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TECHNISCHE MECHANIK 8(1987)Heftl
Manuskripteingang: 06. 08. 1986
Kinematik und Dynamik von Koppelgetrieben
nach dem Gliedergruppenkonzept
(Teil l: Kinematik)
Thomas Thümmel
0. Einleitung
Der arbeitszeitintensive Entwurf von Koppelgetrieben
fiir Textil- und Verarbeitungsmaschinen konnte bisher
durch komplexe universelle Großrechnerprogramme
unterstützt werden, wie KOGEOP, KOBEBILD und
DAM
Mit der breiten Verfügbarkeit von Personalcomputem
am Arbeitsplatz der Konstrukteure wird auch der
rechnerunterstützte Koppelgetriebeentwurf nicht mehr
wenigen Spezialisten vorbehalten sein. Daraus ergeben
sich qualitativ neue Anforderungen an Koppelgetriebe-
programme, z. B.
—— Anwenderfreundlichkeit, Bedienerfiihrung, im alpha-
numerischen und grafischen Dialog
— Robustheit, Fehlerbehandlung
— Erweiterbarkeit des Leistungsumfangs bei spezifi-
schen neuen praktischen Anwendungen, Transparenz
der Programme, Modularität, Schnittstellen, Ein-
fache Algorithmen.
Mit diesem Beitrag sollen Grundlagen und Algorithmen
fiir Software zum Koppelgetriebeentwurf vorgestellt
werden. Das verwendete Gliedergruppenkonzept über-
zeugt durch seine Einfachheit, die guten Erweiterungs-
möglichkeiten und die dem Entwurfsprozeß ähnliche
Vorgehensweise des schrittweisen Zusammenbaus eines
Koppelgetriebes [2] bis
Dieser Beitrag behandelt die Struktur und Kinematik
von Koppelgetrieben, während die Dynamik (einschließ-
lich Coulombscher Reibung) in einem späteren Beitrag
in dieser Zeitschrift logisch angereiht werden soll. Ein
darauf aufbauendes Programm für Personalcomputer
befindet sich in Erprobung.
l. Strukturbeschreibung
Koppelgeu'iebe können beginnend beim Antrieb in logi-
scher Reihenfolge aus Gliedergruppen (ASSURGrup-
pen) zusammengesetzt werden (Bild l).
Eine Gliedergruppe besitzt folgende Merkmale:
l. Sie besteht aus mindestens zwei starren Gliedern, die
gelenkig miteinander verbunden sind. Die „inneren”
Gelenke werden als Koppelpunkte bezeichnet.
2. Entsprechend der Montagereihenfolge wird eine
Gliedergruppe über „äußere” Gelenke (Anschluß-
punkte) an vorher vorhandene Gliedergruppen ange-
schlossen. „Äußere"Gelenke zu nachfolgenden Glie-
dergruppen sollen Folgepunkte heißen.
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3. Bei Festhalten der Anschlußpunkte ist der Bewe-
gungsfreiheitsgrad einer Gliedergruppe gleich Null.
4. Bei gleicher Lage der Anschlußpunkte existieren
mehrere mögliche Lagen der Gliedergruppe (Montage-
varianten).
5. Die Montagevariante ändert sich nicht während eines
Bewegungszyklus des Koppelgetriebes; die Ausnahme
sind Koppelgetriebe mit Sonderabmessungen („durch-
schlagende” Getriebe).
6. Bei bekannten eingeprägten äußeren Kräften, bekann-
ten Gelenkreaktionen in den Folgepunkten und gege-
' benen d’Alembertschen Kräften sind die Gelenk-
reaktionen in den Koppelpunkten aus den statischen
Gleichgewichtsgleichungen bestimmbar; statische Be-
stimmtheit.
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Dyaden l. bis 5. Art mit Montagevarianten
irischen Zwangsbedingungen (transzendente Gleichun-
gen) können auf quadratische oder lineare Gleichungen
zurückgefiihrt werden.
Im Bild 2 sind die fiinf Dyadenarten mit ihren mögli-
chen Montagevarianten dargestellt.
Eine geometrische Deutung der Montagevarianten wird
sichtbar:
— Dyade l. Art: 2 Schnittpunkte von 2 Kreisen
—— Dyade 2. Art: 4 Schnittpunkte von einem Kreis und
2 Geraden, d. h. den 2 Parallelen zur
Schubgeraden mit dem Abstand der
— Schieberexzentrizität
— Dyade 3. Art: 4 Tangenten an 2 Kreise
— Dyade 4. Art: 4 Schnittpunkte der je 2 Parallelen
zu den 2 Schubgeraden im Abstand
der Schieberexzentrizitäten
— Dyade 5. Art: 2 Tangenten an einen Kreis bei vorge-
gebenem Winkel der Tangenten zur
Schubgeraden.
Die Nummer n einer Montagevariante Koppel-
punkt Bn im Bild 2) wird
für Dyaden l. und 5. Art nach n = (L + 3)/2 und
fiir Dyaden 2., 3. und 4. Art nach n = (L .+ 5)/2 + M
berechnet.
Mit L und M, die nur die Werte +1 oder —l annehmen,
werden in den mathematischen Beziehungen zur Kine-
matik die Montagevarianten unterschieden.
2. Art l. I signl'tasß}63y)!
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Spezielle Bezeichnungen und Definitionen sind außer-
dem aus dEn Bildern der Tabellen l bis 5 entnehmbar,
dabei werden weitestgehend folgende Grundsätze
eingehalten:
(l) Die Dyade besteht aus den Gliedern i und j
(2) Das Gelenk (i, ist der Koppelpunkt B
Gelenk (g, i) ist der Anschlußpunkt A am Dyaden-
glied i
Gelenk (h, ist der Anschlußpunkt C am Dyaden-
glied
(3) Die gliedfesten E-n-Koordinatensysteme haben ihren „
Ursprung in den Anschlußpunkten A bzw. C, und
die E-Achse verläuft durch den Koppelpunkt B.
(4) Die Winkel «pl sind von der raumfesten x-Achse
zur gliedfesten E-Achse zu messen.
(5) Schubgelenke (i, j) werden beschrieben durch
— einen Punkt Pi. auf der Schubgeraden im Gliedi
— einen Punkt Pji auf der Schubgeraden im Glied
— den Schubweg sij von Pij zu Pji (Schubweg führt
vom Punkt mit niedrigerem ersten Index, z. B.
Pü zum Punkt mit höherem ersten Index, z. B.
P“)?
—— dldn Winkel ßi- von Ei zur Schubrichtung sü und
den Winkel ji von Ei zur Schubrichtung sij
— für das Getriebeglied mit Schieber liegt P in
Schiebermitte
Zeitableitungen der Variablen x werden durch )7: bzw.
i—i gekennzeichnet.
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2. Kinemafische Analyse der Dyaden
Bei der kinematischen Analyse der Dyaden sind neben
den geometrischen Größen stets die Lage, Geschwindig-
keit und Beschleunigung der Anschlußpunkte gegeben.
Nach Vorgabe der Montagevariante kann dann die Bewe-
gung der Dyade exakt bestimmt werden. In den Tabel-
len l bis 5 sind die Beziehungen fiir‘alle fiinf Dyaden-
arten zusammengestellt. Bei Beachtung der Gelenk-
zuordnung (Anschlußpunkte und Folgepunkte vgl.
Bild l) können damit Koppelgetriebe, die aus Dyaden
beliebig zusammengesetzt sind, auf einfache Weise ana-
lysiert werden.
Die Bewegung eines beliebigen gliedfesten Punktes P
(Eip, nip), z. B. Folgepunkt, Koppelpunkt oder Massen-
sehwerpunkt, im raumfesten x-y—Koordinatensystem
kann wie folgt berechnet werden Bild in Tabelle l):
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Tabelle l
Kinematik der Dyade l. Art
Beachtenswert bei den Beziehungen für die Geschwindig-
keiten und Beschleunigungen in den Tabellen 1 bis 5
ist die Plausibilität der Terme im Nenner. Die Nenner
werden nur genau dann Null, wenn für die 1., 2. und 3.
Dyade eine Sperrlage (Deck- oder Strecklage) bzw. fiir
die 3. und 4. Dyade eine freie Bewegung auftritt.
3. Ausblick
Neben den modernen Methoden der Mechanismenana—
lyse, wie dem Maschenkonzept [l], [5] oder der FEM
[6], wo Zwangsgleichungen automatisch aufgestellt
und mit Näherungsverfahren iterativ gelöst werden,
erweist sich gerade fiir Personalcomputer niedrigerer
Leistungsfähigkeit (8-bit-Technik) das Gliedergruppen-
konzept als vorteilhaft.
Im zweiten Teil zur Dynamik soll der Vorteil der Ein-
schränkung auf Dyaden neben der Kinetostatik auch
bei der Einbeziehung Coulombscher Reibung nachge-
wiesen werden.
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Tabelle 2
Kinematik der Dyade 2. Art
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Tabelle 3
Kinematik der Dyade 3. Art
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Tabelle 4
Kinematik der Dyade 4. Art
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Kinematik der Dyade 5. Art
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(Diss.) Nr. l — 1977, Institut für Konstruktionstechnik,
Ruhnmiversität Bochum.
Anschrift des Verfamers:
Dr.-Ing. Thoma Thümmel
VEB TISORA Karl-Marx-Stadt
Rationalisierung Textilmachinenbau
Abt. OTK
PSF 818
Karl-Marx-Stadt
9010
69