info 67 · sehen darin das tor zur welt und zum frieden, das wird in allen gesprächen, die sich um...
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Info 67
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zentrale
Februar 2014
Februar 2014
FREUNDESKREIS AFGHANISTAN E.V Nassauische Straße 21,10717 Berlin
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Februar 2014
Liebe Afghanistanfreunde,
2014 - das Jahr des Abzugs der alliierten Truppen aus Afghanistan spielt bei den
Afghanen in fast jeder Diskussion eine zentrale Rolle. Mal überwiegt der optimistische
Grundton und mal der pessimistische. Verschiedenste Prognosen und düstere
Szenarien darüber kursieren in den nationalen und internationalen Medien. Keiner hat
so recht eine Vorstellung davon, wie es tatsächlich weitergehen wird.
Politisch und wirtschaftlich steht das Land vor einer ungewissen Zukunft, doch der
Wunsch nach Bildungschance für Jungen und Mädchen brennt in den Menschen, sie
sehen darin das Tor zur Welt und zum Frieden, das wird in allen Gesprächen, die sich
um die Zukunft Afghanistans drehen, stets mit Leidenschaft betont.
Wir, der Freundeskreis Afghanistan, haben unsere afghanischen Partner über 30
Jahre durch bedrohliche Zeiten begleitet und werden in jedem Fall zu unserer
Verantwortung stehen, die die Gründer unseres Vereins vor vielen Jahren
eingegangen sind. Unsere Hilfe wird weiterhin dringend nötig sein, schon allein um
das in den vielen Jahren Erreichte nicht zu gefährden und die Menschen in unseren
Projektgebieten zu ermutigen und zu unterstützen ihren begonnenen aber mühsamen
Weg in die Eigenverantwortung weiter zu verfolgen.
Auch das in uns gesetzte Vertrauen unserer Partner vor Ort in Afghanistan ist uns
Ansporn immer wieder Mut und Kraft zu schöpfen und mit den uns zur Verfügung
stehenden Mitteln unbeirrt zu versuchen dieses „Tor zur Welt“ wenigstens einen Spalt
offenzuhalten. Dazu brauchen wir die Unterstützung all unserer Freunde und Spender.
Schenken auch Sie uns bitte weiterhin ihr Vertrauen.
Mit herzlichen Grüßen
P.S.: Das Titelfoto zeigt das Eingangstor zum Lycee Fatimiah in Tabqus/Jaghori.
Aufgenommen vom Schulkomitee Jaghori im Oktober 2013
Redaktion: Irmela Falke, Hochstr. 37, 64665 Alsbach
Email: [email protected] Tel.: 06257/ 69414 Fax: 06257/69416
Büroadresse: FKA, Schwommengasse 4, 88273 Fronreute
Tel.: 07502 9438301 FAX: 07502 9438291
Email: [email protected] und/oder
Homepage: www.fk-afghanistan.de
Spendenkonto: 42 020 131, Sparkasse Mainfranken Würzburg, BLZ 790 500 00
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Inhalt Interview mit Khazan-Gul Tani, Berthold Aab .......................................................................... 4 Afghanistan im Herbst 2013, Irmela Falke ................................................................................ 5 Ein Brief an die Deutschen, Sima Samar ................................................................................. 16
Lehrertag 2013, Irmela Falke ................................................................................................... 17 Presse ........................................................................................................................................ 19 Pinnwand .................................................................................................................................. 27
Neue Hoffnung für das Land
Es sind alle in Eile und wir,
sind noch im Schlaf versunken,
warum, von unserem Unwissen.
Wir verbrennen in unseren Trauer und Sorgen,
unsere Geliebte (gemeint ist Wissen) hat den Vorhang (hejab) abgenommen,
aber wir müssen noch die Maske tragen.
Die anderen stehen Reihe, neugierig mehr Wissen zu erwerben,
aber wir sind manchmal angeheitert und zeitweilig rasend.
Jeder versucht am Gipfel der Zivilisation zu schweben,
aber wir leben noch in Käfig und Dunkelheit.
Die anderen trinken von der Quelle des Wissens,
und wir noch verwirrt in der Wüste, gehen einer Fata Morgana nach.
Vielleicht ist in unserem Wesen, verwirrt und verheddert zu sein.
Aber Gott sei Dank, dass wir Blätter und Blumen auf dieser Wiese sind
und vom Garten der Rosendüfte.
Shamsia, Schülerin der 7. Klasse in Pedgah
Übersetzt von Meraj Amiri
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Interview mit Khazan-Gul Tani, Berthold Aab
Unser Projektpartner Khazan-Gul Tani ist nach wie vor voller Tatendrang.
Das Interview über die Situation in Khost und die anstehende Projekte führte Bertolt
Aab.
FKA: Hallo Khazan-Gul, wie ist gegenwärtig die Lage in Khost?
Khazan-Gul Tani: Die Lage ist - verglichen mit den vergangenen Jahren -ruhiger
geworden. Es gibt zwar immer noch Angriffe mit Raketen und Anschläge mit Minen,
deren Zahl hat sich aber merklich verringert.
FKA: Wie ist die Versorgungslage in Eurer Region?
Khazan Gul Tani: Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in
Ordnung. Wir sind aber nach wie vor sehr von Lebensmittelimporten aus Pakistan
abhängig. Die landwirtschaftliche Produktion in der Region entwickelt sich positiv,
wir sind aber noch deutlich von einer Deckung der lokalen Nachfrage durch
einheimische Produkte entfernt.
FKA: Ihr habt im letzten Jahr sieben einfache Schulräume für das
Mädchengymnasium in Khost gebaut. Haben die sich bewährt?
Khazan-Gul Tani: Ja, die Schulräume konnten das ganze Schuljahr über benutzt
werden.
FKA: Wie viele Schülerinnen gehen gegenwärtig in dieses Mädchengymnasium,
steigt die Schülerinnenzahl weiterhin so rasant wie in den letzten Jahren?
Khazan-Gul Tani: Die Schülerinnenzahl stabilisiert sich. Es gehen derzeit ca. 2000
Mädchen auf dieses Gymnasium. Jährlich werden ca. drei neue Klassen eingeschult.
FKA: Wie viele der Absolventinnen schaffen es nach der Schule auf die Universität?
Khazan-Gul Tani: Gegenwärtig schaffen es etwa 10% der Schülerinnen, Ihre
Ausbildung fortzusetzten.
FKA: Du hattest Dich im letzten Jahr sehr besorgt über die Qualität des Unterrichts
geäußert, wie ist hier die Entwicklung?
Khazan-Gul Tani: Leider lässt der Ausbildungsstand der Lehrkräfte weiterhin sehr zu
wünschen übrig. Dies ist auch ein Thema, dass in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert
wird. Die Regierung versucht, Programme zur Lehrerfortbildung zu etablieren, dies ist
aber schwierig, weil eine Beschäftigung in der Lehrerfortbildung für hochqualifizierte
Kräfte einfach nicht lukrativ ist. Die schlechte Qualität der Lehrer führt natürlich dazu,
dass das Curriculum nicht eingehalten werden kann und die Schüler nicht optimal auf
eine weiterführende Ausbildung vorbereitet werden können.
FKA: Im nächsten Jahr möchtest Du eine Dorfschule in der Nähe deines Heimatortes
bauen, planst Du weitere Projekte?
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Khazan-Gul Tani: Diese Dorfschule wollte ich schon vor vielen Jahren
verwirklichen. Die Leute in meiner Heimat waren aber immer sehr skeptisch. Nun
haben Sie aber offensichtlich den Wert der Bildung erkannt und fragen mich seit
einiger Zeit immer wieder, ob ich Ihnen nicht den Bau einer Schule organisieren kann.
Ich würde mich freuen, wenn uns dies in 2014 gelingt. In der Nähe von Khost gibt es
außerdem eine Mädchenschule, die über gar kein festes
Gebäude verfügt. Diese Schule hat ein besonders gutes Niveau, die Schülerinnen und
auch die Lehrer arbeiten sehr gut. Ich würde dieser Schule sehr gerne helfen, Räume
zu bekommen. Insgesamt muss man sagen, dass die Mädchen gegenwärtig viel
erfolgreicher in der Schule sind als die Jungen.
FKA: Was macht Deine Hühnerzucht?
Khazan-Gul Tani: Die einfachen selbstgebauten Brutkästen, die wir im letzten Jahr
benutzt haben sind für unsere Bedingungen nicht geeignet. Durch die starken
Temperaturschwankungen müsste man dauernd nachregeln. Das ist natürlich nicht
praktikabel. Wir benötigen beim nächsten Anlauf vollautomatische Brutmaschinen,
die schnell auf Schwankungen der Umgebungstemperatur reagieren können.
FKA: Vielen Dank für das Gespräch und bis bald.
Afghanistan im Herbst 2013, Irmela Falke
Ein Reisebericht
Anfang 2013 stellte der FKA bei Misereor einen Antrag zur Übernahme eines Teils
der Gehälter für Lehrer, die in den vom FKA unterstützten Schulen in Jaghori
unterrichten, jedoch nicht von der afghanischen Regierung bezahlt werden. Dieser
Antrag wurde im Sommer 2013 genehmigt mit der Maßgabe, eine jährliche
Buchprüfung in Kabul durch den Auditor Rafaqat vorzunehmen, vor dem ersten
Mittelabruf einen entsprechenden Vertrag mit diesem Buchprüfer zu unterzeichnen
und Misereor vorzulegen. Somit wurde eine zweite Reise in diesem Jahr nach Kabul
nötig, mit der mich der Vorstand beauftragte.
Vor dem Antritt der Reise (17.10.-4.11.2013) überraschten mich die seit Juni 2013
geltenden neuen Visa Bestimmungen für die Einreise nach Afghanistan. Danach
werden keine Touristenvisa mehr ausgestellt, über die wir vom FKA bisher eingereist
sind, sondern „Single Entry Visa“. Das Procedere ist nun wesentlich komplizierter,
sehr zeitaufwendig und auch teurer geworden.
Eine direkte Flugverbindung nach Kabul ist nach wie vor nicht in Sicht, also bleiben
nur Flüge mit Zwischenstopps je nach Airline in Dubai oder Istanbul und damit
verbundenen langen Aufenthalten vor einem Weiterflug nach Kabul und zurück.
Sowohl auf meinem Hin- als auch auf dem Rückflug waren die Maschinen der Turkish
Airlines ausgebucht, fast ausnahmslos mit afghanischen Reisenden, die ihre Familien
rund um das Eid Fest besuchten.
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Dank der Gastfreundschaft von Anna Maria und Peter Schwittek konnte ich wieder in
deren OFARIN Haus in Taimani wohnen und auch alle Meetings abhalten. Unter ihrer
Obhut fühlte ich mich sicher, denn die für mich neue Situation, als Frau ohne
männlichen Begleiter die Geschäfte für den FKA in Kabul abzuwickeln, stellte mich
vor neue Herausforderungen, besonders die notwendigen Aufgaben außerhalb der
„hohen Mauern“ von OFARIN zu erledigen, ohne mich mehr als nötig zu gefährden.
Eine in Kabul lebende deutsche Bekannte vermittelte mir den Kontakt zu dem Taxi
Unternehmen „Pink Safe Taxi“ (für Frauen und Ausländer), deren Taxi mit Funk
ausgestattet sind und in ständigem Kontakt mit deren Zentrale stehen. Die Fahrer
holten mich direkt vor dem Hoftor ab und warteten bis ich an den jeweiligen
Bestimmungsorten in Empfang genommen wurde. Dieser Service hat natürlich seinen
Preis, im Durchschnitt zahlte ich für eine Fahrt 7$. Ebenfalls auf ihr Anraten
verzichtete ich darauf, auch innerhalb Taimanis, selbst kurze Strecken zu Fuß zu
gehen, da es in dieser Gegend in letzter Zeit mehrere schwere Raubüberfälle,
besonders auf Frauen, sowie einige Kindesentführungen gegeben hat.
Pünktlich zum vereinbarten Termin traf das Schulkomitee (SK) aus Jaghori ein,
schwer beladen mit Kisten voller Äpfeln und einer großen Tüte mit getrockneten
Aprikosen. Welch nette Idee! Schade, dass sich alle FKAler nur durch dieses Foto an
dem Schatz aus den heimischen Gärten unserer Partner aus Tabqus und Choop
erfreuen können. Die aromatischen Äpfel und vor allem das Kishda (Aprikosenmus),
zu dem die getrockneten Aprikosen in der Schwittekschen Küche verarbeitetet
wurden, bereicherten den Mittagstisch im OFARIN Haus, als bescheidener Dank für
die Aufnahme und Unterstützung, die wir FKA Reisenden seit Jahren durch sie
erfahren.
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Neben diesen kulinarischen Köstlichkeiten überbrachte das SK einen großen Stapel
mit Gedichten, Aufsätzen, Gemälden und Handarbeiten der SchülerInnen mit, darin
eingebunden die besten Grüßen und Wünsche der Bevölkerung, Lehrer und
SchülerInnen aus Jaghori. Auch Moh. Ashraf, der sich zu dieser Zeit für 4 Wochen in
Jaghori aufhielt, lässt alle FKAler auf das Herzlichste grüßen.
Während unseres 4- tägigen Treffens berichtete das Schulkomitee, unterstützt von
mehreren Videos und vielen Fotos, über die Situation in und um Jaghori und an den
vom FKA unterstützten Schulen.
Foto von links: Abdul Wahab, Moh. Reza und Ali Jan, I. Falke, Kabul Okt. 2013
Innerhalb des Bezirks von Jaghori gibt es keine Sicherheitsprobleme. Wie in den
letzten Jahren hat jedoch die Gefährdung auf den Zufahrtswegen nach Jaghori noch
weiter zugenommen. So wurden vor den Eid- Feiertagen auf dem Weg von Muqur
nach Anguri mehrere zu den Feierlichkeiten heimkehrende Studenten von
verschiedenen dort operierenden Taliban entführt. Dank kluger Verhandlungen der
Ältestenräte aus Anguri, die auch Shah Gul telefonisch in ihre Verhandlungen
einbezogen und den jeweiligen Taliban Anführern, ist es gelungen, die jungen Leute
nach 16 Stunden wieder aus der Gewalt ihrer Entführer zu befreien.
Es gibt aber auch gute Neuigkeiten, die einen Hoffnungsschimmer aufklimmen lassen:
Der geplante Flughafen „Jaghori“ zwischen Sang-e-Moschar und Zardarlu wird zurzeit
ausgebaut, und für den nächsten Monat ist von der NGO PAKTEK ein Testflug
geplant. Im nächsten Frühjahr soll PAKTEK bereits Charterflüge von Kabul nach
Jaghori anbieten, die jedoch nur in Afghanistan registrierte NGOs buchen können. Ob
jedoch Jaghori von dann ab regelmäßig und vor allem in welchen Zeitabständen
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angeflogen werden wird, steht bisher nicht fest. Es bleibt also abzuwarten, ob sich
damit eine Möglichkeit bietet, endlich einmal wieder die Jaghori-Projekte in FKA-
Augenschein nehmen zu können.
Nach dem Alltag der Bevölkerung in Jaghori im Spätherbst gefragt, berichtet das SK
von hoher Arbeitslosigkeit und den Sorgen vieler Familien vor dem bevorstehenden
Winter. Zwischen 300 und 400 Euro muss eine Familie für den Wintervorrat an
Eichenholz zum Kochen und Heizen aufbringen. Viele können sich diese Ausgabe
nicht leisten und müssen zu dem billigeren weichen Pappelholz greifen, wenngleich
dies aber keinem Vergleich mit dem hohen Brennwert des harten Eichenholzes
standhält, das aus den westlichen Provinzen Khost/Gardiz/Paktia in Trucks
herangekarrt wird. Einmal mehr wird durch diese Schilderungen deutlich wie
mühevoll und entbehrungsreich ihr Leben ist und in welchen -für sie- unvorstellbaren
Luxus wir in unseren gut isolierten, zentralgeheizten Häusern leben.
Ausführlich haben wir die Situation der einzelnen Schulen besprochen. Der Unterricht
kann in den Klassen problemlos durchgeführt werden, letztendlich auch durch die
Anstellung einiger neuer Lehrer, denn dadurch konnten sie entstandene Engpässe
überwinden. Man sei glücklich die jungen Lehrer mit Abschluss der Pädagogischen
Fakultät der Universitäten Kabul und Herat für das Lycee Hedayat, Haidar und Say
Qul gewonnen zu haben. Das SK berichtet, dass sie bisher sehr zufrieden mit dem
Unterricht dieser neuen Lehrer seien und betonte, dass die guten Ergebnisse in ihren
Klassen für sich sprechen würden. Nun hofft und vertraut man darauf, dass sie sich
nicht abwerben lassen und so der Schullandschaft Jaghori erhalten bleiben.
Unterstützt wurden die Berichte des SK durch die mitgebrachten Video Sequenzen, die
Einblicke auch in den Unterricht der Schulen bieten. Natürlich erzählen sie auch von
den Sonnenseiten des Schulalltags, die so manche Schwierigkeiten vergessen lassen.
So von verschiedenen Feierlichkeiten zum Empfang von Moh. Aschraf, dem
jährlichen Lehrertag und einem Fest im Lycee Petqar zu dem Schüler der 12. Klassen
ein selbst geschriebenes Theaterstück „Mutter überzeugt faulen Jungen zur Schule zu
gehen“ (frei übersetzt) aufführten. Es hätte die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen
hingerissen hätte, so das sichtlich stolze Schulkomitee.
Foto SK, Okt. 2013
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Zu den Baumaßnahmen Renovierung Lycee Hedayat und dem Neubau der Schule in
Joderi informiert das SK ausführlich. Im Einzelnen:
Renovierung Hedayat: Laut Aussagen und Videobeleg/Fotos sind die Bauarbeiten
nicht ganz so weit vorangekommen wie angenommen (Ramazan, Eid Feiertage), man
arbeitet jedoch mit Hochdruck und versucht den angepeilten Termin vor Beginn der
Winterzeit zu halten.
Fotos SK, Aufbau des Daches, Okt. 2013
Im Verlauf ihres Statusberichtes stellte das SK für 2014 einen Antrag auf Finanzierung
„Abriss des alten Schulgebäudes und der Aufbau der Umfassungsmauer“.
Dies ist jedoch eine der Voraussetzungen als „Eigenbeteiligung der Bevölkerung“ für
die Antragsgenehmigung durch Misereor. Daran erinnert, fand eine längere
Telefonkonferenz des SK mit dem Ältestenrat in Jaghori statt. Dieser berief daraufhin
eine Versammlung ein, in der beschlossen wurde, dass sich die Bevölkerung an die
Vereinbarung halten und diese Arbeit, bzw. die damit verbundenen Kosten
übernehmen wird.
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Joderi: Der Bau der Maktab-e-Irmgard Kapitel, ist bis auf wenige Arbeiten im
Innenbereich abgeschlossen. Laut Moh. Reza würde nach dem Kauf von Teppichen
für alle Klassen noch ca. 300,-- Euro Überschuss bleiben. Sie baten darum den Betrag
zur Einebnung des Geländes vor der Schule (Schulhof) verwenden zu dürfen.
Foto SK, Okt. 2013 Joderi
Zur Erinnerung: 2011 ermöglichte uns die Erbschaft von Irmgard Kapitel lang
gehegte Projektewünsche zu verwirklichen. So wurde der Bau dieser Schule nur
möglich durch einen Teil dieses Erbes, ebenso der Bau weiterer Klassenzimmer der
Mädchenschule in Khost (siehe Interview mit Khazan-Gul Tani auf Seite 4). Aus
Dankbarkeit der Bevölkerung von Joderi wird im Eingangsbereich der Schule ein
gerahmtes Gedenkfoto mit schriftlichem Memory in die Wand eingelassen. Zusätzlich
-auf Wunsch der Bevölkerung- wird über der Eingangstür eine Tafel „Maktab-e-
Irmgard Kapitel“ angebracht und, wie Moh. Reza verriet, vom Schulkomitee zur
feierlichen Einweihung im Frühjahr enthüllt werden. Damit würde die Schule auch
offiziell und für jeden sichtbar den Namen ihrer Spenderin tragen.
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Fast 10 Jahre hat die Bevölkerung von Joderi auf ihre Schule warten müssen, die
SchülerInnen wurden meist im Freien, in der Dorf Moschee oder in verschiedenen
Privathäusern unterrichtet, so dass die Vorfreude auf ein festen Schulgebäude nicht zu
bremsen ist. So ist es denn auch kein Wunder, dass wegen der schlechten
Witterungsbedingungen die noch nicht ganz fertig gestellte Schule von einigen
Klassen -kurz vor den Winterferien- vorläufig bezogen worden ist.
Foto SK, Okt. 2013, Joderi
Natürlich überbringt das SK auch Projektevorschläge beziehungsweise Wünsche für
2014, diese liegen dem Vorstand zur Prüfung vor und werden zur nächsten
Mitgliederversammlung dem Plenum vorgelegt.
Kern des SK-Meetings war die Durchsicht und Prüfung der Belege. Die Abrechnungen
der FKA finanzierte Projekte waren vom SK gut vorbereitet. Zusammen mit dem SK
konnten die Abrechnungsbelege auf Richtigkeit geprüft und die einzelnen Posten
erklärt werden; sie sind in sich stimmig.
Das Treffen mit den Mitarbeitern des Buchprüfungsbüro “Rafaqat“ zur
Vertragsbesprechung/-Unterzeichnung des Misereor Vertrages „Food Allowances“
gestaltete sich schwierig. Die Mitarbeiter erscheinen, trotz vorheriger Information über
den zu verhandelnden Vertrag, gänzlich unvorbereitet zu dem vereinbarten Termin,
also ohne die Prüfungsanforderungen, die Grundlage des Vertrages sind. Zudem haben
sie offensichtlich Schwierigkeiten eine Frau als Verhandlungspartnerin zu akzeptieren.
Die Vertragsausarbeitung nahm einige Tage in Anspruch, bis alle Modalitäten und die
Prüfgebühr ausgehandelt und das SK über die Belegführung unterwiesen wurde.
Erfreulich war jedoch der Besuch der Stipendiatinnen Maryam und Madina. Die
beiden Mädchen kennen sich bereits aus ihrer Schule in Saynabia und verstehen sich
gut. Bei angenehm warmen Temperaturen im strahlenden Herbst Sonnenschein
spazierten wir durch den noch üppig blühenden Schwittekschen Rosengarten und
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konnten uns gegenseitig ausführlich befragen und austauschen. Herzerfrischend ist die
Fröhlichkeit und Offenheit der beiden Mädchen, die immer wieder betonten, dass sie
ihr Glück kaum fassen, da sie ohne die Unterstützung der FKA-Stipendien nicht
studieren könnten. Sie sehen optimistisch in ihre persönliche Zukunft und geben mir
aus tiefstem Herzen „Schoma zenda baschid“ für ihre Spender und Freunde mit auf
den Weg.
Foto I. Falke, Okt. 2013 Kabul ,von links: Maryam, Madina,
Maryam: Sie ist weiterhin mit ihrem Studium (Food Technologie/Polytechnisches
Institut der Uni Kabul) sehr zufrieden, wenn auch die Praxis der Theorie noch
hinterher hinke, wie sie meint. Bereits während unseres Aufenthaltes im Mai/Juni
lernten wir diese sehr aufgeschlossene und lustige Studentin kennen. In der
Zwischenzeit hat sie neben ihrem Studium weiter fleißig Englisch gelernt und eine
recht gute Verständigung war möglich. Sie berichtete von der Schließung der
Polytechnischen Universität ab Anfang Okt. 2013 für längere Zeit, da auf diesem
Campus Loya Dschirga abgehalten würde. Die Seminare würden in dieser Zeit
ausfallen. Offensichtlich müssen die Studenten sich in der Zwischenzeit das Wissen
für die Semester Abschluss Prüfungen selbst aneignen.
Madina: Diese junge Frau bewarb sich für einen Studienplatz an der Universität
Kabul, bekam aber nur eine Zulassung in Jalalabad. Diesen musste sie jedoch
ablehnen, da sie dort weder Verwandte hat, noch einen Platz in einem Heim für
Studentinnen bekommen konnte. Nachdem sie von dem FKA Stipendium erfahren
hatte, schrieb sie sich an einer privaten Universität in Kabul für Politik und Recht ein.
Madina versucht nun, in dem Heim für Studentinnen der Universität Kabul ein
gemeinsames Zimmer mit Maryam zu beziehen, auch wenn sie an einer privaten
Universität studiert. Sie glaubt, gute Chancen zu haben. Und so drücke ich ihr die
Daumen! Sie ist im Gegensatz zu der lebhaften Maryam ein sehr ruhiges Mädchen.
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Zu einem Besuch lud mich unsere frühere Schulleiterin des Lycee Saynabia und
jetzige Parlamentarierin Shah Gul Rezaie in ihr neues Haus in Afshah ein. Dieser
Stadtteil Kabuls wurde Anfang der 90 er Jahre während des Mudschahedinkrieges von
rivalisierenden Mudjahedinfraktionen total zerstört (Kabul zu gut einem Drittel). Seit
einigen Jahren wird der Wiederaufbau massiv vorangetrieben, dabei ist jedoch der
zunehmende Autoverkehr nicht berücksichtig worden, die Gässchen sind sehr eng und
kaum befahrbar.
Im Augenblick bereitet sich Shah Gul (Foto I.
Falke, Kabul Okt. 2013) auf ihren
Masterabschluss in Politikwissenschaften vor
und ist nicht sicher, ob sie sich zur nächsten
Parlamentswahl noch einmal aufstellen lassen
wird. Mit ihrem Masterabschluss und der
Parlamentsarbeit über zwei
Legislaturperioden hat sie sicher sehr gute
berufliche Chancen. Sie bestätigte die
Aussagen des SK über die Sicherheitslage in
und um Jaghori. Auch auf Grund der
Sicherheitslage treibt das
Verkehrsministerium den Straßenausbau
einer direkten Verbindung von Muqur nach
Anguri, sowie am Ausbau des Flughafens in
Jaghori voran. Shah Gul berichtete auch von
zunehmenden Entführungen von Kindern auf
dem Weg von und zur Schule, sowohl in
Kabul als auch auf dem Land. Sie würde oft
in die Verhandlungen einbezogen, jedoch
seien die Kinder meist nur gegen Zahlung eines hohen Lösegeldes wieder frei zu
bekommen. Ausführlich erklärt sie mir den Stand zu den bevorstehenden
Präsidentschaftswahlen. Am 6. Oktober sei die Bewerbungsfrist für das
Präsidentenamt abgelaufen, 27 Kandidaten seien auf der Liste eingetragen gewesen,
berichtet sie. Die anschließende Überprüfung und Bearbeitung durch die „unabhängige
Wahlkommission“ (IEC) brachte dann als Ergebnis, dass es nur noch 11 Kandidaten
gab. Bei dieser Maßnahme verschwanden zahlreiche durchaus wählbare Kandidaten
und andere mit zweifelhaftem Ruf stehen jetzt auf der Liste.
Zum Schluss des unterhaltsamen Abends verspreche ich ihr, all ihre FKA-Freunde
herzlich von ihr zu grüßen und ihre besten Wünsche mit nach Deutschland zu nehmen.
Besonders gefreut habe ich mich über das Wiedersehen mit Prof. Nasseri, diesen sehr
zuvorkommenden älteren Herrn lernte ich vor längerem während eines FKA Besuches
in Kabul kennen. Prof. Nasseri hat in Freiburg Forstwirtschaft studiert, lehrt nun in
Kabul und spricht hervorragend Deutsch. Mit ihm konnte ich mich lange unterhalten.
Er sieht die Zukunft Afghanistans sehr pessimistisch, hauptsächlich da die gut
ausgebildete Intelligenz ins Ausland geht, der Verfall von Moral und das Verhalten
besonders der Jugendlichen sehr erschreckend ist (O-Ton). Ein angedachter Rundgang
mit ihm über den Universitätscampus kam nicht zustande, da seit einigen Wochen
auch hier verschärfte Sicherheitsbedingungen eingeführt wurden. Der Rektor der
Universität stellt nur noch sehr selten Besuchsgenehmigungen aus und selbst diese
werden täglich neu überprüft und bei geringstem Verdacht wieder zurück genommen.
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Wie glücklich war ich den kleinen
„Schützling Roya“ von Anna Maria
und Peter Schwittek wiederzusehen!
Zur Erinnerung: Im letzten Jahr rief
OFARIN mit einem Rundbrief zu
einer Spendenaktion auf, in dem von
dem Leiden des Mädchens berichtet
und um Unterstützung für ihre
Operation in Deutschland gebeten
wurde. Auch FKA Mitglieder haben
für Roya gespendet, und die Mühe
aller hat sich gelohnt: Das kleine
Mädchen ist putzmunter und kann gut
und vor allem nun auch allein
problemlos laufen. Welch ein Glück
und Segen für das Kind und seine so
über alle Maßen dankbare Familie!
Fotos I. Falke, Okt. 2013: Oben Roya an der Hand ihres Vaters zusammen mit ihrer
Zwillingsschwester, unten Anna Maria und Peter Schwittek mit Roya und ihrem Vater
Eine lange Tradition hat das jeden Donnerstag stattfindenden Treffen und der
sonntägliche Gottesdienst im Haus der Christusträger Bruderschaft in Kabul. Auch
während dieser Reise konnte ich glücklicherweise die Gelegenheit nutzen daran
teilzunehmen und mich mit anwesenden Mitarbeitern anderer NGOs und der GIZ
austauschen. Alle, jedoch besonders die Brüder Jac und Schorsch, sind sehr besorgt
über die Zukunft des Landes. Vor allem darüber, wie es mit dem über lange Jahre
Aufgebautem weitergehen kann, wenn sie selbst das Land verlassen müssten.
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Abschließend ist zu bemerken, dass sich nach meinem Verständnis mit einem Abstand
von nur 4 Monaten zwischen den beiden diesjährigen Reisen, die allgemeine Lage
nicht wesentlich verändert hat. Angesprochen auf ihre Einschätzung der Lage, der
anstehenden Präsidentschaftswahlen und des Abzug der internationalen Truppen 2014
antworteten meine jeweiligen Gesprächspartner leicht genervt. Man habe schon so viel
erlebt und müsse im Hier und Jetzt und von Tag zu Tag leben und könne nicht ständig
darüber nachdenken was die Zukunft bringe. Intensiver nachgefragt, so haben die
meisten Afghanen, mit denen ich sprechen konnte, keine große Hoffnung was Frieden
und Sicherheit angeht und sehen die Präsidentschaftswahl sehr skeptisch, denn keinen
der Kandidaten könne man guten Gewissens wählen, wird immer wieder betont. Es
scheint den Menschen ist unklar nach welchen Kriterien die Wahlen entschieden
werden. Sie vermuten es wird nicht ausschließlich der Wähler sein.
Auffällig ist die verstärkte Präsenz von Militär und Polizei im Straßenbild, was sicher
auch mit der stattfindenden Loya Dschirga zu erklären ist. Alle sehr guten Hotels in
der Stadt sind ausgebucht, um die Teilnehmern unterzubringen. In der Nacht vor
Beginn der Loya Dschirga kreisten stundenlang Hubschrauber im Tiefflug über der
Stadt, an Schlaf war nicht zu denken. Nach wie vor ist die Angst vor Anschlägen groß
und besonders das Botschaftsviertel ist hermetisch abgeriegelt. Die Deutsche Botschaft
war aus diesem Grund auch für einige Tage geschlossen. Verkehrsmäßig gesehen steht
Kabul besonders während der rush hour morgens und abends vor einem Kollaps. Die
vermehrt eingesetzten, sehr bemühten Verkehrspolizisten an allen größeren
Kreuzungen stehen meist auf verlorenem Posten.
Kaum zu übersehen ist das stetige ausufernde Wachstum an Hochhäusern und Palästen
in Kabul. Selbst innerhalb dieser viermonatigen Zwischenzeit hat sich das Stadtbild
wieder wesentlich verändert. Mitten in Shar-e-Now ist ein riesiger Hochzeitspalast
hochgezogen worden, dafür wurde ein ganzes Wohnviertel dem Erdboden
gleichgemacht, ebenso an der Ecke zur bisher so idyllischen Flowerstreet. Hier klafft
ein riesiges Loch wie eine Wunde, die kleinen Leder- und Buchgeschäfte mussten
ehrgeizigen Bauvorhaben weichen. Wahrscheinlich wird hier ein weiteres prunk
strotzendes Bankgebäude entstehen. Die rasch hochgezogenen Apartmenthäuser sind
von offensichtlich minderer Bauqualität, jedoch wird besonders viel Wert auf die
äußere Sicherheit dieser Anlagen gelegt, also hohe, mit NATO Draht zusätzlich
gesicherte Umfassungsmauern mit bewachten Gates.
Ach ja, nicht zu vergessen das weltumspannende große Thema „Fußball“! Die
Begeisterung rund um den Ball ist ja auch in Afghanistan nichts Neues, jedoch seid
im September der Südasien Cup von der afghanischen Nationalmannschaft gewonnen
wurde, kennt der Fußball Hype keine Grenzen mehr. „Dieser Sieg ist gut für unser
Land und hilft uns dabei nicht nur in unseren Alltagssorgen zu versinken“, so ein
Fußballbegeisterter.
Am letzten Tag darf ich im OFARIN Garten einen besonders schönen reifen, tiefroten
Granatapfel pflücken und so ein Stück Afghanistan mit nach Hause nehmen.
Welch ein wundervolles Abschiedsgeschenk!
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Ein Brief an die Deutschen, Sima Samar
"Die Aufgabe ist noch nicht beendet"
2014 zieht die ISAF-Truppe aus Afghanistan ab, was kommt, ist ungewiss. Sima Samar,
Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses und eine Protagonistin im "Afghanischen
Tagebuch", ist dankbar für die Unterstützung. Und appelliert an die Deutschen: "Lassen Sie
Afghanistan nicht im Stich!"
Zur Person: Die afghanische Ärztin Sima Samar
stammt aus Jaghori, einem Bezirk der Provinz
Ghazni, sie startete 1989 die Hilfsorganisation
"Shuhada", die u.a. Schulen betreibt. 2001 wurde
sie Ministerin für Frauenangelegenheiten und
eine der fünf Stellvertreter von Präsident Karsai.
Seit 2002 leitete sie die von ihr gegründete
afghanische Menschenrechtskommission in
Kabul. Sie ist unter anderem Trägerin des
Alternativen Nobelpreises.
Von Sima Samar für tagesschau.de (Ein Auszug aus dem Brief)
Salaam und herzliche Grüße aus Afghanistan.Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich
ganz herzlich für Ihre großzügige Hilfe und Unterstützung zu bedanken. Ich danke Ihnen für
die großen Opfer, die Sie gebracht haben, um dem afghanischen Volk zu helfen - vor allem
den besonders verwundbaren afghanischen Kindern und Frauen.
Ich denke, Sie wissen sehr genau, dass Afghanistan noch immer im Griff der Gewalt ist. Das
Land leidet seit 35 Jahren unter Gewalt und Krieg. In dieser Zeit haben wir unter
verschiedenen Machthabern und Regimen gelitten. Menschenrechtsverletzungen gehören seit
Jahrzehnten zum afghanischen Alltag. Vor allem die Rechte der Frauen und Kinder werden
im Krieg mit Füßen getreten.
Seit dem Sturz des verbrecherischen Taliban-Regimes hat Afghanistan viel erreicht. Während
der Herrschaft der Fundamentalisten gingen vielleicht noch 200.000 Kinder zur Schule. Heute
sind es knapp acht Millionen. Nach einer Untersuchung der "Unabhängigen Afghanischen
Menschenrechtskommission", der ich vorstehe, sind 35 Prozent der heute zur Schule
gehenden Kinder Mädchen. Frauen dürfen offiziell wieder arbeiten und studieren. Die
Müttersterblichkeitsrate ist deutlich zurückgegangen, weil viel mehr Frauen Zugang zu einer
medizinischen Grundversorgung haben.
Zum ersten Mal garantiert eine afghanische Verfassung Frauen und Männern gleiche Rechte.
Es gibt in Afghanistan mächtige Frauen. Im Parlament sitzen Frauen. Frauen arbeiten als
Journalistinnen, als Fernsehmoderatorinnen und als Schauspielerinnen. Wir haben auch
erfolgreiche Frauen in der Wirtschaft.
Die Verfassung garantiert das Recht auf Meinungsfreiheit. In Afghanistan gibt es heute über
60 private Fernsehsender und hunderte Radiostationen. Auch die Printmedien haben sich gut
entwickelt.
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Zu den großen Errungenschaften der vergangenen zwölf Jahre gehört aus meiner Sicht auch
die Einrichtung der afghanischen Menschenrechtskommission. Es ist unsere nationale
Aufgabe, die Menschenrechte zu erklären, sie einzufordern und zu schützen. In einem Land,
in dem die Erwähnung des Wortes Menschenrecht einem Verbrechen gleichkam, hat eine
langsame, öffentliche Auseinandersetzung über die Menschenrechte begonnen.
Doch während ich Ihnen diesen Brief schreibe, wurde eine junge Frau in aller Öffentlichkeit
von mehreren Männern vergewaltigt. Und eine vierfache Mutter ist von ihrem Ehemann
verstümmelt worden. Er hat ihr mit einem Messer die Nase und die Lippen abgeschnitten.
Vor uns liegt noch ein langer, harter Weg, wenn wir die Menschenrechte fest in unserem
Denken etablieren wollen.
Ihre Soldatinnen und Soldaten haben in Afghanistan große Opfer gebracht. Doch die
internationalen Truppen haben auch schwere Fehler begangen. Auch durch sie haben
Zivilisten ihr Leben verloren.
Gerechtigkeit und Rechtssicherheit liegen in Afghanistan noch in weiter Ferne. Die
afghanische Bevölkerung leidet noch immer unter Terror und Gewalt, unter mangelnder
Bildung, unter einer Kultur der Straflosigkeit und Verantwortungslosigkeit.
Deswegen bitte ich die deutsche Bevölkerung in aller Demut: Bitte lassen Sie
Afghanistan nicht im Stich.
Im Namen der Menschlichkeit und der Menschenwürde: Das afghanische Volk verdient Ihre
Hilfe und Unterstützung. Bitte lassen Sie nicht zu, dass die Errungenschaften der vergangenen
zwölf Jahre wieder zunichte gemacht werden. Beide Völker haben für diese Errungenschaften
einen hohen Preis gezahlt.
Die moderne Welt ist ein globales Dorf. Wir Afghanen sind Teil dieses Dorfes.
Wir sind wie der kleine Finger eines menschlichen Körpers. Wenn der kleine Finger
entzündet ist und weh tut, dann spürt der ganze Körper diesen Schmerz.
Ich erkenne Ihre harte Arbeit für Afghanistan an. Ich möchte mich noch einmal ganz
herzlich für alles bedanken, was Sie in meinem Land geleistet haben. Ich wünsche mir,
dass unsere Zusammenarbeit weitergeht. Unsere Aufgabe, in Afghanistan für
Rechtssicherheit zu sorgen, ist noch nicht beendet. Ich hoffe, dass Afghanistans Weg
nicht wieder in die Isolation führt.
Lehrertag 2013, Irmela Falke
Zu dem jährlich stattfindenden Lehrertag hat das Lycee Saynabia die Schulgemeinde
Jaghori zu den Feierlichkeiten eingeladen. Wie in den Vorjahren wurden die Lehrer
unter großer Teilnahme der Bevölkerung geehrt und mit Aufmerksamkeiten überhäuft.
Neben Vorführungen einstudierter Theaterstücke wurden viele Gemälde und
Handarbeiten den Lehrern überreicht. Beeindruckende Aufsätze und rührende
Gedichte seien an diesem Tag vorgetragen worden, berichtete das Schulkomitee und
übergab ein Beispiel einer -für unser Verständnis- sehr überschwänglich afghanischen
Lobeshymne auf den „Lehrer“, von einer Schülerin der 8. Klasse geschrieben,
übersetzt von Meraj Amiri.
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Der Lehrer
Zuerst gratuliere ich allen meinen liebenswürdigen und mitfühlenden Lehrern zum
Lehrertag und küsse offenherzig ihre Hände. Bezüglich dieses Anlasses habe ich einen
kurzen Aufsatz verfasst. Mit ihrer Erlaubnis möchte ich das nun vortragen:
„Ein Lehrer ist wie eine strahlende Sonne. Mit dem Erscheinen der Sonne
verschwindet die Dunkelheit. Ihre Strahlen verwandelt die dunkele Nacht in
hellen Tag. In unserer Lebensordnung ist der Lehrer das Zentrum und alles
anderes dreht sich um ihn. Ohne Licht ist das Leben sinnlos. Alles Materielle
und Ideale hat keine Bedeutung, wenn man im Dunklen lebt. Genauso wie
unsere Welt ohne Sonne, sind unsere Ideale ohne Wissen und Lehrer eine
Finsternis. Der liebe Gott hatte die Welt und die Menschheit geschaffen aber
ohne Lehrer wären die Menschen ohne Moral und ohne gute Sitten. Gott ist
selbst der große Lehrer und Schöpfer, auf der Erde hat er den Lehrer
beauftragt, die Menschen vor der Finsternis zu retten und auf den richtigen
Weg zu führen. Mit Hilfe des Wissens, des Glaubens und der Moral soll sich der
Mensch von Egoismus und Selbstsucht befreien. Wir müssen ihn verehren,
seinem Rat folgen, seine Worte hören und ihn verstehen.“
Sahera 8.Klasse Mädchenschule Say Gul
Übersetzt von Meraj Amiri
Parwana Habibi
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Presse
Die Süddeutsche Zeitung brachte in ihrer Ausgabe vom
10.12.2013 einen ganzseitigen Beitrag unter der Überschrift:
Ungeheuerlich Männer reden, Männer entscheiden, Männer bedrohen:
Und trotzdem wurde eine Frau in Afghanistan Gouverneurin. Dies ist die
fast unglaubliche Geschichte von Habiba Sarabi. Begegnung mit einer
todesmutigen Politikerin. Von Stefan Klein –
Zusammenfassung des Artikels von Elmar Krammig
Vor einigen Jahren hatten FKA-Mitglieder Gelegenheit, die damalige Gouverneurin
der Provinz Bamian dort persönlich kennen zu lernen. Für die Präsidentschaftswahlen
im März 2014 hat Habiba Sarabi (geb. 1956) sich als Vizepräsidentin beworben und
musste deshalb ihren Gouverneursposten aufgeben. Die Süddeutsche Zeitung widmete
der Politikerin am 12.10.2013 ein ganzseitiges Portrait. Daraus stammen die folgenden
Zitate und Zusammenfassungen.
Das Mädchen Habiba Sarabi hatte einen
gewalttätigen Vater. Er schlug seine Frau und
schlug seine Kinder. Als Habiba 13 Jahre alt
war, starb die Mutter, für ihre Tochter ging die
Welt unter. Fünf Brüder und ein Grobian von
Vater, der es überflüssig fand, die Tochter auf
eine Schule zu schicken. Habiba hatte nur die
Wahl: aufgeben oder kämpfen. Sie begann zu
kämpfen, ein Onkel ermöglichte ihr den
Schulbesuch und während der russischen
Besatzung studierte Habiba in Kabul Pharmazie.
Sie heiratete, bekam Kinder, dann kamen die
Mujaheddin und Kabul wurde zum Schlachtfeld.
Und es wurde noch schlimmer, die Taliban
kamen. Habiba Sarabi ging für fünf Jahre mit
den Kindern nach Pakistan ins Exil, ihr Mann
blieb in Kabul. Heimlich überquerte sie immer
wieder die Grenze und zog ein Netz von
Untergrundschulen für Mädchen auf.
Die Schreckensherrschaft der Taliban war kaum zu Ende, da wurde Habiba Sarabi
Frauenministerin. Doch ihr Ministerium hatte kaum Geld und viele Projekte
scheiterten am Mangel an qualifizierten Frauen. Präsident Karsai schlägt ihr vor, auf
einen Botschafterposten in Europa zu wechseln.
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Aber Habiba Sarabi will Gouverneurin werden. Karsai fragt, ob sie denn glaube, als
Frau von den Menschen akzeptiert zu werden, immer noch etwas geschockt von ihrem
überraschenden Vorschlag. Habiba sagt nur, ja, das glaube sie.
Am 23.3.2005 wird sie zur Gouverneurin der Provinz Bamian ernannt. Noch bevor sie
dort eintrifft gibt es Proteste und sogar Todesdrohungen. Es war eben doch nicht so
einfach, von den Menschen akzeptiert zu werden, jedenfalls von den männlichen.
Doch Habiba Sarabi lässt sich nicht einschüchtern und baut zielstrebig und in kleinen
Schritten eine Provinzregierung auf. Und sie ermutigt Frauen, den Führerschein zu
machen. Oder den Polizeiberuf zu ergreifen. Sie wird mit dem Ramon-Magsaysay-
Preis ausgezeichnet, der als asiatischer Friedensnobelpreis gilt.
Anfang Oktober 2013 verabschiedet sie sich in Bamian, denn die Regeln besagen, dass
einer von seinem politischen Amt zurücktreten muss, sobald er seine Kandidatur für
die nächsten Präsidentschaftswahlen erklärt.
Sieben Kandidaten für diese Wahl wollen Habiba Sarabi als running mate an ihrer
Seite haben, also als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten. Denn wer einen guten
Ruf hat und als sauber gilt, muss auf Kandidaten mit blutigen Händen eine
unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben. Sie entscheidet sich jedoch für Zalmai
Rasul, der bis vor kurzem Außenminister war, gebildet ist, ein Arzt mit gutem Ruf.
Wahlen in Afghanistan sind immer gefährlich. Für Habiba Sarabi, die jetzt als Frau auf
der öffentlichen Bühne steht, noch bedrohlicher. Aber sie blendet das aus und sagt
„wenn du die Angst zulässt, dann brauchst du als Politikerin gar nicht erst
anzufangen“. Ihr Mann hat ihr Mut gemacht, ebenso die große Tochter, die in Bochum
politische Wissenschaften studiert hat. Frauen, sagt Habiba Sarabi, seien nun mal ein
Teil der afghanischen Gesellschaft und nicht mehr bereit, sich ignorieren zu lassen.
Sie wird siegen oder verlieren, aber sie wird es versucht haben. Und eine der ersten
sein, die ausgebrochen ist aus der Gefangenschaft von Gewalt und rabiaten Männern.
Sie ist Mutmacherin für die Frauen und Hoffnungsträgerin für die Jungen, die ja längst
die große Mehrheit stellen im Land. Und im Begriff sind, die alten Krieger noch älter
aussehen zu lassen.
Die Zukunft hat viele Namen:
Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte,
für die Mutigen die Chance.
Victor Hugo
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Frankfurter Rundschau vom 23. Dezember 2013
"Ein Frieden mit den Taliban reicht nicht"
Verteidigungsministerin von der Leyen hätte in Afghanistan ihre
Amtskollegen besuchen sollen, sagt der Experte Thomas Ruttig.
Im Interview spricht er über fehlende Augenhöhe und die Zukunft des
Landes.
Herr Ruttig, was sagen Sie zum Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von
der Leyen in Afghanistan?
Ich wundere mich, dass die Ministerin wie ihr Vorgänger oder die Kanzlerin zuletzt
nur nach Afghanistan fliegt, um die deutschen Soldaten zu besuchen und nicht, wie
es die internationalen Gepflogenheiten geböten, wenigstens ihren Amtskollegen
trifft. Afghanistan ist ja kein deutsches Bundesland. Das trifft jene wunde Stelle,
die Präsident Hamid Karzai kürzlich den USA als „koloniales Verhalten“
ankreidete, und was viele Afghanen spüren, nämlich dass sie nicht auf gleicher
Augenhöhe behandelt werden. Solch ein Verhalten verringert auch die
internationalen Einflussmöglichkeiten weiter.
Vielleicht hat sie so kurzfristig keinen Termin bekommen. Hätte sie dann die
Soldaten lieber gar nicht besuchen sollen?
Die Ministerin kommt aus einem Land, das zu den drei wichtigsten
Truppenstellern gehört und hätte bestimmt einen Termin bekommen. Und stellen
Sie sich den umgekehrten Fall vor.
Was müsste die Ministerin unternehmen?
2014 ist mit den Präsidentschaftswahlen Anfang April und dem geplanten Abzug
der internationalen Kampftruppen ein wichtiges Jahr.
Sie müsste dazu beitragen, die deutsch-afghanischen Beziehungen aus diesem
Fahrwasser herauszuführen. Es ist ja das letzte Jahr der sogenannten Transition,
also der Übergabe der politischen und sicherheitsrelevanten Verantwortung von der
Nato-geführten internationalen Hilfstruppe an die afghanische Regierung. Das ist
auch eine Rückgabe von Souveränitätsrechten. Bisher sind den Afghanen viele
Schlüsselentscheidungen abgenommen worden. Hier wäre ein Neuanfang nötig, der
über 2014 hinausweist und Vertrauen wiederherstellt. Was die Wahlen betrifft,
kann Deutschland jetzt nur noch wenig tun – außer dafür zu sorgen, dass sie
unabhängig beobachtet werden, und sie nicht schönzureden, nur weil man deren
Erfolg will. In den vergangenen Jahren wurde versäumt, die Wahlen, die auch Teil
des Übergabeprozesses sind, qualitativ abzusichern.
Wird es ein unruhiges Jahr? Ganz sicher. Die Sicherheitslage hat sich nicht entspannt, das Gewaltniveau bewegt
sich seit 2010/2011 nur wenig verändert auf höchstem Niveau seit dem Sturz der
Taliban 2001. Die Suche nach einem Nachfolger für Karzai, der nach zwei
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Amtszeiten nicht mehr antreten darf, sorgt für weitere Unruhe. Zudem ist
Afghanistan bis an die Zähne bewaffnet, die Sicherheitskräfte und neue Milizen
sind aber politisch und ethnisch stark fraktioniert. Die Menschen fürchten, dass
umstrittene Wahlen zu interfraktioneller Gewalt und einer neuen Runde des
Bürgerkriegs führen könnten
Wer geht als Favorit in die Wahlen?
Es gab 27 Kandidaten. Die afghanische Wahlkommission bestätigte elf. Die
anderen wurden wegen angeblicher Verstöße aussortiert, aber bekamen nicht
mitgeteilt, warum. Das zeigt wie wenig transparent der Wahlprozess schon jetzt,
ganz am Anfang, ist. Voraussagen über den Wahlausgang sind schwierig. Unter
den elf Kandidaten gibt es einige starke Charaktere, aber bisher keinen Favoriten.
Können afghanische Armee und Polizei für Sicherheit sorgen?
Bis zu einem bestimmten Punkt ja. Sie kennen ihr Land sowieso besser als die Isaf-
Soldaten. Auch von der numerischen Stärke sind sie nicht zu unterschätzen. Es gibt
aber Mängel. Auch Polizisten und Soldaten sind von der politischen Unsicherheit
angesteckt und die Verluste sind zuletzt drastisch gestiegen. Andere desertieren, bei
einer dritten Gruppe laufen die Verträge aus. Jedes Jahr muss etwa ein Drittel der
über 340 000 Polizisten und Soldaten neu rekrutiert werden. Für Spannungen sorgt
auch die ungleichmäßige ethnische Zusammensetzung. Es gibt immer noch viel zu
wenig Paschtunen, die größte Bevölkerungsgruppe.
Karzai hat seinen Einfluss ausgebaut
Die zentralistische Regierung in Kabul hat ihren Einfluss in den Provinzen nur
langsam ausbauen können. Wird es der künftigen Regierung gelingen den
Einfluss weiter zu erhöhen?
Präsident Karzai hat seinen administrativen Einfluss in den Provinzen stark
ausgebaut. Es gibt nur noch wenige unabhängige Provinzstatthalter. Mit
abnehmender Rückendeckung der internationalen Kräfte könnte es aber passieren,
dass viele Provinzfürsten, die Karzai in seine Regierung eingebunden hat, in ihre
Regionen zurückkehren und dort wieder auf eigene Kappe agieren. Eine solche
Entwicklung würde beschleunigt, wenn die Wahlen schlecht laufen.
Der Zeitplan für den geplanten Abzug muss im Februar stehen. Ist das realistisch,
wenn man sich die schleppenden Verhandlungen zwischen Afghanistan und den
USA anschaut? Hauptstreitpunkt ist die juristische Belangbarkeit von US-Soldaten.
Ein bilaterales Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und den USA wird
darüber entscheiden, ob amerikanische Soldaten im Lande bleiben. Ohne sie
werden auch die Deutschen und andere nicht bleiben. Ich bezweifle aber, ob
Februar der letzte Zeitpunkt für Planungssicherheit ist. Die Nato scheint derzeit
die USA dabei zu unterstützen, Karzai unter Druck zu setzen, das Abkommen zu
unterschreiben. Präsident Obama hat aber bereits Kompromisse zum Zeitplan
angedeutet, was auch zeigt, wie wichtig es ihm ist, einen Fuß in Afghanistan zu
behalten.
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Welche Rolle werden die Aufständischen und da vor allem die Taliban spielen?
Die Taliban sind nach wie vor ein Teil der Gleichung. Trotz eines erhöhten
militärischen Einsatzes vor allem der US-Armee seit 2009 ist es nicht gelungen, sie
entscheidend zu schwächen. Trotz erheblicher Verluste sind Ihre Strukturen
ungebrochen, ihre Rekrutierung funktioniert weiter und sie verhalten sich sehr
flexibel. Sie zogen sich aus Gegenden zurück, wo sie stark unter Druck geraten
sind, tauchen aber sofort wieder auf, wenn der Druck nachlässt. Das beobachten
wir im Süden, also dem Kerngebiet der Taliban, aber auch in Kundus, wo bis vor
kurzem die Bundeswehr aktiv war.
Kommen die Gespräche zwischen der internationalen Gemeinschaft und Taliban
voran?
Nein, Gespräche zwischen den Taliban und den USA sind seit Anfang 2012
suspendiert, weil vertrauensbildende Maßnahmen nicht zustande kamen. Das
Problem ist auch, dass Karzais Regierung nicht beteiligt war, obwohl der
Friedensprozess offiziell unter afghanischer Führung laufen sollte. Das hat die
Beziehungen Kabul-Washington weiter belastet. Karzai drängt jetzt darauf, dass die
USA ihm den Direktzugang zu den Taliban öffnen – wozu diese im Moment gar
nicht in der Lage sind. Und die Taliban wollen mit ihm auch gar nicht reden.
Den Worten Taten folgen lassen
Ist es denkbar die Taliban in einen politischen Prozess einzubinden, wie dies in
anderen Krisenregionen mit anderen Gruppen erfolgreich geschehen ist?
Das braucht Zeit. Am besten wäre es, allgemein akzeptable Dritte als Vermittler
und für Sondierungen zu finden. Frieden mit den Taliban zu schließen wäre auch
nicht ausreichend, denn das würde konservativ-islamische Kräfte stärken, die es in
der afghanischen Regierung schon gibt.
Was muss die internationale Gemeinschaft nach dem Abzug der Kampftruppen
tun, um das Land weiter zu stabilisieren?
Kurz gesagt: den Worten, Afghanistan nicht zu vergessen, Taten folgen lassen.
Aber in der Politik wie in der Bevölkerung gibt es nur noch wenig Interesse an dem
Land, nicht zuletzt wegen der sehr gemischten Bilanz. Da steht in erster Linie die
Politik in Verantwortung, eine begonnene Aufgabe auch zu vollenden. Gerade
Deutschland ist da gefragt, als Gastgeber der Bonner Afghanistan-Konferenz, mit
der 2001 der politische Prozess zum Wiederaufbau Afghanistans begann und der
mit vielen Hoffnungen verbunden war. Interview: Andreas Schwarzkopf
Darmstädter Echo 8. Januar 2014 In Afghanistan ist Faqiryar ein Volksheld - FUSSBALL Regionalliga Torhüter
des VfB Oldenburg genießt in seiner Heimat große Popularität
Selbst Afghanistans Präsident Hamid Karsai ist ein Fan von Mansur Faqiryar; In
Deutschland ist der Torhüter des VfB Oldenburg eher ein unbeschriebenes Blatt,
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obwohl er zum Nordsportler des Jahres gewählt wurde. In seinem Heimatland
ist er ein Volksheld. In Afghanistan ist er im September 2013 über Nacht zum Star
geworden, in Deutschland ist Mansur Faqiryar dagegen unbekannt.
Als der Oldenburger Regionalliga Torhüter und Keeper der afghanischen Fußball-
Nationalmannschaft über die Weihnachtsfeiertage seine Heimat besuchte, bemerkte
er seinen neuen Helden-Status. "Ich werde in Afghanistan schon bevorzugt
behandelt", sagte Faqiryar. "Wenn ich beispielsweise essen gehe, muss ich nichts
bezahlen." Mit zwei gehaltenen Elfmetern im Halbfinale gegen Gastgeber Nepal
(1:0) und Glanzparaden gegen Indien im Finale (2:0) besaß der 27-Jährige im
Vorjahr einen großen Anteil am sensationellen Titelgewinn der Südasien-
Meisterschaft. Für die leidgeplagten Einwohner Afghanistans begannen daraufhin
drei Jubel Tage. Zehntausende feierten in der Hauptstadt Kabul das siegreiche
Team, "Die Leute konnten einfach ihren Alltagsstress vergessen. Für mich ein
unbeschreibliches Gefühl, daran beteiligt gewesen zu sein", erklärte der
Schlussmann. "Was er mit seinen gehaltenen Elfmetern geschafft hat, haben wir
Politiker in zwölf Jahren mit Milliarden von US-Dollar nicht geschafft", sagte der
afghanische Präsident Hamid Karsai in Richtung des neuen Helden. Das weiß auch
Faqiryar. "Sport ist hier einfach so unverdorben. Politisch wurde dagegen viel
versäumt, es wurden viele "Fehler gemacht", meinte der 15-fache Nationalspieler,
dessen Familie 1987 nach Bremen geflüchtet war, der heutige Volksheld Mansur
war damals ein Jahr alt.
Zu Präsident Karsai gibt es mittlerweile einen stetigen Kontakt. Am ersten
Weihnachtstag aß Faqiryar gemeinsam mit dem Staatsoberhaupt in dessen
Residenz zu Mittag. Da ging es natürlich viel um Fußball. Vor allem aber ging es
um ein Projekt, das der Torwart in Kürze starten möchte. "Ich würde gerne eine
Fußball-Schule. in Afghanistan aufbauen", erklärte Faqiryar. "Was ich im
September 2013 erlebt habe, ist einmalig. Ich konnte so 'viel Kraft daraus ziehen,
deswegen möchte ich den Menschen jetzt etwas zurückgeben." In Afghanistan gibt
es keine Anlaufstellen für Jugendliche und Kinder, die Lust auf Fußball. haben.
Das will Faqiryar mit dem Fußball-Camp ändern und seine Bekanntheit nutzen.
Nicht mit finanziellen .Mitteln, denn der Torhüter spielt lediglich beim VfB
Oldenburg in der vierten Liga und studiert Wirtschafts-Ingenieurwesen an der
Bremer Universität. "Es gibt bereits konkrete Planungen. Zur Realisierung gehören
allerdings noch Sponsoren", sagte Faqiryar, vorher möchte er mit der Nationalelf
weiter für Furore sorgen. Vom 19. bis zum 30. Mai findet auf den Malediven der
Challenger Cup statt: Der Sieger des Achter-Turniers qualifiziert sich direkt für die
Asienspiele 2015 in Australien. "Wenn alles optimal läuft, könnte es durchaus
klappen", sagte Faqiryar. Auch in Oldenburg schnuppert der Kapitän des'
Regionalligisten am Aufstieg. Nach 19 Spieltagen ist der VfB. überraschend
Zweiter.
Den Traum vom Fußball-Profi hat er jedoch ausgeträumt. "Da brauche ich nichts
schönreden. Dafür bin ich zu alt", erklärte Faqiryar. Die Erfolge mit seinem
Heimatland bleiben in Deutschland nicht unbemerkt. Bei der Abstimmung zum
Nordsportler des Jahres wählten ihn die Nutzer von „ndr.de“ auf Platz eins vor dem
aus Hamburg stammenden Fußball-Nationalspieler Max Kruse. dpa
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Buchvorstellung
Der Unbeugsame
Das Leben des Khazan Gul Tani für
Afghanistan
Gebundene Ausgabe: 319 Seiten , Euro 17,95
Verlag: Kahl; 1. Auflage (16. 12. 2013)
ISBN 978-3938916216
Gerade noch im alten Jahr erschien Monika Kochs und Heiner Tettenborns
Buch über das Leben von Khazan Gul Tani „Der Unbeugsame“
Den ungewöhnlich gewebten Text aus Reisebericht und Biografie beschreibt Johanna
Aab in ihrem Geleitwort folgendermaßen:
„Überhaupt: was für eine Art Text ist das – eine Biografie? Eine Heldengeschichte
womöglich? Das sei ferne! Eine erstaunliche Geschichte ist es immerhin: von
Entscheidungen und von Kämpfen, von Gefahren und Bewahrungen. Sagen wir so:
eine Lebensgeschichte in Gesprächen an Ort und Stelle; eine Erzählung von
Afghanistan in den Zeiten des Krieges; Geschichte von unten, denn sie berichtet von
Leben der Menschen in den Dörfern in der afghanischen Provinz Khost. Ein
Dokument der Zeit-geschichte.“…..
…..„Keine Heldengeschichte. Und doch hat das Buch eine heimliche Heldin: Gul
Ghuncha, die Mutter von Khazan Gul. Ihr hat er versprochen, er werde aus
Deutschland zurückkehren und für ein besseres Leben der Menschen in Afghanistan
arbeiten, besonders für ein besseres Leben der Frauen.“
Gila Borcherding
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Karla Schefter, Frauen-Menschen
Ingrid Lessing Verlag, Hardcover, 112 Seiten,
gebunden mit Buchhülle aus Stoff mit Stickereien
von afghanischen Frauen, 38 Farbfotos, Euro 30,00
Zu bestellen direkt über Karla Schefter,
Landgrafenstraßen 57, 44139 Dortmund,
Tel.: 02 31 42 37 98
Die Autorin, Karla Schefter, zeigt uns mit diesem
Buch ein anderes Afghanistan als das, was wir aus
dem Fernsehen kennen. Sie lässt uns am Leben der
Menschen in Afghanistan mit Ihren poetischen
Texten und wunderschönen Fotos afghanischer
Frauen und beeindruckenden Landschaftsaufnahmen
teilnehmen. Sie erzählt in ihren Gedichten vom Leid
und der Härte des Lebens der Frauen. Die Texte
zeigen aber auch, dass diese von Freude und Glück
nicht ausgeschlossen sind und sie ihr Schicksal nicht ohne Widerstand akzeptieren. Quelle: Verlagsinformation
Zahra Hussain, Das Erbe der Weisen: Eine Kindheit in Afghanistan
Euro 14,--, Gebundene Ausgabe: 200 Seiten
Verlag: Hellmund, P; Auflage: 1., Auflage (25. September 2013)
ISBN 978-3939103455
Safia erlebt eine unbeschwerte Kindheit in einem kleinen Dorf in Afghanistan. Doch
dann beginnen die Probleme. Safia wird langsam erwachsen. Für ein afghanisches
Mädchen ist das nicht so einfach. Die afghanische Realität holt das beschauliche
Leben im Dorf ein. Es beginnen schreckliche Erlebnisse. Quelle Amazon
Khaled Hosseini ,Traumsammler
Euro 19,99, Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: S. FISCHER; Auflage: 3 (16. September 2013)
ISBN 978-3100329103
Endlich ist der Autor der internationalen Bestseller »Drachenläufer« und »Tausend
strahlende Sonnen« wieder da. Millionen Leser haben auf seinen neuen Roman
gewartet: In »Traumsammler« erzählt Khaled Hosseini die bewegende Geschichte
zweier Geschwister aus einem kleinen afghanischen Dorf. Pari ist drei Jahre alt, ihr
Bruder Abdullah zehn, als der Vater sie auf einem Fußmarsch quer durch die Wüste
nach Kabul bringt. Doch am Ende der Reise wartet nicht das Paradies, sondern die
herzzerreißende Trennung der beiden Geschwister, die ihr Leben für immer verändern
wird.
Ein großer Roman, der uns einmal um die ganze Welt führt und in seiner emotionalen
Intensität und Erzählkunst neue Maßstäbe setzt. Fesselnder, reicher, persönlicher als je
zuvor. Quelle Amazon
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Pinnwand
FKA Jahrestagung vom 28.-30. März 2013 in Attendorn Neu-Listernohl
Aufmerksame Schulmädchen und Gemälde von
SchülerInnen aus Jaghori Foto SK, Okt. 2013