hauptsache und nebensächliches an der fortpflanzungsweise der kuckuksartigen vögel

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352 Hauptsache und Nebcns~chliches an der Fortpflanzungs. weise der kuckuksartigen Viigel. Von Dr. (3. W. L 61oger. Von sfimmtlichen Arten der Familie, welche fremde L~nder (der ,altan Welt ~ nebst Australien) bewohnen, kennt man in dieser Bezielmng nur fiusserst Weniges~ ja yon den meisten recht eigentlich noch gar Nichts. Die einzigen~ ill Betreff deren hieriiber Etwas bekannt gewor- den ist, scheinen einige wenige siidafrikanische. Selbst das aber, was L e v a i I 1 a n t dariiber geliefert hat, bezieht sich hauptsfichlich nur auf Eine dortige Art, den D i d ric; und sehon diese zeigt einige sehr be- deutende Abweiehungen yon der unserigen. Sonst aber geh~iren manche der bekannteren dortigen~ gleich einer neuhol|findischen, entweder nur zu den n~ichsten Yerwandten unseres gemeiaen Cuculus cartoons, wo nieht sogar als bloss klimatisch versehieden zu ihm selbst; oder, soweit sic unzweifelhaft specifisch und selbst generiseh versehieden sind, so gehiiren sie wenigstens zu denjenigen Arten, welehe sehon ihrer Gestalt und Bildung nach lange nicht so welt yon ihm ab- weichen, wie bereits die zweite europliische Art~ Coccystes glandarius, hierin yon ihm verschieden erscheint. Folglieh konnte in Betreff jener afrikanischen aueh schon hiernach gar nicht zu erwarten stehen, dass sic in den mehr nebensfiehlichen Einzelnheiten ihrer Fortpflanzungsweise yon unserem ,gemeinen" so merklich welt abweichen sollten, wie man diess auf Seiten jenes ,zwei- ten europaischen" schon in Betracht seiner grossen ~iusserlichen Ver- schiedenheiten wih'de voraussetzen miissen. Denn in der That wtirde man zu einer solchen Voraussetznng naturgemiiss allen Grund haben, auch. wenn nicht bereits der erste~ soeben gethane Schritt dazu~ diese Art hierin kennen zu ternen, das Bedeutende jener Abweiehungen ge- zeigt hiitte. Es wird also darauf ankommen~ dass man, -- start sich nur in dem ersten Augenblieke zweifelsvoll an diese Unterschiede zu stossen und sogar auf Grund dessen ein voreiliges Misstrauen in die Richtigkeit der ganzen, kaum begonnenenErfahrung hiertiber zu setzen, -- lieber unbefangen zu ermitteln suche: oh die Sache nieht eben ge- rade so, oder doch fihnlich, sich als wirklich ,naturgemfiss" erkennen lassen werde? und oh somit jener Bericht nicht gerade in dem entgegengesetzten Falle Misstrauen verdieuen wiirde? nfimlich: wen n er yon Coccystes glandarius tn Betreff der Nebendinge an sei- her Fortpflanzungsgeschichte nur Aehnliches vorbr~ichte, wie das, was man hierin yon Cuculus canorus kennt! -- Hiernach darfte es daher an der Zeit sein, einer gebiihrenden Unterscheidung zwischen Hauptsache und Nebendingen an dieser ganzen Frage, d.h. zwischen dem Nicht-Briiten und dem gesammten Uebrigen, was neben jenem herl~iuft, einige Beach- tung zu g0nnen.

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Page 1: Hauptsache und Nebensächliches an der Fortpflanzungsweise der kuckuksartigen Vögel

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Hauptsache und Nebcns~chliches an der Fortpflanzungs. weise der kuckuksartigen Viigel.

Von

Dr. (3. W. L 61oger.

Von sfimmtlichen Arten der Familie, welche fremde L~nder (der ,altan Welt ~ nebst Australien) bewohnen, kennt man in dieser Bezielmng nur fiusserst Weniges~ ja yon den meisten recht eigentlich noch gar Nichts. Die einzigen~ ill Betreff deren hieriiber Etwas bekannt gewor- den ist, scheinen einige wenige siidafrikanische. Selbst das aber, was L e v a i I 1 a n t dariiber geliefert hat, bezieht sich hauptsfichlich nur auf Eine dortige Art, den D i d r i c ; und sehon diese zeigt einige sehr be- deutende Abweiehungen yon der unserigen. Sonst aber geh~iren manche der bekannteren dortigen~ gleich einer neuhol|findischen, entweder nur zu den n~ichsten Yerwandten unseres gemeiaen Cuculus cartoons, wo nieht sogar als bloss klimatisch versehieden zu ihm selbst; oder, soweit sic unzweifelhaft s p e c i f i s c h und selbst g e n e r i s e h v e r s e h i e d e n sind, so gehiiren sie wenigstens zu denjenigen Arten, welehe sehon ihrer G e s t a l t und B i l d u n g nach lange nicht so welt yon ihm ab- weichen, wie bereits die zweite europliische Art~ Coccystes glandarius, hierin yon ihm verschieden erscheint.

Folglieh konnte in Betreff jener afrikanischen aueh schon hiernach gar nicht zu erwarten stehen, dass sic in den mehr nebensfiehlichen Einzelnheiten ihrer Fortpflanzungsweise yon unserem ,gemeinen" so merklich welt abweichen sollten, wie man diess auf Seiten jenes ,zwei - ten europaischen" schon in Betracht seiner grossen ~iusserlichen Ver- schiedenheiten wih'de voraussetzen miissen. Denn in der That wtirde man zu einer solchen Voraussetznng naturgemiiss allen Grund haben, auch. wenn nicht bereits der erste~ soeben gethane Schritt dazu~ diese Art hierin kennen zu ternen, das Bedeutende jener Abweiehungen ge - zeigt hiitte. Es wird also darauf ankommen~ dass man, - - start sich nur in dem ersten Augenblieke zweifelsvoll an diese Unterschiede zu stossen und sogar auf Grund dessen ein voreiliges Misstrauen in die Richtigkeit der ganzen, kaum begonnenenErfahrung hiertiber zu setzen, - - lieber unbefangen zu ermitteln suche: oh die Sache nieht eben ge - rade s o , oder doch f i h n l i c h , sich als wirklich , n a t u r g e m f i s s " erkennen lassen werde? und oh somit jener Bericht nicht gerade in dem entgegengesetzten Falle Misstrauen verdieuen wiirde? nfimlich: w e n n e r yon Coccystes glandarius tn Betreff der Nebendinge an sei- her Fortpflanzungsgeschichte nur Aehnliches vorbr~ichte, wie das, was man hierin yon Cuculus canorus kennt! - -

Hiernach darfte es daher an der Zeit sein, einer gebiihrenden U n t e r s c h e i d u n g zwischen H a u p t s a c h e und N e b e n d i n g e n an dieser ganzen Frage, d .h . zwischen dem N i c h t - B r i i t e n und dem g e s a m m t e n U e b r i g e n , was n e b e n jenem herl~iuft, einige Beach- tung zu g0nnen.

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Es wird aber ganz besonders nOthig erseheinen gegenfiber den, jetzt immer hiiufiger werdenden Reisen enropiiiseher Naturforseher, gut unterriehteter Samrater nnd reieher engliseher J z g d - and Naturfreunde, (welehe letztere beide sieh zum Theil mehrere Jahre lang bloss um des Jagdvergniigens und der Naturbeobaehtung willen in ferne Welttheile begeben.) Diese vielseitigen Bemfihungen werden jetzt immer mehr Aussieht darauf gewiihren, aueh Genaueres fiber die Fortpflanzung dor- tiger kuekuksartiger VOgel zu erfahren:

Hierbei ist jedoeh eben zu bedenken, wie unsfiglieh viel Zeit and Mfihe solehe genaue Ermittelungen sehon bei dem unserigen gekostet haben, ja theilweise noeh fortwiihrend kosten. In Betreff jener fremd- liindisehen aber wiirde ohne Zweifel eine sehr bedeutende Ersehwerung in so unriehtigen Voraussetzungen liegen, wie die: als mfisste hieran, ausser dem bleibenden a l l e i n i g e n H a u p t z u g e des Ganzen, dem N i e h t - B r ii t e n, aueh das gesammte Uebrige sieh nur iihnlieh wie bei unserem Cuculus canorus verhalten!

Dureh eine solche V o r a u s s e t z u n g wiirde man dieser Unter- suehung nur Schwierigkeiten selbst bereiten, wo in der Natur oft gar keine vorhanden wfiren. Denn sie wfirde geradezu n a t u r w i d r i g sein, k0nnte also der Ergrfindung der Wahrheit nut sehaden. Darum fort mit ihr! Sehon die Eier des gemeinen Cuc. canorus, der bei uns der allein vorkommende ist, wiihrend ill jenen fernen Liindern gewiihnlich mehrere sehr yon einander versehiedene Arten mit einander vorkommen, - - sehon die seinigen hat man ja hiiufig gar nieht ffir gnekuks-Eier erkannt, sondern oft fiir Eier der Nesteigenthfimer selbst gehalten. [Daher seit den sch6nen, eigenthiimlichen Beobachtungen der Herren Kun z und B a I d a m us , fiber die Fiirbung and Zeichnung derselben, jeuer selmetle Zuwaehs an merkwtirdigen ferneren Erfahrungen hierin.'~')] Wie soil- ten da also Beobaehter in fernen Liindern die Eier dortiger Arten iiberlmupt sieher erkennen, wenn sie vorweg mit unriehtigen Voraus- setzuugen daran gehen, sie aufzusuehen? Und wie kOnnte man diess vollends erwarten~ sobald man den Umstand erwiigt, dass vielleieht unter je hundert dortigen Beobaehtern sieh kaum Einer linden mOehte, welehem eine ganz speeielle Kenntniss der welt reieheren dortigen Vogelwelt in jeder Beziehung so geliiufig wiire und sein k0nnte, wie es vielen unserer deutsehen ornitho!ogisehen Praktiker das gesammte Leben und" Treiben der einheimisehen VOgel ist?

Gerade aus dieser ihrer Bedeutung fiir einen solehen umfassen- deren Zweek diirfte sieh daher ein Hauptverdienst der Untersuehungen yon Hrn. A 1 f r e d B r e h m fiber die ,Fortpflanzungsgesehiehte des Coccystes

*) Diese ,.Erfahrungen" und .Beobaehtungen" sind abet natiirlieh als That- saehen festzuhalten. Es darf ihnen, wie ihrem wissenschafdiehen Werttle ais sotche, keinea Eintrag than, dass Hr. B a 1 d a m us die ganz einfaeh-naturgemiisse Erkl~irung, welehe ihnen Hr. Kunz sotbrt, wean aueh nnr andeutungsweise beigegeben hatte, -- verlassen and mit Stiltsehweigen fibergangen hat, um sie dureh eigene, ganz naturwidrige und ger'ade veto praktiseh-beobaehterisehen Standpunkte aas vOllig unhaltbare ,Sehliisse" oder vermeintliehe Erkliirungen zu ersetzen: gleieh als write die, so ungleieh bessere erste yon Hrn. Kunz noch gut nieht vorhanden gewesen! - - Darfiber spiiterhin ein Mehreres

Joara. f. Ol'ai'~h,,~ i, Jsthrg. 18~3, ~

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#landari~s" ergeben. ~*) Ieh wenigstens mSchte dasselhe eben darin finden, dass s i c nunmehr in bestimmter (,,positiver") Weise Veranlas- sung dazu geben werden, sieh das Unriehtige und far weitere Beobach- tungen sehr Bedenkliehe solcher Voraussetzungen klar zu maehen. Denn wenn man tetztere noch ferner in ~hnlieher Weise hegte and festhielte, wie ,,Einer oder der Andere," tiber dessert Zweifel Hr. Alfr.-Br. sich beklagt, es gegenw,~irtig zu than seheint: dann k0nate diess bei der Beobachtung solcher fremder Arten sehr leicht nut dahin fiihren, dass man lediglich aus Besorgniss davor, sich entweder selbst zu t~iusehen oder yon Anderen tiiuschen zu lassen, gerade erst sieh, wie Andere wirklich t~iuschte. Es hiesse dann also wieder: ,an der Scylla vorbei in die Charybdis hinein," statt in gehSriger Ferne um beide herum.

Ueberhaupt gehiirt es ja sehon zu dem Wesen des Naturforschers, zumal des Systematikers, iiberall das Nebens~ichliche yon der Haupt- saehe zu anterscheiden. Wo abet kOnnte man sich mehr hierzu aafge- fordert sehen, als bei einer so hiichst eigenlhtimlichen Einrichtung, wie die g e s a m m t e F o r t p f l a n z u n g s w e i s e der k u e k u k s a r t i - g e n V(~gel ?

Steht sie doch unverkennbar als einer der ausgezeichnetsten unter jenen ungewOhnliehen F~illen da, in welehen wir die Natur in Folge eigenthiimlieher Verh~iltnisse g a n z u n g e w t i h n l i c h e M i t t e l und W e g e einsehlagen sehen, um vermtige derselhen ein h / 3 e b s t g e - w ¢ ~ h n l i e h e s Z i e l zu erreichen. Denn wo g~ibe es wohl, n~iehst der Frage um die Erhaltung yon Iudividuen fur eine gewisse (heschr~inkte) Lebensdauer, noeh ein zweites so allgewOhnliehes ,Ziel ~' ftir die Natur in dem weiten Bereiche ihrer gesammten organisehen SehOpfung, wie das h i e r vortiegende? n~imlieh das best~indige Forterhalteu der Species durch immer neue Wiedererzeugung junger Individuen. Es ist ja nur das allgemeinste, allergewfihnliehste und zugleich unumg~inglich-noth- wendigste Ziel oder Bestreben, welches sieh ttberhaupt denken l~sst. Und doch: auf welchen hOchst ungewOhnlichen Wegen hat es die Natur hier zu erreichen gesueht, zu erreichen gewusst, und, den besonderen Umst~inden gem~iss, zu erreiehen suchen mtissen] ~¢*)

Wir sehen hier das hi~chst eigenthiin,licheVerh~iltniss u n b e d i n g -

*~ Heft II dieses ,,Journales," S. 1.44--145 ~ ) Die, allerdings ganz eigenthiimlichen, zwingenden Griinde hierzu, sowohl

nach ihrem Zusammenhange unter sich, wie mit dem gemeinsamen Urgrunde aller, - - mimlich mit der eigenthiimlichen Ilauptnahrung der kuekuksartigen VOgel, - - setzen wit hier natiirlich als bei allen Fachm~innern bekannt voraus. Eine solche, ,,zwingende" Nothwendigk$.it dazn fiir die Natur selbst war abet siehtlich vorhanden. (Ohne dieselbe warde sie aueh wahrlich bier eben so wenig vo,l dem sonst gewOhnlichen Wege abgewichen sein, wie irgendwo an- tiers:) Dass sie freilich aueh diesen Zwang eben so leieht und sieher iiberwun- den hat, wie ja nut sie atlein sieh ihn selbst auferlegt hatte: das gehfirt ehen wiederum gleich sehr zu den Beweisen ihrer so unbeschr~inkten Maeht, wie ihres freiesten, atlseitig nut sich selhst bestimmenden, eigenen Witlens. Aller solcher ~,Zwang" beeintr~chtigt mithin aueh nie ihre volleste Freiheit. Aber zur volt- standigen Betrachtung des Ganzen unsererseits geh0rt jedenfalls gleieh sehr das Erkennen dieser Nothwendigkeit ne b e n der Freiheit, wie dieser Freiheit t r o t z dem setbstanferiegten Zwange.

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t e r A b h ~ n g i g k e i t der ~eht-kuekukartigen VOgel ins Gesammt fiir einen so unerl~ssliehen Zweek y o n der M i t w i r k u n g a n d e r e r , sonst ihnen durehaus fremder, ja meist sogar entsehieden geh~ssiger Vogel. Dieser .,Abh~ngigkeit" entsprieht jedoeh eine gleiehzeitige~ eben so ,unbedingte, ~ yon de r Natur auf jede thunliehe W e i s e erzwungene V e r p f l i e h t u n g dieser a n d e r e n zur L e i s t u n g so ungewtihnlieher Dienste gege~ jene. Beides abet gehOrt~ so vereinigt, unbestritten zu den merkwiirdigsten Erseheinungen imBereiehe der gesammten Thier- welt, nieht bloss der eigenen Klasse befiederter Gesehtipfe. E s steht daher aneh selbst innerhalb dieser so eigenthiimlieh da, dass es hier~ so viel man bisher weiss, nur bei noeh Einem Vogel seines Gleiehen finder. Sonst aber kommt es nirgends in dem grossen, weiten Kreise der gesammten Wirbelthiere, sondern erst bei einigen wenigen Inseeten wieder vor.

.lener ,Eine Vogel" ist bekanntlieh der nordamerikanische K u h - f in k , (Frinyilla pecoris L., Icteruspee. Daud., Hypobletisp. Glog.)

Die Griinde abet, warum? beruhen aueh bei ibm siehtlieh auf dem eigenthiimliehen Verh~ltnisse der Ern~brungsweise. Nut h~ngt letztere freilieh bei ibm nieht, wie bei den kuekuksartigen, yon behaarten Rau- pen ab; sondern sie steht urspriinglieh aul' das Engste, wenn aueh nut mittelbar, im Zusammenhange mit der Nahe yon Bison-Heerden, (Bison americanusO Diese sind bekanntlieh abet meist auf best~indigem Um- herwandern begriffen. Sehr natiirlieh also, dass jener Vogel jetzt an deren Stelle in dem wohlangebauten Osten der Vereinigten Staaten, wo die Bisons entweder vertrieben oder l~ngst ausgerottet sind~ um so lieber und bequemer sieh an die weidenden Heerden des, yon den Europ~ern dort eingeftihrten zahmen Rindviehes halt. Und nieht weniger natiir- lieh, dass er trotzdem aaeh hiet' bei seiner, ibm yon jeher einge- ptlanzten tNeigung, sieh das Briiten zu ersparen, verharrt: obgleieh da kein Fortwandern seiner vierbeinigen Freunde ihn davon abhalten oder zu ungelegener Zeit darin sttiren wiirde. #) Um so bemerkenswerther bleibt demnaeh seine anderweitige genaue Uebereinstimmung hierin mit unserem gewi~hntiehen Kuekuke.

Diese ist n~mlieh die, dass such bei ibm dem jungen Vogel genau derselbe, h0ehst eigenthfimliehe Trieb innewohnt, sieh immer so bald wie mtiglieh yon seinen kleineren Stiefgeschwistern zu bel'reiea: indem er sie dutch Unterkrieehen mit seinem Leibe fiber den Rand des Nestes hinauszuwerfen sueht~ um nun alle yon den fiitlernden Pflege~ltern her- beigesehafte Nahrnng fur sieh allein zu gebrauehen; ganz, wie es bei uns der junge Cuculus canorus thut.

~) Die s/idafrikanisehen Biitrel (Bubalus caller) haben einen g.leieh be- st~ndigen Gesellschafter an dem Bi i f fe l - F i n k e n , Bubalornis zaqr~t Andr. Smith~ dessert Fortpflanzungsweise noeh nieht bekannt ist. Wohl mfgtieh, dass sic ebenfalls der seines amerikanisehen Verwandteu entsprieht. Denn obgleich se.ine gehfirnten Freunde weder ia dem Manse gesetlig~ noeh so unstht sind~ wle die des letzteren: so muss es doeh sndererseits eben desshalb fast noeh mehr auffallen~ dass aueh e r jederzeiL nur in ihrer n~ehsten Umgebung zu fin- den ist. Es liegt al~o gewiss eia wtchtiger Grand daza vor.

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Dagegen wiirde, naeh Hrn. A 1 f r e d B r e h m's Erfahrung, bei dem jungen Coccystes glandarius neben jungen Kriihen ein solehes Ver- driingen wohl eben so wenig Statt finden, oder vielleieht aueh nur mSg- lich seheinen, wie es da nfithig sein wiirde. Eben desshalb wird bei ibm gewiss dem Weibchen der bekannte, eigenthiimliehe Trieb des weibliehen Cuc. canorus fehlen~ seinem Jungen in jenem gewaltsamen Beseitigen der Stiefgeschwister beizustehen, oder sie da, wo der kleine Kuckuk sie gal" nicht herausdrfingen kann, dureh Herauszerren und Fort- sehleppen allein wegzuschaffen. (So namentlich in den meisten Baum- h0hlen, oder in den backofenf0rmig gesch]ossenen Nestern yon Laub- viigelchen und Zaunkiinigen.) Dort wtirden also die Nesteigenthiimer ihre wirkliehen Kinder mit und neben dem oder den fremden erziehen. 5~iimlieh sie wtirden es z. B. neben 2 dergleichen thun: da Hr. A. Br. das Eine Mal unter zweien sogar 2 Eier des Cocc. gland, in Einem Kriihenneste g'efunden hat, die wohl auch yon Einem und demselben Weibehen hineingelegt sein mochten.

Fiir ein solches, ungetriibt friedlfches Aeltern- und geschwister- liehes Verhifltniss wilrde sich ein genaues Analogon bei Viigeln bis jetzt nicht wiederfinden; ausser dereinst, wie zu vermuthen, bei den speci- fisch oder generisch am n~ichsten mit Coc. gland, verwandten anderen Formen der Kuckuks-Familie. ~) Wohl aber findet sich ein solches Analogon bloss zu i h m , - - dagegen sicherlich n i e h t zu dem feind- selig-zerst0rerisehen Triebe des Cuc. canorus, -- bei mehreren Gat- tungen jener, mit so wunderbaren Iastincten bcgabten, gesellschaftlich lebenden und gemeinschaftlieh bauenden I n s e c t e n, welehe schon der unvergleiehliche Aristoteles im Grunde viel passender als nicht bloss ,geseltig%" sondern als ,staatiiche Thiere, ~ d. h. als solehe bezeich- nete, ,,die gleichsam in einer Art yon Staatsgesellschaft oder Gemeinde- verband leben:" indem hier ,alle zusammengeh(irige in hiiehst wohlge- ordneter Weise far ein gemeinschaftliches Haus- oder Gemeinwesen arbeiten und wirken." Der bekannteste Fall unter denjenigen, wo solche I n s e e t e n , sehr gegen ihre sonstige Gewohnheit, die Jungen yon a n d e r e n bei sich aufnehmea and liebreich dulden, ist das Leben der G o ld k ii fe r - (Cetania-) Larven in den A m.e i s e n-Hanfen. Hier bleibt abet diese Einrichtung der Natur am so aullallender und merk- wtirdiger, je unvertriiglicher and feindseliger bekanntlich die Ameisen gegen alles Fremde, Lebende sind, was sich zu ihnen verirrt: zumal, da ja kleine Larven anderer Insecten (z. B. Riiupchen) mit ihre Hauptnahrung bitden. Denn wiihrend sie anderenfalls jedenEindringling sofort umbringea und verzehren, dulden sie bekaantlich die Larven der

*) Indess k0nnte es dach vielleicht noch at~derswo bei V6ge|n Start tinden: z. B. bei solchen ,,Kegelschniiblern," die hierin dem Kuhfiaken entspriichen, ohne class man es bis jetzt wiisste; daher also bei dem kapschen Biiffelvogel, wenn alas, vorhin als blosse i~i(iglichkeit bezeichnete l~icht-Briiten etwa bei ibm doch eine Wirklichkeit w~ire. Sollte diess aber der Fall sein, dann st~inde zu ver- muthen, dass er vielleicht, in; Gegensatze zu dem Kuhlinken und mehr in Ueber- einstimmung mit Cove. gland, nicht aber mit Cuc. canor., in die Nester yon gteich ~rossen oder selbst ~r6sseren V/i~eh~ legt. Dana wiire auch hier die Analogie voltstfiadig, kein Herauswerfen der auderen Jungen niithig, etc.

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Goldk~ifer nicht bloss rnhig, sondern ern~ihren sie eben so gut, wie ihre eigenen Jungen, mit den eingetragenen Fntterstoffen. Sie betrachten dieselben E in - far allemal als Ztiglinge, die so lange ihrer Ftirsorge anvertraut sind, his diese entbehrlieh wird.

Dergleiehen wunderbare Einrichtungen, so hOchst a b w e i c h e n d yon dem sonst G e w ~ h n t i c h e n , und doch so a h n l i e h vorkommend ( ,analog") bei sehr v e r s ch i e d e n e n Wesen aus hOchst verschiedenen T h i e r - K l a s s e n , haben abet zugleich noch eine zweite, sehr atlge- racine Bedeutung: eine Bedeutung, welche zumal ftir den zoologischen Systemat iker sehr beachtenswerth bleibt.

N~imlich: sic legen abermals Zeugniss ab far den erstaunlich regel- massigen Gang derNatt~r iiberall; selbst in Dingen, wo man diess friiher nicht ahnte, ja kaum flit mtiglich halten mochte. Denn indem solehe Falle zeigen, dass auch so ungewOhnliche Einrichtnngen in der Fort- pflanzung nnd dem Erziehen der Jungen, wie sic bei den kuekuksartigen VOgeln bestehen, ihre mehrfachen A n a l o g i e e n bei noch ganz anderen Thieren finden: so liefern sie aueh neue B e w e i s e dafUr, class i n d e r N a t u r ' a b e r h a u p t N i c h t s o h n e B e i s p i e l dasteht; dass es daher far s i e gar kein sogenanntes ,, s e m e l tant~tm Occurrens ¢'~)" giebt ; dass vielmehr A l l e s , daher auch das fiir seinen n~ichsten eigenen Kreis anscheinend oder wirklich Seltsamste, doch ir g end w o sein E n t - s p r e c h e n d e s finder. Diess beweisst also vciederum das iiberaus Ge- setzmassige im Gange der Natur. Denn eben die Wiederkehr solcher Abweichnngen, die freilich Mancher f~r blosse ,Ausnahmen ~ ohne Regel halten mOchte, (gleich als wenn die Natur irgendwo nach blosser ,Laurie" handeln kOnnte!) gerade sic dentet, umgekehrt, nur die wiederkehrende Wirksamkeit irgend wetcher noch unbekannten Regel an, die freilich nicht auf der handgreiflichen Oberfl~iche der Dinge schwebt, sondern oft welt in geheimnissvoller Tiefe oder Ferne liegt.~:'¢s)

Eins dagegen, womit wir es hier zu thun haben, wiirde ganz be- stimmt n i r g e n d s in der N a t u r seines Gleichen oder , :e in Ent- sprechendes" finden und linden kOnnen.

Diess ware eben gerade jenes unterschiedslose E i n e r I e i, welches man ihr bei den knckuksartigen VOgeln unterschieben wtirde, sobald man annehmen wollte: ausser dem Nicht-Brtiten sotlten aueh die ge - samrnten tibrigen, bloss nebensachtichen Einzelnheiten, welche zu tier Fortpflaazungsweise derselben gehfren, bei allen Arten der 3, 4 oder gar 5 Gattungen ihrer Familie genan ebenso, oder auch nut sehr ahn- lich sein, wie bei unsereni Cuc~l, lus canorus , als dem uns nfiehsten, vo , dera wir diese Dinge far jetzt am genauesten kennen.

Denn, wie schon gesagt: in Betracht der bedeutenden ausserlichen Bildungsversehiedenheiten dleser VOgel wiirde ein solcher Gedanke sehon jenem gesammten G a n g e d e r N a t u r widersprechen, welehen sic ebenso bei der B i ld t!ng ihrer Geschfpfe, wie bei der Einriehtung

~*} Kein btosses , , g ~ . ~ 2~Td~sJ, ou,, oder grta~ nerro~t~g~,ov sett rtca, rrd,ueror. ~ Einen Belez hierzu liefert das, anderweitlg ungewfihnliche Brfitverhaitniss

etc. bei den W a s s e r t r e t e r n , (PhalnropusLath.) Vergl. den ArtikeI hier~iber unter den kleinen vermischten Beitriigen des folgenden Heftes.

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aller Verh~,iltnisse in dem L e b e n und W i r k e n derselben iiberall be- folgt, und welehen sie demnaeh sieh offenbar zum unverbriiehliehen Gesetze gemaeht hat. Ausnahmen yon ihren Geselzen und Regeln maeht sie bekanntlieh aber nirgends: weil diese letzteren beide tiberall so vortrefflieh wohlbereehnet sind, dass sie eben gar keiner AusDahmen oder sonstiger Nothhitfe bedarf.

Und w i e ist dieser ibr , G a n g ~ ? - - Antwort: Stets ein so folge- riehtiger, aber gleichzeitig aueh so a bs t u f u n g s r e i e h e r , wie irgend m ~ g l i e h .

Sie hiilt tiberall nur die Hauptsaehe oder den jedesmaligen Grund- zug fest, innerhalb der, theils tiberhaupt, theils ftir eine bestimmtere Wesengruppe ihm zugewiesenen Gr~inzen. Daher ihre stets unwandel- bare F o l g e r i e h t i g k e i t in dem grossen unendlichen Ganzen, als ihr e r s t e s G r u n d g e s e t z . Bei den k u e k u k s a r t i g e n ¥ 6 g e l n ist dieser, unveranderlich bleibende Hauptpunkt aber nur das N i e h t - B r a t e n , als Folge ihrer naturgemiissen Bestimmung zum Bek~impfen der haarigen Raupen; und er steht ira Zusammeuhange mit ihrer, die- sem Zwecke angemesseaen inneren Organisation, welche hier eben der Brtitfahigkeit entgegensteht.

Bei allem Nebensaehlichen, Untergeordneten abet, welches auf die Hauptsache keinen Eiufluss hat, vielmehr selbst erst yon dieser ab- hiingt, oder sich naeh ihr bestimmen muss, - - be i dem A l l e m ruft die ~atur ebenso reg'ehniissig alle diejenigen A b s t u f u n g e n hervor, die innerhalb jener bleibenden Abgr~inzung der Hauptsache irgend mOg- lieh sind. Und mit allen solchen Modificationen der ~iusseren und der inneren Bildung fallen, wie das ja gar nieht anders sein kann', stets auch gleich bedeutende Modificationen des Lebens, Treibens und Wirkens dieser Thierformen zusammen. Denn Eines setzt das Andere voraus, oder zieht es nach sich. Und nut dieses fo,'twahrende B e s t r e b e n , eine stufenfOrmige A b ~ i n d e r u n g bei a l l e n l N e b e n d i n g e n hervor- zubringeu, ftihrt auf die einfachste denkbare Weise jene unendliehe M a n n i c h f a l t i g k e i t herbei, die wir in den Werken der Natur iiber- haupt, so wie im Leben und Wirken tier Thierwelt ins Besondere, t~ig- lich mehr kennen und tiefer bewundern lernen. Dieser gleichzeitige, umfassendste Wechsel bitdet ihr z w e i t e s , G r u n d g e s e t z . "

Solehe modifieirbare ,~nebens~ichliche" Einzelheiten, im Gegensatze zu dem Nichtbrtiten, giebt es nun aber, wie leicht zu sehen, bei" den kuckuksartigen V~geln mehrere; und zwar sind es theilweise (bei den extremeren Formen unter denselben) recht bedeutende.

Wie sollte da also die :Natur, gegen all' ihre sonstige Regel, dazu kommen, bei ihnen diess Alles &loss nach dem einseitigen Maassstabe unseres Cuculus eanov~,s zu uniformiren? -- Ferner: wie sollte sie das zumal nach i b m ? da gerade er sichflich ein recht ,einseitiges" Muster hierzu, ja vielleicht das einseitigste von allen, gewesen sein wiirde. Derm offenbar zeigt er sich fast in jeder Hinsicht ,,extrem" far die Gruppe. Es liegt bekanntlich abet stets vorzug'sweise mit (als Zweek und Wirkung) in dem Streben der Natur nach Manniehfaltigkeit, hierdurch aueh die, bei tieferen Bildungen vorhandenen Ex t r e m e ]eder

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Art sehon bei den n~ichst h6her organisirten Formen entweder sofort a u s z u g l e i e h e n , oder sie doeh zu v e r r i n g e r n , ja sie nach Um- st~inden bei den am hOehsten organisirten Formen g~inzlich v e r s e h wi n - den zu lassen.~). Eine wirklich naturgemtisse Ansehauungsweise wird also hier, gerade umgekehrt, yon d e r Voraussetzung auszugehen haben: dass alle Nebenpunkte an der Fortpflanzungsweise der Kuekuke, die ohne Beeintrftehtigung der Hauptsaehe modifieirbar waren, aueh wirk- lieh bei den versehiedenen Gattungen der Familie, ja mehr oder weal- get vielleieht sogar noeh bei versehiedenen Arten Einer Gattung, sieh versehieden gestaltet haben werden. Diese einzelnen Punkte abet, deren einer dann meist aueh wieder eine Moditieatioa yon anderen be- dingt, werden folgende sein :

1) Die Grf isse der E i e r , je im Verh~iltnisse zu der Gr~sse der sie l e g e n d e n ViJgel selbst. 2) Von Seiten dieser die W a h l g r 0 s s e r e r , gleieh grosser oder k l e i n e r e r inseetenfl'essender VOgel zum A u s b r i i t e n derselben, und zum Aufziehen der Jungen aus den- selben. 3) Als hiermit im Zusammenhange stehend: bei k t e i n e n P f l e g e / i l t e r n das A u f z i e h e n der eiazelnen jungen K u e k u k e a l l e in~ mit Aussehliessung ihrer gesamm[en eigenen Jungen; bei g r f i s s e r e n E r z i e h e r n aber das gleiehmtissige, ungestt~rte G r o s s - f f i t t e r n yon b e i d e r l e i J u n g e n z u g l e i e h , ohne Verkiirzung der einen, und hierunter dann vielleicht aaeh mehr ats bloss Eines jungen Kuekuks bei Einer und dersetben Brut. 4) Auf Seitea tier Kuekuks- Weibehen : das niehr oder minder best~indige W ~i h I e n bestimmter V 6ge ! nur E i n e r und der n~iml iehen F a m i l i e , oder s e l b s t G a t t u n g , zu diesem Erzieherdieasle; oder, je nach Umst~inden, das Ausw~ihlen sol- eher yon mehr oder weniger v e r s e h i e d e n e n G a t t u n g e n und Ar t en . Als zusammenhgngend mit Puilkt I dUrfte noeh hinzukommea: 5) die s e h n e l l e r e oder l a n g s a m e r e E n t w i e k e l u n g der E i e r bei den Kuekuksweibchen, hinsiehtlieh der Reihenfolge hinter einander; mithin auch die k~rzere oder l~ingere G e s a m m t - D a u e r der jedes- maligen ( j a h r l i e h e u ) L e g e z e i t . Desgleiehen 6) , in Verbindung mit dem Einen oder dem Anderen yon Beidem, eine mehr oder weniger versehiedeae, auf je Eines yon Beidem bereehnete O r g a n i s a t i o n der G e s e h l e e h t s w e r k z e u g e der I(~uekuksweibehen. Endlieh 7), wie hereits vorhin angedeutet, als Folge der Versehiedenheiten yon Punkt 3, ol't noeh das Vorhandensein eines z e r s t t i r e r i s e h e n T r i e b e s g e g e n die J u n g e n der N e s t e i g e n t h t i m e r sehon auf Seiten der junger~ Kuekuke selbst, und nieht minder yon Seiten ihrer wirklichen Matter; oder das W e g f a l l e n dieser Gewaltth~tigkeiten yon Seiten beider, wo ein solcher, eigenniitzig-feindseliger Trieb nieht bloss keinen Zweck oder Grund mehr haben wtirde, sondern wo er vielleieht sozar den iungen Kuekuken selbst mittelbar eher sehaden k{innte, als ntitzen mtiehte.

Wet abet wtirde es bestreiten wollen oder zu bestreiten verm0gen~

~) so z. B. verschwi;Jdet, um nur Eins zu erw~ihnen~ bei den obersten Ga~- tungen der Beutelthiere (..48aqis und Nolaejoffua) der Betttel~ daher mit ihm das bei den iibrigen Start findende Unreifgeb~iren der Jungen; etc.

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dass alle diese Punkte bedeutende Ver~inderungen erfahren k0nnen, ohne dass letztere auf die bleibende Hauptsaehe, das Nicht-Brii ten, irgend welchen Einfluss ausiiben dtirfen? Oder wer m~chte verkennen, dass mehrere dieser Punkte yon der Art sind, dass eine Ver~inderung ihrer selbst auch gleichzeitig eineModification anderer nach sieh ziehen muss? Wie aber kann es dann fiiglich so besonders iiberraschen, dass nun ein Reisender auf Grund seiner, an Coccystes glandarius gemachten Be- obachtungen mit dem Nachweise derartiger, bedeutender Abweichungen dieses Vogels yon unserem C~¢ul~s cemorus hervortritt? - -

Uebrigens liefern die Zweifel, welche ,Einer oder der Andere" gegen die sachliche Richtigkeit dieser Beobachtungen und gegen die ,Aechtheit j ene r Eier," wo nicht vielleicht sogar aueh gegen die per- sOnliche Wahrheitsliebe des jungen Beobachters getiussert hat, wieder nur einen neuen Beleg ftir eine sehr alte Erfahrung. Diess ist die: dass ein blosses, einfach-beriehtliches Hinstellen unerwarteter Wahr- heiten ohne deren tiefer eingehende, principielle Begriindung sehr oft nicht die H~ilfte der gewiinsehten und vielleieht ganz wohlberechtigten Wirkung ausiibt. ~)

Betrachten wir daher~ wegen ihrer Bedeutung fiir die kiinftige Be- obachtung anderer VSgel der Grupp% jetzt einmal die Verschiedenheiten jener beidenl(uckuks-Arten schon ihrer gesammten Bildung nach. Denn je weiter letztere auch noch bei manchen anderen, fremdlfindisehen yon der unseres gemeinen Cuc. can. abweicht: am so mehr wird ein Gleiches ebenso hinsichtlich der nebens~ichlichen Einzelnheiten bei ihrer For t - pfanzun~ als :~naturgem~iss :' vorauszusetzen bleiben.

*) Doch ist freilieh auch wiederum die blosse Anfiihrung der naektesten That- saehen nnendlich viel besser, als: ihre Vermisehung mit falschen Prineipien, und als ihre Deutung nach solehen, oder gar als das Uebersehen und hie zu ent- sohuldigende )lissachten anderer, liingst zweifellos ausgemaehter Thatsaehen, wenn es bloss eiuem neuen, aber tl~eilweise ganz falsch aufgefassten oder welt, welt iiber seine je m/~gliehen Gr~inzen hinaus tibertriebenen Principe oder Theorieen zu Gefallen gesehieht. Ein soleher Missgriff aber war es, den wit ja gleichfalls erst ganz neuerlieh yon Seiten des E i n e n Entdeekers der Gefieder-Verf/irbung erlebt haben: da er hierbei so welt geht, die l~lauser junger VOgel in dem ersten Lebensjahre derseiben, ebenso wie die wirkliehe Frfihlingsmauser anderer, kurz- weg als gar nicht vorhanden anznsehen, oder sie wohl etwa gar beide still- sehv, eigend als blosse Einbildung Derjenigeu zu betrachten, we[ehe sie hundert- fach gesehen und sie dem gem~ss in all' ihren Schriften gelehrt haben. Und solehe eigene P h a n t a s i e e n in einer Erfahrungswissensehaft giebt man der wissensehahliehen Vvelt als neue T h e o r i e e n ! Als ob nieht eine reeht bal- dige~31auser gerade bei den meisten jungen V0geln, (und zwar gewiihnlieh sehon 2--3 Wochen naeh illrem Selbst~indigwerden,) eine ganz unverkennbare Noth- wendigkeit w~ire, die auch langst als eine der zweifellosen T h a t s a e h e n yon der Welt das/eht: uicht bloss fiir jeden praktiseh-wissensehaftliehen Vogelkenner, sondern attch tiir nile gew0hnliehe Vogelliebhaber und Vogelsteller, ja fiir alle Vogelh~indlerinuen auf den)liirkten unserer gr0~seren St~idte[ AIs ob nicht ferner nile gr0ssere Sammlnngen eine Menge yon Belegktileken daf~ir lieferten!

Wer freilieh solehe allt~igliehe Dinge'wirklieh nleht kennt, oder nieht ken- nen will; oder wer so einleuehtend nothwendige Thatsaehen etwa mit einigen wenigen dreisten und rasehen Federstriehen, auf dem geduldigen Papiere gezogen, aus dem wohlgeordneten Ganzen der Natur wegstreichen zu k0nnen meint: der hat unstreitig den siehersten Weg eingesehlage% vorweg die ganze eigene Saehe zn verderben und selbst den besehr~inkten, vermuthlieh wahren Theil derselben jedem Erfahrneren und Besonneueren zweifelhaft zu maehen.

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Cuculus canorus, mit Einschluss oder wenigstens mit nahem An- sehlusse der geaerisch mit ibm zu verbindenden Arten, bildet sichtlich das eine,-tiefere, und vielleicht sogar am tiefsten yon allen dastehende ,Extrem ~ der Gruppe.

Dafiir zeugen, was die iiusseren F o r m e n seiner organisehen Ge- staltung betrifft, schon die vorwiegende Ausbildung seiner Flugwerk- zenge: die langen schmalen und spitzigen FlUgel, nebst dem langen und gleichzeitig auch breiten Schwanze mit sehr langen Deckfedern des- selben; zumal im Gegensatze beiderTheile zu tier Schwiiche und Klein- heit seiner Ftisse. Ein Gleiches beweisen, dem entsprechend, mehrere Einzelnheiten seiner F o r t p f l a n z u n g s - W e i s e . So namentlich: die ausserordentliche, bisher als beispiellos dastehende Kleinheit seiner Eier; die ungemein langsame Entwickelung derselben, (etwa je 6 - - 8 Tage eines nach dem anderen;) ferner die tibetans grosse, wo mOglich noch beispiellosere Verschiedenheit derselben im Einzelnen hinsichtlich ihrer Farben und selbst nach der Zeiehnung, wie die Farben aufgetragen sin& Es gehfrt dann hierher einerseits auch die, im Verhiiltnisse zu ihm selbst immer so auffallende Kleinheit derjenigen VOgel, welche das Weibchen zu Pflegeiiltern w:,ihlt; desgleichen andererseits die, kaum weniger bedeutende Gr6ssenverschiedenheit der letzteren ins Gesammt nnter einander: vom Zaunschlapfer und sogar yon den Goldhiihnchen an, bis hinauf zu.den WUrgern. Hieraus ergiebt sich dana aber yon selbst ein doppeltes, weiteres ,extremes" Verhliltniss. Bless ist fur spiiterhia die Nothwendigkeit einer Vernichtung der Jungen der Nest- eigenthtimer, zum Behufe geniigender Ern*ihrnng des jungen Kuckuks allele: und zwar ihre Beseitigung durch ihn selbst~ oder durch seine wirkliche Mutter, oder durch beide zugleich; ferner die hieraus folgende Nothwendigkeit far das Weibchen, die yon ihm belegten Vogelnester eine geraumeZeit hindurch sorgfiiltig zu tiberwachen. Der zweite der- artig sich ergebende Punkt ist, gteieh yon hnfang her, das hiiufige be- deutende Missverh~iltniss in der GrOsse yon beidertei Eiern zu einander: da eben die Eier des Kuckuks oft grtisser, nicht selten jedoch auch merklich kleiner sind, als jene der Nesteigenthiimer.

Dem gegenaber, stellt Coccystes glandarius auch schon seiner G e s t a l t nach mehr oder weniger, obwohl noch vielleicht nicht ganz, das entgegengesetzte Extrem dar.

Niimlich sein ,Typus" zeigt die nahezu vollendete, wenn gleich noch nicht ganz erfolgte Ausgleichung der genannten, oder bei den verschiedenen Grnppen tiberhaupt vorhandenen, auf den tieferen Stufen derselben aber vorwaltenden ,Extreme." Nur sein Schwaaz wird aller- dings, verm0ge seiner noch ansehnlicheren Liinge bei viel geringerer Breite, tiir ungefiihr gleich ,extrem-gebildet" gelteu mtigen, wie dgr yon Cuc. can. Dagegen zeigen offenbar seine minder einseitig-ver- griisserten und namentlich weniger stark verliingerten Fliigel, ebenso wie die bedeutend stiirkeren und h0heren Beine, eine mehr gleichmiissige Gesammt-Entwickelnng: ohne dass er jedoch, wie schon gesagt, als Vertreter der organisch am htichsten ausgebitdeten Form der gesammten Familie anzusehen sein wird. Denn hierzu warden ein welt ktirzerer

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uad ,gerader" oder bloss abgeruadeter Sehwanz~ ferner ein sehlicht- federiger Seheitel (ohne Holle oder Haube) geh6ren. Beides wtirde n~mlieh in diesem Falle etwa so sein miissen, wie es bei den kleinen, siidafrikanisehea Gold-Kuekuken ist. ~)

Wie sollte man es da nieht, statt auffallend oder gar verd~iehtig and zweifelhaft, vielmebr gerade bloss ,naturgem~iss ~' finden, wean man jetzt h6rt: dass Coccystes glandari~ts hinsiehtlieh der Einzelnheiten seiner Fortpflanzung ungefiihr gleieh sehr yon Cueulus canorus ab- weiehe~ wie er sehon ~iusserlieh yon ibm versehieden ist? Wtirde nieht im Gegentheile naturgemiiss vielfaeh Grund zu ernstliehem Verdaehte gegeben sein~ wean ein Anderer gekommea wiire, der ans gesagt hiitte : es sei Alles kurzweg bei dem einen so, wi~ bei dem anderen? -

Besehauen wir uns daher nun etwas n~iher, was Hr. B r e h m der jfingere fiber Coccystes glandarius beriebtet. Dann wird es sieh ja zeigen: ob and wie Eines davon zu dem Anderen passt. -

Er hat inAegypten, z u s a m m e n g e n o m m e n , freilieh nur 4 E i e r des Vogels erhalten: das zertrUmmerte im Leibe eines yon ibm ge - sehossenea Weibohens mit eingereehnet. In der F a r b e stimmten a l l e v i e r , in der Gr 6 ss e die unversehrten 3 iiberein. Diese 3 wurden in den N e s t e r n der dortigen N e b e l k r ~ i h e gefundea, in derenNest der Beobaehter das Kuekuksweibehen hineinsehliJpfen and naehher wieder heraaskommea sah; und zwar lagen deren in dem E i n e n dieser N e s t e r sogar 2 S t i i e k . Dessgleiehen sah Hr. Br. andere solehe , K r i i h e n den j u n g e n , " yon ihnen erzogenen,Cocc, glctnd, f i i t t e r n and v e r t h e i d i g e n,~' ihn mithin eben wie ihr Pflege- oder vermeint- lieh eigenes Kind behandeln.

Die gesammten Beobaehtungen hieriiber, namentlieh das Ausnehmen der Eier, geschahen siehtlieh mit grosser Aufmerksamkeit and H~ih- waltung. Es fand iiberhaupt unter Umstfinden Start, in Betre~ deren man fiiglieh nur annehmen-kann, dass sie jede H6gliehkeit eiaer zaf~il- ligen Selbstt~iusehung yon Seiten des Beobaehters aussehlossen; (zumal bei einem solehen, der, an l~ingere Praxis gewiShnt, sieh unter so guter Anleitung friih auf das Beobaehten eingeiibt hat.) Dazu k6mmt noeh, dass eine Verweehselung dieser Eier mit jenen der Kr~hen aueh selbst fiir den Ungeiibtesten wohl nieht mi3glieh gewesen write. #*) Denn, abgesehen~von ihrer Fiirbung und Zeiehnung, welehe zwar sehon der yon Kr~heneiern ziemlieh fihnlieh sah, jedoeh noeh welt mehr der yon Elsterneiern glieh, batten die unversehrten 3 Eier yon Coccystes 91cmdarius ja nut eben die G r il s s e yon denen unserer gewiShn- lichen E 1 s t e r.

•) Bei diesen, der Gattung Chrysococcyx Bole, erscheinen dagegen wieder noeh die Ftisse zu sehwaeh: da tetztere naeh ihrem Verh~iltnisse zur Gesammt- gr~isse kaum hinger und stiirker sind, als die yon Cuculus canorus and seinen~ speeifiseh oder hloss geographiseh versehiedenen~ generiseh aber n~iehsten Ver- wandten.

~ ) Eino dergleiehen T~iusehung wfirde hier mindestens eben so gross sein~ wie etwa die: wenn man das Ei eines Utwulu.s eanorus, der in das b~est eines Lanius spinitorquu~ odor L. ruflceps gelegt hat, nut t~r eines der viol gr6sseren Eier des letzteron hatten wollte.

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I h r gleicht hierin, dem Leibe nach, beilliufig auch der sie legende Vogel selbst. Mithiu siihen wit bei dieser Art, - sehr entsprechend dem Umstande, dass sie einer generisch yon Cur. can. verschiedenen 6attung der Familie~ und zwar einer sichtlich h(lher organisirten, ange- hiirt, - - vor Altem das eine der, bei jenem noch herrschenden Extreme beseitigt: niimlich die gauz unverhiiltnisswenige, ,,beispiellos ~' geringe Grtisse der Eier. Dieser P u n k t wiire hier sogar bereits vollstiindig ,,beseitigt:" so ,vollstiindig," dass eben die, sonst bei V(igeln hierin gewfhnliche Regel des Gri~ssenverhiiltnisses wieder zur Geltung kiime. Ja, tier gegenwiirtige Vogel und seine Gattungsverwandten ktinnten viel- leicht gerade hierin das andere Extrem unter den gesammten Familien- Genossen darstellen: insofern, dass unter diesen allen kein anderer ver- hiiltnissmiissig eben so grosse Eier legte, a ) Dennoch wiire, mindestens wenn er wirklich stets nut Kriihen zu Pflegeltltern seiner Jungen w~ihlte, (uud wahrscheinlich bleibt diess wenigstens far Aegypten die Regel,) alas i}Iissverhiiltniss der Grtisse zwischen seinen Eiern und jenen der Nesteigenthtimer immer noch eben so gross, wie bei einem Cuc. can., welcher in ein Wtirgernest Jegt: wiihrend seine Eier nut die GrOsse yon Sper|ingseiern habet,. Dagcgen wtirde bei Cocc. gland, nicht auch, wie bei Cuc. can., die noch hiiuilgere und vielfach noeh welt auffallen- dere Ungteichheit der entgegengesetzten Art vorkommen : also nicht gr0s- sere untergesehobene Eier neben viel kleineren der Nesteigenthiimer.

Gerade abet die Yer~inderung dieses Einen Punktes muss h0chst ein- flussreich se~n.

Aus der a n g e m e s s e n e n G r t i s s e der E i e r beiCoccystes glan- darius, im Verhiiltnisse zu seiner eigenen L e i b e s g r ~i s s e , folgt niim- lich eben, wie leicht zn ersehen~ mittelbar gleich yon selbst auch die Veriinderung der iibrigen damit zusammenhiingenden Punkte, als natur- gemiiss-nothwendige Bedingung. Aus diesem Einen schon erkliiren sich dann sofort alle die iilirigen. Sowohl diejenigen, tiber welche das rqtithige bereits in dem Berichte unseres Beobachters miteingeschlossen liegt, werden zwanglos zusammenstimmen, wie sich zngleich auch das ergiebt, was man als Folgerung hieraus theils logisch ohne Weiteres finden kann, theils auf dem Wege fernerer Beobachtungen erst zu suchen, oder sonst erfahrungsmiissig zu prtifen haben wird.

Bei einer 6rtisse seiner Eier~ wie sie erst jene der gemeinen Elster und des Eichelhiihers besitzen, kann er fiigtich auch nut in die Nester dieser Viigel~ wo es deren giebt, zu legen suchen. 0der~ wo dieselben fehlen, muss er solehe yon iihnlichen gr~sseren dazu wiihlen, daher in Aeg~fpten z. B. eben die yon Kriihen: well dort erstere beide entweder gar nicht vorkommen, oder hie da nisten. Vermuthlich abet m~ehte er die yon jenen beiden, wo er sie etwa finder, wohl denen yon Kriihen vorziehen. Das massen also weitere Beobachtungen mit der Zeit auf- kl'/iren. ~'-=') Ja, es diirfte gewiss eher wahrseheinlich, als bloss mOglich

t ~ k " " ) . ehnheh, wle er z. B. hmsichtlieh der Lange (nicht aber der Breite) sei- nes Schwanzes iiussertich gleichfalls sin solehes Extrem bitdet.

~"~) In Betreff Aegyptens wird tibrigens Hr. A I ft. B r. se|bst am hasten wis- sen und sagen kSnnen: we lehe dortige V(igel diets etwa sonst mfchten sein

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oder gar unmSglich sein: dass aueh die Aehnliehkeit seines Gesehreis mit jenem der Elster nieht eine btoss zuf~llige Harmonie zwisehen bei- den w~re. Es k0nnte vielmehr leieht einige Bedeutung fiir den beson- deren Zweek eines dienstliehen Yerh~ltaisses haben, wie es dana hier vortiegen wUrde. Soltte Coco. gland, jedoeh wider Erwarten reget- m~ssig Oberall nur die l(r~hen dazu w~hlen: dana wiirde allerdings hei ihm dasjenige wirklieh, (obgleieh naeh seiner Weise) Start finden, was Fir. Baldamus ffilsehlieh aueh bei C~tc. can, or. voraussetzt~ um bei letzte- rein die unendliehe F~rbungs-Versehiedenheit der Eier desselben und deren Aehnliehkeit mit jenen der Nesteigenthfimer zu erkl~iren[ Denn in dieser Beziehung hat bekanntlieh B. die (offenbar h0ehst unriehtige) Meinung aufgestellt: jedes Weibehen solle ~regelmassig nur in die Nester Einer bestimrnten ¥ogelart legen," zu deren Eiern die F~irbung und Zeiehnung der seinigen passtenI[ ~)

Ein junger Cuculus canorus, wenn er das Ei verl~isst, kommt sei- ner Gr0sse nach bloss einem gleich jungea Sperlinge gleich. E r be- darf hiernach, am binnen so kurzer Zeit beinahe die Gri~sse einer massigen Taube zu erreichen, schon far sieh allein wirklich alles Futter, welches die kleinen Pflege~ittern herbeizusehaffen im Stande sind. Bei ibm blieb es daher ebensowohl yon Seiten seiner wirkliehen Mutter, wie zu grOsserer Sicherheit auch sehon yon seiner Seite, (ftir den Fall, dass jene mittlerweile ja selbst urakommen kann,) eine wirkliehe Noth- wendigkcit, dass ihnen beiden der Trieb innewohnt, seine Stiefgeschwis- ter zu beseitigeu. Bei Coccystes flandarius hingegen, der sogleich die Gr0sse einer jungen Elster hat und spaterhin auch nur ungef~ihr die GrOsse einer erwaehsenen Elster zu erreichen bestimmt ist, wiirde eine solche Gewallth~tiffkeit nur eine ganz zwecklose Grausamkeit sein: da er ja gar nicht einmal so viel Nahrung bedtirfen kann, wie namentlich eine junge I~r~ihe. Einen so unn0thigen Zerst0rung'strieb wird also die I~atur ibm gewiss nicht eing'efl0sst haben.

In dem Einen jener beiden Kr~ihennester, aus welchen die unver- tetzt erhaltenen 3 Eier des Coco. gland, genommen warden, befanden sich deren 2 bei einander, neben einigen Kr~iheneiern. Von den Eiern des C~culus canov~s dagegen werden bekannttieh nur in hfichst selte- nen F~illen ~2 bei einander gefunden. (Aaeh tritt hier eine solche Aus- nahme h0ehst wahrscheintieh nut in dem Falle ein, wenn 2 benaehbarte Weibchen auf tier Granze ihres beiderseitigen Wohngebietes zufallig ein und dasselbe Nest gefanden uad gew~ihlt haben: well jedes gerade ein soeben reif gewordenes Ei zu legen hatte.) Wenn also dem Hrn.

kOnnen? dafern es nicht eben doeh vielleieht immer nur Kr~ihen w~iren. In Grieehenland befindet sich ja soeben Sehrader. lhm wird ein Wink hiertiber gewiss eben so willkommen sein, wie er da an den rechten Mann kiimmt. Fiir das ~brige S/ideuropa m0gen dort einheimische Beobaehter, fiir Algier die fran- zOsisehen Zoologen die Saehe auf sieh nehmen.

*) Beim Kuhf inken ~indern zwar die Eier gleichFalls ab, wie bei den mei- sten anderen VOgeln; sie riehten sieh hierin aber nicht naeh jenen der t 0 - t2 versehiedonen Arten yon Pflegev6geln. Vielmehr sagt W ilso n ausdrfieklich, dass si¢ immer sowohl der GrOsse, wie der Zeichnung and F~irbung naeh leieht voa diesen zu unterscheiden sind.

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Alfred B r e h m bet Coccystes glandarius ein soleher Fall sehon mit einem Neste unter bloss zweien vorkam: so scheint es wohl~ als miisse es dieseArt hiermit jedenfalls nicht so genau nehmen~ wie die unserige. In der That wiirde bet ]etzterer ja kaum ein Pfirehen Wiirger , viel weniger gar eines yon anderen, sehr viel kleineren Viigeln im Stande sein~ zwei so gefrfissige Pfieglinge zu versorgen. Bet Cocc. gland. dagegen werden bloss nieht eben sehon z u vie! E ie r , namentlich yon Krfihen, im Neste vorhanden sein oder bleiben diirfen. Diess aber vor - ausgesetzt, oder gar angenommen~ das fremde Weibchen suehe deren 1 - - 2 herauszuwerfen oder zu zerbrechen: so wfire den pfieffenden Krfihen die Miihe des Fiitterns dureh jenes Unterschieben eher sogar erleichtert; wfihrend sie den kleinen Pfieffern unseres Cue. can. oft schon dureh Einen solchen aufgedrungenen Ziigling bedeutend ersehwert wird.¢")

Dass jene Eier des Coco. gland, in der Fiirbung denen der Nest- eigenthamer gliehen, stimmt allerdings mit den sehiinen Erfahrungen der Herren K u n z and B a l d a m u s bet Cuc. can. tiberein: so welt die- selben hier werden gelten ktinnen. Je weniger aber nach denselben tiber den Zweek dieser Uebereinstimmung noeh ein Zweifel herl'schen kann: um so mehr werden wit aueh Grund haben~ diese hehnlichkeit nfichst dem Niehtbriiten als die einzige Regel anzusehen~ welche bet solchen kuekuksartigen V0ffeln, w o sie ntitz]ieh ist~ wird unveriindert bteiben miissen. Doch wird sie ffewiss tiberall nut" so welt vorhanden seth, wie diess jedesmal n-Sthig ist; daher in sehr versehiedenem Urn- range je nach Verschiedenheit der Umstiinde~ welche bet verschiedenen Gattungen oder se|bst Arten sehr verschieden sind~ und welche eben das Maass des Bedih'fnisses bestimmen. Denn sie kann ja bet manehen auch geradezu unniithig" werden. Bet solchen wird sie dann auch w e g - fallen. Bet Cuculus canorus aber wtirde man unter je 40 Eiern wohl durehschnittlich kaum 4 so gleichfarbige erhalten, wie die hier erwfihn- ten yon Coccystes glandarius alle 4 waren, a~'¢) Gerade in diesem unendliehen Weehsel der ersteren nnter sich, neben so bestfindiger Aehnliehkeit mit jenen der hOchst verschiedenen Eigenthiimer der Nester, liegt das wunderbare eine Hauptextrem des gemeinen Cuc. canorus.

~) In der That war in dem Neste~ welches die 2 Eier yon Cocc. gland, ent- Melt, , I der 4 Kr/ihen-Eier frisch zerbrochen." (Inter unserem ltimmelsstriche mSebte das allerdiegs leich~ seine bedenklichen Folgen haben kiinnen; in so viel wiirmeren siidlieheren L/indern aber, mit sehr viel trocknerer Luf~ wird auch der herumfliessende Inhalt eines so zerbroehenen Eies raseh vertrocknen. Er wird also die Viigel nicht zum Aufgeben des Nestes veranlassen.

**) Voa Chrysococc~dx aurn/us, dem Didric, haben L e v a i I 1 a n t nnd sein geiibter hottentottischer .laffdgehilfe Klaas nach und each 83 E i e r gefunden oder zusammengebracht, die a l l e der Fiirbung nach vollkommen g I eic h, nicht bloss iihnlich waren. Deen sie waren nile 83 schOa r e i n we i s s ! Abet wie bedenk- lich verriitherlsch eine solehe Fiirbueg (oder vielmehr giinzliche Farblosigkelt) bei unserem Cuc. ca'noru~ und gewiss auch bei Cocc. glandarius leicht wer- den mfiehte: so unschiidlich ist sie bei jenem kleinen Siidafrikaner. Mithin konnte sich bei ih,n die Natur alle Farbengebung ersparen: {wiihrend mit letzte- rer natiirlich zugleich jeder Farbenwechsel yon selbst wegfiel.) Denn er legt seine Eier stets nur in die Nester solcher Viigel, die so v611ig g'eschlossene banen~ wie bei nns die Schwanz- und Beutelmeise, deren Eier bekanntlich eben- tails beinahe oder ganz x,eiss sind.

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Es w~ire eben desshalh recht wohl mOglich, dass ihn hierin vielleicht kaum einer seiner n~ichsten Verwandten erreichte.

Ein Gleiches aher d0rfte, n~ichst dem, auch yon der ausserordent- lichen Kleinheit seiner Eier gelten.

Die eben so merkwfirdig langsame Entwickelnng derselben bei ihra diirfte gleichfalls wenig oder kaum ihres Gleichen finden. Was sic be- trifft, so erscheint es bekanntlich auf hOchst miihsame Weise durch Beobachtungen festgestellt: dass erst nach etwa naeh je 6 - 8 Tagen wieder eins legereif werde. .Auch wird es fur anatomiseh und physio- togisch erwiesen angenommen, dass eine raschere Aushildung derselben bei ibm nicht wohl m6glich sei: well seine Fortpflanzungswerkzeuge durch einen ganz tiberwiegenden Umfang der Yerdaunngswerkzeuge, namentlich aber des Magens, allzu sehr in ihrer gesammten Entwicke- lung zurfickgedr/ingt sind. Diess weist ganz vorzugsweise auf den Ur- grund der ganzen seltsamen Einrichtung, des Nichtbrfitens der kuckuks- artigen Y/igel fiberhauph zurfick: n/tmlich auf den sehr geringen Gehalt ihrer Hauptnahrung, der (bekanntlich yon anderen Thieren cerschm/ihten) rauchhaarigen Raupen, an wirklich n/threndem Stoffe bei grossem Umfange nach ihrer Masse. Nun lebt abet schon nnser Cuc~lus can. zwar stets vorzugsweise gem yon solchen behaarten; jedoch auch keineswegs aus- schliesslich. Vielmehr frisst er, wenn oder wo er jene nicht haben kann, oft glatte in Menge. Um so weniger also wiirde anzunehmen sein, dass Letzteres nehen Ersterem nicht um so mehr bei anderen Gat- tungen der Familie der Fall sein werde; zumal bei solchen, die schon der ~iusseren Bildung nach so bedeutend yon ihm verschieden sind, wie es z. B. eben Coccystes glandarius ist. Denn eine so eiaseitige ¥or - aassetzung wUrde abermals dem allseitigen Stufengauge der Natur wider- sprechen: da sie ja ilherhaupt jedes Extrem and jede Einseitigkeit stufenweise mildert, bis sie dieselben oft g/inzlich verschwinden l~isst. Sehr natfirlich also, wenu hier bei solchen Arten die GrOsse tier Eier hedeutender und wahrscheinlieh die Entwickelung derselben rascher wer- den mug, als bei dem unserigen: well dann ja bei jeneu auch weaiger Grund zu solchen Extremen vorhanden ist, als bei diesem.

Bei den fremdl/indischeu wird es freilich kaum durch hinreichend anhaltende Beobachtungen festzustellen sein, wie lunge Zeit die Eier derselben zurEntwicketung bediirfen mOgen. Um so leichter aber wird vermuthtich die genaue anatomische Untersuchung yon Weibchen, die man in der Begattungszeit orlegt, mittelbar zu Aufschlfissen hiertiber ffihren k0nnen.

Diess zusammen ist nun meine Ansicht tiber diese erste Frage. Und man wird, glaube ich, gern zugeben, dass dieselbe aaf Grfinden heruhe, welche an sich richtig bleiben dfirften ohne Rficksicht darauf, wieviel man fiber die Fortpflanzung dieser oder jener fremden Art bis- her speciell wisse, oder nicht wisse, und wer das Erstere vorgehracht habe. Da aber der Bericht des Hrn. Alfred Br. tiber Coec. gland, die n~ichste Veranlassung zu dieser Erfrterung gegeben hat: so m6ge die- selbe anch mit seiner Schlussbemerkung schliessen. Diese lautete:

,,Nach dem ehen Erz~ihlten wird mir gewiss jeder Oolog glauben,

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dass die E i e r , welehe ieh ats die des Cucutus glandarius bekannt gemaeht habe,'~) f ieht sind; und wenn diess Einer oder der Andere nieht that, so miiehte ieh ihn wohl bitten, gelegentlieh seine Griinde dagegeu mitzutheilem"

Auch mir war die Saehe flir den ersten Augenblick wohl noeh ein wenig tiberrasehend. Bei weiterem Nachdenken babe ich jedoch ebea k e i n e ,Griiride d a g e g e n , " woht aber die vorstehend bezeichneten d a f i i r gefunden. Ich habe daher um. so weniger Anstand genommen, dieselben hier ,mitzutheilen," je mehr ich sonst ein ganz entschiedener Gegner mancher urspriinglieher, wie vererbter Brehmseher , A n s i c h t e n" bin und bleiben werde. Denn urn so lieber habe ich, diesen entgegen, stets eine Brehmsche B e o b a c h t n n g s - Gabe warm anerkannt, and be- traehte sie daher jedenfalls aueh hier als ,bestes Erbstiiek." Semper ,distinguamus inter et inter."

Demnach wollen and k0nnen wir nunmehr wohl Beide abwarten: ob und was ftir ,Griinde dagegen" man uns vorbringen w i r d . - -

Berlin, den 10. Juli 1853.

• o t i t B r l e f l i c h e M tthe.lun en u n d F e u i l l e t o n .

E i t l v e r e l n z e l t n l s t e n d e $ U l ' e r s e h w ~ l b e n - P a a r . - - N a u m a a n hat bekanntlieh nie ein einsam wohnendes P~irehen der Hirundo riparia gesehen; and Sie finden es bemerkenswerth, dass Leo[}. S e h r a d e r bei Nyborg in Lappland ein P~irchen dieser, sonst meist so geselligen Vogelart ganz allein wohnend gefunden hat

Am 12. YIai v.J. sail ich, nur 1/4 St. van meinem Pfarrdorfe Am- meradorf (4: Stunden yon Nfirnberg) entfernt, einige Paare der Ufer- sehwalbe uber den Wiesen des Nachbardorfes umherfliegen. Hierdurch veranlasst, dieseu VOgelehen eifrig naehzaspUren, land icti nun einige kleine Colonieen und entdeekte so am 18. Juni auch ein vereinzelt nistendes Piirehen ganz nahe bei Ammerndorf. Das Nest stand ! Fuss finer der sehroff abgerissenen, baumlosen Rasendeeke an einer 6 Fuss hohen Lehmwand des Reiehenbaehes, der als kleines~ im Sommer ganz bequem zu iibersehreitendes Wfisserehen unsere Hutungswiesen dureh- fliesst, auf welehen dann stets eine Riadviehheerde weidet und viel mensehlieher Verkehr herrseht. Die Gegend ist durehaus nieht wasser- reieh. Das Nest jenes einzelnen Paares befand sieh nur 6 Sehritte weit you 'einem Fruehtfelde, 40 Sehritte yon einem stark begangenen und befahreaen Wege, and 200--4(10 Sehritte yon den niiehsten Gebiiudeu.

Ammeradorf in Mittelfranken, am 27. Juli 1853. J a e e k e I, Pfarr-Verweser.

Ieh babe sehon vor laager Zeit einmal, nieht weit yon Berlin, g_ieiehfalls ein solehes einzelnes Piirehen der Ufersehwalbe gefaaden

*) N~miich ,be-kaunt gemaeht" durch ihre Versendung an Sammler. G1.