klimaerwaermung und extensive bewirtschaftung

4
Der Alm- und Bergbauer 10/13 5 Verungrasung und Verunkrautung wertvoller Almweiden DI Siegfried Steinberger >> Fotos: Steinberger > Im Rahmen der Österreichischen Almwirtschaftstagung 2013 in Kitzbühel zeigte DI Siegfried Steinberger von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub (LfL) auf, welche Gründe zur Verschlechte- rung der Weideflächen auf den Almen führen und mit welchen Strategien dagegen vorgegangen werden kann. Klimaerwärmung und „extensive“ Bewirtschaftung

Upload: lfi-oesterreich

Post on 23-Mar-2016

225 views

Category:

Documents


2 download

DESCRIPTION

http://www.almwirtschaft.com/images/stories/neuigkeiten/2013/der_alm_und_bergbauer_inhaltsverzeichnis/Klimaerwaermung_und_extensive_Bewirtschaftung.pdf

TRANSCRIPT

Page 1: Klimaerwaermung und extensive bewirtschaftung

Der Alm- und Bergbauer 10/13 5

Verungrasung und Verunkrautung wertvoller Almweiden

DI Siegfried Steinberger >>

Foto

s: S

tein

berg

er

>

Im Rahmen der Österreichischen Almwirtschaftstagung 2013 in Kitzbühel zeigte DI Siegfried Steinbergervon der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub (LfL) auf, welche Gründe zur Verschlechte-rung der Weideflächen auf den Almen führen und mit welchen Strategien dagegen vorgegangen werdenkann.

Klimaerwärmungund „extensive“

Bewirtschaftung

Page 2: Klimaerwaermung und extensive bewirtschaftung

6 Der Alm- und Bergbauer10/13

Während der letzten Jahr-zehnte musste auf vielen Almen, zu-mindest auf Teilflächen, ein Verlust an„wertvollen Weideflächen“ verzeichnetwerden. Zunächst zeigt sich eine zu-nehmende Verungrasung; d.h. Teilbe-reiche der Alm werden über den Som-mer hinweg nicht mehr ausreichend ab-gegrast und dadurch überständig. AlsFolge werden wertvolle Untergräser,Kräuter und Blütenpflanzen aus derFläche verdrängt. Auf solchen Flächenbreiten sich schnell verholzende Ober-gräser und vor allem der gefürchteteBürstling (Borstgras) aus.

UmweltschutzNeben des drastischen Verlustes an

wertvollen Futterflächen, sind derartigeEntwicklungen auch aus Umweltschutz-gründen als bedenklich einzuordnen. Diebis zu 30 cm langen dürren Halme undBlätter legen sich hangabwärts überein-ander und können wie eine frühereStroheindeckung der Dächer wirken.Starkregen, wie er bei Gewitterschauernin den Bergen häufig auftritt, läuft überdiese Abdeckung aus Weideresten ohnein den Boden einzusickern rasch tal-wärts. Dies führt zu einem sprunghaftenWasseranstieg kleinerer Gräben undBachläufe und erhöht anschließend dieHochwassergefahr im Tal.Diese überlappenden Pflanzenreste

wirken im Winter wie eine Rutschbahn

und bieten in steileren Lagen denSchneemassen keinen ausreichendenHalt. Ein vermehrtes Abgleiten vonSchneebretten und Lawinen ist die Fol-ge.Der zunehmende Weiderest bewirkt

eine steigende Rohhumusauflage undführt folglich zu einer Versauerung desOberbodens. Je nach Höhenlage, Bo-denbeschaffenheit und Bodenunter-grund entwickelt sich entweder eineVerbuschung mit z.B. Almrausch,Blaubeeren, Heidekraut, Adlerfarn oderSträuchern (Wacholder, Rosengewäch-se, Brombeeren), bzw. erfolgt eine Wie -derbewaldung.Nachfolgend werden Ursachen der

zunehmenden Verungrasung und Ver-buschung aufgezeigt.

HistorieVom 15. bis in das 19. Jahrhundert

konnte in Europa die sogenannte „kleineEiszeit“ beobachtet werden. Dabeiherrschten kühle, verregnete Sommermit relativ kurzer Vegetationszeit. EinGroßteil der landwirtschaftlich nutzba-ren Flächen wurde direkt zur mensch-lichen Ernährung benötigt. Die Viehhal-tung in dieser Periode beschränkte sichgrößtenteils auf „Abfallverwertung“ undextensive Weidehaltung. Vor allem dieWintermonate waren für das Vieh oft-mals von großer Futternot gekennzeich-net. Nach der Schneeschmelze wurde

das (überlebende) Vieh aus den Ställenin die Wälder getrieben, wo die „ausge-hungerten“ Tiere großen Schaden an-richteten. Aus diesem Grunde wurdenim Verlauf dieser Periode vielfach Wei-derechte festgeschrieben. Ein häufiganzutreffendes Recht besagte, dass dieAnzahl an Tieren gesömmert werdendarf, welche am Heimbetrieb über denWinter ernährt werden konnte. Geradediese Verordnung brachte vielfach fürdie Tiere zusätzliches Leid, da es denWinter „nur“ überleben musste um dieAnzahl für die Sommerweiden sicher-zustellen. Mancherorts wurde dadurchder Begriff „Schwanzvieh“ geprägt. Eshandelt sich dabei um das ausgemergel-te Vieh, welches ausgangs Winterwegen Schwäche liegend am Schwanzaus den Ställen auf die Weiden gezogenwerden musste.Diesem Umstand geschuldet, wurde

dazu übergegangen, feste Auftriebsre-geln festzulegen. Neben den Tiergat-tungen (Rinder, Ziegen, Schafe, Pferde,etc.) wurden die Anzahl der Tiere sowiederen Futterverbrauch festgelegt. Sowurde z.B. eine Kuh als 1 „Kuhgras“bzw. Recht, eine trächtige Kalbin alsdrei Viertel sowie ein Rind als ein hal-bes „Kuhgras“ festgelegt um den unter-schiedlichen Futteransprüchen gerechtzu werden.Zudem wurden der Vegetation an-

gepasste Auftriebszeiten festgelegt,welche besagten, wann eine entspre-chende Weide oder Alm bestoßen wer-den durfte. Damit sollte vorwiegendeine Übernutzung der Waldweiden undsomit Schäden am Waldbestand ver-mieden werden. Diese Rechte haben sich über die

Jahrhunderte bewährt und sorgtenmeist für eine geordnete Almweide-wirtschaft. In den letzten Jahrzehnten

Nach unten gerichtete Bodenabde-ckung nach der Schneeschmelze.

Foto

s: S

tein

berg

er

Page 3: Klimaerwaermung und extensive bewirtschaftung

Der Alm- und Bergbauer 10/13 7

zeigten sich diese überlieferten Rege-lungen aber als überholt und teilweisezum Nachteil der Almbewirtschaftung.

KlimawandelZunächst nur diskutiert, ist mittler-

weile der allgemeine Klimawandel all-zeit zu beobachten. Seit Mitte des ver-gangenen Jahrhunderts, insbesondereseit den 80er-Jahren lässt sich ein ra-santer Anstieg der mittleren Jahrestem-peratur beobachten. Im Stauraum derAlpen werden zudem die Sommernie-derschläge mehr und die Winter trocke-ner. Diese Kombination führt dazu,dass die Futtererträge in den Höhenla-gen zunehmen. Dies bedeutet für dieAlmbewirtschaftung, dass im Vergleichzu den 60er-Jahren des letzten Jahrhun-derts mehr gewachsenes Futter zur Ver-fügung steht. Eine weitere, nur wenig wahrge-

nommene Entwicklung auf Grund derErderwärmung, ist die Verschiebungder phänologischen Jahreszeiten. Dabeiwerden Naturerscheinungen wie Blüte,Reife und Blattveränderung verschie-dener Baum- bzw. Straucharten zur Be-schreibung der Jahreszeiten dokumen-tiert. So wird am Standort Weihenste-phan der Blühbeginn der Kornelkirscheum etwa 2 - 3 Wochen früher als in den1960er-Jahren beobachtet.Bei einem Vergleich der dargestell-

ten Zeiträume kann eine deutliche Ver-schiebung der Jahreszeiten beobachtetwerden. Der Winter endet etwa um 2 - 3Wochen früher, so dass sich die Phasedes Vorfrühlings zur Haselblüte unddes Erstfrühlings ausdehnen und vor al-

lem früher beginnen.Ebenso kann ein frü-herer Sommerbeginn,gemessen an der Ho-lunderblüte, nachge-wiesen werden. DerSpätsommer hinge-gen verkürzt sich,d.h. es erfolgt ein na-hezu direkter Über-gang vom Hochsom-mer in den Früh-herbst.

Höhere Futter -erträge

Für den Almbau-ern bedeutet dies,dass auf den Almenheutzutage das Gras-wachstum um etwa drei Wochen frühereinsetzt als in den 1960er-Jahren. Aufvielen Almen ist der Auftriebsterminaufgrund der Gegebenheit frühererJahrhunderte festgelegt, bzw. erfolgtder Auftrieb traditionell an bestimmtenTagen. Dadurch findet das ankommen-de Vieh bereits einen entsprechendenhöheren Weidebestand als in früherenJahrzehnten vor. Der Temperaturan-

stieg bewirkt zudem eine Ertragssteige-rung der Almweiden, vor allem eineZunahme „ertragreicherer“ Flächen mitzunehmender Höhenlage ist zu beob-achten. Wo sich in früheren Jahren aufGrund einer kurzen Vegetationszeit undniedrigen Temperaturen, nur ein mäßi-ger Aufwuchs bildete, entwickeln sichheutzutage ertragreichere Aufwüchse.Auf den Almen steht somit bei gleich-

Schneebrettabgang auf einer Bürstlingunterlage (o.). MassiveAusbreitung von Adlerfarn und Blaubeeren mit beginnenderWiederbewaldung (u.).

>

Phänologische Uhr für die Weihenste-phaner Leitphasen, mittlerer Beginnund Dauer der phänologischenJahreszeiten, Zeiträume 1961 - 1990und 1991 - 2006 im Vergleich.

Page 4: Klimaerwaermung und extensive bewirtschaftung

8 Der Alm- und Bergbauer10/13

bleibender Weidefläche mehr Futter zurVerfügung.

Auftriebszahlen und Futter-verbrauch

Aus den Aufzeichnungen des Alm-wirtschaftlichen Vereins Oberbayern(AVO) von 1950 und 2006 ist zu ent-nehmen, dass in diesem Zeitraum aufden oberbayrischen Almen die Anzahlder Kühe drastisch (- 80%) zurückge-gangen ist. Ebenso der Auftrieb anPferden (- 30%) und Schafen (- 65%).Demgegenüber steht eine Zunahme derAuftriebszahlen beim Jungvieh (+ 20%)von 15.000 auf 18.000 Tiere.Diese Entwicklung hat zur Folge,

dass es zu einer Veränderung der Fut-terverzehrsmengen kommt. Werden fürdie jeweiligen Tiergattungen realisti-sche Futteraufnahmen angenommenund mit der entsprechenden Tierzahlhochgerechnet, dann ergibt sich für denangegebenen Zeitraum ein Minderbe-darf an Futter von 20%.Insgesamt finden wir also auf vielen

Almen im Vergleich zu früheren Jahr-zehnten eine längere Vegetationszeit,höhere Futtererträge bei einem gleich-zeitig rückläufigen Futterverbrauchvor.

WeideformEinen nicht unerheblichen Anteil an

der zunehmenden Verungrasung undVerunkrautung hat die sich änderndeWeideführung. So war es bis in dieNachkriegszeit durchaus üblich, dass

fachkundige Hüter - Kiahbuam - dasVieh beaufsichtigten. Diese trieben,dem Aufwuchs folgend, das Weideviehzu den entsprechenden Weideplätzenund hüteten sie dort bis der Aufwuchsabgeweidet war. Vielerorts galt und giltz.T. heute noch der Grundsatz: „DieAlm muss bis zur Mitte der Almzeiteinmal abgegrast sein“. Dadurch wurdeverhindert, dass bestimmte Weidege-biete überständig und vom Vieh nichtmehr gefressen wurden. Die Berück-sichtigung der aktuellen Wettersitua-tion war dabei selbstverständlich. BeiTrockenheit erfolgte eine Beweidungan steilen, abrutschgefährdeten Hän-gen. Andererseits wurden Weideplätzeohne Tränkemöglichkeit bei Regenwet-ter bestoßen. Bei der heutzutage meistanzutreffenden ungeregelten Weidefüh-rung halten sich die Rinder zu Beginnder Almzeit vorwiegend in Hüttennähebzw. an Gunstplätzen auf. Da, wie obenbeschrieben, auf diesen Weideplätzenbereits ein entsprechendes Futterange-bot vorliegt und der vermehrte Dünger-eintrag (Kot und Harn der Weidetiere)einen intensiveren Graszuwachs er-laubt, verbleiben die Tiere relativ langeam Standort. Erst ein allgemeinesNachlassen des Graszuwachses im Ver-lauf der Almzeit veranlasst die Tierevon sich aus weiter entfernte Weideflä-chen aufzusuchen. Diese sind dannaber bereits überständig und werdennur widerwillig gefressen. Ab diesemZeitpunkt wird vielerorts die gute kör-perliche Entwicklung der Rinder wäh-rend der ersten Almperiode wieder zu-

nichte gemacht. Es wächst nur noch„Haar und Horn“.

AufstallungBis in die 70er-Jahre des vergangen

Jahrhunderts war es üblich, die Tierezumindest im Hochsommer tagsüberaufzustallen. Die Melkkühe wurdenzeitig zur Melkzeit in den Stall geholtund das Jungvieh kam spätestens beisteigender Tagestemperatur und zuneh-mender Fliegenplage in den Stall. Dadie spärlich vorhandenen Futtervorrätefür Notzeiten (Schneefall, Krankheit)ausreichen mussten, wurde währendder Stallperiode nicht zugefüttert (Aus-nahme waren die kleinen Kälber). Die-se Vorgehensweise sorgte dafür, dassdas Weidevieh am Abend hungrig aus-getrieben wurde. Ein zügiges Verbrin-gen auf die vorgesehenen Weideplätzesorgte für ein gleichmäßiges Abweidender Flächen, da die Tiere auf Grund desleichten Hungers den jungen Aufwuchsnicht oder nur gering selektierten.Nachfolgend bildete sich ein gleichmä-ßiger und hochwertiger Aufwuchs fürdie nächste Beweidung.Viele mechanische Verbesserungs-

versuche wie Schwenden und Mulchensorgen nur dafür, dass die Weideflächenkurzfristig offengehalten werden. Einedirekte Verbesserung der Weidequalitätist damit nicht verbunden.Erfolgt keine Anpassung der Be-

wirtschaftung ist der Erfolg nur vonkurzer Dauer. Eine langfristige produk-tionstechnische Verbesserung der Wei-deflächen, auch im Sinne des Natur-schutzes, erfordert eine sich an denwandelnden Gegebenheiten angepassteAlmbewirtschaftung. \\\

In der nächsten Ausgabe erläutertDI Siegfried Steinberger die aufgrundder aktuellen Gegebenheiten notwendi-gen Maßnahmen in der Almbewirt-schaftung.

Nach der mechanischen Weidepflegemuss eine Anpassung des Viehbesatzesund der Weideführung erfolgen.

DI Siegfried Steinberger arbeitet amInstitut für Tierernährung und Futter-wirtschaft an der Bayerischen Landes-anstalt für Landwirtschaft (LfL) in Grub.