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Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose Universität Würzburg Körperbehindertenpädagogik 16. Wissenschaftliche Tagung des ASBH-Beirates Fulda, 22. November 2014

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Page 1: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen

Dr. Christian Walter-KloseUniversität WürzburgKörperbehindertenpädagogik

16. Wissenschaftliche Tagung des ASBH-Beirates

Fulda, 22. November 2014

Page 2: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

„Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben“ (Absatz 2b);

„in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden“ (﴾Absatz 2e)﴿.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung

(Artikel 24: Bildung)

Annahme der UN-Konvention 12/2006 (Foto: Handicap International)

ABC

ABC

Page 3: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Prozentzahl der schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen, die im Jahr 1999 Förderschulen,

Förderklassen in Regelschulen oder Regeklassen besuchten (OECD, 2003)

100 98 73 84 21 65 8 42 40 13 18 16 83

22

56

3517

417

23

35

58 58 5970

82 84 89 97

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Regelklassen Förderklassen in Regelschulen Förderschulen

Deu

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Heute: 28,2% gemeinsamer

Unterricht

(Kultusministerkonferenz 2014)

Page 4: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Vorstellungen zum Wechsel von der Förderschule in einen „inklusiven Unterricht“

(Lelgemann, Lübbeke, Singer & Walter-Klose, 2012)

Page 5: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Bereitschaft der Lehrkräfte ein Kind mit Körperbehinderung in ihre Klasse Aufzunehmen

(Lelgemann, Lübbeke, Singer & Walter-Klose, 2012)

67,6%

12,6%5,3%

78,4%

24,6%

12,4%

98,2%

77,9%

40,9%

Schüler im Rollstuhl Schüler mit Pflegebedarf,Talker

Schüler im Rollstuhl mitgeistiger Behinderung

Lehrkräfte an AS ohneGU-ErfahrungLehrkräfte an AS mitGU-ErfahrungLehrkräfte an IS

Page 6: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Modell der wechselseitigen Anpassung von Schüler und Schule

(Walter-Klose, 2014)

Page 7: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Einige ausgewählte Befunde(Walter-Klose, 2012)

� Schulleistung�Gleich oder besser wie

Förderschüler� Schlechtere Schulleistungen

als gleichbegabte Mitschüler

Gründe:� Behinderung� Belastung in Schule und

Familie�Mangelnde

Unterrichtsanpassung

Page 8: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Einige ausgewählte Befunde

�Soziale Entwicklung�Viele positive

ErfahrungenAber auch:�Diskriminierungs-

erfahrungen (mind. 50%)�Vermeidung von

Sonderrollen

Größere Partizipationsprobleme • eingeschränkte

Manipulationsfähigkeiten, • geringe Mobilität, • geringe soziale Kompetenzen,• Sprachbeeinträchtigung und • Intelligenzminderung

(Yude & Goodmann, 1999; Uhrlau, 2006; Egilson & Traustadottir, 2009)

Page 9: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Einige ausgewählte Befunde(Walter-Klose, 2012)

�Hohe Zufriedenheit vieler Schüler mit dem gemeinsamen Lernen

Page 10: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

„Ich muss sagen, das mit Abstand Beste am gemeinsamen Unterricht ist […], dass …[die] Kinder gemeinsam Unterricht haben, gemeinsam ihre Zeit verbringen und ich glaub, das macht für beide Seiten viel aus. …

[Meine Mitschüler] sind sensibler solchen Dingen gegenüber geworden. Ich finde, was Sozialkompetenzen angeht von beiden Seiten, hat das echt viel gebracht. […]

Man kann nicht Menschen in Schubladen stecken. Man kann nicht sagen, du bist gesund. Du bist intelligent. Du dumm.“

17jähriger Schüler mit Körperbehinderung(seit 5. Klasse im gemeinsamen Unterricht)

(Lelgemann, Lübbeke, Singer & Walter-Klose, 2012)

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Verlassen des gemeinsamen Unterrichts, Wechsel an die Förderschule(Lelgemann, Lübbeke, Singer & Walter-Klose, 2012)

Leistungsentwicklung / mangelnde Anpassung des Unterrichts

sozialer Bereich(Diskriminierung)

Umweltbarrieren(Kooperation, Räumlichkeiten)

Belastung

+

+

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Perspektive Schule

Page 13: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

Befunde zum schulischen Bildungsangebot –Unterrichtsorganisation

(Walter-Klose, 2012)

•Unterrichtsanpassungen•Einzelarbeit•Anpassung von Prüfungen und Benotung•Gewährung von Pausen und Erholungszeiten•Themen im Zusammenhang mit Behinderung•Einsatz von Schulbegleitern

•Individualisierung / Gleichbehandlung•Unterstützung / Selbstständigkeit•Faktor Zeit•Teilhabe und Rehabilitation im Unterricht

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�Eltern in Brückenfunktion zwischen Ärzten/Therapeuten und Lehrkräften

�Therapien in der Freizeit

�Herausforderung der Lehrkräfte, pflegerische oder medizinische Maßnahmen zu übernehmen

�Physiotherapie statt Sport

�Einsatz und Nutzung von Hilfsmitteln in der Schule

Perspektive Therapie in „inklusiven“ Unterrichtsformen

Lelgemann et al. (2012); Walter-Klose (2012, 313f., 330)

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Was zeichnet gemeinsame Lernangebote aus?

Positive Haltung zur Inklusion und Menschen mit

Behinderung,

Bereitschaft Umwelt anzupassen

Individualisierung des Unterrichts

• Zeitweise gemeinsamer Unterricht

• Einzelintegration

• Gemeinsamer Unterricht und Beratung durch Förderlehrkraft

• Zwei-Pädagogen-System

Page 16: Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit ... · Inklusiver Unterricht für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und mehrfachen Behinderungen Dr. Christian Walter-Klose

¾Veränderung des Bildungs- und Gesundheitssystems� das Ziel der Inklusion als Menschenrecht� mehr gemeinsames Lernen ist möglich und kann gelingen� von den Allgemeinen, Inklusiven Schulen und Förderschulen lernen

� Kooperation und interdisziplinäre Zusammenarbeit� Unterstützungssysteme für schulische und außerschulische

Fragen

auf dem Weg zur Inklusion

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Perspektive Kinder / Jugendliche

3 alle Schweregerade und Form von Behinderungen

3 Im Durchschnitt geringer Unterstützungsbedarf im Bereich Lernen, Pflege und Therapie

3Kinder mit sozialen Kompetenzen und Selbstbewusstsein tun sich leichter

3Engagement der Eltern (und Lehrer) wichtig

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Vergleich der Schülerinnen und Schüler mit ICP, die eine Förderschule oder den Gemeinsamen

Unterricht besuchen (Haupt / Wieczorek, 2012)

Kinder mit Mehrfachbehinderung: 31% in Förderschule, 2% im gemeinsamen Unterricht

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Belastung durch den Schulbesuch(Haupt & Wieczorek, 2012)

�66% der Eltern im gemeinsamen Unterricht� Fehlen von Helfern, Konflikte mit

Lehrkräften,� Belastungen durch das Nacharbeiten

von Schulstoff mit den SchülerInnen,� Betreuung der Hausaufgaben� Kompensation von Krankheiten der

Schulbegleitungen � die Organisation und Durchführung von

Therapien und Arztbesuchen am Nachmittag

�27% der Eltern an Förderschulen

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� Kann das Kind, der Jugendliche an der Lernsituation in der geplanten Schule teilhaben, dort vom Unterrichtsangebot profitieren, sich in seiner Persönlichkeit positiv entwickeln?

� Können seitens der Schule die für die Teilnahme erforderlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt werden?

� Können fehlende Anpassungen und Schwierigkeiten von Kindern, Eltern und Schulpersonal kompensiert und Lösungen für Probleme gefunden werden?

Perspektive Schüler / Schülerin mit Körperbehinderung

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¾Veränderung des Bildungs- und Gesundheitssystems� das Ziel der Inklusion als Menschenrecht� mehr gemeinsames Lernen ist möglich und kann gelingen� von den Allgemeinen, Inklusiven Schulen und Förderschulen lernen

¾Entscheidung für das einzelne Kind� Reflektion und Optimierung der aktuellen Anpassungsmöglichkeiten� Kindes- und Elternwille im Laufe der Schulzeit� Zufriedenheit, individuelle Belastungen und

Kompensationsmöglichkeiten reflektieren

auf dem Weg zur Inklusion

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� Lelgemann, R., Singer, P., Lübbeke, J. & Walter-Klose, Ch. (2012). Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und Motorische Entwicklung. Zeitschrift für Heilpädagogik, 63 (11), 465-473.

� Lelgemann, R., Singer, P. & Walter-Klose, Ch. (2014). Inklusion im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. Stuttgart: Kohlhammer.

� Walter-Klose, C. (2012). Kinder und Jugendliche mit Körperbehinderung im gemeinsamen Unterricht. Oberhausen: ATHENA-Verlag.

Auf dem Weg zur Inklusion

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!