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Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.1 Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau Ig / Be / Le 06.12.06 L:\ZG\L\Übung\Übung_Sa\K-Erddruck\K-Erddruck.doc K Erddruck K.1 Allgemeines Im Zusammenhang mit Setzungsberechnungen wurden bereits die im Boden wirksamen Vertikal- spannungen aus Eigengewicht und zusätzlichen Auflasten betrachtet. Analog zum Verhalten von Feststoffen (Querdehnung) oder Flüssigkeiten (Hydrostatik) resultieren aus Vertikalspannungen auch Horizontalspannungen. Feststoffe besitzen eine ausreichende Festigkeit, um auch ohne seit- liche Stützung stabil zu sein. Im Gegensatz dazu können Flüssigkeiten praktisch keine Schubspan- nungen übertragen, was dazu führt, dass die Spannungen in vertikaler und horizontaler Richtung gleich groß sind (hydrostatischer Spannungszustand). Das Verhalten von Boden liegt zwischen diesen beiden Fällen: Boden kann allenfalls (bei Vorliegen von Kohäsion) in geringem Maße Zugspannungen aufnehmen und ist somit bei vertikalem Abgra- ben ohne Stützung in der Regel nicht standsicher. Allerdings können aufgrund der vorhandenen Scherfestigkeit Schubspannungen übertragen werden, so dass die horizontalen und vertikalen Spannungen nicht gleich groß sind. Die zwischen einer stützenden Wand und dem Boden wirkende Kraft wird als Erddruck bezeichnet. Die Größe des Erddrucks ist abhängig von der Scherfestigkeit des Bodens. Sie hängt aber auch von der Relativverschiebung zwischen Wand und Boden ab: Findet keine horizontale Verschiebung der Wand statt, so werden keine Scherkräfte mobilisiert, es herrscht Erdruhedruck E 0 . Bewegt sich die Wand vom Boden weg, so ist eine Entspannung möglich, die eine Mobilisierung von Scherkräften und damit eine Reduzierung des Erddrucks zur Folge hat; schon bei sehr geringen Verformungen wirkt das Minimum des Erddrucks, der aktive Erddruck E a . Entsteht allerdings eine Verspannung des Bodens durch eine Verschiebung der Wand zum Boden hin, so stellt sich im Extremfall der passive Erddruck oder Erdwiderstand E p ein. Zur Mobilisierung des vollen Erdwiderstands sind aber große Verformungen notwendig. In Abhängigkeit von der Verformung stellen sich Zwischenzustände ein: Zwischen dem Erdruhedruck und dem aktiven Erddruck spricht man vom erhöhten aktiven Erddruck E a,erh . Bei einer Verspannung des Bodens zwischen dem passiven Erd- druck und dem Erdruhedruck wird ein teilmobilisierter Erdwiderstand E p,mob geweckt. Bild K-1: Erddruck in Abhängigkeit von der Verschiebung Aktion, aktiver Erddruck Verspannung Entspannung Reaktion, pas- siver Erddruck 0,1 % der Wandhöhe 1 - 10 % der Wandhöhe K a K o K p Erddruck- beiwert K dichter Sand lockerer Sand K p

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Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.1

Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau

Ig / Be / Le 06.12.06 L:\ZG\L\Übung\Übung_Sa\K-Erddruck\K-Erddruck.doc

K Erddruck

K.1 Allgemeines Im Zusammenhang mit Setzungsberechnungen wurden bereits die im Boden wirksamen Vertikal-spannungen aus Eigengewicht und zusätzlichen Auflasten betrachtet. Analog zum Verhalten von Feststoffen (Querdehnung) oder Flüssigkeiten (Hydrostatik) resultieren aus Vertikalspannungen auch Horizontalspannungen. Feststoffe besitzen eine ausreichende Festigkeit, um auch ohne seit-liche Stützung stabil zu sein. Im Gegensatz dazu können Flüssigkeiten praktisch keine Schubspan-nungen übertragen, was dazu führt, dass die Spannungen in vertikaler und horizontaler Richtung gleich groß sind (hydrostatischer Spannungszustand). Das Verhalten von Boden liegt zwischen diesen beiden Fällen: Boden kann allenfalls (bei Vorliegen von Kohäsion) in geringem Maße Zugspannungen aufnehmen und ist somit bei vertikalem Abgra-ben ohne Stützung in der Regel nicht standsicher. Allerdings können aufgrund der vorhandenen Scherfestigkeit Schubspannungen übertragen werden, so dass die horizontalen und vertikalen Spannungen nicht gleich groß sind. Die zwischen einer stützenden Wand und dem Boden wirkende Kraft wird als Erddruck bezeichnet. Die Größe des Erddrucks ist abhängig von der Scherfestigkeit des Bodens. Sie hängt aber auch von der Relativverschiebung zwischen Wand und Boden ab: Findet keine horizontale Verschiebung der Wand statt, so werden keine Scherkräfte mobilisiert, es herrscht Erdruhedruck E0. Bewegt sich die Wand vom Boden weg, so ist eine Entspannung möglich, die eine Mobilisierung von Scherkräften und damit eine Reduzierung des Erddrucks zur Folge hat; schon bei sehr geringen Verformungen wirkt das Minimum des Erddrucks, der aktive Erddruck Ea. Entsteht allerdings eine Verspannung des Bodens durch eine Verschiebung der Wand zum Boden hin, so stellt sich im Extremfall der passive Erddruck oder Erdwiderstand Ep ein. Zur Mobilisierung des vollen Erdwiderstands sind aber große Verformungen notwendig. In Abhängigkeit von der Verformung stellen sich Zwischenzustände ein: Zwischen dem Erdruhedruck und dem aktiven Erddruck spricht man vom erhöhten aktiven Erddruck Ea,erh. Bei einer Verspannung des Bodens zwischen dem passiven Erd-druck und dem Erdruhedruck wird ein teilmobilisierter Erdwiderstand Ep,mob geweckt. Bild K-1: Erddruck in Abhängigkeit von der Verschiebung

Aktion, aktiver Erddruck

Verspannung Entspannung

Reaktion, pas-siver Erddruck

0,1 % der Wandhöhe

1 - 10 % der Wandhöhe

Ka

Ko

Kp

Erddruck-beiwert

K

dichter Sand

lockerer Sand

Kp

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Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.2

Bei der Ermittlung des Erddruckes werden immer nur die effektiven Spannungen im Boden be-trachtet. Die horizontalen und vertikalen effektiven Spannungen sind mit dem Erddruckbeiwert K miteinander verknüpft. Ändern sich die vertikalen Spannungen σ’zz z.B. durch eine Änderung der effektiven Wichte von γ zu γ’ oberhalb und unterhalb des Grundwasserstandes, so geht dies auch mit einer Änderung der horizontalen Spannungen σ’xx einher. Im Verlauf der Erddruckspannung wird dies durch einen Knick deutlich. Ändert sich die Scherfestigkeit an einem Schichtwechsel, so geht dies direkt in den Erddruck ein – es entsteht ein Sprung in der Spannungsverteilung.

K.2 Erdruhedruck Der Erddruck, der auf eine unverschiebliche Wand wirkt, wird als Erdruhedruck bezeichnet. Es tre-ten keine Verformungen zwischen Bauwerk und Boden auf. Das Verhältnis zwischen horizontalen und vertikalen Spannungen wird durch den Erdruhedruckbeiwert K0 ausgedrückt:

''K

zz

xx0 σ

σ=

In der Bodenmechanik hat sich folgende empirische Beziehung zur Ermittlung des Erdruhedruck-beiwertes durchgesetzt: K0 = 1 – sin ϕ’ Der Erdruhedruck ist danach nur vom Reibungswinkel des Bodens, nicht aber von der Kohäsion abhängig. Beispiel: Für den in Bild K-2 dargestellten Baugrund soll die Verteilung des Erdruhedrucks und der gesamten horizontalen Spannungen bis auf Kote - 7,0 m ermit-telt werden. Zur Ermittlung des Erdruhedrucks muss zunächst die Verteilung der effektiven Vertikalspannungen berechnet werden. Unter Verwendung des Erdruhe-druckbeiwerts lassen sich daraus die effektiven Ho-rizontalspannungen bestimmen. Zur Vollständigkeit wird im Folgenden auch der Ver-lauf der Porenwasserdrücke und der totalen Span-nungen dargestellt. Im Zusammenhang mit der Er-mittlung des Erddrucks ist es sinnvoll, effektive Spannungen und Porenwasserdrücke getrennt zu behandeln.

Sand

Ton

-5,00

GW = -3,00

γ = 20 kN/m³γ' = 10 kN/m³ϕ' = 17,5°c' = 20 kN/m²

γ = 18 kN/m³γ' = 10 kN/m³ϕ' = 32,5°c' = 0 kN/m²

Bild K-2: Baugrundaufbau für alle Beispie-le zum Erddruck

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Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.3

Kote Schicht γ / γ’ σ’zz ϕ’ K0 σ’xx = e0

[kN/m³] [kN/m²] [°] [-] [kN/m²]

0,0 0 0

-3,0 18,0 3 · 18 = 54 25,0

-5,0

Sand

10,0 54 + 2 · 10 =

74

32,5 0,463

34,3

-5,0 74 51,8

-7,0 Ton

10 74 + 2 · 10 =

94

17,5 0,699 65,8

Vertikalspannungen [kN/m²]

Erdruhedruck [kN/m²]

40,094,0

54,0

74,0 94,0

54,0

134,0

effektive Spannungen σ´zz Porenwasserdruck u totale Spannungen σzz = σ´zz + u

34,3

25,0

51,8

65,8 105,8

71,8

25,0

54,3

40,0

effektive Spannungen σ´xx Porenwasserdruck u totale Spannungen σxx = σ´xx + u

Bild K-3: oben: Verteilung der Vertikalspannungen unten: Verteilung der horizontalen Spannungen bei Erdruhedruck

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Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.4

K.3 Aktiver Erddruck Aktiver Erddruck stellt sich bei einer Entspannung des Baugrunds durch eine Verformung der stüt-zenden Wand ein. Es ist der kleinste mögliche Erddruck; zu seiner Mobilisierung sind horizontale Verformungen in der Größenordnung von etwa 1 ‰ der Wandhöhe erforderlich.

K.3.1 Winkeldefinitionen Zur Ermittlung des Erddrucks auf geneigte Wände bzw. bei geneigtem Gelände müssen die Winkel einheitlich definiert werden, siehe Bild K-4: - Geländeneigung: β > 0 bei ansteigendem Ge-

lände. Der Erddruckbeiwert wird bei steigendem β größer.

- Wandneigung: α > 0 wenn die Wand einen An-

zug besitzt. Bei positivem α wird der Erddruck kleiner.

- Wandreibung: δa > 0 wenn die Erddruckkraft

den abrutschenden Keil stützt.

K.3.2 Einfluss der Wandreibung Gleitet ein Bodenkeil auf einer Bruchfuge ab, so stellt sich meistens auch eine Rela-tivverschiebung zwischen dem Boden und der Wand ein. Bei rauen Wandoberflä-chen führen diese Relativverschiebungen zu Reibungskräften. Die Erddruckkraft ist dann nicht mehr horizontal, sondern ge-neigt anzusetzen. Die Größe und Richtung des Wandrei-bungswinkels ist abhängig von der Rau-higkeit der Wand sowie der Art und Rich-tung der Relativverschiebung. Bild K-5 zeigt den Einfluss des Wandreibungswin-kels auf die Größe des Erddrucks. Setzt sich ein abrutschender Bodenkeil stärker als die Wand (δa > 0), so wirkt sich die Wandreibung mindernd auf den Erddruck aus. Dies ist bei Stützwänden in der Regel der Fall. Der Bodenkörper stützt sich quasi auf der Wand auf. Sollte sich aber die Wand stärker setzen (δa < 0) als der dahinterliegende Boden, wie dies z.B. bei vernagelten Spritzbetonschalen der Fall sein kann, so erhöht sich der Erddruck.

βα

δ>0

Ea

ϑa

ββαα

δ>0

EaEa

ϑa

Bild K-4: aktiver Erddruck, Winkeldefinitionen

G

ϕ'

Ea

Q

G

Ea

δa <

0

δa > 0

δa = 0

ϑa = 45° + ϕ'/2

Q

Bild K-5: Einfluss des Wandreibungswinkels auf die Größe des aktiven Erddrucks

Page 5: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.5

Für den Regelfall setzt man einen Wandreibungswinkel von δa = 2/3 · ϕ’ an. Dies beinhaltet eine ausreichende Gleitsicherheit gegenüber dem maximal möglichen Wandreibungswinkel δa = ϕ’.

K.3.3 Flächenbruch – Linienbruch Ist der Grenzwert des aktiven Erddrucks erreicht, stehen keine weiteren inneren Reaktionskräfte zur Stützung des Bodens mehr zur Verfügung. Bei weiterer Verformung ist mit einem Zerscheren des Haufwerks zu rechnen. Dieses „Versagen“ kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen: - Flächenbruch: Hinter der Wand entsteht ein vollkommen plastifizierter Körper, Erddrucktheorie

nach Rankine. - Linienbruch: Ein monolithischer Körper rutscht entlang einer Fuge ab, Erddrucktheorie nach

Coulomb. Die möglichen „Versagens“-Mechanismen sind analog denen eines Probekörpers beim Triaxialver-such, Bild K-6.

Bild K-6: a) Flächenbruch b) Linienbruch Das „Versagen“ des Bodens hinter einer Wand, der durchschert wird, führt nicht zu einem Versa-gen des Gesamtsystems Wand + Boden, wenn die Wand hinreichend gestützt wird.

K.3.3.1 Erddruck nach Rankine Rankine hat eine Theorie für den Fall aufgestellt, dass der gesamte Bruchkörper hinter der Wand plastifiziert, das heißt, an jeder Stelle ist die Bruchbedingung des ebenen Verformungszustandes erreicht. Rankine definiert den aktiven Erddruckbeiwert als das Verhältnis der kritischen Haupt-spannungen (Voraussetzung horizontales Gelände, senkrechte Wand, keine Wandreibung α = β = δa = 0):

)2/'45²(tanK1

3a ϕ−°=

σσ

=

Die Flächen, in denen das Spannungsverhältnis kritisch wird (Rankine’sches Gleitlinienfeld) haben die Neigung ( )2/'45902,1 ϕ+°°=ϑ m Der Rankine-Fall ist zwängungsfrei mit einer Fußpunktdrehung der Wand verträglich, die Verteilung der Erddruckspannung ist dann linear mit der Tiefe zunehmend.

Page 6: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.6

K.3.3.2 Erddruck nach Coulomb Geht man von einer Parallelverschiebung der Wand aus, so kann man das Versagen des Bruch-körpers entlang einer Fuge annehmen. Die Größe der Erddruckkraft lässt sich durch Gleichge-wichtsbetrachtung am Bruchkörper leicht ermitteln; durch Variation der Bruchfugenneigung findet sich ein lokales Maximum. Der mit dieser Neigung ermittelte Erddruck ist der physikalisch mögliche minimale Erddruck, der aktive Erddruck. In einem kohäsionslosen Boden ergibt sich die maßge-bende Bruchfuge als unter dem Winkel ϑa = 45° + ϕ’/2 gegen die Horizontale geneigte Gerade. Im allgemeinen Fall berechnet sich der horizontale Erddruckbeiwert Kah zu

( )

( ) ( )( ) ( ) α⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

β+α⋅δ−αβ−ϕ′⋅δ+ϕ′

+

α+ϕ′=

22

a

a

2ah

coscoscossinsin1

cos K

Für den Sonderfall horizontales Gelände und senkrechte Wand α = β = 0 sind die Beiwerte für be-stimmte Wandreibungswinkel tabelliert:

Erddruckbeiwert Kah für ϕ' δa= 0 δa= 2/3·ϕ' δa=·ϕ'

0 10° 15° 20°

1,00 0,70 0,59 0,49

1,00 0,65 0,52 0,43

1,00 0,63 0,50 0,40

22,5° 25°

27,5° 30°

0,45 0,41 0,37 0,33

0,38 0,35 0,31 0,28

0,36 0,32 0,29 0,26

32,5° 35°

37,5° 40°

0,30 0,27 0,24 0,22

0,25 0,22 0,20 0,18

0,23 0,20 0,18 0,16

Es wird wiederum eine mit der Tiefe linear zunehmende Spannungsverteilung angesetzt. Herrscht Kohäsion in der Bruchfuge, so wirkt diese dem Abgleiten des Bruchkörpers entgegen. Von den effektiven Horizontalspannungen kann der Anteil ahxx K'c2)'c(' ⋅⋅=σ abgezogen werden.

Page 7: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.7

K.3.4 Beispiel Für den beim Erdruhedruck untersuchten Baugrundaufbau soll nun der aktive Erddruck auf eine vertikale Wand mit einem Wandreibungswinkel δa = 2/3 · ϕ’ ermittelt werden.

Kote Schicht γ / γ’ σ’zz ϕ’ Kah σ’xx (Kah) c’ σ’xx (c’) σ’xx = ea

[kN/m³] [kN/m²] [°] [-] [kN/m²] [kN/m²] [kN/m²] [kN/m²]

0,0 0 0 0 0

-3,0 18,0 3 · 18 =

54 13,5

0 13,5

-5,0

Sand

10,0 54 + 2 · 10 = 74

32,5 0,25

18,5

0

0 18,5

-5,0 74 35,2 7,6

-7,0 Ton

10 74 + 2 · 10 = 94

17,5 0,475 44,6 20 27,6 17,0

aktiver Erddruck[kN/m²]

σ'xx (Reibung)

27,644,6

35,2

13,5

18,5 18,5

13,5

7,6

17,0

σ'xx (Kohäsion) σ'xx (Gesamt)

74,0

54,0

94,0

effektive Spannungen σ'zz

effektive Vertikalspannungen

[kN/m²]

-

Bild K-7: Verteilung der effektiven Vertikalspannungen und des aktiven Erddrucks

Page 8: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.8

K.4 Passiver Erddruck Erdwiderstand tritt auf, wenn eine Stützwand gegen den Boden gedrückt wird. Der maximal mögli-che Erdwiderstand wird als passiver Erddruck Ep bezeichnet. Zur Mobilisierung des passiven Erd-drucks müssen horizontale Verformungen von bis zu 10 % der Wandhöhe auftreten, was in der Regel für die Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerkes unverträglich ist. In der Praxis setzt man deshalb häufig nur 50 % des Erdwiderstandes an und geht davon aus, dass dies mit verträglichen Verformungen möglich ist. Soll die Interaktion zwischen Boden und Bauwerk genauer untersucht werden, so geschieht dies z.B. mit Hilfe einer Mobilisierungsfunktion.

K.4.1 Winkeldefinitionen und Wandreibung Die Winkeldefinitionen zur Geländeneigung und zur Neigung der Wand unterscheiden sich nicht von denen beim aktiven Erddruck. Allerdings ist der Wandreibungswinkel hier abweichend defi-niert: Er ist dann positiv, wenn er den ausbre-chenden Bruchkörper am Aufgleiten hindert, d.h. in den Boden drückt (Bild K-8). Es sei darauf hingewiesen, dass sich in der Lite-ratur auch andere Vorzeichendefinitionen fin-den. Die Größe des anzusetzenden Wandreibungswinkels beeinflusst die Größe des Erdwiderstandes erheblich. Auch hier wird aus Gründen der Gleitsicherheit in der Regel maximal δp = 2/3 · ϕ’, oft auch nur δp = 1/2 · ϕ’ oder δp = 1/3 · ϕ’ angesetzt. Beim passiven Erddruck wirkt der Einfluss der Wandreibung erhöhend. Deshalb muss bei Standsi-cherheitsberechnungen von Stützwänden, bei denen der Erdwiderstand zur Lastabtragung benötigt wird, immer kontrolliert werden, ob der angesetzte Wandreibungswinkel auch tatsächlich mobilisiert werden kann (mögliches Gleichgewicht vertikaler Kräfte).

K.4.2 Linienbruch – gerade und gekrümmte Bruchflächen Ebenso wie beim aktiven Erddruck kann man auch hier zwischen Linien- und Flächenbruch unter-scheiden. Erdwiderstandsbeiwerte nach der Theorie von Rankine erhält man, indem man in den in K.3.3.1 aufgeführten Formeln ϕ’ durch - ϕ’ ersetzt. Nach der Theorie von Coulomb erhielt man beim aktiven Erddruck das Maximum der Erddruckkraft allein durch Variation der Neigung einer gradlinigen Bruchfuge. Eine Variation der Form (z.B. Kreis-bogen) hat keine nennenswerten Auswirkungen. Im Gegensatz dazu muss beim passiven Erddruck auch die Form der Gleitlinie variiert werden, da dies bei Wandreibungswinkeln ≠ β (Geländeneigung) zu deutlich kleineren und somit maßgeben-den Erddruckbeiwerten führt. Wie beim aktiven Erddruck (vgl.K.3.3.2) lassen sich für gerade Bruchfugen Erdwiderstandsbeiwerte analytisch berechnen:

β

α

δ>0Ep

ϑp Bild K-8: Erdwiderstand, Winkeldefinitionen

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Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.9

( )

( ) ( )( ) ( ) α

⎟⎟

⎜⎜

β+α⋅δ+α

β+ϕ′⋅δ+ϕ′−

α−ϕ′=

2

2

p

p

2

ph

coscoscossinsin

1

cosK

Die maßgebende Bruchfuge stellt sich unter dem Winkel ϑp = 45° - ϕ’/2 gegen die Horizontale ein. Wird eine gekrümmte Form der Bruchfuge angesetzt, lassen sich nicht mehr einfache analytische Beziehungen aufstellen, da hier weiter reichende Variationsrechnungen notwendig sind. Die Erd-druckbeiwerte sind nachfolgend für einige Wandreibungswinkel tabelliert:

Erddruckbeiwert Kph für

gerade Bruchfugen kreisförmige Bruchfugen ϕ'

δp= 0 δp= 2/3 · ϕ' δp= ϕ' δp= 0 δp= 2/3 · ϕ' δp= ϕ' 0° 10° 12,5° 15° 17,5° 20°

1,00 1,42 1,55 1,70 1,86 2,04

1,00 1,61 1,83 2,12 2,41 2,79

1,00 1,70 1,98 2,32 2,75 3,31

22,5° 25° 27,5° 30°

2,24 2,46 2,72 3,00

3,30 3,89 4,65 5,74

4,05 5,07 6,53 8,74

2,46 2,73 3,00

3,67 4,40 5,13

4,26 5,26 6,25

32,5° 35° 37,5° 40°

3,32 3,69 4,11 4,60

7,10 9,23 12,07 16,53

12,33 18,82 32,54 70,92

3,35 3,69 4,15 4,60

6,30 7,46 9,43 11,40

7,91 9,56 12,45 15,33

Maßgebend sind die hervorgehobenen Werte, da sie das Minimum darstellen. Auch beim Erdwiderstand wirkt die Kohäsion günstig, da sie einem Ausbrechen des Bruchkörpers entgegen wirkt. Bei Einfluss von Kohäsion kann – vereinfachend für gerade ebenso wie für ge-krümmte Gleitflächen – der Wert phxx K'c2)'c(' ⋅⋅=σ zu den Erddruckspannungen addiert werden.

Page 10: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.10

K.4.3 Beispiel Für den beim Erdruhedruck und beim aktiven Erddruck betrachteten Baugrundaufbau soll nun der Erdwiderstand für einen Wandreibungswinkel von δp = 2/3 · ϕ’ berechnet werden. Für Reibungswinkel ϕ’ < 25° nähert sich die maßgebende Bruchfugenform einer Geraden an, so dass die Erddruckbeiwerte für gerade Bruchfugen angesetzt werden können.

Kote Schicht γ / γ’ σ’zz ϕ’ Kph σ’xx (Kph) c’ σ’xx (c’) σ’xx = ep

[kN/m³] [kN/m²] [°] [-] [kN/m²] [kN/m²] [kN/m²] [kN/m²]

0,0 0 0 0 0

-3,0 18,0 3 · 18 =

54 340,2

0 340

-5,0

Sand

10,0 54 + 2 · 10 = 74

32,5 6,3

466,2

0

0 466

-5,0 74 177,6 240

-7,0 Ton

10 74 + 2 · 10 = 94

17,5 2,4 225,6 20 62,0 288

Der hier aufgezeigte passive Erddruck stellt einen Grenzfall dar. Die zugehörigen großen Verschie-bungen sind in der Praxis meist nicht verträglich.

288

240466

340

177,6

225,6 62,0

passiver Erddruck[kN/m²]

340

466

σ'xx (Reibung) σ'xx (Kohäsion) σ'xx (Gesamt)

effektive Vertikalspannungen

[kN/m²]

effektive Spannungen σ'zz

94,0

54,0

74,0

+

Bild K-9: Verteilung der effektiven Vertikalspannungen und des Erdwiderstandes

Page 11: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.11

K.5 Teilmobilisierter Erdwiderstand Ep,mob Der aktive Erddruck Ea und der passive Erdruck Ep stellen zwei Grenzfälle dar, zwischen denen der tatsächlich auftretende Erddruck liegt. Bei einer Verspannung des Bodens spricht man vom teilmobilisierten Erdwiderstand Ep,mob. Die Größe der Teilmobilisierung hängt von der Wandverformung ab. Der Verlauf der zugehörigen Erddruckspan-nungen kann mit Hilfe einer Mobilisierungs-funktion rechnerisch abgeschätzt werden, in welcher u.a. die vorhandenen Verfor-mungen und die Tiefenlage des betrachte-ten Punktes als Variablen enthalten sind. In der Literatur finden sich viele unter-schiedliche Mobilisierungsfunktionen, die in der Regel empirisch gefunden wurden und deren An-wendbarkeit somit stark von den jeweiligen Randbedingungen abhängt. Beispielhaft sei hier die Mobilisierungsfunktion nach Vogt (1984) vorgestellt:

z/vaz/v)K(K K K 0ph0h +

⋅−+=

K0 Erdruhedruckbeiwert Kph Beiwert für den horizontalen Anteil des Erdwiderstandes v Wandverschiebung z Tiefe a bodenabhängiger Parameter (z.B. a = 0,03 für dicht gelagerten Sand und a = 0,11 für locker

gelagerten Sand)

Beispiel: Eine massive Betonwand wurde als Pressenwiderlager für ein Tunnelbauwerk verwendet, wobei die Pressenkräfte horizontal in das Widerlager eingeleitet wurden (siehe Bild K-11). Die beim Vor-schub aufgetretenen horizontalen Wandverschiebungen betrugen dabei ca. 2,0 cm und waren über die Wandhöhe annähernd konstant, so dass von einer Parallelverschiebung der Wand ausgegan-gen werden kann. Gesucht sind Größe und Verteilung des hinter der Wand mobilisierten Erdwider-standes.

Bild K-10: teilmobilisierter Erdwiderstand

Page 12: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.12

Sand Pressenkraft

-5,0 m

Pressenkraft

γ = 18,0 kN/m³ϕ' = 32,5°c' = 0 kN/m²

Bild K-11 Zur Ermittlung des Erdruckbeiwertes Kh werden die Eingangsgrößen bestimmt:

K0 = (1 – sin ϕ’) = (1 - sin 32,5°) = 0,46 Bei einer Parallelverschiebung treten keine Relativverschiebungen Wand – Boden auf, so dass der Beiwert für den horizontalen Anteil des Erdwiderstandes Kph mit einem Wandreibungswinkel δp = 0 aus der Tabelle abgelesen werden muss.

Kph = 3,32 Der Betrag der Wandverschiebung v ist in diesem Beispiel über die Wandhöhe konstant.

v = 0,02 m Der Parameter a wird für einen dicht gelagerten Sand mit 0,03 angenommen. (Anschaulich bedeu-tet dies, dass bei einer angenommenen Kopfpunktdrehung von 3 % der Wandhöhe 50 % des pas-siven Erddruckes mobilisiert werden würden.) Hiermit errechnet sich der höhenabhängige Erddruckbeiwert Kh für den teilmobilisierten Erdwider-stand zu:

z/02,003,0z/02,0)46,0(3,32 46,0

z/vaz/v)K(K K K 0ph0h +

⋅−+=+

⋅−+=

Kote z

[m] σ’zz

[kN/m²] σ’xx (K0) [kN/m²]

σ’xx (Kph) [kN/m²]

Kh σ’xx (Kh) [kN/m²]

0,01 0,2 0,1 0,6 3,28 0,60,50 9,0 4,1 29,9 2,09 18,81,00 18,0 8,3 59,8 1,60 28,91,50 27,0 12,4 89,6 1,34 36,22,00 36,0 16,6 119,5 1,18 42,33,00 54,0 24,8 179,3 0,98 52,94,00 72,0 33,1 239,0 0,87 62,55,00 90,0 41,4 298,8 0,80 71,7

Page 13: Documentk

Grundbau und Bodenmechanik Seite Übung Erddruck K.13

Sand Pressenkraft

-5,0 m

Pressenkraft

γ = 18,0 kN/m³ϕ' = 32,5°c' = 0 kN/m²

18,8

28,9

36,2

42,3

52,9

62,5

71,7

σ'xx

σ'xx = Kph · γ · z

σ'xx = K0 · γ · z

z

σ'xx = Kh · γ · z

Bild K-12: Darstellung der horizontalen Spannungen