jagdpraxis - wildeswissen.de · wildfleisch gehörte neben pflanzen - kost zu den ersten nahrungen,...
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36 PIRSCH 12/2015
Jagdpraxis
Der groSSe Fakten-CheCk
Wild kontra nutztierfleisch
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(Sus scrofa
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Jagdpraxis
Für unsere Vorfahren war es ein Fest, wenn ein Wildtier erlegt wurde und
sein Fleisch über dem Feuer brutzelte. Bei den heutigen Verbrauchern hält sich die Wertschätzung dagegen in Grenzen; Wildbret spielt gegenüber herkömm-lichem Fleisch schon mengenmäßig meist eine Nebenrolle.
Wildfleisch gehörte neben Pflanzen-kost zu den ersten Nahrungen, die der Mensch aß. Da energiereiches Essen in der Regel knapp war, hatte Wild eine herausragende Bedeutung als Sattma-cher und war entsprechend begehrt. Auch das ist heute anders: Die Bundes-bürger sind satt genug und verzehrten statistisch gesehen in den vergange-nen Jahren pro Kopf und Jahr etwa 450
Gramm Wildbret, also zwei Wildmahl-zeiten pro Jahr. Das macht unterm Strich etwa ein Prozent des gesamten Fleischkonsums aus. Die aktuelle DJV-Statistik zeigt eine leichte Steigerung des Gesamtverbrauchs: Über 23 452 Tonnen Fleisch von Hirsch, Reh und Co. kam im Jagdjahr 2013/ 14 auf die Ti-sche der Verbraucher (gegenüber knapp 20 000 Tonnen im Jagdjahr 2012/ 13).
„ge iz ist ge i l“ gi lt n ich t be i m fl e isch k au f
Doch auch diese Zahlen ändern nichts daran: Der moderne Verbraucher isst vor allem Fleisch aus dem Supermarkt, das von Nutztieren aus Mastbetrieben stammt und nahezu überall preiswert
Was ist besser: Rindsburger oder Rehbraten? Schnitzel oder Wildschweinsteak? Brathendl oder Stockente? Ist das Fleisch wilder
Tiere wirklich besser? Eine Ernährungswissenschaftlerin ist der Frage auf den Grund gegangen.
text : Dipl .oec.troph ruth rösch
ruth rösch
Dipl.-Oecotrophologin (Fachrichtung Ernährungs wissenschaft), freie Wis-senschaftsjournalistin und Dozentin
zur Verfügung steht. Dabei weiß doch eigentlich jeder, wie wertvoll Wildbret ist, denn schließlich lebt das Tier vor seinem Tod in Freiheit, ohne Medika-mente, in natürlicher Umgebung und mit viel Bewegung. Oder weiß es doch (noch) nicht jeder?
Wildfleisch sei besonders „fettarm, eiweiß- und vitaminreich“, ist immer wieder zu hören. Stimmt das eigentlich so pauschal für alle Wildarten? Hier sollte man als Jäger ruhig etwas dif-ferenzierter antworten können, denn es gibt durchaus Unterschiede. Wir ha-ben die Nährwerte im Folgenden auf den Prüfstand gestellt.
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HeimiscHes WildfleiscHVom Revier auf den Teller – statistik 2013/ 14
Rot-/ Damwild: 3885 Tonnen Wildschwein: 11 145 TonnenRehwild: 8421 Tonnen
Paarhufer* Vögel Hasenartige
Fasan: 94 838 StückWildtaube: 577 974 StückWildente: 363 611 Stück
Feldhase: 243 385 StückWildkaninchen: 211 592 Stück
© 2014 * Gewichtsangabe mit Knochen
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reh unD hirSCh kontra rinD
Art Energie (kcal)
Eiweiß (g)
Fett (g)
GFS (g)
EUFS (g)
MUFS (g)
Eisen (mg)
Zink (mg)
Magne-sium (mg)
Vit. B1 (mg)
Vit. B2 (mg)
Reh (Keule) 97 21 1,3 0,6 0,4 0,1 3,0 – 30 0,22 0,25
Reh (Rücken) 122 22 3,6 1,6 1,5 0,4 3,0 – 30 0,20 0,25
Hirsch (Durchschnitt) 122 21 3 1,5 1,4 0,1 2,3 3,2 20 0,23 0,25
Rind (dicke Rippe) 155 21 8 4 4 – 1,9 4,9 20 0,08 0,15
Rind (Filet) 121 21 4 2 2 – 2,3 4,4 20 0,10 0,13
Legende: GFS = gesättigte Fettsäuren, EUFS = einfach ungesättigte Fettsäuren, MUFS = mehrfach ungesättigte Fettsäuren
(Tabelle: nach Souci-Fachmann-Kraut 7. Aufl., Heseker/ Heseker 2. Aufl., Wahrburg und Egert)
Wer hat die nase vorn?
check 1: reh und hirsch kontra rind
Wissen, was man isst
fett ist nicht gleich fett
> Fette erfüllen wichtige Funk-tionen im Körper. Heute weiß man, dass die Fettqua-lität (d. h. die Zusammenset-zung der Fettsäuren) eine wichtigere Rolle spielt als die absolute Fettmenge.
> Gesättigte Fettsäuren (GFS) braucht unser Körper eigentlich nicht, weil er sie selbst aufbauen kann. Außer-dem wirken sie sich ungüns-tig auf Blutfette und das Herz-Kreislauf-System aus.
> Einfach ungesättigte Fett-säuren (EUFS) wirken sich günstig auf Blutfette und das Herz-Kreislauf-System aus. Etwa die Hälfte unseres Nahrungsfettes sollten die einfach ungesättig-ten Fettsäuren liefern.
> Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (MUFS) sind lebensnotwendig. Es gibt verschiedene Bauarten: Ome-ga-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren, die unterschied-liche Wirkungen entfalten.
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Wie schneidet Wildbret von Reh und Rotwild gegenüber Rindfleisch ab? Die Tabelle zeigt: Eine Rehkeule liefert am wenigsten Energie und Fett (Gesamtfett) pro 100 Gramm, aber auch Rehrücken und Hirschfleisch gehen als fettarm durch. Die Teilstücke des Rindes weisen übrigens wie auch beim Schwein sehr unterschiedliche Energie- und Fettge-halte auf. Der Anteil an gesättigten Fett-säuren ist bei Reh und Hirsch geringer als beim Rind, allerdings auch der Anteil der einfach ungesättigten Fettsäuren. Die Eiweißgehalte liegen bei allen sehr
ähnlich, nur die Rinderzunge fällt zu Gunsten des höheren Fettgehaltes nach unten ab. Bei den Gehalten an Eisen, Magnesium und den Vitaminen B1 und B2 haben Reh und Hirsch jeweils die Nase vorn. Fazit: Pluspunkt für Reh und Hirsch in der leichten Küche! Die Nährstoffdichte (Nährstoffgehalt bezogen auf den Ener-giegehalt) ist bei Reh und Hirsch noch besser als beim Rind. Wer also energie- und fettarm essen möchte, trifft mit Reh-, Rot-, Dam- oder Sikawild die rich-tige Wahl. rr
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Oben links: Bei der fleischqualität zählt auch das leben vor dem Tod. Unten links: Burger à la „slowfood“ – fettarmes Reh-Hack.
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Oben rechts: Bald ein schnitzel aus dem stall. Unten rechts: fasan aus echter „freilandhaltung“.
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Artgerecht und frei:
„Wer Tierschutz und Fleischkonsum in Einklang bringen will, liegt
mit gejagtem Wildfleisch richtig“. (Aus „inform“-
Magazin der BKK vor
Ort)
WilDSChWein kontra hauSSChWein
Art Energie (kcal)
Eiweiß (g)
Fett (g)
GFS (g)
EUFS (g)
MUFS (g)
Eisen (mg)
Zink (mg)
Magne-sium (mg)
Vit. B1 (mg)
Vit. B2 (mg)
Wildschwein 162 20 9 3,4 4,7 0,8 1,8 2,3 20 0,1 0,2
Hausschwein
Schweinebauch 261 18 21 7 10 2 0,6 1,7 20 0,7 0,16
Kotelett 133 22 5 2 2 – 1,8 1,4 24 0,8 0,2
Filet 106 22 2 0,7 0,8 0,3 1,5 1,9 25 0,9 0,23
(Tabelle: nach Souci-Fachmann-Kraut 7. Aufl., Heseker/ Heseker 2. Aufl., Wahrburg und Egert)
Wer hat den rüssel vorn?
check 2: WildschWein kontra hausschWein
auf einen Blick
plus-punkte des Wildbrets
> Nährwert und Nährstoff-dichte: Wildbret ist ernäh-rungsphysiologisch dem kon-ventionell erzeugten Fleisch der Nutztiere in vielen Punkten überlegen. Es gibt allerdings Unterschiede bei den Tier-arten und Teilstücken (siehe Tabellen und Erläuterungen)!
> In der Küche: Mehr Abwechs-lung weckt die Kreativität beim Braten, Grillen, Kochen. Der Jäger kann und sollte hier wertvolle Tipps zur Zubereitung geben.
> Für die Sinne: Wild ermög-licht neue Erfahrungen und Geschmackseindrücke in Zeiten von einheitlichem Fastfood und Fleisch aus Massentierhaltung.
> Umweltschutz und Nachhaltig-keit: Unterstützt den aktuellen Trend des bewussten und natür-lichen (Fleisch-)Konsums und zu Produkten aus der Region.
> Transparenz und Lerneffekt: Wer beim Jäger Wildbret kauft, erfährt Genaueres über Lebens-weise, Herkunft und Fleischqua-lität des erlegten Tieres. Das schafft Vertrauen und fördert die Wertschätzung.
Schwein gehabt, aber welches? Wild-bret vom Wildschwein liefert mehr Energie und Fett als das Fleisch von Reh und Hirsch und überrundet eben-falls die mageren Teilstücke vom Haus-schwein wie Filet oder Schnitzel. Der Vorteil dabei: Es enthält aber mehr ein-fach ungesättigte als gesättigte Fett-säuren. Die Eiweißgehalte sind bei Wild- und Hausschwein ähnlich. Dafür enthält das
Wildschwein etwas mehr Eisen und Zink als sein domestizierter Verwandter. Der Gehalt an Vitamin B2 ist gleichauf, der von Vitamin B1 etwas niedriger. Fazit: Wildbret vom Wildschwein ist ein sehr guter Mineralstofflieferant und damit ideal für kalte Herbst- und Win-tertage. Den Fettgehalt sollte man nicht überbewerten, der liegt bei manchen Teilstücken vom Hausschwein (z. B. Haxe) höher. rr
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Jagdpraxis
WilDgeFlügel kontra hauSgeFlügel
Art Energie (kcal)
Eiweiß (g)
Fett (g)
GFS (g)
EUFS (g)
MUFS (g)
Eisen (mg)
Zink (mg)
Magne-sium (mg)
Vit. B1 (mg)
Vit. B2 (mg)
Wildtaube (Fleisch mit Haut) 169 21 10 2,8 3,8 1,2 1,5 1,7 35 0,1 0,28
Fasan 154 24 6,6 2,2 3,3 0,8 2,0 1,6 25 0,09 0,14
Wildente 133 12 9 2,3 4,6 1,0 4,1 0,8 20 0,35 0,27
Huhn (Fleisch mit Haut) 166 20 10 3 3,2 2,5 0,7 1 35 0,08 0,16
Ente (Fleisch mit Haut) 227 18 17 4,6 9,3 2,1 2,5 1,8 20 0,3 0,23
(Tabelle: nach nach Souci-Fachmann-Kraut 7. Aufl., Heseker/ Heseker 2. Aufl., Wahrburg und Egert)
Wer hat den Schnabel vorn?
check 3: Wildgeflügel kontra zuchtgeflügel
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Wie die Tabelle zeigt, unterscheiden sich Fasan, Wildtaube und Wildente in ihrer Zusammensetzung, ebenso wie Huhn und Ente aus der Zucht. Die Gehalte an Fett und gesättigten Fett-säuren sind bei den Wildtieren gleich oder niedriger als bei den Zuchttieren, die Gehalte an Eisen, Vitamin B1 (wich-tig für Nerven- und Herzmuskelgewebe)
und Vitamin B2 (unterstützt u.a. den Aufbau des Nervengewebes) tendenzi-ell etwas höher, Magnesium und Zink liegen in ähnlichen Bereichen. Fazit: Wer hier wen überflügelt, ist auf den ersten Blick gar nicht leicht zu sagen. Tendenziell schneidet aber das Wildgeflügel auch hier wieder etwas besser ab. rr
Bewusster Fleischgenuss
WWf empfiehlt Wildbret
Der World Wide Fund For Nature (WWF), eine der größten Naturschutz-organisationen der Welt, hat einen Ratgeber zur Orientierung an der Fleischtheke vorgelegt. Produktions-methoden, Labels und Warenklas-sen wurden für die WWF-Empfehlun-gen durchleuchtet und nach einem einfachen Ampelsystem bewertet. Mit „Grün“ und damit als insgesamt empfehlenswert wurden Bio- oder Neuland-Produkte, Weide- und Wild-fleisch (aus nachhaltiger, regulierter Jagd innerhalb der EU) einge stuft. „Wildfleisch ist ein Nischenprodukt, kann jedoch zu einem guten Mix beim Fleischkonsum beitragen“, so das Resümee des WWF. Dit
i w www.wwf.de/fleisch
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