intelligente konzepte für die onkologie von morgen

4
Interview mit Prof. Dr. M. Hallek Direktor der Klinik I für Innere Medizin und des Centrums für integrierte Onkologie Köln Bonn Intelligente Konzepte für die Onkologie von morgen Der Deutsche Krebskongress, der im Februar 2014 in Berlin stattfinden wird, ist der wichtigste deutschspra- chige Kongress zum Thema Krebsdi- agnostik und Krebstherapie. Auf dem kommenden 31. Kongress wird es einige Neuerungen geben. Best practice sprach mit Prof. Dr. Michael Hallek, Direktor der Medizinischen Klinik I für Innere Medizin der Uni- versität zu Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn, der den Kongress als Präsi- dent leiten wird. best practice: In diesem Jahr wird der Deutsche Krebskongress erstmals gemein- sam von der Deutschen Krebsgesellschaſt und der Deutschen Krebshilfe ausgetra- gen. Welche Bedeutung hat das für den Kongress? Zum einen haben sich damit zwei we- sentliche Organisationen der deutschen Krebsforschung und Forschungsförde- rung sowie der Gestaltung des emas Krebs in der Öffentlichkeit zusammen- getan und wollen ihre Interessen in Zu- kunſt gemeinsam vertreten, was äußerst begrüßenswert ist. Zum zweiten wird durch das Engagement der Krebshilfe der Kongress etwas unabhängiger von industrieller Unterstützung. Es ist si- cherlich eine gute Entwicklung, wenn man versucht, solche Kongresse nicht nur an der finanziellen Förderung durch die Industrie festzumachen. Außerdem ist die Krebshilfe in der Medienarbeit sehr gut aufgestellt, so dass man hoffen kann, dass die auf dem Kongress disku- tierten emen gemeinsam mit der Krebsgesellschaſt in einer noch profes- sionelleren Art und Weise öffentlich ge- macht werden. best practice: Was war der Grund für diese Zusammenarbeit der beiden Gesell- schaſten? Krebshilfe und Krebsgesellschaſt hatten sich schon seit geraumer Zeit überlegt, in mehreren Bereichen enger zusammenzu- arbeiten. Ein ema war hierbei eben auch die gemeinsame Gestaltung des Krebskongresses, beide Organisationen treten aber auch immer häufiger zusam- men in politischen Gremien auf. So er- folgte die Abstimmung des Nationalen Krebsplans sehr eng zwischen beiden Gesellschaſten, aber auch Behandlungs- empfehlungen und eine Datenbank mit Sachinformationen für Patienten wollen sie gemeinsam erstellen. Die Zusammen- arbeit ist vielschichtig. Beide wollen in Zukunſt gemeinsam an einem Strang zie- hen, und der Krebskongress ist eine Art Symbol dafür. Frau A. Weissenberg, Kongresssekretariat im Ge- spräch mit Prof. Dr. M. Hallek, Kongresspräsident 2014 38 best practice onkologie 6 •  2013 INTERVIEW

Upload: b

Post on 23-Dec-2016

216 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Intelligente Konzepte für die Onkologie von morgen

Interview mit Prof. Dr. M. HallekDirektor der Klinik I für Innere Medizin und des Centrums für integrierte Onkologie Köln Bonn

Intelligente Konzepte für die Onkologie von morgenDer Deutsche Krebskongress, der im Februar 2014 in Berlin stattfinden wird, ist der wichtigste deutschspra-chige Kongress zum Thema Krebsdi-agnostik und Krebstherapie. Auf dem kommenden 31. Kongress wird es einige Neuerungen geben. Best practice sprach mit Prof. Dr. Michael Hallek, Direktor der Medizinischen Klinik I für Innere Medizin der Uni-versität zu Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn, der den Kongress als Präsi-dent leiten wird.

best practice: In diesem Jahr wird der Deutsche Krebskongress erstmals gemein-sam von der Deutschen Krebsgesellscha� und der Deutschen Krebshilfe ausgetra-gen. Welche Bedeutung hat das für den Kongress?

Zum einen haben sich damit zwei we-sentliche Organisationen der deutschen Krebsforschung und Forschungsförde-rung sowie der Gestaltung des �emas Krebs in der Ö�entlichkeit zusammen-getan und wollen ihre Interessen in Zu-kun� gemeinsam vertreten, was äußerst begrüßenswert ist. Zum zweiten wird durch das Engagement der Krebshilfe der Kongress etwas unabhängiger von industrieller Unterstützung. Es ist si-cherlich eine gute Entwicklung, wenn man versucht, solche Kongresse nicht nur an der �nanziellen Förderung durch die Industrie festzumachen. Außerdem ist die Krebshilfe in der Medienarbeit sehr gut aufgestellt, so dass man ho�en kann, dass die auf dem Kongress disku-tierten �emen gemeinsam mit der Krebsgesellscha� in einer noch profes-sionelleren Art und Weise ö�entlich ge-macht werden.

best practice: Was war der Grund für diese Zusammenarbeit der beiden Gesell-scha�en?Krebshilfe und Krebsgesellscha� hatten sich schon seit geraumer Zeit überlegt, in mehreren Bereichen enger zusammenzu-arbeiten. Ein �ema war hierbei eben auch die gemeinsame Gestaltung des Krebskongresses, beide Organisationen treten aber auch immer häu�ger zusam-men in politischen Gremien auf. So er-folgte die Abstimmung des Nationalen Krebsplans sehr eng zwischen beiden Gesellscha�en, aber auch Behandlungs-empfehlungen und eine Datenbank mit Sachinformationen für Patienten wollen sie gemeinsam erstellen. Die Zusammen-arbeit ist vielschichtig. Beide wollen in Zukun� gemeinsam an einem Strang zie-hen, und der Krebskongress ist eine Art Symbol dafür.

Frau A. Weissenberg, Kongress sekretariat im Ge-spräch mit Prof. Dr. M. Hallek, Kongresspräsident 2014

38 best practice onkologie 6 • 2013

INTERVIEW

Page 2: Intelligente Konzepte für die Onkologie von morgen

Inter view

best practice: Welche weiteren Neuerun-gen wird es außer der Zusammenarbeit von Krebsgesellscha� und Krebshilfe auf dem kommenden Krebskongress geben?Es gibt eine ausschließlich gemeinsame Ausgestaltung der politischen Foren. Je-der Krebskongress hat seine politischen �emen, und hierzu gibt es nun ein ge-meinsames Konzept, welche Felder plat-ziert werden sollen. Hier spielt auch der Nationale Krebsplan eine wesentliche Rolle und die Überlegung, wie sich dieser umsetzen lässt und wie sich verschiedene �emen vernetzen lassen. Abgesehen da-von wollen wir eine stärkere Betonung auf die Abstracts in den Postersitzungen legen und die Attraktivität dieser Sitzun-gen steigern. Weiterhin haben wir ganz konsequent versucht, in allen wissen-scha�lichen Sitzungen einen Leitgedan-ken durchzusetzen. Bei einem bestimm-ten �ema wie beispielsweise dem Ma-makarzinom wird es daher nicht mehr so sein, dass Gynäkologen, Strahlenthera-peuten oder Internisten Ihre Sitzungen nacheinander abhalten, sondern die Ver-anstaltung wird für alle gemeinsam ab-laufen. Das Konzept wird für die weitaus meisten Krankheitsbilder gelten. So wol-len wir eine Verzahnung der �emen er-reichen, wie es sie bisher eigentlich auf keinem internationalen Kongress zum �ema Krebs gibt. Das ist sowohl wissen-scha�lich als auch im Hinblick auf die Fortbildung sehr reizvoll, dann kann bei-spielsweise der Internist einmal hören, was Gynäkologen oder Strahlentherapeu-ten zum Mammakarzinom zu sagen ha-ben.

best practice: Sie hatten bereits die politi-sche Dimension des Kongresses angespro-chen. Nun wird zwischen der Planung und Ausrichtung des Kongresses die Bundesre-gierung wechseln. Welche Impulse bzw. Weichenstellungen erwarten oder erho�en Sie sich von der neuen Regierung und wie wollen Sie dem auf dem Kongress begegnen? Wir sind natürlich sehr gespannt, wie die Koalitionsverhandlungen ablaufen wer-den. Eines ist jedoch sicher, nämlich dass der alte Gesundheitsminister nicht mehr der neue sein wird. Dennoch haben wir auch ihn sowie zahlreiche weitere nam-ha�e Vertreter aus der Politik, von den Kostenträgern und von allen anderen wichtigen Beteiligten des Gesundheits-wesens zum Kongress eingeladen, von de-nen die meisten bereits zugesagt haben.

Wir werden hier sicherlich versuchen, vor allem diejenigen �emen anzumahnen, die im Nationalen Krebsplan verabschie-det worden sind. Beispielsweise werden die Psycho-Onkologie und die Finanzie-rung im Rahmen der Regelversorgung ei-nen breiten Raum einnehmen, aber auch die Weiterentwicklung von Krebszentren und deren Finanzierung. Ein weiteres �ema wird der Wunsch einer e�zienten Krebsbehandlung für alle sein und die Frage, wie sich dies gerade im Hinblick auf die unglaubliche Beschleunigung im Forschungsgeschehen realisieren lässt. Unter anderem diese Punkte möchten wir auf dem Kongress ausführlich disku-tieren, und hierbei brauchen wir auch von der Politik konkrete Vorstellungen. Auch beim Nationalen Krebsregister müssen wir eine Bestandsaufnahme machen und klären, ob die Politik hier noch nachre-gulieren muss. Sorge macht mir persön-lich die Sicherung von Innovationen und die ausreichende Unterstützung von kli-nischer und Versorgungsforschung, weil wir nur dann neue Prinzipien in die On-kologie einführen können.

best practice: Ist es aber nicht gerade bei den Innovationen häu�g ein Problem, dass die �erapiekosten explodieren? Wie könnte man Ihrer Meinung nach dem Di-lemma entkommen, dem Patienten Neu-erungen zugutekommen zu lassen, dies aber auch �nanzierbar zu halten?Ich glaube, dass hier tatsächlich ein gro-ßes Problem auf uns zukommen könnte. Noch ist es allerdings nicht so, dass wir vor einem Kollaps des Gesundheitssys-tems stehen. In ganz Europa werden ge-genwärtig pro Jahr und Bürger rund 100

Euro im Gesundheitswesen ausgegeben, was mir nicht übermäßig viel erscheint. Legt man diese Zahl zugrunde, dann

müssten wir auch Teuerungen noch recht gut verkra�en können. Es wird in den nächsten 30 bis 40 Jahren eine Phase ge-ben, in der wir in der Onkologie sehr vie-le Neuheiten bekommen werden, von de-nen die meisten sicherlich ein Segen für die Patienten sein werden. Und hier müs-sen wir dafür sorgen, dass wir diese �e-rapien den Patienten auch zur Verfügung stellen; sonst können wir den Stellenwert unserer Gesellscha� in komplett anderer Weise diskutieren, nämlich optimale Be-handlung nur nach Barzahlung oder �-nanzieller Beteiligung, und das würde das Solidarsystem unterhöhlen. Daher kämpfe ich um den Erhalt des Systems in unserem Land, in dem alle Menschen, die krank werden, die wesentlichen medizi-nischen Leistungen erhalten. Das zu lö-sen, wird eine große historische Aufgabe sein.

best practice: Und wie könnte sich diese Aufgabe Ihrer Ansicht nach lösen lassen, ohne dass das System kollabiert?Auf die längere Perspektive habe ich kei-ne allzu große Sorge, dass das System nicht mehr �nanzierbar sein wird. Wir leben heute rund dreimal länger als die

Zur Person:Prof. Dr. Michael Hallek studierte Medizin in Regensburg, München und Paris und absolvierte anschließend eine klinische und wissenschaftliche Ausbildung als Hämatologe und Onkologe in München und Harvard. 1994 gründete er die Deutsche CLL-Studiengruppe, die weltweit größte Studiengruppe zur chronischen lymphatischen Leukämie, deren Leitung er seitdem auch inne hat. Seit dem Jahr 2003 ist er Direktor der Medizinischen Klinik I für Innere Medizin der Universität zu Köln und seit 2007 auch des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO), das zweimal als onkologisches Spitzenzentrum ausgezeichnet wurde. Für seine wissenschaftliche Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seit 2011 ist er Mitglied der Leopoldina. Dem kommenden 31. Deutschen Krebskongress wird er als Präsident vorstehen.

„Krebsgesellschaft und Krebshilfe wollen zukünftig gemeinsam an einem Strang ziehen, der Krebs-kongress ist ein Symbol dafür“

6 • 2013 best practice onkologie 39

Page 3: Intelligente Konzepte für die Onkologie von morgen

Inter view

Menschen vor 100 oder 150 Jahren, und das hat bisher zu keinem wesentlichen wirtscha�lichen Problem geführt, denn wir arbeiten heute auch erheblich länger als damals. Dazu kommt, dass die neuen �erapien irgendwann einmal besser – sprich: nebenwirkungsärmer – und vor

allem auch billiger sein werden. Die neuen Medikamente, die heute viel kos-ten, werden in 30 Jahren größtenteils für Centbeträge herzustellen sein. Dann wird man auf die lange Sicht hin Erkrankun-gen wie beispielsweise ein kolorektales Karzinom mit Substanzen behandeln können, die vielleicht so viel kosten wie Aspirin. Das liegt vor allem an den Her-stellungskosten. Die neuen Wirksto�e sind häu�g orale Medikamente, die sich relativ leicht synthetisieren lassen. Ich glaube aber, dass wir hierbei vor allem die patentgeschützte Phase überbrücken und darauf achten müssen, dass Exzesse in der Preisgestaltung durch kluge Ver-handlungen mit den Pharma�rmen ver-hindert werden. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die neuen Medika-mente auch zielgerichtet eingesetzt wer-

den, denn häu�g wirken sie nur bei einem Teil der Patienten. Es wird die Aufgaben der klinischen Forschung sein, herauszu-�nden, bei welchen Patienten und in wel-cher Kombination diese Medikamente wirken und dies schnell umzusetzen. Deshalb fordere ich auch, dass wir spezi-ell in Deutschland mit seiner privilegier-ten wirtscha�lichen Situation unser Ge-sundheitssystem so ausrichten, dass wir praktisch alle neuen Medikamente in der Routinebehandlung durch klinische For-schung begleiten. Dann würden wir nämlich ganz rasch wissen, was etwas bringt und was nicht. Dies lässt sich aber nur in einem akademisch oder unabhän-gig organisierten Forschungsgeschehen realisieren. Wenn wir dies zum Prinzip in der Krebsbehandlung machen würden, wäre die Lösung für die Finanzierung wahrscheinlich ziemlich einfach.

best practice: Ein Leitthema des kommen-den Krebskongresses werden die intelligen-ten Konzepte in der Onkologie sein, kurz iKON. Was genau ist darunter zu verste-hen?Wir haben im Grunde genommen ver-sucht, in einem bildlich gut fassbaren Be-gri� wie iKON zu sagen, was wir gerne auf dem Kongress darstellen würden und gleichzeitig eine neue Kongressmarke herzustellen. Was ist in diesem Zusam-menhang intelligent? Zum einen ist es die Interdisziplinarität. Durch die ausufern-

de Spezialisierung in der Onkologie weiß kein Arzt mehr, wie genau der einzelne Patient zu behandeln ist, so dass die �e-rapieentscheidung auf mehrere Schultern verteilt werden muss. Der Arzt gibt also ein Stück weit seine Entscheidungskom-petenz an ein Gremium ab. Wir setzen uns zusammen, überlegen und entschei-den dann, was mit dem Patienten ge-schieht. Und häu�g sieht diese Entschei-dung dann ganz anders aus, wenn Chir-urg, Strahlentherapeut und andere Diszi-plinen ihre Meinungen mitteilen, als wenn man die Entscheidung alleine tri�. Interdisziplinarität heißt also, dass bei je-dem Patienten die wesentlichen Fachdis-ziplinen mitreden. Der nächste Punkt ist die Innovation. Unser Gebiet entwickelt sich mittlerweile so rasend schnell, dass es wichtig ist, die Innovationen auch zum Patienten zu bringen. Das kann am bes-ten durch klinisch angewandte For-schung geschehen. Daher wollen wir, dass Deutschland die Strukturen prägt, um solch eine Forschung weiter zu er-möglichen und auch zu beschleunigen, also beispielsweise bürokratische Hürden abzubauen. Der dritte Punkt ist schließ-lich die Individualisierung. Alle diese Entwicklungen laufen darauf hinaus, dass man die Patienten individuell be-handelt, nicht nur im Hinblick auf ihre Persönlichkeit und Eigenheiten. Auch die Diagnose muss individualisiert gestellt werden, so dass bestimmte molekulare Signaturen des Tumors bestimmen, wel-che Medikamente eingesetzt werden. On-kologie wird also eine immer stärker in-dividualisierte Medizin werden. Dies er-klärt auch das Paradoxon, dass wir auf der einen Seite eine immer mehr zuneh-mende Spezialisierung haben, auf der an-deren Seite aber trotzdem dieses Spezial-wissen am Patienten zusammentragen müssen um aus dem Ganzen ein komple-xes Behandlungskonzept zu erstellen.

best practice: Ein weiteres erklärtes Ziel von Ihnen ist es, innovative Forschungs-strukturen zu stärken, wie sie in Ihrem Kongressvorwort schreiben. Wie stellen Sie sich das vor?Es gibt immer verschiedene Maßnahmen, darunter auch strukturelle. Eine davon ist ausreichend Geld im System, und zwar nicht nur für die programmorientierte Großforschung einiger Einrichtungen oder Firmen, die in Deutschland schon kaum mehr tätig sind, sondern für den jungen Wissenscha�ler, der eine Idee hat.

„Es wird in den nächsten 30 bis 40 Jahren eine Phase geben, in der wir in der Onkologie sehr vie-le Neuheiten bekommen werden“

Die Aufgabe als Kongresspräsident ist vielfältig

40 best practice onkologie 6 • 2013

Page 4: Intelligente Konzepte für die Onkologie von morgen

Inter view

Zurzeit beobachten wir alle mit Sorge, dass die Förderraten für junge Wissen-scha�ler bei der Deutschen Forschungs-gemeinscha� eher nach unten gehen. Man spricht momentan von Akzeptanz-raten zwischen 10 und 20 Prozent, eine Quote, die in den USA zum Exodus jun-ger Forschungstalente geführt hat. Wir müssen also dafür sorgen, dass eine aus-reichende Förderung vorhanden ist. Eine Akzeptanzquote zwischen 30 und 50 Prozent scha� genügend Anreize für

junge Wissenscha�ler, sich um For-schungsgelder zu bewerben. Das ist wich-tig, denn wenn so etwas nicht mehr mög-lich ist und die jungen Forscher den Ein-druck haben, dass ihre Förderung dem Zufall unterliegt, dann machen sie eben etwas anderes. Der zweite Punkt in die-sem Zusammenhang ist die klinische Forschung. Wir müssen klinische Studi-en entbürokratisieren. Klinische Studien sind mittlerweile so teuer geworden, dass sie nur noch mit Unterstützung von Großforschungseinrichtungen oder mit Industrieförderung durchgeführt werden können. Das ist eine falsche Entwicklung die de facto zu einer Monopolisierung des Erkenntnisgewinns in der Hand weniger führt. Entbürokratisierung der klini-schen Forschung ist also ein großer Punkt.

best practice: Sie haben gerade den Abbau der Bürokratie erwähnt. Meinen Sie das nur im Zusammenhang mit Forschung, oder ist ein solcher Abbau auch an ande-rer Stelle nötig?Ich glaube, es ist allgemein so, dass wir immer mehr dokumentieren und dass wir immer häu�ger in verschiedenen Be-reichen eigens Personen beschä�igen, die nur die Bürokratie bewältigen. Es heißt ja, dass sich das deutsche Gesundheitswe-sen auch ohne Patienten Vollbeschä�i-gung verschaf-fen könnte, und das ist genau, was ich meine: es kann nicht sein, dass wir das Wesentli-che unseres Be-

rufs, nämlich die Arbeit am und mit dem Patienten, immer mehr aus den Augen verlieren, weil der gesamte Apparat im-mer mehr bürokratische und Dokumen-tationsaufgaben mit sich bringt. Einige davon sind sicherlich sinnvoll, aber man-ches ist einfach zu viel. Es wird häu�g da-rüber diskutiert, ob man eine Dokumen-tation einführen kann, aber so gut wie nie, ob man eine solche auch wieder ab-scha�en kann. Ein großes Problem ist hierbei auch die zergliederte Informati-onstechnologie im Gesundheitswesen mit fehlenden Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Anbietern, so dass immer wieder die gleichen Daten neu eingegeben werden müssen, anstatt sie einfach vom einen zum anderen weiter-zureichen und auszutauschen. Es gibt hier also viel zu tun, um unser Gesund-heitssystem e�zienter und auch preis-werter zu machen. Das erfordert politi-schen Gestaltungswillen und eine ge-schlossene Ärztescha�.

best practice: Was erwarten Sie sich vom kommenden Krebskongress, auch in per-sönlicher Hinsicht?Eigentlich gar nicht so viel, man sollte die Wirkung eines solchen Kongresses nicht zu sehr überschätzen. Ich habe allerdings durch die Tätigkeit des Kongresspräsi-denten mittlerweile schon sehr viele

Menschen ken-nengelernt und Kontakte ge-knüp�, und das genieße und schätze ich sehr. Die Arbeit im Rahmen der

Vorbereitung hat mir großen Spaß ge-macht und ich habe dabei sehr viel posi-tives Feedback bekommen. Hinter dem Motto „intelligente Konzepte in der On-kologie“ steckt natürlich auch eine kleine Provokation, nämlich zu sagen: lasst es uns einfach einmal versuchen, denn wir könnten es ja eigentlich. Wenn es uns ge-länge, ein bisschen mehr Dynamik ins System zu bekommen, so dass wir unsere großen Ressourcen nutzen, um in Deutschland ein beispielha�es Gesund-heitswesen zu organisieren, würde mir das sehr gefallen. Gerade in der Onkolo-gie könnten wir den interessanten Gestal-tungsraum nutzen, um neue Dinge aus-zuprobieren und die Medizin von morgen so zu formen, dass wir in Europa stolz da-rauf sein können. Das ist eine große He-rausforderung, und wenn wir das schaf-fen, wäre das auch ein gutes Beispiel für andere Länder. Wenn auf diesem Kon-gress hierzu Ideen entstehen, damit es weitergeht, dann wäre ich sehr zufrieden.

Interview: Dr. Johannes Weiß

Bilder: © Mathias Ernert, Uniklinik Köln

„In der Onkologie könnten wir den Gestaltungsraum nutzen, um die Medizin von morgen so zu formen, dass wir in Europa stolz darauf sein können“

„Onkologie wird eine immer stärker individuali-sierte Medizin werden“

Prof. M. Hallek und Dr. A. Guastafierro im Forschungslabor

Weitere Informationen zum Deutschen Krebskongress finden Sie unterwww.dkk2014.de

6 • 2013 best practice onkologie 41