drogenkriminalitat. Neben dem Buro in Haiti un-terhalt die OAS eine Mission zur Unterstutzung des Frie-densprozesses in Kolumbien (OAS/MAPP). OAS/MAPPist im Februar 2004 zur Uberprufung der Entwaffnungund Reintegration paramilitarischer Gruppen wie derAUC [→ Columbien (AUC)] ins Leben gerufen worden.

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Ubersicht: Aktuelle UN-Missionen zur FriedenssicherungMissionsabkurzung Name der Mission Beginn LandEuropa

UNOMIG Beobachtermission der UN in Georgien 1993 GeorgienUNFICYP Friedenstruppe der UN in Zypern 1964 ZypernUNMIK Interimsverwaltung der UN im Kosovo 1999 Serbien

Sub-Sahara AfrikaBINUB Integriertes Buro der UN in Burundi 2007 BurundiMONUC Mission der UN in der Demokratischen Republik Kongo 1999 Kongo (Kinshasa)UNMIS Mission der UN im Sudan 2005 SudanUNAMIS Mission der AU/UN in Dafur 2007 SudanUNMEE Mission der UN in Athiopien und Eritrea 2000 Athiopien, EritreaUNOCI Operation der UN an der Elfenbeinkuste 2004 Cote d’IvoireMINURCAT Mission der UN in der Zentralafrikanischen Republik und

in Tschad2007 Tschad

UNMIL Mission der UN in Liberia 2003 LiberiaUNIOSIL Integriertes Buro der Vereinten Nationen fur die Frie-

denskonsolidierung in Sierra Leone2006 Sierra Leone

UNIPSIL Integriertes Buro der Vereinten Nationen fur die Frie-denskonsolidierung in Sierra Leone

2008 Sierra Leone

AMISOM Mission der Afrikanischen Union in Somalia 2007 SomaliaDie Amerikas

MINUSTAH Stabilisierungsmission der UN in Haiti 2004 HaitiAsien und Ozeanien

UNMOGIP Militarbeobachtergruppe der UN in Indien und Pakistan 1949 Indien, PakistanUNMIT Integrierte Mission der UN in Osttimor 2006 Osttimor

Vorderer und Mittlerer Orient und MaghrebUNIFIL Interimstruppe der UN im Libanon 1978 LibanonUNAMA Unterstutztungsmission der UN in Afghanistan 2002 AfghanistanMINURSO UN Mission fur das Referendum in Westsahara 1991 MarokkoUNTSO Organisation der UN zur Uberwachung des Waffenstill-

stands1948 Israel

UNDOF Beobachtertruppe der UN fur die Truppenentflechtung 1974 Syrien, Israel

Autoritative Entscheidungen des IGH

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat die doppelteAufgabe, erstens Rechtsstreitigkeiten, die Staaten ihmvorlegen, in Ubereinstimmung mit dem internationalenRecht zu losen und zweitens, bevollmachtigten UN-Organen und Sonderorganisationen Gutachten in recht-lichen Fragen zu erteilen. Von der Grundung des IGHim Jahr 1947 bis November 2008 sind dem Gericht 142Falle vorgelegt worden. Im Beobachtungszeitraum sind17 Falle laufend, 15 davon auch noch am 30. Novem-ber. In acht der anhangigen Falle ist mindestens ei-ne der Parteien ein europaischer Staat. In einem die-ser Falle, Kroatiens Klage gegen Serbien wegen Volker-mords im Krieg 1991-1995, lost der Beginn der Debat-te bezuglich der Zustandigkeit des Gerichts am 26. Maieine Reihe von Gegenanschuldigungen bezuglich eth-nischer Sauberung seitens des serbischen Außenminis-ters Vuk Jeremic aus. Als das IGH am 18. Novemberseine Zustandigkeit in diesem Fall erklart, kundigt Jere-mic an, er werde eine Gegenklage einreichen aufgrundangeblicher Kriegsverbrechen gegen ethnische Serben.Milorad Pupovac, der Vorsitzende des Serbischen Natio-nalrates in Kroatien, bezeichnet die Entscheidung, das

IGH zu Rate zu ziehen, als ”Fortsetzung des Krieges” [→Kroatien (Kroatische Serben/Krajina, West- und Ostsla-wonien)]. Sechs der Falle beziehen sich auf Auseinan-dersetzungen zwischen amerikanischen Staaten; in vierweiteren Fallen ist mindestens eine beteiligte Partei einStaat des subsaharischen Afrika. In nur einem Fall sindasiatische Staaten involviert.In zwei Streifalle verkundigt der IGH sein Urteil: Am 23.Mai befindet der IGH mit zwolf zu vier Stimmen, dassdie Hoheit uber Pedra Branca/Pulau Batu Puteh bei Sin-gapur liegt. Der Streit war dem IGH auf der Basis einerbesonderen Ubereinkunft zwischen Malaysia und Singa-pur im Juli 2003 vorgelegt worden [→ Singapur – Ma-laysia]. In der Klage Dschibutis vom Januar 2006 gegenFrankreich bezuglich der Weigerung Frankreichs, ein in-ternationales Rechtshilfeersuchen auszufuhren, kommtdas Gericht einstimmig zu dem Schluss, dass Frankreichgegen seine internationalen Verpflichtungen verstoßenhat, indem es Dschibuti keinen Grund fur seine Weige-rung nannte. Neben diesen beiden Urteilen außert dasGericht vorgangige Einreden hinsichtlich des Gebiets-und Seestreits zwischen Nicaragua und Kolumbien [→Nicaragua – Kolumbien (Seegrenze)] und befindet, dassder 1928 zwischen den beiden Landern geschlossene

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Vertrag die Frage der Hoheit uber die Inseln San An-dres, Providencia und Santa Catalina regle. Daher er-klart es sich in dieser Frage fur nicht zustandig, im Unter-schied zu der Streitigkeit uber andere Meersteile und dieFrage der Grenzziehung auf dem Meer. Der Fall bleibtanhangig.Im Gegensatz zu den Vorjahren, in denen keine neuenKlagen erhoben worden sind, werden 2008 sechs neueFalle beim IGH eingereicht. Am 16. Januar reicht Pe-ru gegen Chile Klage ein hinsichtlich einer Auseinan-dersetzung uber den Verlauf der Seegrenze zwischenden beiden Staaten [→ Peru – Chile (Grenzverlauf)].Ekuador reicht am 1. April Klage ein gegen Kolum-bien aufgrund der mutmaßlichen Verspruhung giftigerHerbizide uber ekuadorianischem Territorium durch ko-lumbianische Flugzeuge [→ Kolumbien – Ekuador]. Am5. Juni beantragt Mexiko eine Auslegung des Urteilsvom 31. Marz 2004 im Fall Avena u.a. mexikanischeStaatsburger vs. USA und beantragte eine einstweiligeAnordnung [→USA – Mexiko (Grenzzaun)]. Der Fall wirdverhandelt (Stand: 30. November). Vor dem Hintergrunddes Krieges im August [→ Russland – Georgien] erhebtGeorgien am 12. August auf der Grundlage der Verlet-zung der UN-Rassendiskriminierungskonvention gegenRussland und reicht zwei Tage spater einen Antrag aufeine einstweilige Anordnung nach. Am 15. Oktober ord-nete das Gericht unter anderem an, dass beide Seitenvon jeglichem Akt der rassischen Diskriminierung sowievon der Finanzierung, Verteidigung oder Unterstutzungsolcher Handlungen absehen sollen, dass beide Partei-en humanitare Unterstutzung erleichtern und jede Akti-on, die die jeweiligen Rechte der Parteien beeintrachti-

gen konnte oder die Auseinandersetzung verschlimmertoder verlangert, unterlassen sollen. Am 17. Novembererhebt Mazedonien Klage gegen Griechenland aufgrundder Verletzung von Artikel 11 der Zwischenvereinba-rung vom 13. September 1995 und behauptet dabei ins-besondere, Griechenland habe den Beitritt Mazedoni-ens zur NATO mit einem Veto verhindert, um die Beile-gung der Differenzen um den verfassungsmaßigen Na-men des Antragstellers als eine essentielle Vorbedin-gung zu machen [→ Griechenland – Mazedonien]. DieUN-Vollversammlung beantragt am 10. Oktober ein Gut-achten hinsichtlich der einseitigen Unabhangigkeitser-klarung des Kosovo vom 17. Februar [→ Serbien (Ko-sovo)].Im Beobachtungszeitraum werden zwei Falle angehortoder verhandelt: Rumaniens Klage gegen die Ukrainebezuglich der Seegrenze zwischen den beiden Staa-ten im Schwarzen Meer sowie Mexikos Antrag auf Aus-legung eines Urteils. Im September halt der IGH dieoffentlichen Anhorungen im Fall Rumanien gegen Ukrai-ne ab und beginnt anschließend mit der Verhandlung[→ Rumanien – Ukraine]. Montenegro und Kroatien be-schließen, ihre Grenzstreitigkeit bezuglich der HalbinselPrevlaka vor den IGH zu tragen. Nach Gesprachen mitdem montenegrinischen Premierminister Milo Djukano-vic in der kroatischen Hauptstadt Zagreb gibt der kroati-sche Premier Ivo Sanader am 12. Marz bekannt, dassdie beiden Lander ubereingekommen seien, in ihrerGrenzstreitigkeit den IGH anzurufen und eine gemein-same Grenzdemarkationskommission einzurichten. Am30. November ist dies noch nicht umgesetzt worden.

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CONISDas HIIK erfasst in seiner Datenbank Kosimo Informationen zu politischen Konflikten ab 1945. Seit 2003 fuhrt es einrelationales Datenbanksystem, das den Datensatz von Kosimo 1 vollstandig uberarbeit, aktualisiert und erweitert hat.Derzeit enthalt Kosimo 2 Informationen zu weit mehr als 500 Konflikten in uber 12.000 Teilphasen. Die neue Konzeptionermoglicht die detaillierte Darstellung des Konfliktverlaufs in gewaltsamen und nichtgewaltsamen Phasen anhand dersystematischen Erfassung der Einzelmaßnahmen des Konfliktaustrags. Die Datenbank enthalt zudem umfangreicheAngaben zur Struktur staatlicher und nicht-staatlicher Akteure, die in Jahreszeitreihen erfasst sind.

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Imprint

Herausgeber: HIIK - HEIDELBERGER INSTITUT FUR INTERNATIONALE KONFLIKTFORSCHUNGam Institut fur Politische Wissenschaften, Universitat Heidelberg, Marstallstrasse 6, D-69117 Heidelberg

Autoren (Gruppenleiter sind kursiv abgedruckt):Europa: Jan Deuter (jd), Alan Gotz (aog), Anne Lubbers (al), Jana Allenberg (jb), Nils Bentzien (nb), Sophia Gappisch(sga), Marius Gehrmann (mag), Anja Geyer (ag), Sebastian Haag (sh), Dominik Hattrup (dh), Alexander Jossifidis (aj),Marion Kipiani (mak), Larisa Okhotina (lo), Velina Rudarska (vl), Lukas Welz (lw), Sebastian Zilch (sez)

Sub-Sahara Afrika: David Epp (de), Steffen Kassner (sk), Heidrun Lotta Mayer (hlm), Rudiger Schwarz (rs) AdrianBoos (ab), David Brenner (dbr), Thimna Bunte (tb), Peer Bohrnsen (pb), Jan Deuter (jd), Matthias Gerber (mg), PhilmonGhirmai (pg), Laura Gromis (lg), Norman Gunther (ng), Melina Heinrich (mh), Andras Hettyey (ahe), Annette Kappler(kaa), Judith Kindinger (jek), Julia Kronberg (jk), Sonja Meyer (som), Bastian Specht (bs), Stefanie Wodrig (sw)

Amerika: Jens Hofmann (jjh), Friedemann J. Schirrmeister (fs), Cletus Gregor Barie (cgb), Lukas Cladders (lc), EvaGutjahr (eg), Alan Gotz (aog), Michael Mannel (mgm), Frederick Ranitzsch (frz), Christoph Rehm (cr), Konstantin Wit-schel (kow), Sebastian Zilch (sez)

Asien und Ozeanien: Andre Rapp (ar), Christoph Trinn (ct), Thomas Wencker (thw), Jan Deuter (jd), Stefan Diederich(sdi), Kristine Doll (kld), Vanessa Elges (ve), Dominik Frommherz (dfr), Stephan Giersdorf (sg), Mark Gombert (gm),Dominik Imhof (di), Martin Lentzen (ml), Kazimir Menzel (kaz), Elisabeth Militz (em), Gregor Pawlowski (gp), Julia Poer-ting (jp), Andre Rapp (ar), Nikolaus Rentrop (nr), Linus Rob (lr), Pascal Sadaune (ps), Friedemann J. Schirrmeister (fs),Rene Schlee (rs), Caja Schleich (cs), Ulrike Schubert (us), Suat Selcuk (sus), Lars Stowesand (ls)

Vorderer und Mittlerer Orient: Daniel Braner (db), Suat Selcuk (sus), Silke Zaulig (sz), Michaela Bottner (mb), MichaelHehn (hm), Imme Karbach (im), Hanna Janina Klein (hk), Hendrick Lehmann (hl), Sebastian Lingsch (sl), Holger Os-wald (ho), Tobias Selge (tse), Philipp Trein (ptr), Klaus Frederik Vettel (kv), Sebastian Wieland (sw), Thomas Zaelke (tz),Khaled Znaidi (khz)

Redaktion: Julian-G. Albert, Daniel Braner, Alan Gotz, Jan Deuter, David Epp, Norman Gunther, Jens Hoffmann, Pa-mela Jawad, Steffen Kassner, Marion Kipiani, Anne Lubbers, Heidrun Lotta Mayer, Holger Oswald, Andre Rapp, Fritz J.Schirrmeister, Rudiger Schwarz, Suat Selcuk, Christoph Trinn, Thomas Wencker, Silke Zaulig

Datenbank und Statistische Analyse: Julian-G. Albert, Lars Scheithauer, Nicolas Schwank

Layout: Julian-G. Albert, Lars Scheithauer

Konzeptionalisierung: Pamela Jawad, Nicolas Schwank

Chefredaktion: Pamela Jawad, Heidrun Lotta Mayer

Wir bedanken uns herzlich bei allen Korrektoren dieser Ausgabe fur ihre Hilfe und wertvollen Hinweise!

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Heidelberger Institut furInternationale Konfliktforschung

am Institut fur Politische Wissenschaft der Universitat Heidelberg

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