kükenthal - zoologisches · pdf filei. oligochaeta, wenigborster technische...

16
Kükenthal - Zoologisches Praktikum von Volker Storch, Ulrich Welsch 1. Auflage Kükenthal - Zoologisches Praktikum – Storch / Welsch schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Tierkunde / Zoologie Spektrum Akademischer Verlag 2009 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8274 1998 9 Inhaltsverzeichnis: Kükenthal - Zoologisches Praktikum – Storch / Welsch

Upload: nguyenminh

Post on 06-Feb-2018

216 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 2: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

I. Oligochaeta,Wenigborster

Technische Vorbereitungen

∑ Präpariert wird Lumbricus terrestris.∑ Tiere zum Abtöten wenigstens eine halbe

Stunde vor der Verwendung in 10%igen Alko-hol, dem etwas Chloroform hinzugefügtwurde, legen. Einzelheiten der Körperoberflä-che lassen sich besonders gut an Würmernbeobachten, die in wässeriger, konzentrierter

Pikrinsäure fixiert und in Alkohol aufbewahrtwurden.

∑ Als mikroskopische Präparate sind mitHämatoxylin-Eosin oder mit Azan gefärbteQuerschnitte der mittleren Körperregionerforderlich. Dabei ist zu beachten, dass derDarm i. d. R. nicht schneidbare Erde enthält.Deshalb die zur Fixation vorgesehenen Tierefür einige Tage in ein Zylinderglas bringen, dasmit angefeuchteten Filtrierpapierschnitzelngefüllt ist. Die Regenwürmer fressen das Fil-trierpapier, scheiden den erdigen Kot aus underlangen so in einigen Tagen die erwünschteSchneidfähigkeit.

184 Annelida, Ringelwürmer

Abb. 101 Larven von Polychaeten. a, b Platynereis. a Trochophora, b Nectochaeta, c fortgeschrittene Necto-chaeta von Polydora, die besonders lange im Plankton lebt. Die bodenbelebenden Adulten bohren sich mit spe-ziellen Borsten, die schon bei der Larve zu sehen sind (Pfeile) in das Substrat, z. B. Schneckenschalen, ein. (NachFischer, Husemann, Plate)

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 184

Page 3: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

Allgemeine Übersicht

Die Oligochaeten, zu denen die Regenwürmergehören, und die Hirudineen werden als Clitel-lata (Gürtelwürmer) in einer Klasse vereinigt.Das die Klasse kennzeichnende Clitellum ist eineoft deutlich über die Körperoberfläche vorge-wölbte drüsige Umbildung der Epidermis imBereich bestimmter Segmente. Das Sekret derDrüsenzellen dient zur Bildung des Eikokons, lie-fert eine Nährflüssigkeit für die sich im Kokonentwickelnden Embryonen und spielt außerdemin einigen Taxa bei der Begattung eine Rolle. Vonder Klasse der Polychaeten unterscheiden sich dieClitellaten außerdem durch das Fehlen von Para-podien und durch den zwittrigen Geschlechts-apparat.

Die Oligochaeten sind lang gestreckte, dreh-runde oder leicht kantige Würmer mit deutlichausgebildeter innerer und äußerer Segmentie-rung. Die Zahl der Segmente beträgt 7 bis 600.Die geräumige sekundäre Leibeshöhle ist durchDissepimente in hintereinander liegende Kam-mern aufgeteilt. Das Mesenterium ist stark redu-ziert und meist nur ventral vom Darm ausgebil-det. Die Leibeshöhle wird von einer Flüssigkeiterfüllt, in der mehrere Typen von Coelomocytenund abgelöste Chloragogzellen flottieren. DenDissepimenten entsprechen meist genau dieIntersegmentalfurchen, die außen die einzelnen„Ringel“ voneinander abgrenzen; innere undäußere Segmentierung decken sich also. Die ein-zelnen Segmente sind ursprünglich gleichartiggebaut (homonome Segmentierung). Nerven-system, Blutgefäße und Exkretionsorgane kön-nen sich Segment für Segment in ihrem Aufbauwiederholen.

Die Leibeswand der Oligochaeten ist ein typi-scher Hautmuskelschlauch. Die Epidermiszel-len sind zu einem einschichtigen Epithel an-geordnet, in das Drüsen- und Sinneszelleneingestreut sind. Sie scheiden eine zarte (beimRegenwurm ca. 1 µm dicke), oft irisierende Cu-ticula ab. Innen an die Epidermis schließt sichder aus schräg gestreiften Muskelzellen beste-hende Muskelschlauch an, der sich aus eineräußeren Ring- und einer inneren, viel mächti-geren Längsmuskellage zusammensetzt. Manch-mal ist auch noch Diagonalmuskulatur ausge-bildet. Innen liegt das flache bis kubischeCoelomepithel.

Das Nervensystem ist zwar der Anlage und auch dem mikroskopischen Aufbau nach eintypisches Strickleiternervensystem, jedoch sinddie Bauchganglien und die Konnektive einanderso genähert, dass das Bauchmark bei makrosko-pischer Präparation als zwar knotiger, aber ein-heitlicher Strang erscheint. Das Cerebralgan-glion liegt nicht im Prostomium, sondern etwasweiter hinten. Im Verband der Epidermis liegenfreie Nervenendigungen und bisweilen zu Knos-pen zusammengefasste oder in Flimmergrubeneingesenkte Sinneszellen. Sie dienen der Tast-und Chemoreception. Die ebenfalls in der Haut,oder auch darunter, im Verlauf von Nerven lie-genden Lichtsinneszellen sind sowohl am Vor-der- als auch am Hinterende gehäuft (s. S. 197).Pigmentbecherocellen kommen nur selten vor.

Der Darmkanal beginnt mit der meist etwasventral verschobenen Mundöffnung, die vomKopflappen (Prostomium) überdacht wird. Aufdie mit der Cuticula ausgekleidete Mundhöhlefolgt der muskulöse Pharynx, der seinerseits inden schlanken Oesophagus übergeht. Der ersteAbschnitt des Oesophagus besitzt ein auffallen-des, nach innen vorspringendes Faltensystem.Ein zweiter Abschnitt ist durch Längsfaltengekennzeichnet; hier liegen bei vielen landbe-wohnenden Arten die Kalkdrüsen. Sie entspre-chen säckchenförmigen Ausstülpungen, diedurch weiße Farbe und reiche Blutversorgungauffallen. Der Oesophagus kann sich zu kropf-und magenartigen Bildungen erweitern. DieFunktion der Kalkdrüsen ist noch nicht eindeu-tig geklärt. Sie stehen zweifellos im Dienst derRegulation des inneren Milieus. Durch sie wirdsowohl der Calcium- als auch der CO2-Spiegelim Blut und in der Coelomfüssigkeit kontrolliert.Bei landlebenden Arten wird ein Überschuss anCalcium und CO2 von den Zellen als Kalk (inForm von Calcit) sezerniert und über den Darmausgeschieden. Der Mitteldarm ist meist eingerades und ziemlich weites Rohr. Bei den in derErde lebenden Oligochaeten ist seine dorsaleWand median mehr oder weniger tief rinnenför-mig nach innen eingefaltet. Durch diese Typhlo-solis wird die Oberfläche erheblich vergrößert.Die Wand des Darmes baut sich aus dem bewim-perten Darmepithel, einer inneren Ring- undäußeren Längsmuskelschicht sowie dem Perito-nealepithel auf, dessen Zellen zum sog. Chlora-goggewebe spezialisiert sein können. Die Chlo-

I. Oligochaeta, Wenigborster 185

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 185

Page 4: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

ragogzellen speichern Fette und synthetisierenGlykogen. Sie spielen außerdem eine Rolle beimProteinabbau und bilden Harnstoff und Harn-säure. Sie sind am Eisenstoffwechsel beteiligt undenthalten das eisenreiche Ferritin und Hämoglo-bin. Viele Chloragogzellen lösen sich, auch imintakten Tier, ab, flottieren im Coelom, um spä-ter durch die Rückenporen ausgeschieden zuwerden. Zwischen Darmepithel und Darmmus-kulatur verlaufen Blutgefäße. Der Enddarm istmeist kurz und einfach gebaut, der After end-ständig.

Das nahezu völlig geschlossene Blutgefäß-system entspricht dem des Annelidengrundpla-nes. Das median über dem Darm verlaufendeRückengefäß ist kontraktil und treibt das Blutvon hinten nach vorn. Es steht über den Darm-blutsinus, aus dem es Blut empfängt, mit demVentralgefäß in Verbindung. Im Vorderkörperkönnen paarige, den Darm umfassende Gefäß-schlingen eine besonders kräftige Muskulaturausbilden und so zu Lateralherzen werden, diedas Blut vom Dorsal- zum Ventralgefäß treiben.Weitere bogig verlaufende Adern, die vom Ven-tralgefäß entspringen, versorgen Metanephri-dien und Hautmuskelschlauch, andere führen –von dem unter dem Bauchmark den Körper axialdurchziehenden Subneuralgefäß kommend –dem Rückengefäß Blut zu. In diese Dorsoparie-talgefäße münden Venen aus den Nephridienund Gefäße, die, aus der Haut kommend, sauer-stoffreiches Blut führen. Durch Ausbildung wei-terer, sowohl längs als auch quer verlaufenderGefäße kann das System erheblich komplizierterwerden. Meist ist das Blut durch gelöstes Hämo-globin rot gefärbt; es enthält nur wenige Blut-zellen.

Atmungsorgane in Form von Kiemen kom-men bei Oligochaeten nur vereinzelt vor; Haut-atmung ist die Regel.

Die Exkretionsorgane sind meist typischeMetanephridien. Sie können in einigen dervordersten und hintersten Segmente fehlen; imÜbrigen kommt jedem Segment ein Paar zu.

Der Geschlechtsapparat der Oligochaeten istzwittrig. Die Gonaden, ursprünglich zwei PaarOvarien und zwei Paar Hoden, liegen in be-stimmten Segmenten des Vorderkörpers, dieHoden stets vor den Ovarien. Ei- und Samenzel-len, die sich unreif aus den Gonaden lösen, wer-den vorübergehend von Aussackungen der Dis-

sepimente, von Samensäcken und Eisäcken, auchSamenblasen und Eihälter genannt, aufgenom-men und später durch besondere Gänge abgelei-tet. Diese Ausführgänge beginnen mit Wimper-trichtern in den die Gonaden beherbergendenCoelomkammern. Zum weiblichen Apparatgehören die Receptacula seminis (Spermathe-cae), kugelige Einstülpungen der Epidermis, diebei der wechselseitigen Begattung das Spermades Partners aufnehmen und bis zur Eiablageaufbewahren.

Die Entwicklung der Oligochaeten erfolgtdirekt, ohne freies Larvenstadium. Ungeschlecht-liche Fortpflanzung kommt bei einigen Familienvor.

Die Oligochaeten leben teils im Süßwasser,teils im Schlamm oder in feuchter Erde; auch imMeer sind sie vertreten.

Spezieller Teil

Lumbricus terrestris, Regenwurm

Äußere Anatomie

Das Vorderende des Körpers ist zugespitzt, dasHinterende abgerundet und dorsoventral etwasabgeplattet. Die wegen der Cuticula schwach iri-sierende Haut ist auf der Dorsalseite dunklergefärbt als auf der Ventralseite. Die vordereHälfte des Körpers ist zylindrisch, die hintereflacht sich zunehmend ab.

Der bis 30 cm lange Körper ist in ganzer Längesegmentiert. Die Zahl der – maximal 180 – Seg-mente nimmt mit dem Alter zu; die Wachstums-zone (Segmentbildungszone) liegt nahe demHinterende. Man spricht daher von teloblasti-scher Erzeugung neuer Segmente. Die vorderenRingel sind länger als die übrigen. Dorsal siehtman das meist etwas geschlängelte Rückengefäßdurchschimmern, ventral – weniger deutlich –das Subneuralgefäß.

Das Vorderende des Körpers wird vom Pro-stomium (Kopflappen) eingenommen. Esdurchsetzt dorsal das erste Segment, ventralbefindet sich, nahe seinem Hinterrand, die jenach Kontraktionszustand unterschiedlich guterkennbare Mundöffnung (Sondieren!). AmHinterende liegt im Pygidium die senkrecht ver-laufende Afterspalte.

186 Annelida, Ringelwürmer

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 186

Page 5: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

Geschlechtsreife Tiere haben von Februar bisAugust im vorderen Körperabschnitt eine auchdurch ihre hellere Färbung auffallende Ver-dickung, das Clitellum. Es umfasst Rücken undFlanken der Segmente 32 bis 37 und verdanktseine Entstehung der mächtigen Entwicklungvon 2 Typen von Drüsenzellen, die Proteine undMucopolysaccharide absondern. Das Sekret istbei der gegenseitigen Begattung der zwittrigenWürmer und bei der Eiablage von Bedeutung.Die Seitenränder des Clitellums treten als sog.Pubertätsleisten besonders hervor. PapillenartigeVorwölbungen mit so genannten Kittdrüsen fin-den sich oft auch im 26. Segment, um die ventra-len Borsten herum (Abb. 102).

Beim Kriechen streckt sich zunächst die vor-dere Körperregion infolge einer Kontraktion derRingmuskulatur lang aus. Gleich darauf folgteine von vorn nach hinten verlaufende Kontrak-tionswelle der Längsmuskulatur, die zu einerlokalen Verdickung führt und den Körper nachvorn zieht. Ein Zurückrutschen wird durch dasAusfahren der Borsten verhindert. Unmittelbaranschließend oder auch gleichzeitig streckt sichdie vordere Körperregion erneut aus, es folgt einezweite Kontraktionswelle der Längsmuskulaturund so fort. Die Festigkeit (Rigidität), die derWurmkörper durch Kontraktion der Muskulaturdes Hautmuskelschlauches erreichen kann, isterheblich. Dieses hydrostatische Skelet spielt vorallem beim Graben eine wichtige Rolle.

An fixierten Tieren (Abb. 102) kann man dieBorsten besser erkennen als am lebenden Tier.Jedem Segment kommen acht Borsten zu. Siesind jederseits zu einem ventralen und einemlateralen Paar angeordnet.

An den fixierten Tieren lassen sich auch dieGeschlechts- und Exkretionsöffnungen besser alsam lebenden Wurm erkennen. Die Geschlechts-öffnungen liegen seitlich an der Bauchfläche,und zwar die weiblichen im 14., die männlichenim 15. Segment, unmittelbar lateral von den ven-tralen Borsten. Die männlichen Öffnungen wer-den von lippenförmigen Querwülsten eingefasst,die weiblichen sind sehr fein und daher schwerererkennbar. Vom Außenrand der die männlicheGeschlechtsöffnung einfassenden Lippen führteine Rinne nach hinten bis zum Clitellum; siedient dem Transport des Spermas und wirddaher als Samenrinne bezeichnet. Eine ihr paral-lel laufende zweite Rinne unbekannter Funktion

(Transport der Eier?) geht vom Innenrand derLippen aus. Zur Zeit der Fortpflanzung wird manferner in den beiden das 10. Segment begrenzen-den Furchen jederseits die feinen Öffnungen derReceptacula seminis (Spermathecae) finden.

I. Oligochaeta, Wenigborster 187

Prostomium

Mundöffnung

ventrale Borsten

lateraleBorsten

Mündungen derReceptacula seminis

weiblichemännliche

Samenrinne

Kittdrüsen

Pubertätsleiste

laterale Borsten

ventrale Borsten

Clitellum

Geschlechtsöffnung

Abb. 102 Lumbricus terrestris. Ventralansicht desvorderen Körperabschnittes. Unten: Borstenstellungim Querschnitt. 4×

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 187

Page 6: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

Die nicht immer wahrnehmbaren Exkretions-poren liegen ganz vorn im Segment, oft un-mittelbar in seiner vorderen Grenzfurche, teilsim Zuge der ventralen Borstenpaare, teils in demder lateralen oder noch höher; sie fehlen denersten drei Segmenten.

Auf der Rückseite sieht man bei gut gestreck-ten Würmern feine Poren in der Medianlinie, diedurch ringförmige Muskulatur verschließbarenRückenporen. Sie liegen in der Tiefe der dieSegmente trennenden Furchen, fehlen nur denvordersten Segmenten und stellen Verbindungender Leibeshöhle mit der Außenwelt dar, durch dieCoelomflüssigkeit und in ihr enthaltene Zellenausgestoßen werden können, was besonders alsFolge einer Reizung (Zwicken mit der Pinzette,Erwärmung auf 35 °C) eintritt.

Präparation

∑ Den Wurm im Becken unter Wasser (besser in0,43%iger NaCl-Lösung) so aufstecken, dassdie dunklere Rückenseite nach oben zu liegenkommt.

∑ Eine starke Stecknadel an der Grenze vom 1.zum 2. Segment, eine zweite etwas vor demHinterende einführen.

∑ Den Wurm allmählich so weit ausspannen,wie es ohne Zerreißen möglich ist.

∑ Den Hautmuskelschlauch mit einer feinenhochwertigen Schere von vorn her in derdurch das Rückengefäß angegebenen Mittel-linie eröffnen. Dabei den Hautmuskelschlauchmit einer Pinzette anheben, um nicht dasGefäß oder den unmittelbar darunter liegen-den Darm anzuschneiden. Besonders vorsich-tig beim 3. Segment (Cerebralganglion!) undvom 20. Segment nach hinten sein, da hier derDarm dem Hautmuskelschlauch dicht anliegt.Es ist von Vorteil, den Schnitt in der hinterenKörperhälfte etwas seitlich zu führen.

∑ Alternativ folgendermaßen vorgehen: im Be-reich des 40. Segmentes dorsal einen kleinenSchnitt quer durchführen und von dort ausden Wurm dorsomedial nach vorn und hinteneröffnen. Diese Vorgehensweise ermöglichtfast immer eine schöne Ansicht des Cerebral-ganglions.

∑ Die zwei Körperseiten vorsichtig auseinanderbiegen und sie seitlich durch schräg einge-führte feinere Nadeln feststecken (Abb. 103).

Dazu, soweit erforderlich, die die einzelnenSegmente trennenden Dissepimente durch-schneiden. Den Hautmuskelschlauch keines-falls so weit auseinanderziehen, dass er plattwie ein Brett dem Boden des Präparierbeckensaufliegt, da manche Organe dadurch eineunnatürliche Lage erhalten oder auch zerris-sen werden. Man verwende das Stereomikro-skop.

Die nach unten gerichtete Mundöffnung führt indie Mundhöhle, die nach hinten in den bauchi-gen, muskulösen Pharynx übergeht. SeinemVorderrand liegt dorsal das wegen seiner weißenFarbe auffallende, paarige Cerebralganglionauf.Zahlreiche Muskelfaserzüge ziehen vom Pha-rynx zur Körperwand. Die vorderen sind kurzund seitlich gerichtet, die folgenden werdenzunehmend länger und ziehen schräg nach hin-ten, wobei sie mehrere Dissepimente durchset-zen. Durch ihre Kontraktion wird der Pharynxerweitert und nach hinten gezogen. Die Wand desPharynx ist außerdem dicht mit kurzen Büschelnvon Drüsenzellen besetzt. Ihr Sekret ist reich anSchleim (Erleichterung des Schlingaktes), enthältaber auch Amylase und Proteasen zur Verdauung.

An den Pharynx schließt sich der schlankereOesophagus an, der etwa vom 7. bis zum 13. Seg-ment reicht. Sein hinterer Abschnitt (10. bis 12.Segment) ist beiderseits zu drei Paar weißen,reich durchbluteten Kalksäckchen ausgebuch-tet, von denen die beiden hinteren die eigent-lichen, Calciumcarbonat ausscheidenden Drü-sen, die vorderen, die sich in den Darm öffnen,lediglich Reservoire sind. Das Innere der Kalk-drüsen ist durch Gewebelamellen stark unter-gliedert. Die Lamellen werden von Ionen trans-portierendem Epithel bedeckt. Der Kalk gelangtin den Darm und wird mit dem Kot ausgeschie-den. Die physiologische Bedeutung der Kalkdrü-sen ist noch nicht völlig geklärt, auf alle Fälle abersind sie an der Einregulierung eines bestimmtenpH-Wertes im Blut und in der Coelomflüssigkeitbeteiligt (s. S. 185). Auf den Oesophagus folgender rundliche Kropf und, unmittelbar darananschließend, der mit einer sehr kräftigen Mus-kulatur und einer starken Cuticula ausgestatteteMuskelmagen, in dem die aus alten Blättern undanderen Pflanzenteilen bestehende Nahrungmithilfe der gleichzeitig aufgenommenen Sand-körnchen zerrieben wird. Der Mitteldarm, des-

188 Annelida, Ringelwürmer

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 188

Page 7: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

I. Oligochaeta, Wenigborster 189

Cerebralganglion

Pharynx

Erste kontraktile Schlinge(Lateralherz)

Oesophagus

Receptacula seminis

Samenblasen

Borstensäckchen

Kalksäckchen

Kropf

Muskelmagen

Mitteldarm

Dorsointestinalgefäß

Dissepimente

Nephridien

Längsmuskulatur

Bauchgefäß

Bauchmark

Subneuralgefäß

Ringmuskulatur

Abb. 103 Dorsalansicht eines präparierten Lumbricus terrestris

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 189

Page 8: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

sen Anfangsteil an Breite den Magen übertrifft,läuft geradlinig, sich allmählich verschmälerndnach hinten. Er wird durch die sich ansetzendenDissepimente segmental eingeschnürt und istvon einer gelbbraunen Masse bedeckt, die sichbesonders im Zuge des Rückengefäßes anhäuftund, wie wir mit dem Stereomikroskop erkennenkönnen, aus keulenförmigen, zelligen Anhängenbesteht. Es handelt sich um die so genanntenChloragogzellen, das sind stark vergrößerte undumgewandelte Zellen des visceralen Coelom-epithels.

∑ Den Mitteldarm seitlich eine Strecke weit auf-schneiden, man erkennt die als Längsfalte insein Lumen hineinragende Typhlosolis, dieim hinteren Mitteldarm fehlt.

Sie wird von Gefäßen durchzogen, ist von Chlo-ragogzellen erfüllt und bewirkt eine bedeutendeVergrößerung der sezernierenden und resorbie-renden Darmfläche.

Das starke Rückengefäß liegt dorsal demDarm auf; es ist bis in die Region des Pharynx zuverfolgen. Es ist kontraktil und treibt das Blutnach vorn. Ein Nach-hinten-Fließen des Blutesbei der Diastole (Erweiterung von Gefäßab-schnitten) wird durch Ventilklappen verhindert.Bei frisch getöteten Würmern sind die rhythmi-schen Kontraktionen des Gefäßes gut zu beob-achten. Im 7. bis 11. Segment gehen vom Rücken-gefäß jederseits Gefäßschlingen ab, die denOesophagus umfassend in das ventral vom Darmverlaufende Bauchgefäß einmünden. Die Wan-dung dieser Gefäßschlingen, die gleichfalls imInneren mit Ventilklappen ausgestattet sind, istbesonders muskelzellreich. Peristaltische Kon-traktionen dieser als Lateralherzen bezeichnetenGefäßschlingen treiben das Blut vom Rücken- indas Bauchgefäß. Im 12. Segment münden in dasRückengefäß zwei von vorn kommende Längsge-fäße ein, die rechts und links dem Oesophagusanliegen (Oesophagusgefäße).

Im Bereich des Darmes selbst münden injedem Segment drei Paar Gefäßschlingen in dasRückengefäß ein.

∑ Gefäßschlingen durch Abpinseln der sie dichtbedeckenden Chloragogzellen freilegen.

Die vorderste Schlinge ist sehr zart und dahernicht immer gut erkennbar; sie wurde in Abb.103 nicht dargestellt. Sie verläuft dicht an dem

das betreffende Segment vorn abschließendenDissepiment, wird als Dorsoparietalgefäß be-zeichnet und kommt (Abb. 104 und 105) vondem unterhalb des Bauchmarks gelegenen Sub-neuralgefäß her, wobei sie Seitenzweige von derKörperwand und den Nephridien aufnimmt.Deutlich sichtbar sind stets die beiden hinterenSchlingen (Dorsointestinalgefäße), die das Blutaus dem Capillarnetz der Darmwand (s. S. 196)ableiten, das seinerseits von dem zwischen Darmund Bauchmark gelegenen Bauchgefäß (Subin-testinalgefäß) gespeist wird. Diese ventralenAbschnitte des Gefäßsystems können besser injener Region erkannt werden, in der die Körper-wand seitlich aufgeschnitten wurde.

∑ Eventuell den Darm noch etwas zur Seite zie-hen und feststecken.

Man sieht jetzt noch ein weiteres segmentalesGefäßpaar, die Ventroparietalgefäße, die vomBauchgefäß zur Körperwand ziehen.

Insgesamt kann man vom Gefäßsystem fol-gendes Schema entwerfen (Abb. 104 und 105):Einem dorsalen Hauptgefäß (Rückengefäß), indem das Blut von hinten nach vorn getriebenwird, stehen zwei ventrale Gefäße gegenüber, dassubintestinale (Bauchgefäß) und das subneurale,in denen das Blut von vorn nach hinten fließt.Das Rückengefäß ist mit den beiden ventralen injedem Segment durch zwei Gefäßbogen verbun-den. Der eine, als splanchnischer Bogen bezeich-net, entspringt mit mehreren Wurzeln (Ventro-

190 Annelida, Ringelwürmer

Abb. 104 Lumbricus. Schema des Gefäßsystems imQuerschnitt

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 190

Page 9: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

intestinalgefäße) aus dem subintestinalen Gefäß,teilt sich zum Capillarnetz der Darmwand aufund mündet durch die Dorsointestinalgefäße insRückengefäß. Der zweite Gefäßbogen, als soma-tischer bezeichnet, breitet sich mit seinen capilla-ren Verzweigungen vor allem in der Körperwandaus, steht also unter anderem im Dienst der Haut-atmung. Sein zuführendes Gefäß ist das ventro-parietale, das vom Bauchgefäß entspringt, seineabführenden Gefäße sind die vom subneuralenzum Rückengefäß ziehenden Dorsoparietalge-fäße und die aus der Haut zu den Lateroneural-gefäßen ziehenden Adern. Die vordere Körperre-gion weicht von diesem Schema ab, einmal durchAusbildung der beiden seitlichen Oesophagusge-fäße, besonders aber durch die Einschaltung derLateralherzen als direkte Verbindungen zwischenRücken- und Bauchgefäß.

Die Dissepimente sind zarte, gefensterte unddaher die Körpersegmente nur unvollkommentrennende Wände, die sich am Darm und an derLeibeswand anheften und nur den vorderstenSegmenten fehlen. Sie entwickeln sich als Dupli-katuren des Peritoneums, das die ganze Leibes-höhle auskleidet. In einigen Segmenten derOesophagusregion werden sie zu dicken, nachhinten geneigten, muskulösen Scheidewänden.

In jeder Coelomkammer findet man rechtsund links vom Darm als opake, in Querschlingenliegende Kanälchen die Metanephridien (Seg-mentalorgane). Sie sind vom Peritoneum über-

zogen und durch eine Peritonealfalte an der vor-deren Dissepimentwand befestigt; sie fehlen nurden ersten drei und den letzten Segmenten. JedesNephridium beginnt mit einem Wimpertrichter(Nephrostom), der jedoch nicht in demselbenSegment wie das zugehörige Exkretionskanäl-chen, sondern in dem davor liegt. Die sehr klei-nen und flachen Nephrostome sitzen mit kurzem,verdicktem Hals den rückwärtigen Dissepiment-wänden der Coelomkammern im Bereich zwi-schen Darm und ventraler Leibeshöhlenbegren-zung vorn auf; ihre zum Nephridium führendenKanälchen durchbrechen das Dissepiment.

Die Wimpertrichter muss man bei 20- bis30facher Vergrößerung des Stereomikroskopsund guter Beleuchtung (Mikroskopierlampe) imGebiet des Mitteldarms in den Segmentensuchen, deren Dissepimente wenigstens im basa-len Teil nicht zerstört sind. Man findet die sehrkleinen Nephrostome (∅ 0,1 mm) im Winkelzwischen Darm- und ventraler Körperwand denDissepimenten vorn aufsitzend.

∑ Hierfür den Darm vorsichtig zur Seite schie-ben und mit zwei Nadeln fixieren.

∑ Abgelöste Chloragogzellen mit feinem Pipet-tenstrahl wegspülen.

Der muskulöse Endabschnitt der Nephridial-kanälchen ist erweitert und wird als Harnblasebezeichnet. Sie mündet mit dem Exkretionspo-rus nach außen.

I. Oligochaeta, Wenigborster 191

Bauchgefäß

Rückengefäß

Dorsointestinalgefäß

Dorsoparietalgefäß

RückengefäßLateralherz

Oesophagusgefäß

VentroparietalgefäßSubneuralgefäß

VentrointestinalgefäßeSubintestinalgefäß Subneuralgefäß

BauchmarkLateroneuralgefäß

Abb. 105 Lumbricus. Schema des Gefäßsystems, links im Bereich des Darmes, rechts im Bereich des Oeso-phagus

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 191

Page 10: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

∑ In die Decke der Samenkapseln ein Fensterschneiden und die trübe Spermiensuspensionmit der Pipette ausspülen.

Man findet mit dem Stereomikroskop die wiekurzfingerige Handschuhe aussehenden Hoden.Sie sitzen der Basis der die Kapsel vorne begren-zenden Dissepimentwand an. Es sind insgesamtzwei Paar Hoden vorhanden, je eines im 10. und11. Segment. Hinter jedem Hoden liegt einer dergroßen, flimmernden Samentrichter. Sie sehenwie Faltenfilter aus und setzen sich nach hintenin den Samenleiter fort. Die Samentrichter fallendurch ihr grelles Weiß auf. Es kommt durch den dichten Besatz ihrer Oberfläche mit starklichtbrechenden, reifen Spermien zustande. DerSamenleiter durchbricht die gleichfalls voneinem Dissepiment gebildete Hinterwand derSamenkapsel und zieht zunächst schräg, danngeradlinig nach hinten. Die beiden Samenleitereiner Seite vereinigen sich zu einem Kanal, der im15. Segment den Hautmuskelschlauch durch-setzt und mit der männlichen Geschlechtsöff-nung ausmündet.

Die männlichen Geschlechtszellen lösen sichunreif, in Form mehrkerniger, kugeliger Follikelvon den Hoden ab, geraten in die Samenkapsel,dann in die Samenblasen, wo sie Teilungen undihre Enddifferenzierung durchmachen. Im Zugeder Teilungen entsteht eine zentrale Cytoplasma-

192 Annelida, Ringelwürmer

Abb. 106 Geschlechtsorgane des Regenwurmes, Lumbricus terrestris

Vom Geschlechtsapparat fallen gleich bei derEröffnung der Leibeswand die drei Paar großen,gelblich-weißen Samenblasen auf; es sind sack-förmige Ausstülpungen der Dissepimente in denSegmenten 9 bis 13; sie umgreifen, wenn sie starkentwickelt sind, dorsal den Oesophagus.

∑ Oesophagus hinter dem Pharynx durch-schneiden, mit der Pinzette anheben und sehrvorsichtig bis zum 12. Segment von seinerUnterlage trennen und abschneiden.

Die Samenblasen gehen von taschenförmigenRäumen aus, von denen der eine im 10., derandere im 11. Segment unter dem Oesophagusliegt. Es sind dies die sog. Samenkapseln,Coelomräume, die völlig von den segmentalenCoelomkammern „abgekapselt“ sind. In ihnenliegen die Hoden und die grellweiß durch dieKapselwand schimmernden Samentrichter. Daserste und zweite Samenblasenpaar gehen von dervorderen Samenkapsel aus (Abb. 106 und 107),wobei das erste Paar eine nach vorn gerichteteAussackung des Dissepiments 9/10 ist, das zweiteeine nach hinten gerichtete des Dissepiments10/11. Von der hinteren Samenkapsel stülpt sichdas dritte Paar von Samenblasen nach hinten zuals Aussackung des Dissepiments 11/12 aus; eskann so groß werden, dass es noch das ganze Seg-ment 13 durchsetzt.

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:23 Uhr Seite 192

Page 11: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

erhalten, wenn man sehr umsichtig präparierthat. Im anderen Fall wurden sie mit dem Dis-sepiment 12/13 herausgerissen.

Zum Geschlechtsapparat gehören außerdemnoch zwei Paar Receptacula seminis (Sperma-thecae), Einstülpungen des Integuments, die zurLeibeshöhle hin geschlossen sind und als weiße,kugelrunde Körper auffallen, die lateral im 9.und 10. Segment liegen. Man kann sie leicht fin-den und, von hier aus die Segmente zählend, zurOrientierung benutzen.

Bei der gegenseitigen Begattung legen sichzwei Würmer mit der Bauchfläche aneinander,und zwar so, dass das Clitellum des einen Wur-mes den Segmenten 9 bis 15 und damit den Öff-nungen der Receptacula seminis des anderenanliegt. Drüsen scheiden nun schleimige Sekreteab, welche die Genitalregionen wie mit einerManschette umhüllen. Das aus der männlichenÖffnung austretende Sperma wird in der sichdurch Muskelkontraktion zu einem Rohr schlie-ßenden Samenrinne bis zu den Receptaculaseminis des Partners geleitet und dort gespei-chert. Dann trennen sich die Würmer. Zur Ei-ablage bildet der Wurm erneut einen Sekretgür-tel um die Region des Clitellums herum. DieserGürtel wird durch peristaltische Bewegungen desHautmuskelschlauches langsam kopfwärts ver-schoben. Während er an den beiden weiblichenGeschlechtsöffnungen vorbeigleitet, werden inihm ein (bei Lumbricus terrestris) oder einige Eierabgelegt. Dann zieht sich der Wurm allmählichnach rückwärts aus dem Gürtel heraus; beimPassieren der Receptacula seminis wird Spermazu den Eiern gegeben. Ist der Gürtel ganz abge-streift, so schließt er sich vorn und hinten undwird so zu einem zitronenförmigen, Eier, Spermaund eine eiweißreiche Flüssigkeit enthaltendenKokon. Der Keim ernährt sich mithilfe einigerzum Munde führenden Wimperorganellen vomEiweiß der Kokonflüssigkeit. Die Entwicklungdauert drei bis vier Monate, dann verlassen dieJungwürmer die schützende Hülle. Lumbricusterrestris kann zehn Jahre alt werden.

∑ Jetzt die Samenkapseln mit den anhängendenSamenblasen abtragen, unter Schonung desCerebralganglions den Pharynx und denDarm einschließlich des ihrer Ventralseiteangelagerten Bauchgefäßes entfernen.

I. Oligochaeta, Wenigborster 193

Abb. 107 Schematischer Längsschnitt durch die Ge-nitalsegmente von Lumbricus terrestris. (Nach Hesse)

masse (Cytophor), an der letztlich Spermienausgebildet werden, die in die Samenkapselnzurückwandern, aus denen sie durch die Samen-trichter abgeleitet werden.

∑ Mit dem Phasenkontrastmikroskop einenTropfen des mit 0,43%iger NaCl-Lösung ver-dünnten Samenblaseninhalts mikroskopieren.

In der Suspension erkennt man neben den Ent-wicklungsstufen von Monocystis (Gregarinen)die verschiedenen Stadien der Spermienentwick-lung.

Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehenaus einem Paar sehr kleiner, wie Zipfelmützenaussehender opak-weißlicher Ovarien, die vornim 13. Segment, rechts und links neben demBauchmark der Basis des Dissepiments 12/13angeheftet sind, und zwei kurzen, schräg nachhinten und außen gerichteten Eileitern, die im14. Segment ausmünden. Die Eileiter beginnenmit einem Flimmertrichter, der mit nach vornegerichteter Öffnung flach im Dissepiment 13/14liegt.

Unmittelbar darüber bildet das Dissepimenthäufig je eine kleine, den Samenblasen entspre-chende Aussackung, die Eihälter, in denen sichdie zur Ablage bereiten Eier ansammeln.

∑ Die Samenblasen und den Oesophagus im 13.Segment seitlich verschieben und mit Nadelnfixieren. Wurde bei der Präparation der männ-lichen Geschlechtsorgane der Oesophagusnicht nur bis zum 12. Segment, sondern ganzentfernt, so sind die Ovarien nur dann noch

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 193

Page 12: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

Als Teil des Nervensystems besteht das Bauch-mark aus zwei Längssträngen, die aber so innigmiteinander verbunden sind, dass sie wie ein ein-ziger Strang erscheinen. Die in der Mitte einesjeden Segments liegenden Ganglien sind nichtscharf abgesetzt. Von jedem Ganglion gehendicht beieinander zwei Paar Nerven ab, die in denHautmuskelschlauch übertreten. Ein drittes, fei-neres Nervenpaar entspringt weiter vorn vomBauchmark, dicht am Dissepiment.

∑ Das Bauchmark eine Strecke weit von seinerUnterlage abtrennen.

Man sieht das mäßig starke Subneuralgefäß,während die ihm rechts und links anliegendenfeinen lateroneuralen Gefäße in Abhängigkeitvon der Blutfüllung meist nur streckenweise zuerkennen sind. In jedem Segment geht vom sub-neuralen Gefäß rechts und links eines der obenerwähnten dorsoparietalen Gefäße ab, und injedem Segment führen ihm zwei von den latero-neuralen Blutbahnen kommende Adern Blut zu.Die Lateroneuralgefäße empfangen ihrerseitsBlut aus der Haut.

Die ersten vier Ganglienpaare sind zum Un-terschlundganglion zusammengerückt. Davorspaltet sich das Bauchmark in die beidenSchlundkonnektive auf, die beiderseits des Pha-rynx zu dem im dritten Segment liegenden Cere-bralganglion (Gehirn) aufsteigen. Das Gehirn istpaarig und weist damit auf seine Entstehung auszwei getrennten Ganglien hin. Nach vorn entsen-det es zwei relativ starke Nervenpaare, die dieSinnesorgane des Prostomiums versorgen. Vondem unmittelbar unter der Epidermis liegendenund das ganze Tier durchziehenden Nervenple-xus können wir – ebenso wie von den in der Epi-dermis und im Verlauf von Nerven liegendenLichtsinneszellen – nichts erkennen.

Mikroskopische Betrachtung

Die Regenwürmer fressen die an organischenSubstanzen reiche Erde der oberen Bodenschich-ten, gleichzeitig nehmen sie sich zersetzendeBlätter auf. Dementsprechend besteht ihr Darm-inhalt – wie das Mikroskop zeigt – aus einerMischung von Erde und pflanzlichen Resten. Derviele organische Bestandteile und Bakterien ent-haltende Kot wird nachts an der Erdoberfläche

abgesetzt. Aufgrund seiner Beschaffenheit ver-mag er weit mehr Wasser zu speichern als derBoden, in dem die Würmer leben. Die Bedeu-tung, die Lumbricus terrestris und seine Ver-wandten für die Humusbildung und die Boden-umlagerung haben, kann nicht überschätztwerden.

∑ Es ist eine nicht ganz leichte, aber lohnendeAufgabe, eines der Nephridien in ganzerLänge herauszupräparieren, das dann ineinem Tropfen 0,43%iger NaCl-Lösungmikroskopiert wird.

∑ Dazu die Verbindung mit dem Exkretionspo-rus durchtrennen. Außerdem den medialen,vom Metanephridium durchbohrten Ab-schnitt der vorderen Dissepimentwand mitherausschneiden, um nicht den präseptalenAbschnitt mit dem Wimpertrichter zu ver-lieren.

Man sieht, dass der Wimpertrichter die Formeines abgeflachten Trichters hat, dass das Exkre-tionskanälchen reich von Blutgefäßen umspon-nen wird und dass seine einzelnen Abschnitteverschiedene Durchmesser haben. Bei frisch ge-töteten Tieren ist im Innern des Kanälchens einelebhafte Flimmerbewegung zu beobachten, diedem Transport der Exkretionsstoffe dient. Nichtselten finden sich in dem Kanälchen sehr kleine,sich lebhaft schlängelnde Nematoden, Jugend-stadien von Rhabditis pellio, die, wenn sie durchden Tod des Wirtes frei werden, sich binnen kur-zem zu geschlechtsreifen Tieren entwickeln.

∑ Ovarien in Wasser oder Glycerin unter demDeckglas bei schwacher Vergrößerung be-trachten.

Die einzelnen Eier sind gut zu erkennen. Ihre Bil-dungszone liegt in der am Dissepiment angehef-teten Basis des Organs, während fertig entwi-ckelte Eier seine Spitze einnehmen.

∑ Eine Samenblase auf dem Objektträger zer-zupfen.

Man findet meist, außer den schon erwähntenparasitischen Nematoden, Gregarinencysten undfast immer auch freie Gregarinen vor (vgl.S. 29), in einer mit 0,43%iger NaCl-Lösungverdünnten Samenblasenflüssigkeit außerdemalle Entwicklungsstadien der männlichen Ge-schlechtszellen. Die Jugendformen sind durch

194 Annelida, Ringelwürmer

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 194

Page 13: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

Vermittlung einer Cytoplasmamasse (Cytophor,Blastophor) zu 8, 16 oder mehr zu Rosetten oder morulaähnlichen Körperchen vereint. Somachen sie Vermehrungsteilungen durch undreifen heran, und in dem Maße, in dem sie längerwerden und Geißeln ausbilden, nehmen dieSpermienbüschel sternförmiges Aussehen an. Inder Mehrzahl handelt es sich um Spermatogo-nien und Spermatocyten.

In der Leibeshöhle der Regenwürmer findetman vor allem in den hinteren Segmenten diesog. Bällchen, kugelige bis längliche, weißlich bisgelblich-braune Gebilde von etwa 0,5 bis 1 mmDurchmesser. Es handelt sich um Zusammenbal-lungen von Blutzzellen, Chloragogzellen, Bor-stenresten, Gewebsfetzen, Gregarinencysten undNematoden. Sie entstehen in allen Segmenten,werden aber schließlich durch die ventrale Disse-pimentöffnung in die hinteren Segmente beför-dert. Dort gelangen sie schließlich über Coelom-poren nach außen.

I. Oligochaeta, Wenigborster 195

Rückengefäß

Epidermis

Ringmuskulatur

Längsmuskulatur

Darmlumen

Metanephridium

Harnblase

Borsten

BauchmarkBauchgefäß

Subneuralgefäß

Mesenterium

Typhlosolis

Blutgefäßedes Darmes

Coelom

Coelomepithel

Chloragog

Abb. 108 Querschnitt durch die Körpermitte vom Regenwurm, Lumbricus terrestris

Histologie

∑ Es werden mit Azan oder Hämatoxylin-Eosingefärbte Querschnitte durch die mittlere Kör-perregion eines Regenwurmes mikroskopiert.

In der Mitte des Präparates (Abb. 108) ist derQuerschnitt des Darmes und zwischen ihm unddem dicken Hautmuskelschlauch eine geräumigeLeibeshöhle zu sehen.

Die Dorsalseite des Darmes ist durch die nachinnen vorspringende Typhlosolis gekennzeich-net. Über ihr liegt das Rückengefäß, unter demDarm das Bauchgefäß und unter diesem wiede-rum das Bauchmark. Rechts und links vomDarm sind in der Leibeshöhle Anschnitte derMetanephridien zu sehen.

Die Epidermis ist ein einschichtiges, ausschmalen, prismatischen Zellen zusammenge-setztes Epithel. Außen liegt die dünne Cuticula.Zwischen den gewöhnlichen Epidermiszellenfinden sich zahlreiche, ein schleimiges Sekretabsondernde Drüsenzellen, die sich durch ihrebauchige Form und den bei Hämatoxylin-Eosin-

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 195

Page 14: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

Färbung blauen Farbton zu erkennen geben. Sel-tener sind die durch das Eosin rötlich gefärbten,eiweißreichen Sekrete liefernde Drüsenzellen.Der Schleim gereizter Regenwürmer enthälteinen Schreckstoff.

Unmittelbar unterhalb der Epidermis liegt,von einer äußerst feinen Basalmembran abgese-hen, die deutlich in zwei Schichten gesonderteMuskulatur. Die äußere Schicht umfasst dieRingmuskelzellen, die einzeln in ein lockeresBindegewebe eingelassen und deren Kerne guterkennbar sind. Die Längsmuskelzellen der sehrviel dickeren inneren Schicht sind in größererZahl innerhalb schmaler, durch zarte Bindege-webssepten getrennte Fächer zweireihig ange-ordnet.

Die Innenfläche des Hautmuskelschlaucheswird vom Coelothel bedeckt. Letzteres umhülltauch die in der Leibeshöhle liegenden Organe.Obwohl es nur ein flaches Epithel ist, lässt es sichdoch sehr gut erkennen.

An vier Stellen ist der Hautmuskelschlauchdurch die paarweise angeordneten, leicht S-för-mig gekrümmten Borsten unterbrochen. Sie sit-zen in Hauteinstülpungen, den Borstentaschen,an denen Muskelbündel ansetzen, die die Borsten

196 Annelida, Ringelwürmer

Abb. 109 Lumbricus terrestris. Darmwand quer. 350×

bewegen. Eine weitere Unterbrechung des Haut-muskelschlauches findet sich dorsal, genaumedian zwischen den Segmenten.

In der Darmwand (Abb. 109) lassen sich ver-schiedene Schichten unterscheiden. Innen liegtdas Darmepithel aus zylindrischen Zellen, dieMikrovilli und Cilien tragen. Zwischen denresorbierenden Darmzellen finden sich zahl-reiche bauchige, stärker gefärbte Drüsenzellen.Das Epithel der vorderen Darmregion scheidetperitrophische Membranen ab. Außen ist dasDarmepithel bedeckt von einer Ring- und einerLängsmuskelschicht, die beide sehr dünn sind.Zwischen ihnen und dem Darmepithel breitetsich das zwischen Rücken- und Bauchgefäßeingeschaltete Capillarnetz aus. Das den Darmaußen umziehende Coelomepithel ist unge-wöhnlich hoch; es ist zu Chloragoggewebe um-gebildet.

Zwischen Darm und Bauchgefäß spannt sich ein Mesenterium aus, in dem wir meistAnschnitte jener Gefäße erkennen, die vomBauchgefäß zum Capillarnetz der Darmwandaufsteigen. Die von diesem Capillarnetz zumRückengefäß führenden Dorsointestinalgefäßeund die vom Bauchgefäß und vom Subneuralge-

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:51 Uhr Seite 196

Page 15: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

fäß abgehenden Schlingen (Ventroparietal- undDorsoparietalgefäße) werden natürlich nur beivereinzelten Präparaten getroffen sein.

Ventral vom Bauchgefäß und ohne mesente-riale Verbindungen mit ihm liegt das Bauchmark(Abb. 110). Seine paarige Natur ist, besonders anSchnitten durch die Segmentgrenzen, deutlicherkennbar. Im Bereich der Ganglien sind die bei-den Längsstränge dagegen durch zahlreicheQuerfasern eng aneinander geschlossen. Ventralund lateral sind große, birnenförmige Perikaryenvon Ganglienzellen zu einer Schicht angeordnet.Dorsal fallen drei sehr dicke Nervenfasern auf,die so genannten Riesen- oder Kolossalfasern,die das Bauchmark in ganzer Länge durchziehen.Sie bestehen aus segmentlangen Einzelstücken,die an schräg verlaufenden Synapsen aneinandergrenzen. In den Riesenfasern wird die für denZuckreflex verantwortliche Erregung geleitet.Die Leitungsgeschwindigkeit ist viel höher als inden übrigen Axonen. – Umhüllt wird das Bauch-mark vom Coelomepithel und Muskelzellen.

In der Epidermis sind Sinneszellen nur mitbesonderen histologischen Methoden darstell-bar. Sie treten am Vorderende (vor allem auf demProstomium) und am Hinterende gehäuft auf.Das gilt im besonderen Maße für die Lichtsin-neszellen, die außerdem an den Gehirnnervenund im Gehirn selbst zu finden sind. Sie sind pig-mentlos und auch von keiner Pigmentzelleumhüllt. Der Lichtreception dienen Mikrovilli,die von der Wand eines kugelförmigen Binnen-raumes der Lichtsinneszellen entspringen, derauch Binnenkörper oder Phaosom genannt wird.Er ensteht durch Einfaltung der apikalen Zell-membran.

II. Hirudinea, Egel

Technische Vorbereitungen

∑ Zur Untersuchung gelangt Hirudo medicinalis,der Medizinische Blutegel. Die Tiere lassensich in kühl aufgestellten, zugedeckten Aqua-rien sehr lange ohne Fütterung halten.

∑ Abgetötet werden sie in einem verschließbarenGlasgefäß mit Chloroform, oder, was für dieUntersuchung des Nervensystems vorteilhaf-ter ist, durch Einlegen in 10%igen Alkohol.

∑ An mikroskopischen Präparaten sind mitHämatoxylin-Eosin oder Azan gefärbte Quer-schnitte der mittleren Körperregion erforder-lich.

Lebende Blutegel sind erhältlich bei ZAUG –Biebertaler Blutegelzucht, Talweg 31, 35444 Bie-bertal, können aber auch in vielen Apothekenbestellt werden.

Allgemeine Übersicht

Egel sind meist 2–5 cm lange, selten bis gut 10 cmund im Ausnahmefall bis 30 cm lange Anneliden.Sie kommen insbesondere in flachen, ruhigenoder langsam fließenden Süßgewässern vor, tre-ten aber auch im Meer auf. In den südostasiati-schen und australischen Tropen gibt es sogar ter-restrische Formen, die Haemadipsidae. Egel sindRäuber oder Ectoparasiten; manche Arten zeigenÜbergänge zwischen diesen Ernährungsweisen.Die räuberischen Formen leben von Wirbello-sen, die Parasiten befallen Wirbellose (z. B.Schnecken, Krebse und Insekten) und Wirbel-tiere. Die an Wirbeltieren parasitierenden For-men sind i. a. nicht wirtsspezifisch, beschränkensich aber meist auf eine Wirbeltierklasse, sobefallen z. B. die Piscicolidae Süßwasser- undMeeresfische.

Die Hirudinea sind dadurch gekennzeichnet,dass ihr embryonal noch annelidentypisch ange-legtes Coelom nach Rückbildung der Dissepi-mente zu einem den ganzen Körper durchzie-henden System von Längs- und Querkanälen mitGefäßfunktion eingeengt wird. Diese Umwand-lung des Coeloms steht in Beziehung zur mäch-

II. Hirudinea, Egel 197

EpineuraleMuskulatur

Riesenfasern

Nerv

Perikaryen vonNervenzellenSubneuralgefäß

Lateroneural-gefäß

Abb. 110 Lumbricus. Querschnitt des Bauchmarks.(Nach K. C. Schneider)

08_Kthal01.qxd 21.02.2009 14:52 Uhr Seite 197

Page 16: Kükenthal - Zoologisches · PDF fileI. Oligochaeta, Wenigborster Technische Vorbereitungen Pr pariert wird Lumbricus terrestris. Tiere zum Abt ten wenigstens eine halbe Stunde vor

http://www.springer.com/978-3-8274-1998-9