20gesamtblatt
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Nicht ganz so auffällig, wie auf dem gestellten Foto sind die ca. 200 Zähler in über 120 Gottesdienste ausgeschwärmt.
Wird Luthers Kirche zur Seniorenkirche?
Alternative Zähl-Aktion von Kirche für morgen in 123 Kirchen:
Jugend, Familien und Männer bleiben weg
Rechtzeitig zum Reformationstag war es wieder soweit: Über 200 Mitwirkende beteiligten sich in ganz
Württemberg an der alternativen Gottesdienstzählung von „Kirche für morgen e.V.“, der Initiative zur Reform der
Evangelischen Landeskirche in Württemberg. In 123 zufällig ausgewählten Gottesdiensten in 47 der 51
Kirchenbezirke zählten sie am 12. und 19. Oktober erstmals alle Besucher nach Altersgruppen und Geschlecht
aufgeschlüsselt. Bislang interessiert sich die Landeskirche zur Erstellung ihrer jährlichen Statistik nämlich nur
für die Gesamtzahl der Gottesdienstbesucher.
Kirche für morgen kann nun Zahlen auf den Tisch
legen, die nicht mehr wegzudiskutieren sind. Was die
Zähler aus der Kirchenbank heraus gewissenhaft auf
ihren Zählkärtchen notiert haben - sortiert nach fünf
Altersgruppen - belegt nach der Gesamtauswertung
eindeutig die These vom „Seniorengottesdienst“.
Altersdurchschnitt im Vergleich
Der Altersdurchschnitt im normalen Gottesdienst ist
53,8, bei den „Zweit“- und Jugendgottesdiensten ist er
33,3.
Noch klarer wird es, wenn man die Altersgruppen
betrachtet. In einem Sonntagmorgengottesdienst haben
mit 47,6% die über 60-jährigen fast die absolute
Mehrheit. (Wir haben bei diesen Zahlen die Kinder im
Kinderkirchalter und Konfirmanden herausgerechnet,
weil wir nur die zählen wollten, die selbstverantwortlich
und freiwillig in den Gottesdienst gegangen sind)
Erschreckend ist vor allem, wenn man feststellt, dass
Jugendliche nur 6,4% und sogar 20-40jährige nur
17,9% ausmachen.
Wie wenig noch am Sonntagmorgen kommen, wenn
die Kirchenglocken läuten, zeigt das Beispiel eines
ausgezählten Gottesdienstes mit 16 Besuchern -
darunter ganze zwei Männer. Nimmt man Pfarrer,
Organist und Mesnerin noch dazu, ergibt das immerhin
eine Steigerung um 18,75 Prozent. Doch echte Freude
macht hier einzig nur die Tatsache, beim Zählen sehr
rasch fertig zu sein.
Die Ergebnisse der Zweit- und Jugendgottesdienste
Erfreulicherweise ganz anders ist die Altersstruktur in
den über 300 „Zweit-“ und Jugendgottesdiensten in
Württemberg. Davon haben sich 43 zurückgemeldet.
Ergebnis: Mehr als zwei Drittel der Besucher eines
Gottesdienstes sind 40 Jahre oder jünger und nur
knapp 10 Prozent sind über 60. Dort sind auch mit 142
Besuchern die Teilnehmer fast doppelt so viele wie im
Sonntagmorgengottesdienst (auch wenn diese Daten
statistisch nicht so gesichert sind wie die streng
zufällige Zählung beim Sonntagmorgengottesdienst).
Die Altersstruktur im Gottesdienst am Sonntagmorgen
entspricht auch nicht nur annähernd der
Jugend
ohne Konfi
20-40J.
40-60 J
über 60 J.
Sonntagmorgen
Zweitgottesdienste
34,7%
33,4%
23,0%
8,8%6,4%
17,9%
28,2%
47,6%
Durchschnittlicher Prozentsatz der
Altersgruppen in Gottesdiensten
(ohne Kinder und Konfirmanden)
Zusammensetzung der Kirchengemeinden. Und
trotzdem kommen sonntags weiterhin überwiegend
„Ältere“ in den Genuss des auf sie zugeschnittenen
Gottesdienstes - für alle anderen ist der Tisch nicht
gedeckt. Wenn Jugendlichen, Familien mit Kindern und
jungen Erwachsenen nicht bald andere
Gottesdienstformen und -zeiten landeskirchenweit und
regelmäßig angeboten werden, wird der
demographische Wandel dem herkömmlichen
Sonntagsgottesdienst bald vollends den Rest geben.
Untermauert wird diese Erkenntnis durch den Pfarrer
Klaus Douglass von der Andreasgemeinde in
Niederhöchstadt bei Frankfurt, der in seinem bereits
1998 erschienen Buch „Ein Traum von Kirche“ sagt:
„Es gibt nur wenige Sätze, mit denen sich Pastoren und
andere Verantwortliche unserer Kirche so sehr in die
eigene Tasche lügen wie den, dass unsere
Gottesdienste „für alle“ da seien. Diese Behauptung ist
einfach nicht wahr, und sie wird auch nicht richtiger,
indem sie dauernd wiederholt wird.“
Und die Konsequenzen?
• Kirchenleitung und Landessynode müssen endlich
wahrnehmen: Beim Sonntagmorgengottesdienst ist
der Anspruch, ein „Gottesdienst für alle“ zu sein, mit
der Realität nicht mehr in Einklang zu bringen,
sondern er ist - und darf es auch sein - ein
Gottesdienst meist für über 50-jährige und dabei
schwerpunktmäßig für Frauen.
• Es gilt mutig andere Gottesdienste zu entwickeln
und zu fördern - mit anderer Musik, anderen Zeiten
und anderen Zielgruppen. Es kann nicht sein, dass
nur dieser eine Gottesdienst massiv subventioniert
wird - mit meist drei kirchlich bezahlten Angestellten
(Pfarrer, Mesnerin, Kantor), alle anderen
Gottesdienste aber ausschließlich von
Ehrenamtlichen ohne finanziell gleichwertiges
Budget durchgeführt werden müssen.
• Insbesondere für Jugendliche und junge
Erwachsene ist es dringend notwendig, in jedem
Kirchenbezirk einen regelmäßigen
Jugendgottesdienst - mindestens monatlich, besser
noch wöchentlich - anzubieten, wollen wir
Jugendlichen in unserer Kirche wirklich Heimat
bieten.
Dies ist nicht nur eine Frage des Überlebens unserer
Kirche, sondern eine Frage, ob wir als Kirche
überhaupt noch für heutige jüngere Leute bedeutsam
sein wollen. Und damit letztlich, ob wir überhaupt noch
die Chance haben, lebendige Gemeinde, offene Kirche
und Kirche für morgen sein zu können. F.Stöffler
g e z äh l t e
G o t t e sd ie
n st e
B e su c h e r
z a h l
D u r c h sc h
n i t t
M än n e r
D u r c h sc h
n i t t
F r a u e n
D u r c h sc h
n i t t
A l t e r sd u r
c h sc h n i t t
Sonntagmorgen
Zweitgottesdienst
4 3
14 1,6
4 1,3 %
5 7 ,9 %
3 3 ,3
12 4
7 4 ,4
3 8 ,7 %
6 1,3 %
5 3 ,8
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