höhenflüge sind nicht gut fürs denkvermögen

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MMW-Fortschr. Med. Nr. 8 / 2013 (155. Jg.) 9 _ Bei einer Reihe von Medikamenten muss bei gleichzeitigem Alkoholgenuss mit In- teraktionen gerechnet werden. Diese können im Einzelfall zu lebensge- fährlichen Komplikationen führen. „Der gemeinsame Medikamen- ten- und Alkoholgebrauch ist mit einem erhöhten Morbidi- täts- und Mortalitätsrisiko asso- ziiert“, sagte Prof. Ulrich Treichel, Hagenow. Dies gilt nicht nur für ZNS-aktive, sondern auch für viele andere Substanzen einschließlich frei verkäuflicher Präparate. Pathophysiologisch können Interaktionen durch veränderte Resorption, verstärkte oder abgeschwächte Metabolisierung, Enzyminduktion bzw. Enzyminhibition oder veränderte Rezeptor-Ligand-Wirkungen entstehen. Die häufigsten Interaktionen mit Alkohol werden bei Einnahme von Sedativa bzw. Narkotika, Antihypertensiva, Antibioti- ka, Antidiabetika und Gerinnungshemmern gesehen. „Gerade bei den neuen oralen An- tikoagulanzien kann ein gleichzeitiger Alko- holgenuss das Blutungsrisiko erhöhen“, so Treichel. Bei Sedativa bzw. Narkotika muss bei Alkoholgenuss mit einer deutlichen Wir- AKTUELL MAGAZIN PILOTENSTUDIE Höhenflüge sind nicht gut fürs Denkvermögen _ Ausflüge in große Höhen fördern nicht unbedingt die Hirnleistung. Piloten von US-Spionageflugzeugen schneiden in Kognitionstests schlechter ab als solche, die nur in den üblichen Höhen fliegen. Neurologen um Jennifer Rasmussen, San Antonio (USA), untersuchten Pi- loten des US-Spionageflugzeuges U2. Die einstrahlige Maschine erreicht Höhen über 20 000 Meter und fliegt damit doppelt so hoch wie normale Verkehrsflugzeuge. 85 U2-Piloten unterzogen die Neurologen kognitiven Tests und verglichen sie mit denen bei der Eingangsuntersuchung zu Beginn der Karriere so- wie mit den Ergebnissen von 60 anderen Piloten, die sich nicht in diesen Höhen aufhielten. Im Lauf von zehn Jahren verbesserten sich in beiden Gruppen die Werte in den neuropsycholo- gischen Tests. Bei den U2-Piloten war die Verbesserung jedoch signifikant geringer als bei ih- ren tiefer fliegenden Kollegen. Sie waren schlechter bei der Informationsverarbeitung, beim Gedächtnis und beim logischen Denken. Eine andere Studie hatte gezeigt, dass es bei Höhen- piloten zu einer abnormen Hyperintensität der weißen Substanz im T2-MRT kommt. MUT American Academy of Neurology, Annual Meeting, San Diego, 18.3.2013 kungsverstärkung gerechnet werden. Bei Antihypertensiva wird die blutdrucksenkende Wirkung unberechenbar und bei Antibiotika kann ein Wirkverlust eintreten. Die gefürchteten Kom- plikationen bei oralen Antidiabetika sind Hy- poglykämie und Lakta- zidose, bei Gerinnungsin- hibitoren kann sich ein Organversagen oder eine unbeherrschbare Blutung entwickeln. Alkoholanamnese nicht vergessen! Um beim einzelnen Patienten eine Risiko- stratifizierung vornehmen zu können, sollte eine standardisierte Alkoholanamnese er- folgen. Überdies sollte der Arzt in den Fach- informationen nach Warnungen über mög- liche Interaktionen suchen. „Eine regelmä- ßige und standardisierte Medikamenten- und Alkoholanamnese erleichtert die Ein- schätzung des Gefahrenpotenzials“, so Treichel. Auch pathologische Leberwerte bzw. Blutbildveränderungen können auf ei- nen Alkoholabusus hinweisen. STI 119. Internistenkongress, Wiesbaden, 8.4.2013 © istockphoto/thinkstock Schlechte Kombination. © imago Im Verkehrsflugzeug geistig besser drauf. MEDIKAMENTE UND ALKOHOL Cave: Gefährliche Interaktionen

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MMW-Fortschr. Med. Nr. 8 / 2013 (155. Jg.) 9

_ Bei einer Reihe von Medikamenten muss bei gleichzeitigem Alkoholgenuss mit In-teraktionen gerechnet werden. Diese können im Einzelfall zu lebensge-fährlichen Komplikationen führen. „Der gemeinsame Medikamen-ten- und Alkoholgebrauch ist mit einem erhöhten Morbidi-täts- und Mortalitätsrisiko asso-ziiert“, sagte Prof. Ulrich Treichel, Hagenow. Dies gilt nicht nur für ZNS-aktive, sondern auch für viele andere Substanzen einschließlich frei verkäuflicher Präparate.

Pathophysiologisch können Interaktionen durch veränderte Resorption, verstärkte oder abgeschwächte Metabolisierung, Enzym induktion bzw. Enzyminhibition oder veränderte Rezeptor-Ligand-Wirkungen entstehen. Die häufigsten Interaktionen mit Alkohol werden bei Einnahme von Sedativa bzw. Narkotika, Antihypertensiva, Antibioti-ka, Antidiabetika und Gerinnungshemmern gesehen. „Gerade bei den neuen oralen An-tikoagulanzien kann ein gleichzeitiger Alko-holgenuss das Blutungsrisiko erhöhen“, so Treichel. Bei Sedativa bzw. Narkotika muss bei Alkoholgenuss mit einer deutlichen Wir-

–AKTUELL–MAGAZIN

PILOTENSTUDIE

Höhenflüge sind nicht gut fürs Denkvermögen_ Ausflüge in große Höhen fördern nicht unbedingt die Hirnleistung. Piloten von US-Spionageflugzeugen schneiden in Kognitionstests schlechter ab als solche, die nur in den üblichen Höhen fliegen.Neurologen um Jennifer Rasmussen, San Antonio (USA), untersuchten Pi-loten des US-Spionageflugzeuges U2. Die einstrahlige Maschine erreicht Höhen über 20 000 Meter und fliegt damit doppelt so hoch wie normale Verkehrsflugzeuge. 85 U2-Piloten unterzogen die Neurologen kognitiven

Tests und verglichen sie mit denen bei der Eingangsuntersuchung zu Beginn der Karriere so-wie mit den Ergebnissen von 60 anderen Piloten, die sich nicht in diesen Höhen aufhielten. Im Lauf von zehn Jahren verbesserten sich in beiden Gruppen die Werte in den neuropsycholo-gischen Tests. Bei den U2-Piloten war die Verbesserung jedoch signifikant geringer als bei ih-ren tiefer fliegenden Kollegen. Sie waren schlechter bei der Informationsverarbeitung, beim Gedächtnis und beim logischen Denken. Eine andere Studie hatte gezeigt, dass es bei Höhen-piloten zu einer abnormen Hyperintensität der weißen Subs tanz im T2-MRT kommt. MUT ■■ American Academy of Neurology, Annual Meeting, San Diego, 18.3.2013

kungsverstärkung gerechnet werden. Bei Antihypertensiva wird die blutdrucksenkende

Wirkung unberechenbar und bei Antibiotika kann ein Wirkverlust eintreten. Die gefürchteten Kom-plikationen bei oralen Antidiabetika sind Hy-

poglykämie und Lakta-zidose, bei Gerinnungsin-

hibitoren kann sich ein Organversagen oder eine unbeherrschbare Blutung entwickeln.

Alkoholanamnese nicht vergessen!Um beim einzelnen Patienten eine Risiko-stratifizierung vornehmen zu können, sollte eine standardisierte Alkoholanamnese er-folgen. Überdies sollte der Arzt in den Fach-informationen nach Warnungen über mög-liche Interaktionen suchen. „Eine regelmä-ßige und standardisierte Medikamenten- und Alkoholanamnese erleichtert die Ein-schätzung des Gefahrenpotenzials“, so Treichel. Auch pathologische Leberwerte bzw. Blutbildveränderungen können auf ei-nen Alkohol abusus hinweisen. STI ■

■ 119. Internistenkongress, Wiesbaden, 8.4.2013

© is

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Schlechte Kombination.

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Im Verkehrsflugzeug geistig besser drauf.

MEDIKAMENTE UND ALKOHOL

Cave: Gefährliche Interaktionen