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Research Collection Doctoral Thesis Die Prüfung der Milchsäure Author(s): Kutter, Fritz Publication Date: 1926 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000088592 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

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Research Collection

Doctoral Thesis

Die Prüfung der Milchsäure

Author(s): Kutter, Fritz

Publication Date: 1926

Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000088592

Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

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Diss. ETH '• \\\\b 3

Die Prüfung der Milchsäure

Von der

Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich

zur Erlangung der

Würde eines Doktors der technischen Wissenschaften

genehmigte

Promotionsarbeit

vorgelegt von

Fritz Kutter, dipl. ino;. ehem.

aus Homburg (Kt. Thurgau)

Referent: Herr Prof. Dr. R. Eder

No. 445 Korreferent: Herr Prof. Dr. W. J. Baragiola

Basel 1926

Buchdruckerei Emil Birkhäuser & Cie.

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MEINEN LIEBEN ELTERN

IN DANKBARKEIT

GEWIDMET

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Vorliegende Arbeit wurde im pharmazeutischen

Laboratorium der Eidgenössischen Technischen Hoch¬

schule in Zürich ausgeführt.

Herrn Prof. Dr. R. Eder,

auf dessen Anregung diese Arbeit ausgeführt wurde,

möchte ich auch an dieser Stelle für sein reges In¬

teresse danken.

Es ist mir eine liebe Pflicht, hier ebenso meiner

hochverehrten Lehrer, der Herren Professoren Dr. E.

Baur, Dr. E. Bosshard, Dr. H. E. Fierz, Dr. H.

Staudinger und Dr. \V. D. Treadwell mit Dank¬

barkeit zu gedenken.

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Inhaltsübersicht.

Einleitung 7

A. Identitätsnachweis der Milchsäure 9

I. Bisher bekannte Identitätsreaktionen 9

II. Identifizierung der Milchsäure in einzelnen Arzneibüchern 14

III. Eigene Versuche und Vorschläge zur Identifizierung der Milchsäure...

14

B. Beinheitsprüfung der Milchsäure 19

I. DieVerunreinigungen, Verfälschungen und Umwandlungsprodukte der Milch¬

säure 19

II. Reinheitsprüfungen in Arzneibüchern und Literatur 23

III. Eigene Versuche und Vorschläge zur Reinheitsprüfung 27

IV. Zusammenstellung der beschriebenen Reinheitsprüfungen und Ergebniseiniger von uns untersuchter Handelsmuster 35

V. Auswahl und Anwendung der Reinheitsprüfungen zur Beurteilung der ver¬

schiedenen Handelsprodukte von Milchsäure 36

C. Gehaltsbestimmung der Milchsäure 37

I. In der Literatur angegebene Methoden zur Bestimmung der Milchsäure.

37

1. Bestimmung von reiner Milchsäure 37

2. Übersicht der Bestimmungsmethoden und Gehaltsforderungen in den

verschiedenen Arzneibüchern 44

3. Angewandte Bestimmungsmethoden in der Lebensmittelchemie...

45

4. Angewandte Bestimmungsmethoden in der Physiologie 47

5. Zusammenfassung 50

IL Eigene Versuche über die acidimetrische Titration 51

1. Vorbemerkungen 51

2. Wahl des Indikators für die Titration 54

3. Einfluss der Kohlensäure auf die Titration 57

4. Einfluss der Temperatur und der alkoholischen Hydroxylgruppe auf

die Titration 62

5. Verseifung der anhydrisierten Säure 63

6. Einfluss gewisser Verunreinigungen auf die Titration 64

7. Berechnung der Fehler der Titrationsmethode 65

8. Abmessen oder Abwägen des Analysenmaterials 69

9. Untersuchung einiger Handelsmuster 71

10. Zusammenfassung und Vorschläge für die Ausführung der Titration .72

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III. Untersuchung über die eventuelle Anwesenheit und Bestimmung von

Laktid in Milchsäure 75

Darstellung von Laktid 75

Verseifung und Titration von Laktid und Lactylmilchsäure 76

Bestimmung von Laktid neben Milchsäure 78

a) mittels Zinkkarbonat ,78

b) mittels Ammoniak 80

c) mittels Titration 80

Bestimmung von freier Milchsäure, Lactylmilchsäure, Laktid und Wasser.

83

Wasserbestimmung in Milchsäure 86

D. Gleichgeivicht von Milchsäure und Milchsäureanhydrid 88

Über die kolloide Natur der Milchsäure 97

Zusammenfassung 98

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Einleitung-.

Die im Jahre^ 1870 von Scheele entdeckte Milchsäure hat im

Laufe der Zeit eine immer grössere Bedeutung erlangt.Im tierischen Organismus tritt Milchsäure normalerweise bei jeder

Muskelkontraktion auf, wobei sie im Chemismus des Kohlehydrat¬abbaues eine sehr wichtige Stellung einnimmt. Daneben kommt sie

auch im Inhalt des Verdauungstraktus vor, als Folge von Gärungs¬vorgängen. Unter abnormen Bedingungen erscheint sie als Ausdruck

solcher Gärungsprozesse speziell auch im Inhalt des Magens1).In der Therapie wird Milchsäure seit langem in konzentrierteren

Lösungen als Ätzmittel verwendet, in verdünnteren Lösungen neuer¬

dings auch als Geschmackskorrigens.In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie wird sie, besonders

in neuerer Zeit, viel zu Syrupen, Limonaden, Essenzen, Backpulvernetc. gebraucht. Nach E. S. Faust2) kann Milchsäure bei der Her¬

stellung von Genussmitteln unbeanstandet Verwendung rinden, so¬

fern ein Gehalt von 5% nicht überschritten wird. Immerhin vermagnach Faust der menschliche Organismus noch grössere Mengen ohne

Schädigung zu verbrennen. Gegenüber Wein- und Zitronensäure

zeigt die Milchsäure vielleicht eine nützliche Wirkung, weil sie bak¬

terizid wirkt. Ihre reizende und ätzende Wirkung soll geringer sein,als die der Essigsäure. Das im Darm gebildete Natriumlaktat kann

unter Umständen nützlich sein, indem Fäulnisprodukte aus dem

Dickdarm rascher entfernt werden. Die Gefahr des Alkalischwerdens

des Harnes mit seinen Folgen soll bei der Milchsäure nicht grössersein als bei der Wein- und Zitronensäure. Milchsäureanhydrid soll

im Organismus in Milchsäure umgewandelt werden und deshalb keine

selbständige, von der Milchsäure verschiedene Wirkung haben.

Ferner bedient sich die Textilindustrie der Milchsäure und deren

Salze als Zusatz zu Farbstoffflotten und für die Behandlung von

Baumwolle und Seide zur Verbesserung ihrer Oberflächeneigenschaften.

*) Vergl. C. Neuberg und M. KM, Über die Milchsäure, in ihrer Bedeutung für

die Chemie und Physiologie. [Z. Ang. 38, 761 (1925)].2) Ch. Ztg. 34, 57 (1910). — Ref. Z. U. N. G. 22, 258 (1011).

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Zunehmende Verbreitung erfährt die Milchsäure auch in der Gerberei,wo sie als Entkalkungs-, Beiz- und Pickelmittel Verwendung findet.

Für diese verschiedenen Zwecke kommt Milchsäure in sehr ver¬

schiedenen Reinheitsgraden und Konzentrationen zur Verwendung.Die Prüfung der Milchsäure hat daher eine erhebliche Bedeutung.Ist für die Technik eine Gehaltsbestimmung, verbunden mit der Prü¬

fung auf Abwesenheit einiger für den Verwendungszweck schädlicher

»Stoffe, genügend, so muss Milchsäure, die für Arznei- oder Genuss¬

zwecke dient, einen bedeutend höheren Reinheitsgrad besitzen, und

es dürfen keine den Organismus schädigende Stoffe in ihr enthalten

sein.

Vorliegende Arbeit soll eine kritische, experimentelle Studie über

die Prüfungsmethoden der Milchsäure sein, wobei auf die Arznei-

und Genussmilchsäure spezielle Rücksicht genommen wurde.

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A. Identitätsnachweis der Milchsäure.

Die meisten Identitätsreaktionen sind aus dem Bedürfnis der

Physiologie entstanden, welche dieselben bei der Magensaft- und

Harnuntersuchung braucht. Daneben spielt der Nachweis der Milch¬

säure im Muskel eine theoretisch wichtige Rolle wegen ihres .Ent¬

stehens im Arbeitsprozess des Muskelgewebes1).

I. Bisher bekannte Identitätsreaktionen.

Zur direkten Identifizierung der Milchsäure dienen eigentlich

nur die typischen, kleinen rhombischen (?) Prismen des Zinksalzes2).

[(CH3CH(OH)COO)2Zn+3H20]. Neben diesem Zinksalz ist von den

übrigen zahlreichen Metallsalzen der Milchsäure nur noch das rhom¬

bisch bipyramidale Kupfersalz [(CH3CH(OH)COO)2Cu+2H20] krystallo-

graphisch näher untersucht worden.

Nach C. Reichardz) sollen bei der Einwirkung von Milchsäure

auf feste Salze Reduktionserscheinungen eintreten, die meistens von

charakteristischen Färbungen begleitet sein sollen. Diese Reaktionen

sollen sich nach C. B&ichard zum Nachweis der Milchsäure verwenden

lassen, wenn diese örtlich in reichhaltiger Menge als pathologischesSekret auftritt.

So soll mit Kaliumbichromat zuerst eine bräunliche Verfärbung

entstehen, die in eine leicht blaugrüne, dann in eine nickelblaugrüne,

beständige Färbung übergeht. Mit pulverisiertem Ammoniummolyb-dat soll Milchsäure ein zartes Himmelblau geben. Das rote Blut¬

laugensalz soll sich in Milchsäure unter nachfolgender Ausscheidungeines schwefelgelben Pulvers lösen. Dann möchten wir noch die Re¬

aktion mit a-Nitroso-ß-Naphthol erwähnen. Fügt man zu diesem

braunen Pulver einige Tropfen Milchsäure, so soll eine wochenlang

völlig unveränderte grüne Lösung entstehen, aus welcher sich im

Verlauf von Stunden bis Tagen zahlreiche farblose Kryställchen aus¬

scheiden.

Bei der Nachprüfung obiger Reaktionen fanden wir, dass 300-

proz. Milchsäure mit pulverisiertem Kaliumbichromat anfänglich einen

braunen Niederschlag gibt; nach ca. 15 Minuten entsteht dann eine

Grünfärbung. Bei 80-proz. Säure tritt diese Färbung sofort auf. Nach

*) Versuche von G. Embden und seinen Mitarbeitern. H. 93, 1 (1914); 113, 1, 10,

67, 108, 201 (1921); 125, 199, 258 (1923); 134, 243 (1924); 137, 154 (1924).

2) P. Groth, Chemische Krystallographie, III. Teil, S. 218 (1910).

3) P. C.H. 53, 51 (1912). Eef. Z.U.N. G.'24, 587 (1912).

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ca. 1 Stunde werden die Färbungen olivgrün. Mit Ammoniummolyb-dat tritt nach ca. 3—4 Stunden die himmelblaue Färbung auf. Die

von C. Reichard beschriebenen Färbungen bei den beiden andern oben

beschriebenen Reaktionen können wir nicht bestätigen1).Weitere Reaktionen beruhen auf der durch Oxydationsmittel

oder konz. Schwefelsäure eintretenden Zersetzung der Milchsäure

in Acetaldehyd und Ameisensäure, welch letztere weiter in Kohlen¬

oxyd und Wasser gespalten wird.

CH3 CH(OH) • COOH = CH3 • CHO + HCOOH

HCOOH = CO + H20

Acetaldehyd kann nun mit Nesslers Reagens in Aldehydqueck¬silber übergeführt werden oder als Jodoform oder durch das Phenyl-hydrazon (Smp. 98—101°) nachgewiesen werden. Ferner gibt Acetal¬

dehyd auch Farbreaktionen. Wenig charakteristisch ist die in ver¬

dünnter Milchsäurelösung oder Laktaten hervorgerufene Gelbfärbungdurch verdünnte Eisenchloridlösung.

Uffelmann2) gibt an, dass die blaugefärbte Mischung von einem

Tropfen Eisenchlorid und 0,4 gr Phenol in 50 cm3 Wasser durch Milch¬

säure gelb gefärbt wird. Empfindlichkeit 1:10,000. Diese Reaktion

gibt nach K. Brauer3) auch Weinsäure.

Kühl*) modifizierte obige Reaktion, indem er an Stelle von Phenol

Salicylsäure verwendet. Auch andere organische Säuren, wie Wein-,Zitronen- und Oxalsäure bewirken den Farbwechsel.

Denigès5) stützt sich auf die Tatsache, dass Milchsäure unter

Einwirkung von konz. Schwefelsäure in Acetaldehyd übergeht. Letz¬

terer gibt mit einer 5-proz. alkoholischen Codeinlösung eine orange¬

farbene, mit 1—2 Tropfen einer Guajakollösung eine fuchsinrote Fär¬

bung. Formaldehyd, welcher unter den gleichen Bedingungen aus

Glykolsäure entsteht, wie Acetaldehyd aus Milchsäure, gibt sowohl

mit Codein- als auch mit Guajakollösung eine Violettfärbung.Die Reaktion von Denigès wird in letzterer Zeit ebenfalls von

L. Hartwig und B. Saar6) empfohlen. Doch soll nach den genanntenAutoren diese Reaktion versagen, wenn die zu prüfende Flüssigkeitwesentlich über 0,2% Milchsäure enthält. Bei Zitronensäure ergabsich ein gelblicher Hauch, bei Weinsäure eine schwache, jedoch deut¬

liche Rosafärbung, die aber mit derjenigen der Milchsäure nicht zu

x) -R. Eder (Schw. Apoth. Ztg. 54, 528 (1916) hat auch konstatiert, dass viele

der von C. Beichard beschriebenen Alkaloidfarbreaktionen auf Irrtum beruhen. Be¬

dauerlicherweise hatten diese Reaktionen bereits in Lehr- und Handbücher der ge¬richtlichen Chemie und chemischen Toxikologie Eingang gefunden.

2) P. C. H. 28, 582 (1887); 29, 323 (1888). — Ref. Fr. 33, 498 (1894).3) Ch. Ztg. 44, 494 (1920).4) Ph. Ztg. 55, 120 (1910). — Ref. P. Z. H. 51, 641 (1910).5) Fr. 50, 189 (1911). — Ref. C. 1909, II, 236.

6) Ch. Z. 45, 322 (1921).

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verwechseln ist. Gerbsäure liefert schon bei Zusatz der konz. Schwe¬

felsäure eine grüne Färbung. Ameisensäure, Essigsäure, Äpfelsäure,Benzoesäure und Salicylsäure bleiben farblos.

Unsere Versuche ergaben jedoch, dass die Reaktion von Denigèsselbst mit konz. Milchsäure positiv ausfällt, sofern eine genügendeMenge konz. Schwefelsäure zugesetzt wird.

K. Brauer1) hat die Reaktionen von Milchsäure in Schwefelsäure

studiert. Er kam zu folgenden Ergebnissen.

Milchsäure Oxalsäure WeinsäureCitronen-

säure

Konz. Schwefelsäure allein

Konz. Schwefelsäure mit:

Brenzkatechin....

Konz. Schwefelsäure 1 :1

Konz. Schwefelsäure 1 :1

mit:

Brenzkatechin....

gelb

dunkelrot

rot, dann

braun

rot, dann

dunkelbraun

dunkelbraun

rotbraun

rot

braun

zersetzt

rötlich

violett

grün

grün

dunkelbraun

dunkelviolett

dunkelbraun

rot

Dunkel¬

färbung

gelb

farblos

dunkelbraun

farblos

grün

Die von Brauer speziell empfohlene Reaktion mit Resorzin in

50-proz. Schwefelsäure ist eine Aldehydreaktion.Nach L. Ekkert2) entsteht eine feurig blutrote Färbung beim

Überschichten einer Lösung von einigen cg Brenzkatechin in 5—6 cm3

konz. Schwefelsäure mit 1—2 cm3 einer wässerigen Milchsäurelösung.Die Färbung ist bei 0,02% Milchsäure noch gut sichtbar. Verwendet

man statt Brenzkatechin, Resorzin, Hydrochinon oder ct-Naphthol,so entstehen nur grüngelbe bis braune Färbungen. Dabei hat sichL. Ekkert nicht auf K. Brauer bezogen.3)

Auch diese Reaktionen beruhen auf der Bildung von Acetaldehyd.Nach Fletscher und Hopkins*) wird Milchsäure mit Schwefelsäure

und konz. Kupfersulfatlösung erhitzt, nach dem Abkühlen mit einer

x) loc. cit.

2) P. Z. H. 66, 552 (1925).

3) P. Z. H. 66, 753 (1925).«) J. Ph. 35, 247 (1907). — Ref. C. 1907, I, 1442.

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alkoholischen Thiophenlösung versetzt, wobei dann bei gelindem Er¬

wärmen eine kirschrote Färbung auftritt, die nach W. Robert-Fearon1)auf der Bildung von Acetaldehyd beruht. Empfindlichkeit 1:10,000.

Nach E. P. Haussier2) gibt Milchsäure beim langsamen Erwärmen

mit Vanillin und verdünnter Schwefelsäure eine dunkelviolette Fär¬

bung.E. Pitarelle3) empfiehlt, die Milchsäure statt mit konz. Schwefel¬

säure in Acetaldehyd überzuführen, dies mit Kaliumpermanganat in

Gegenwart von Magnesiumsalzen zu vollziehen. Die Oxydation soll

bei dauernd neutraler Eeaktion glatt verlaufen und in der Kälte in

einigen Stunden, in der Wärme in einigen Minuten beendet sein.

R. 0. Herzog*) führt die Milchsäure in das Silbersalz über, welches

mit Jod Aldehyd gibt, der mit Nitroprussidnatrium und Piperidineine Blaufärbung erzeugt.

Nach L. Rosenthaler5) geben alkoholische Hydroxylgruppen mit

Diazobenzolsulfosäure bei Gegenwart von Alkalilauge rote Färbungen.Versetzt man Milchsäure mit einem Gemisch von in verdünnter

Salzsäure gelöster Sulfanilsäure und Natriumnitrit und gibt ein Über-

schuss von Natronlauge zu, so entsteht eine Orangefärbung, die beim

Erwärmen in tiefes Rot übergeht.Nach Croner-Cronheim6) gibt Milchsäure mit einem alkalischen

Reagens von Jod-Jodkalium und Anilin Isonitrilgeruch. Empfind¬lichkeit 1:4000.

Vournasos7) führt eine analoge Reaktion aus, wobei er an Stelle

von Anilin Methylamin nimmt.

Die weingeistige Milchsäurelösung gibt nach Palm8) mit ammo-

niakalischem Bleiessig einen dichten Niederschlag von Bleilaktat.

[CH3CH(OH)C002) • 8PbO].K. A. Hofmann9) neutralisiert eine mit Eisenchlorid versetzte

Milchsäurelösung mit Soda und engt die Lösung durch Eindampfenauf dem Wasserbad ein, wobei sich ein pulveriger, grünlichweisser

Niederschlag von [Fe(C3H403)2]Na+2H20 abscheidet. 3-proz. Am¬

moniakwasser greift das Salz in der Kälte nicht sofort an. Der Eisen¬

chloridzusatz soll in nicht zu grossem Überschuss geschehen.Zum Schlüsse möchten wir bemerken, dass die Methoden zum

qualitativen Nachweis der Milchsäure bis jetzt noch nicht völlig

x) C. 1919, I, 369.

2) Fr. 53, 363 (1914). — Ref. C. 1914, II, 86.

3) Fol. med. 6, 827 (1920). — Ref. C. 1921, IV, 173.

4) A. 351, 263 (1907). — Ref. Z. U. N. G. 16, 293 (1908).5) Ch. Z. 36, 830 (1912).•) H. 50, 540. — Ref. C. 1905, II, 988.

7) Z. Ang. 15, 172 (1902).«) Fr. 26, 33 (1887). — Ref. P. C. H. 28, 166 (1887).9) B. 53, 2224 (1920). — Ref. Z. U. N. G. 44, 218 (1922).

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durchgearbeitet worden sind, worauf Brauer1) und Hartwig und Saar2)bereits aufmerksam machten.

Übersicht der Identitätsprüfung in den verschiedenen Pharmacopöen.

Sinnenprüfung : Chemische Prüfung:

•d farblos EIP

ËS s

'S

-g* Ë-a ja

äs

Helv. IV3) + + + + + + + Entzündet sich beim Erhitzen

und brennt mit leuchtender

Flamme

Germ. V + + ') + + + + + Verbrennt mit schwach leuch¬

tender Flamme

Americ. IX + *) + + + + 8) + Verdampft unter 160° nicht.

Darüber bildet sie entzündliche

Dämpfe. Reagiert stark sauer

gegen Lackmus

Americ. X + ') + + ') + 8) + Stark sauer gegen Lackmus

Brit. (14) + + + + 8) + Sauer gegen Lackmus

Gall. (08) + 6) + + + + Bildet mit Jod-jodkalium- und

wenig Alkali Jodoform

Nederl. IV + + + + + + + Verbrennt mit anfänglich blauer,

dann leuchtender Flamme

Belg. III + 6) + + + + + Verbrennt auf dem Platinblech

Suec. IX + + 6) + +

Austr. VIII + + 6) + + 9) + + + Verbrennt auf dem Platinblech

ohne Rückstand

+ bedeutet, dass eine entsprechende Prüfung in der Pharmacopöe figuriert.In den meisten Arzneibüchern ist eine ca. 90-proz. Säure offizinell.

1) loc. cit.

2) loc. cit.

3) Für die verschiedenen Arzneibücher wurden folgende Abkürzungen gewählt:Helv. IV Pharmacopoea Helvetica. Ed. IV, 1907.

Germ. V Deutsches Arzneibuch. V. Ausgabe 1910.

Americ. IX The Pharmacopoeia of the United States. IX decennial revision 1916.

Americ. X The Pharmacopoeia of the United States. X decennial revision 1925.

Brit. (14) The British Pharmacopoeia. Ed. 1914.

Gall. (08) Codex medioamentarius Gallicus. Ed. 1908, incl. Supplément et Change¬ments apportés 1920 bis 1925.

Nederl. IV Nederlandsche Pharmacopée. Ed. IV, 1905.

Belg. III Pharmacopoea Belgica. Ed. III, 1906.

Suée. IX Pharmacopoea Suecica. Ed. IX, 1908.

Austr. VIII Pharmacopoea Austriaca. Ed. VIII, 1906.

*) Unter der Löslichkeit ist die Mischbarkeit der Säure in jedem Verhältnis mit

Wasser, Weingeist und Äther gemeint.5) Aldehydgeruchsreaktion: Oxydation mit Kaliumpermanganat. Beim Er¬

wärmen tritt der Geruch nach Acetaldehyd auf.

•) Farblos oder schwach gelblich.7) Beinahe geruchlos.•) Neben der Mischbarkeit mit oben genannten Lösungsmitteln ist noch die Un¬

löslichkeit in Chloroform, Benzin und Schwefelkohlenstoff angegeben.9) Von spezifischem Geruch.

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II. Identifizierung der Milchsäure in den einzelnen Arzneibüchern.

Die meisten Arzneibücher wählten als chemische Identitätsreaktion

die Oxydation der Milchsäure mit Kaliumpermanganat, wobei Acet-

aldehyd entsteht, der am Geruch erkannt werden soll. Die schwei¬

zerische, amerikanische, niederländische und österreichische Phar-

macopöe verwenden Kaliumpermanganat in Substanz, während die

deutsche, englische und belgische Pharmacopöe die als Reagens figu¬rierende Lösung vorschreiben.

Die französische Pharmacopöe steht mit ihrer Jodoformreaktion

einzig da. Diese allein ist sehr ungenügend und auch absolut nicht

charakterisierend, worauf schon Bibaut1) aufmerksam machte. C. Neu¬

berg2) zeigte ferner, dass auch Brenztraubensäure, Aldol, /?-Oxybutter-säure, Quercit und Inosit die Jodoformreaktion geben. Entgegen den

Angaben der Lehrbücher gibt nach ihm auch Fleischmilchsäure (d a-

Oxypropionsaure) diese Reaktion.

Neben diesen chemischen Identitätsprüfungen stehen in den ver¬

schiedenen Arzneibüchern noch die Sinnenprüfungen. Die auf physi¬kalischen Methoden beruhenden Prüfungen, welche als Identitäts¬

reaktion gedacht sind, haben wohl mehr die Eigenschaft von Rein¬

heitsprüfungen, wie z. B. die Bestimmung des spezifischen Gewichtes,welche zugleich eine erste Vorprüfung für die Beurteilung des Ge¬

haltes ist.

III. Eigene Versuche und Vorschläge zur Identifizierung der Milchsäure.

Zur Identifizierung eines chemischen Körpers können heran¬

gezogen werden :

1) Sinnenprüfungen2) Chemische Prüfungen3) Physikalische Prüfungen.

Ganz allgemein wird von Identifizierungskriterien verlangt, dass

dieselben für die zu untersuchende Substanz charakteristisch und ein¬

deutig seien. Nicht in allen Fällen ist diese Forderung bei allen drei

oben genannten Prüfungskategorien erfüllbar. Von den Sinnen¬

prüfungen sind Geruch und Geschmack sehr subjektiv und dazu oft

nicht eindeutig.Was die chemischen Reaktionen betrifft, so erlauben in der anor¬

ganischen Chemie, wo meistens ionogene Substanzen vorliegen, die

Ionenreaktionen in der Regel eine rasche und sichere Feststellung.In der organischen Chemie genügt der Nachweis der Elemente, welche

die Verbindungen aufbauen, nicht, denn unzählige Verbindungenkönnen dieselben Elemente enthalten. Es ist hier unbedingt erfor¬

derlich, die einzelnen, für den betreffenden Stoff charakteristischen,

reaktionsfähigen Gruppen nachzuweisen. In vielen Fällen, besonders

!) Bull. sc. phaimacol. 17, 211 (1910).2) Bio. Z. 43, 500 (1912). -^ Ref. Z. U. N. G. 26, 146 (1913).

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bei homologen und isomeren Substanzen genügt aber auch das noch

nicht. Hier können die reaktionsfähigen Gruppen ganz dieselben sein,

während nur die Zahl der Glieder der Kohlenstoffkette oder die

Stellung der reaktionsfähigen Gruppen an der Kohlenstoffkette vari¬

iert (z. B. d und 1 a-Oxypropionsäure sowie inaktive Milchsäure und

a-Oxybuttersäure).Für Pharmacopöezwecke wird von den Identitätsprüfungen nicht

nur verlangt, dass dieselben charakteristisch und eindeutig seien,sondern auch, dass sie ökonomisch in bezug auf Zeit und Material und

möglichst einfach in der Ausführung seien.

Die in der organischen Analyse zur Charakterisierung einer Sub¬

stanz übliche Methode, welche auf der Umwandlung derselben in ein

gut krystallisiertes Derivat oder Additionsprodukt von bestimmtem

, Schmelzpunkt beruht, ist als Pharmacopöemethode noch wenig üblich.

Auch von Milchsäure sind Derivate und Additionsverbindungenbekannt, deren Darstellung jedoch nicht immer einfach und in kurzer

Zeit möglich ist.

Von den leicht herzustellenden Derivaten zur Identifizierung der

Milchsäure kann das Anilinlaktat1) infolge des tiefen Smp. von 29°

wohl kaum in Betracht fallen, während die Additionsverbindung mit

Phenylhydrazin (C3H603 • C?H5N2H3), welche H. J. F. de Fries2) erst¬

mals darstellte, zur Identifizierung sehr zweckmässig wäre. Er fand,dass diese Verbindung leicht in Wasser und Alkohol, schwer in Äther

und Chloroform löslich ist und aus Chloroform umkrystallisiert einen

Smp. von 102—103° ergibt.Wie unsere Versuche zeigten, entsteht beim Mischen einer Milch¬

säurelösung in Chloroform mit Phenylhydrazin nach einigen Minuten

ein dicker Krystallbrei. Diesen saugt man ab und krystallisiert aus

Essigester um. Wir fanden einen Smp. von 103,5—104° unkorr. oder

104,5—105° korr. Beim Schmelzen zersetzt sich die Verbindung, wobei

eine gelbbraune Flüssigkeit entsteht. Eine analoge Zersetzung erfolgtbeim Lösen des rein weissen Additionsproduktes in Petroläther oder

Benzin, wobei sofort eine gelbe Lösung resultiert. Ebenso in Aceton;auf Zusatz von Wasser scheidet sich hier das Phenylhydrazin ab. In

Schwefelkohlenstoff ist die Verbindung schwer löslich. Laktid gibtkeine in Chloroform oder Alkohol schwer lösliche Verbindung.

Da nun die bekannten Reaktionen zum Nachweis der Milchsäure

entweder nicht eindeutig sind, (Jodoformreaktion, Isonitrilreaktion,Eisenchloridreaktion) oder sich auf Spaltstücke der Milchsäure be¬

ziehen (die auf der Bildung von Acetaldehyd beruhenden Farbreak¬

tionen), so ist man genötigt, mindestens zwei Reaktionen zur Identifi¬

zierung der Milchsäure zu wählen.

*) D.R.P. 169 992 (1904); Ref. C. 1906, I, 1718.

2) B. 27, 1521 (1894).

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Milchsäure muss nämlich bei der Identifizierung von den ähnlich

aussehenden homologen ex-Oxysäuren und den verwandten ß-Oxy-säuren unterschieden werden und nicht zuletzt auch von Glykol und

Glycerin, mit welchen sie verwechselt werden könnte.

Von den Sinnenprüfungen ist die Feststellung einer syrupösenFlüssigkeit von saurem Geschmack bezeichnend für konz. Milchsäure.

Hinzu kommt noch der ihr eigentümliche schwache Geruch. Die Be¬

hauptung der meisten Pharmacopöen, dass Milchsäure geruchlos sei,ist unstreitig nicht richtig, worauf auch Herzog und Hanner1) auf¬

merksam machen.

Von den physikalischen Prüfungskriterien sind Erstar¬

rungspunkt2) und spezifisches Gewicht für sich allein zu wenig charak¬

teristisch, da es sich praktisch meist nicht um eine 100-proz. Säure,sondern um sehr verschiedene Konzentrationen von Milchsäure handelt.

Hingegen ist in Verbindung mit der Gehaltsbestimmung die Fest¬

stellung des spezifischen Gewichtes von Bedeutung. Da Milchsäure

sich bei der Destillation zersetzt, muss von der Anwendung der Siede¬

punktsbestimmung zur Identifizierung der Säure abgesehen werden.

Die optische Aktivität könnte als Reinheitsprüfung verwendet werden.

Die Bestimmung der Brechung3), des Absorptionsspektrums und der

Viskosität*) sind als Identifizierungskriterien der Milchsäure nicht

gebräuchlich.Die Brennbarkeit der Milchsäure sagt wenig. Die schweize¬

rische, deutsche, amerikanische, belgische, niederländische und öster¬

reichische Pharmacopöen sehen in der schwach leuchtenden Flamme,mit der die Milchsäure verbrennt, wohl ein Identitätsmerkmal.

Wir erhitzten 5 cm3 reine Milchsäure in einer kleinen Porzellan¬

schale zum Sieden. Nachdem das Wasser verdampft war, entzündeten

wir die Säure, welche anfänglich mit nicht leuchtender, blauer, gegendas Ende mit wenig leuchtender Flamme verbrannte, wobei ein sehr

geringer, dunkelbrauner, lackartiger Rückstand hinterbleibt. Tech¬

nische Milchsäure verbrennt von Anfang an mit mehr oder wenigerleuchtender Flamme und hinterlässt einen schwarzen, matten, mit

Kohlenstoff durchsetzten Rückstand. Glycerin verbrennt mit dauernd

wenig leuchtender Flamme, wobei nur ein geringer dunkler Anflugin der Schale zurückbleibt.

Als Identitätsprüfung sagt diese Verbrennungsprobe zu wenigaus. Doch würden wir empfehlen, bei der Bestimmung des Verbren-

x) Die physikalischen und chemischen Priifungsmethoden des deutschen Arznei¬

buches II. Aufl. (1924).2) J. Kendall, J. E, Booge und J. C. Andrews, Gefrierpunktsdepression der Milch¬

säure und anderer Säuren. Am. 49, 2303 (1917).3) Landolt, A. Ph. 122, 558 (1852).4) Dunstan, Soc. 87,14 (1905). — Ph. Ch. 51, 735 (1905). Viskosität der Mischungen

mit Wasser.

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- 17 -

nungsrückstandes darauf hinzuweisen, dass Milchsäure anfänglich mit

nicht, dann mit wenig leuchtender Flamme verbrennt.

Damit kommen wir zu den chemischen Prüfungen. Den Säure¬

charakter lässt einzig die amerikanische und englische Pharmacopöefeststellen, wobei gesagt wird, dass Milchsäure gegen Lackmus stark

sauer reagiere.Wir fanden, dass Milchsäure in verschiedenen Verdünnungen

folgende Aciditäten zeigt:

Milchsäurekonzentration Indikatorfarbe*)

0,2 N = 18,0 g. i. L. Thymolblau rot

0,1 N = 9,0 „ orangerot

0,05 N = 4,5 „ orangegelb

0,05 N = 4,5 Kongopapier blau "| bei kurzem Ein-

0,01 N = 0,9 „violett | tauchen

0,005 N = 0,45 „blauviolett \

0,002 N = 0,18 „violett } beim Einlegen

0,001 N = 0,09 „rot >

0,005 N= 0,45 Methylorange rot

0,001 N= 0,09 „ orange

0,0005 N= 0,045 Methylrot rot

0,00005 N = 0,0045 „ „ orange

0,00005 N = 0,0045 „ Lackmuspapier unverändert

Milchsäure gehört mit einem Säureexponent von 3,812) bei 25°

bereits zu den stärkeren organischen Säuren. Sie wird in ihrer Stärke

von den chlorierten Essigsäuren und Analogen erheblich, von der Amei¬

sensäure, Sulfanilsäure und Traubensäure wenig, von der Glykolsäurekaum übertroffen. Somit wäre es wenig aussichtsreich, die Acidität

der Milchsäure durch Verdünnen so abzustufen, dass sie zum empfind¬lichen Nachweis der Abwesenheit stärkerer Säuren (wie Mineralsäuren)benutzt werden könnte. Vielmehr erachten wir den stark sauren Cha¬

rakter als ein wichtiges Kriterium gegenüber sehr vielen anderen

organischen Säuren.

Die Ansicht von A. Wünsch3), Milchsäure in Vegetalin (Milchsäure¬präparat zum Entkalken und Beizen des Leders mit einem Gehalt

von 8,6—9,6 % Milchsäure) reagiere nicht auf Methylorangepapierund man könne mit diesem direkt die freien Mineralsäuren nachweisen,beruht auf einem Irrtum.

*) Betr. Konzentration der benützten Indikatoren vgl. S. 55.

2) J. M. Kolthoff, Z. a. Ch. Ill, 50 (1920).

3) Deutsche Gerber-Ztg. 46, No. 11 (1903). — Ref. Z. U. N. G. 8, 558 (1904).

2

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- 18 -

Als Beitrag zur Identifizierung der Milchsäure würden wir vor¬

schlagen :

Konz. Milchsäure muss in zehnfacher Verdünnung mit Wasser

stark sauer reagieren, d. h. 1 cm3 dieser Verdünnung muss durch

1 Tropfen Thymolblau rot gefärbt werden.

Mit der in den Arzneibüchern üblichen Acetaldehydgeruchsreak-tion können wir uns nicht recht befreunden, da Geruchsreaktionen

immer subjektiv sind und das Geruchsgedächtnis, worauf es bei dieser

Reaktion ankommt, unter Umständen den einen oder andern im Stiche

lässt. Die Farbreaktionen von Denigès, Brauer und Ekkert erlauben

den Acetaldehyd vom Formaldehyd zu unterscheiden (vergl. S. 10),also auch Milchsäure von Glykolsäure. Wir möchten daher für Arznei¬

buchzwecke empfehlen, die bis jetzt in den Pharmacopöen übliche

Kaliumpermanganatreaktion zu eliminieren und an deren Stelle die

Reaktion von Denigès (Guajakol) oder Brauer (Resorzin) aufzunehmen.

Diese Reaktionen sind gleichwertig. Doch ist Brenzkatechin im Gegen¬satz zu Guajakol und Resorcin nicht offizinell. Die Fletscher-Hopkins-sche Reaktion würde zwei neue Reagentien erfordern, nämlich eine

konz. Kupfersulfatlösung und eine alkoholische Thiophenlösung. Sie

mag in der Physiologie Verwendung finden. Die Croner-Cronheim'sche

und die Vournasos'sehe Reaktion sind, als Geruchsreaktionen, weniger

empfehlenswert. Die Uffelmann'sche: Reaktion finden wir zu wenig

eindeutig.Wir schlagen zur Identifizierung der Milchsäure in den Arznei¬

büchern folgende Kriterien vor:

Milchsäure ist eine syrupöse1) Flüssigkeit, von eigenartigem,schwachem Geruch und saurem Geschmack, welche in zehnfacher

Verdünnung stark sauer reagiert (Thymolblau rot).Wird Milchsäure mit ungefähr dem zehnfachen Volumen konz.

Schwefelsäure versetzt, die Mischung auf Zimmertemperatur abge¬kühlt und mit einigen Tropfen einer etwa 5-proz. alkoholischen Gua-

jakollösung versetzt, so tritt eine tiefrote beständige Färbung auf

(Glykolsäure resp. Formaldehyd würden eine tiefviolette Farbe er¬

zeugen).Diese Identifizierung gilt selbstverständlich nicht nur für die

gebräuchliche inaktive, sondern auch für die aktiven Formen der

Milchsäure, nicht aber für Äthylidenmilchsäure.

1) Bei Konzentrationen von mindestens 90%.

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B. Reinheitsprüfung der Milchsäure.

I. Die Verunreinigungen, Verfälschungen und Umwandlungsprodukteder Milchsäure.

Für eine rationelle Reinheitsprüfung ist die Kenntnis der Quellen

der Verunreinigungen des zu untersuchenden chemischen Handels¬

produktes notwendig.Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

a) Bei der Konzentration und Aufbewahrung von Milchsäure

entstehen Umwandlungsprodukte in Form anhydrisierter Säuren,

speziell Lactylmilchsäure. Auch das Vorhandensein von' Laktid ist

in sehr hoch konzentrierten Produkten, die durch Eindampfen bei

Temperaturen von über 120° erhalten werden, nicht ausgeschlossen.Zersetzungsprodukte sind selbst bei sehr alter Milchsäure nicht

beobachtet worden.

b) Konservierende Zusätze, wie sie bei vielen Arzneimitteln

gemacht werden, sind bei der Milchsäure noch keine gebräuchlich.Zusätze, welche die Anhydridbildung verhindern, würden, wenn solche

bekannt wären, für viele Verwendungszwecke wohl gerne gebrauchtwerden.

c) Von Verfälschungen ist wenig bekannt. Zwar bemerkt

W. C. Scoville1), dass häufig technische Milchsäure in den Arznei¬

mittelmarkt übergehe. Herzog und Hanner2) erwähnen als billigesVerfälschungsmittel Glyzerin, dessen Preis nur die Hälfte bis ein

Drittel des Milchsäurepreises beträgt. Die während des Krieges als

Glyzerinersatzprodukte im Handel gewesenen Per- und Perkaglyzerine(Milchsaures Natrium bezw. milchsaures Kalium) können wohl höch¬

stens als Verwechslungprodukte in Betracht kommen, da diese

nicht billiger als Milchsäure sind.

d) Die meisten Verunreinigungen der Milchsäure stammen aus den

Darstellungsmethoden. Sie können herrühren von Verunreini¬

gungen der Ausgangsmateriahen, von Nebenprodukten der Darstellung,von den Apparaturen, sowie von den zur Reinigung benützten Ma¬

terialien.

Da es sich bei der Milchsäure um ein Grossprodukt handelt, so

befassen wir uns hier auch nur mit der technischen Darstellung der¬

selben8).Die seit alten Zeiten benützte Methode der Milchsäuregewinnung,

bei welcher Zuckerlösungen mit faulem Käse und Schlämmkreide,

*) J. Am. Ph. Ass. I, 371 (1912).

2) Die chemischen und physikalischen Prüfungsmethoden des deutschen Arznei¬

buches. II. Aufl. (1924).

3) Hiezu diente folgende Literatur: Ullmann, Enzyklopädie der technischen Chemie

VIII, 129. — Muspratt, Enzyklopädie. Ergänzungsband IV, 648. — H. Ost, Lehr¬

buch der chemischen Technologie, 11. Aufl. 534 u. 589.

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- 20 -

oder die aus saurer Milch durch Filtration gewonnenen Molken mit

Milchzucker und Zinkoxyd versetzt und sich selbst überlassen wurde,hat sich im Prinzip bis auf den heutigen Tag behauptet. Durch die

Arbeiten Pasteur's1) von 1857 erhielt man den ersten Einblick in das

Wesen der Milchsäuregärung und seitdem wurde diese Methode weiter

ausgebaut, so dass sie für die technische Darstellung auch heute noch

einzig in Betracht kommt.

Ausgangsmaterialien sind die verschiedensten Kohlehydrate und

verwandte Körper, die durch Bakterien in Milchsäure übergeführtwerden. Neben den Hexosen: Glucose, Galactose, Laevulose und

den Disacchariden : Saccharose, Lactose, Maltose und Trehalose kommen

auch Polysaccharide, wie Raffinose, Stärke und Dextrin in Betracht.

Ferner mehrwertige Alkohole, wobei es sich neben Glyzerin aus¬

schliesslich um Hexite, wie Mannit, Sorbit und Dulcit handelt. Auch

aus mehrwertigen Karbonsäuren, wie Apfelsäure, Bernsteinsäure, Zi¬

tronensäure und Weinsäure und aus eiweissähnlichen Stoffen, wie

Pepton, Diastase, Fibrin, Casein etc. entstehen durch Milchsäure¬

bakterien oder Pilze inaktive a-Oxypropionsäure2).Die Wahl des Rohstoffes hängt von der jeweiligen. Marktlage

ab. Es kommen hauptsächlich in Betracht: Kartoffelstärke, seltener

Mais- oder Reisstärke, welche durch Dämpfen verkleistert und hernach

mittels der Diastase der gekeimten Gerste in Maltose oder Dextrose

übergeführt werden, oder auch direkt Rohrzucker oder Malzzucker,welche zweckmässig durch Kochen mit verdünnten Säuren (Salzsäure,Schwefelsäure) oder durch zweitägiges Stehen mit Weinsäure inver¬

tiert werden3).In manchen Gegenden, wie z. B. Oberitalien, wird heute Milch¬

säure auch noch aus Molken, also Milchzucker gewonnen.

Als Erreger der Milchsäuregärung kommen hauptsächlich die

Milchsäurebakterien in Betracht, die W. Henneberg4') in Kulturmilch¬

säurebazillen (Bacillus acidificans longissimus Lafar, Bacillus Del-

brücki Leichmann) und schädliche und unschädliche wilde Milchsäure¬

bazillen einteilt. (Schädliche Milchsäurebazillen: Bacillus Hayducki,Bacillus Buchneri, Bacillus IV, Bacillus Wehmeri etc. Unschädliche

Milchsäurebazillen: Bacillus Beijerincki, Bacillus Listeri, Bacillus

Wortmann, Bacillus Leichmann 1 etc.) Wie bei andern Gärungen haben

sich auch in der Milchsäureindustrie Pilzmischungen bestimmter Rein¬

kulturen als wertvoll erwiesen5).Für die Ernährung der Gärungserreger sind Peptone, Zucker¬

albumin und andere lösliche Eiweissstoffe, sowie Phosphate besonders

x) C. r. 45, 913 (1857); 47, 244 (1858); 48, 337 u. 1149 (1859).2) Abderhalden, Biochemisches Handlexikon I, 1057 (1911).3) Anselmino und Gilg, Kommentar zum D. A. B. 5. I, 116.

4) Ztschr. f. Spiritusindustrie, 1904, 85. — Bef. F. Lafar, Handbuch der tech¬

nischen Mykologie V, 296.

s) D.B.P. 118083 (1899). — Bef. C. 1901, I, 650.

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- 21 -

wichtig, so dass Abkochungen von Hefe, Hefeextrakt, Malz, Malz¬

keimen, Getreideschrot und dergleichen günstig sind. Ammonium¬

salze, mit Ausnahme von Ammoniumnitrat, können, wenn sie neben

organischen Stickstoffverbindungen vorhanden sind, in Verbindungmit Superphosphat auf die Vergärung beschleunigend einwirken.

Ebenso nach Richet1) kleine Mengen von Magnesiumsalzen, was hin¬

gegen W. Hoffmann2) in Frage stellt, indem Kalisalpeter und Mag¬nesiumsulfat den Milchsäurebakterien nicht zusagen.

Wie alle Spaltpilze, so sind auch die stärksten Milchsäurebildner

gegen freie Säuren mehr oder weniger empfindlich. Sie sterben schon

bei einer Konzentration von ca. 1,5-proz. Milchsäure ab. Aus diesem

Grunde muss die entstehende Säure fortwährend neutralisiert werden,

was am besten mit Calcium- oder Zinkkarbonat oder auch Zinkoxyd

erfolgt.Nach beendeter Gärung und Neutralisation versetzt man die

Maische häufig noch mit Kalkmilch zwecks Vernichtung der Schäd¬

linge, welche den milchsauren Kalk zersetzen, und kocht auf, damit

die Eiweisskörper ausfallen.

Aus dem Calciumlaktat setzt man die Milchsäure durch die be¬

rechnete Menge Schwefelsäure in Freiheit. Das Zinksalz zersetzt man

mit Schwefelwasserstoff.

Bei einer gut geleiteten Gärung entsteht hauptsächlich Milch¬

säure nach der Gleichung:

C6H12Os = 2CH3CH(OH)COOH oder

C13H22Ou + H20 = 4CH3CH(OH)COOH

Neben der inaktiven Milchsäure kann auch bei der Gärung aus

Rohrzucker, Milchzucker, Traubenzucker, Dextrin d-Milchsäure (Fleisch¬oder Paramilchsäure) entstehen3). Die links-drehende Säure wird aus

den gleichen Produkten durch den Bacillus acidi laevolactici in alka¬

lischen Lösungen erhalten3).Obwohl die günstigste Wachstumstemperatur der Vergärungs-

erreger bei 41—47° liegt, ist man genötigt bis 50° zu gehen, um die

Buttersäuregärung, sowie auch die Bildung von Butylalkohol zu ver¬

meiden. Bestimmte, ebenfalls bei hoher Temperatur wachsende Milch¬

säurebakterienarten vergären den Zucker zu Essigsäure, welche neben

Ameisensäure, Äthylalkohol und auch Propionsäure vorkommt. Sehr

unangenehm ist die bisweilen auftretende Acetongärung. Ferner ist

beachtenswert, dass im Verlauf der Gärung bei Anwesenheit von

Rohrzucker immer kleinere oder grössere Mengen von Mannit als

Nebenprodukt gebildet wird4). Die Beobachtungen von Gärungen in

1) C. r. de la Soc. de Biol. 60, 455 (1906).2) Ch. Z. 39, 525 (1915).

3) Abderhalden,, Bioch. Handlexikon I, 1068 (1911).4) Anselmino-Gilg, Kommentar zum D. A. B. V., I, 116.

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Milchsäurebetrieben haben gezeigt, dass bisweilen auch Bernsteinsäure

und Aldehyde auftreten.

Zur Reinigung von Bottichen und dergleichen, die durch schä¬

digende Bazillen infiziert sind, werden Wasserdampf, verdünnte Schwe¬

felsäure, 1-proz. kochend heisse Sodalösung oder 2-proz. Formaldehyd¬lösungen empfohlen.

Das Eindampfen der Milchsäure geschieht in aus Kupfer oder

Kupferbronze oder verbleitem Eisen bestehenden Vakuumapparaten.Die Gewinnung der Milchsäure aus Abwässern von Konserven-

und besonders von Sauerkräutfabriken durch Fällen mit Kalkmilch

und nachfolgendes Eindampfen1) oder über das sehr schwer lösliche

milchsaure Zinnoxydul2)

( CH3 • Ch/ \sn )\ \C0)0/ /

hat lediglich in den Anfängen der Milchsäureindustrie Bedeutunggehabt.

In der chemischen Literatur wird ausser der Milchsäuregewinnungdurch Gärung noch eine weitere, von Kiliani3) angegebene Methode

beschrieben, die aber wohl keine praktische Bedeutung hat. Nach

derselben wird eine Rohrzuckerlösung mit wenig Schwefelsäure er¬

hitzt, darauf unter Kühlung portionenweise mit konz. Natronlaugeversetzt und auf 60—70° erwärmt, bis mit Fehling'schei Lösung keine

positive Reaktion mehr eintritt. Die überschüssige Lauge wird mit

Schwefelsäure neutralisiert. Bei guter Kühlung krystallisiert Glauber¬

salz aus, wobei noch eine weitere Abscheidung des Salzes durch Zu¬

satz von Alkohol erfolgt. Nun filtriert man und verarbeitet das Filtrat

über das Zinksalz auf Milchsäure.

Die rohe technische Milchsäure muss für die meisten Verwen¬

dungszwecke gereinigt und vor allem vom Eisen, das regelmässig in

geringen Mengen in derselben vorkommt, befreit werden, was mit Hilfe

von Ferrocyancalcium oder Ferrocyankalium geschieht, wobei gleich¬zeitig auch das Kupfer ausfällt. Durch Zusatz von Zinksulfat wird

das überschüssige Ferrocyansalz abgeschieden. Es sollte überhauptvermieden werden, dass Milchsäure mit Eisenteilen in Berührungkommt, da schon eine 8—10-proz. Säure Eisen stark angreift. Von

Arsen und Blei befreit man die Säure durch Bariumsulfid und darauf¬

folgenden Zusatz der notwendigen Menge Schwefelsäure, wobei Über¬

schüsse zu vermeiden sind. Die weitere Reinigung von Gips, Dextrin,Farbstoffen und dergleichen geschieht mit Hilfe von Entfärbungs¬kohle. Zur Klärung der Calciumlaktatlösung wird auch Tannin zu¬

gesetzt.

!) D. R. P. 104 281 (1898).2) D. R. P. 113 383 (1898).3) B. 15, 136 u. 699 (1882).

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- 23 -

Um Milchsäure für Pharmacopöezweeke oder für die Genuss¬

mittelindustrie zu erhalten, können nach der Patentliteratur folgende

Reinigungsverfahren in Betracht kommen:

Zersetzen von umkrystallisiertem Calciumlaktat mit einer den

milchsauren Kalk zersetzenden Säure, die vorher einen Zusatz von

konz. Milchsäure erhalten hat, wodurch eine konz. Milchsäurelösungohne Eindampfen entsteht1). Herstellung des aus Wasser umkrystalli-sierbaren Anilinsalzes und nachheriges Abtreiben der Base mittels

Wasserdampf2). Ferner Extrahieren der Milchsäure mit Äther3) oder,

Amylalkohol4) oder auch Überführung von milchsauren Salzen in

Milchsäureäthylester, Reinigung derselben durch Destillation, nach¬

folgendes Zersetzen mit Wasser und Abtreiben des abgespaltenenAlkohols6). Die Destillation mit Wasserdampf im Vakuum oder die

Destillation mit Hilfe eines unter massigem Druck eingeleiteten Gas¬

stromes dienen ebenfalls als bewährte Reinigungsmethoden6).Aus Vorstehendem ergibt sich, dass bei der Darstellung von Milch¬

säure hauptsächlich folgende Verunreinigungen in Betracht kommen

könnten :

a) Von den Ausgangs- und Hilfsmaterialien herrührend: Zucker,

Stärke, Dextrin, Farbstoffe welche die Ausgangsmaterialien verun¬

reinigen, Wasser mit den darin gelösten Jonen, wie Eisen, in einigen

Gegenden Mangan (selten), Calcium, Magnesium, Kalium, Natrium,

Chlorid, Sulfat, Karbonat.

b) Von der Gärung herrührend: Eiweissstoffe, Phosphate, Am¬

moniumsalze, Mannit, Buttersäure, Butylalkohol, Essigsäure, Ameisen¬

säure, Aceton, Äthylalkohol, Calcium, Zink, Salzsäure, Schwefelsäure,Weinsäure.

c) Von den Apparaten herrührend: Schwermetalle, besonders

Eisen, Schmieröl von Rührwerken, Sodalösung, Formaldehyd.d) Von der Weiterverarbeitung und von den Reinigungsverfahren

herrührend: Schwefelsäure, Schwefelwasserstoff, Arsen (Verunreini¬gung der Schwefelsäure), Bariumsulfid, Ferrocyankalium, Zinksulfat,

Kohle, Tannin, Amylalkohol, Anilin, Milchsäureester.

II. Reinheitsprfifungen in Arzneibüchern und Literatur.

Bis jetzt war es in der Praxis üblich, die Milchsäure auf folgendeVerunreinigungen zu prüfen: Schwermetalle, Calcium, Salzsäure, Schwe¬

felsäure, Oxalsäure, Weinsäure, Zitronensäure, verkohlbare Substanzen

(Zucker), Fettsäuren, Glycerin und Asche.

») D. R. P. 221 112 u. 222 741 (1909).2) D. R. P. 169 992 (1904).3) A. 113, 243 (1860).4) D. R. P. 140 319 (1901).6) D. R. P. 171 835 (1905).«) D. R. P. 221 786 (1906).

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- 24. -

Die Prüfung auf Anhydrisierungsprodukte kann mit Ausnahme

des Laktides nicht qualitativ erfolgen. Sie wird zweckmässig mit

der Gehaltsbestimmung verbunden. (Vergl. Abschnitt C.)

Übersicht der Reinheitsprüfungen der verschiedenen Arz¬

neibücher:

Die Zahlen geben die Verdünnung an, in welcher offizineile Milch¬

säure geprüft wird1). -j- bedeutet, dass eine entsprechende Prüfungin der Pharmacopöe figuriert.

Schwermetalle e

Salzsäure J1X2

î Ss WS

"3x

Citronensänre Verkohlb.Snbst.

Flüchtig.Fettsr.

Glycerin Mannit,Glycerin 'S

5*3

S3

e

-<

i S

Helv. IV.

Germ. V.

Americ. IX

Americ. X.

Brit. (14) .

Gall. (08) .

Nederl. IV

Belg. III.

Suec. IX.

Austr. VIII

Lunge-Berl3)

Merck4). .

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1 + 9

+

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1 + 10

1 + 10

1 = 102)1 + 20

1 = 10

1 + 9

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1 = 10

1 : 10

1=10

1 + 10

1 : 10

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+

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1=10

1 + 10

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1=100

+

1 : 10

1 = 10

1 + 10

1=20

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1 + 9

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+

1=10

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1 + 10

+

1=10

1 + 9

omrerdünnt

+

+

1 = 10

1 : 10

1 + 10

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+

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+

+

+

04%

04%

0,1%

0,2%

0,1%

0,1%

Von den offiziellen Lebensmittelbüchern gibt einzig das schwei¬

zerische Lebensmittelbuch Methoden zur Untersuchung, sowie Normen

für die Beurteilung der Milchsäure an.

Darnach muss Milchsäure hinsichtlich Farbe und Aussehen, sowie

Geruch und Geschmack geprüft werden. Die Prüfung auf Abwesen¬

heit freier Mineralsäuren erfolgt in der Weise, dass 10 cm3 Milchsäure

von ca. 4% Gesamtsäuregehalt mit 2 Tropfen einer 0,1-proz. Lösungvon Methylviolett 2B versetzt werden. Bei Gegenwart von wenigfreier Mineralsäuren würde die Milchsäure blau, bei Gegenwart von

viel Mineralsäure grün gefärbt. Die Prüfung auf Schwermetalle erfolgt

x) In den meisten Pharmacopöen ca. 90%. (Vgl. S. 44.)2) Die Reaktionen auf Kupfer und Eisen müssen negativ ausfallen. Arsen

5 :1,000,000, Blei 10 :1,000,000 gestattet.

3) Chemisch-technische Untersuchungsmethoden. IV. Aufl., Bd. III, 1180.

4) Merck's laboratory chemicals 1924 39. Merck gibt als Maximum der zu¬

gelassenen Verunreinigungen folgende Werte an: Asche 0,1000%, Eisen 0,0100%.Übrige Schwermetalle 0,0000%, Salzsäure 0,0100%, Schwefelsäure 0,0100%. Sub¬

stanzen, welche Pehling'sche Lösung reduzieren 0,0000%. Konzentrierte Schwefel¬

säure färbende Stoffe 0,0000%.

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- 25 -

in analoger Weise wie in den Arzneibüchern. Als letzte Prüfung wird

verlangt, dass sich beim leichten Erwärmen der ca. 4-proz. wässerigenLösung flüchtige Fettsäuren und empyreumatische Stoffe durch den

Geruch und Geschmack nicht bemerkbar machen dürfen.

Eine eingehendere Prüfung verlangt G.V.Villavecchia im Trattato

di Chimica analitica applicata, welche den italienischen Lebensmittel¬

laboratorien als Grundlage dient. Hier werden Prüfungen auf Ab¬

wesenheit von Schwefel-, Salz-, Oxal-, Wein-, Phosphor-, Zitronen-,

Essig- und Buttersäure gefordert. Die Ausführungsformen dieser

Reaktionen sind denjenigen der Arzneimittelbücher analog. Dann

dürfen in Milchsäure Schwermetalle, Eisen (Ferrocyankalium) und

Calcium nicht nachweisbar sein. Für die verschiedenen weiteren,

möglichen Verunreinigungen werden die den Pharmacopöeen analogenPrüfungen auf Mannit, Glycerin (Zinkkarbonat), Zucker, sowie andere

leicht verkohlbare Substanzen angegeben.Die Vorschriften zur Ausführung der Reinheitsprüfungen, wie

diese in den Arzneibüchern gefordert werden, sind folgende:

Prüfung auf Schwermetalle.

In die angegebene Lösung wird Schwefelwasserstoff eingeleitet.Die Lösung darf dabei nicht verändert werden. Die britische Pharma-

copöe lässt noch speziell auf Blei1), Arsen2), Kupfer und Eisen

prüfen. Auf Blei wird mittels Natriumsulfid in Gegenwart von Kalium-

cyanid geprüft. Bei der Prüfung auf Arsen wird die Milchsäure mit

Zinnchlorür und Salzsäure versetzt und die Färbung von mit Sublimat¬

lösung getränktem Filtrierpapier mit einer Testlösung verglichen.Auf Kupfer und Eisen wird mit Ferrocyankalium geprüft.

Prüfung auf Calcium.

Die angegebene Lösung wird mit Ammoniumoxalat versetzt.

Die Lösung darf nicht verändert werden.

Prüfung auf Chlorid.

Die angegebene Lösung darf durch Silbernitrat nicht verändert

werden.

Prüfung auf Sulfat.

Die angegebene Lösung darf durch Bariumnitrat nicht verändert

werden.

Prüfung auf Oxalsäure und Weinsäure.

Die wässerige Lösung wird mit Kalkwasser bis zur alkalischenReaktion versetzt. Die Lösung soll klar bleiben. Diese Prüfungwünscht G. Frerichss) in dieser Form zu streichen, da zum Über-

*) Fr. 58, 575 (1919).2) Fr. 58, 571 (1919).3) Apoth. Ztg. 32, 128 (1917).

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sättigen von 1 gr Milchsäure etwa 250 cm3 Kalkwasser erforderlich

sind, wodurch die Prüfung sehr undeutlich wird. An deren Stelle emp¬fiehlt er folgende Reaktionen:

Eine Lösung von 1 gr Milchsäure in 10 cm3 Weingeist darf durch

etwa 10 Tropfen Kaliumacetat nicht getrübt werden (Weinsäure).Die mit Ammoniak schwach übersättigte wässerige Lösung 1+ 9 darf

durch einige Tropfen Calciumchlorid nicht getrübt werden (Oxalsäure).Zitronensäure, sowie auch Weinsäure erkennt man beim Verbrennen,da eine starke Abscheidung von Kohle auftritt. Als Prüfung auf Ab¬

wesenheit von Weinsäure empfiehlt J. Eosin1) die folgende:Man mische 3 cm3 Säure und 2 cm3 Kaliumacetat und lasse unter

häufigem Schütteln 20 Minuten stehen. Nach weiteren 15 Minuten

darf sich keine Trübung zeigen, wodurch 0,5% Weinsäure nachgewiesenwerden. Lässt man über Nacht stehen, so können noch 0,3% nach¬

gewiesen werden.

Prüfung auf Zitronensäure.

Die mit Kalkwasser versetzte Lösung muss auch beim Erhitzen

klar bleiben.

Prüfung auf Äthylenmilchsäure.Die wässerige Lösung darf auf Zusatz von Kupfersulfat nicht

getrübt werden.

Prüfung auf Fettsäuren.

Milchsäure wird gelinde erwärmt. Es darf kein Geruch nach Fett¬

säuren auftreten. Nach der Ph. Helv. IV soll auch kein Geruch nach

Schwefelwasserstoff auftreten.

Prüfung auf leicht verkohlbare Substanzen, Zucker.

Milchsäure wird vorsichtig über ein gleiches Volumen konz. Schwe¬

felsäure gegossen. Innerhalb 15 Minuten darf keine braune Zone auf¬

treten. Die Pharmacopöe U. S. A. X schreibt noch weiter vor, dass

die Probe bei 15° stehen gelassen werden soll. D;e PharmacopöenBrit., Belg. und Nederl. geben keine Beobachtungsdauer an.

Prüfung auf Zucker und auf Gummi.

Die neutralisierte Lösung soll beim Erhitzen mit Fehling'scherLösung kein rotes Kupferoxydul abscheiden. Die Ph. Helv. IV schreibt

weiter vor, dass beim Erwärmen auch kein blaues Koagulum,wodurch auf die Anwesenheit von Gummi geschlossen werden könnte,auftreten darf.

Prüfung auf Glycerin.Die Milchsäure wird mit einem Überschuss von Zinkoxyd ver¬

setzt und die Mischung bis zur Trockene eingedampft, der Rückstand

*) J. Am. Ph. Ass. 10, 340 (1921).

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mit kaltem, absolutem Alkohol ausgezogen und filtriert. Lässt man

den weingeistigen Auszug verdunsten, so darf kein süss schmeckender

Syrup hinterbleiben. Die englische Pharmacopöe neutralisiert mit

Zinkkarbonat, die französische extrahiert mit einem Gemisch von

Äther-Alkohol und die belgische Pharmacopöe lässt den Rückstand

mit Kaliumbisulfat erhitzen, wobei kein Geruch nach Acrolein auf¬

treten darf.

Prüfung auf Mannit, Glycerin.Milchsäure wird tropfenweise in Äther gegeben. Die Mischung

darf sich auch n>cht vorübergehend trüben.

G. Ehninger1) macht darauf aufmerksam, dass die Milchsäure

bei dieser Prüfung vor der Neutralisation mit Zinkoxyd mit 4 Teilen

Wasser zu verdünnen ist, da die unverdünnte Säure fest wird, bevor

sie vollständig neutralisiert ist.

E. Smith2) wünscht obige Reaktion überhaupt zu streichen, weil

Zinklaktat im Alkohol etwas löslich ist. Für die Glycerinprüfungempfiehlt er die Reaktion der Germ. V, mit welcher 2% Glycerinnachgewiesen werden können. Absoluter Äther macht die Reaktion

empfindlicher, was auch Rosin3) konstatiert hat. Nach ihm sollen

nur ungefähr 5% Glycerin mit einem Äther von dem spezifischenGewicht von 0,715 nachgewisen werden. Zudem werden in dieser

Reaktion auch kleine Quantitäten von Calcium- und Magnesium¬salzen, mit Ausnahme des Calciumhydroxyd, nachgewiesen. Ferner

tritt bei Anwesenheit von 0,3—0,4% Oxalsäure, 0,5% Phosphorsäurepositive Reaktion ein, jedoch wird Weinsäure nicht nachgewiesen,selbst wenn 10—15% anwesend sind.

Prüfung auf Apfelsäure, Schweflige Säure.

Auf Zusatz von basischem Bleiacetat darf die Lösung nicht ver¬

ändert werden.

III. Eigene Versuche und Vorschläge zur Reinheitsprüfung.

An die Reinheitsprüfungen stellen wir folgende allgemeine An¬

forderungen :

a) Angemessene Empfindlichkeit. In Arznei- und Genussmilch¬

säure dürfen den Organismus schädigende Stoffe nicht vorhanden sein.

b) Gute Beurteilüngsmöglichkeit. Wenn immer möglich, soll die

Prüfung so ausgeführt werden, dass negativer Ausfall gefordert werden

kann. Prüfungsforderungen bei Reaktionen, wie z. B. es darf nur eine

schwache Trübung oder Opaleszenz eintreten, sind zu unbestimmtund werden zu ungleich beurteilt von verschiedenen Experimentatoren.Kann der negative Ausfall einer Prüfung selbst durch erhebliche Ver-

*) Schw. Apoth. Ztg. 60, 518 (1922).2) J. Am. Ph. Ass. I, 299 (1912).3) loc. cit.

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dünnung nicht erreicht werden, so wird man zu einer Testlösunggreifen.

c) Zuverlässigkeit. Äussere Umstände, wie die normalen Schwan¬

kungen der Zimmertemperatur, dürfen die Reaktion nicht beeinflussen.

d) Einfache und rasche Ausführung.e) Ökonomie in bezug auf Material und Reagentienverbrauch.Die nachfolgende Zusammenstellung der Reinheitsprüfung für

Milchsäure berücksichtigt vor allem Milchsäure, von der ein hoher

Reinheitsgrad gefordert wird.

Zum Nachweis der anorganischen Kationen und Anionen haben

wir uns derjenigen Ausführungsformen bedient, wie sie für die neue

schweizerische Pharmacopöe vorgesehen sind, da sich dieselben auch

bei der Prüfung der Milchsäure als sehr zweckmässig erwiesen.

Stammlösung für die chemischöeri Reinheitsprüfungen.Die Prüfung von Kationen und Anionen erfolgt direkt in Milch¬

säure oder in wässerigen Verdünnungen oder in mit Ammoniak neu¬

tralisierten Lösungen. Die Lösungen bezeichnen wir kurz als „Stamm¬

lösung". Wir schlagen vor die Milchsäure zu neutralisieren und in,

ungefähr normaler Konzentration zu prüfen, wozu also folgendeStammlösungen herzustellen sind. Bei deren Bereitung erweist es

sich als sehr zweckmässig, ganze Kubikzentimeter zu verwenden und

dabei nur soviel Ammoniak zuzugeben, dass die Reaktion eher schwach

sauer als alkalisch ist.

Konzentration

der zu unter¬

suchend. Säure

StammlösungBerechnet für eine neutrale

Lösungcm3

(ca. normal)Praktische Verhältnisse für

die Prüfungcm3

Milch- I 2 N

säure AmmoniakWasser

Milch¬

säure

2 N

AmmoniakWasser

100%

90%

80%

60%

50%

1 + 6,86 + 5,85

1 + 6,08 + 5,07

1 + 5,30 + 4,30

1 + 3,83 + 2,82

1 + 3,12 + 2,11

1 + 5 + 7

1 + 5 + 6

1 + 4 + 5

1 + 3 + 3

1 + 2 +'

3

Die praktischen Versuche haben gezeigt, dass nicht nur 80-proz.Säure, sondern auch 90-proz. und 100-proz. Säure in der Stamm¬

lösung 1 + 4 + 5 sehr schwach sauer reagieren, d.h. Kongopapier wird

nicht blau, wohl aber blaues Lackmuspapier rot gefärbt. Dies Ver¬

halten beruht auf dem höhern Anhydridgehalt der 90- und 100-proz.Säure, indem Milchsäuren mit einem Gehalt von

60% freier und 20% anhydrisierter oder

50% „ „ 40%40%. „ „ 60% „

Säure

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in gleicher Gewichtsmenge gleich viel Karboxylgruppen aufweisen, ob¬

wohl der Gesamtsäuregehalt 80% bezw. 90% bezw. 100% beträgt.Die Empfindlichkeit nachfolgender Eeaktionen, d. h. die maxi¬

male Menge der Verunreinigung, die bei eben noch deutlich positivemAusfall der Reaktionen pro 1 cm3 der untersuchten Lösung vorhanden

ist, wurde von T. Niederer1) bestimmt. Mit Hilfe derselben haben

wir die maximalen Verunreinigungen einer 80-proz. Milchsäure be¬

rechnet, bei deren Prüfung eine Stammlösung 1+4+5 benützt wurde2).

Prüfung auf Abwesenheit von Trübungen und Färbungen.

Von Arzneimilchsäure muss Klarheit unbedingt gefordert werden

(Reinigungskohle, Fullererde). Technische Säure sowie auch Genuss¬

milchsäure enthalten oft Sulfat in Form von Gips, der durch den

Gehalt an Zucker und Dextrin, welche als Schutzkolloide wirken, in

Lösung gehalten werden kann und sich dann bei langem Lagern all¬

mählich absetzt. Farblosigkeit kann unseres Erachtens nicht gut

gefordert werden, da sehr viele Handelsmuster einen schwach gelb¬lichen Stich zeigen. • Jedoch könnte gefordert werden, dass Milchsäure

in gleicher Schichthöhe nicht stärker gelb sein darf, als eine 0,0001

N-Jodlösung.

Prüfung auf Abwesenheit von Arsen.

Da die Reaktion mit Schwefelwasserstoff bei der grossen Giftig¬keit von Arsen nicht allzu scharf ist, muss eine Speziaireaktion, beson¬

ders für Arznei- und Genussmilchsäure in Anwendung gebracht werden.

Mit Natriumsulfid könnten auch nur 15 mgr pro 100 cm3 nach ge¬

wiesen werden. Die Reaktion mit BougauW'schem Reagens3) genügtjedoch unsern Anforderungen.

Die Mischung von 1 cm3 Milchsäure + 2 cm3 Natriumhypophos-phit wird 15 Minuten ins kochende Wasserbad gestellt. Es darf weder

ein dunkler Niederschlag noch eine Braunfärbung der Lösung ein¬

treten. Im Zweifelsfalle ist nach dem Erkalten mit ca. 3 cm3 Wasser

zu verdünnen und mit 2—3 cm3 Äther auszuschütteln. Es darf keine

braune Ausscheidung in der Grenzschicht auftreten.

Empfindlichkeit: 0,15 mgr pro 100 cm3.

Die englische Pharmacopöe lässt höchstens 0,6 mgr pro 100 cm3 zu.

*) Studie über die qualitative Reinheitsprüfimg anorganischer Arzneistoffe. Diss.

Zürich 1925.

2) Die Berechnung erfolgte unter der Annahme, dass 1 cm3 der zu prüfendenSubstanz mit a cm3 Wasser verdünnt wird (Volumenkontraktion nicht berücksichtigt)und wird angegeben in mg pro 100 cm3. Eine einfache Überlegung führt zur Formel:

y = lOOe (a + 1)wobei e die Empfindlichkeit pro 1 cm3 bedeutet.

3) Löse 10 gr Natriumhypophosphit in 10 cm3 Wasser und ergänze mit konzen¬

trierter Salzsäure auf 200 cm3. Den entstandenen Niederschlag von Natriumchlorid

lässt man absitzen und filtriert die Losung durch Glaswolle klar ab.

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Prüfung auf Abwesenheit von Schwermetallen.

Die Reaktion lautet:

3 cm3 einer höchstens schwach sauren (Lackmuspapier rot, Thy-molblau gelb) oder mit 3 Tropfen verdünnter Essigsäure (2N) angesäu¬erten neutralen respektive neutralisierten Lösung versetzt man mit

3 Tropfen Natriumsulfid1). Die Reaktion der Lösung muss dabei

sauer bleiben. Innerhalb 2 Minuten darf in der Mischung höchstens

eine schwache bläuliche oder gelblichgraue Opaleszenz entstehen (durchkolloidalen Schwefel), aber weder eine stärkere Färbung oder Trübungder Lösung, noch ein Niederschlag auftreten.

Auch bei nachfolgendem Versetzen mit verdünntem Ammoniak

(2 N) bis zur alkalischen Reaktion darf binnen 2 Minuten höchstens

eine Verfärbung, aber weder eine stärkere Trübung, noch ein Nieder¬

schlag auftreten.

Diese Reaktion lässt sich mit der empfohlenen Stammlösung der

Milchsäure ohne Schwierigkeiten ausführen.

Empfindlichkeit: Blei 3 mgr pro 100 cm3

Kupfer 3„ „ „

Quecksilber 20„ „ „ „

Eisen 3„ „

Zink 2„ „ „

In bezug auf Blei ist die englische Pharmacopöe strenger,indem sie nur 1,2 mgr pro 100 cm3 zulässt. Wir glauben jedoch,dass der bis jetzt in allen übrigen Arzneibüchern übliche Bleinachweis

als Sulfid genügen wird.

Von der bei vielen Arzneistoffen üblichen Prüfung auf Abwesen¬

heit von Eisen mit Ferrocyankalium, wobei weder eine Blau- noch

Grünfärbung auftreten darf, muss bei Milchsäure abgesehen werden.

Geringe Spuren von Eisen sind selbst in „reiner" Säure fast immer

enthalten. Die Entfernung dieser letzten Spuren würde für die Technik

mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verknüpft sein, die natürlich

eine wesentliche Verteuerung der Milchsäure zur Folge haben müssten.

Prüfung auf Abwesenheit von Calcium.

1 cm3 der Stammlösung wird mit 1 cm3 Ammoniumoxalat (ca.0,5 N) versetzt. In der Mischung darf weder ein weisser, krystallinischerNiederschlag noch eine Trübung entstehen.

Empfindlichkeit: 7 mgr pro cm3.

Prüfung auf Abwesenheit von Barium.

Die Prüfung mittels verdünnter Schwefelsäure (ca.2N) durch welche

3,8 mgr pro 100 cm3 nachgewiesen werden, erübrigt sich, da Barium

1) (ca. N.) Löse 12,0 gr krystallisiertes, reines Natriumsulfid (Na2S x 9 aq.) in

25 cm3 Wasser und verdünne die Lösung mit Glycerin auf 100 cm3. Sollten sich nach

einigen Tagen Perrosulfidspuren abgeschieden haben, so wird die Lösung wiederholt

durch einen kleinen mit Wasser angefeuchteten Wattebausch geseiht.

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als Sulfid oder Sulfat vorhanden wäre und dieses bei der Prüfungauf Abwesenheit von Apfelsäure und Sulfid resp. Sulfat ebenfalls

nachgewiesen wird.

Prüfung auf Abwesenheit von Magnesium.In der Mischung von 1 cm3 Stammlösung + 1 cm3 Ammonium¬

chlorid (ca. 2 N) + 1 cm3 Natriumphosphat (ca. 0,5 N) darf inner¬

halb 5 Minuten weder ein weisser, krystallinischer Niederschlag, noch

eine Trübung entstehen.

Empfindlichkeit: 1 mgr pro 100 cm3.

Keines der untersuchten Handelsmuster zeigte positive Reaktion

und wir glauben, dass dieses Ion als Verunreinigung wohl selten vor¬

kommt. Grössere Mengen würden ja durch den Verbrennungsrück¬stand erkannt. Würde man 0,1% zulassen, so könnten mit demselben,wenn nur Magnesium vorhanden wäre, maximal 44 mgr pro 100 cm3

vorhanden sein.

Prüfung auf Abwesenheit von Ammonium und Alkalien.

Da Ammonium nur in Form eines Salzes in Betracht kommt,so finden wir es nicht für angezeigt, auch auf Ammonium zu prüfen,da ja auf die Anionen, welche in Frage kommen würden, geprüft wird.

Anwesenheit von Alkalien würde durch den Verbrennungsrück¬stand erkannt. Würde man 0,1% Rückstand zulassen, so könnten in

demselben maximal

37 mgr Natrium pro 100 cm3 oder

48„

Kalium„ „ „

vorhanden sein.

Prüfung auf Abwesenheit von Chlorid.

1 cm3 Stammlösung + 1 cm3 verdünnte Salpetersäure (ca. 2 N)+ 4 Tropfen Silbernitrat (ca. 0,1 N) dürfen weder einen weissen,flockigen Niederschlag, noch eine Trübung zeigen.

Empfindlichkeit: 0,35 mgr Salzsäure pro 100 cm3.

Selbstverständlich könnte auch eine nicht neutralisierte Lösungzur Prüfung verwendet werden.

Prüfung auf Abwesenheit von Sulfat.

1 cm3 Stammlösung + 1 com verdünnte Salpetersäure (2 N)+ 1 cm3 Bariumnitrat (0,5 N). Es darf in der Mischung weder ein

weisser Niederschlag, noch eine Trübung entstehen.

Empfindlichkeit: 0,6 mgr pro 100 cm3.

Prüfung auf Abwesenheit von Wein-, Oxal-, Zitronen- und

Phosphorsäure.Den Vorschlag Frerkhs1) müssen wir unterstützen und wir emp¬

fehlen ebenfalls, die Kalkwasserprobe durch die vom genannten Autor

*) loc. cit.

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empfohlenen Reaktionen zu ersetzen. Wir schlagen für dieselben

folgende Fassung vor.

1 cm3 Stammlösung + 1 cm3 verdünntes Ammoniak (ca. 2 N)+ 1 cm3 Calciumchlorid (ca. 0,5 N) muss eine klare Mischung geben,die sich auch beim Kochen während 2 Minuten nicht trübt.

In dieser Reaktion ist der Nachweis der Phosphorsäure mit ein¬

geschlossen, da das tertiäre Calciumphosphat, welches immer in am-

mon-iakalischer Lösung entsteht, praktisch unlöslich ist. Es würde

als gallertartiger Niederschlag ausgeschieden.2 Na2HP04 + 2 NH3 + 3 CaCl2 = Ca3(P04)2 +4 NaCl + 2 NH4C1

Somit haben wir mit dieser Reaktion den Vorteil, dass nicht auf

Phosphorsäure geprüft werden muss. Dagegen ist zur Prüfung auf

Weinsäure eine besondere Reaktion notwendig, nämlich:

1 cm3 Stammlösung + 1 cm3 Kaliumacetat (30-proz.) darf weder

einen Niederschlag noch eine Trübung geben.Etwas empfindlicher wird die Prüfung, wenn statt der wässerigen

Stammlösung eine alkoholische 1 + 9 verwendet wird. Eine solche

Lösung mit einem Gehalt von 1% Weinsäure gibt eine deutliche Aus¬

scheidung von Kaliumbitartrat. Diese Reaktion ist zwar nicht sehr

empfindlich, gestattet aber doch geringere Mengen Weinsäure ein¬

deutig nachzuweisen, als wenn man nach dem Vorschlag von Frerichs

auf das Auftreten von Kohle bei der Bestimmung des Verbrennungs¬rückstandes abstellen wollte.

Prüfung auf Abwesenheit von Schwefelwasserstoff, Schwef¬

lige Säure, Äpfelsäure.Es ist dies die Reaktion der Helv. IV.

1 cm3 Stammlösung darf beim Vermischen mit 1 cm3 basischem

Bleiacetat nicht verändert werden. Sulfite und Malate geben schwer¬

lösliche weisse Bleisalze. Mit Sulfiden entstehen Braunfärbungen oder

ein schwarzer Niederschlag von Bleisulfid.

Prüfung auf Abwesenheit von Ferrocyansalz und Tannin.

Da diese Stoffe in den bestbekanntesten ReinigungsverfahrenVerwendung finden und der Cyankomplex immerhin sehr giftig ist,erachten wir es als notwendig, auf diese Substanzen zu prüfen, was

bequem in folgender Weise geschehen kann.

1 cm3 Stammlösung wird mit 2 Tropfen Eisenchlorid (ca. N)versetzt. Die Lösung darf weder grün noch blau gefärbt werden.

Empfindlichkeit: 160 mgr [Fe(CN)6]"" pro 100 cm3.

Prüfung auf Abwesenheit leicht flüchtiger organischer Ver¬

bindungen.

Die Reaktion verschiedener Arzneibücher „Milchsäure darf bei

gelindem Erwärmen nicht nach Fettsäuren riechen" muss etwas genauer

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präzisiert werden. Diese Reaktion ist sowieso nur ein Notbehelf, da

eine Prüfung auf alle die möglichen leicht flüchtigen Bestandteile sehr

umständlich ist. Im speziellen will man zwar auf Buttersäure und

Essigsäure prüfen. Doch müssen hier auch Äthyl-, Butyl- und Amyl¬alkohol, Äther, Milchsäureester und Aceton, sowie eventuell Anilin

durch die Geruchsprobe festgestellt werden. Wir schlagen folgendeFormulierung vor.

10 cm3 Milchsäure werden in einem offenen Becherglas auf dem

Wasserbad erwärmt. Es darf sich kein fremder Geruch, speziell nach

Fettsäuren oder Alkoholen oder Aceton bemerkbar machen.

Prüfung auf Abwesenheit von Mannit und Glycerin.

Wir empfehlen den Vorschlag von Smith1). Einen empfindlicheren

Glycerinnachweis erachten wir nicht als nötig, da Glycerin hauptsäch¬lich als Verfälschungsmittel denkbar ist und dann wohl in erheblicher

Menge in Betracht kommt. Folgende Ausführung bewährt sich sehr

gut.Werden 2 cm3 Äther tropfenweise, unter Schütteln nach jedem

Zusatz, mit 1 cm3 Milchsäure versetzt, so darf weder vorübergehendnoch dauernd eine Trübung auftreten.

Prüfung auf Abwesenheit leicht verkohlbarer Substanzen.

In der organischen Chemie sind sehr viele Substanzen bekannt,

die mit konz. Schwefelsäure unter Braun- oder Schwarzfärbung ver¬

kohlen. Deshalb wird diese Reaktion in den Arzneibüchern fast bei

jedem organischen Arzneimittel, welches in konz. Schwefelsäure be¬

ständig ist, angewandt. Die für die Helv'. V in Aussicht genommene

Ausführungsform ist die folgende:„In einem zuvor mit konz. Schwefelsäure gespülten Reagensrohr

muss sich x gr eines Arzneistoffes in y cm3 konz. Schwefelsäure klar

und farblos völlig lösen".

Nun zeigt es sich, dass diese Reaktion bei der Milchsäure nicht

gut angewandt werden kann, da selbst reinste Milchsäure des Handels

eine schwache Gelbfärbung gibt. Wir haben Milchsäuren, die weder

eine Reaktion mit Fehling'scher Lösung auf Zucker, noch eine solche

mit Jodlösung auf Stärke oder Dextrin gab, geprüft und folgendesgefunden.

Werden 2 cm3 Milchsäure mit 2 cm3 konz. Schwefelsäure vor¬

sichtig unterschichtet, so sollte nach einzelnen Pharmacopöevor-schriften (vergl. S. 26) keine braune Zone auftreten.

Nun zeigt es sich, dass nach 15 Minuten Milchsäure von 80%keine Zone, von 90% eine schwache Zone und von 100% eine bräun¬liche Zone gab.

L) loo. cit.

3

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Wurden Milchsäure und konz. Schwefelsäure unter laufendem

Wasser gekühlt und gemischt und dann erwärmt, so zeigten die

Mischungen folgende Färbungen:

Milchsäure von: 80% 90% 100%bei 40° gelb gelb gelbbei 60° gelb braun dunkelrotbraun

Scheinbar bessere Resultate erhält man, wenn 1 cm3 konz. Schwe¬

felsäure vorsichtig mit 1 cm3 Milchsäure überschichtet wird. Man

erhält bei Milchsäure von 80, 90 und 100% nach 15 Minuten keine

gefärbte Zone, von 80% nach 2 Stunden keine Zone und von 90 und

100% eine bräunlich gefärbte Zone.

Gibt man zur Säure eine Spur Zucker, so bleibt die Reaktion

nach 15 Minuten ebenfalls negativ, nach 2 Stunden ist jedoch die

Trennungsschicht beider Flüssigkeiten stark braun gefärbt. Legt man

auf diese Reaktion Wert, so schlagen wir folgende Formulierung vor:

Überschichtet man in einem vorher mit konz. Schwefelsäure

gespülten Reagensglase 1 cm3 konz. Schwefelsäure sehr vorsichtig mit

1 cm3 Milchsäure, so darf binnen 15 Minuten keine gefärbte Zone

auftreten.

Erfolgt das Überschichten nicht mit grösster Sorgfalt, so kann

auch bei reiner Säure die Berührungsschicht schwach gefärbt werden.

Aus diesem Grunde würden wir es für richtiger halten, wenn diese Re¬

aktion aus den Arzneibüchern eliminiert würde. An ihre Stelle

können die beiden Speziaireaktionen auf Zucker und auf Stärke und

Dextrin treten.

Prüfung auf Abwesenheit von Zucker und Gummi.

Die Reaktion der Helv. IV mit Fehling'schev Lösung ist empfeh¬lenswert. Sie entspricht auch der in der Technik üblichen Prüfung.Die Monosen werden selbstverständlich sofort erfasst. Die Biosen,wie Milchzucker und Rohrzucker werden durch Milchsäure allmählich

invertiert. Eine Lösung, welche pro 1 cm3 0,5 mgr Milchzucker bezw.

Rohrzucker und 4 mgr Milchsäure enthält (4-proz. Milchsäurelösung),gab sofort mit Fehling'schev Lösung geprüft, negative Reaktion. Wurde

diese Lösung hingegen bei Zimmertemperatur 2 Monate stehen gelassen,so war die Reaktion mit Fehling'schev Lösung positiv. Rasche Inver¬

sion kann durch kurzes Kochen mit verdünnter Mineralsäure (Salz¬säure, Schwefelsäure) erreicht werden. Wir empfehlen folgende Re¬

aktion :

1 cm3 Stammlösung wird mit 0,5 cm3 verdünnter Schwefelsäure

(ca. 2 N) gekocht und hierauf mit 0,5 cm3 verdünnter Natronlauge(ca. 2 N) + 1 cm3 Fehling'schev Lösung versetzt und zum Sieden

erhitzt. Es darf sich weder ein blaues noch grünes Koagulum (Gummi)noch rotes Kupferoxydul abscheiden.

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Versuche, geringe Zuckermengen in der Milchsäure mittels Phe¬

nylhydrazin nachzuweisen, waren sowohl in wässeriger als auch in

stark essigsaurer Lösung wenig erfolgreich.

Prüfung auf Abwesenheit von Stärke und Dextrin.

1 Tropfen Jodlösung wird in 1 cm3 Wasser gelöst und mit 1 cm3

Stammlösung versetzt. Es darf weder eine blaue noch eine braune

Färbung auftreten.

Prüfung auf Abwesenheit von Äthylenmilchsäure.Die amerikanische und britische Pharmacopöe haben eine solche

Prüfung aufgenommen, weil sich Äthylenmilchsäure gemischt mit Para-

milchsäure als sogenannte „sarcolactic acid" in aus Fleisch extra¬

hierter Milchsäure findet1). Da diese Gewinnung von Milchsäure aus

Fleisch wohl keine Bedeutung mehr hat, glauben wir, von dieser Prü¬

fung absehen zu können.

Verbrennungsrückstand.

2 gr Milchsäure werden in einem Porzellan- oder Platintigel vor¬

sichtig zum Sieden erhitzt und die Dämpfe entzündet. Die reine Säure

muss anfangs mit nicht leuchtender, gegen das Ende mit wenig leuch¬

tender Flamme bis auf einen geringen dunkeln Anflug verbrennen und

nach dem Glühen darf höchstens ein Rückstand von 2 mgr hinter¬

bleiben.

Es entspricht dies einer Asche von 0,1%, was auch die übliche

Pharmacopöeforderung ist.

IV. Zusammenstellung der beschriebenen Reinheitsprüfungen und Ergebnis

einiger von uns untersuchter Handelsmuster.

In der Literatur werden folgende in Milchsäure gefundenen Ver¬

unreinigungen angegeben :

Die Farbe eines Milchsäuremusters war nach E. Richter2) grün¬lich. Nach L. Kroeber3) hielten Muster der Prüfung auf Abwesenheitvon Fettsäuren nicht stand. Es wurde Buttersäuregeruch wahrge¬nommen. C. A. Hill*) fand in 18 Proben, die während der Jahre 1910

bis 1913 untersucht wurden: 0—12:1,000,000 Blei und 0—0,8:1,000,000Arsen.

K. Siegfried6) fand ein Muster mit widrigem, unausstehlichemGeruch. Evans sons, Lescher und Webb6) geben an, dass ein Muster

!) The Dispensatory of U. S. A. XX. Aufl., S. 43, 1917.

2) P. C. H. 64, 185 (1923).3) Schw. Ap. Ztg. 61, 106 (1923); Ref. P. C. H. 64, 225 (1923).*) Chem. u. Drug. 85, 20 (1914).5) Schw. Ap. Ztg. 61, 160 (1923).6) Analytical Notes No. 5, 1910.

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stark braun gefärbt war, empyreumatischen Geruch wahrnehmen

Hess und 1,2% Asche enthielt.

Zu prüfende Verunreinigung

Untersuchte Muster

I II III IV V VI VII1)

Farbe frbl.

X X

gelb

X

frbl.

X

frbl.

X X

X

gelbl.

X X

MIM

II

1

1

1

1

II

1

l|l gelbbr.

-2)X X

XXX

X X

XXX

X X

X

X X

Schwermetalle :

in essigsaurer Phase. . .

in ammoniakalischerPhase.

Calcium

Chlorid

Sulfat

Schwefelwasserstoff, schwefligeSäure, Äpfelsäure ....

Ferrocyansalz, Tannin....

Phosphor-, Oxal-, Citronensäure

Leicht flüchtige organische Sub¬

stanzen

Mannit, Glycerin

Stärke, Dextrin

Verbrennungsrückstand....

Zeichenerklärung :

— entspricht unsern Anforderungen. x'x schwach positiv,x sehr schwach positiv. x x x stark positiv.

V. Auswahl und Anwendung der Reinheitsprüfungen zur Beurteilung der

verschiedenen Handelsprodukte von Milchsäure.

Bei der praktischen Anwendung der Reinheitsprüfungen müssen

ausser der Konzentration, in welcher die zu untersuchende Milchsäure

vorliegt, die Verwendungszwecke im Auge behalten und die Prüfungenzweckmässig ausgewählt und eventuell abgestuft werden.

Technische Milchsäure kommt hauptsächlich als 22, 43%, 50

und 80 gewichtsprozentige Säure in den Handel, während für die

Nahrungs- und Genussmittelindustrie hauptsächlich 50, 60 und 80

gewichtsprozentige Ware geliefert wird.

Die in technischer Milchsäure immer vorhandenen Verunreini¬

gungen von Dextrin und Zucker werden nicht beanstandet. Auch für

x) Bei diesem Muster handelt es sich um eine technische Säure.

2) In ammoniakalischer Phase starke Verfärbung, welche durch einen grössern

Eisengehalt bedingt ist. Ferrocyankalium gibt stark positive Beaktion.

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geringe Mengen Sulfat, die in Form von Gips vorhanden sind, be¬

steht kein Anlass, das Produkt zurückzuweisen. In der von den Ger¬

bereien benutzten „Ledermilchsäure" ist jedoch ein Schwefelsäure¬

gehalt wegen dem schwer zu entfernenden Gips, sowie auch ein Eisen¬

gehalt, welcher tintenschwarzes, gerbsaures Eisen im Leder entstehen

lässt, unerwünscht.

Es werden technische Säuren garantiert technisch frei von Eisen,Arsen und Mineralsäuren geliefert, die einen geringen Gehalt von Kalk,sowie Dextrin und Zucker aufweisen.

Genussmilchsäure darf wohl wenig Zucker enthalten. Ebenso

werden Spuren von Eisen, die mit Ferrocyankalium nur eine ganz

schwache Blaufärbung geben, nicht beanstandet. Im übrigen müssen

an Genussmilchsäure die gleichen Reinheitsanforderungen gestelltwerden, wie für diejenige, welche in der Therapie Verwendung findet.

Zum arzneilichen Gebrauch bestimmte Milchsäure sollte allen in

der Tabelle S. 36 aufgeführten Reinheitsprüfungen genügen.

C. Gehaltsbestimmung der Milchsäure.

In vielen Fällen genügt die Identifizierung eines Stoffes und die

qualitative Prüfung auf Abwesenheit von Verunreinigungen noch nicht,sondern es ist notwendig, quantitative Bestimmungen vorzunehmen,um ein richtiges Bild von der Einheitlichkeit einer Substanz, oder

von den Mengen eventuell vorhandener Nebenstoffe zu erhalten.

Letzteres ist um so notwendiger, wenn qualitative Nachweisreaktionen

fehlen, wie das beispielsweise bei der Lactylmilchsäure der Fall ist,welche die Milchsäure regelmässig begleitet.

I. In der Literatur angegebene Methoden zur Bestimmung der Milchsäure.

Gravimetrische Methoden zur Bestimmung der Milchsäure wurden

wenig ausprobiert und sie fanden nur in vereinzelten Fällen Anwen¬

dung. Auch eine gasanalytische Bestimmungsmethode ist ausgebildetworden, basierend auf der Zersetzung der Milchsäure durch konz.

Schwefelsäure und Messung des entstandenen Kohlenoxydes. Alle

übrigen Bestimmungsmethoden basieren auf den Prinzipien der Volu¬

metrie, nach welchen der Verbrauch eines Reagenses von genau be¬

kannter Stärke gemessen und daraus die Menge des fraglichen Körpersberechnet wird.

1. Bestimmung von reiner Milchsäure.

Da Milchsäure zu den starken Säuren zu zählen ist, so kann ihr

Gehalt acidimetrisch mittels titrierten Laugen einfach ermittelt

werden.

Johannes Wislicenus1) zeigte im Jahre 1872, dass in der Handels-

milchsäure nicht reine a-Oxypropionsäure von der Formel:

!) A. 164, 181 (1872).

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CH3—CH(OH)—CO • OH M. G. 90,048

vorliegt, sondern dass diese sich schon bei gewöhnlicher Temperaturanhydrisiert und Milchsäureanhydrid (Lactylmilchsäure) von der Formel :

CH3—CH(OH)—CO • O—CH(CH3)—CO • OH M. G. 162,08

entsteht. Dies Produkt haben Pelouze1) und Engelhardt2) beim Er¬

hitzen der Milchsäure auf 130—140° erhalten.

Die Ansichten über die Zusammensetzung der Handelsmilch¬

säure gehen sehr auseinander. In der britischen Pharmacopöe wird

Milchsäure als „wässerige Lösung, welche mindestens 75% freie Milch¬

säure (C3H603) und höchstens 10% Laktid (C6H804) enthält", defi¬

niert. O. Diehls3) und Ludwig-Mossler*) erwähnen weder von Laktid

noch von anhydrisierter Säure etwas. A. F. Hottemann5) schreibt,wenn Milchsäure bei gewöhnlichem Druck erhitzt wird, um sie von

Wasser zu befreien, so geht gleichzeitig ein Teil der Säure in Anhydrid(Laktid) über. In gleichem Sinne sprechen sich A. Bernthsen6) und

B. Anschütz7) aus. Nach D. Fischer8) ist Milchsäure des Arzneibuches

ein Gemisch von eigentlicher Milchsäure, Dilactylsäure (irrtümlicher¬weise mit der Lactylmilchsäureformel charakterisiert) oder Lactyl¬milchsäure, Wasser und vielleicht auch kleine Mengen von Laktid.

Die Unsicherheit in den Ansichten über die Zusammensetzung der

Milchsäure spiegelt sich auch in den analytischen Methoden. M. Scholtz9)erwähnt, dass durch die direkte Titration nur die freie Säure und

Milchsäureanhydrid bestimmt werden und Laktid erst beim Erhitzen

mit Kalilauge in Milchsäure übergeht. Jedoch schon L. Medicus10)definiert die Milchsäure als eine Lösung von Milchsäure und Anhy¬driden, die neben dem Laktid wohl auch als Dimilchsäure enthalten

sind (irrtümlicherweise Formel für Lactylmilchsäure). Direkt titriert

wird die Milchsäure. Die Dimilchsäure braucht 1 Mol. Lauge zur Neu¬

tralisation und 1 Mol zur Verseifung. Von Laktid wird angenommen,dass dieses direkt nicht titriert wird. Deshalb braucht dasselbe dann

zur Verseifung 2 Mol. Lauge. H. Beckurts1'') nimmt einzig die Angabenvon Ulzer und Seidel12) und von Degener13) auf. Erstere haben gefunden,dass man bei der Titration von Milchsäurelösungen höhere Resultate

!) A. 53, 114 (1845).2) A. 70, 242 (1849).3) Einführung in die organische Chemie. IV. Aufl., 1922.

4) Chemie, III. Aufl., 1920.

5) Lehrbuch der organischen Chemie. XV. Aufl., 1920.

6) Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie. XV. Aufl., 1921.

7) V. v. Eichters Organische Chemie. XI. Aufl., B.d I, 1909.

8) Lehrbuch der Chemie für Pharmazeuten. VII. Aufl., 1914.

9) Lehrbuch der pharmazeutischen Chemie. 1912.

10) Massanalyse. IX. u. X. Aufl., 1911.

u) Massanalyse. VIII. Aufl., 1913.

12) M. 18, 138 (1897).13) C. 1897, II, 936.

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erhält, wenn man mit überschüssiger titrierter Lauge kocht, als wenn

man in der Kälte titriert. Sie führen diese Erscheinung auf einen

Gehalt von laktonartigen Anhydriden zurück. Degener glaubt, dass

in der Hitze auch das alkoholische Hydroxyl neutralisiert werde, in¬

dem er bei 100° 9% bis 12% mehr Alkali verbrauchte.

R. Kunz1) titriert die mit Wasser verdünnte Milchsäure mit 0,5 N

Natronlauge unter Verwendung von Phenolphthalein, fügt eine genau

gemessene, überschüssige Menge Lauge hinzu, erwärmt 5 Minuten auf

dem Wasserbade, wodurch Milchsäureanhydrid in Alkalilaktat über¬

geführt wird. Darauf lässt man 0,5 N-Schwefelsäure bis zur Neutrali¬

sation zufliessen, fügt noch 1 bis 2 cm3 der Säure im Überschuss dazu

und erwärmt nochmals 2 Minuten auf dem Wasserbade, um etwaigeaus der Luft angezogene Kohlensäure zu entfernen. Sodann wird

mit 0,5 N-Lauge austitriert. Wird die verbrauchte Menge Lauge der

ersten Titration mit A, die der zweiten mit B bezeichnet, so ent¬

spricht :

A-B der Menge freier Milchsäure

2B der Menge anhydrisierter Milchsäure.

M. Philip2) veröffentlichte ebenfalls eine ähnliche Vorschrift zur Ti¬

tration der Milchsäure. Er lässt 50 cm3 oder 50 gr Säure abmessen,verdünnt auf 500 cm3 und titriert dann einen aliquoten Teil. 1910

zeigte L. Monin3), dass Dextrin mit überschüssiger Lauge erwärmt

solche verbraucht und glaubt daraus zu schliessen, es sei in der Milch¬

säure des Handels keine Lactylmilchsäure vorhanden, sondern die

Laugenmenge B entspreche Verunreinigungen, denn Milchsäureanhy¬drid sei kein Gärprodukt und entstehe nur bei Laboratoriumsver¬

suchen. Deshalb behauptet er, dass bei der acidimetrischen Methode

nur die direkt verbrauchte Laugenmenge dem wirklichen Gehalt an

Milchsäure entspreche, während die Laugenmenge, welche nach Zu¬

satz eines Überschusses von Lauge und nachfolgendem Kochen von

dem Dextrin verbraucht werde, überhaupt nicht zu berücksichtigensei. Er empfiehlt folgendes Verfahren:

Man schüttelt 2 gr käufliche Milchsäure mit 30 cm3 absolutem,neutralem Alkohol, lässt absitzen, filtriert, wäscht mit Äther und ver¬

dunstet im Vakuum. Den Rückstand nimmt man mit kochendem

Wasser auf und titriert mit Natronlauge und Phenolphthalein. M. Sun¬

der*) weist diese Annahme als nicht experimentell begründet zurück.

In dieser Zeit hat auch A. Besson5) die Methode von B. Kunz6)dahin abgeändert, dass er die Anhydridverseifung in der Kälte durch

J) Ztschr. östr. Apoth. V. 39, 186 (1901); Ref. C. 1901, I, 791.

2) Ledermarkt Kollegium 1906, 88; Ref. C. 1906, I, 1374.

3) Rév. gén. de mat. color. 14, 279 (1910); Ref. Ch. Z. Rep. 36, 596 (1910).*) Rév. gén. de mat. color. 14, 312 (1910).

5) Ch. Z. 35, 26 (1911); Ref. C. 1911, I, 688.

•) loc. cit.

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10 Minuten langes Stehen mit einem Laugenüberschuss ausführen

lässt. Seine Versuche bestätigten, dass das Momra'sche Verfahren

nicht einwandfrei ist und keine richtigen Werte liefern kann. Bei dem

alten Kochverfahren gibt ein in der technischen Milchsäure immer

vorkommender Dextringehalt zu Fehlern Anlass, die nun durch die

kalte Verseifung behoben werden sollen.

W. Klapproth1) empfiehlt jedoch wieder, die zu untersuchende

Säure mit einem Laugenüberschuss zu. erwärmen, da die erwähnten

Übelstände nur beim Kochen eintreten. Versuche haben gezeigt, dass

die Umsetzung bei Anwesenheit sehr geringer Mengen überschüssigerLauge nur langsam erfolgt. Ferner macht er darauf aufmerksam,dass die Menge der nach der Verseifung zugesetzten Säure nicht gleich¬gültig und ein Kochen mit überschüssiger Schwefelsäure überhauptbedenklich sei, da wieder Anhydrid gebildet werde. Aus diesem

Grunde soll nach der Verseifung mit Säure zurücktitriert und ein

Überschuss von nur 1 cm3 N-Schwefelsäure zugegeben werden. Nach

2 Minuten dauerndem Erwärmen im siedenden Wasserbade wird mit

Normal Natronlauge zu Ende titriert. In einer weiteren Arbeit führt

Besson2) aus, dass ein Zusatz von 3 cm3 überschüssiger Lauge auch

für eine sehr anhydridreiche Milchsäure durchaus genüge, um in 10

Minuten bei Zimmertemperatur eine vollständige Umsetzung der

Lauge mit dem Anhydrid herbeizuführen. Die Erwiderungen von

Klapproth3) und Besson*) bringen keinen weiteren Fortschritt.

Arbeitet man mit einer möglichst karbonatfreien Lauge, so er¬

hält man nach Klapproth5) im allgemeinen befriedigende Ergebnisse,wenn die zur Verseifung nicht verbrauchte Lauge mit Säure einfach

bis zur Entfärbung von Phenolphthalein titriert wird, ohne nochmals

mit einem Säureüberschuss zu erwärmen.

In neuer Zeit haben sich noch P. C. Thompson und K. Suzuki8)mit dieser Frage beschäftigt und fanden, dass es nicht notwendigsei, mit überschüssiger Lauge zu erhitzen, da Laktid schon in der Kälte

innerhalb 10 Minuten vollständig mit Alkalihydroxyd oder Calcium-

hydroxyd reagiere, wenn letzteres in grossem Überschuss vorhanden

ist. In der gleichen Abhandlung erwähnen jedoch die Autoren, dass

beim Erhitzen ein höherer Laktidgehalt erhalten werde, als beim

Arbeiten in der Kälte. Auch Wasser führt Laktid in Milchsäure über

und zwar ist die Geschwindigkeit proportional der Verdünnung. Des¬

halb sind Bestimmungen von Laktid nutzlos, wenn verdünnte Lösungenangewandt werden.

x) Ch. Z. 35, 1026 (1911); Eef. C. 1911, IL 1379.

2) Ch. Z. 35, 1209 (1911); Ref. C. 1911, II, 1885.

3) Ch. Z. 35, 1409 (1911).4) Ch. Z. 36, 297 (1912).5) Lunge-Berl. Chem.-tech. Untersuchungsmethoden. VII. Aufl., 1923, Bd. III,

S. 1194.

«) J. Soc. Ch. Ind. 37, 343 A (1918); Ref. Soc. Abstr. 114, ii, 249 (1918).

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Neben diesen acidimetrischen Titrationen wurden auch oxidi-

metrische Bestimmungen für Milchsäure ausgearbeitet, welche alle

auf der Oxydation derselben unter bestimmten Bedingungen beruhen,wobei die entstandenen Zerfallsprodukte der Milchsäure oder das

verbrauchte Oxydationsmittel gemessen wird.

Ulzer und Seidel1) oxydieren eine auf ca. 1% verdünnte Milch¬

säure, der sie 3% Kaliumhydroxyd zusetzen mit einer 5-proz. Kalium-

permanganatlösung, bis die anfangs grüne Lösung in Violett übergeht.Durch diese alkalische Oxydation entsteht aus Milchsäure Oxalsäure

nach folgender Gleichung:

CH3CH(OH)COOH +50 = C2H204 + C02 + 2 H20

Nachdem man die Lösung zum Sieden erhitzt hat, gibt man nach er¬

folgtem Abkühlen Wasserstoffsuperoxyd bis zur Entfärbung hinzu,kocht noch einmal auf, filtriert, wäscht aus und fällt die gebildeteOxalsäure nach dem Ansäuern mit Essigsäure als Calciumoxalat,welches man durch Glühen in Calciumoxyd überführt und wägt.Oder man bestimmt die Oxalsäure durch Titrieren mit 0,1 N-Kalium-

permanganat in schwefelsaurer Lösung.Die von 0. v. Fürth und D. Charnass2) angegebene Methode zur

quantitativen Bestimmung der Milchsäure durch Ermittlung der aus

ihr abspaltbaren Aldehydmenge sei nur in ihren Grundzügen angeführt.Die zu untersuchende Säure wird mit Permanganat-Schwefelsäurenach folgender Gleichung:

CH3CH(OH)COOH + O = CH,CHO + C02 + H20

in Acetaldehyd übergeführt, der abdestilliert wird. Doch ist hier

gleich zu bemerken, dass in der Ausführungsform von Fürth und Char-

nass der Aldehyd aus der Milchsäure nicht quantitativ erhalten wird.

Ein aliquoter Teil des Destillates wird dann mit einer bestimmten

Menge Kaliumbisulfit von bekanntem Titer versetzt. Da 1 Mol. Al¬

dehyd mit 1 Mol. Kaliumbisulfit reagiert, kann man den Bisulfitüber-

schuss leicht jodometrisch ermitteln. Trotzdem diese von M. Ripper3)angegebene Aldehydbestimmungsmethode der Jodoformbestimmungs¬methode nach Messinger*), bei welcher sich Aldehyd mit Jod nach

folgender Gleichung umsetzt:

CH3CHO + 3 J2 + 4 NaOH = CHJ3 + HCOONa + 3 NaJ + 3 H20

und welche Methode von E. Jerusalem5) auch für die Milchsäurebe¬

stimmung empfohlen wurde, bedeutend überlegen ist, gibt auch sie

nicht ganz befriedigende Resultate. Selbst bei Benützung des ange¬

gebenen Korrektionsfaktors kann die Methode keinen Anspruch auf

analytische Genauigkeit machen. Zudem ist die Methode sehr lang-

») M. 18, 138 (1897).2) Bio. Z. 26, 199 (1910).3) M. 21, 1079 (1900).*) B. 2(, 3366 (1888).5) Bio. Z. 12, 361 (1900.)

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wierig. Auch die im gleichen Laboratorium von J. Mondschein1) aus¬

gearbeiteten Modifikationen der Methode von Fürth und Charnass

geben nur wenig bessere Resultate. Trotz diesen Mängeln wird diese

Methode in der physiologischen Chemie fast ausschliesslich verwendet,während sie in der chemischen Literatur kaum erwähnt und für Che¬

miker zur Milchsäure-Analyse wohl nie in Betracht kommen wird.

Die bei der Methode von Fürth und Charnass störenden Kohle¬

hydrate können nach H. Hirsch-Kaufmann2) durch Fällung mit Kupfer¬sulfat und Kalkmilch beseitigt werden.

Sehr genaue Resultate erhält man nach der Methode von

M. A. Bellet3). Der Verfasser zeigte, dass man eine verdünnte, mit

viel Schwefelsäure versezte Milchsäurelösung in der Hitze quantitativmit Kaliumpermanganat in Acetaldehyd (der fortwährend abdestilliert

wird) überführen kann, wenn man den Permanganatzufluss derart

reguliert, dass stets bereits Entfärbung der Flüssigkeit stattgefundenhat, bevor der nächste Tropfen hineingelangt. Zudem ist es absolut

notwendig, den gebildeten Acetaldehyd durch einen massigen Luft¬

strom fortwährend anzusaugen, da derselbe sonst eine tiefgreifendeoxydative Zersetzung erleidet.

Unter den gleichen Bedingungen erhält man aus /3-Oxybutter-säure Aceton, aus Oxalsäure Kohlensäure und Bernsteinsäure wird

überhaupt nicht angegriffen.Den Aldehydgehalt des Destillates bestimmt man durch Ver¬

setzen mit alkalischer Silbernitratlösung4), wobei diese nach folgenderGleichung reduziert wird:

2 AgN03 + 2 NaOH = 2 NaN03 + Ag20 + H20

Ag20 + CH3CHO = Ag2 + CH3COOH

Das nicht reduzierte Silber wird nach der Volharä"sehen Methode

bestimmt.

2 Atomen Silber entspricht 1 Molekül Milchsäure.

Auf der Ermittlung der zur Oxydation verbrauchten Menge Chrom¬

säure beruht die Gehaltsbestimmung nach Paessler5). Die mit nur

wenig Wasser verdünnte Milchsäure wird mit verdünnter Schwefel¬säure und einem Überschuss einer 0,5 N-Kaliumbichromatlösung von

bekanntem Titer versetzt und das Gemisch 1 Stunde lang unter

x) Bio. Z. 42, 91 (1912).2) Abderhalden, Handb. d. bioch. Arbeitsm. Abt. I, Teil 6, S. 776.

3) C. r. Soc. biol. 74, 900 (1913) und J. pharm, et ehim. 8, 21 (1913).4) Alkalisches Silbernitrat: Silbernitrat 15 g

Ammoniak 150 g'

Natronlauge 150 cm3

Wasser q. s. 500 cm3

5) Deutsche Gerber Ztg. 1907, Nr. 232 und 234; Ref. C. 1908, I, 66; Fr. 47, 321

(1908); Z. U. N. G. 18, 470 (1909).

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Rückfluss in schwachem Sieden erhalten. Dabei geht die Milchsäure

nach folgender Gleichung in Essigsäure über:

3 CH3CH(OH)COOH + 4 Cr03 = 3 CH3COOH + 3 C02 + 3 H20 + 2 Cr203

Nach dem Erkalten versetzt man die Lösung mit Kaliumjodid,wobei eine dem nicht zur Oxydation verbrauchten Kaliumbichromat

äquivalente Menge Jod in Freiheit gesetzt wird, welches mit Natrium-

thiosulfat titriert werden kann. Milchsäureanhydrid wird von Ka¬

liumbichromat in saurer Lösung nicht oder nicht vollkommen oxy¬

diert, weshalb anhydridhaltige Substanzen vorher mit einem Uber¬

schuss an Alkali erwärmt werden müssen.

Eine der Paessler'sehen ähnlichen Methode ist diejenige von

F. Szeberényi1). Nachdem eventuell vorhandene flüchtige Säuren mit

Wasserdampf abdestilliert wurden, giesst man den Rückstand zu¬

sammen mit Lauge in einen Kolben, in welchen 50-proz. Chromsäure

im Uberschuss zugegeben wird. Nun wird mit Schwefelsäure (1:1)stark angesäuert, und das Gemisch 15 Minuten gekocht, wobei die

Chromlösung nicht ganz reduziert werden darf. Nach beendeter Oxy¬dation und Abkühlung treibt man die gebildete Essigsäure im Dampf¬strom ab, titriert und berechnet die äquivalente Menge Milchsäure

unter Vermehrung um 3%, die bei der Oxydation zerstört werden.

Diese Methode, welche auch von Partheil2) bearbeitet wurde, ist

von G. Paris3) zur Bestimmung der Milchsäure im Wein empfohlenworden.

Eine nur in den Prinzipien ausgearbeitete Bestimmungsmethodeder Milchsäure gibt M. J. Effront*) an. Er fand, dass Milchsäure

durch Wasserstoffsuperoxyd leicht zersetzt wird. Dabei bildet sich

Essigsäure, neben geringen Mengen Aldehyd und Äthylalkohol, nach

folgender Gleichung:CH3CH(OH)COOH + 02 = CH3COOH + H20 + C02

Praktisch werden 98,5% der theoretischen Essigsäuremenge erhalten.

Ein gasometrisches Bestimmungsverfahren wurde von W. Hüb¬

ner6) auf Grund der von Pelouze6) gemachten Beobachtung ausge¬

arbeitet. Nach dem genannten Forscher zersetzen sich Milchsäure und

milchsaure Salze beim vorsichtigen Erwärmen mit dem mehrfachen

Gewichte Schwefelsäure unter Kohlenoxydbildung. B. Meissner1) hat

dann diese Methode quantitativ gestaltet.Man erhitzt eine Milchsäurelösung von ungefähr bekanntem Ge¬

halt mit einem geringen Uberschuss von Bariumhydroxyd während

!) Fr. 56, 505 (1917); Ref. Z. U. N. G. 36, 201 (1918).2) Z. 5, 1049 (1902).3) Staz. sperim. agr. ital. 40, 689 (1907); Ref. Z. U. N. G. 18, 697 (1909).4) C. r. 154, 1296 (1912).5) Diss. Bonn 1903.

«) Vgl. S. 38.

') Bio. Z. 68, 175 (1915).

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einer halben Stunde auf dem Wasserbad und dampft hernach bei

massiger Wärme zur Trockne ein. Nachdem man das Kölbchen mit

einem Azotometer verbunden hat, verdrängt man mittels reiner Kohlen¬

säure die Luft, und lässt aus einem Scheidetrichter einige Kubikzenti¬

meter Schwefelsäure auf das Bariumlaktat tropfen, unter gleichzei¬tigem Erwärmen, zur Einleitung folgender Keaktion:

(CH3CH(OH)COO)2Ba + H2S04 = 2 CH3CHO + 2 H20 + BaS04 + 2 CO

Das Azotometer wird mit 30-proz. Natronlauge gefüllt, um das Kohlen¬

oxyd, das zur Kontrolle noch von einer alkalischen Kupferchlorür-

lösung absorbiert werden kann, von Kohlensäure und schwefligerSäure zu reinigen.

2. Übersicht der Bestimmungsmethoden und Gehaltsfor¬

derungen in den verschiedenen Arzneibüchern.

In allen Arzneibüchern wird die acidimetrische Bestimmungs¬methode angewandt, wie aus folgender Tabelle ersichtlich ist.

Spez.Gew.

Gehaltsforderungen Bestimmung

Helv. IV 1,21 bis

1,22 (15°)

Min. 75,2% Milchsr. Direkte Titration mit N-NaOH

Germ. V 1,210 bis Ca. 75% freie und Titration mit N-KOH. Überschuss

1,220(15») 15% anhyd. Milchsr. N-KOH. 1 Std. Wasserbad. Zu¬

rücktitrieren mit N-HC1

Americ. X 1,206(25») Total 85% bis 90% Mit Überschuss vonN-NaOH. 20Min.

Milchsr. erhitzt u. zurücktitr. m. N-H2S04

Brit. (14) 1,21 Min. 75% Milchsr. u. Direkte Titration m. N-Na OH. Mit

(15,5°) min. 10% Laktid. Überschuss von N-NaOH. 15 Min.

erwärmt. Zurücktitr. m. N-H2S04

Gall. (08) 1,24 (15°) Total 100% Milchsr. Mit überschüssiger N-NaOH. 15 Min.

erwärmt und zurücktitrieren mit

N-H2S04

Nederl. IV 1,21 bis

1,22 (15»)

Min. 75% Milchsr. Direkte Titration mit N-Alkali

Belg. III 1,21 bis

1,22

Min. 72% Milchsr. Direkte Titration mit N-NaOH

Suec. IX 1.21 bis

1.22 (15°)

Min. 74,6% Milchsr. Direkte Titration mit N-KOH

Austr. VIII 1,21 bis

1,22 (15°) Keine Bestimmung

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Die Angaben eines Gehaltes von 75% in verschiedenen Arznei¬

büchern bei einem spezifischen Gewicht von 1,21—1,22 ist unzutreffend.

Ebenso stimmt die Gehaltsangabe des deutschen Arzneibuches: „75%freie Milchsäure und 15% Milchsäureanhydrid" nicht mit der ange¬

wandten Titrationsmethode überein, worauf bereits Klapproth1) auf¬

merksam gemacht hat.

3. Angewandte Bestimmungsmethoden in der

Lebensmittelchemie.

Die Bestimmung der Genussmilchsäure des Handels erfolgt in

der Lebensmittelchemie wie in der Pharmazie durch einfache acidi-

metrische Titration, mit normaler Natronlauge, unter Verwendungvon Phenolphthalein als Indikator.

Das schweizerische Lebensmittelbuch2) berücksichtigt nur die

direkt titrierbare Säure und berechnet den Gehalt als Milchsäure.

Das Resultat bei Präparaten mit mehr als 15% Milchsäure muss in

Gewichstprozenten mit einer Dezimale, bei niedrigeren Gehalten in

Gramm in 100 cm3 mit einer Dezimale angegeben werden.

Nach V. Villavecchias) bestimmt man in Genussmilchsäure des

Handels den Gesamtsäuregehalt, indem man eine bestimmte abge¬messene oder abgewogene Menge Milchsäure mit überschüssiger Nor¬

malnatronlauge während 10 Minuten auf dem Wasserbad erwärmt,und nach dem Abkühlen den Alkaliüberschuss mit Normalsalzsäure

zurücktitriert. Für die technische Milchsäure empfiehlt er die Methode

von Ulzer und Seidel*). Doch muss vorher auf Abwesenheit von Oxal¬

säure und Glycerin geprüft werden.

Im Übrigen spielt die Bestimmung der Milchsäure in der Lebens¬

mittelchemie besonders noch bei der Weinuntersuchung eine Rolle,da Milchsäure ein regulärer Bestandteil dieses Genussmittels ist.

Eine Reihe von Verfahren, welche die Literatur angibt, erscheinen

nach Th. Boettgenb) für die Zwecke der Weinanalyse ungeeignet. Nur

die auf der Löslichkeit des Bariumlaktats in hochprozentigem Alkohol

beruhenden Verfahren haben praktische Bedeutung erlangt.Nach dem von W. Möslinger6) angegebenen Bariumchloridver¬

fahren, welches auch vom schweizerischen Lebensmittelbuch auf¬

genommen wurde, destilliert man die flüchtigen Säuren im Wasser¬

dampfstrom ab. In einer Porzellanschale wird der Rückstand mit

Barytlauge bis zur schwachen Rosafärbung von Phenolphthalein und

mit 5 cm3 10-proz. Bariumchloridlösung versetzt. Um etwa vorhandene

!) Apoth. Ztg. 26, 822 (1911).2) Anhang zur dritten Auflage 1922.

3) Trattato di Chimica analytica applicata. 1921.

4) loc. cit.

6) Z. U. N. G. 24, 113 (1912).«) Z. U. N. G. 4, 1123 (1901).

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anhydrisierte Milchsäure zu verseifen, erwärmt man noch mit 2—3

cm3 Barytlauge 10 Minuten auf dem siedenden Wasserbad und neu¬

tralisiert durch Einleiten von Kohlendioxyd. Nach dem Einengendes Gemisches bringt man den Schaleninhalt in einen Masskolben

von 100 cm3 Inhalt und füllt mit Weingeist bis zur Marke auf. Nach

wiederholtem, kräftigen Umschütteln und zweistündigem Stehen fil¬

triert man ab und dampft einen Teil des Filtrates ein. Der Rückstand

wird möglichst weiss gebrannt und mit 0,1 N-Salzsäure unter Ver¬

wendung von Methylorange titriert. Um den Fehler, welcher durch

überschüssiges Bariumchlorid, welches beim Veraschen durch die Kohle

reduziert wird, zu eliminieren, geben W. J. Baragiola und 0. Schuppli1)zu einem aliquoten Teil des Filtrates eine genau gemessene MengeNatriumsulfat und filtrieren nachdem die Mischung gut durchgeschütteltwurde neuerdings, verdampfen eine aliquoten Teil dieses neuen Filtrates

und veraschen den Rückstand. Während das zugesetzte Natrium¬

sulfat unverändert bleibt, entsteht aus dem Natriumlaktat Karbonat,welches mit 0,25 N-Salzsäure unter Verwendung von Phenolphthaleintitriert wird.

Da Milchsäure mit Wasserdampf zu einem geringen Teil flüchtigist, was B. Hart und J. Willimann2) neuerdings nachgewiesen haben,wurden besondere Aufsätze3) zur Destillation empfohlen.

Nach dem von R. Kunz*) vorgeschlagenen Verfahren zur Be¬

stimmung von Milchsäure in Wein wird dieser mit gepulvertem Ba-

riumhydroxyd oder nach L. Grünhut5) vorteilhafter mit heisser konz.

Barytlösung bis zur alkalischen Reaktion versetzt und eingedampft.In einem Masskolben wird bis zur Marke mit Wasser verdünnt und

abfiltriert. Vom Filtrat wird ein aliquoter Teil eingedampft, und ver¬

dünnte Schwefelsäure im Überschuss hinzugefügt. Das ganze Gemisch

wird daraufhin in einem geeigneten Extraktionsapparat6) mit Äther

ausgezogen, was 9 bis 36 Stunden dauert. Die ätherische Lösung wird

!) Z. U. N. G. 27, 841 (1914).2) Am. Soc. 34, 1619 (1912); Ref. C. 1913, II 944.

Jedoch kann Milchsäure nach F. ütz [Ch. Z. 29, 363 und 1174 (1905); Ref.

Z. U. N. G. II, 527 (1906)] aus wässerigen Lösungen mit Wasserdampd nicht quanti¬tativ abdestilliert werden. Dies soll nach Partheil nur in konzentrierten Lösungen mit

überhitztem Wasserdampf möglich sein. B. Meissner [Bio. Z. 68, 175 (1915); Ref. Z.

U. N. G. 32, 58 (1916)] gelang es jedoch nicht, Milchsäure aus wässerigen Lösungenquantitativ mittels überhitztem Wasserdampf überzutreiben. Er empfiehlt die Ex¬

traktion mit Äther, wobei die mit Phosphorsäure versetzte Laktatlösung mit Gipsgemischt wird. Ältere Angaben: Deutsche Gerber Ztg. 43, 50 (1900); Bio. Z. 28, 508

(1910); C. 1910, II 1836, 1911, II 992.

3) Hierüber referieren: C. von der Heiden. F. Schmittheimer, Der Wein, Weinbau und

Weinbereitung. Chemie und Untersuchung des Weines. 1922, S. 310 und A. v. Babo

und E. Mach, Kellerwirtschaft. 1910, S. 628 und L. Grünhut, Fr. 55, 157 (1916).4) Z. U. N. G. 4, 673 (1901).6) Fr. 55, 159 (1916).6) Z. U. N. G. 17, 315 (1909).

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mit Wasser versetzt und der Äther abgedampft. Dann werden die

flüchtigen Säuren durch einen Wasserdampfström abgeblasen. Nach

dem Überführen der Säuren in die Bariumsalze wird Bariumlaktat

von den Bariumsalzen der in den Äther übergegangenen Weinsäure,Äpfelsäure und Bernsteinsäure, durch Lösen in einem Gemisch von

1 Teil Wasser und 2 Teilen Weingeist (95%) getrennt, da die letzteren

Salze vollkommen unlöslich sind. Nach dem Abfiltrieren und Abdampfendes Alkohols im Filtrat wird der Rückstand, in welchem sich aus¬

schliesslich Bariumlaktat vorfinden soll, in verdünnter Salzsäure auf¬

genommen und in der Hitze mit Natriumsulfat gefällt. Aus der ge¬

wogenen Menge Bariumsulfat wird dann die Milchsäure berechnet.

Nach 0. Schuppli1) kann die Methode von P. Szeberényi2), welche

gute Resultate gibt, wenn die Säuren in wässerigen Lösungen vor¬

liegen, für die Weinuntersuchungen nicht angewendet werden, indem

hier je nach der Menge des angewandten Oxydationsmittels und der

Art der Extraktbestandteile schwankende Werte erhalten werden.

Für die Beurteilung der Milchsäure im Wein ist die ausführliche

Arbeit von W. J. Baragiola und Gh. Godet3) massgebend.Für die Bestimmung im Most schlägt L. Legier)* einige Abän¬

derungen vor.

Für die Milchsäurebestimmung im Bier modifizierte E. Moufang5)die Möslinger''sehe Methode.

Für die übrigen Lebensmittel, in welchen Milchsäure vorhanden

ist, gibt das schweizerische Lebensmittelbuch keine Methoden an.

Für die Bestimmung der Milchsäure in Milch wird diese nach

.E. Jerusalem6) mit Salzsäure stark angesäuert, mit Phosphorwolfram¬säure versetzt und das ammoniakalische Filtrat mit Äther extrahiert.

Backpulver sollen nach L. Hartwig und B. Saar7) bis zur sauren

Reaktion mit Phosphorsäure versetzt und die Lösung mit Sand und

gebranntem Gips angerührt werden. Die erhärtete Masse wird ge¬

pulvert und im Soxhlet mit Äther extrahiert.

4. Angewandte Bestimmungsmethoden der Milchsäure

in der Physiologie.

In der Physiologie ist, wie in der Einleitung bereits erwähnt wurde,die Milchsäurebestimmung ebenfalls von Interesse.

*) Mitt. Lebensm. u. Hyg. 10, 44 (1919); Ref. Z. IL N. G. 42, 311 (1921).2) loc. cit.

3) Mitt. Lebensm. u. Hyg. 3, 235 (1912).4) Arb.- a. d. Hyg. Instituten in Dresden 2, 91 (1907); Ref. U. Z. N. G. 18, 697

(1909).5) Ztschr. f. d. ges. Brauw. 36, 241 (1913); Ref. Fr. 60, 127 (1921).6)loc. cit. Vgl. S.41.

7) Ch. Z. 45, 322 (1921).

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Die Bestimmung der Säure ist hier meist eine oxydimetrische,da Milchsäure meistens mit andern Säuren zusammen isoliert wird.

Zur Isolierung der Milchsäure aus den Organen und Sekreten wurden

die verschiedensten Methoden angegeben, die wir nur in den Grund¬

zügen skizzieren, da dieselben ziemlich ausführlich in Abderhaldens

Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden1) beschrieben sind.

Zur Bestimmung der Milchsäure im Harn empfiehlt H. Ishihara2),diesen mit Phosphorwolframsäure zu fällen und das Filtrat mit Baryt¬lauge zu versetzen. Das scharf abgesaugte Bariumlaktat wird nach

Zusatz von Phosphorsäure mit Äther extrahiert und nach Zusatz

von Ammoniak das Lösungsmittel wieder abgedampft.Nach E. Jerusalem3) wird der ammoniakalische Harn eingedampft

und der zurückbleibende Syrup nach Zusatz von Salzsäure mit Äther

extrahiert.

E. Ohlsson4) hat an Stelle des Äthers Amylalkohol als Extraktions¬

mittel vorgeschlagen. Die mit Ammoniumsulfat gesättigte wässerigeLösung wird mit dem doppelten Volumen Amylalkohol durchge¬schüttelt. Ohlsson gibt die Teilungskoeffizienten der in

Wasser gelösten Milchsäure für Äther zu 0,1

„ „ ,, ,, Amylalkohol zu 0,5

gesätt. Ammoniumsulfatlösg. gelösten Milchsr. für Äther zu 0,3

„ „ „ „ „ Amylalkohol zu 1,3 an.

Nach 0. Fürth und F. Lieben5) kann nach dem Ausschütteln mit

Benzol durchaus nicht mit Sicherheit gerechnet werden, dass aller

Amylalkohol aus dem Extrakt beseitigt wird, so dass es vorteilhafter

erscheint, den Amylalkohol nach J. Parnas und B. Wagner6) mit

Wasserdampf abzublasen.

Die eigentliche Bestimmung der Milchsäure erfolgt dann fast aus¬

schliesslich nach der Methode von Fürth und Charnass1).Doch wird auch die Hübner''sehe8) Methode zur Bestimmung der

Milchsäure im Harne empfohlen. J. Schneyer9) macht jedoch darauf

aufmerksam, dass Oxalsäure und Acetessigsäure störend wirken. Zur

Entfernung der ersteren wird der ammoniakalisch gemachte Harn

mit Calciumchlorid versetzt und filtriert. Acetessigsäure wird nach

dem Ansäuren mit Mineralsäure durch 15 Minuten langes Kochen

entfernt. Dann wird der Harn bis zur Syrupkonsistenz eingeengt,mit wenig Phosphorsäure angesäuert und mit Gips zu einem trockenen

*) Abt. I, Teil 6, S. 745—776.

2) Bio. Z. 50, 468; Ref. Fr. 54, 66 (1915).3) Bio. Z. 12, 360 und 379 (1908); Ref. Z. U. N. G. 18, 321 (1909).4) Skand. Arch. f. Phys. 33, 231 und 234 (1916); Ref. C. 1916, II, 172.

5) Bio. Z. 128, 149 (1922).«) Bio. Z. 61, 387 (1914).7) loc. cit.

*) loc. cit.

») Bio. Z. 70, 294 (1915).

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bröckeligen Pulver verrieben, das im Soxhlet-Apparat mit Äther aus¬

gezogen wird (8—10 Std.). In dem vom Äther befreiten Extrakt wird

die Milchsäure bestimmt.

Für die Bestimmung der Milchsäure in Blut, Organen, Press¬

säften und dergl. gelten als grundlegende Methoden diejenigen von

Embden und seinen Mitarbeitern1). Die Enteiweissung geschiehtnach der Schenk'sehen Methode mit Sublimat und Salzsäure. Nach

der folgenden Filtration wird das Filtrat im Vakuum eingeengt und

nach Zusatz von festem Ammoniumsulfat und Phosphorsäure mit

Äther extrahiert.

Auf einer andern Vorbereitung der Substanz zur Extraktion

beruht <ias Verfahren von E. Jerusalem2).Die von 0. V. Fürth und seinen Mitarbeitern3) angegebenen

Methoden sind derjenigen von Ishihara*) bei der Harnuntersuchungbeschriebenen Methode ähnlich.

L. Czapski&) fand, dass die Angabe von Embden und Oppenheimer6),nach welcher Brenztraubensäure in einer mit Bisulfit versetzten Lösungmit Äther nicht extrahiert wird, nicht ohne weiteres zutrifft. Es ist

nötig, die Menge des Bisulfits so hoch zu bemessen, dass sie mindestens

ausreicht, das doppelte der zu erwartenden Brenztraubensäure. zu

binden.

Das Verfahren von E. Ohlsson'') gibt, wie G. Biesenfeld8) zeigte,gute Resultate bei reinen, wässerigen Lösungen, jedoch nicht in ei-

weisshaltigen. Letztgenannter Autor empfiehlt deshalb in den Muskel¬

extrakten das Eiweiss mit Phosphorwolframsäure auszufällen.

Durch die Milchsäurebestimmungen ist in den letzten Dezennien

der Chemismus jener Prozesse, die sich bei der Kontraktion im Muskel

abspielen, weitgehend aufgeklärt worden.

Ausgangspunkt dieser Untersuchungen waren die Arbeiten von

F. M. Fletscher und F. G. Hopkins9). Die in einer Salz-Eismischungdurchgefrorenen Muskeln werden mit Alkohol extrahiert und die Ex¬

trakte mit Tierkohle entfärbt und eingedampft. Dann wird analogfrüher beschriebenen Methoden die Milchsäure mit Äther extrahiert

und als Zinklaktat gravimetrisch bestimmt.

0. Meyerhof10) hat in seiner bedeutenden Arbeit über „Die Energie¬umwandlung im Muskel" die Milchsäure gegenüber den oben erwähnten

x) O. Embden und F. Kraus, Bio. Z. 45, 6 (1912). O. Embden und 8. Oppenheimer,Bio. Z. 45, 32 (1912) und 89, 29 (1914).

2) loc. cit.

3) Bio. Z. 42, 106 (1912) 50, 468 (1913) 69, 203 (1915).4) loc. cit.

5) Bio. Z. 71, 167 (1915); Ref. Z. U. N. G. 32, 54 (1916).«) Bio. Z. 55, 346 (1913).7) loc. cit.

8) Bio. Z. 109, 249 (1920); Ref. Z. U. N. G. 42, 186 (1921).°) J. Ph. 35, 257 (1906/07) 47, 364 (1913).10) Pfl. 182, 234 (1920).

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englischen Autoren statt gravimetrisch, oxydimetrisch nach Fürth und

Charnass bestimmt, unter Benützung eines neuen Fehlerkorrektions¬

faktors.

Auch das Verfahren von A. Bellet1) (vergl. S. 42) kann für phy¬siologische Bestimmungen angewendet werden. Bei organischen Stoffen

wird empfohlen, das Eiweiss mit dem Patein-Dufau'sehen Eeagensauszufällen. Die vom Eiweiss befreite und neutralisierte Lösung wird

auf dem Wasserbade bis zur Syrupkonsistenz eingedampft, mit Schwe¬

felsäure angesäuert und mit trockenem Natriumsulfat und Sand ver¬

lieben. Das Gemisch wird während 3 Stunden im Soxhlet mit Ätherextrahiert.

Es wäre zu hoffen, dass in Zukunft auch die Physiologie für die

Bestimmung der isolierten Milchsäure sich exakterer, quantitativerMethoden bedienen würde, welche keinen auf Grund einer Anzahl

Bestimmungen errechneten Korrektionsfaktor benötigen, wie das bei

den jetzt in der Physiologie meist gebrauchten Methoden der Fall ist.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang noch darauf, dass in

einer ätherischen Milchsäurelösung beim Eindampfen (selbst im Va¬

kuum) ein erheblicher Teil der Milchsäure sich in Lactylmilchsäureumwandelt. (Vergl. S. 76). Durch Ignorierung dieser Tatsache können

bei der Milchsäurebestimmung beträchtliche Fehler entstehen. Bei der

oxydimetrischen Bestimmung wird die Lactylmilchsäure in saurer

Lösung nicht vollkommen oxydiert, wenn sie nicht vorher mit Alkali

verseift und vor dem Ansäuern auf ein die Normalität nicht über¬

steigende Konzentration gebracht worden ist. (Vergl. S. 43, 76 und

87.) Bei der direkten aeidimetrischen Bestimmung würde nur die.Hälfte der Lactylmilchsäure bestimmt. (Vergl. S. 53 ff.) In diesem

Falle müsste eine kombinierte, titrimetrische Bestimmung ausgeführtwerden. (Vergl. S. 73, 74.)

5. Zusammenfassung.

Betrachten wir diese Bestimmungsmethoden nebeneinander, so

sehen wir, dass nach der aeidimetrischen Titration nicht nur der Ge¬

samtsäuregehalt, sondern auch das Verhältnis von freier zu anhy-drisierter Säure bestimmt werden kann. Der Nachteil dieser Bestim¬

mung Hegt darin, dass unter Umständen auch andere Säuren mit¬

titriert werden. Die oxydimetrischen Bestimmungsmethoden können

unter Umständen spezifischer sein, insofern viele andere Säuren nicht

mitbestimmt werden; dagegen erhalten wir bei ihnen keinen Aufschluss

über das Verhältnis freier und anhydrisierter Säure.

Je nach dem speziellen Fall wird eine aeidimetrische oder oxy-dimetrische Bestimmungsmethode den Vorzug verdienen resp. einzigin Betracht kommen.

J) Bull. Soc. Chim. France (4) 13, 565 (1913).

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Handelt es sich um die Gehaltsbestimmung von Handelsmilch¬

säure, so wird man nach qualitativer Prüfung auf Abwesenheit stö¬

render Säuren der einfacheren acidimetrischen Methode den Vorzuggeben.

Liegen Gemische verschiedener Säuren vor, die sich nicht in ein¬

facher Weise trennen lassen, so führt die oxydimetrische Methode unter

Umständen rascher zum Ziel.

II. Eigene Versuche über die acidimetrische Titration.

Die Titration der Milchsäure mit Lauge ist wohl die älteste Be¬

stimmungsmethode dieser Säure.

Da nun diese Methode angesichts der steigenden wissenschaft¬

lichen und praktischen Bedeutung der Milchsäure erhebliches Inter¬

esse verdient und uns eine nähere Prüfung zeigte, dass verschiedene

Punkte bei dieser Bestimmungsmethode noch der Abklärung bedürfen,haben wir uns etwas einlässlicher mit dieser Methode befasst und die

Fehlerquellen derselben studiert.

1. Vorbemerkungen.

Ein Umstand, nämlich die grosse Tendenz der Milchsäure, Anhy¬dride zu bilden, ist besonders zu berücksichtigen.

Von wasserfreier Milchsäure berichten einzig Krafft und Dyes1),welche dieselbe durch Fraktionieren der konzentrierten Lösung bei

0,5—1 mm Druck erhielten.

Über Lactylmilchsäure berichten Pelouze2) und Engelhardt3). Be¬

sondere Berücksichtigung verdienen jedoch die Arbeiten von J. Wis-

licenus*), welcher verschiedene Versuche mit Laktid ausführte.

In den neueren Arbeiten von E. Jungfleisch und M. Godchot5) wur¬

den noch weitere Anhydrisierungsprodukte charakterisiert. Die neu¬

esten Arbeiten stammen von J. U. Nef6). Nach seiner Annahme hefert

Milchsäure beim Erhitzen auf 90° hauptsächlich Monolactylmilchsäure,auf 100—110° immer mehr und mehr Di-, Tri-, Tetra- und Pentalac-

tylmilchsäuren und erst beim Erhitzen auf 180—250° im Vakuum

Laktid.

R. Dietzel und R. Krug7) erhielten bei 10 Stunden langem Erhitzen

von 90-proz. Milchsäure auf 120° Monolactylmilchsäure. Wurde die

Zeit des Erhitzens bei gleicher Temperatur auf 20 Stunden aus¬

gedehnt, so erhielten sie Di- und Trilactylmilchsäure. Bei 120 Stunden

langem Erhitzen waren aller Wahrscheinlichkeit nach Tetra- und Pen-

*) B. 28, 2589 (1895).2) A. 53, 114 (1845).3) A. 70, 241 (1849).«) A. 164, 181 (1872); A. 133, 257 (1865); 167, 318 (1873).5) C. r. 140, 502 (1905); 144, 979 (1907); 145, 72 (1907).•) A. 403, 319 (1914); Ref. C. 1914, I 1491.

') B. 58, 1307 (1925).

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talactylmilchsäuren vorhanden. Die Verfasser geben auch eine ver¬

besserte Darstellungsvorschrift für Dimilchsäure an.

Die einzelnen Produkte werden in den erwähnten Arbeiten wie

folgt charakterisiert:

1) Milchsäure:

CH3 • CH(OH) • COOH

F. 18° Kp.14_15 122° Kp.Qj-! 82—85"

Äusserst hygroskopisch und zerfliesslich1).

2) Lactylmilchsäure (Milchsäureanhydrid): Diese Säure figu¬riert in der Literatur oft auch unter der Bezeichnung Dilactylsäure,was zu Verwechslungen mit der sub. 5) erwähnten Säure führen kann.

CH3 • CH(OH) • CO • O • CH(CH3) • COOH

Leicht schmelzbare, blassgelbe, amorphe Masse.

Kaum löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Äther2).3) Lactyllactylmilchsäure:

CH3 • CH(OH) • CO • 0 • CH(CH3) • CO • O • CH(CH3) • COOH

F. 39° Kp.20 235—240° Nadeln aus Äther3).4) Polylactylsäuren: Noch nicht rein hergestellt4).

5) Dilactylsäure:

CH3 • CH(OH) • CO • O • CO • CH(OH) • CH3

F. 105—107°. Leicht löslich in Wasser, Äther, Chloroform, Eis¬

essig, schwer in Benzol5).

6) Laktid: Äthyliden-carbonylid nach der Genfer Nomenklatur6).

CH, • CH • CO

A A\ /OC • CH • CH:

F. 120°7). F. 121,8° 8).

7) Laktid:

CH3 CH • CO

A A1 1

Kp.20 110»«).CH3 • CH • CO

*) Krafft und Dyes, Beilstein III, 272.

2) Pelouze, Beilstein III, 282.

3) Jungfleisch und Godchot, Beilstein III, 283.

") Nef, loo. cit.

5) Jungfleisch und Godchot und Tantar und Tschelebiew, B. 23, 325 (1890); Beil¬

stein III, 279.

e) R. Anschütz, B. 45, 2380 (1912).7) Wislicenus, loo. cit.

8) O. Binger und A. Skrabal, M. 43, 507 (1922).') Jungfleisch und Godchot, loc. cit.

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Für die Analyse ist die Frage von Wichtigkeit, ob in käuflichen

Milchsäuren Anhydrid und Laktid vorhanden sind, eventuell auch

Polylactylsäuren.Aus den alkoholischen Hydroxylgruppen zweier Moleküle Milch¬

säure treten nur unter besonderen Umständen Wasser aus, nämlich

beim Erhitzen eines milchsauren Salzes. Aus diesem Grunde ist nicht

anzunehmen, dass sich Dilactylsäure und das ihr entsprechende Laktid

in der Handelssäure befinden.

Als Anhydrisierungsprodukt kommt ausschliesslich Monolactyl-milchsäure in Betracht. (Vergl. S. 38.) Möglicherweise könnten viel¬

leicht noch Lactyl-lactylmilchsäure und im schlimmsten Falle noch

sehr kleine Mengen von Trilactylmilchsäure vorhanden sein, deren

Bestimmung bis heute noch nicht gelungen ist. Laktid ist nicht vor¬

handen, wie wir aus später folgenden Versuchen (vergl. S. 86) zeigenkonnten.

Somit handelt es sich bei der Bestimmung von Handelsmilchsäure

im wesentlichen darum, den Gehalt an freier Milchsäure und an Lac-

tylmilchsäure zu ermitteln.

Bei der direkten Titration wird nicht nur die Milchsäure, sondern

auch die freie Carboxylgruppe der anhydrisierten Säure titriert.

CH3 • CH(OH) • COOH + NaOH = CH3 • CH(OH) • COONa + H20

CH3 • CH(OH) • CO • O • CH(CH3) • COOH + NaOH =

CH3 • CH(OH) • CO • 0 • CH(CH3) • COONa + H20

Beim Kochen mit überschüssiger Lauge und nachfolgender Rück¬

titration mit Säure wird dann das Natriumsalz der Lactylmilchsäureverseift, wozu wiederum ein Mol. Natronlauge notwendig ist.

CH3 • CH(OH) • CO • O • CH(CH3) • COONa + NaOH = 2 CH3 • CH(OH) • COONa

Somit ist diejenige Menge Natronlauge, die zur Verseifung gebrauchtwird, von derjenigen der direkten Titration abzuzählen, um den Ge¬

halt der nicht anhydrisierten Säure zu erhalten.

Der Gehalt an anhydrisierter Säure entspricht der doppeltenMenge Lauge, die zur Verseifung notwendig ist.

1 cm3 N—NaOH = 0,09005 gr CH3 • CH(OH) • COOH

1 cm» N—NaOH = 0,07203 gr CH3 • CH(OH) • CO • 0 • CH(CH3) • COOH

Es ist jedoch gebräuchlich, die anhydrisierte Säure ebenfalls als

Milchsäure zu berechnen, wobei 1 Molekül Lactylmilchsäure = 2 Mole¬

külen Milchsäure gesetzt wird.

Werden

p gr Milchsäure eingewogen und

a cm3 N—Natronlauge bei der direkten und

6 cm3 N—Natronlauge bei der Verseifung verbraucht, so beträgt der Gehalt an

, • „c-, ,9>005 ("—*)

freier Milchsäure = % und an

V

18,01 6

anhydrisierter Milchsäure = %(als Milchsäure berechnet)

"

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2. Wahl des Indikators für'die Titration.

Für die Wahl des Indikators ist die Dissoziationskonstante der

Milchsäure massgebend, welche J. M. Kolthoff1) zu 1,55 • 10~4 bei

25° bestimmt hat.

Für Lactylmilchsäure wird die Dissoziationskonstante von 0. Bingerund A. Shrabal2) zu 9,9 • 10~4 angegeben. Der Wasserstoffexponentbeträgt somit ca. 3. Wir haben es also mit einer wenig stärkeren

Säure, als es die Milchsäure ist, zu tun. Es ist übrigens allgemeinbekannt, dass die im alkoholischen Hydroxyl veresterten (acylierten)Oxycarbonsäuren stärkere Säuren sind, als die betreffenden Stamm¬

säuren. Doch liegen die W'asserstoffexponenten dieser beiden Säuren

so nahe beieinander, dass es unmöglich ist, im Säuregemisch die beiden

Säuren einzeln durch Wahl eines geeigneten Indikators zu bestimmen,da beide Säuren gleichzeitig miteinander neutralisiert werden. Die

nachfolgenden Berechnungen wurden für die schwächere Milchsäure

gemacht, gelten aber auch für Lactylmilchsäure.Für eine Säure HA gilt nach dem Massenwirkungsgesetz:

m (ä'i(HA)

(HA) ist die Konzentration der nicht ionisierten Säure. Obige Glei¬

chung können wir auch folgendermassen schreiben:

(HA)

(H-) = K„, -± '-HA^

Bei der Titration mit Lauge wird nun dieser Betrag an Säure in Salz

übergeführt. Verlangen wir nun von der Titration 1% Genauigkeit,so muss das Verhältnis der nicht, dissoziierten, also nicht neutrali¬

sierten Säure zum Salz 1/1000 sein. Wir haben also

(H-)= 10-3'81 = 10-»n

v '1000

d. h. wir müssten mit einem Indikator der ungefähr beim Neutral¬

punkt umschlägt, titrieren.

Als solche können Dibromthymolsulfonphthalein, Neutralrot, Azo-

lithmin in erster Linie in Betracht kommen. Doch werden wir so¬

gleich zeigen, dass wir praktisch in dieser Hinsicht keinen Fehler be¬

gehen, wenn wir selbst mit Phenolphthalein titrieren.

Nach N. Bjerrum*) würde der Fehler

KHA = 1,55 • 10"4 = 10-3'813)

1000JOH'

1) Z. a. Ch. 109, 69 (1920); Ostwald bestimmte die elektrolytische Dissoziations¬

konstante bei 25° zu 1,38 • 10"4 (Ph. Ch. 3, 191 (1889); Goldschmidt und Bürkle zu

3,1 • 10-4 (B. 32, 364 (1899)).2) loc. cit.

3) Vgl. Kolthoff, Parbenindikatoren, II. Aufl., S. 3.

*) Theorie der alkalimetrischen und acidimetrischen Titrierungen, 1914, S. 75.

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Basenäquivalente oder in cm3 Titrierflüssigkeit (F0H)

V

F0B = ~^"'

C0H'

betragen, wobei v das Volumen der titrierten Lösung in cm3 und N

die Normalität der Lauge bedeutet.

Der Umschlag von Phenolphthalein ist zu erkennen, wenn 25%der Indikatorkonzentration als gefärbte Ionen vorhanden sind1).Legen wir für Phenolphthalein den Indikatorexponenten 9,7 zu Grunde,so ist der zugehörige Titrierexponent 9,22).

Das Volumen der titrierten Milchsäurelösung beträgt durch¬

schnittlich 60 cm3, wenn mit N-Lauge titriert und 2 gr Milchsäure

mit 40 cm3 Wasser verdünnt werden. Der Fehler berechnet sich dann

zu:

60Fn„. = • 10-4S = 60 • 1,59 • 10-5 =

95,4 • 10"5 = ca. 10"3 cm3

oder 0,01 cm3 0,1 N-Lauge oder 0,1 cm3 0,01 N-Lauge, unter Vor¬

aussetzung des gleichen Volumens titrierter Säure.

Wir haben die verschiedenen Indikatoren, welche in Betracht zu

ziehen sind, geprüft.Es wurde eine Lösung von 8,915 gr 80-proz. Milchsäure in 100 cm3

hergestellt. Zur Titration mit N-Natronlauge und Rücktitration mit

0,5 N-Schwefelsäure wurden je 20 cm3 der Lösung verwendet. Wir

erhielten folgende Resultate:

Indikator- Verbrauchte MetigeIndikator Ph-

Indikator-

Konzentr.Menge N-SaOH Färbung

sauer-alkalisch

Beurteilungdes Umschlages

in Tropfen Direkt Verseifnng

Phenolphthalein . 8,2—9,9 1% 2—3 14,52 1,90 fbl.-rot sehr gutThymolblau . . . 8,0—9,6 0,1% 2—3 14,49 1,86 gelb-blau ,, ,,

a-Naphtholphth. . 7,3—8,7 0,1% 2—3 14,62 1,82 gelb-gr.bl. gutKresolrot

.... 7,2—8,8 0,2% 2—3 14,54 1,84 gelb - purpurr. »)

Eosolsäure. . . 6,9—8,0 0,1% ca. 12 14,99 1,35 braun-rot sehr schlecht

Phenolrot.... 6,8—8,0 0,2% 2—3 14,54 1,87 gelb-rot sehr gut

Neutralrot. . . 6,8—8,0 0,1% 3—4 14,48 1,84 rot-gelb >» »»

Bromthymolblau. 6,0—7,6 0,1% A—4 14,52 1,89 gelb-blau »» »>

Bromkresolpurpur 5,2—6,8 0,2% 2—3 14,37 1,76 gelb-purp. zieml. gutAzolithmin

. . . 5,0—8,0 Helv. IV ca. 12 14,52 1,89 rot-blau„ >»

Methylrot . . . 4,2—6,3 90/ 2—3 14,05 1,32 rot-gelb gutMethylorange . . 3,1—4,4 0,1% 3—4 ca. 8,5 rot-orange

x) loc. cit.

2) Kolthoff, Farbenindikatortsn, II. Aufl., S. 84.

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- 56 -

Aus diesen Ergebnissen sehen wir, dass diejenigen Indikatoren,deren Umschlagsgebiet bei pH = 7 —10 liegt, und deren Farbum¬

schlag sehr scharf ist, Resultate ergeben, welche beinahe innerhalb

des Tropfenfehlers liegen (ca. 0,04 cm3).Rosolsäure verbraucht bei der direkten Titration zuviel Lauge

infolge des schlecht erkennbaren Umschlages und dasselbe gilt auch

bei der Rücktitration mit Schwefelsäure, indem wiederum über den

theoretischen Umschlagspunkt hinaus titriert wird. Bromkresolpurpurmit einem Titrierexponent von ca. 6 zeigt deutlich, wie zu wenig Laugeverbraucht wird, noch mehr Methylröt und Methylorange, was der

Berechnung entspricht.Im weitern wurde noch der Umschlag mit 0,01 N-Säure geprüft.

Es wurden folgende Resultate erhalten.

Für je 20 cm3 0,01 N-Natronlauge wurden gebraucht:

Indikatorcm3 0,01

N-HClUmschlag Bemerkungen

Phenolphthalein . . 20,72 sehr gut

,- • • 20,10 > a

Thymolblau ....

,, ....

,. ....

19,80

19,75

19,75

»

a-Naphtholphthaleïn. 19,60 ,

,» 19,20 ,

» 19,30 >

Kresolrot 20,10

19,95 ,

,, ..... 20,00 ,

Phenolrot

,, .....

19,80

19,85•

Bromthymolblau . . 19,65 gut Zeigt in gelb gefärbten,besonders

„ . . 20,45 alkoholischen Lösungen, starke

„ . . 19,80 Parbkraft

Bromkresolpurpur. . 24,80 Es gilt in erhöhtem Masse was

,, 25,50 von Methylorange

Methylorange . . . 22,60 Der deutliche Farbumschlag,, ... 22,70 wird zu spät erkannt

„ ... 22,80

Thymolphthaleün . . 21,10 sehr gut Die Kohlensäure der Luft macht

,, 18,54 »j >>sich stark bemerkbar

>> 18,95 » »»

Für Normalsäure liegen die Fehler mit Ausnahme von Brom¬

kresolpurpur alle innerhalb des Tropfenfehlers.Auf Grund dieser Versuche und theoretischer Berechnung können

zur Titration von Milchsäure folgende Indikatoren verwendet und

empfohlen werden:

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- 57 -

Neutralrot (as.-Dimethyl-diamino-phenazinchlorid), Phenolrot (Phe-nol-sulfon-phthaleïn), Kresolrot (o-Kresol-sulfon-phthaleïn), a-Naphthol-phthaleïn, Thymolblau (Thymolsulfon-phthaleïn), Bromthymolblau (Di-brom-thymol-sulfon-phthale'in) und Phenolphthalein.

Die erstgenannten Indikatoren haben gegenüber den letztgenanntenden Vorteil geringerer Kohlensäureempfindlichkeit. Diese Empfind¬lichkeit macht sich immerhin schon bei Phenolphthalein bemerkbar,besonders dann, wenn beim Titrieren die Lösung intensiv mit Luft

in Berührung kommt.

Da die für Arznei- oder Genusszwecke gebrauchte Milchsäure

farblos oder höchstens sehr schwach gelblich gefärbt ist, so wird der

Farbumschlag der einzelnen Indikatoren nicht beeinträchtigt.Für technische, gelb gefärbte Milchsäure macht die Erkennung

des Titrationsendpunktes mit Neutralrot oder Phenolphthalein bereits

Schwierigkeiten. Hier eignet sich ein Indikator, der von gelb nach blau

umschlägt, besser. Durch die gelben Farbstoffe der technischen Milch¬

säure wird jedoch die blaue Farbe des alkalischen Indikators beim

Umschlagspunkt grün. Die Verwendung von Thymolblau, welches

noch für viele andere Titrationen sehr geeignet ist, scheint auch hier

gut zu sein.

3. Einfluss der Kohlensäure auf die Titration.

Der in acidimetrischen Titrationen sich geltend machende Kohlen¬

säurefehler beim Kochen der Lauge und Neutralisieren derselben,unter Verwendung von Phenolphthalein, ist schon sehr lange bekannt.

Dieser kann durch die indirekte Titration, wie sie von B. Kunz

(vergl. S. 39) angegeben wurde, behoben werden. Klapproth (vergl.S. 40) betrachtet den Fehler, welcher bei einfacher Titration bis zur

Entfärbung von Phenolphthalein entsteht, als so klein, dass er ver¬

nachlässigt werden könne. Dadurch würde ein nochmaliges Erwärmen,Abkühlen und Titrieren wegfallen, was bei einer Milchsäurebestim¬

mung eine Zeitersparnis von ca. 10 Minuten bedeutet.

Doch haben Versuche gezeigt, dass, besonders bei nicht ganz reinen

Produkten, nach diesem vereinfachten Verfahren ganz schlechte Werte

erhalten werden.

So wurden beim Titrieren gleicher aliquoter Teile einer Pharma-

copöemilchsäure mit Phenolphthalein folgende Werte erhalten:

Freie SäureAnhydrisierte

SäureTotal Säure

63,7

62,6

64,0

64,1

18,7

20,8

19,2

18,0

82,4

83,4

83,2

82,1

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- 58 -

Bei einem andern Muster wurden wieder gut übereinstimmende

Werte erhalten, wie folgende Analysen, die mit gleichen aliquotenTeilen ausgeführt wurden, zeigen:

Freie SäureAnhydrisierte

SäureTotal Säure

66,2

66,4

66,2

66,2

13,9

13,5

13,9

13,9

80,1

79,9

80,1

80,1

In erster Linie muss natürlich der Gehalt der zur Titration ver¬

wendeten Lauge an Karbonat berücksichtigt werden. Bei der direkten

Titration übt dieser Gehalt keinen Einfluss aus, indem Natriumkar¬

bonat mit überschüssiger Säure vollständig neutralisiert wird. Im um¬

gekehrten Fall wird das Natriumkarbonat erst in Bikarbonat über¬

geführt, welches gegen Phenolphthaleïn sauer reagiert, so dass der

Endpunkt zu früh eintritt.

Die Fehler, welche mit Laugen von 0,5%, 1%, 2%, 3%, 4% und

5% Karbonatgehalt entstehen, berechnen sich in Kubikzentimetern

Lauge oder in Prozent Milchsäure, unter der Annahme von 1 gr bezw.

2 gr Einwage bei der Titration mit 0,1 N- bezw. N-Lauge, wie folgt:

Gehalt an Na2C03 0,5% 1% 2% 3% 4% 5%

Fehler in cm3 Lauge bei einem

Verbrauch von 5 cm3. . .

Fehler in % Milchsäure bei

Titration mit 0,1 N-Lauge .

Fehler in % Milchsäure bei

Titration mit N-Lauge . . .

0,012

0,011

0,056

0,025

0,022

0,112

0,050

0,045

0,225

0,075

0,067

0,337

0,100

0,090

0,450

0,125

0,102

0,512

Fehler in cm3 Lauge bei einem

Verbrauch von 10 cm3. .

Fehler in % Milehsäure bei

Titration mit 0,1 N-Lauge .

Fehler in % Milchsäure bei

Titration mit N-Lauge . . .

0,025

0,022

0,112

0,05

0,045

0,225

0,10

0,090

0,450

0,15

0,135

0,675

0,20

0,180

0,900

0,25

0,205

1,025

Fehler in cm3 Lauge bei einem

Verbrauch von 20 cm3. .

Fehler in % Milchsäure bei

Titration mit 0,1 N-Lauge .

Fehler in % Milchsäure bei

Titration mit N-Lauge . . .

0,05

0,045

0,225

0,1

0,09

0,45

0,2

0,18

0,90

0,3

0,27

1,35

0,4

0,36

1,80

0,5

0,45

2,25

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- 59

Daraus ersehen wir, dass der Karbonatfehler der Lauge viel mehr

ins Gewicht fällt, als meist angenommen wird. Mit N-Lauge darf

dieser Fehler nur vernachlässigt werden, wenn diese höchstens 0,5%Karbonat enthält. Bei Milchsäure von einem Gesamtsäuregehalt von

nur 50% kann mit einer (ca. 1%) karbonatarmen N-Lauge titriert

werden, ohne dass ein erheblicher Fehler entsteht. Praktisch enthält

aber die Lauge fast immer etwa 2—3% Karbonat. Bei der Titration

mit 0,1 N-Lauge kann der Karbonatfehler bei niedern Milchsäure¬

konzentrationen (bis 50%) überhaupt vernachlässigt werden. Im

übrigen wird der Fehler in der Milchsäurebestimmung mit einer kar¬

bonatarmen 0,1 N-Lauge 0,1% des Gehaltes nicht überschreiten.

Diesen Karbonatfehler kann man nun einfach eliminieren, indem

man die Lauge auf den Indikator einstellt, mit welchem titriert wird.

Für karbonathaltige Natronlauge erhalten wir zwei Titer, nämlich:

1) Gesamtalkalititer. Einstellen der Lauge auf Methylorange.2) Hydroxyd-Bikarbonattiter. Einstellen der Lauge auf Phenol¬

phthalein. In beiden Fällen wird die Lauge mit Säure titriert. Ver¬

fährt man umgekehrt, so werden die beiden Titer praktisch gleich.Nicht zu vermeiden ist beim gewöhnlichen Arbeiten der Fehler,

welcher durch die Kohlensäureabsorption der Lauge beim Erhitzen

(zwecks Verseifung der Lactylmilchsäure) entsteht.

10 cm3 0,1 N- resp. N-Natronlauge wurden nach Verdünnen mit

10 cm3 Wasser in einem offenen Erlenmeyerkolben auf dem Wasser¬

bad eine bestimmte Zeit erhitzt; binnen 10 Minuten abgekühlt und

darauf mit 0,1 N-Salzsäure resp. N-Schwefelsäure titriert. Bis zum

Umschlag des angegebenen Indikators wurden jeweils folgende Anzahl

Kubikzentimeter Säure verbraucht.

10 cm3 0,1 N-Natronlauge.

Verbrauch

Neutralrot

te cm3 0,1 N

Phenol¬

phthalein

-Salzsäure

Methyl¬orange

Gewöhnliehe Temperatur sofort titriert

Lauge 10 Minuten erwärmt....

„30

„ ....

9,78

9,43

8,03

9,58

9,33

7,01

10,00

10,00

10,02

10 cm3 N-lNatronlauge.

Verbrauch

Neutralrot

te cm3 N-Sch

Phenol¬

phthalein

wefelsäure

Methyl¬orange

Gewöhnliche Temperatur sofort titriert

Lauge 10 Minuten erwärmt....

,,oO

„ „ ....

9,86

9,83

9,60

9,78

9,74

9,71

10,00

.9,98

10,02

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- 60 -

Daraus berechnet sich der Kohlensäureabsorptionsfehler der Lauge,in cm3 Lauge oder in Prozent Milchsäure bei einer Einwage von 1 gr

bei Titration mit 0,1 N-Lauge bezw. von 2 gr bei N-Lauge.

Dauer der Fehler ausgedrückt in

Verwendete

Lauge

Erwärmungauf dem

Neutralrot Phenolphthalein

Wasserbad cm3 Lauge Milchsäurecm3 Lauge

7o

Milchsäure

0,1 N 10 Min. 0,35 0,31 0,25 0,22

0,1 N 30„ 1,75 1,57 2,57 2,31

N 10„ 0,03 0,03 0,04 0,04

N 30„ 0,26 0,23 0,07 0,06

Aus diesen Versuchen ersehen wir, dass bei der Titration mit N-Lauge,bei 10 Minuten dauernder Verseifung, dieser Fehler klein genug ist,um ihn vernachlässigen zu können. Zudem dürfte der Fehler bei der

praktischen Milchsäurebestimmung noch kleiner werden, indem der

Zusatz an überschüssiger Lauge so bemessen wird, dass der Über-

schuss nie 10 cm3, sondern 2—3 cm3 Normal- oder 3—6 cm3 0,1 Nor¬

mal-Lauge betragen wird. Bei der Titration mit 0,1 N-Lauge muss

für eine genaue Bestimmung jedoch unbedingt das Verfahren von

Kunz (vergl. S. 39) angewandt werden.

In folgenden Versuchen stellen wir die beiden Verfahren von

Kunz und von Klapproth gegenüber.

Für die Berechnung ist zu bemerken, dass wir die Klapproth''sehenAnalysen mit 2 Laugenfaktoren berechnet haben, nämlich mit dem

Gesamtalkalititer, wenn Säure vorgelegt und mit Lauge titriert wurde,aber mit dem Hydroxyd-Bikarbonattiter, wenn Lauge mit Säure zu¬

rücktitriert werden musste.

Titrationsschema.

Kunz. Klapproth.

inhrdrStare

U,.

10 Um Wusei-bnd IOHid VuMi-b&d

(1>1 oms L*nge 1(c) cm' Sun, „ ,

00 om* L»o([e

---'

,

"t-" :....9 3 Um

8»<raa

i

(•} ont* Lang«

Sture(M «m1 Linge

Ito) uma

Fig. 1.

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- 61 -

Berechnung.Titer der Säure F

Gesamtalkalititer der Lauge /Hydroxyd-Bikarbonattiter der Lauge /'

(a)-f = A (6)(&)•/ = B (c)

Der Gehalt an freier Säure entsprichtnach Kunz:

A - [(B + D)- C]

abgekürzt bezeichnet mit:

o— 6

Der Gehalt an anhydrisierter Säure ent¬

spricht nach Kunz:

2 [(B + D) - C]

abgekürzt bezeichnet mit:

26

j' = B' (d)-F = DF = C

Der Gehalt an freier Säure entsprichtnach Klapproth, :

A- (B'~ C)

abgekürzt' bezeichnet mit:

a-b'

Der Gehalt an anhydrisierter Säure ent¬

spricht nach Klapproth:

2 (B' - C)

abgekürzt bezeichnet mit :

2 6'

Bestimmung und Berechnung nach

Ind. LaugeEin¬

wage1)a— b

Kunz

26 F.S. A.S. T. S.

Klapproth,1)

a- 6'| 26' |P.S.|A.S. T. S.

ca. 100%ige Säure

Nr.

Ph.

Nr.

Ph.

0,1 N

0,1 N

N

N

0,4076

0,4076

1,6662

1,6662

27,84

27,89

11,36

11,38

9,14

9,15

7,62

7,68

61,5

61,6

61,4

61,5

40,4

40,4

41,2

41,5

101,9

102,0

102,6

103,0

2811

28,12

11,43

11,44

8,87

8,92

7,48

7,56

62,1

62,1

61,7

61,8

39,3

39,4

40,4

40,8

101,4

101,5

102,1

102,6

ca. 90%ige Säure

Nr.

Ph.

Nr.

Ph.

0,1 N

0,1 N

N

N

0,3125

0,3125

2,6304

2,6304

22,18

22,19

18,83

18,83

9,32

9,42

7,88

7,88

63,8

63,9

64,4

64,4

26,8

27,1

27,0

27,0

90,6

91,0

91,4

91,4

22,05

22,07

18,99

18,98

9,58

9,66

7,56

7,58

63,5

63,6

65,0

64,9

27,6

27,8

25,9

25,9

91,1

91,4

90,9

90,8

ca. 80%ige Säure

Nr.

Ph.

Nr.

Ph.

0,1 N

0,1 N

N

N

0,6340

0,6340

2,6554

2,6554

44,12

44,04

18,61

18,71

13,26

13,32

5,26

5,26

62,6

62,5

63,1

63,4

18,8

18,9

17,8

17,8

81,4

81,4

80,9

81,2

44,46

44,15

18,58

18,68

12,58

13,10

5,32

5,32

63,1

62,6

63,1

63,4

17,8

18,6

18,0

18,0

80,9

81,2

81,1

81,4

ca. 50%ige Säure

Nr.

Ph.

Nr.

Ph.

0,1 N

0,1 N

N

N

0,5993

0,5993

5,0203

5,0203

29,42

29,41

24,78

25,14

4,80

4,58

4,24

3,52

44,3

44,2

44,4

45,1

7,2

6,9

7,6

6,3

51,5

51,1

52,0

51,4

29,36

29,19

25,19

24,81

4,92

5,42

3,42

4,18

44,1

43,8

45,1

44,6

7,4

8,1

6,1

7,5

51,5

51,9

51,2

52,1

Abkürzungen: Ind. = Indikator. Nr. = Neutralrot. Ph. = Phenolphthalein.F. S. = Freie Säure. A. S. = Anhydrisierte Säure.

T. S. = Total Säure.

x) Jeweils in 20 cm3 Wasser gelöst, wenn mit 0,1 N-Lauge, in 40 cm3, wenn mit

N-Lauge titriert wurde.

2) Betreffend Abänderung in der Berechnungsweise. Vgl. S. 59.

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- 62 -

Aus den Versuchen ersehen wir, dass die nach beiden Verfahren

erhaltenen Werte für freie Säure, anhydrisierte Säure und Total-

Säure in der Mehrzahl der Versuche nicht mit der wünschbaren ana¬

lytischen Genauigkeit übereinstimmen.

4. Einfluss der Temperatur und der alkoholischen Hydro¬xylgruppe auf die Titration.

Dass die alkoholische Hydroxylgruppe der Milchsäure sich bei

der Titration nicht bemerkbar macht, haben G. Calcagni und L. Ber¬

nardini1) bewiesen.

In folgender Tabelle geben wir die Werte, die erhalten wurden,

wenn bei höherer Temperatur titriert wurde. Zur Titration wurden

20 cm3 einer Stammlösung, die 1,7830 gr Milchsäure enthielten, ver¬

wendet.

Temp. d.Verbr. cm3 NaOH Milchsaure- Gehalt

Indikator z. titr.

Losung Direkt. Verseifg. Freier Anhydr. Totaler

Phenolphth. .20» 14,24 1,83 62,6 18,5 81,1

„60» 14,26 1,87 62,6 18,9 81,5

,,90» 14,30 1,75 63,4 17,7 81,1

Methylrot . .20» 13,82 1,75 61,0 17,7 78,7

,, • •80» 13,71 1,97 59,3 19,9 79,2

Methylorange. 20»

80»

8,3

4,0

Diese Versuche zeigen, dass die Temperatur auf die Titration

einen kleinen Einfluss hat, in dem Sinne, dass etwas Milchsäureanhy¬drid bereits verseift wird. (Versuche mit Phenolphthalein.) Dass

aber durch die Temperatur die Acidität der Milchsäure vergrössert

wird, wie dies von Degener (vergl. S. 38) behauptet wurde, kann nicht

bestätigt werden. Für die Umschlagsgebiete der oben angewandtenIndikatoren bei verschiedenen Temperaturen gibt Kolihoff folgendeWerte an:

pH bei 18° bei 100»

Phenolphthalein ....

Methylrot

8,3—10,0

4,2— 6,3

3,1— 4,4

8,1—9,0

4,0—6,0

2,5—3,7

Diesen Änderungen im Titrierexponent entsprechen die beiden

Versuche mit Methylrot und Methylorange, welche auch zeigen, dass

!) Gazz. chim. ital. 43, I, 1 (1913); Ref. C. 1913, I, 387.

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- 63 -

die Acidität der Milchsäure bei der höheren Temperatur gleich bleibt,da sonst die Titrationen mit Methylrot richtige Werte ergeben hätten.

5. Verseifung der anhydrisierten Säure.

Mit der Frage der Verseifung haben sich Anschütz1), Holmberg2),Ward3) und in neuerer Zeit H. Johansson und H. Sebelius*) befasst.

Diese letztgenannten Forscher fanden, dass eine ziemlich allgemein¬gültige Eegel besteht, nach welcher die Hydratation oder Hydrolyseorganischer Verbindungen von Wasserstoffionen stark beschleunigtwird, und dass die Reaktionsgeschwindigkeit der Wasserstoffionen¬

konzentration proportional ist.

Umgekehrt fanden aber Bivett und 8idgwickb), dass Wasserstoff¬

ionen die Wasseranlagerung an Säureanhydride nicht beeinflussen,und dies auch der Fall ist bei den neutralen, aliphatischen /S-Laktonen,welche mit Wasser in die entsprechenden Oxysäuren übergehen.

H. Johansson und H. Sebelius6) fanden, gestützt auf die Resul¬

tate obiger Forscher, dass die gewöhnlichen Gesetze der Esterkatalyseauch für Laktylmilchsäure gelten, besonders wenn die verschiedenen

Reaktionsgeschwindigkeiten des Säureanions und der undissoziierten

Säuremoleküle berücksichtigt werden. Die Verseifung von Lactyl-milchsäure vollzieht sich bei Zimmertemperatur in neutraler Lösungsehr langsam, in saurer Lösung bedeutend schneller und in alkalischer

Lösung sehr geschwind, jedoch nicht augenblicklich. Was indessen

die erste Stufe, die Aufspaltung des Ringes betrifft, so geht sie in massigsaurer Lösung in Form zweier von einander unabhängiger, gleich¬zeitiger Reaktionen vor sich und zwar die eine ohne, und die andere

mit Wasserstoffionen-Katalyse.Für Laktid gilt unter Verwendung der üblichen Bezeichnungen

die Geschwindigkeitsgleichung :

dx= kt (a — x) x k2 (H°) (a — x)

wobei die Zeit in Minuten, und für fcx = 0,00313 und für k2 = 0,0611

angegeben werden.

Die Spaltung des Sechsringes von Glykolid und Laktid vollzieht

sich sowohl mit als auch ohne katalysierende Einwirkung der Wasser-

stoffionen.

O. Binger und A. SkrabaU), die sich ebenfalls mit dieser Fragebeschäftigten, zeigten, dass Aceton und noch mehr Alkohol die Wasser-

verseifung des Laktids hemmten.

*) A. 392, 100 (1912).2) B. 45, 2997 (1912) und Ph. Ch. 84, 453 (1919).3) Soc. 101, 2534 (1912).4) B. 51, 480 (1918).6) Soc. 97, 1677 (1910).«) B. 52, 745 (1919).') M. 42, 49 (1921), 43, 507 (1922).

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- 64 -

Unsere Versuche bestätigten die Angaben der Literatur, besonders

die Ergebnisse von Thompson und Suzucki (vergl. S. 40). Auf jedenFall ist ein mehr als 10 Minuten lang dauerndes Erwärmen auf dem

Wasserbade, wie dies nach den Angaben einzelner Pharmacopöeen zu

erfolgen hätte (vergl. S. 44), nicht nötig.

6. Einfluss gewisser Verunreinigungen auf die Titration.

Auf die Tatsache, dass auch Dextrin beim Erwärmen mit über¬

schüssiger Lauge solche verbraucht, hat bereits L. Monin (vergl. S. 39)hingewiesen.

In einer umfassenden Abhandlung hat nun J. U. Nef1) als Er¬

gebnis mehrjähriger Arbeit gefunden, dass sich bei Einwirkung einer

achtfach normalen Lauge auf eine der gewöhnlichsten Zuckerarten

schliesslich ein Gleichgewichtsverhältnis einstellt, bei dem nicht wenigerals alle 32 theoretisch möglichen Aldosen mit 1—6 Kohlenstoffatomen

und die daraus entstehenden Methylenole, sowie alle 26 Ketosen, die

3—6 Kohlenstoffatome in unverzweigter Kette enthalten, und 26 ver¬

schiedene Dienole, welche aus diesen verschiedenen Aldosen und Ke¬

tosen entstehen können, teilnehmen.

Wir haben nun einige Versuche gemacht, um festzustellen, wie¬

viel N-Natronlauge bei der Einwirkung auf ein Kohlehydrat ver¬

braucht werde.

Es wurde die in folgender Tabelle angegebene Menge eines Kohle¬

hydrats in 40 cm3 Wasser gelöst, mit 10 cm3 N-Natronlauge ver¬

setzt und auf das Wasserbad gestellt. Nach dem Abkühlen in fliessen-

dem Wasser wurde mit 0,5 N-Schwefelsäure zurücktitriert.

Angewandte Mengein Gramm

1,0 1,0 0,1 0,1 0,01 0,01 0,01 0,012)

Einwirkungsdauerd. Lauge in Min.

240 10 30 10 60 10 60 15

Traubenzucker..

Milchzucker. . .

Rohrzucker. . .

Techn. Dextrin.

Reines„

Ozonstärke. . .

Glycerin ....

0,46

0,16

ca.63)

,,73)

0,25

3,03)

0,0

0,83

0,80

0,00

0,7

0,35

0,85

0,80

0,00.

0,2

0,08

0,12

0,12

0,05

0,02

0,05

0,12

0,10

0,00

0,02

0,07

0,4

0,25

0,45

0,05

0,2

0,15

0,15

0,18

0,0

0,0

Bei einer Einwage von 2 gr Milchsäure machen 0,01 gr Kohle¬

hydrat eine Verunreinigung von 0,5% aus.

!) A. 376, 1 (1910).2) 0,01 gr des Kohlehydrates wurde in einer 5%igen Milchsäurelösung gelöst

und nach 1 Monat untersucht.

3) Die Lösungen wurden anfänglich gelbgrün, dann dunkelbraun.

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- 65 -

Nun entsprechen 0,1 cm3 N-Lauge unter obiger Voraussetzung0,45% Milchsäure. Diese Menge von Dextrin, Stärke oder Zucker

werden aber- noch lange mit der Jodlösung und der Fehling'schenEeaktion nachgewiesen (vergl. S. 34, 35). Deshalb kommen wir zu dem

Schlüsse, dass in Pharmacopöemilchsäure Kohlehydratmengen, welche

mit genannten Reaktionen nicht mehr nachgewiesen werden, keinen

Einfluss auf die Titration ausüben.

In technischer Säure könnte man auf diese Weise den zulässigenMaximalgehalt an Dextrin festsetzen, indem die bei der Verseifungverbrauchte Menge Lauge proportional dem Dextringehalt wächst.

7. Berechnung der Fehler der Titrationsmethode.

Da jeder analytischen Operation Fehler anhaften, so ist es not¬

wendig, dieselben der Grösse nach zu bestimmen und zu untersuchen,ob und wie es möglich wird, diese auf eine Minimum zu verringern.

A. Benedetti-Pichler1) stellt für die grundlegenden Arbeiten jederAnalysenmethode folgende Forderungen auf:

1) Bestimmung der Ausgangsmenge p.

2) Chemische und physikalische Operationen zur Isolierung der

Bestimmungsform, bezw. zur Vorbereitung der Titration.

3) Messung der Bestimmungsform bezw. derjenigen Menge Agens,mit welcher sich der zu messende Stoff X umgesetzt hat, im Falle der

Titration.

Der Prozentgehalt P ergibt sich nun allgemein zu:

100

P=f.M %V

worin M die Anzahl Masseinheiten der Titrierflüssigkeit und / den

Umrechnungsfaktor, welcher der betreffenden Methode eigentümlichist, darstellt.

Wir haben nun die Fehler berechnet, wie sie bei der Milchsäure¬

titration entstehen können. Dabei gehen wir aus von unsern Grund¬

gleichungen.

x_9(a- b)

P

Y=186

V

Die Grösse des Fehlers Z1 im Prozentgehalt, welcher durch die

Messung von a und b bewirkt wird, kann wie folgt berechnet werden.

„ , „ 9(a±Aa)-9(b±Ab) 9 (a - 6) 9 (A a - A b)jC ^ AjC = = --[--

V V V

±AX= ± (Aa- Ab)V

!) Fr. 61, 305 (1922).

5

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- 66 -

Und analog für Y:

18

±AY=± Ab

V

Betrachten wir nun zuerst die Fehler für den Gehalt an freier

Säure (X). Da diese Grösse durch zwei Titrationen bestimmt wird,so haben wir auch in der Fehlerberechnung zwei Variable.

Es ergeben sich folgende Möglichkeiten:1) Aa und Ab sind gleich gross und von gleichem Vorzeichen.

In diesem Falle haben wir mit keinem Fehler zu rechnen.

2) Aa und Ab sind gleich gross, jedoch von verschiedenem Vor¬

zeichen. Wir haben die Maximalfehler. Unsere Gleichung geht über in

18± A X = ± (A a)

V

Es ergeben sich nun folgende Werte für AX:

Einwage 0,1 gr 0,5 gr 1,0 gr 2,0 gr 4,0 gr± A a = ±AX = ±AX= ±zlX = ±AX = ±AX=

0,01 cm3 1,80 0,36 0,18 0,09 0,045

0,03 „ 5,40 1,08 0,54 0,27 0,135

0,05 „ 9,00 1,80 0,90 0,45 0,225

0,10 „ 18,00 3,60 1,80 0,90 0,45

3) Ja und Ab sind ungleich gross und von gleichem Vorzeichen.

Aa > Ab bezw. Ab > Aa. Der Fehler ist kleiner als die Hälfte des

in obiger Tabelle angegebenen Wertes für Aa bezw. Ab.

4) A a und Ab sind ungleich gross und von verschiedenem Vor¬

zeichen. Der Fehler ist kleiner als der in obiger Tabelle dem grösserenA entsprechende Wert und grösser als derjenige dem kleineren A ent¬

sprechende.Für Y beträgt der Fehler gleich viel, wie für den Fall 2) bei X.

Somit ergibt sich als maximaler Titrationsfehler, berechnet auf

die Gesamtsäure, der doppelte Wert, welcher in obiger Tabelle an¬

gegeben ist.

18

Zl-max. =— {àa + Ab)

Die zweite wichtige Fehlerquelle ist diejenige der Einwage. Wäh¬

rend man glaubt, von p-Einheiten auszugehen, geht man in Wirk¬

lichkeit von p± Ap-Einheiten aus, weshalb man dann statt a + b

Masseinheiten Lauge (a ± Zlo) + {b ± Ab) Masseinheiten findet.

Um die Rechnung nicht unnötigerweise zu komplizieren, be¬

rechnen wir nur den Fehler für die Gesamtsäuremenge AZ2 und

benützen zu diesem Zweck die Formel von Benedetti-Pichler1).A v

AZ2=Z £- %P

*) loc. cit.

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- 67 -

Wir erhalten folgende Werte: Ap betrage ± 1 rngr.

V = 0,1 0,5 1,0 2,0 4,0

Säure¬

konzentrat.AZZin %

AZ»

in%AZ,

in%AZ2in%

AZ2in%

100%

90%

80%50%

20%

1,0

0,9

0,8

0,5

0,2

0,2

0,18

0,16

0,10

0,04

0,1

0,09

0,08

0,05

0,02

0,05

0,045

0,040

0,025

0,010

0,025

0,022

0,020

0,012

0,005

Für Ap = ± 0,5 mgr beträgt der Fehler die Hälfte der in obigerTabelle angegebenen WTerte.

Als dritte Fehlerquelle kommt die Temperatur in Betracht, da

sich die Titrierlösungen ausdehnen. Folgende Zahlen geben die Aus¬

dehnung des Wassers1), wenn bei 15° das Volumen als 1 angenommen

wird.

10° 0,999398 A y =- 0,000602

12° 0,999601 A y =- 0,000398

15° 1,000000 A y = 0,000000

17° 1,000324 A y = + 0,000324

20° 1,000894 A y = + 0,000894

Die Abweichungen von N-Lauge oder Säure im Vergleich zu

reinem Wasser werden nicht erheblich sein und können unberück¬

sichtigt bleiben.

Somit addiert sich zu unserem A a bezw. A b ein Fehler von

± a • Ay bezw. ± b • Ay. Der Maximalfehler für Temperaturschwan-kungen von ^ 5° gegenüber der Normaltemperatur von 15° ist kleiner

als 0,005 cm3 und kann deshalb auch vernachlässigt werden.

Ein vierter möglicher Fehler würde im Umrechnungsfaktor liegen,welcher von der Genauigkeit der Atomgewichtsbestimmungen ab¬

hängt. Doch besitzen diese einen derartigen Grad von Genauigkeit,dass es überflüssig erscheint, über ihre etwaige Fehlerwirkung auf das

Resultat zu reden.

Ein Fehler, der durch falsches Bestimmen der Laugen- und Säure-

titer herrührt, wird als solcher der Ablesung betrachtet.

Der maximale Gesamtfehler A Z beträgt also A Zlmax, + A Z2m8xDie grösste Abweichung in den Werten Z einer Reihe von Bestimmungenbei ein und demselben Material wird bei gleichen Bedingungen den

zweifachen Betrag des maximalen Fehlers A Z erreichen, wofür Bene-

detti-Pichler®) den Namen Streuung einführte.

!) Grimsehl, Lehrbuch der Physik. V. Aufl., I, S. 1001.

2) loo. cit.

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- 68 -

Betrachten wir die in den Pharmacopöen übliche Milchsäure¬

analysenvorschrift, nach welcher 2 gr Säure mit N-Lauge titriert

werden, so gelangen wir dabei zu folgenden Fehlern.

Bei den üblichen Handelsbüretten können als Minimum 20 Tropfenpro 1 cm3 gerechnet werden. Büretten mit einer kleineren Tropfenzahlmüssen unbedingt verworfen werden. Rechnen wir nun mit einem

Fehler von einem Tropfen (0,05 cm3j, so erhalten wir für A Z1 den

grossen Wert von 0,9%.Da nun von der schweizerischen Pharmacopöe 0,5 mgr als un¬

wägbar bezeichnet wird, so rechnen wir mit diesem Wägefehler. Dies

ergibt bei einer 80-proz. Säure für A Z2 = 0,02%. Die Streuung be¬

trägt somit nicht weniger als 1,85%.

In 140 Milchsäurenanalysen (vergl. S. 90 ff.) haben wir in drei

Fällen die Streuung überschritten, weshalb diese Analysen als falsch

taxiert wurden. 130 Analysen zeigten nur eine Streuung von 1%und nur sieben eine solche von 1—2%. 93% aller Analysen lagenalso innerhalb der halben Streuung.

Wir können die Streuungen folgendermassen graphisch darstellen.

ZM dar

AnAlrMi

ISO

»

80

«

X

-27» -!?o 0% tIH i-J%r«U«r

8trraiui£

Fig. 2.

Aus Vorstehendem ergibt sich die Notwendigkeit, die benützte

Analysenvorschrift abzuändern.

Der grösste Fehler entsteht bei der Titration. Diesen können

wir um das lOfache verringern, indem wir statt mit N-Lauge mit

0,1 N-Lauge titrieren. Dadurch wird es notwendig, auch die Einwagezu verkleinern, was auf Kosten einer Vergrösserung des Fehlers A Z2geschieht.

Mit einer Einwage von 0,4 gr würden wir für eine 100-proz. Säure

44,5 cm3 0,1 N-Lauge gebrauchen, für eine 80-proz. 35,6 cm3.

Wir schlagen deshalb vor, ca. 0,4 gr Säure mit 0,1 N-Lauge zu

titrieren. Dadurch wird unter Annahme der gleichen maximalen

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- 69 -

Fehler (Tropfenfehler 0,05 cm3, Wägefehler 0,5 mgr) A Zx = 0,225%,A Z2 = 0,1%. Die Streuung wird somit geringer, nämlich 0,65%gegenüber 1,85%.

Der Wahrscheinlichkeit nach dürften dann 80% aller Bestim¬

mungen innerhalb 0,3% Streuung liegen.Nun wäre es jedoch angenehmer, mit einer Wägung zwei Ana¬

lysen zu machen; doch wird der Fehler durch die neue Operation des

Abmessens eines aliquoten Teiles mittels einer Pipette vergrössert.Würden 1 gr Milchsäure in Wasser zu 50 cm3 gelöst und von dieser

Lösung 20 cm3 abpipetiert, so ergibt sich auf diese 20 cm3 ein Wäge¬fehler von 0,2 mgr. Der Fehler für einen Masskolben von 50 cm3 wird

von der Normaleichungskommission in Berlin zu 0,05 cm3, und der

"einer Voll pipette von 20 cm3 zu 0,025 cm3 angegeben. Dies ergibteinen Volumenfehler von 0,045 cm3, entsprechend 0,9 mgr.

Es wird somit A Zs = 0,2%.Die Streuung wird somit 0,85%. Der Wahrscheinlichkeit nach

dürften dann 87,5% aller Resultate innerhalb 0,4% Streuung liegen.Wir glauben, die Annehmlichkeit, zwei Analysen mit einer statt zwei

Wägungen ausführen zu können, sei so gross, dass eine Mehrstreuungvon 0,1% in Kauf genommen wird.

8. Abmessen oder Abwägen des Analysenmaterials.

Wir haben uns auch die Frage vorgelegt, ob Milchsäure für die

Bestimmung abgewogen werden muss, oder ob es möglich ist, dieselbe

mit hinreichender Genauigkeit der Bestimmung abzumessen.

Nach Klapproth1) genügt es für Betriebsanalysen, Milchsäure von

mittleren Konzentrationen abzumessen, wobei 10 cm3 Milchsäure auf

100 cm3 verdünnt werden und mit einem aliquoten Teil die Titration

ausgeführt wird. Die Pipette soll nachträglieh ausgespült werden.

Für massgebende Analysen muss nach Klapproth die Probe abgewogenwerden.

A. Besson2) unterstützt das Abmessen für die Betriebskontrolie,jedoch ohne die Pipette auszuspülen.

Fragen wir uns zunächst noch, wie gross der Fehler ist, wenn

Säure abpipettiert wird und infolge der grossen Viskosität der Milch¬

säure nicht immer gleich viel Säure ausfliesst. Oder was auf dasselbe

herauskommt, wir nehmen an, es fliesse stets die gleiche Menge Säure

aus, und nur das spezifische Gewicht sei geändert.Bedeutet d das spezifische Gewicht, 2 d die Einwage, so haben

wir unter Benützung der üblichen Bezeichnung9(a-b)

v_18 b

x) Ch. Z. 35, 1026 (1911).2) Ch. Z. 35, 1209 (1911).

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- 70

9X+ Y =U =

2d(a - b + 2 b)

wobei U die Gesamtsäurekonzentration bedeutet. Daraus ergibt sich

2üda + b

9

In der Gleichung9 (a + b)

2~d

ändere sich nun das spezifische Gewicht um A d, wodurch sich auch der

Gehalt U um A U ändert. Wir erhalten also:

U ±AU =

±AU

9(a+b)

2(d±Ad)

Ud

Ud

d±Ad

d± A d

- U

Für die bekanntesten Säurekonzentrationen mit den zugehörigenspezifischen Gewichten berechnen sich die Fehler wie folgt.

u = 100% 90% 80% 50% 20%

d = 1,2340 j 1,2150 1,1929 1,1236 1,0382

Aä = - 0,010 Aü= +0,824 AU = +0,741AU= + 0,676 AU= + 0,450 AU= + 0,195

- 0,005 + 0,407 + 0,372 + 0,337 + 0,224 + 0,096

0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000

+ 0,005 - 0,403 - 0,370 - 0,334 - 0,221 - 0,095

+ 0,010 - 0,817 - 0,735 - 0,665 - 0,441 - 0,191

Ad = gr/cm3 A U = %

In der Gleichgewichtsstudie zwischen freier und anhydrisierterMilchsäure (vergl. S. 91 ff.) haben wir je 5 cm3 Säure von 80% bezw.

50% Gesamtsäuregehalt und je 10 cm3 Säure von 20% Gesamtsäure¬

gehalt abgewogen.

Versuch Nr. Säurekonz.Mittl. spez.

GewichtMaximale Abweichung

1—7 81,1 1,1615 + 0,0058 - 0,0045

8—14 81,3 1,1591 + 0,0049 - 0,0039

15—21 51,2 1,1056 + 0,0043 - 0,0029

22—28 52,1 1,1051 + 0,0057 - 0,0027

29—35 51,3 1,1040 + 0,0046 - 0,0032

36—42 20,5 1,0385 + 0,0031 - 0,0016

43—49 20,7 1,0402 + 0,0020 - 0,0026

50—56 20,5 1,0392 + 0,0027 - 0,0026

57—63 25,5 1,0529 + 0,0025 - 0,0027

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- 71 -

In vorstehender Tabelle geben wir das spezifische Gewicht als Mittel

jeder Versuchsreihe von 7 Bestimmungen und die maximalen Ab¬

weichungen des höchsten und tiefsten Wertes vom Mittelwert.

Zu diesen Werten ist zu bemerken, dass die bedeutend höhere

positive maximale Abweichung daher rührt, dass in je einer Bestim¬

mung innerhalb der Versuchsreihe die viskose Milchsäurelösung aus

der Pipette ausgeblasen wurde. Die negative Abweichung gibt eher

ein Bild von der durchschnittlichen Abweichung vom Mittelwert.

Ein Vergleich der Versuchsergebnisse mit den berechneten Fehlern

ergibt, dass Milchsäure mit einem Gesamtsäuregehalt von mehr als

ca. 40% nicht abgemessen werden sollte, es sei denn, dass es sich

nur um eine ganz rohe Betriebsanalyse handle. Die Bestimmung von

ziemlich verdünnten Milchsäuren (z. B. 20%) ergibt bei einer Probe¬

entnahme durch Abmessen von 10 cm3 und Berücksichtigung des

spezifischen Gewichtes noch eine Genauigkeit von ca. ±0,1%.Dieser Fehler kann natürlich bei Betriebsanalysen auf Kosten

einer rascheren Bestimmung vernachlässigt werden.

Jedoch würden wir den Vorschlag von Besson1) unterstützen,die Pipette nicht auszuspülen.

Für genaue Milchsäurebestimmungen muss das Analysenmaterialunbedingt abgewogen, nicht abgemessen werden.

9. Untersuchung einiger Handelsmuster.

In folgender Tabelle geben wir eine Zusammenstellung des Säure¬

gehaltes einiger von uns untersuchter Handelsmuster. Die Bestim¬

mungen wurden im Februar 1925 ausgeführt.

Säure¬

muster

Bezugs¬

datum2)

Freie

Säure

Anhydr.Säure

Total Säure

(Amerio. X)

Gehalt bestimmt

durch direkte Titr.

nach Helv. IV

I XI. 23 61,2 26,6 87,8 74,5

II I. 25 59,1 28,4 87,5 73,3

III XII. 24 61,2 24,1 85,3 73,3

IV IX. 24 64,0 16,0 80,0 72,0

V XI. 24 66,8 15,6 82,4 74,6

VI X. 22 66,2 13,9 80,1 73,2VII XII. 24 63,7 19,2 81,9 73,3

VIII I. 25 61,5 24,3 85,8 73,7IX I. 25 52,9 49,2 102,1 77,3X I. 25 59,1 32,4 91,5 75,3XI I. 25 62,6 18,9 81,5 72,5

Das spezifische Gewicht von Muster X beträgt 1,2094 bei 20°.

XI„ 1,1888 „

20».

*) loc. cit.

2) Bei den Mustern IX—XI stimmt das Bezugsdatum mit demjenigen der Her¬

stellung überein.

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- 72 -

Aus diesen Zahlen ersehen wir, dass die Bestimmung der freien

Säure durch einfache Titration (Methode der Ph. Helv. IV) sehr

mangelhafte Resultate gibt, indem die verschiedenartigsten Säuren

einem Minimalgehalt von 73% genügen.Auch eine Gesamtsäurebestimmung (Methode der Americ. X)

lässt noch zu verschiedenartige Produkte zu.

Einen viel bessern Einblick in die Zusammensetzung der Milch¬

säure erhält man, ohne erhebliche Mehrarbeit, durch getrennte Be¬

stimmung der freien und anhydrisierten Säure.

10. Zusammenfassung und Vorschläge für die Ausführungder Titration.

Die Milchsäure soll für eine genaue Bestimmung abgewogen, nicht

abgemessen werden.

An dieser Stelle seien auch gleich noch Ergebnisse nachfolgendbeschriebener Versuche (vergl. S. 94) erwähnt, die sich auf die Ti¬

tration beziehen. Es wird nämlich gezeigt, dass Lactylmilchsäuredurch Verdünnen mit Wasser nicht sofort verseift wird, auch nicht beim

direkten Titrieren mit Natronlauge. Ein massiges Verdünnen konz.

Milchsäure bewirkt also bei unmittelbar nachfolgender Titration prak¬tisch keinen Fehler.

Aus der Berechnung der methodischen Fehler ergibt sich, dass

die Bestimmung, wenn immer möglich, mit 0,1 N-Lauge ausgeführtwerden sollte.

Die Bestimmung der freien Säure soll bei gewöhnlicher Temperaturausgeführt werden, während diejenige der anhydrisierten Säure durch

10 Minuten langes Kochen mit überschüssiger Natronlauge und nach¬

folgender Rücktitration erfolgt.Es wurde ferner gezeigt, dass bei der Titration der Milchsäure

Neutralrot als Indikator mit Vorteil verwendet wird, wodurch viele

sehr schwache organische Säuren aus der Bestimmung ausscheiden.

Für technische, stark gefärbte Milchsäure kann Thymolblau emp¬fohlen werden.

Der nachteilige Einfluss des Karbonatgehaltes der Lauge kann

dadurch behoben werden, dass die Menge Lauge, mit welcher die freie

Säure titriert wird, mit dem Gesamtalkalititer, während diejenigeMenge, welche zur Verseifung gebraucht wird, mit dem Hydroxyd-

bikarbonattiter multipliziert wird. Dadurch wird jedoch der Fehler,welcher durch Kohlensäureabsorption der Lauge während der Bestim¬

mung bedingt ist, nicht behoben. Dieser Fehler kann jedoch durch

das Titrationsverfahren nach Kunz eliminiert werden.

Das Titrationsresultat wird durch die Anwesenheit geringer Mengen(ca. 0,05%) Zucker oder Dextrin kaum beeinträchtigt. Sind diese

Verunreinigungen in grösseren Mengen vorhanden, so wird Milch¬

säureanhydrid wohl zweckmässig nach Thompson und Suzucki (vergl.

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- 73 -

S. 40) durch 10 Minuten langes Stehen mit einem grossen Überschuss

von Alkali bestimmt.

Als Ergänzung der Titration muss die Milchsäure unbedingt quali¬tativ auf Verunreinigungen geprüft werden. Ausser den früher erwähnten

Prüfungen (vergl. S. 36) ist es nötig, auch noch allgemein auf grobe

Verfälschungen mit anderen organischen Säuren, welche das Titra¬

tionsergebnis fälschen könnten, zu prüfen. In einfachster Weise ge¬

schieht dies durch Ermittlung des spezifischen Gewichtes, welches

dem durch Titration gefundenen Milchsäuregehalt entsprechen muss.

Das spezifische Gewicht chemisch reiner Milchsäure von ver¬

schiedenen Konzentrationen beträgt bei 1501):Milchsäure 100%ig spez. Gew. 1,2340

90%ig 1,2150

80%ig 1,1929

60%ig 1,1476

50%ig 1,1236

Wir fanden in eigenen Versuchen

15° Gesamtsäurekonzentration

15° als Milchsäure berechnet

1,2324 102,3%1,2130 91,2%1,1932 81,3%1,1241 51,5%

Die Änderung des spezifischen Gewichtes einer 90-proz. Säure bei

verschiedenen Temperaturen hat F. Dietze2) bestimmt. Er gibt fol¬

gende Werte an:

11° 1,218

15° 1,21517° 1,21419° 1,213

20° 1,212

22» 1,211

23° 1,210

25° 1,20928° •1,207

30° 1,206

Für die exakte acidimetrische Milchsäurebestimmung kommt im

Prinzip nur das Verfahren von B. Kunz in Betracht. Nur empfehlenwir an Stelle von 0,5 N-Lauge und Phenolphthaleïn die Benützungvon 0,1 N-Lauge und Neutralrot.

Eine abgewogene3) Menge Milchsäure (p) wird zunächst mit 0,1

N-Natronlauge unter Verwendung von Neutralrot direkt titriert (o),dann mit einer zur Verseifung der anhydrisierten Milchsäure genügenden

*) Privatmitteilung der Byk-Guldenwerke in Berlin, welche uns in wohlwollender

Weise zu unseren Versuchen Milchsäuremuster zur Verfügung stellten, wofür wir ihnen

auch an dieser Stelle bestens danken.

2) Apoth. Ztg. 26, 267 (1911).3) Bei 60%iger—100%iger Milchsäure oa. 1 gr.

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- 74 -

Menge 0,1 N-Natronlauge (b) durch 10 Minuten langes Erwärmen auf

dem Wasserbad verseift und hierauf mit soviel 0,1 N-Säure (c) ver¬

setzt, dass in der Lösung ca. 1—2 cm3 überschüssige Säure vorhanden

sind. Nun wird nochmals schwach erwärmt und nach erfolgter Ab¬

kühlung mit 0,1 N-Lauge (d) austitriert.

Berechnung :

0,9 (a + c - b- d)Freie Säure = %

V

1,8(6 + d- c)Anhydrisierte Saure = %

V

Diese Bestimmung, die immerhin ziemlich zeitraubend ist, kann

auch vereinfacht werden, allerdings auf Kosten der Genauigkeit.Der Betriebstechniker kann an Hand der vorstehend beschrie¬

benen Versuche eine für ihn genügend genaue Bestimmung leicht

ausarbeiten.

Wir beschränken uns hier auf die Angabe einer vereinfachten

Methode, wie sie für die Bestimmung der Milchsäure in den Pharma-

copöen etwa in Betracht käme.

Speziell möchten wir nochmals darauf hinweisen, dass eine blosse

Bestimmung der freien Säure oder der Gesamtsäure, wie sie von ein¬

zelnen Arzneibüchern vorgeschrieben wird, ungenügend ist, da nach

diesen Methoden Produkte von ganz verschiedenen Anhydridgehaltenzulässig wären.

Vorschrift:

Ca. 1 gr Milchsäure (genau gewogen) (p) wird in einem Masskolben

von 50 cm3 Inhalt mit Wasser bis zur Marke verdünnt. Zur Titration

werden 20 cm3 dieser Lösung in einen Erlenmeyerkolben abpipettiert.Man titriert unter Verwendung von 3—4 Tropfen Neutralrot (0,1-proz. weingeistige Lösung) mit 0,1 N-Natronlauge bis eine deutliche

Gelbfärbung mindestens 1 Minute bestehen bleibt. (Die verbrauchte

Menge Lauge wird mit dem Gesamtalkalititer (Methylorangetiter)multipliziert) (a). Hierauf werden noch 15 cm3 0,1 N-Natronlaugezugesetzt (diese werden mit dem Hydroxyd-Bikarbotiattiter (Neutral-rottiter) multipliziert) (b). Das Gemisch wird 10 Minuten auf ein

siedendes Wasserbad gestellt. Nach dem Abkühlen titriert man mit

0,1 N-Salzsäure zurück.

1 cm3 0,1 N NaOH = 0,009005 gr C3H60,

0,9 (o - V)Freie Saure = %

P

1,8 b

Anhydrisierte Saure = %

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- 75

III. Untersuchungen über die eventuelle Anwesenheit und Bestimmungvon Laktid in Milchsäure.

In der acidimetrischen Milchsäurebestimmung würde die An¬

wesenheit von Laktid das Resultat sehr beeinflussen, indem ein Mole¬

kül desselben zwei Moleküle Natronlauge zur Verseifung brauchen

würde.

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit einer Bestimmungs¬methode für Laktid. Zur Prüfung des ausgearbeiteten Bestimmungs¬verfahrens stellten wir reinstes Laktid her, mit welchem dann die

folgenden Versuche ausgeführt wurden.

Darstellung von Laktid.

Zur Darstellung von Laktid kommen ausser den Angaben von

J. Wislicenus1) nur diejenigen des D. R. P. 267826 der chemischen

Werke vorm. Dr. H. Byk in Betracht. Das Verfahren besteht darin,dass man Milchsäure durch 135° überschreitende Temperaturen zu¬

nächst in ein ganz oder teilweise anhydrisiertes, hochmolekulares

Produkt überführt und dieses durch weitere Steigerung der Temperaturbis gegen 200° spaltet. Das Laktid destilliert man im Vakuum bei

An- oder Abwesenheit eines gasförmigen (Luft, Stickstoff) oder flüs¬

sigen (Kohlenwasserstoffe) Transportmittels über.

Wir haben in nebenstehendem Kolben 50gr 90-proz.Pharmacopoemilchsàure im Stickstoffstrom (2,4 — 2,7Liter pro Minute) bei gewöhnlichem Druck de¬

stilliert.

Wir erhielten folgende Fraktionen:

I. 73—75° 5,7 gr

Es war Wasser mit einem geringenGehalt von ca. 0,2% Milchsäure.

II. 130—135° 8,0 gr

Mit dem Stickstoff entwichen stark

sauer reagierende Dämpfe. Die Fraktion

war eine wässerige Milchsäurelösung mit

einem Gehalt von ca. 20% freier und ca.

8% anhydrisierter Säure. FiS- 3-

III. 175—180° 12,0 gr

Das Destillat erstarrt teilweise. Der feste Körper wurde abge-nutscht und erwies sich als Laktid. Der flüssige Anteil erwies sich alsfreie und anhydrisierte Milchsäure.

IV. 190—195° 12,0 gr

Destillat erstarrt sofort. Rohlaktid. (Sintert bei 101°, schmilztbei 109—111°.)

*) A. 167, 318 (1873).

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- 76 -

V. Schwarzer Rückstand 8,0 gr

In der Hauptsache Laktid neben Polylactylsäuren.Laktid ist leicht löslich in Chloroform, Bromoform, Benzol, Aceton,

Essigäther, massig leicht in Äther, Alkohol und schwer löslich in Petrol-

äther, Benzin und Schwefelkohlenstoff.

Das Eohlaktid haben wir aus Alkohol umkrystallisiert. In der

Mutterlauge blieben noch bedeutende Mengen Laktid zurück, die man

durch weiteres Eindampfen gewinnen konnte. Es zeigte sich, dass

man bei raschem Arbeiten Laktid auch aus heissem Wasser umkry-stallisieren kann. In der Mutterlauge wurde dann aber nur noch an-

hydrisierte Milchsäure und kein Laktid mehr gefunden. Auch Amyl¬alkohol erweist sich als vorzügliches Krystallisationsmittel.

Das reine Produkt hat einen Schmelzpunkt von 128,1° unkorr.

oder 124,0° korr.

Eine 2-proz. weingeistige (95%) Lösung von Laktid reagiertenoch nach einer Woche neutral. Ebenso reagiert eine frisch bereitete

Lösung von Laktid in kaltem Wasser neutral. Nach einer Stunde

haben wir jedoch schon deutlich schwach saure Reaktion. Beim Er¬

hitzen wurde die Reaktion stark sauer.

Laktid ist nicht hygroskopisch.Analyse I. 0,6070 gr über Schwefelsäure getrocknetes Laktid

wurden mit 103,80 cm3 0,1 N-Natronlauge während einer Stunde

am Rückflusskühler auf dem Wasserbad verseift. Zur Rücktitration

wurden 19,62 cm3 0,1 N-Salzsäure verbrau'cht. Durch diese Titration

wurden 0,6060 gr Laktid gefunden, was einem Gehalt von 99,9% ent¬

spricht.Analyse II. Einwage 0,3498 gr. Gefunden durch Titration

0,3508 gr, entsprechend einem Gehalt von 100,2%.Analyse III. Einwage 0,4374 gr. Gefunden durch Titration

0,4380 gr, entsprechend einem Gehalt von 100,1%.

Verseifung und Titration von Laktid und Lactylmilchsäure.Während Laktid in der Kälte von Wasser nur langsam verseift

wird, erfolgt die Verseifung in der Hitze ziemlich rasch und quanti¬tativ. Kocht man ca. 1 gr Laktid mit 50 cm3 Wasser einige Stunden

am Rückflusskühler, so entsteht eine reine Milchsäure, welche frei von

anhydrisierter Säure ist (vergl. S. 88). Wir extrahierten nun mit

Äther nach Kutscher-Steudel, wobei fast alle Milchsäure in die ätherische

Lösung übergeht, trockneten diese mit geschmolzenem Calciumchloridund dampften den Äther im Vakuum ab. Es hinterblieb ein gelblicherSyrup, welcher aber bereits zur Hälfte wieder aus anhydrisierter Säure

bestand.

Wird ca. 1 gr Laktid in 40 cm3 lauwarmem Wasser gelöst und mit

N-Lauge titriert unter Verwendung von Phenolphthalein als Indi¬

kator, so tritt auf Zusatz der ersten Tropfen Natronlauge sofort Rot-

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— 77 —

färbung auf, die erst binnen 5—10 Sekunden verschwindet. Auf wei¬

tern Zusatz von Lauge machen sich die Wasserstoffionen der ent¬

standenen Lactylmilchsäure katalysierend geltend, indem fast momen¬

tane Entfärbung eintritt (vergl. S. 63). Auf weitern Zusatz von Laugeerfolgt die Aufspaltung des Laktidringes wieder relativ langsamer,entsprechend dem zunehmenden Gehalt an Natriumsalz der entstan¬

denen Lactylmilchsäure.CH3 • CH • C = 0

I i

0 0+ NaOH = CH3 • CH(OH) • CO—O—CH(CH3) • COONa + H20

O = C CH • CH3

Sobald alles Laktid entsprechend dieser Gleichung verseift ist,konstatiert man eine Rotfärbung, die erst in Zeiträumen von 5—10

Minuten wieder zurück geht.Wir haben gefunden, dass bei der direkten Titration von Laktid

in wässeriger Lösung die Hälfte des Laktids bestimmt wird, ent¬

sprechend obiger Formulierung. Erhitzt man nun das entstandene Lac¬

tylmilchsäure Natrium mit überschüssiger Lauge und titriert nach dem

Erkalten die nicht verbrauchte Lauge zurück, so wird zur Verseifungdie gleiche Laugenmenge verbraucht, wie zur direkten Titration des

Laktids. Der zweite Vorgang wird durch folgende Gleichung wieder¬

gegeben.

CH3 • CH(OH) • CO—O—CH(CH3) • COONa + NaOH = 2 CH3 • CH(OH). COONa

In nachfolgenden Versuchen wurde eine bestimmte Menge reinsten

Laktids mit 40 cm3 Wasser versetzt und titriert. Dabei wurden fol¬

gende Resultate erhalten.

Nr. Einwage Ind. Laug,konz.

cm3 ]

Direkt.

jauge

Versfg.

Laktic

Dir.Titr.

l bestimm

Naohf.

Versfg.

1 in gr

Total

Laktid-

gehaltin%

1. 0,2365 Nr 0,1 N 12,58 20,05 0,0906 0,1444 0,2350 99,40

2. 0,2470 Ph 0,1 N 15,22 18,98 0,1095 0,1367 0,2462 99,78

3. 0,4776 Nr 0,1 N 32,10 34,03 0,2311 0,2450 0,4761 99,69

4. 1,3852 Nr N 9,62 9,77 0,6926 0,7034 1,3960 100,79

5. 1,0586 Nr N 7,24 7,48 0,5213 0,5386 1,0599 100,126. 0,9206 Ph N 6,42 6,46 0,4622 0,4651 0,9273 100,73

Abkürzungen : Nr = Neutralrot, Ph = Phenolphthalein.

Die Versuche ergaben, dass die Titrationen mit 0,1 N-Laugesehr ungünstig verliefen, indem die Aufspaltung des Laktidringes bis

zu 80 % rasch, darüber hinaus hingegen sehr langsam erfolgte, so dass

es bis 2—3 Minuten bedurfte, bis wieder der umgekehrte Farbumschlagvon gelb auf rot nach Zusatz von 2 Tropfen 0,1 N-Natronlauge ein¬

trat.'

Es ist daher schwierig, den Endpunkt bei der direkten Titration

festzustellen.

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Bedeutend besser ist die Titration mit N-Lauge. Wenn auch die

Aufspaltung des Laktidringes gegen das Ende etwas langsamer erfolgt,so ist doch ein Endpunkt gut zu konstatieren. So werden in Versuch

Nr. 4. 50,0%5. 49,3%6. 50,2%

des Laktids durch direkte Titration bestimmt. Allzugrosse Anfor¬

derungen an die Genauigkeit dürfen natürlich nicht erwartet werden,indem für 1 gr Laktid der Tropfenfehler (0,04 cm3) bereits einen

Fehler im Gehalt von 0,3% bedingt. Wird das Laktid in 20 cm3 Wein¬

geist gelöst, so erfolgt die Aufspaltung durch wässerige N-Lauge bei

der direkten Titration nicht quantitativ, und zwar um so unvollstän¬

diger, je höher der Alkoholgehalt ist.

Vorstehende Versuche ergeben somit, dass Laktid in wässerigerLösung durch Lauge nicht unangegriffen bleibt, wie dies L. Medicus

(vergl. S. 38) angibt, sondern dass sich Laktid zu Lactylmilchsäureaufspaltet. Anderseits ersehen wir aus den Versuchen, dass von Lactyl¬milchsäure die freie Carboxylgruppe titriert wird, diese Säure aber

durch geringen Laugenüberschuss in der Kälte praktisch nicht ver¬

seift wird.

Wir erachten diese Feststellung als Beweis für die bis jetzt all¬

gemein übliche Annahme, dass Lactylmilchsäure bei der direkten

Titration nicht verseift wird.

Aus den Versuchen kann ferner gefolgert werden, dass von den

Polylactylsäuren aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls nur die freie

Carboxylgruppe titriert würde.

Bestimmung von Laktid neben Milchsäure.

a) Bestimmung mittels Zinkkarbonat.

J. Thurmond und G. Edgar1) haben das Gleichgewicht von Milch¬

säure, Milchsäureanhydrid, Laktid und Wasser bei 155° studiert. Sie

haben 5 gr Säure in einem zugeschmolzenen Rohr während 9—25

Stunden auf 155° erhitzt. Zur Bestimmung des Laktids wurde die

Säure in absoluten Alkohol gegossen und mit 10 gr Zinkkarbonat

versetzt und 15 Minuten auf dem Wasserbad erwärmt. Nach Ansicht

der genannten Autoren reagiert Zinkkarbonat rasch mit Milchsäure

und in alkoholischer Lösung zweifellos auch mit Lactylmilchsäure,nicht aber mit dem Laktid. Nach ca. 5 Minuten scheidet sich bereits

das Zinklaktat ab. Nun wurde abfiltriert und der Niederschlag mit

absolutem Alkohol nachgewaschen, das Filtrat auf 10 cm3 eingedampft,ein erscheinender Niederschlag wieder abfiltriert. Das Filtrat wurde

nach Zusatz von 20 cm3 Wasser mit Kalilauge hydrolisiert, noch mit

einer bestimmten Menge Standardsäure, welche zur Ausfällung etwa

x) J. Ind. and Eng. Ch. 16, 823 (1924); Ref. C. 1924, IV, 2137.

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noch vorhandenen Zinksalzes etwas Ferrocyankalium enthielt, ver¬

setzt und mit Säure titriert.

Wir haben auch einige Versuche mit Zinkkarbonat gemacht.Zinkkarbonat wurde hergestellt durch Fällen einer Zinksulfat¬

lösung mit Kaliumbikarbonat.1) Der Niederschlag wurde längere Zeit

mit einem Uberschuss des Fällungsmittels digeriert, abgesaugt, mit

Kohlensäure gesättigtem, kaltem Wasser gewaschen und bei 98° ge¬

trocknet.

Dieses Zinkkarbonat (5 ZnC03 + H20) löst sich in absolutem

Alkohol und Äther bei gewöhnlicher Temperatur nicht. Die Löslich¬

keit von Zinklaktat in Alkohol wurde zu 1:681 bei 18° bestimmt.

In Aceton und Äther ist Zinklaktat bei Zimmertemperatur vollständigunlöslich. Wird eine gesättigte alkoholische Lösung mit einem gleichenVolumen Äther versetzt, so fällt Zinklaktat aus. Die Löslichkeit in

diesem Gemisch wird gegenüber Alkohol um das ca. 10-fache vermin¬

dert. Sie wurde bestimmt zu 1:6849.

Bei der Umsetzung von Milchsäure mit Zinkkarbonat zeigte sich,dass in alkoholischer Lösung eine amorphe Masse entstand, die beim

Abfiltrieren ziemlich viel Lösungsmittel zurückhält. In Äther ist die

Umsetzung nicht vollständig, selbst dann nicht, wenn das Gemisch

während 5 Stunden intensiv gerührt wurde.

Auch die Versuche mit Laktid waren nicht ganz befriedigend.Der Versuch ergab zwar, dass selbst bei dreistündigem Erhitzen am

Rückfluss Laktid in Äther-Alkohol nicht verseift wurde. Sobald

jedoch Laktid mit Zinkkarbonat in der Wärme zusammengebrachtwurde, so konnte im Filtrat nicht mehr die gesamte Menge Laktid

gefunden werden.

Versuch I. 0,3102 gr Laktid wurden in 100 cm3 warmem, ab¬

solutem Alkohol gelöst, mit 1 gr Zinkkarbonat versetzt und während

einer Stunde gerührt. Nun wurde nach Zugabe von 50 cm3 Äther eine

weitere halbe Stunde gerührt und der entstandene Niederschlag ab¬

filtriert. Eine zweimalige Filtration ist notwendig. Es wurde mit wei¬

tern 20 cm3 absolutem Alkohol nachgewaschen und im Filtrat das

Laktid bestimmt. Es wurden nur 0,2528 gr, entsprechend 81,4%Laktid gefunden. Der Filterrückstand gab mit Brenzkatechin-Schwe¬

felsäure positive Milchsäurereaktion.

Versuch II. 0,3721 gr Laktid wurden in Alkohol von gewöhn¬licher Temperatur gelöst und analog dem obigen Versuch weiter behan¬

delt. Es wurden 0,3473 gr, entsprechend 93,3% Laktid, gefunden.Filterrückstand positive Milchsäurereaktion.

Versuch III. 0,4531 gr Laktid wurden in Äther-Alkohol gelöstund weiter wie in Versuch II behandelt. Der Niederschlag wurde mit

30 cm3 50-proz., heissem Weingeist nachgewaschen. Es wurden 0,4480 gr,

*) Gmelin-Kraut, Handbuch der anorganischen Chemie, IVT, 70; H. Mikusch,Z. a. Ch. 56, 371 (1908).

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entsprechend 98,9% Laktid gefunden. Der Pilterrückstand ergabimmer noch schwach positive Milchsäurereaktion.

Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass es wohl möglich wäre,mittels Zinkkarbonat eine quantitative Bestimmungsmethode für

Laktid auszuarbeiten. Doch würde diese Methode infolge der nicht

leicht quantitativ verlaufenden Umsetzung mit Zinkkarbonat und der

teilweisen Verseifung von Laktid in Gegenwart von Zinkkarbonat

wohl kompliziert ausfallen gegenüber der einfachen Titrationsmethode

in wässeriger und alkoholischer Lösung (vergl. c).Immerhin muss gesagt werden, dass die Bestimmung des Laktids

durch Titration in alkoholischem Medium bei Gegenwart von mehr

als 15% Wasser nicht anwendbar ist (vergl. c), während die Mög¬lichkeit besteht, mit der Zinkkarbonatmethode annähernd richtigeWerte zu erhalten, sofern in alkoholisch-ätherischer Lösung in der

Kälte gearbeitet wird.

b) Bestimmung mittels Ammoniak.

Nach J. Wislicenus1) entsteht aus Lactylmilchsäure, nach Wurtz

und Friedel2) auch aus Laktid, beim Sättigen mit Ammoniakgas eine

strahlig krystallinische Masse von Laktamid (Smp. 74°), die leicht

in Wasser und Alkohol löslich ist. In ätherischer Lactylmilchsäure-lösung fällt Ammoniumlaktat aus, während Laktamid in Lösungbleibt.

CH3 • CH • C = 0

O O + 2 NH3 = 2 CH3 • CH(OH) • CO(NH2)\ /

O = C CH • CH3

CH3 • CH(OH) • CO—O—CH(CH3)COOH + 2 NH3 =

CH3 • CH(OH) • COONH4 + CH3 • CH(OH) • CCHNH,,)

Wir versuchten, ob auf diesem Prinzip sich eine Bestimmungs¬methode aufbauen liesse. Das Ergebnis war aber negativ, weil auch

reines Laktid in Äther einen Niederschlag gab, und weil Ammonium¬

laktat immer schmierig ausfällt, selbst wenn das Ammoniakgas über

Kaliumhydroxyd und Natronkalk getrocknet wurde.

c) Bestimmung mittels Titration.

Nachdem wir gefunden hatten, dass Laktid in wässeriger Lösungbei der Titration nicht unangegriffen bleibt, machten wir Versuche

in absolutem Alkohol.

Eine mit Indikator (Neutralrot, Azolithmin, Bromkresolpurpur,a-Naphtholphthalei'n, Thymolblau oder Phenolphthalein) versetzte Lö¬

sung von Laktid in absolutem Alkohol ergab auf Zusatz eines Tropfens

1) A. 133, 261 (1865).2) A. eh. (3) 63, 108 (1861).

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0,5 N-Kalilauge Farbumschlag nach der alkalischen Seite. Bei Ver¬

wendung von Phenolphthalein verschwindet diese Färbung nach 15

Minuten, bei Thymolblau nach 30 Minuten, infolge Kohlensäureein¬

wirkung.Laktid wird in absolutem Alkohol durch wässerige Lauge nicht

angegriffen. Versucht man aber Laktid neben Milchsäure zu titrieren,so zeigt sich, dass die Lösung durch die wässerige Lauge bereits schon

so verdünnt wird, dass auch das Laktid teilweise aufgespalten wird.

Dies ist nicht der Fall, wenn alkoholische Lauge zur Neutralisation

verwendet wird.

Nun zeigte J. M. Kolihoff1), dass Indikatoren, die sich wie Säuren

verhalten, in alkoholischer Lösung empfindlicher werden für Wasser¬

stoffionen, gleichgültig ob der Indikator säure- oder alkali-empfindlichist. Indikatoren, die schwache Basen sind, werden bei Gegenwartvon Alkohol weniger empfindlich für Wasserstoffionen. Der Einfluss

des Alkohols entspricht einer Verminderung der Indikatorkonstante.

Kolihoff gibt in alkoholischer Lösung für Thymolblau und Phenol¬

phthalein folgende Korrektionswerte an, welche dem Indikatorexpo¬nenten zuzuzählen sind.

Alkoholgehaltin Vol. %

Thymolblau Phenolphthalein

20

50

70

+ 0,3

+ 0,8

+ 1,0

+ 0,1

+ 1,0

+ 2,2

Wir machten einige Vorversuche für die Titration in absolut

alkoholischer Lösung, unter Verwendung von Oxalsäure.

4,8280 gr Oxalsäure zur Analyse „Kahlbaum" wurden in 200 cm3

absolutem Alkohol „Siegfried" (99,5 Vol.-Proz.) gelöst und je 20 cm3

dieser Lösung mit 0,5 N. alkoholischer Kalilauge titriert.

Der zur Bereitung der alkoholischen Kalilauge verwendete abso¬

lute Alkohol wurde nach Winkler2) mit Silberoxyd und etwas Kalium¬

hydroxyd stehen gelassen und, nach dem Trocknen mit entwässertem

Natriumsulfat, abdestilliert unter Verwendung eines Hempelaufsatzes.Die mit diesem absoluten Alkohol bereitete KaUlauge wurde beim

Aufbewahren sowohl in weisser als auch in dunkler Flasche gelb.In einzelnen Versuchen wurde noch eine bestimmte Menge Wasser

zugesetzt.

Theoretisch würden die 0,4828 gr Oxalsäure 15,32 cm3 0,5 N-

Kalilauge verbrauchen, währenddem wir folgende Werte fanden.

x) C. 1923, II, 1232.

2) B. 38, 3612 (1905).

6

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IndikatorZusatz von Losungsmittel

(zu 20 cm3 alkohol. Oxalsäurelösung.)

Verbr. cm3

0,5 N-KOHUmschlagrot-gelb

Bromthymolblau

Thymolblau

»,

»,

20 Alkohol 15,1

15,50

15,40

15,45

15,35

15,35

15,43

15,35

7,52

7,13

ca. 6

7,52

20„ + 5 Wasser

15„

+10

Nahe am Äquivalenzpunkt 10 Wasser

20 Alkohol

20„ + 5 Wasser

15„

+10 „

25„

Diese Versuche ergeben, dass in alkoholischer Lösung mit Thymol¬blau gut titriert werden kann. Zudem ergibt sich noch, dass'von Oxal¬

säure in absolut-alkoholischer Lösung 98,2% der Säure in der ersten

Stufe titriert werden können. Schon auf Zusatz von weniger als 10%Wasser tritt der Umschlag des Thymolblau zu früh ein und auf Zusatz

von mehr Wasser wird der Umschlag von rot nach gelb sehr unscharf.

Wir haben nun auch Milchsäure und Laktid, sowie Mischungenbeider mit alkoholischer Lauge titriert.

Als Stammlösungen diente eine absolut alkoholische Lösung von

0,8915 gr einer 80-proz. Milchsäure in 10 cm3, und eine zweite von

0,1682 gr Laktid in 10 cm3.

Vorerst wurde jedoch die Milchsäure noch mit wässeriger N-Laugetitriert.

Wir fanden:

cm3 N-Natronlauge Gehalt in % Total SrDirekt Verserfg. Freie Sr. Anhydr. Sr.

Neutralrot. . . 14,32 1,90 62,8 19,1 81,9

Bromthymolblau. 14,21 1,84 63,3 18,6 81,9

Thymolblau . . . 14,23 1,88 62,9 19,0 81,9

Phenolphthalein . 14,26 1,91 62,4 19.3 81,7

Der Umschlag von Neutralrot ist in alkoholischer Lösung nicht

sehr schön, besonders nicht von gelb nach rot. Auch der Umschlagvon Bromkresolpurpur ist unbefriedigend.

Phenolphthalein und Thymolblau geben einen guten Umschlag.In nachfolgender Tabelle geben wir die Resultate der Titration

mit alkoholischer 0,5 N-Kalilauge.Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass bei der Titration mit 0,5

N-alkoholischer Kalilauge die Fehler bei der Bestimmung des Laktids

nicht unerheblich sind.

Um die Verseifung in alkoholischer Lösung vorzunehmen, emp¬fiehlt es sich, immer ein ungefähr gleiches Volumen Wasser zuzusetzen,.

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da sonst die Verseifung viel zu langsam und nicht immer vollständigverläuft.

cm3

0.5N-KOH

Gef. Laktid

Indi¬

kator1)

Substanz in gr Gefunden %-Sr. cm*

0£N- grMilchs. Laktid Direkt 1 Vers. Pr.S. Ah.S. Tot. S. KOH2)

Bkp. 1,7830 28,40 1,90 62,0 19,2 81,2

Tb. 1,7830 28,52 1,90 61,9 19,2 81,1

Bkp. 0,1682 0,0 4,68 0,1686

Bkp. 0,1682 0,0 4,64 0,1674

Tb. 0,8915 0,1682 14,26 6,45 81,6 4,35 0,1568

Tb. 0,8915 0,1682 14,17 6,54 81,2 4,67 0,1681

Btb. 0,8915 0,1682 14,26 6,58 81,6 4,48 0,1612

Btb. 0,8915 0,1682 14,20 6,56 81,3 4,66 0,1678

,Btb. 1,7830 0,1682 28,24 8,24 81,6 4,44 0,1585

Btb. 0,8915 0,2523 14,17 8,82 81,2 6,92 0,2491

In obigen Versuchen wurde mit 0,5 N-alkoholischer Kalilaugetitriert, dann wässerige N-Natronlauge und Wasser zugegeben und der

Alkohol teilweise abgedampft.

Bestimmung von freier Milchsäure, Lactylmilchsäure,Laktid und Wasser.

Nachdem wir gefunden haben, dass in wässeriger Lösung die

Hälfte des Laktids titriert werden kann, währenddem in alkoholischer

Lösung Laktid von Lauge nicht angegriffen wird, so versuchten wir

die Bestimmung der einzelnen Komponenten in Handelsmilchsäure.

Unter der' Annahme, dass wir in der zu untersuchenden Milch¬

säure freie a-Oxypropionsäure, Lactylmilchsäure, Laktid und Wasser

haben, ergibt sich folgende Berechnung:

CH3CH(OH)COOH CH3CH(OH)COOCH(CH3)COOH (CH3CHOCO)2 H20

M. G.: 90,05 162,08 144,06 18,02

X% Y% Z% W%

a = die bei der direkten Titration in wässeriger Lösung vérbr. cm3 N-NaOH

a' =„ „ „ „ „ „

alkoholischer„

'

„ „ „

b = die zur Verseifung in wässeriger Losung verbrauchten cm3 N-NaOH

V =„ „ „ „

alkoholischer„ „ „ „

j) = Einwage in Gramm.

Bei der ersten Titration in wässeriger Lösung wird die Milch¬

säure und je die Hälfte der Lactylmilehsäure und des Laktids titriert,also X + Yß + Z/2. Die zweite Hälfte der anhydrisierten Körperwird durch die Menge b bestimmt, also Yß + Z/2.

!) Bkp. = Bromkresolpurpur. Tb. = Thymolblau. Btb. = Bromthymolblau.

2) Zu dieser Berechnung wurde angenommen, dass immer 1,90 cm3 0,5 N-KOH

zur Verseifung des Anhydrids der Milchsäure verbraucht wurden.

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Somit können wir durch diese Titration einerseits nur die Mengefreier Milchsäure und andererseits die Menge anhydrisierter Säure -f-Laktid bestimmen, was sich durch Addition und Subtraktion der beiden

Gleichungen ergibt.Bei der Titration in alkoholischer Lösung wird direkt nur die

freie Säure und die Hälfte der Lactylmilchsäure titriert. Bei der Ver¬

seifung hingegen die zweite Hälfte der Lactylmilchsäure und die ge¬samte Menge Laktid.

Die direkte Titration ergibt also X -\- Y/2, die indirekte Y/2 + Z.

Somit gelingt es uns bei der Bestimmung in alkoholischer Lösungweder die Menge freier Milchsäure, noch die Menge an Lactylmilch¬säure oder Laktid einzeln festzustellen, sondern nur einerseits die

Menge freier Milchsäure + die Hälfte von Lactylmilchsäure, und an¬

dererseits die Hälfte von Lactylmilchsäure + Laktid.

Die Ergebnisse der Titrationen in wässeriger und alkoholischer

Lösung zusammen gestatten uns jedoch, den Gehalt der einzelnen

Komponenten der Handelsmilchsäure zu bestimmen.

LTnsere drei Gleichungen lauten also:

9,005 bI. Y/2 + Zfi -

V

9,005 a'II. X + Y/2 = —

P

9,005 VIII. Y/2 + Z =

P

als Milchsäure

berechnet.

Gleichung (II + III) - (I + II) ergibt:18,010

P

In III eingesetzt ergibt:

(&'- b)

18,010Y = (2 b- V)

P

In II eingesetzt ergibt:9,005

X = — (o' +b'-1b)V

Aus den beiden X-Werten ergibt sich sofort die Verifizierung:a + b = a' + V

d. h. in beiden Titrationen muss die Summe von freier Milchsäure,Lactylmilchsäure und Laktid, alles als a-Oxypropionsäure = 90,05

berechnet, gleich sein.

Setzen wir nun an Stelle des Molekulargewichtes der Milchsäure

diejenigen von Lactylmilchsäure und Laktid, so erhalten wir:

9,005 9,005X = (o - 6) = (o' + V - 2 6)

V P

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- 85 -

16,208

V(2 b- b')

14,406Z = — (b' - b)

V

W = 100 - (X + Y + Z)

Bei den Titrationen ist zu beachten, dass in beiden Fällen die

gleiche Einwage genommen wird, d. h. in der einen Titration müssen

die gefundenen Werte a und b im Verhältnis der Einwagen berechnet

werden, da sonst die Formeln unnützerweise kompliziert und unhandlich

würden. Die Rechnung wird sehr vereinfacht, wenn a, b, a', und b'

auf 1 Gramm Substanz umgerechnet werden.

Wir haben nun 100-proz. und 90-proz. Säure untersucht.

Eine bestimmte Menge der Säure wurde in 30 cm3 absolutem Al¬

kohol gelöst und mit alkoholischer 0,5 N-Kalilauge unter Verwendungvon einigen Tropfen Thymolblau bis zur Grünfärbung titriert. Nun

wurden 25 cm3 Wasser zugegeben, wobei es sich zeigte, dass die Grün¬

färbung bestehen blieb. Nach Zugabe eines Überschusses wässerigerN-Natronlauge wurde das Gemisch 20 Minuten auf ein siedendes

Wasserbad gestellt (Glaskapillaren), abgekühlt und mit 0,5 N-Schwefel¬

säure zurücktitriert.

In wässeriger Lösung wurde nach der üblichen Methode mit

N-Natronlauge unter Verwendung von Phenolphthalein und mit 0,5N-Schwefelsäure titriert (vergl. S. 40).

Wir fanden folgende Werte, die bereits auf 1 gr Substanz umge-

gerechnet sind:

Ca. 100-proz. Säure.

1. Bestimmung 2. Bestimmung Mittelwert

a 7,92 7,90 7,91

b 3,50 3,52 3,51

a + b. 11,42 11,42 11,42

a' 7,80 7,99 7,90

V 3,63 3,41 3,52

a' + b' 11,43 11.40 11,42

Aus diesen Mittelwerten berechnen sich die Gehalte wie folgt:

Freie Milchsäure

LactylmilchsàureLaktid

....

Wasser ....

X = 39,60%y = 56,76%Z = 0,14%W= 3,50%

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- 86 -

Ca. 90-proz. Säure.

1. Bestimmung 2. Bestimmung Mittelwert

a

b

a + b

a'

b'

a' + V

8,42

1,87

10,29

8,40

1,90

10,30

8,38

1,91

10,29

8,39

1,90

10,29

8,40

1,89

10,29

8,39

1,90

10,29

Aus diesen gefundenen Mittelwerten berechnen sich die Gehalte

zu:

Freie Milchsäure X = 58,98%

Lactylmilchsäure Y = 30,48%Laktid

.... Z = 0,14%Wasser

....W = 10,40%

Die gefundenen, sehr kleinen Laktidmengen (0,14%) liegen, wie

auch die Abeichungen der einzelnen Bestimmungen, weit innerhalb

der unvermeidlichen Fehlergrenzen der Methode. Wir glauben an¬

nehmen zu können, däss in Wirklichkeit, weder in der 100-proz., noch

in der 90-proz. Handelsmilchsäure Laktid vorhanden ist. Um so un¬

wahrscheinlicher ist sein Vorkommen in verdünnteren Milchsäuren.

Für die Anwesenheit von Polylactylmilchsäure lieferten unsere Ver¬

suche keinerlei Anhaltspunkte.Somit würde also reine Handelsmilchsäure nur aus freier a-Oxy-

propionsäure, Lactylmilchsäure und Wasser bestehen, wie es von

verschiedenen Autoren schon längst vermutet wurde.

Wasserbestimmung in Milchsäure.

Da die üblichen Wasserbestimmungsmethoden durch Trocknen

bei 100° oder über konz. Schwefelsäure oder durch Destillieren mit

Xylol nicht anwendbar sind, da unter starker Anhydridbildung Kon¬

stitutionswasser mitbestimmt würde, versuchten wir, ob nicht ein an¬

derer Weg gangbar wäre.

Zunächst versuchten wir die Karbidmethode von P. v. Dupré1)bei Milchsäurelösungen anzuwenden.

Dupré brachte die zu untersuchende Substanz mit Sand und

Karbid zusammen in ein Glasrohr, welches er mit einem Nitrometer,das mit gesättigter Kochsalzlösung beschickt war, verband. Nun wurde

das Reaktionsgefäss in ein. siedendes Wasserbad gestellt, bis kein

Gas mehr entwich. Auf Grund der Gleichung

CaC2 + 2 H20 = Ca(OH)2 + C2H2

l) Analyst 31, 213 (1906); Ref. Soc. Abstr. 90, ii, 626 (1906).

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- 87 -

wurde 1 cm3 C2H2 = 0,00162 gr H20 entsprechen, doch hält der

Calciumhydroxydrückstand kleine Mengen Wasser zurück, welche dem

entwickelten Acetylen proportional sind. Dupré rechnete daher mit

folgendem empirisch gefundenen Paktor: 1 cm3 C2H2 = 0,001725 gr

H20.Arbeitet man nach dieser Vorschrift bei der Milchsäure, so zeigt

sich, dass in der Säure nicht nur das Wasser, sondern auch, wie zu

erwarten war, die Milchsäure sich in der Wärme mit Karbid umsetzt.

In der Kälte würde das Karbid weder durch Säure noch durch Wasser

angegriffen.Ein analoges Verhalten zeigt auch konz. Schwefelsäure.

Eine Bestimmung des Wassers mittels Elektrolyse büeb ebenso

erfolglos, indem eine hochkonz. Milchsäure den Strom nicht leitet.

In 100-proz. Milchsäure konnte bei einer Spannung von 96 Volt keine

Elektrolyse wahrgenommen werden.

Es ergibt sich also, dass wir zur Zeit noch über keine Methode

zur direkten Bestimmung des Wassers in der Milchsäure verfügen,so dass der Wassergehalt indirekt bestimmt werden muss (vergl. S. 85).

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- 88 -

D. Gleichgewicht von Milchsäure und Milchsäure-anhydrid in

Handelsmilchsäure.

Die Frage des Gehaltes der Handelsmilchsäure an anhydrisierterSäure1) wird in der Literatur sehr wenig berührt.

Die erste Angabe macht J. Wislicenus2), welcher findet, dass der

Anhydridgehalt in Milchsäure mit dem Alter zunimmt. Jedoch muss

aus den angegebenen Zahlen geschlossen werden, dass das untersuchte

Präparat über Schwefelsäure aufbewahrt wurde, indem der Wasser¬

gehalt bald Null wird. Dadurch erklärt sich auch das Auftreten des

Laktids.

In einer neuestens veröffentlichten Arbeit versuchten R. Dietzel

und B. Krug3), das Gleichgewicht zwischen der Milchsäure und ihren

Anhydriden in wässeriger Lösung auf optischem Wege festzustellen.

Sie kamen zum Ergebnis, dass bereits in Milchsäurelösungen, deren

Konzentration die Normalität übersteigt, eine langsame Anhydrisie-

rung eintritt. Ferner ergaben die Versuche, dass die Milchsäure einer¬

seits und ihre Anhydride andererseits typische spektrale Unterschiede

aufweisen. Weitere Schlussfolgerungen ihrer Arbeiten müssen noch

abgewartet werden.

Die einzige Angabe über das zahlenmässige Verhältnis von An¬

hydrid und Milchsäure in Handelsmilchsäure findet sich bei Ullmann*).Er schreibt:

„Sehr störend ist die regelmässig stattfindende Anhydridbildung, die umso stärker

ist. je konzentrierter die Säure und je länger die Lagerung ist. In starker Verdünnungz.B. beim Gebrauch in den Lederfabriken, zerfällt das Anhydrid wieder, sodass demnach

der Säuregehalt nur scheinbar verringert war. Eine 50-proz. Säure soll höchstens 1,5% bis

1,8%, eine 80-proz. Säure 3%—4% Anhydrid enthalten, nicht aber 15%, wie es bis¬

weilen bei lang dauerndem Einkochen oder bei sehr langer Lagerung der hochprozentigenSaure vorkommt."

Dass der Gehalt an anhydrisierter Säure in frisch hergestellterHandelsmilchsäure relativ gering ist, beweisen uns folgende Angabenaus der Technik5).

*) Wir verstehen dabei in den nachfolgenden Untersuchungen unter diesem Aus¬

druck stets nur das Milchsäure-anhydrisierungsprodukt der Formel:

CH3 • CH(OH) • COO • CH(CH3) • COOH (Lactylmilchsäure)

2) A. 164, 181 (1872).3) B. 58, 1307 (1925).4) Enzyklopädie der technischen Chemie VIII 135 (1920).5) Privatmitteilung der Byk-Guldenwerke.

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Gesamtsäuregehalt AnhydridgehaltTechnische Milchsäure 50% ca. 1%

80% „ 4—5%Chem. reine Milchsäure 90% „ 8—12%

100% „ 22—30%

Wie ersichtUch, ist der Anhydridgehalt auch bei frischer Milch¬

säure bei höheren Konzentrationen grösser als bei niederen. Ferner

steht fest, dass bei längerem Lagern eine starke Zunahme des Anhydrid¬gehaltes erfolgt, z. B. stieg dieser in 3 verschiedenen Mustern von

Pharmacopöe-säuren (ca. 90-proz.) bei 1% jähriger Lagerung:I von 12,5% auf 19,4%

II von 10,3% auf 20,1%III von 8,3% auf 16,8%

Besson1) erhielt bei der Analyse eines Milchsäuremusters der

Firma Merck folgende Werte:

Freie S. Anhydr. S. Total S.

Februar 1910

Januar 1911

74,75

77,22

15,25

12.60

90.00%

89,82%

Nach diesem Befunde würde sich ein Teil des Anhydrids in dieser

konzentrierten Säure wieder allmählich in freie Säure verwandelt

haben. Besson fand ferner, dass sich auch beim Eindampfen einer

verdünnten Milchsäurelösung von 18,0% auf 84,8% eine Anhydrid¬menge von 6,39% bildet. Nach Besson ist die Gefahr der Anhydrid¬bildung bei der fabrikmässigen Herstellung der Milchsäure noch grösser.

Nach den vorliegenden Literaturangaben ist also die Anhydrid¬bildung von der Konzentration und von dem Alter der Säure abhängig.Wir stellten daher nach diesen beiden Richtungen hin einige neue

Versuche an.

Aus Untersuchungen von Milchsäuremustern verschiedener Pro¬venienz und verschiedenen Alters konnte kein Schluss gezogen werden.

Zum Studium des Gleichgewichtes von freier und anhydrisierterSäure in seiner Abhängigkeit von der Konzentration haben wir Musterreinster Milchsäure der Byh-Guldenwerke von einem Totalsäuregehaltvon 100%, 90%, 80% und 50% untersucht. Dabei war die 50-proz.Säure am Darstellungstag der übrigen Säuren aus der 80-proz. durchVerdünnen hergestellt worden.

Wir haben diese 4 Säuren erstmals 45 Tage nach der Darstellungund dann in Intervallen von je 60 Tagen untersucht. Die Analysender Muster wurden nach der von Klapproth bei Lunge-Berl (Chemisch-technische Untersuchungsmethoden) angegebenen Methode ausgeführt.Es wurden stets Doppelbestimmungen gemacht, indem 5 cm3 Säurein einem Masskolben von 50 cm3 Inhalt abgewogen, mit Wasser biszur Marke verdünnt und je 20 cm3 mit n. Natronlauge und 0,5-n.Schwefelsäure titriert wurden.

l) Ch. Z. 35, 26 (1911).

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- 90 -

In den nachfolgenden Tabellen gibt:Kolonne I. die Analysennummern. (No.)Kolonne II. das Alter der Milchsäure in Tagen. (Alter)Kohnne III. das ungefähre spezifische Gewicht, berechnet aus dem Gewicht der 5 cm3

abgemessener Milchsäure, (d)Kohnne IV. den gefundenen Gehalt an freier Milchsäure in %. (Fr. S.)Kolonne V. den gefundenen Gehalt an anhydrisierter Milchsäure in %, als Milchsäure

berechnet. 1 Milchsäure-anhydrid = 2 Milchsäure. (Ah. S.)Kolonne VI. den gefundenen Totalsäuregehalt in %, als Milchsäure berechnet. (Tot. S.)Kolonne VII. das prozentuale Verhältnis von gefundener freier zu anhydrisierter Milch¬

säure (Fr. S. : % Ah. S.), welches zur Aufzeichnung der Kurven benutzt

wurde.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr.S.:%Ah.S.

ca. 100 proz. Säure.

a) 45 1,2198 52,87 49,21 102,08 51,80 : 48,20

b) 105 1,2144 40,13 61,95 102,08 40,45 : 59,55

c) 165 1,1869 39,25 63,18 102,43 38,35 : 61,65

ca. 90- proz. Säure.

d) 45 1,2001 59,10 32,40 91,50 64,60 : 35,40

e) 105 1.1914 57,49 34,00 91,49 62,85 : 37,15

f) 165 1,2026 57.92 33,49 91,41 63,35 : 36,65

ca. 80- proz. Säure.

g) 45 1,1782 62,75 18,87 81,62 76,80 : 23,20

h) 105 1.1620 62,00 20,06 82,06 75,60 : 24,40

i) 165 1,1603 62,27 19,61 81,88 76,00: 24,00

ca. 50- proz. Säure.

k) 45 1,1106 46,80 4,86 51,66 90,55 : 9,45

1) 105 1,1100 48,49 3,16 51,65 93,85 : 6,15

m) 165 1,1107 49,14 2,79 51,93 94,50: 5,50

Diese Versuche bestätigen die bereits bekannte Tatsache, dass

der Anhydridgehalt eine Punktion der Säurekonzentration ist und

sich beim Aufbewahren eventuell ändern kann.

Zur Verfolgung des Milchsäure-Milchsäureanhydrid-Gleichgewichtesbeim Verdünnen mit Wasser stellten wir aus chemisch reinen Handels¬

milchsäuren mit variierenden Anhydridgehalten folgende Konzen¬

trationen her:Aus 100-proz. = 80%

90-proz. = 80%100-proz. = 50%90-proz. = 50%80-proz. = 50%

100-proz. = 20%90-proz. = 20%80-proz. = 20%50-proz. = 20%

Sämtliche Muster wurden in braunen Glasflaschen mit eingeschlif¬fenen Stopfen bei Zimmertemperatur aufbewahrt.

(Versuchsreihe((((((((

A)B)C)D)K)

F)G)H)J)

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- m -

In folgenden Tabellen geben wir in der ersten Horizontalreihe

die Gehalte an freier und anhydrisierter Säure, wie sie sich aus den

ursprünglichen, zur Verdünnung gelangenden Säuren berechnen. Dann

folgen die neuen Analysenresultate, welche die Mittelwerte von je2 Titrationen sind. Die zweite Kolonne gibt das Alter der Säure in

Tagen vom Momente der Verdünnung an.

Versuchsreihe A

58,0 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 47,0% freier und 55,1% anhydrisierterSäure wurden mit 15 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr. S.:%Ah.S.

37,3 43,8 81,1 46,0: 54,0

1) 1/24 1,1612 36,5 44,5 81,0 45,1 : 54,9

2) 1 1,1624 38,5 42,5 81,0 47,5: 52,5

3) 4 1,1570 41,6 39,5 81,1 51,3: 48,7

4) 11 1,1638 47,0 34,2 81,2 57,9:42,1

5) 30 1,1576 55,4 25,7 81,1 68,4: 31,6

6) 60 1,1609 60,5 20,6 81,1 74,6:25,4

V 100 1,1673 63,0 18.0 81,0 77,8:22,2

Versuchsreihe B

57,1 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 58,2% freier und 33,3% anhydrisierterSäure wurden mit 6,9 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr. 8.: % Ah. S.

51,8 29.6 81,4 63,6 : 36,4

8) 1/24 1,1552 51,7 29,6 81,3 63,6: 36,4

9) 1 1,1640 52,5 28,8 81.3 64,6: 35,4

10) 4 1,1569 . 53,7 27,5 81,2 66,2: 33,8

11) 11 1,1561 56,2 25,2 81,4 69,0: 31,0

12) 30 1,1576 59,7 21,6 81,3 73.4: 26,6

13) 60 1,1600 62,4 18,6 81,0 77,0: 23,0

14) 100 1,1581 63,3 18,0 81,3 77,9 :22,1

Versuchsreihe C

52,6 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 47,8% freier und 54,3% anhydrisierterSäure wurden mit 52,7 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr.S.:%Ah.S.

23,9 27,1 51,0 45,9 : 54,1

15) 1/24 1,1027 23,5 27,5 51,0 46,1 : 53,9

16) 1 1,1038 25,3 25,8 51,1 50,4:49,6

17) 4 1,1054 29,2 21,8 51,0 57,2 :42,8

18) 11 1,1099 34,7 16.6 51,3 67,6 : 32,4

19) 30 1,1041 41,9 9,5 51,4 81,6 :18,4

20) 60 1,1047 46,7 4,6 51,3 91,0 : 9,0

21) 100 1,1087 47,7 3,6 51,3 93,0:7,0

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- 92 -

Versuchsreihe D

51,7 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 58,6% freier und 32,9% anhydrisierterSäure wurden mit 40,6 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr.S.:%Ah.S.

33,2 18,8 52,0 63,4: 36,6

22) 1/24 1,1061 33,9 18,4 52,3 64.8 : 35,2

23) 1 1,1024 34,7 17,6 52,3 66,3 : 33,7

24) 4 1,1032 36,7 15,2 51,9 70,7 : 29,3

25) 11 1,1047 39,9 12,4 52,3 76,3 : 23,7

26) 30 1,1050 44,6 7,6 52,2 85,4:14,6

27) 60 1,1052 48,1 3,9 52,0 92,5 : 7,5

28) 100 1,1108 48,9.

3,6 52,5 93,2 : 6,8

TTT

Versuchsreihe E

60,7 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 62,4% freier und 19,4% anhydrisierterSäure wurden mit 36,3 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr. S.:%Ah. S.

39,06 12,16 51,2 76,2 : 23,8

29) 1/24 1,1008 39,1 12,1 51,2 76,3 : 23,7

30) 1 1,1018 39,4 11,9 51,3 76,8: 23,2

31) 4 1,1086 40,3 11,3 51,6 78,1 : 21,9

32) 11 1,1046 43,2 8,5 51,7 83,6 :16,4

33) 30 1,1020 45,8 5,5 51,3 89,3 :10,7

34) 60 1,1047 48,4 3,1 51,5 94,0 : 6,0

35) 100 1,1058 48,2 3,4 51,6 93,4: 6,6

Versuchsreihe F

80,0 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 41,2% freier und 60,9% anhydrisierterSäure wurden mit 20,0 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr.S.:%Ah.S.

8,3 12,2 20,5 40,5 : 59,5

36) 1/24 1,0382 8,2 12,4 20,6 39,8 : 60,2

37) 1 1,0369 8,9 11,5 20,4 43,6 : 56,4

38) 4 1,0371 10,9 9,6 20,5 53,2 : 46,8

39) 11 1,0416 13,7 6,9 20,6 66,5 : 33,5

40) 30 1,0374 18,2 2,4 20,6 88,4:11,6

41) 60 1,0406 19,5 1,1 20,6 94,6 : 5,4

42) 100 1,0377 20,1 0,5 20,6 97,6 : 2,4

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- 93 -

Versuchsreihe G

22,0 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 57,5% freier und 34,0% anhydrisierterSäure wurden mit 76,0 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr.S.:%Ah.S.

12,9 7,7 20,6 62,6 : 37,4

43)- 1/24 1,0406 12,5 8,3 20,8 60,1 : 39,9

44) 1 1,0409 13,2 7,3 20,5 64,4: 35,6

45) 4 1,0422 14.2 6,3 20,5 69,3 : 30,7

46) 11 1,0417 16,3 4,3 20,6 79,1 :20,9

47) 30 1,0378 18,6 2,2 20,8 89,4 :10,6

48) 60 1,0408 20,0 0,8 20,8 96,2: 3,8

49) 100 1,0376 20,25 0,45 20,7 97,8 : 2,2

Versuchsreihe H

25,0 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 62,0% freier und 20,0% anhydrisierterSäure wurden mit 25,0 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr. S.:%Ah. S.

15,5 5,0 20,5 75,6 : 24,4

50) 1/24 1,0403 15,0 5,5 20,5 73,2: 26,8

51) 1 1,0392 15,6 4,8 20,4 76,4: 23,6

52) 4 1,0413 16,4 4,0 20,4 80,4:19,6

53) 11 1,0419 17,4 3,0 20,4 85,3 :14,7

54) 30 1,0383 19,3 1,2 20,5 94,1 : 5,9 •

55Ï 60 1,0366 19.6 0,9 20,5 95,6 :4,4

56> 100 1,0371 20,0 0,4 20,4 98,0: 2,0

Versuchsreihe J

50,0 gr Milchsäure mit einem Gehalt von 48,5% freier und 3,1% anhydrisierterSäure wurden mit 50,0 gr Wasser verdünnt.

No. Alter d Fr. S. Ah. S. Tot. S. %Fr. S.:%Ah.S.

24.1 1,5 25,6 94,2 : 5,8

57) 1/24 1,0529 — — — — —

58) 1 1,0517 23,5 2,0 25,5 92,2:7,8

59) 4 1,0540 23,6 1,9 25,5 92,6 :7,4

60) 11 1,0554 23,8 1,7 25.5 93,4: 6,6

61) 30 1,0502 24,5 1,0 25,5 96,1 : 3,9

62) 60 1,0515 24,6 0,9 25,5 96,5 : 3.5

63) 100 1,0510 25,05 0,35 25,4 98,6:1,4.

Die Ergebnisse vorstehender Versuchsreihen hinsichtlich Ver¬

änderung des Milchsäure—Milchsäure-anhydrid-Verhäitnisses beim Auf-

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bewahren der verdünnten Handeismüchsäiaren sind in nachfolgendenKurven graphisch dargestellt.

\FrS\Ak.S

40 60

100 Tage

Um die Abhängigkeit des Anhydridgehaltes von der Temperaturzu ermitteln, wurde eine ca. 50-proz. Säure mit einem Gehalt von

48,8% freier und 3,5% anhydrisierter Säure in zugeschmolzenen Glas¬

röhren 1 Stunde ins siedende Chloroform- bezw. Tetrachlorkohlenstoff-

bezw. Wasserbad gestellt. Die darauffolgenden Analysen ergaben fol¬

gende Werte:

Temp. Fr. S. Ah. S. Tot. S.

59»

75»

98»

48,5

48,6

48,8

3,6

3,6

3,6

52,1

52,2

52,4

Es zeigte sich also, dass Einwirkung höherer Temperatur (unter.

Vermeidung einer Konzentrationsänderung) das Verhältnis von freier

zu anhydrisierter Milchsäure bei dem untersuchten Muster nicht mehr

änderte.

Darauf hin wurde eine 100-proz. Milchsäure auf 50% verdünnt.

Von dieser frisch hergestellten Verdünnung wurden je ca. 5 gr in zu¬

geschmolzenen Glasröhren eine bestimmte Zeit im siedenden Wasserbad

erhitzt und" nach dem Abkühlen sogleich analysiert.

Es wurden folgende Werte erhalten:

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Dauer derFr. S. Ah. S. Tot. S.

Erhitzung/o

%Fr.S. :%Ah.S.in Stunden % %

0 16,4 32.4 48,8 33,6:66,4

y* 20,6 28.2 48,8 42,2:57,8

% 24,2 24,8 49,0 49,4: 50,6

1 28,4 20,0 48,4 58,6:41,4

3 37,5 11,2 48,7 76,9:23,1

6 42,3 6,2 48,5 87,2:12,8

12 44,9 3,6 48,5 92,5: 7,5

24 44,9 3,6 48,5 92,5: 7,5

Aus der Versuchsreihe ergibt sich, dass in einer 50-proz. Säure

mit einem anfänglichen Anhydridgehalt von 32,4% beim Erhitzen das

Verhältnis von freier zu anhydrisierter Säure sich mit der Dauer des

Erhitzens ändert (vgl. nachstehende graphische Darstellung). Diese

Änderung erfolgt in gleichem Sinne wie in der Versuchsreihe C bei

gewöhnlicher Temperatur, nur in relativ viel kürzerer Zeit.

•/.Fr.SV/.Ah.S

100:0

90:10

80:20

70:36

60:40

50:50

40:60

30:70 i ' ' ' ' ' J ' ' ' 1 1 1 10 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 StH

Dauer der Erhitzung.

Fig. 5

Die Ergebnisse dieser verschiedenen Versuche sind eindeutig und

lassen sich wie folgt zusammenfassen.

1. Wird Handelsmilchsäure massig verdünnt, so verschiebt sich

das vor der Verdünnung bestehende Verhältnis von Milchsäure zu

anhydrisierter Säure nicht momentan. (Bei einigen Verdünnungenstimmen in den vorstehenden Versuchsreihen- A-J die berechneten

Werte mit den 1 Stunde nach Herstellung der Verdünnung gefun¬denen nicht genau überein. Wir glauben aber, die kleinen Differenzen

nicht etwa in dem Sinne interpretieren zu müssen, dass gleich nach

der Verdünnung Anhydridbildung erfolgt wäre (nach dem weitem

Verlauf der Kurven ist das höchst unwahrscheinlich), sondern sind

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der Meinung, dass diese Differenzen auf Ungenauigkeiten der angewandtenAnalysenmethode beruhen).

2. Verfolgt man titrimetrisch in Verdünnungen von Handels¬

milchsäure verschiedener Konzentration das Verhältnis von freier

Milchsäure zu Milchsäure-anhydrid während des Aufbewahrens bei

Zimmertemperatur, so zeigt sich, dass dieses Verhältnis sich verschiebt.

Es ist vorauszusehen, dass durch die Verdünnung die anhydri-sierte Säure einer Verseifung unterliegt, und sich das Gleichgewichtzugunsten eines höhern Gehaltes an freier Säure verschiebt.

Die Versuche haben uns gezeigt, dass die Verschiebung zuerst

relativ rasch verläuft und sich dann immer mehr verlangsamt. Nach

20 Tagen ging bei den von uns gewählten Verdünnungen der Anhydrid¬gehalt um mindestens die Hälfte zurück.

Es gilt das Gesetz der Massenwirkung, entsprechend folgenderGleichung :

2 CH3 • CH(OH) • COOH -^r. CR, • CH(OH) • CO—O—CH(CH3) • COOH + H20

Durch eine Vergrösserung der Konzentration des Wassers muss

zur Erhaltung des Gleichgewichtszustandes die Konzentration der

Milchsäure auf Kosten des Anhydrids vergrössert werden. Mit zu¬

nehmender Verschiebung des Gleichgewichtes zugunsten der linken

Seite, nimmt die Konzentration des Wassers und damit die Geschwin¬

digkeit der Verseifung ab.

3. Die Versuche sprechen dafür, dass es für jede Milchsäure¬

konzentration einen Gleichgewichtszustand von freier Milchsäure zu

anhydrisierter Säure gibt. Milchsäurelösungen von gleichem Gesamt¬

säuregehalt, aber anfänglich ganz verschiedenen Anhydridgehalten,stellen sich allmählich auf dieses Gleichgewicht ein. Nach unsern

Versuchen liegen die Gleichgewichtszustände ungefähr folgendermassen :

Gesamtsäuregehalt

(Berechnet als Milchsäure)

Gleichgewicht vonFreier Säure : Anhydr. Säure

(Berechnet als Milchsäure)

ca. 80%

ca. 50%-ca. 20%

ca. 62% : ca. 18%ca. 46,5% : ca. 3,5%ca. 19,6% : ca. 0,4%

4. Bei Zimmertemperatur wird der Gleichgewichtszustand nach

unseren Versuchen erst in etwa 100 Tagen erreicht. Bei 100° stellt

sich dieser Gleichgewichtszustand schon in ca. 12 Stunden ein.

5. Ist dieser Gleichgewichtszustand erreicht, so ändert auch eine

höhere Temperatur das Verhältnis von freier zu anhydrisierter Milch¬

säure nicht mehr, sofern eine Konzentrationsänderung durch Ver¬

dampfen vermieden wird.

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Wird hingegen eine wässerige Milchsäurelösung eingedampft, so

können mit dem Wasser auch noch kleinere oder grössere MengenKonstitutionswasser aus der Milchsäure entweichen, je nachdem im

Vakuum oder bei gewöhnlichem Druck gearbeitet wird. So kann es

vorkommen, dass ein höherer Anhydridgehalt entsteht, als dem Gleich¬

gewicht entspricht. (Bei einer solehen Säure geht dann beim Aufbewahren

der Anhydridgehalt zurück.) Anderseits kann bei einer im Vakuum

eingedampften hochprozentigen Säure der Anhydridgehalt geringersein als dem Gleichgewicht entspricht, wenn die Erhitzung nicht

genügt hat, um das Gleichgewicht einzustellen. (Bei einer solchen

Säure steigt dann beim Aufbewahren der Anhydridgehalt.)

Über die kolloide Natur der Milchsäure.

J. Thurmond und G. Edgar1) berichten über die Gleichgewichts¬verhältnisse der Milchsäure bei 155°. Sie fanden durch Berechnungder Konstanten des Massenwirkungsgesetzes, dass weder diejenigen,welche sich auf Grund der Lactylmilchsäurehydrolyse ergibt:

(Mol. Anhydrid) (Mol. Wasser)1=

(Mol. Säure)«~

noch diejenige, welche sich auf Grund der Laktidhydrolyse ergibt:

(Mol. Laktid) (Mol. Wasser) »

* ^

(Mol. Säure)»

einen auch nur annähernd gleichen Wert besitze.

Hingegen gibt die Konstante, welche auf der Annahme, dass

Mol. fraktion Säure + Mol. fraktion Laktid + Mol. fraktion Wasser

= 1,0 sei, also:

(Mol. fraktion Laktid) (Mol. fraktion Wasser)

(Mol. fraktion Säure) (Gesamtmol.)

einen annähernd gleichen Wert von 0,0567 (höchster Wert 0,0656,tiefster Wert 0,0410). Daraus schlössen die genannten Autoren, dass

das Anhydrid im Gleichgewicht keine Rolle spiele, sondern sich kolloidal

in der Lösung befinde. Die gebildete Anhydridmenge ist nach Thur¬

mond und Edgar gering, so dass für das Gleichgewicht nur Milchsäure,Laktid und Wasser in Präge kommen.

Wir enthalten uns einer eingehenden Kritik dieser Arbeit und

geben nur unsere Versuche hinsichtlich der kolloidalen Natur der Milch¬

säure wieder.

!) Jour. Ind. and Eng. Ch. 16, 823 (1924).7

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Keines der untersuchten Milchsäuremuster, von 80%, 90% und

100% Gesamtsäuregehalt zeigte weder ein Tyndallphänomen, noch

bei der Untersuchung im Ultramikroskop irgendwelche kolloidale

Teilchen. Auch eine auf 150° erwärmte, zähe Milchsäuremasse gabbei diesen Untersuchungen ein durchaus negatives Ergebnis.

Zusammenfassung.Es wurden Zusammenstellungen der in der Literatur bekannten

Identitätsprüfungen sowie der Identifizierungsmethoden in den

einzelnen Arzneibüchern gegeben und an Hand eigener kritischer

Versuche neue Vorschläge gemacht.Es wurde eine Übersicht über die Verunreinigungen der Milch¬

säure gegeben. Gestützt auf die Reinheitsprüfungen der Literatur

und eigene Versuche wurden Vorschläge für die Reinheitsprüfung der

Milchsäure gemacht.Es wurde ein Überblick gegeben über die in der Literatur beschrie¬

benen und die in der Pharmazie, Lebensmittelchemie und Physiologieüblichen Bestimmungsmethoden der Milchsäure.

Die acidimetrische Titration der Handelsmilchsäure wurde ein-

lässlich studiert. Die Wahl eines geeigneten Indikators, die Kenntnis

des Einflusses von Temperatur, von die Milchsäure verunreinigendenKohlehydraten und besonders von Kohlensäure, sowie die Ermitt¬

lung der Fehlerquellen der Methode, führte zu einer präzisen Titrations¬

vorschrift.

Es wurde eine Methode zur Bestimmung von Laktid in Milchsäure

neben Lactylmilchsäure ausgearbeitet und mittels derselben gezeigt,dass in Handelsmilchsäure praktisch kein Laktid enthalten ist.

Es wurde ein Einblick gewonnen in die Gleichgewichtsverhältnissezwischen Milchsäure und Milchsäureanhydrid.

Abkürzungen für Literatur-Quellen.

Für die meist zitierten Zeitschriften wurden die Abkürzungen aus

„Beilsteins Handbuch der organischen Chemie" gewählt.

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Curriculum vitae.

Ich, Fritz Kutter von Homburg, Kt. Thurgau, wurde geboren in

Uzwil, den 19. Juni 1902, als Sohn des Johann Joseph Kutter und der

Ida geb. Stähelin.

Nach dem üblichen Primär- und Mittelschulgange trat ich nach

Absolvierung der technischen Matura in Schwyz 1920 an der Eidg.

Techn. Hochschule ein, woselbst ich dem Studium der Chemie oblag

und dasselbe 1924 mit dem Diplom beendete.

Unmittelbar darauf trat ich bei Herrn Prof. Dr. Eder als Assistent

für Pharmacopöcarbeiten in Stellung, welche ich heute noch inne habe.

Während dieser Zeit wurde die vorliegende Promotionsarbeit

ausgeführt.