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146 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 14 (1991): Rezension
11 B. Weinstein: Handbuch der physikalischen Mafibestimmungen. Berlin 1886, S. 5. 12 B. Weinstein (wie Anm. l l ) , S. 5. 13 Zitiert nach M. Josephson: Thomas A. Edison. Miinchen 1969, S. 466. 14 Vgl. hierzu F. Manuel: The Lad from Lincolnshire. Ems Quurterly 10 (1967), 3, 10-29. 15 Vgl. R.K. Merton: Science, Technology and Society in 17fh Century England [1938]. Nachdruck: London
16 W. Kutschmann (wie Anm. lo), Kap. 7.
Anschrift des Verfassers: Dr. Werner Kutschmann, Oppenheimer Landstrafie 72, D-6000 Frankfurt am Main 70
1970.
Rezension
Ilse M. Fasol-Boltzmann (Ed.): Ludwig Boltzmann, Principien der Naturfilosofi. Lectures on Natural Philosophy 1903-1906. With Two Essays by S. G. Brush and G. Fasol. Berlin usw.: Springer Verlag 1990. 303 Seiten, 58 Abb.
Ludwig Boltzmann hat aus sehr verschiedenen Griinden die besondere Aufmerksamkeit der Wissen- schaftshistoriker auf sich gezogen: Einmal gehorte Boltzmann zu den ersten kontinentalen Physikern, die Maxwells Feldtheorie der Elektrodynamik rezi- pierten, und zwar unter betonter Erhaltung der Dar- stellung der Theorie mit Hilfe von mechanischen Modellen; und dann stellt ja die Nutzung mechani- scher Modelle im Bereich der Thermodynamik, ins- besondere in der kinetischen Gastheorie und bei der Formulierung des 2. Hauptsatzes der Thermodyna- mik, Boltzmanns eigentliches Lebenswerk dar - ein Werk, das allerdings in der positivistisch gepr%gten Umgebung der Naturwissenschaften am Ende des 19. Jahrhunderts vielerlei philosophischer Kritik und auch offenen Anfeindungen ausgesetzt war.
So spiegeln Boltzmanns Vorlesungen iiber Natur- philosophie aus den Jahren 1903 bis 1906 (abgesehen von der ironischen Reaktion auf die Rechtschreibre- form!) in mehrfacher Weise seine Auseinanderset- zung mit der Philosophie wider: Einmal, und vorge- tragen in vielfach aufierst geringschatzigem Tonfall, seine Abneigung gegenuber der Fach-Philosophie von Kant uber Hegel bis Schopenhauer; und zum anderen seine Auseinandersetzung mit der Philoso- phie Ernst Machs mit ihren Zweifeln an der Existenz von Objekten aui3erhalb der sinnlichen Wahrneh- mung und mit ihrer Kritik an der Begriffsbildung von physikalischen Theorien, wie etwa der Atom- theorie, die auf solchen Objekten aufgebaut sind. Ge- genstand der Vorlesungen war also auch das inhaltli- che Verwoben-Sein von Boltzmanns theoretischer
Physik mit der Wissenschaftsphilosophie seiner Zeit. Wie bereits aus den gedruckten Schriften Boltz- manns hervorgeht, hatte sich Boltzmann auf berner- kenswerte Weise einer eher symbolischen, modell- haften Auffassung der Atomistik genahert. Die naturphilosophischen Uberlegungen Boltzmanns kreisten aber vor allem urn die Aufgaben der Philo- sophie, um das Problem der Definition wissenschaft- licher Terme, um die Grundlegung der Mathematik, um die Frage, wie man sich der Komplexitat der Natur nahern kann und nicht zuletzt um die philo- sophischen Probleme von Raum und Zeit.
Allerdings ist es offensichtlich, daf3 die Vorlesun- gen Boltzmanns trotz der hier dokumentierten Vor- bereitungen und trotz der wiedergegebenen Mit- schriften weniger systematischen als aphoristischen Charakter hatten. Insofern ist auch die vorliegende Edition der Vorlesungen allenfalls so auszuwerten, dai3 mit einem Raster von konkreten wissenschafts- historischen Fragen an die Texte herangegangen wird. Die grofie Bedeutung der vorliegenden Edition und die besondere Leistung der Herausgeberin ist es aber sicherlich, dai3 durch die miihevolle Transkri- bierung der in stark personlich gepfigter Kurzschrift geschriebenen Notizen der Boltzmann-Forschung eine neue Quelle erschlossen worden ist. Inwieweit hier allerdings Mehrdeutigkeiten der Schrift (,,Ox- walds Benzinmotor ...", S. 77, ist wohl eher als ,,Ottos Benzinmotor . . ." zu lesen?) inhaltliche Ver- schiebungen verursacht haben, ist nicht leicht zu beurteilen.
Walter Kaiser, Aachen
0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1991 01 70-6233/91/03 10-0146 $03.50+ ,2510