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InhaltThema: Film in Bangladesch

4 Erst die heile Welt – dann ActionBeobachtungen aus einem Kinoin Dhaka Moritz Marbach

6 Vom Kunstfilm bis Dhallywood.Eine Übersicht über den Filmin Bangladesch Christian Weiß / Carmen Brandt

10 „Ich bin ein zufälliger Filmemacher“Ein Gespräch mit Tareq undCatherine Masud Patrizia Heidegger

Politik & Gesellschaft

13 Meldungen Patrizia Heidegger, Niko Richter, Dirk Saam

16 Parteireformen nach Plan? Niko Richter

NETZ aktiv

18 Video Botschaft von Slumkindern zum G8-GipfeltreffenLipis Traum einer wunderbaren Zukunft

Patrizia Heidegger

19 P8-Konzert in Rostock am 7. Juni 2007„Stimmen gegen Armut“

22 AK Bildung: neues Ehrenamtlichen-Team aktiv

Impressum

NETZ kämpft gegen Armut in Bangladesch.Mit Selbsthilfe-Projekten für Ernährung, Bil-dung und Menschenrechte. Die gemeinnützi-ge Organisation ist Teil der internationalenKampagne DEINE STIMME GEGEN ARMUT.

Bitte spenden Sie auf das Konto:

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Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragenbescheinigt NETZ mit dem Spenden-Siegel, dasswir– wahrheitsgetreu, eindeutig und sachlich in Wort

und Bild informieren,– die Finanzmittel nachprüfbar, sparsam und

satzungsgemäß verwenden,– Spenden und Zuschüsse sowie deren Verwen-

dung eindeutig und nachvollziehbar imJahresabschluss dokumentieren.

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Gefördert vom:Evangelischen Entwicklungsdienst

Die NETZ-Ausgabe 4/2007 hat denArbeitstitel: „Dhaka – Städtische Ar-mut“

Zeitschrift für Entwicklung und GerechtigkeitNr. 3, 29. Jahrgang, 30.08.2007

Moritz-Hensoldt-Str. 20 – 35576 WetzlarTelefon: 0 64 41 – 2 65 85 Fax.: 0 64 41 – 2 62 57e - mail: [email protected]: Gisela Bhatti, Carmen Brandt, Babara Das-Gupta, Peter Dietzel,Felix Groh, Patrizia Heidegger, Heiko Herold, Tanja Kämmerer, MoritzMarbach, Niko Richter (v.i.S.d.P.), Ingo Ritz, Dirk Saam, Christian Weiß(Leitung)Cover-Gestaltung: Moritz Marbach, Cover-Foto: Anneke DupuisDruck: Druckkollektiv, Giessen, auf chlorfrei gebleichtem 100 % AltpapierDie Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Jahresabonnement: 20,- EURO.Einzelexemplare: 5,- EURO

ISSN 1619–6570

NETZ 3

EditorialEdi tor ia lEd i tor ia lEd i tor ia lEd i tor ia lEd i tor ia l

am 1. Januar 1992, auf meiner ersten Reisenach Deutschland, saß ich neben zweiHerren aus München auf dem FrankfurterFlughafen. Sie waren zwei Geschäftsleute,die in die USA auswandern wollten.Während der langen Wartezeit auf denTransit-Flug kamen wir ins Gespräch. Ichwar überrascht zu erfahren, dass sie in dieVereinigten Staaten emigrierten. Neugie-rig fragte ich sie: „Was kann überhaupteinen Deutschen zur Einwanderung in dieUSA motivieren?“ Ihre Antwort war kurz,aber einleuchtend: „Na, US-amerikanischeDollars!“ Prompt kam die Gegenfrage:„Was motiviert denn Sie, aus Bangladeschnach Deutschland zu kommen?“ Ich antwortete darauf:„Deutsches Kino.“ Beide lachten laut. Mit dieser Antworthatten sie nicht gerechnet.

Damals habe ich nicht verstanden, warum sie gelachthaben. Aber nach meinem fünfjährigen Studium an derFilmhochschule in Potsdam ist es mir klar. Das „NeueDeutsche Kino“, das in den 60er und 70er Jahren dieinternationale Filmlandschaft veränderte und bei mir undeinigen meiner Kollegen viele Jahre später in Bangladesch,trotz der geografischen Entfernung, die Liebe zum Kinoweckte, war im eigenen Land längst nicht so bekannt, wieich erwartet hatte. Der Grund war, und ist heute noch, dasUS-amerikanische Kino. Ähnlich ist es auch inBangladesch. Das indische Kino hat es geschafft, unsereWohnzimmer zu erobern. Die goldene bangladeschischeKinoära der 60er ist heute nur noch Legende. Ab den 80erJahren haben sich scheinbar die meisten Zuschauer damitabgefunden, dass in ihren Wohnstuben hauptsächlichindische Filme gezeigt werden. Und die bangladeschischeFilm-Industrie versucht seither, mit wenigen Mitteln dieübrigen Zuschauer, die kein Wohnzimmer haben, zubedienen.

Aber gleichzeitig haben die jungen, innovativen Filmema-cher in Bangladesch nie aufgegeben. Mit der so genannten„Filmgesellschaft-Bewegung“ in den 70er Jahren, der„Kurzfilm-Bewegung“ in den 80er Jahren und unabhängi-gen Kino-Produktionen wie „Matir Moina“ („Das Vögel-chen aus Lehm“) in den 90er Jahren und im neuen Jahrtau-send haben sie immer wieder Versuche unternommen, ihreZuschauer zurückzugewinnen. In den letzten zehn Jahrenwurden so viele Spielfilme außerhalb der rein kommerziel-

len Filmindustrie des Landes produziertwie nie zuvor. Viele dieser Filme fandenauf internationalen Filmfestivals großeAnerkennung. Doch sie haben es schwer,in Europa Zuschauer zu begeistern, dienicht zum Fachpublikum der Festivalsgehören. Die Filmemacher sind auf dieVerleiher angewiesen, die die europäischeKinolandschaft gestalten. „Die Zuschauerhaben wenig Interesse an einem Land wieBangladesch“, lautet das Argument vielerVerleiher. Doch die Zuschauerreaktionenin Deutschland nach der Fernsehaus-strahlung meiner eigenen Filme, die sichausschließlich mit Bangladesch beschäfti-

gen, beweisen genau das Gegenteil.

Zeitgenössische unabhängige Produktionen ausBangladesch behandeln meist die beiden Themen Geschich-te und gesellschaftlicher Wandel. Sie verschaffen einenEinblick in die soziopolitische Entwicklung des Subkonti-nents. Wer heute behauptet, dass diese Themen die europäi-schen Zuschauer nicht betrifft, irrt gewaltig. Vor 20 Jahrenhaben auch viele Menschen in Europa und den USAgedacht: Was in Afghanistan geschieht, geht uns nichts an.

Manche argumentieren gar, das europäische Publikumwürde das komplexe Bild unserer Gesellschaft nichtverstehen. Dem kann ich nur folgendes entgegnen: Wirverstehen sehr wohl, warum der kleine Oskar in der„Blechtrommel“ schreit. Und ich denke, dass auch vieleEuropäer begreifen, warum der kleine Rokon in „MatirMoina“ schreit. Auch wenn die Gründe in beiden Fällensehr unterschiedlich sind.

Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung beim Lesen dieserNETZ-Ausgabe!

Ihr

Shaheen Dill-Riaz

Shaheen Dill-Riaz ist Regisseur. Informationen zu seinenFilmen gibt es in NETZ aktiv.

Liebe Leserin, lieber Leser,

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Irgendwann Mitte der 70er Jahre wurde das Kino in Shyamoli gebaut.Direkt an einer großen Hauptverkehrskreuzung im Norden Dhakas

gelegen, wölbt sich die fensterlose Außenwand der „Cinema Hall“ inden vierstöckigen quadratischen Häuserkomplex hinein. Links und

rechts der Eingangstüren hängen Kinoplakate. Handgemalt und farbigfotokopiert. Eine großbusige Frau mit tiefem Ausschnitt ist da zum

Beispiel zu sehen. Umringt wird sie von jungen Männern mit schwerenWaffen in den Händen. Ihre Gesichter sind blutverschmiert und

hasserfüllt. Der Titel des Films bedeutet frei übersetzt „Verfolgung“. Erwird in der heutigen Spätvorstellung gegen 21.00 Uhr gezeigt. Gleich

daneben das Plakat für die Abendvorstellung um 18.00 Uhr: „DieRückkehr des Sohns.“ Das Heile-Welt-Plakat zeigt eine bengalische

Familie vor einer einfachen Hütte, die einander umarmend selig in dieFerne blickt. Die Eintrittskarte kostet weniger als 30 Cent.

Erst die heile WErst die heile WErst die heile WErst die heile WErst die heile Welt – dann Actionelt – dann Actionelt – dann Actionelt – dann Actionelt – dann ActionBeobachtungen aus einem Kino in DhakaBeobachtungen aus einem Kino in DhakaBeobachtungen aus einem Kino in DhakaBeobachtungen aus einem Kino in DhakaBeobachtungen aus einem Kino in Dhaka

Von Moritz MarbachVon Moritz MarbachVon Moritz MarbachVon Moritz MarbachVon Moritz Marbach

Foto: Anneke Dupuis

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Am Eingang wird jeder Kino-besucher mittels Metalldetektordurchsucht. Das wilde Piepen desGeräts bringt einige Besucher vorder Eingangstür in Unruhe, denTürsteher lässt es kalt. Im Foyer an-gelangt fühlt man sich zurückver-setzt in längst vergangene Tage. ImNeonlicht erkennt man die Porträtsvergangener Hollywood-Stars:Clint Eastwood, Linda Carter undJohn Travolta. An den gelb gestri-chenen Wänden hängen Spinnwe-ben, die im Windzug der Ventilato-ren zucken. An den Theken nahedes Eingangs werden Kartoffel-chips, Schokoriegel, eiskalterMangosaft und Coca-Cola ausPepsi-Kühlschränken verkauft.

Etwa 50 männliche Besucher war-ten im Foyer und vor den Türen zuden Rängen auf Einlass zur Spät-vorstellung. Anders als bei der 18-Uhr-Vorführung sind während derSpätvorstellung keine Frauen unterden Besuchern.

Als ein leiser Gong ertönt, trottendie Besucher langsam in den Kinos-aal. An den Türen entwerten Ange-stellte die Kinokarten und weisendanach mit Taschenlampen jedemBesucher einen Platz zu. Für mehrals 800 Menschen ist in dem riesi-gen Saal Platz. Das schummrigeLicht verhüllt den traurigen Zu-stand des Raums. Die meisten derroten Klappstühle sind kaputt. Beieinigen sind die Gelenke ausgebro-chen, bei anderen der Plastik-polsterbezug aufgerissen. Ventila-toren ragen an Stäben von der me-terhohen Decke hinunter. Kabelhängen von den Wänden. Es ist sti-ckig-heiß.

Eine Minute später erlöschen diewenigen Lampen. Die Ventilatoren

surren weiter. Sitze knarren, dasLicht von Taschenlampen wandertan den Wänden umher, und auf derLeinwand erscheinen bengalischeSchriftzüge. Hinter ihnen sind Ex-plosionen zu sehen, begleitet vondramatischer Musik. Der Raumsteht scheinbar in Flammen. Esknackt heftig aus den Lautspre-chern. Ein junger Mann in der ers-ten Reihe telefoniert mit seinemHandy unbeirrt weiter. Dann er-scheint eine blasse Nationalflaggeauf der Leinwand. Die National-hymne wird kurz eingespielt unddanach das Dia mit der Erlaubnisdes Informationsministeriums zumZeigen des Streifens eingeschoben.Schließlich beginnt der Film.

Eine gut aussehende Frau schlen-dert über ein Feld. Ein Schwenk aufdas Dorf, dann steht ihre Familievor der Hütte. Nach wenigen Minu-ten beginnt das Drama: Die Schön-heit wird unter falschem Vorwandvon bösen Männern aus ihrem Dorfirgendwo in Bangladesch nachDhaka entführt. In einem Büro wirdsie anschließend gezwungen, in ei-nem Pornofilm mitzuspielen. IhreFamilie erfährt durch Zufall von derEntführung, und ihr Bruder unter-nimmt eine verzweifelte Rettungs-aktion, bei der Waffen eine wichtigeRolle spielen. Am Ende wird seineSchwester aus den Fängen des Bö-sewichts gerettet.

Während der unzähligen Kampf-szenen, die oft stark verlangsamtgezeigt werden und wie beiTerence-Hill-und-Bud-Spencer-Fil-men mit lauten Faustschlägen un-termalt sind, grölen einige Besu-cher. Andere machen sich einenSpaß daraus, das Kampfgeschehenmittels Laserpointer genauestenszu analysieren. Im Gegensatz zu

den Kampfszenen, bei denen or-dentlich Blut fließt, ist man bei Sex-Szenen deutlich zurückhaltender.Die werden meistens nämlich erstgar nicht gezeigt. Stattdessen wer-den Tierjagdszenen eingeblendet,in der Art wie Tiger jagt Tigerin,und mit Musik unterlegt.

Zwei Stunden dauert der KampfGut gegen Böse – fünfminütigenStromausfall inklusive. Am Endeklatschen einige Besucher, dannverlassen alle hektisch den Saal.Der junge Mann aus der ersten Rei-he telefoniert schon wieder. Keinefünf Minuten später ist das Kinoleer. Der Kinomanager schaltet dasLicht aus und schließt bedächtigdie Eingangstür ab. Bis zum nächs-ten Abend: Erst die heile Welt –dann Action.

Moritz Marbach istRedaktionsmitgliedund studiert inMannheim Politik-wissenschaft.

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

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Im Jahre 1956 stellte Abdul JabbarKhan in Dhaka seinen Film „Mukho mukhosh“ („Das Gesicht und dieMaske“) dem Publikum vor. DieUraufführung dieses Films gilt alsGeburtsstunde des bangladeschi-schen Kinos, auch wenn Ost-Ben-galen damals noch zu Pakistan ge-hörte.

Ein Jahr zuvor hatte im indischenTeil Bengalens der RegisseurSatyajit Ray den Film „Pather

Panchali“ („Die Ballade vom Weg“)fertig gestellt und war damit welt-berühmt geworden. Kalkutta zähltebereits in den 1950er Jahren zu denkreativsten und innovativsten Film-Metropolen.

Doch schon bald wurden auchin Ost-Bengalen anspruchsvolle Fil-me produziert. Als besonders gelun-gen gilt der Film „Nodi o nari“ („DerFluss und die Frauen“, 1964) vonSadeq Khan. Er basiert auf einem

Roman von Humayun Kabir. Ge-schildert wird das Leben der ben-galischen Bauern und ihrer Frauenzu Beginn des 20. Jahrhunderts.Auch in den Folgejahren wurdenFilme hergestellt, die möglichst rea-listisch den Alltag der einfachenMenschen darstellen wollten.

Kritiker haben diese Filme sehrgelobt. In finanzieller Hinsicht wa-ren die meisten von ihnen jedocherfolglos. Wesentlich mehr Zu-

VVVVVom Kunstfilm bis Dhallywoodom Kunstfilm bis Dhallywoodom Kunstfilm bis Dhallywoodom Kunstfilm bis Dhallywoodom Kunstfilm bis DhallywoodEine Übersicht über den Film in BangladeschEine Übersicht über den Film in BangladeschEine Übersicht über den Film in BangladeschEine Übersicht über den Film in BangladeschEine Übersicht über den Film in Bangladesch

Von Christian Weiß und Carmen BrandtVon Christian Weiß und Carmen BrandtVon Christian Weiß und Carmen BrandtVon Christian Weiß und Carmen BrandtVon Christian Weiß und Carmen Brandt

Kurz vor Filmbeginn im Bolaka-Kino in Dhaka. Foto: Carmen Brandt

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

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schauer fanden Filme, die einfachnur unterhalten wollten. Ein Bei-spiel dafür ist „Roopban“ vonSalahuddin (1965). Solche Filme,die inhaltlich eher konservativ wa-ren, haben stark zur Verbreitungdes bangladeschischen Films inOstbengalen beigetragen. Ihr Frau-enbild entsprach traditionellen Vor-stellungen. Dadurch gingen jetztauch Leute ins Kino, die dem Medi-um Film bisher ablehnend gegenü-ber standen.

Nach der Unabhängigkeit

1971 wurde Bangladesch unabhän-gig. Dies führte auch zu einem Auf-schwung des Kinos. Ablesen lässtsich dies an der Zahl der Filmthea-ter. In den 1950er Jahren gab es in

Ost-Bengalen 110 Kinos. In den Jah-ren 1972 bis 1975 nahm die Zahlder Filmspielstätten rapide zu, von122 auf 220 Filmtheater. Mitte der90er Jahre gab es bereits mehr als1.000 Kinos. In neuerer Zeit muss-ten einige dieser Kinos allerdingswieder schließen.

Den ersten Spielfilm nach derGründung Bangladeschs drehteChashi Nazrul Islam. Sein 1972 ur-aufgeführter Film „Ora egarojon“(„Sie sind 11 Personen“) themati-siert den Unabhängigkeitskrieg.Noch heute zählt er zu den bestenFilmen, die dieses Trauma medialaufarbeiteten. Er stellte jedoch nurden Auftakt für eine Vielzahl vonFilmen dar, welche die Ereignissedes Jahres 1971 in den Mittelpunktrücken.

Auch andere Filme aus dieserZeit sind heute noch sehr sehens-wert. Dazu gehört zweifellos„Titash ekti nadir nam“ („Ein Flussnamens Titash“, 1973) von RitwikGhatak. In diesem Werk geht es umdie bengalischen Fischer, um ihreAbhängigkeit vom Wasser und ih-ren täglichen Kampf ums Überle-ben.

1977 konnte Harunur Rashid mit„Megher onek rong“ („Die vielenFarben der Wolke“) seinen erstenFilm uraufführen. Bewusst vermieder melodramatische Effekte. Statt-dessen wählte er eine sehr poeti-sche Bildsprache. Auch dieser Filmhandelt vom Befreiungskrieg. Wäh-rend eines Angriffs der pakistani-schen Armee wird ein junger Dok-tor von seiner Frau und seinem

Seit den 80er Jahren: die Filmindustrie setzt verstärkt auf Action-Filme und Schnulzen. Foto: Carmen Brandt

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

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Sohn getrennt. Da er der Meinungist, dass seine Frau getötet wurde,heiratet er erneut, eine Kranken-schwester. Zufällig kommt seineerste Frau in das Krankenhaus, indem der Doktor und die Kranken-schwester arbeiten. Als sie versteht,dass ihr Mann eine neue Frau hat,bringt sie sich um. Zuvor hatte sienoch ihren Sohn zu seinem Vatergeschickt.

Kurze Zeit später entstand„Shurjodighol Bari“ („Das ominö-se Haus“, 1979) von MashiudiinShaker und Shaikh Niamat Ali, derzu den besten Filmen gezählt wird,die in Bangladesch je gedreht wur-den. Finanziert wurde das Werk mitstaatlichen Zuschüssen. Es erzähltvon einer armen Frau und ihrer Fa-milie. Der Film besticht durch sei-nen Realismus, durch die guten

Schauspieler und die exzellenteKameraführung. Auch auf europäi-schen Filmfestivals bekam„Shurjodighol Bari“ zahlreicheAuszeichnungen.

Seit den 80er Jahren gab es einigewichtige Veränderungen. Die Zahlder in Bangladesch hergestelltenSpielfilme nahm deutlich zu, von51 Filmen im Jahr 1979 auf 92 Wer-ke zwanzig Jahre später. Film-kritikern zufolge ließ jedoch dieQualität nach. Statt einfühlsamenPorträts benachteiligter Bevölke-rungsgruppen wurden nun immermehr leicht konsumierbare Action-Filme und Schnulzen nach demMuster der Hindi-Filme aus Indienproduziert. Analog zur Wortschöp-fung „Bollywood“ entstand für daspopuläre bangladeschische Kinoder Begriff „Dhallywood“, eine Ver-

bindung aus „Dhaka“ und „Holly-wood“.

Der Zugang zu ausländischenFilmen wurde in Bangladesch inden letzten drei Jahrzehnten immereinfacher. Trotz einer staatlichenBehörde, die alle Filme kontrolliert,bevor sie in die Kinos kommen. Inder Vergangenheit hatte diese vorallem die Vorführung von Filmenaus Indien und Pakistan untersagt.Doch das Satelliten-Fernsehen, Vi-deos und in den letzte Jahren auchDVDs halfen den Bangladeschis,diese trotzdem zu sehen. Ferner er-freuen sich auch US-amerikanischeund europäische Filme großer Be-liebtheit.

Inzwischen gibt es in Dhaka undChittagong internationale Film-festivals, auf denen Filme aus allenTeilen der Welt gezeigt werden.

Ausländische Filmproduktionen erfreuen sich großer Beliebtheit. Foto: Moritz Marbach

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

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Christian Weiß istRedaktionsleiterdieser Zeitschriftund Inhaber des inHeidelberg ansässi-gen Draupadi-Verlags.

RedaktionsmitgliedCarmen Brandt istwissenschaftlicheMitarbeiterin amSüdasien-Seminarder Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg undpromoviert zu denBedes Bengalens.

Außerdem besteht die Möglichkeit,in ausländischen Kultureinrich-tungen wie dem Goethe-Institut,dem British Council oder der Alli-ance Française europäische Auto-renfilme zu sehen.

Auch durch die Impulse aus demAusland wurde das banglade-schische Kino vielfältiger und diffe-renzierter. Es entstanden Filme, diemit neuen Formen experimentier-ten. „Not yet decided“ („Noch nichtentschieden“, 1996) von SarwarJahan etwa thematisiert aufsurreale Weise die vielfältigenIdentitäten eines jungen Mannes.„Oddhay“ („Das Kapitel“, 1996)von Abram Khan zeigt, ohne Dialo-ge, die letzten Gedanken eines Man-nes, der zum Tode durch Erhängenverurteilt wurde. Und im Mittel-punkt des Films „Salma“ von A. K.M. Zakaria (2001) steht ein leeresHaus. Der Mann und die Frau, diedort lebten, hatten das Haus nachihrer Trennung verlassen.

Für ein anspruchsvolles Kinosetzt sich auch das „BangladeshShort Film Forum“ (BSFF), einePlattform gegründet von jungenbangladeschischen Filmemachern,ein. Durch die gezielte Vergabe vonFördermitteln möchte diese Verei-nigung die Produktion von Film-kunstwerken ermöglichen, die un-ter kommerziellen Gesichtspunktenkeine Chance hätten.

Religion und Säkularismus

Wenn in den sechziger und siebzig-er Jahren soziale Themen im Vor-dergrund standen, so gab es seit denachtziger Jahren immer mehr Filme,die sich mit Religion und Säkular-ismus auseinandersetzten. Einbesonders hervorzuhebendes Bei-spiel dieser Art von Filmen ist„Achin Pakhi“ („Der unbekannte

Vogel“, 1995) von Tanvir Mo-kammel. Er handelt von Lalon, demberühmten Sänger und Reformer.Lalon ist seit über 100 Jahren tot,doch seine Lieder sind immer nochund gerade wieder populär. In äs-thetisch anspruchsvoller Form zeigtder Dokumentarfilm, dass es inBangladesch eine weit zurück-reichende Tradition gibt, sich gegenKastendiskriminierung und religi-ösen Fanatismus zu engagieren.

Vom selben Regisseur stammtauch „Lalshalu“ („Das rote Tuch“),ein Film, der auf dem gleichnami-gen Roman Syed Waliullahs beruhtund im Jahr 2001 uraufgeführt wur-de. „Lalshalu“ schildert das Lebenin einem Dorf im Norden Bangla-deschs. Im Zentrum steht ein Schar-latan namens Majid, der die naiveReligiosität der Dorfbewohnerschamlos ausnutzt, um selbst vomHabenichts zu einem wohlhaben-den und mächtigen Mann zu wer-den. Dies gelingt ihm, indem er denMenschen einredet, ein von ihnenkaum beachtetes, verfallenes Grabsei in Wirklichkeit das Mausoleumeines berühmten Heiligen, und nurwenn sie ihm reichlich Geld spen-deten, könnte er Gottes Segen fürdas Dorf bewirken. Eine deutscheÜbersetzung der Romanvorlage er-schien 1978 unter dem Titel „Baumohne Wurzeln“ im Aufbau Verlag.

Neben Tanvir Mokammel bringtvor allem Tareq Masud dem bangla-deschischen Kino gegenwärtig in-ternationale Anerkennung. Sein2002 uraufgeführter Film „MatirMoina“ („Das Vögelchen ausLehm“) handelt von einer Familie,die durch Religion und Kriegauseinander gerissen wird. Anu,ein kleiner Junge, wird von seinemtief religiösen Vater auf eine Ma-drasa, eine islamische Schule, ge-

schickt. Im Unterschied zu AnusVater, der sich immer mehr in einenreligiösen Fanatiker verwandelt, er-kennt Anus Mutter die zerstörer-ische Wirkung fundamentalisti-schen Denkens, und versucht, eige-ne Wege zu gehen.

„Matir Moina“ erhielt viele Aus-zeichnungen, darunter den Interna-tionalen Kritiker-Preis auf demFilmfestival in Cannes. Die Filmevon Tanvir Mokammel, TareqMasud und anderen Regisseuren –etwa Morshedul Islam, HumayunAhmed und Abu Sayeed – zeigen,dass es auch heute in Bangladeschtalentierte und kreative Filmema-cher gibt, die mutig zu den drän-genden politischen und gesell-schaftlichen Fragen Stellung neh-men.

Literaturhinweis: Zakir Hossain Raju.„Bangladesh: A Defiant Survivor.” In:Being and Becoming. The Cinemas ofAsia. Hrsg.: Vasudev, Aruna, LatikaPadgaonkar & Rashmi Doraiswamy. NewDelhi: MacMillan, 2002. 1-25.

Die deutschen Übersetzungen derFilmtitel stammen von uns. Leider gibtes von den meisten bangladeschischenFilmen keine offiziellen deutschenVersionen.

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

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NETZ: Wie kamen Sie beide mit demMedium Film überhaupt in Berüh-rung?Tareq Masud: Das war ganz wun-dersam. Eigentlich gab es für michnur Hindernisse. Viele Kinder träu-men davon, Musiker oder Schrift-steller zu werden. Ich hatte im Ver-gleich dazu eine andere Kindheits-erfahrung. Ich habe davon ge-träumt, ein kleiner Mullah zu wer-den. Es war mir verboten zu malen:Bilder galten in der Madrasa (isla-mische Schule, Anm. d. Red.) alsunreligiös, als Frevel an Allah. Ob-wohl wir einige Künstler in der Fa-milie hatten, hat mein Vater sicher-gestellt, dass es keine Fotos von unsgab. Natürlich interessieren sich

„Ich bin ein zufälliger Filmemacher“„Ich bin ein zufälliger Filmemacher“„Ich bin ein zufälliger Filmemacher“„Ich bin ein zufälliger Filmemacher“„Ich bin ein zufälliger Filmemacher“Ein Gespräch mit TEin Gespräch mit TEin Gespräch mit TEin Gespräch mit TEin Gespräch mit Tareq und Catherine Masudareq und Catherine Masudareq und Catherine Masudareq und Catherine Masudareq und Catherine Masud

Die Filmemacher Chaterine und Tareq Masud. Foto: Zaid Islam

Im Zentrum der Spiel- undDokumentarfilme Tareq Masudsund seiner US-amerikanischenFrau Catherine steht dieAuseinandersetzung mit dembangladeschischenUnabhängigkeitskrieg 1971 unddie Frage nach der Identität derjungen Nation. Im Interview mitNETZ sprechen sie über ihreAnfänge als Filmemacher: überErfolge und Rückschläge.

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

Kinder für verbotene Dinge. DerKrieg 1971 „befreite“ mich von derMadrasa. Mein Vater hat mich spä-ter auf eine reguläre Schule ge-schickt. Dann kam ich an die Uni-versität in Dhaka. Ich, der Koran-schüler, musste mich anpassen.Dort kam ich mit der Film Society inBerührung. Ich sah Satyajit Rays„Pather Panchali“. Ich merkte: Kinowar gar nichts Schlimmes, im Ge-genteil, es schien mir so nah am Le-ben. Der Held dieses Films ist einJunge namens Apu. Im Kampf sei-ner Mutter sah ich meine Mutter.Wie Apus Schwester war auch mei-ne Schwester gestorben. Kino istnicht Kunst, es ist die Fortsetzungunseres Lebens.

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Musik. Es ist eine faszinierende Art,etwas auszusagen.

Tareq arbeitete an dem Sultan-Film. Jeden Tag saß er an seinemSchnittplatz. Eines Tages kam ichin diesen kleinen Raum, auf den Ti-schen, auf dem Boden, überall la-gen Filmschnipsel, Spinnweben,leere Dosen. Der Cutter saß an einer20 Jahre alten Maschine. Tareqsuchte auf dem Boden nach Teilendes Films. Ich fand das faszinie-rend. Einmal war der Cutter krank.Ich dachte mir, das kann ja nicht soschwer sein, und setzte mich hin.Dann sagte ich Tareq: Du hast jetzteinen kostenlosen Cutter. Alles völ-lig zufällig, instinktiv. Nach denvier Jahren Postproduktion von„Muktir Gaan“ in New York konn-te ich dann sagen: Ich bin Filme-macherin.

NETZ: Sie wurden, wie Anu in „MatirMoina“ („Das Vögelchen aus Lehm“),in eine Madrasa geschickt. Was denkenSie heute über diese Art islamischer Bil-dung?

Tareq Masud: Als ich in die Madrasakam, war ich ein Kind. Mir war vie-les nicht bewusst. Ich war naiv. WieAnu habe ich alles mit den fragen-den und neugierigen Augen einesKindes betrachtet. Im Film wird dassensible Thema Madrasa aus derPerspektive eines Kindes behandelt.Wie Anu war ich nicht rebellisch,mein Vater musste mich nicht dazuzwingen. Ich gewöhnte mich an dasLeben dort. Ich war von den Koran-rezitationen verzaubert. Ich fühlemich nicht als Opfer. Die anderenKinder waren aus armen Familienoder Waisen, wie Rokon im Film.Mittelschichtskinder wie ich gingeneigentlich nicht zur Madrasa. Ichwurde von den Lehrern geschont.In Wahrheit war es viel brutaler alsim Film. Ich aber habe keinen Grundzur Klage. Nur: Die anderen Kinderhassten mich, weil ich keiner vonihnen war.

Ja, vielleicht mache ich meinenVater für meine Kindheit und Ju-gend immer noch verantwortlich.Mit 15 konnte ich nicht auf Benga-

Fotos: Zaid Islam

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

Bei meinem ersten Dokumentar-film über den Maler S. M. Sultanstand nicht das Filmen im Vorder-grund. Ich war fasziniert von seinerexotischen, rustikalen Lebensweise.Inzwischen ein Städter, lernte ichdas Landleben in Bangladeschwieder neu kennen. Den Film mach-te ich erst viel später fertig.Catherine hat mich dazu gezwun-gen. Als ich in New York in einemBuchladen arbeitete, stießen wir aufaltes Filmmaterial aus dem Unab-hängigkeitskrieg (Tareq Masud leb-te von 1989 bis 1995 in New York,Anm. d. Red.) Wir sichteten undschnitten vier Jahre lang. Ich hattenie vor, Filmemacher zu werden. Esist ein Zufall. Auch dass ich Cathe-rine getroffen habe, war Zufall. Ichbin ein zufälliger Filmemacher.

Catherine Masud: Es war Schicksal.Ich habe Bildende Künste studiert.Dann wurde ich dem Film ausge-setzt. Es schien mir so natürlich. DerFilm vereint sichtbares und hörba-res Material, Dialog, Erzählung,

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lisch schreiben, schon gar nichtEnglisch. Catherine ärgert michimmer und fragt mich nach demkleinen Einmaleins. Das habe ichnie gelernt. Wenn ich „MatirMoina“ früher gemacht hätte, wäreer anders geworden. Doch ich warbereits fünf Jahre in New York ge-wesen und hatte eine differenziertePerspektive auf Bangladesch entwi-ckelt. Catherine ist viel distanzier-ter, das war auch ein Faktor. DerFilm ist kein hartes Urteil. Säkula-risten hätten in dem Film gern mehrvon meiner Wut gesehen.

Ich wollte nicht als Außenste-hender kritisieren, sondern als Teildieser Gesellschaft, als Teil dieserReligion. Es ist nicht besonders ef-fektiv, deine eigene Gesellschaft ausder Vogelperspektive und deineLandsleute als Insekten zu sehen.Als Künstler sollte man Teil des kri-tisierten Objekts sein. Mehr Gewaltzu zeigen, wäre unnötig.

In den westlichen Medien ist dieEntmenschlichung des Islams eingroßer Faktor. Schon vor dem 11.September gab es im Westen Ten-denzen einer Vereinfachung undStereotypisierung des „Orients“.Nach den Anschlägen von NewYork und Washington könnte manmeinen Film wohl als „pro-islamisch“ einstufen. Ich wollte ein-fach ein komplexeres Bild zeichnen,gegen die Vereinfachung im Wes-ten.

NETZ: „Matir Moina“ hat viel Lob inEuropa und den USA bekommen. Wiehat das Publikum in Bangladesch denFilm angenommen?Tareq Masud: Der Film war in Indi-en, sogar in Pakistan, erfolgreicherals in Bangladesch. Die Sprache desKinos in Bangladesch ist anders,besonders die Melodramatik. In„Matir Moina“ geht es um sehr kom-plexe Zusammenhänge. Es ist auchfolkloristisches Kino, aber den Er-folg von „Muktir Gaan“ konnten

wir damit nicht wiederholen. Zurselben Zeit, als wir den Film in dieKinos in Bangladesch brachten, ver-übten islamistische ExtremistenBombenanschläge auf Filmtheater.In Bangladesch lief der Film nur inDhaka. Aber die DVD verkauft sichgut. „Muktir Gaan“ haben wir vierJahre lang auch im Freien – vorjeweils 10.000 oder 15.000 Zuschau-ern – aufgeführt. Als „Matir Moina“herauskam, war es eine schwierige-re Zeit für das Kino.

NETZ: Die staatliche Behörde für Film-zulassung in Bangladesch hat, währendSie noch in Cannes waren, die Freigabevon „Matir Moina“ aufgehalten. Wiekonnten Sie die Konfrontation überwin-den?Tareq Masud: Hier gibt es vieleUngerechtigkeiten. Ich musste einenschrecklichen Kompromiss machen.Als die Filmbehörde unseren Filmnicht für Bangladesch zulassenwollte, weil er angeblich religiöseGefühle verletzt, konnte ich nichtwirklich reagieren. Ich bin zurück-haltend geblieben und auf die Re-gierung zugegangen. Ich wollteschließlich weitermachen und kei-ne zweite Taslima Nasrin werden.Meine Erinnerungen sind hier undnicht anderswo. Ich kann nicht wieein Dichter in die Schweiz fahrenund dort meine Gedichte schreiben.Ich bin ein visueller Künstler. Ichhabe keine Wahl.

Mit Tareq und Catherine Masud sprachRedaktionsmitglied Patrizia Heidegger

Die Filme von TDie Filme von TDie Filme von TDie Filme von TDie Filme von Tareqareqareqareqareqund Catherine Masudund Catherine Masudund Catherine Masudund Catherine Masudund Catherine MasudTareq Masud begann seine Kar-riere mit einem Dokumentarfilmüber den bangladeschischen Ma-ler S. M. Sultan, den er gemein-sam mit seiner Frau, der US-Amerikanerin Catherine Masud,fertigstellte („Adam Surat“,1989). An „Muktir Gaan“ („Liedvon der Freiheit“, 1995) arbeite-te das Ehepaar vier Jahre lang.Entstanden ist ein experimentel-ler Film über eine Gruppe jungerKünstler, die 1971 für Freiheits-kämpfer und Flüchtlinge patrioti-sche Lieder sangen. Den Film,der dokumentarische und erzäh-lerische Aspekte mischt, zeigtendie Masuds auf einer jahrelan-gen Tour durch Bangladesch. Esfolgte eine Reihe weiterer Doku-mentarfilme: „Voices ofChildren“ („Kinderstimmen“,1997), „Muktir Kotha“ („Worteder Freiheit“, 1999), „NarirKotha“ („Frauen und Krieg“,2000) und „A Kind of Childhood“(„Eine Art Kindheit“, 2002).

Während „Muktir Gaan“ inBangladesch zum Kultfilm derjungen Generation wurde,schafften die Masuds den inter-nationalen Durchbruch mit ihremersten Kinospielfilm „MatirMoina“ („Das Vögelchen ausLehm“, 2002). „Matir Moina“,der bei den Filmfestspielen inCannes den Internationalen Kriti-ker-Preis erhielt, basiert aufTareqs eigenen Erfahrungen alsSchüler einer Madrasa in denspäten 60er Jahren.

Ihr zweiter abendfüllenderSpielfilm, „Ontorjatra“ („Heimat-land“, 2005), erzählt von derRückkehr einer Mutter und ihresin England aufgewachsenen Soh-nes nach Bangladesch. Währendder Reise wird die Mutter mitihren Erinnerungen konfrontiert,der Sohn entdeckt die Heimatseiner Eltern. Beide sind sich un-sicher, welche BedeutungBangladesch für sie hat, fühlensich aber durch die neuen Erfah-rungen bereichert.

Film in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in BangladeschFilm in Bangladesch

NETZ 13

Willkürliche VWillkürliche VWillkürliche VWillkürliche VWillkürliche Verhaftungerhaftungerhaftungerhaftungerhaftungvon NGO-Direktorvon NGO-Direktorvon NGO-Direktorvon NGO-Direktorvon NGO-Direktor

Ende Januar wurde Shahidul Islam,Geschäftsführer der NGO Uttaran,verhaftet. In Polizeigewahrsammisshandelten ihn die Sicherheits-kräfte, so dass er später, unter poli-zeilicher Aufsicht, im Krankenhausbehandelt werden musste. Islamwerden Gefährdung öffentlicher Si-cherheit, terroristische Aktivitätenund Aufruf zum Aufruhr vorgewor-fen. Eine Koalition bekannter Men-schenrechtler und Rechtsanwälte

hat sich in einem Brief an den Vor-sitzenden der Übergangsregierunggewandt. In diesem forderten sievon Fakhruddin Ahmed die soforti-ge Freilassung Shahidul Islams.Anfang Mai verlangte am-nesty in-ternational in einem Bericht überwillkürliche Verhaftungen in Ban-gladesch eine unabhängige und un-parteiliche Untersuchung der Vor-fälle, Zeugenschutz und die Veröf-fentlichung der Untersuchungs-ergebnisse. Islam wurde am 21. Au-gust aus der Haft entlassen. (ph)

Meldungen aus PMeldungen aus PMeldungen aus PMeldungen aus PMeldungen aus Politik und Gesellschaftolitik und Gesellschaftolitik und Gesellschaftolitik und Gesellschaftolitik und GesellschaftHinrichtung von THinrichtung von THinrichtung von THinrichtung von THinrichtung von Terroristenerroristenerroristenerroristenerroristen

Am 30. März wurden sechs Anfüh-rer der militanten Jama’tul Muja-hideen Bangladesh (JMB) hingerich-tet. Die Männer, darunter der An-führer der JMB Abdur Rahman so-wie sein Komplize Siddiqul Islam,wurden in vier verschiedenen Ge-fängnissen des Landes gehängt.Siddiqul Islam hatte unter dem Na-men Bangla Bhai („Bruder der Ben-galen“) durch Morde und Anschlä-ge über Jahre hinweg die Bevölke-rung terrorisiert. Die JMB ist einnach wie vor aktives Terrornetz-werk, dessen Anschläge nach An-gaben der Tageszeitung The DailyStar mindestens 28 Menschen dasLeben gekostet haben. So war dieJMB maßgeblich für die Bombenan-schläge am 17. August 2005 verant-wortlich, als in 63 der 64 Distriktegleichzeitig Sprengsätze explodier-ten. Die damals regierende BNP hat-te die Existenz Bangla Bhais zu-nächst dementiert und als Erfin-dung der Presse betitelt. Später ha-ben sich die beiden größten Parteiendes Landes, die BNP und AwamiLeague, gegenseitig die Schuld anden Attentaten zugeschoben sowieVerbindungen zu den Terroristennachgesagt. (ph)

Erdrutsch in ChittagongErdrutsch in ChittagongErdrutsch in ChittagongErdrutsch in ChittagongErdrutsch in Chittagong

Mehr als 125 Menschen starben undHunderte wurden verletzt, als am11. Juni nach heftigen Regenfällenzahlreiche Erdrutsche undSchlammlawinen Teile der Hafen-stadt Chittagong verwüsteten. Dergrößte Hafen des Landes, der Flug-hafen von Chittagong sowie zweiKraftwerke mussten mehrere Tagegeschlossen bleiben.

In den 24 Stunden vor den Erd-rutschen hatten schwere Monsuns-türme starke Regenfälle in Chitta-

TTTTTod des Minderheiten-od des Minderheiten-od des Minderheiten-od des Minderheiten-od des Minderheiten-anführers Cholesh Richilanführers Cholesh Richilanführers Cholesh Richilanführers Cholesh Richilanführers Cholesh Richil

Cholesh Richil war ein geachteterAnführer der Garos, einer indi-genen Minderheit, die hauptsäch-lich im Modhupur-Wald nördlichvon Dhaka beheimatet ist. Am 18.März verstarb er in Militärgewahr-sam an den Folgen der Misshand-lung durch die Sicherheitskräfte.Seine Frau erstattete Anzeige gegenBeamte der Forstverwaltung vonModhupur. Fünf Beamte sind bis-her im Zusammenhang mit demMordfall von ihren Posten abgezo-gen worden. Menschenrechtsorga-nisationen und die Angehörigenvon Richil fordern eine unabhängi-ge Untersuchung und die Verhaf-tung der Verdächtigen. Die Regie-rung hat eine aus einer Person be-stehende Untersuchungskommis-sion eingesetzt. Inzwischen wurdeder Leichnam exhumiert und obdu-ziert. Ergebnisse liegen noch nichtvor.

In Bangladesch werden Mitglie-der indigener Minderheiten immerwieder Opfer von Landraub undUmweltzerstörung. Cholesh Richilund andere Garos hatten sich seit2003 gegen die Errichtung einesÖkoparks im Wald von Modhupureingesetzt. Sie warfen den Verant-

wortlichen vor, ihnen das Land derVorfahren zu nehmen und dieLebensgrundlage der Garos zu zer-stören. Erst wenige Wochen zuvorhatten Sicherheitskräfte im Zugeder Bekämpfung illegaler Bewirt-schaftung Bananenplantagen derGaros zerstört, während Groß-grundbesitzer, die nicht der Min-derheit angehören, unbehelligt blie-ben. (ph)

Anschläge auf BahnhöfenAnschläge auf BahnhöfenAnschläge auf BahnhöfenAnschläge auf BahnhöfenAnschläge auf Bahnhöfen

Am 1. Mai erschütterten drei gleich-zeitige Bombenexplosionen dieBahnhöfe von Dhaka, Chittagongund Sylhet. In Chittagong wurdeein Rikschafahrer durch die Bombeverletzt. Die islamistische Gruppie-rung Jadid al-Qaeda („Neue al-Qaida“) bekannte sich zu den An-schlägen. Diese richteten sich nachMedienberichten gegen Mitarbeitervon NGOs und der Ahmadiyya-Gemeinde. Neuartig bei diesen An-schlägen war der explizite Verweisauf NGOs, denen Jadid al-Qaedadrohte: „Macht Euch auf den Todgefasst.“ Die Übergangsregierungnahm die Anschläge äußerst ernstund erhöhte die Sicherheitsvor-kehrungen an öffentlichen Plätzen.

(ph)

Politik & GesellschaftPolitik & GesellschaftPolitik & GesellschaftPolitik & GesellschaftPolitik & Gesellschaft

14 NETZ

Sheikh Hasina verhaftetSheikh Hasina verhaftetSheikh Hasina verhaftetSheikh Hasina verhaftetSheikh Hasina verhaftet

Mitte Juli wurde Sheikh Hasina,Präsidentin der Awami League undehemalige Premierministerin Ban-gladeschs, von den Sicherheits-kräften verhaftet. Die Übergangs-regierung hat eigens für ihre Inhaf-tierung eine für Parlamentarier vor-gesehene Wohnung auf dem Gelän-de des Parlaments in Dhaka zu ei-nem Gefängnis umfunktioniert.

Grund für die Verhaftungen sindmehrere Anzeigen wegen Korrupti-on gegen Sheikh Hasina. Diese wur-den von Unternehmern erstattet, diewährend ihrer Amtszeit als Pre-mierministerin, 1996 bis 2001, vonHasina und einigen ihrer Familien-angehörigen zu Zahlungen in Ver-bindung mit der Erteilung von Bau-aufträgen aufgefordert worden seinsollen. Auch gegen Hasinas Cou-sin, den früheren Parlamentsab-geordneten Sheikh Fazlul KarimSelim, wurde Anzeige erstattet. Erwar bereits Wochen vor ihr inhaf-tiert worden. Der in den Anzeigengenannte Gesamtwert der angeb-lich geforderten Zahlungen beträgtüber eine Millionen Euro.

Laut Informationen der Tageszei-tung The Daily Star bekannte sich

VVVVVorschlag für Vorschlag für Vorschlag für Vorschlag für Vorschlag für Verschärerschärerschärerschärerschär-----fung des NGO-Gesetzesfung des NGO-Gesetzesfung des NGO-Gesetzesfung des NGO-Gesetzesfung des NGO-Gesetzes

Anfang Juli äußerte sich ArmeechefMoeen Uddin Ahmed kritisch überdie Intransparenz bangladeschi-scher NGOs. Kurze Zeit später er-ließ das Militär eine Anweisung,dass NGOs, die ausländische Mit-tel erhalten, künftig 50 Prozent ih-rer Ausgaben in Maßnahmen einer„sichtbaren Entwicklung“ investie-ren sollen. Dazu gehören nach Mei-nung der Militärs u.a. der Bau vonStraßen und Gebäuden. Ferner for-dert das Militär von den zuständi-gen Behörden eine strengere Kon-trolle der Programme von NGOs,die nicht zu dieser Art von „sicht-barer Entwicklung“ beitragen. Diesbetrifft auch Organisationen, diesich für bewusstseinsförderndeMaßnahmen und Menschenrechteeinsetzen.

Die Anweisung des Militärswurde in den Medien, von Vertre-

gong verursacht. Diese weichtendie Hügel rund um die Stadt aufund brachten sie schließlich insRutschen. Als Hauptursache fürdas Unglück nennen Experten dasAbtragen der Hügel in und umChitta-gong, um Bauland zu gewin-nen. Hinzu kommt, dass viele Men-schen ihre Häuser auf die Hügel-kuppen oder auf die schräg abfal-lenden Hänge gebaut haben. Dieserungeplanten Bebauung sind vieleBäume zum Opfer gefallen. Das Re-genwasser kann so nicht durch einenatürliche Vegetation aufgefangenwerden, sondern dringt durch Rit-zen in die instabilen Hügel ein undbewirkt, dass Teile abrutschen kön-nen.

Trotz Warnungen von Umwelt-spezialisten haben die Behördenbisher kaum eingegriffen. Das Um-weltministerium hatte bereits 2005weiteres Abtragen der Hügel verbo-ten. Rund 50.000 Menschen, meistBewohner von Slums am Fuße derHügel, sind derzeit von Schlamm-lawinen bedroht. (ph)

Fahrplan zurFahrplan zurFahrplan zurFahrplan zurFahrplan zurPPPPParlamentswahlarlamentswahlarlamentswahlarlamentswahlarlamentswahl

Die Wahlkommission hat ihrenFahrplan bis zur nächsten Parla-mentswahl veröffentlicht. Demnachsollen Wählerlisten mit Fotos bisOktober 2008 erstellt sein. DieParlamentswahl soll dann im dar-auf folgenden Dezember stattfin-den. Bereits ab Beginn 2008 sollen

tern der bangladeschischen Zivil-gesell-schaft und führenden NGOssowie dem Dachverband FNB hef-tig kritisiert. Infolge des starken Pro-tests nahm die von FakhruddinAhmed geführte Übergangs-regierung die Anweisung zurück.Wie das Beispiel zeigt, versucht dasMilitär, staatliche Behörden wie das„Büro für NGO-Angelegenheiten“zu nutzen, um eigene Ziele durch-zusetzen. Es ist nicht bekannt, obvor dem Erlass der Anweisungdurch das Militär eine Absprachemit der Übergangsregierung erfolgtwar. (ds/nr)

Ershad tritt abErshad tritt abErshad tritt abErshad tritt abErshad tritt ab

H.M. Ershad ist am 30. Juni von sei-nem Posten als Vorsitzender dervon ihm geführten Fraktion derJatiya Party (JP) zurückgetreten. Erhatte das Amt des Parteivorsitzen-den seit 1986 inne.

Nach seinem Putsch 1982 ließ ersich Ende 1983 als Präsident verei-digen. 1990 musste er unter demDruck der Demokratiebewegungzurücktreten. Er wurde verhaftet,stieg aber einige Jahre später mit dervon ihm gegründeten JP wieder indie Politik ein.

Neuer Parteivorsitzender der JPist nun Anisul Islam Mahmud.Ershad begründet seinen Rücktrittdamit, er wolle Reformen innerhalbseiner Partei unterstützen und dazusei auch ein Führungswechsel nö-tig. Druck sei dabei nicht auf ihnausgeübt worden. (ph)

Wahlen auf lokaler Ebene abgehal-ten werden.

Von September bis November2007 werden die Gespräche mit denpolitischen Parteien zum ThemaWahlreformen wieder aufgenom-men. Die Wahlkommission gehtdavon aus, dass bis dahin dieRestrukturierung der Parteien ab-geschlossen ist. Das Verbot öffentli-cher und nicht öffentlicher politi-scher Aktivitäten hat weiterhin Be-stand.

Von der Kommission gab es einvorläufiges „Nein“ zu transparen-ten Wahlurnen, mit dem Hinweis,hierzu noch mit Vertretern der Par-teien sprechen zu wollen. Die An-schaffung der Urnen sei zu teuerund der logistische Aufwand, dieseherzustellen, zu groß. (ds/nr)

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NETZ 15

Fotos:GanaUnnayanKendra

Abkürzungen:ph: Patrizia Heidegger; nr: NikoRichter; ds: Dirk Saam

Sheikh Selim Ende Juni vor einemGericht in Dhaka schuldig, in ei-nem Fall Geld gefordert und erhal-ten zu haben. Das Geld habe er mitSheikh Hasina geteilt. (nr)

Flut in BangladeschFlut in BangladeschFlut in BangladeschFlut in BangladeschFlut in Bangladesch

Infolge verheerender Monsun-Re-genfälle stand seit Ende Juli einDrittel Bangladeschs für über zweiWochen unter Wasser – eine Flä-che, die der Größe der Schweiz ent-spricht. Als die höchsten Pegelstän-de der schlimmsten Flut seit Jahrengemessen wurden, waren acht Mil-lionen Menschen obdachlos. EndeAugust hatten bereits über 700 Men-schen ihr Leben durch das Hoch-wasser verloren.Aber auch mit dem langsamenRückgang des Wassers ist die Ge-fahr für die Menschen noch langenicht gebannt: Behörden undRettungskräfte befürchten den Aus-bruch von Typhus, Cholera sowieDurchfallerkrankungen. Not-unterkünfte und Krankenhäusersind immer noch hoffnungslosüberfüllt. nr

16 NETZ

Der vierzehnjährige Mizanur Khanreißt mit flinken Griffen Plakatrestevon einer Wand in Dhakas StadtteilMotijheel und stopft sie in seinengroßen Jutesack. Der Jugendlichesammelt nach der Schule Papierund Pappreste, um das Einkommenseiner Familie aufzubessern. Unterden Plakaten kommt das Antlitzvon Khaleda Zia, eingehüllt in ei-nen gelben Sari, zum Vorschein. IhrPortrait ist Teil eines der wenigennoch übrig gebliebenen Wandge-mälde des zu Jahresbeginn abge-brochenen Parlamentswahl-kampfes. „Ohne den Schutz ausPapier und Kleister wäre das Bildbestimmt auch der ‚Minus-Zwei’-Strategie der Übergangsregierungzum Opfer gefallen,“ sagt Mizanurmit einem Augenzwinkern. „Eins,zwei, drei,“ zählt er laut und deutetdabei auf andere porträtierte Politi-ker auf der Wand. „Diese da sindalle bereits verhaftet worden, undsie werden nicht die letzten gewe-sen sein.“

„Minus Zwei“-Strategie

Seit dem 12. Januar leitet eine vonFakhruddin Ahmed angeführteÜbergangsregierung die Amtsge-schäfte. Was anfangs nur hintervorgehaltener Hand gemurmeltwurde, ist heute kein Geheimnismehr: die Militärs hatten damalsmaßgeblich am Rücktritt der altenund der Einsetzung der neuen Über-gangsregierung mitgewirkt. Präsi-dent Iajuddin Ahmed war nuraufgrund ihres Drucks vom Amtdes Chefs der Übergangsregierungzurückgetreten. Bereits kurz nachdem Amtsantritt wurde klar, dassdie neue Regierung nicht gewillt ist,die politischen Grabenkämpfe zwi-schen den Führungsriegen derbeiden großen Volksparteien

Bangladesh Nationalist Party (BNP)und Awami League weiter hinzuneh-men. Diese hatten in der Vergan-genheit immer wieder das politi-sche, wirtschaftliche und sozialeLeben in Bangladesch zum Still-stand gebracht. Nicht nur aufgrundpolitischer Differenzen, sondernnicht zuletzt auch wegen persönli-cher Fehden. Daher wurden ins-be-sondere die Parteiführungen in denletzten Monaten hart von der neuenRegierung und ihren Unterstützernangegangen.

Die Bewegungsfreiheit der BNP-Vorsitzenden Khaleda Zia ist seitMonaten stark eingeschränkt, undihr ältester Sohn und politischerErbe Tarique Rahman sitzt in Un-tersuchungshaft. Gerichte überprü-fen gegenwärtig Korruptionsvor-würfe gegen die ehemalige Premier-ministerin. Aufgrund ähnlicherVorwürfe wurde Mitte Juli ihre

Vorgängerin Sheikh Hasina inhaf-tiert. Nach einem Auslandsauf-enthalt im April hatte die Über-gangsregierung zunächst versucht,die Rückkehr der Präsidentin derAwami League zu verhindern.Gleichzeitig legte man Khaleda Zianahe, nach Saudi Arabien auszu-reisen. In Regierungs- und Militär-kreisen, aber auch in Teilen der Par-teien selbst scheint die Meinungvorzuherrschen, dass ein partei-politischer Neuanfang nur ohne diebeiden großen Rivalinnen des Lan-des und ihre Familien möglich ist.Hierfür prägten die Medien inBangladesch den Begriff der „Mi-nus-Zwei“-Strategie. Neben demHausarrest von Khaleda Zia undder Verhaftung Sheikh Hasinas trafes aber auch andere bekannte Poli-tiker, u.a. den wegen Korruptions-vorwürfen verhafteten Abdul Jalil,der mittlerweile zurückgetreteneGeneralsekretär der Awami League,sowie den BNP-Politiker und ehe-maligen KommunikationsministerBangladeschs Nazmul Huda.

Parteireformen

Trotz des Verbots parteipolitischerAktivitäten berichten die Tageszei-tungen in Bangladesch fast täglichüber neue Reformvorschläge undpersonelle Veränderungen in denFührungspositionen der großenParteien. Der frühere Militärmacht-haber Ershad hat sich mittlerweilevom Vorsitz der von ihm geführtenFraktion der Jatiya Party zurückge-zogen. Ob er sich in Zukunft wirk-lich auf sein Altenteil zurückziehenwird, bleibt abzuwarten. Um seineNachfolge ist unterdessen ein offe-ner Machtkampf entbrannt zwi-schen dem von Erhsad inthronisier-ten Anisul Islam Mahmud undErshads Ehefrau Rawshan. In der

PPPPParteireformen nach Plan?arteireformen nach Plan?arteireformen nach Plan?arteireformen nach Plan?arteireformen nach Plan?Von Niko RichterVon Niko RichterVon Niko RichterVon Niko RichterVon Niko Richter

Ende 2008 soll die nächste Parlamentswahl in Bangladesch stattfinden. Der Weg dorthin führt für dieMehrzahl der etablierten politischen Parteien des Landes, das hat die neubesetzte Wahlkommission deut-lich gemacht, nur über Reformen.

Seit März unter Hausarrest:Khaleda Zia.Foto: Niko Richter

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NETZ 17

BNP ist Abdul Mannan Bhuiyan,stellvertretender Generalsekretärder Partei, die treibende Kraft hinterder Gruppe der Reformer. Auchzwischen ihm und denen, dieweiterhin den Führungsanspruchvon Khaleda Zia unterstützen undBhuiyans Reformvorschlägen kri-tisch gegenüber stehen, scheint einoffener Kampf um den Parteivorsitzentfacht zu sein.

Die Führungsriege der AwamiLeague vermittelt zurzeit einen eherzerstritten Eindruck. VerschiedenePräsidiumsmitglieder haben bereitsöffentlich ihre eigenen Reform-pakete vorgestellt. Die Gruppe dervom Präsidiumsmitglied AmirHossain Amu angeführten Refor-mer hat den größten innerpartei-lichen Rückhalt. Sie wird auch vonden drei Politik-Veteranen AbdurRazzak, Tofail Ahmed und SuranjitSengupta unterstützt. Nur bei derJamaat-e-Islami Bangladesh (JIB) be-trachtet man die gegenwärtigen in-nenpolitischen Entwicklungenzumindest nach außen hin gelas-sen. Parteivorsitzender MatiurRahman Nizami spricht im Inter-view mit dem PROBE News Magazi-ne davon, dass die JIB, anders alsdie anderen Parteien, Reformennicht nötig habe. So würden Partei-ämter bereits alle drei Jahre neu ge-wählt, und das letzte Entschei-dungsgremium sei das Partei-präsidium und nicht der Vorsitzen-de.

Die Blaupause und der Fahrplan

Interessant ist, dass die Vorschlägeder Reformer der BNP und AwamiLeague, aber auch die Reformideenvon Rawshan Ershad, viele Ge-meinsamkeiten aufweisen. Dazugehören die Beschränkung derAmtszeit des Vorsitzenden der Par-tei auf drei Jahre bei einmaliger Wie-derwahl, die Offenlegung der jähr-lichen Einkünfte gegenüber demFührungsgremium der Partei sowiedie Beschneidung der Befugnissedes Parteivorsitzenden. Daher wirdin Bangladesch seit längerem überden oder die Urheber einer mögli-chen Blaupause für die Partei-reformen spekuliert. Ferner schei-nen bestimmte innerparteiliche

Gruppen nicht mehr dem Verbotinnenpolitischer Aktivitäten zu un-terliegen. Sie können ihre Reform-vorschläge besprechen, präzisierenund auf Pressekonferenzen vorstel-len. Ende Juli konnte sich sogar diemit Spannung erwartete ProgressiveDemocratic Party gründen. Sie setztsich aus namhaften Abtrünnigenaller großen Parteien zusammenund wird von Ferdaus AhmedQuarishi angeführt. Der von denMedien als „Königs-Partei“ be-zeichneten neuen politischen Kraftwerden gute Beziehungen zu denaktuellen Machthabern nachgesagtund so gute Chance für die kom-mende Wahl eingeräumt.

Am Tag vor Sheikh Hasinas Ver-haftung verkündete der Vorsitzen-de der nationalen Wahlkommissionden Fahrplan zur ParlamentswahlEnde 2008. Ab Herbst dieses Jahressollen hierfür Gespräche mit denVertretern der großen politischenParteien beginnen. Gegenwärtigwolle man den Prozess der perso-nellen und inhaltlichen Neuformie-rungsprozesse der Parteien abwar-ten. Dass dann Khaleda Zia undSheikh Hasina an den Gesprächennoch teilnehmen, daran glaubt zumjetzigen Zeitpunkt in Bangladeschkaum noch jemand. Aber auch dieReformer scheinen nur bedingttauglich, um einen Ideologie-wechsel in ihren jeweiligen Partei-en herbeizuführen. Zu sehr warenund sind sie in den vergangenenJahrzehnten in die Arbeit der Partei-führung eingebunden gewesen, ha-ben die heutigen Strukturen selbstmitentwickelt und dafür politischeVerantwortung getragen.

Chance für das politische System

Vielleicht gibt es keine andere Mög-lichkeit auf einen Neuanfang, alszunächst Teile der alten Füh-rungskader der Parteien des Lan-des in den Reformprozess einzubin-den. Denn woran es allen Parteienmangelt, ist der politische Nach-wuchs. Aufgrund der aktuellen Ent-wicklungen werden sich die meis-ten Parteien inhaltlich wie perso-nell neu aufstellen müssen. Für po-litische Nachwuchskräfte bietensich heute so gute Gelegenheiten

wie seit 1991 nicht mehr. So hält dergegenwärtige Reformprozessdurchaus auch Chancen für daspolitische System in Bangladeschbereit. Genau hier könnte auch dieinternationale Gemeinschaft einenBeitrag leisten. Beobachter der ak-tuellen Entwicklungen in Bangla-desch bedauern, dass die politi-schen Stiftungen aus Deutschlandnoch immer nicht im Land aktivsind. Gerade sie hätten die Mög-lichkeit, mit ihren Schulungen unddurch gezielte Förderprogrammedie rudimentären Ansätze inner-parteilicher Demokratie, von derAwami League, über die BNP bis hinzur JIB, zu fördern und zu festigen.

Mizanurs Altpapiersack ist in-zwischen fast voll. Stolz erzählt ervon seinem großen Bruder. Der en-gagiert sich in der Jugendgruppeeiner der großen Parteien, ist sogarderen 2. Vorsitzender. „Heute ist eseinfacher, sich ohne Beziehungenund Geld politisch zu engagierenund sogar in eine Führungspositionzu gelangen. Leute, die nur aufschnelles Geld aus sind, meidenjetzt die Politik erst einmal.“ Ersteinmal. Die nächsten Monate biszur angesetzten Neuwahl Ende2008 werden zeigen, welchen Wegdas politische System und die poli-tische Kultur in Bangladesch ein-schlagen werden. Gerechte Ge-richtsverfahren, einheitliche Maß-stäbe für alle Parteien und Politikerund die gezielte Förderung des po-litischen Nachwuchses sollten ele-mentare Bestandteile dieser Ent-wicklung sein, um Bangladeschzurück auf den Weg zu einer parla-mentarischen Demokratie zu füh-ren.

Niko Richter istReferent fürFreiwilligenarbeitbei NETZ undarbeitet an einerPromotion überpolitische Parteien inBangladesch.

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Am 7. Juni, während des G8-Gip-fels in Heiligendamm, habenHerbert Grönemeyer, Bono, DieToten Hosen, Silbermond und vie-le andere Stars ihre „Stimmen ge-gen Armut“ erhoben. Auch musi-kalische Vertreter und Redner ausacht beispielhaft auswählten Ent-wicklungsländern („Poor 8“, P8)waren auf dem Gipfel-Konzert inRostock dabei, unter anderem dieBand Bangla und Friedensnobel-preisträger Mohammad Yunus ausBangladesch. Straßenkinder ausDhaka waren mit ihrer Video-botschaft vertreten. NETZ hat ander Vorbereitung der Großver-anstaltung mitgewirkt.

Der zehnjährige Shagor ist allein.Seine Mutter hat sich erhängt, weilsie die Schläge des Vaters nicht aus-gehalten hat. Der wiederum hat denJungen einfach am Bahnhof vonDhaka ausgesetzt. Jetzt lebt er amFlusshafen der 14-Millionen-Metro-pole. Er trägt schwere Wasser-flaschen und anderes Gepäck fürdie Reisenden, für ein paar Cent amTag. Nachts schläft er direkt an derUferböschung. Niemand weißgenau, wie viele Kinder so ihr Da-sein fristen. Jedenfalls habenShagor und seine Freunde noch niedavon gehört, dass sich die Staats-und Regierungschefs in der Millen-

niums-Erklärung im Jahre 2000 ver-pflichtet haben, allen Kindern die-ser Welt zumindest eine Grund-schulbildung zu ermöglichen.

Veranstaltet wurde das Konzertin Rostock von der Aktion DEINESTIMME GEGEN ARMUT. NETZentwickelte die Idee, dort Menschenaus acht der ärmsten Länder zuWort kommen zu lassen: Musiker,Vertreter der Zivilgesellschaft undvor allem die Betroffenen selbst, dieihrer elementaren Rechte beraubtsind. Ihre Videobotschaften solltenjedoch nicht von Profis gedreht wer-den. Sie nahmen selbst die Kamerain die Hand, um ihre Situation dar-zustellen, ihre Anliegen zu nennen.Genau so, wie Entwicklungsarbeitdie Menschen befähigen soll, ihreRechte durchzusetzen. Also hat Aino Shalish Kendro, eine NETZ-Partnerorganisation, Shagor undandere Kinder gefragt, ob sie Men-schen auf der anderen Seite derWelt in einem Video von ihren Pro-blemen berichten wollen. Sie habenja gesagt, denn so etwas erleben sienicht jeden Tag.

Die vierzehn Jahre alte Lipiwohnt in einem Slum. Schon alsKind musste sie arbeiten und sozum Unterhalt der Familie beitra-gen. Für das „P8“-Video ist sie zum

ersten Mal Kamerafrau – und mäch-tig stolz. Vor dem Dreh lernen dieKinder etwas übers Filmen. Sie be-schließen, Straßenkinder und arbei-tende Kinder am Fluss zu porträtie-ren.

Am Hafen führen mehrere großeMetallstege über das schräg abfal-lende Ufer zu Pontons, an denendutzende Fähren und unzähligekleine Boote festgemacht haben.Von hier brechen Reisende ins gan-ze Land auf. Es ist immer viel los:Menschen tragen ihr Hab und Gutauf die Schiffe, andere entladenüberfüllte Boote, Händler preisenihre Ware an. Die Uferböschung istvoller Müll. Hier wohnen die Stra-ßenkinder. Sie schlafen unter Kar-tons oder in herumliegenden Roh-ren. Das Wasser des FlussesBuriganga ist schwarz und ölig.Plastik, Essensreste, Tierkadaver,alles treibt auf der schillerndenWasseroberfläche. Das Wasserriecht faulig. Kinder, die hier woh-nen und arbeiten, baden im Fluss.Shagor kratzt sich ständig, dennseine Haut ist vom verseuchtenWasser angegriffen.

Kamerafrau Lipi dreht ein paarEindrücke vom Hafengetümmel.Unter einem alten Metallsteg hau-sen ein paar Familien. Hier drän-

VideoVideoVideoVideoVideo-Botschaft zum G8--Botschaft zum G8--Botschaft zum G8--Botschaft zum G8--Botschaft zum G8-GipfeltreffenGipfeltreffenGipfeltreffenGipfeltreffenGipfeltreffenLipis TLipis TLipis TLipis TLipis Traum einer wunderbaren Zukunft / raum einer wunderbaren Zukunft / raum einer wunderbaren Zukunft / raum einer wunderbaren Zukunft / raum einer wunderbaren Zukunft / VVVVVon Pon Pon Pon Pon Patrizia Heideggeratrizia Heideggeratrizia Heideggeratrizia Heideggeratrizia Heidegger

Lipi fängt mir der Kamera das Elend in ihrem Slum ein. Foto: P. Heidegger

„Stimmen gegen Armut“„Stimmen gegen Armut“„Stimmen gegen Armut“„Stimmen gegen Armut“„Stimmen gegen Armut“aus Bangladesch auf DVDaus Bangladesch auf DVDaus Bangladesch auf DVDaus Bangladesch auf DVDaus Bangladesch auf DVDIm Rahmen der Aktion DEINESTIMME GEGEN ARMUT sind,neben der Video-Botschaft der Kin-der aus Dhaka, drei weitere Filmein Bangladesch entstanden. Allevier Spots können für Veranstal-tungen, im Kino etc. eingesetztwerden. Die DVD kostet 5,- Euro.Bestellung in der NETZ-Geschäfts-stelle, [email protected]

NETZ aktivNETZ aktivNETZ aktivNETZ aktivNETZ aktiv

NETZ 19

gen sich ein paar Hütten,zusammengeschustert aus Plastik-planen und Strohmatten. Ein klei-nes Kind sitzt alleine auf einerEisenstange des verrosteten Stegs,das Gesicht verkrustet mit Dreck.Shagor ist hier zu Hause. „Ich hof-fe, dass ich eine gute Arbeit finde,wenn ich groß bin. Wenn ich dannkrank werde, kann ich zu einemArzt gehen“, sagt er in die Kamera.Sofort bildet sich eine Menschen-traube. Eine Frau will mit auf dasBild: „Schauen Sie nur wie wir hierleben! Wir haben nichts.“

Bei Lipi zu Hause im Slum ist eskaum anders. Zwar haben sie eineTrinkwasserpumpe und die Häu-ser sind mit Wellblech verstärkt.Doch auch hier derselbe Teufels-

kreis der Armut. Auch Lipi möchteweiter zur Schule gehen und einebessere Arbeit finden. Dann werdenihre Wünsche in Erfüllung gehen,so glaubt sie: „Ich träume von ei-nem wunderbaren Leben.“

Wie in vielen Entwicklungslän-dern mangelt es den Kindern desVideoteams vor allem an der Mög-lichkeit, ihre Fähigkeiten durch Bil-dung zu entfalten. Weil sie armsind, gehen sie nicht zur Schule,und weil sie keine Bildung haben,bleiben sie arm. Den Millenniums-Entwicklungszielen zufolge sollenbis zum Jahr 2015 weltweit alle Jun-gen und Mädchen eine Grund-bildung erhalten. Shagor und Lipiträumen bisher nur davon. Damites kein Traum bleibt, fordert DEINE

STIMME GEGEN ARMUT mehrund besseres entwicklungs-politisches Engagement der reichenIndustrienationen. Die Ergebnissedes G8-Gipfels reichen auf jedenFall nicht, um die Ziele zu erreichen.Doch bei vielen der 70.000 Konzert-besucher ist die eindringliche Bot-schaft der Kinder aus Dhaka hän-gen geblieben.

Anlässlich des G8-Gipfels in Heili-gendamm erhoben dutzende Pop-stars und 70.000 Teilnehmer aufdem Festival ihre Stimme gegenHunger und extreme Armut in derWelt. NETZ war maßgeblich an der

Die PolitologinPatrizia Heideggerist NETZ- Frei-willige bei derMenschenrechts-organisation Ain oShalish Kendro.

P8-Konzert in Rostock am 7. Juni 2007P8-Konzert in Rostock am 7. Juni 2007P8-Konzert in Rostock am 7. Juni 2007P8-Konzert in Rostock am 7. Juni 2007P8-Konzert in Rostock am 7. Juni 2007

„Stimmen gegen Armut„Stimmen gegen Armut„Stimmen gegen Armut„Stimmen gegen Armut„Stimmen gegen Armut“““““Entwicklung der „P8-Idee“ für dasKonzert beteiligt: Stellvertretend füralle Menschen, die unter Hungerleiden, machten Musiker und Red-ner aus acht der ärmsten Entwick-lungsländer („Poor 8“, P8) auf das

weltweite Unrecht aufmerksam.NETZ konnte Friedensnobelpreis-träger Mohammad Yunus als Red-ner und die sozial engagiertebangladeschische Band Bangla füreinen Auftritt gewinnen. Zudemwurde ein Kurzfilm gezeigt, denSlum-Kinder in Dhaka selbst ge-dreht haben. NETZ hatte ihnen nureine Kamera in die Hand gegeben.

Links: Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus. Mitte: Die Band Bangla erhebt ihre Stimme gegen die weltweiteArmut. Rechts: NETZ übergibt auf dem P8-Konzert 10.000 gesammelte, Unterschriften.

Fotos: Peter Dietzel (l, m) Heiko Herold (r)

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Am 19. Mai veranstaltete das„Wetzlarer Bündnis Heiligendamm07“ im Rahmen der Aktion DEINESTIMME GEGEN ARMUT die erste„White Band Night“ in der Stadt ander Lahn. Um eine möglichst breiteÖffentlichkeit in ganz Deutschlandzu erreichen, wurden in über 20Städten „White Band Nights“ vonlokalen Veranstaltern im Vorfelddes G8-Gipfels organisiert. DemWetzlarer Bündnis gehören nebenNETZ, Attac Wetzlar, der Eine-Welt-Laden Wetzlar, der WetzlarerFriedenstreff, das Jugendnetz Wetz-lar, die Space Party Crew und Pri-vatpersonen an.

Unter dem Motto „One WorldBeats“ begeisterten die Rock-Pop-Cover-Band Summerfield, der

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Der von NETZ ausgerufene Wettbe-werb „Unsere Stimme gegen Ar-mut“ fand insbesondere unter Ju-gendlichen regen Anklang. AufAktionstagen, in eigenhändig pro-duzierten Videoclips oder durchselbstverfasste Lieder machten sieihr interessiertes Publikum auf dieweltweite Armut aufmerksam undwarben so um deren Stimmen ge-gen Armut.

Die Teilnehmer der WetzlarerMedienwerkstatt Westend erhieltenden Hauptpreis. Die Texte und Dar-bietung ihres engagierten Sprech-gesangs und zahlreiche weitereAktionen überzeugten die Jury. DieGewinner fuhren mit dem NETZ-Sonderbus zum P8-Konzert inRostock.

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Mark Asamoah begeisterte sein Publikum. Foto: Annette Greier

Rap gegen Ungerechtigkeit: Die Gewinner des Wettbewerbs von derMedienwerkstadt Westend. Foto: Holger Lehmann

ghanaische Perkussionist MarkAsamoah und DJ Shunil ausBangladesch das Publikum imVeranstaltungsraum des BistroHarlekin. Auf der gleichzeitig statt-

findenden Veranstaltung in derDiskothek Poco informierten sichmehr als 500 Jugendliche über dieweltweite Armut, gaben auf Unter-schriftenlisten ihre Stimmen ab unddrehten dutzende Klickspots fürdie Aktion.

Inhaltlich begleitet wurde dasProgramm an beiden Orten von Re-den, kurzen Videoclips zur Situati-on in den Entwicklungsländernund Informationsständen.

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Staffelübergabe in derStaffelübergabe in derStaffelübergabe in derStaffelübergabe in derStaffelübergabe in derNETZ-RedaktionNETZ-RedaktionNETZ-RedaktionNETZ-RedaktionNETZ-Redaktion

Nach 24 Jahren scheidet PeterDietzel, rechts im Bild, aus der Re-daktion dieser Zeitschrift aus.Durch seine Arbeit in der Projekt-koordination und Öffentlichkeitsar-beit wird er NETZ weiterhin ver-bunden bleiben. Kollege Niko Rich-ter übernimmt seine Aufgaben inder Redaktionsleitung. Die Mitglie-der der Redaktion bedanken sichherzlich für ein Viertel-Jahrhundertengagierter Mitarbeit!

NETZ-Beitrag zur Aktion DEINE STIMME GEGEN ARMUTNETZ-Beitrag zur Aktion DEINE STIMME GEGEN ARMUTNETZ-Beitrag zur Aktion DEINE STIMME GEGEN ARMUTNETZ-Beitrag zur Aktion DEINE STIMME GEGEN ARMUTNETZ-Beitrag zur Aktion DEINE STIMME GEGEN ARMUT

Durch die unermüdliche Unterstützung der vielen engagierten Ehrenamt-lichen hat NETZ einen beachtlichen Beitrag zur Aktion DEINE STIMMEGEGEN ARMUT geleistet.10.000 Unterschriften wurden gesammelt, über 500 Video-Klickspotsaufgenommen und 30 Veranstaltungen durchgeführt, um die Bundesre-gierung an ihr Versprechen zu erinnern, alles zu tun, um bis zum Jahr2015 weltweit die extreme Armut zu halbieren.Ihnen und Euch ein herzliches Dankeschön dafür!

Den zweiten Platz belegten dieKinder der 3. und 4. Klassen an derGemeinschaftsgrundschule Wahl-scheid. An einem Aktionstag zuBangladesch, an dem über 240Schüler und ihre Eltern teilnahmen,gestalteten sie einen bunten Elefan-ten aus Pappmache und malten einBanner.

Einen tollen 3. Platz belegten dieSchüler des Alexander-von-Hum-boldt-Gymnasiums in Lauterbach.Sie veranstalteten, gemeinsam mitEhrenamtlichen aus dem AK Bil-dung, einen Aktionstag zu Bangla-desch. Auf dem anschließendenSchulfest konnten viele Unterschrif-ten für die Aktion gesammelt wer-den.

Alle Aktionen des Wettbewerbsfinden Sie im Internet auf unsererSonderseite zur Aktion DEINESTIMME GEGEN ARMUT unterwww.p-acht.de

Die Band Bangla trat bei der von NETZ veranstalteten „White Band Night“in Halle auf. Organisiert wurde diese von Studentinnen des Südasien-Seminars der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Foto: NETZ

Einer von über 500 Video-Klickspots. Foto: NETZ

Foto: Felix Groh

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Solidarität in der FlutSolidarität in der FlutSolidarität in der FlutSolidarität in der FlutSolidarität in der FlutAls das Ausmaß der Flutkatastrophe in Bangladesch deutlich geworden ist,haben viele Menschen in Deutschland sofort reagiert. Hunderte Privatper-sonen und Firmen haben durch eine Spende ermöglicht, dass die Hilfe vonNETZ und unseren Partnerorganisationen vor Ort umgehend startenkonnte. Zahlreiche Aktionsgruppen, Kirchengemeinden und Institutionenunterstützen die Hilfsmaßnahmen von NETZ, unter anderem machen mit:

+++ Initiative Bangladesh, Aachen +++ Kindermissionswerk, Aachen+++ Evangelische Kirchengemeinde, Albig +++ Weltladen, Alzey+++ Eine Welt Laden, Bad Homburg +++ Auswärtiges Amt, Berlin+++ Katholische Kirchengemeinde, Birkenfeld +++ Evangelische Frauen-hilfe, Bonbaen +++ Evangelische Kirchengemeinde, Bonbaden +++HELP Hilfe zur Selbsthilfe, Bonn +++ Stiftung Ein Körnchen Reis, Bonn+++ Weltladen Emden +++ Katholische Frauengemeinschaft,Evenhausen +++ Evangelische Kirchengemeinde, Hohensolms +++Bistum Limburg +++ Jute-Team, Ludwigsburg +++ evangelisch-refor-mierte Kirchengemeinde, Möhlenwarf +++ Lions-Club, Nettetal +++Evangelische Kirchengemeinde Neukirchen +++ Protestantischer Frauen-bund, Neustadt-Hambach +++ ASHA Hoffnung für Bangladesch, Nürnberg+++ Katholische Kirchengemeinde Solms-Braunfels +++ WilhelmOberle Stiftung, Staufen +++ Evangelische Kirchengemeinde, Schwalbach+++ Eine Welt Laden, Schwalbach +++ Katholische Kirchengemeinde,Schwalbach +++ Michael Ende Gymnasium, Tönisvorst +++ Benediktiner-abtei St. Matthias, Trier +++ Katholische Kirchengemeinde, Tübingen-Hirschau +++ Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde, Weener +++Stadt Weener +++ Arche für Soziale Netzwerkarbeit, Wetzlar +++

Herzlichen Dank allen Spendern für Ihre Solidarität mit den Menschen inBangladesch!

AK Bildung: neuesAK Bildung: neuesAK Bildung: neuesAK Bildung: neuesAK Bildung: neuesEhrenamtlichen-Ehrenamtlichen-Ehrenamtlichen-Ehrenamtlichen-Ehrenamtlichen-TTTTTeameameameameamDie entwicklungspolitische Bil-dungsarbeit in Deutschland istwichtiger Bestandteil von NETZ. Sokonkret und anschaulich wie mög-lich sollen – am Beispiel Bangla-desch – viele Menschen über Ursa-chen und Auswirkungen der Ar-mut informiert werden. In Projekt-wochen, Vorträgen und Diskussio-nen werden zudem Handwerks-zeug und Wissen vermittelt, wie je-der selbst Einfluss nehmen kann.

Etwa 60 Mal im Jahr reisenSchulklassen, Konfirmanden-Gruppen, Firmlinge und die Teil-nehmerinnen und Teilnehmer an-derer Bildungsveranstaltungen mitNETZ im Geiste nach Bangladesch.Die Anfrage nach Veranstaltungensteigt stetig. Deshalb hat NETZ imMärz 2007 den Arbeitskreis (AK)Bildung gegründet. Fünfzehn akti-ve Ehrenamtliche engagieren sich

Ökumenischer FörderpreisÖkumenischer FörderpreisÖkumenischer FörderpreisÖkumenischer FörderpreisÖkumenischer FörderpreisEine WEine WEine WEine WEine Welt für NETZelt für NETZelt für NETZelt für NETZelt für NETZ

Das Aktionsbündnis DEINE STIM-ME GEGEN ARMUT Wetzlar be-kommt für seine vielfältigen Aktio-nen in der Stadt zum „White BandDay“ im Jahr 2005 den Ökumeni-schen Förderpreis Eine Welt verlie-hen. Dem Bündnis gehören nebenNETZ folgende lokale Organisatio-nen, Vereine und Gemeinden an:Attac Wetzlar, Arbeitskreis Brot-für-die-Welt-Tikato, Eine-Welt-Haus Wetzlar, Evangelische Kir-chengemeinden Albshausen undSteindorf, Jugendnetz Wetzlar,Space Party Crew und WetzlarerArbeitslosen Initiative.

Der Förderpreis wird vom Evan-gelischen Entwicklungsdienst unddem Katholischen Fonds Koopera-tion Eine Welt ausgeschrieben undbundesweit für vorbildliches Enga-gement für Gerechtigkeit und Frie-den verliehen. Die Auszeichnungwird am Freitag, den 28. September2007 um 16 Uhr, im Stadthaus amDom in Wetzlar überreicht.

Filmpreis für „Eisenfresser“Filmpreis für „Eisenfresser“Filmpreis für „Eisenfresser“Filmpreis für „Eisenfresser“Filmpreis für „Eisenfresser“

Regisseur Shaheen Dill-Riaz erhältam 17. September 2007 den „4. Eine-Welt-Filmpreis NRW“ für seine Do-kumentation „Eisenfresser“. DieJury, bestehend aus Vertretern vonOrganisationen der Entwicklungs-zusammenarbeit, der interkulturel-len Bildungsarbeit und dem Film-und Fernsehbereich, würdigt denFilm mit dem Prädikat „besondersempfehlenswert“ für die Bildungs-arbeit zu Nord-Süd-Themen. DemFilm und der Situation der dortportraitierten Menschen hat NETZeine Sonderausgabe gewidmet.

Shaheen Dill-Riaz wurde 1969 inDhaka geboren. Er studierte von1995 bis 2001 an der Hochschulefür Film und Fernsehen „KonradWolf“ Potsdam-Babelsberg. Neben„Eisenfresser“ hat er bei zwei wei-teren Filmen Regie geführt: „Sandund Wasser“ und „Die glücklichs-ten Menschen der Welt“. Im Mo-ment arbeitet er an einer Dokumen-tation über das islamischeBildungssystem in Bangladesch.

in dem AK, vor allem junge Leute,die einen Freiwilligendienst inBangladesch geleistet haben, undlangjährige Mitglieder.

Begeistert haben sie die Idee auf-gegriffen, ihre Erfahrungen an an-dere weiterzugeben. Jede und jederAktive führt mindestens zwei Ver-anstaltungen pro Jahr durch. Zu-sätzlich treffen sich die AK-Mitglie-der zweimal im Jahr zur intensivenFortbildung. Ein erster Erfolg stehtbereits zu Buche: die Aktiven habenim Frühjahr 2007 viele Veranstal-tungen bei der Aktion DEINESTIMME GEGEN ARMUT gestal-tet!

Interesse? Möchten Sie in IhrerSchule, in Ihrer Gruppe, in Ihre Kir-chengemeinde eine Veranstaltungüber Bangladesch durchführen?Brauchen Sie eine Referentin odereinen Referenten mit pfiffigenArbeitsmethoden und Unterrichts-konzepten? Wenden Sie sich bittean Gisela Bhatti. Tel. 06441 – 26585,[email protected]

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NETZ – Zeitschrift für Entwicklung und GerechtigkeitMoritz-Hensoldt-Str. 20 • D – 35576 WetzlarPostvertriebstück • DPAG • Entgelt bezahlt • G 8619

ISSN 1619-6570

Flutkatastrophe in Bangladesch:Flutkatastrophe in Bangladesch:Flutkatastrophe in Bangladesch:Flutkatastrophe in Bangladesch:Flutkatastrophe in Bangladesch:NETZ versorgt 60.000 MenschenNETZ versorgt 60.000 MenschenNETZ versorgt 60.000 MenschenNETZ versorgt 60.000 MenschenNETZ versorgt 60.000 Menschen

Das DZI, derdeutsche „Spenden-TÜV”, hat NETZ dasSpenden-Siegelverliehen. Es stehtfür einen sorgsamenUmgang mit denuns anvertrautenSpenden.

Spendenkonto Nr. 10 77 88 0Volksbank Wetzlar-Weilburg, BLZ 515 602 31

Moritz-Hensoldt-Strasse 20 • D – 35576 WetzlarTel: 06441 – 26585 • Fax: 06441 – 26257

e-mail: [email protected] • www.bangladesch.org

NETZ versorgt die hungernde Bevölkerung in denÜberschwemmungsgebieten mit Lebensmitteln undMedikamenten. Mit Booten bringen die Helfer Reisund Babynahrung in entlegene Gebiete Bangladeschs.Geschäftsführer Ingo Ritz, der gemeinsam mit einhei-mischen Kräften die Hilfe im Norden des Landes koor-diniert, berichtet: „Zwei Wochen lang stand ein DrittelBangladeschs unter Wasser – eine Fläche in der Größeder Schweiz. Über 700 Menschen sind bisher ums Le-ben gekommen. Die Zahl der Opfer steigt täglich. Mehrals acht Millionen Menschen sind obdachlos. VieleKinder sind entkräftet und erkranken an Durchfall.Die Lebensmittelvorräte der ärmsten Familien sind auf-gebraucht, sie sind auf Hilfe angewiesen.“

Mit Hilfe von NETZ haben zwölf Rettungsteamstausende Menschen aus überfluteten Hütten geholt.Derzeit versorgt NETZ die Familien – darunter 40.000Kinder – mit Lebensmitteln und notwendigen Medika-menten. Die Hilfe konzentriert sich auf abgelegene Ge-biete, in die bisher keine Unterstützung gelangt ist.

Die Helfer bringen Reis, Linsen, Speiseöl, Salz undWasserreinigungstabletten in die Notunterkünfte.Zudem verteilen sie Kunststoffplanen, die Familien vordem Regen schützen. Vor allem stillende Mütter undKinder erhalten die Notrationen. Ärzteteams versor-gen die Kranken. Ingo Ritz: „Ein großer Teil der Ernteist zerstört. Nach der Soforthilfe erhalten die Familiendeshalb Saatgut, um wieder anpflanzen zu können.“

NETZ bittet um Spenden unter dem Kennwort „Flut-hilfe“.

Eine Notration mit Lebensmitteln, die einer fünf-köpfigen Familie das Überleben sichert, kostet 10Euro.

Onlinespenden sind möglich unter:www.flut.bangladesch.org

Geschäftsführer Ingo Ritz unterstützt die Hilfsmaßnahmenin den Überschwemmungsgebieten.