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Hallo, ihr Lieben Für alle, die es aus irgendeinem Grund nicht mitbekommen haben sollten, sage ich es noch einmal. Ich bin gerade in Peru, besser gesagt in Villa El Salvador, einem Vorort von Lima, bei den Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau. Tja, und was mache ich hier? Ein Jahr lang werde ich hier als Missionarin auf Zeit (so etwas ähnliches wie FSJ aber auf religiöser Basis) arbeiten. Tja und nach einer Woche kann ich schon so einiges erzählen. Ich muss zugeben, dass sich meine Überzeugtheit von meinem Plan, dieses Jahr hier anzutreten alleine ohne Familie, Freund und Freunde sehr bald verabschiedet habe. Gegen Schluss der Vorbereitungen habe ich mich ernsthaft gefragt, was ich hier eigentlich mache und warum. Und so habe ich mich 28. August 2010von meiner gewohnten Umgebung verabschiedet und bin mit etwas mehr als feuchten Augen ins Flugzeug gestiegen. Für mich erst einmal ins UngewisseVom Flug nach Amsterdam habe ich absolut nichts mitbekommen, ich schlief durch und aß nicht einmal das „leckere“ Flugzeugbrot. Im Flugzeug von Amsterdam nach Lima saß dann zu meiner Rechten eine Inderin, die absolut gar nichts sprach und zu meiner Rechten eine Peruanerin, die mir ihre ganze Lebensgeschichte erzählt hat, wenn ich den Worten ganz folgen konnte. Nebenbei machte sie mir immer Mut, dass mein Spanisch schon noch besser würde! Ich sollte mich auf keinen Fall sorgen. Wenn ich nicht gerade meiner Peruanerin zuhörte oder schlief, aß ich und schaute mir Pocahontas, Shrek und Alice im Wunderland an. Sehr schöne Filme. Villa el Salvador In Lima angekommen erwartete mich Nebel, 17 ° C und nach einer Weile des Suchens auch mein Koffer, der irgendwie verloren ging und unverhofft wieder auftauchte. Also kam ich über eine Stunde zu spät mit meinem Erkennungszeichen, einer roten Mütze, am Ausgang an, wo ich auch gleich von allen Seiten bestürmt wurde, ob ich nicht ein Taxi bräuchte. Jedes Mal verneinte ich, während meine Augen unentwegt Schwester Jacci suchten, die ich von Fotos her kannte. Da trat ein Taxifahrer auf mich zu und fragte, ob ich „Hermana Chrissi“ wäre. Schwester Chrissi. Nach einem kurzen Überlegen („Schwester???“) bejahte ich einfach, er schnappte meinen Koffer und zog mich unverzüglich zu einem Internetcafé, in dem Schwester Jacci anscheinend gerade verzweifelt versuchte, herauszubekommen, wo ich denn nur abgeblieben war. Einige Minuten später fuhr ich das erste Mal durch die Straßen Südamerikas, Perus, Limas… Um es gelinde auszudrücken, es glich einem Horrortrip. Oder fast

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Hallo, ihr Lieben

Für alle, die es aus irgendeinem Grund nicht mitbekommen haben sollten, sage ich es noch einmal. Ich bin gerade in Peru, besser gesagt in Villa El Salvador, einem Vorort von Lima, bei den Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau. Tja, und was mache ich hier? Ein Jahr lang werde ich hier als Missionarin auf Zeit (so etwas ähnliches wie FSJ aber auf religiöser Basis) arbeiten. Tja und nach einer Woche kann ich schon so einiges erzählen. Ich muss zugeben, dass sich meine Überzeugtheit von meinem Plan, dieses Jahr hier anzutreten – alleine ohne Familie, Freund und Freunde – sehr bald verabschiedet habe. Gegen Schluss der Vorbereitungen habe ich mich ernsthaft gefragt, was ich hier eigentlich mache und warum. Und so habe ich mich 28. August 2010von meiner gewohnten Umgebung verabschiedet und bin mit etwas mehr als feuchten Augen ins Flugzeug gestiegen. Für mich erst einmal ins Ungewisse…

Vom Flug nach Amsterdam habe ich absolut nichts mitbekommen, ich schlief durch und aß nicht einmal das „leckere“ Flugzeugbrot. Im Flugzeug von Amsterdam nach Lima saß dann zu meiner Rechten eine Inderin, die absolut gar nichts sprach und zu meiner Rechten eine Peruanerin, die mir ihre ganze Lebensgeschichte erzählt hat, wenn ich den Worten ganz folgen konnte. Nebenbei machte sie mir immer Mut, dass mein Spanisch schon noch besser würde! Ich sollte mich auf keinen Fall sorgen. Wenn ich nicht gerade meiner Peruanerin zuhörte oder schlief, aß ich und schaute mir Pocahontas, Shrek und Alice im Wunderland an. Sehr schöne Filme.

Villa el Salvador In Lima angekommen erwartete mich Nebel, 17 ° C und nach einer Weile des Suchens auch mein Koffer, der irgendwie verloren ging und unverhofft wieder auftauchte. Also kam ich über eine Stunde zu spät mit meinem Erkennungszeichen, einer roten Mütze, am Ausgang an, wo ich auch gleich von allen Seiten bestürmt wurde, ob ich nicht ein Taxi bräuchte. Jedes Mal verneinte ich, während meine Augen unentwegt Schwester Jacci suchten, die ich von Fotos her kannte. Da trat ein Taxifahrer auf mich zu und fragte, ob ich „Hermana Chrissi“ wäre. Schwester Chrissi. Nach einem kurzen Überlegen („Schwester???“) bejahte ich einfach, er schnappte meinen Koffer und zog mich unverzüglich zu einem Internetcafé, in dem Schwester Jacci anscheinend gerade verzweifelt versuchte, herauszubekommen, wo ich denn nur abgeblieben war. Einige Minuten später fuhr ich das erste Mal durch die Straßen Südamerikas, Perus, Limas… Um es gelinde auszudrücken, es glich einem Horrortrip. Oder fast

zumindest. Denn die Peruaner juckt eigentlich im Verkehr nichts, außer, dass sie möglichst schnell ans Ziel kommen müssen. Bei vorgeschriebenen 60 km/h fahren sie mindestens 80km/h, man grüßt nach rechts und links und so weiter und so fort. Bei der Stunde Hinfahrt zu meinem Wohnort sah ich uns mindesten vier Mal in einen anderen Wagen rein rasen, worauf Jacci mir erläuterte, dass ich einfach nicht auf den Verkehr achten sollte. Das tat ich dann auch nicht mehr, wurde aber das Gefühl nicht los, dass die Autofahrer eben genau dies auch nicht tun! Sehr interessant sind die Überholmanöver, ob von rechts oder

links, mit Gehupe oder wenig Gehupe, es ist alles erlaubt! Es ist aber leider tatsächlich so, dass hier ziemlich viele Unfälle passieren, weil die Leute hier einfach nicht so auf den Verkehr und die Fußgänger achten. Villa el Salvador ist ein

Vorort von Lima, indem man

beinahe alles finden kann. Er

ist doch etwas größer, als ich

dachte mit seinen knapp einer

halben Millionen Einwohnern.

Grundsätzlich lässt sich sagen,

dass hier das reine Chaos

herrscht. Die ganze Nacht

hindurch hört man das Hupen

von Autos, Sirenen, laute Musik

(die kann schon mal in aller

Herrgottsfrühe durch die Gassen

klingen) und die Horden von

Hunden, die sich auf der Straße

heiße Kämpfe liefern.

Irgendeiner unserer Nachbarn muss ein Schaf und einen Hahn in seinem Haus haben. Die sind nachts auch ziemlich laut. Außerdem hat er seit Neuestem ein Super Mario Spiel, dass er die halbe Nacht am Fernseher spielt. Die Stadt an sich ist noch keine 40 Jahre alt und wurde aus der Not heraus quasi aus dem Boden gestampft. Immer mehr Menschen flüchteten vom Land in die Hauptstadt, in der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Irgendwann platzte Lima aus allen Nähten und Villa el Salvador wurde im Wüstensand erbaut. Aber wer jetzt glaubt, dass deshalb die Häuser noch neu aussehen oder Ähnliches, der hat sich

Die Aussicht auf die Straße von unserer Terrasse

aus

Unser Park – schön grün, nicht wahr?

geschnitten. Die Häuser scheinen teils unfertig und heruntergekommen zu sein. Viele Gegenden haben kein Wasser und es hat auch ziemlich viel Müll. Straßen, die gepflaster sind, gibt es fast nicht. Nur die Hauptstraßen. Der Rest ist Sand. Es ist beinahe erschreckend, wie ordentlich ich hier werde. Denn aufgrund der Tatsache, dass hier der ganze Boden aus Sand besteht (früher waren das hier nur Sanddünen anzutreffen) legt er sich auf alles, was nicht abgedeckt ist. Also lasse ich nichts Wichtiges unabgedeckt liegen. Ich bin in einer relativ guten Gegend von Villa el Salvador. Wir haben Strom und fließendes Wasser, mit dem wir aber äußerst sparsam umgehen. Sogar ein Boiler ist hier, damit wir warm duschen können. Das sieht aber in anderen Gegenden ganz anders aus.

Es gibt hier ganze Blocks, bei denen die Leute weder fließend Wasser noch Strom besitzen. Das fehlende Wasser kann teuer erworben werden. In regelmäßigen Abständen bringen Lastwagen die kostbare Fracht in diese Gegenden. Mein Haus befindet sich anscheinend ganz in der Nähe vom Meer. Leider kann man es nicht sehen, da die Sicht von Häuserzeilen verdeckt wird. Aber durch diese Nähe zum Meer ist es zur Zeit auch sehr ungemütlich. Wir haben hier anscheinend um die 15 °C. Ich glaub das aber fast nicht, so wie die

ganze Zeit friere. Meinen Flies habe ich immer an, außer ich liege im Bett und schlafe. Das Problem hier ist, dass es immer feucht ist. Und Außentemperatur bedeutet hier auch gleichzeitig Innentemperatur. Denn eine Heizung kennt man hier gar nicht. Es ist sehr zugig und wenn es regnet (das ist schon das dritte Mal vorgekommen, obwohl es hier anscheinend so gut wie nie regnet), läuft das Wasser durch die Türspalten in die Räume und man darf erst einmal alles rausputzen. Meine Wäsche, die ich gewaschen habe, habe ich zum Trocknen aufgehängt. Es hat ewig gedauert, bis sie halbwegs trocken war. Und dann ist folgendes passiert: ES HAT GEREGNET!!! Natürlich wurden die Kleider klatschnass, da ich nachts einfach nicht auch noch aufstehen wollte, da es gerade im Bett relativ kuschelig warm war. Dann ging das ganze natürlich wieder von vorne los. Irgendwann hab ich die Geduld verloren und hab die Wäsche halb trocken abgehängt, zu diesem Zeitpunkt haben sie dann schon ziemlich muffelig gerochen. Aber ganz ehrlich, damit kann ich auch leben. Mein Körper muss sich noch ziemlich an die veränderten Umstände hier gewöhnen. Ich bin hier 7 Stunden später dran, als in Deutschland. Eigentlich bin ich immer müde. Das liegt aber auch daran, dass ich mich hier immer 500 % konzentrieren muss. Mit der Sprache ist das nämlich ein kleines Problem. Ich verstehe zwar die Leute ganz gut, dafür hapert es ziemlich mit den Antworten. Es fragt mich auch jeder, ob ich denn mal eine Zeitlang in Spanien war. Ich lisple anscheinend, wie es die Spanier tun! Ich glaube aber nicht, dass sie mir damit schmeicheln wollen.

Das ist die Aussicht von der „Terrasse“ meines Zimmers

Die Comunidad Ich nenne das hier ganz bewusst nicht „Kloster“. Denn mit einem Kloster in unserem Sinne hat diese Kongregation eigentlich nicht viel zu tun. Hier leben 4 Schwestern, Schwester Jacci, Schwester Nina, Schwester Karina und Schwester Lucy (mit der ich mein Zimmer teile). In ganz Peru gibt es 8 Schwestern der Armen Schulschwestern. Die sind auf der anderen Seite von Lima untergebracht. Die acht

tragen keine Ordenstracht, sondern ganz normale Kleidung – im Augenblick sind das ziemlich viele Schichten, weil es eben so kalt ist. Schwester Jacci kommt aus den Staaten und das merkt man auch daran, dass sie sehr auf Pünktlichkeit steht. Nina, Karina und Lucy sind waschechte Peruanerinnen, die eigenen Worten nach auch einmal vom Thema abschweifen können. Sie sprechen nur Spanisch. Aber Gott sei Dank so, dass ich meistens folgen kann. Es gibt hier nämlich Leute, die ganz schrecklich nuscheln und auch auf wiederholtes Fragen nicht langsamer reden. Ich werde von den drei auch öfters etwas belächelt, wenn ich wieder etwas im spanischen Spanisch sage. Hier ist nämlich die Grammatik etwas anders, genauso wie auch andere Worte benützt werden, die ich in der Schule gelernt habe. Jede hier geht ihrer Arbeit nach, deshalb

sind wir meistens nur am Morgengebet vollständig. Jacci arbeitet meistens bei den Martincitos (siehe später), ist in der Gemeinde sehr aktiv und eigentlich nie ohne Arbeit anzutreffen. Nina ist studiert gerade und ist Lehrerin an Fe y Alegria, der Schule, in der ich auch Englisch unterrichte. Bei Lucy habe ich noch nicht so ganz herausgefunden, was eigentlich ihr Beruf ist. Sie ist ziemlich viel unterwegs und hat viele Treffen. Ich glaube, dass das eben so eine Art Gemeindearbeit ist. Karina ist auch Lehrerin Fe y Alegria. Zumindest in ihrem Fall kann das auch zu einem Seelsorgeberuf werden. Am zweiten Tag, an dem ich hier war, wurde sie von einer Schülerin angerufen, die mit ihrer Familie einen schlimmen Unfall hatte, um sie im Krankenhaus zu besuchen. Apropos Krankenhaus: Es ist wirklich nicht ganz so einfach wie bei uns in Deutschland, einen Krankenbesuch zu tätigen. Die Krankenhäuser und Praxen (von denen es hier wirklich viele gibt) gleichen eher einem Hochsicherheitstrakt. Sie sind umgeben von Gitterzäunen mit einem Eingang. Im besagten Krankenhaus war draußen ein Riesenschild angebracht, dass die uniformierten Wärter (!!!) das Recht hätten, Kameras und ähnliches in Verwahr zu nehmen. Wenn man nun in das Krankenhaus will, muss man seinen Ausweis zeigen und den Namen sagen, zu wem man denn gerne möchte. Der Wärter prüft dann auf einer Liste nach, ob da gerade Besuch ist. Wenn ja, dann muss man so lange warten, bis dieser Besuch gegangen ist und darf dann eintreten. Sehr interessant.

Schwester Jacci

Hier im Haus lernt man das Sparen. Ich darf zum Beispiel, wenn ich den Tisch decke und das Essen aus dem Kühlschrank hole, das gekocht wird, den Kühlschrank nur einmal öffnen, alles rausholen und dann den Kühlschrank schließen, um Energie zu sparen. Wenn ich ausversehen zu viel rausgeholt habe, bleibt der Kühlschrank zu, bis alle Reste bereit sind, wieder in den Kühlschrank geräumt zu werden.

Auch das Wasser wird gespart. Wenn man duscht, stellt man sich in eine Wanne, in dem das Wasser aufgefangen wird (weil in diese Wannen vielleicht 10 Liter reinpassen, ist das Duschen auch dementsprechend kurz. Ich brauche kaum 2 Minuten). Das so aufgefangene Wasser wird dann zum als Spülwasser der Klos benutzt. Das mag jetzt vielleicht alles etwas überspitzt klingen, aber ich finde das hier wirklich mehr als notwendig. Denn so viele Leute haben hier auch keinen Zugang zu fließendem Wasser und müssen dieses teuer kaufen. Hier hat das Wasser einen anderen Stellenwert. Das Essen ist einfach der Hammer. Es gibt ganz tolle Früchte, die ich immer esse. Hier schmecken mir sogar Bananen. Außerdem hat es Orangen und Mandarinen ohne Ende. Auf meine heißgeliebten Mangos muss ich aber noch eine Weile warten, bis es Sommer wird.

Hier wird so ziemlich alles auf dem Mercado gekauft. Das ist so toll. Eigentlich ist das eine relativ große Markthalle, in der dicht an dicht die Läden aneinander gedrängt sind. Sehr interessant sind die Fleischauslagen. Da hängen einfach die Hühner an den Stange. In diesen Gängen ist auch ein etwas strengerer Geruch. Und zwischen den Gängen rennen Leute mit Bauchläden herum, die versuchen, ihre Ware unter die Leute zu bekommen. Außerdem sind auch hier wieder unzählige Hunde. Die Peruaner lieben ihre Hunde. Sie freuen sich

des Öfteren, ein „Hündchen“, wie sie es nennen, zu sehen. Ich habe vor diesen Hündchen oft ziemlichen Respekt, da sie eine

stattliche Größe haben. Es ist auch keine Seltenheit, die Hunde mit hübschen Anziehsachen anzutreffen! Ich habe auch an irgendeinem Straßeneck ein großes Schild gesehen, auf dem ein Hund mit Gehhilfe abgebildet war. Darüber stand in großen Buchstaben: NOTFALL – 24 STUNDEN GEÖFFNET. Die haben hier auch eine Hundeklinik!

Unsere Waschmaschine

Ich mag die Peruaner. Hier komme ich mir normalgroß bis groß vor. Eigentlich habe ich die perfekte Größe. Denn in den Bussen ist das hier wirklich kein Vorteil, wenn man auch nur zwei Zentimeter größer ist, als ich es bin. Hier sind nämlich viele Busse, die der Größe eines VW – Busses mit etwas erhöhtem Dach entsprechen. Ich kann darin sehr bequem stehen. Aber noch viel besser, auch in den großen, „normalen“ Bussen ist der Handlauf, an dem man sich festhält, wenn man keinen Sitz mehr bekommt, weiter unten, als in Deutschland. Da hab ich mich immer fast stranguliert. Und jetzt kann ich sehr bequem stehen und schauen. Das wirkt sich sehr gut auf mein Wohlbefinden aus. So schnell, wie die Leute hier mit fahrbarem Untersatz unterwegs sind, sind sie zu Fuß noch lange nicht. An meinem zweiten Tag bin ich mit Nina zur Kapelle geschlendert.( Sie bezeichnet sich übrigens als guten Läufer.) Dann ist sie irgendwann stehen geblieben und hat nach Luft geschnappt. Ich war erst ganz

erschrocken und dachte, sie würde vielleicht Atemnot oder ähnliches haben. Auf mein Fragen hin sagte sie mir aber, dass das immer so sei, wenn sie so schnell liefe. (Ich wiederhole: Für mich war das schlendern.) Die Leute hier sind total offen. Wenn ich irgendwo vorgestellt werde, werde ich gleich von allen Seiten umarmt und mir wird ein Kuss auf die rechte Wange gedrückt. Hier in Peru begrüßt man sich mit nur einem Wangenkuss. Die Kinder scharen sich gleich um mich und wollen alle möglichen Sachen über Deutschland und die deutsche Sprache wissen. Oder besser noch: Sie begrüßen mich mit: „Hello, welcome!“ In der Kirche wurde ich als neue Schwester (im Sinne von „Nonne“) vorgestellt und danach sind ganz viele Leute gekommen, haben mir einen Kuss auf die Backe gedrückt und sich gefreut, dass ich hier bin.

Schwester Nina

Das Linke ist ein Mototaxi –ein Motorrad mit

Kabine, wenn Man so will. Das Linke ist einer der

etwas größeren Busse. Von beiden gibt es mehr als

genug.

Hier wird auch mehr generationenübergreifend gefeiert. Das liegt aber vielleicht daran, dass die alten Leute genauso auf laute und rhythmische Musik steht, wie die junge Generation. Ich war mit Nina auf einem Konzert einer der berühmtesten peruanischen Bands, die Aufgrund einer Wahlveranstaltung (es wird gerade der Bürgermeister gewählt) in Villa el Salvador aufgetreten sind. In der Menschenmenge waren wirklich alle Generationen vertreten. Natürlich war ein Großteil der Menschen ungefähr in meinem Alter, aber man hat ziemlich oft auch alte Frauchen in ihrer traditionellen Kleidung, aber auch Mütter mit ihren Babys gesehen. Und eben mindestens eine Nonne war auch da.

Mit der Musik bin ich mit den Peruanern voll auf einer Wellenlänge. In der Kirche bin ich jetzt beim Chor offiziell dabei. Der „Chor“ ist nicht unbedingt das, was man sich in Deutschland unter einem Chor vorstellt. Es ist vielmehr eine sehr fröhliche Gruppe, die sich nach jedem Gottesdienst trifft und die Lieder für den nächsten vorbereitet. Jeder ist dazu herzlich eingeladen. Da keine Noten vorhanden sind, wird auch des Öfteren darüber diskutiert, wie das Lied jetzt überhaupt gesungen werden muss. Aber es macht wirklich Spaß. Sehr interessant finde ich hier auch die Messen. Wir haben hier ein Problem, dass mir von Deutschland auch bekannt ist: akuter Priestermangel. Es ist jeden Sonntag und jeden Mittwoch in unserer Kapelle Gottesdienst. Jedoch kann nur jede zweite Woche der Priester da sein, deshalb ist immer eine Woche sonntags Messe und

mittwochs Gottesdienst und die darauffolgende Woche ist sonntags Gottesdienst und mittwochs Messe. Glaub ich… Mich beeindruckt die Religiosität der Menschen hier. Es werden hier ganz viele Sachen mit einem Gebet begonnen. Dazu zählen auch Tanzveranstaltungen, beispielsweise. Die Kirche ist so anders, als ich es von Deutschland gewohnt bin. Hier gibt es nicht direkt Ministranten, vielmehr flankieren hier erwachsene Männer hinten die Kirchentüren. Sie haben Jäckchen an, die den Schriftzug der Gemeinde aufgedruckt haben und fungieren aber so ähnlich, wie Ministranten.

Das Geldopfer ist besonders toll: Da laufen die

Paraden aufgrund der

Bürgermeisterwahl hat es jeden Tag

mehrere. Hier ist das Wählen

übrigens Pflicht.

„Ministranten“ mit ihren Körbchen nach vorne und jeder, der Geld geben will, läuft zu ihnen vor und wirft das Geld in die Körbchen. Dann schreiten die Ministranten nach hinten, werfen das ganze Geld in einen Beutel und Ministrant läuft mit dem Körbchen, das in Opferhaltung über den Kopf gehoben wird zum Altar, um es dort niederzulegen. Wenn hier die Leute in die Kirche gehen, laufen ganz viele nicht zuerst in die Bank, sondern knien sich ganz dicht vor den Tabernakel, oder berühren diesen und bitten Gott um Hilfe. Andere laufen zum Kreuz und küssen ihm die Füße oder berühren den gekreuzigten Christi auch nur betend. Auch Maria wird heiß bestürmt. Auch im Gottesdienst sieht man immer wieder Leute aufstehen und zum Kreuz gehen. Die Predigten sind auch sehr interessant. Der Prediger steht vorne und gibt einen Denkanstoß und dann dürfen die Leute ihren Senf dazu geben. Wenn nichts kommt, dann macht er einfach mit der Predigt. Es werden aber auch oft Sachen gefragt, um sie den Leuten in Erinnerung zu rufen. Zuletzt waren es die Tugenden. Wenn hier bei der Wandlung Brot und Wein hochgehoben werden, dann sagen die Leute: „Mein Herr und mein Gott!“ Am zweiten Tag war ich gleich auf einer Totenwache. Ich kenne das aus Deutschland überhaupt nicht mehr, da wird der Tod meiner Meinung nach fast totgeschwiegen. Hier war in dieser Nacht die ganze Wohnung mit Menschen vollgestopft, die den Rosenkranz und endlose Litaneien gebetet haben. Jeder, der das Geld irgendwie auftreiben konnte, hatte einen Blumenschmuck dabei. Draußen auf der Straße waren Bänke aufgestellt, auf denen andere Leute saßen. Zwischen den Bänken und der Türe standen Leute, die versuchten, in die Wohnung zu gehen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu geben. Und auch hier waren auch sehr viele Jugendliche vertreten.

Meine Arbeit hier in Villa el Salvador Ich glaube, man kann hier einfach nie arbeitslos werden! Villa Salvador hat, was sehr schön ist, sehr viele Einrichtungen, wo sich die Menschen hinwenden können. So werden Senioren versorgt, genau wie die

Behinderten und natürlich auch die Kinder und Jugendlichen nach der Schule. Es gibt sehr viele Schulen, die vor Allem Englischunterricht anbieten. Ich glaube aber eher nicht unbedingt, dass diese vielen Schulen wirklich etwas bringen. Sie sind zum Teil kleiner, als eine Doppelhaushälfte in Deutschland und in diesen paar Zimmern sollen drei Schularten vertreten sein. Außerdem gibt es hier einige Ärzte und Kliniken, die sich auf verschiedene Richtungen spezialisiert haben.

Meine Hauptaufgabe wird im Colegio Fe y Alegria sein. Das ist eine Schule, die von Schwestern geleitet wird und in der ich ab jetzt Englisch unterrichte. Ich habe nacheinander vier Klassen, die ich in Englisch unterrichte. Ich muss ehrlich sagen, dass an meinem ersten Tag schon ein bisschen geschockt war, wie schlecht das Englisch wirklich ist. Sie können zwar Vokabeln, schaffen es aber nicht, daraus Sätze zu bilden. Und das nach mindestens einem dreiviertel Schuljahr! Aber die Kinder sind total süß, zumindest die zweiten Klassen. Dort helfe ich nämlich aus. Eigentlich bin ich da nur damit beschäftigt, streitende Kinder auseinander zu reißen und wieder auf die Stühle zu schicken. Das klingt jetzt zwar nicht unbedingt nett, aber es gibt auch andere Kinder, die einem die ganze Essen schenken wollen und Fangen spielen wollen. Manchmal stehen auch Kinder auf, um persönlich „Hallo“ zu sagen und drücken mir einen Kuss auf die Backe. Hier wird man mit seinem Vornamen angeredet: Christina. Ich bin darauf abgekommen, mich hier hals „Chrissi“ vorzustellen, wie ich das sonst immer tue. Ich sage meinen vollen Namen. Die Peruaner kriegen Chrissi nämlich nicht hin. Sie sagen eher: Christi, Christ oder Chris. Tja, aber leider stellt mich Patty (die Subdirektorin) immer mit „Christ“ vor, da sie sich „Chrissi“ nicht merken konnte. Und so heiße ich jetzt überall „Christ“ oder „Crist“. Außerdem arbeite ich auch in „Aprendamos Juntos“ in Fe y Alegria. Das ist ein Ort, wo lernschwache Kinder eine Stunde lang gefördert werden und dann wieder in den Unterricht dürfen. Das ist auch total nett da. Deporte y Vida ist ein anderes Aufgabenfeld. Eigentlich ist das mit einem Jugendtreff zu vergleichen. Die Jugendlichen können dort regelmäßig nach der Schule hinkommen, ihnen wird bei den Hausaufgaben geholfen und sie haben andere Freizeitaktionen, wie Theaterspielen, Stelzenlaufen, Tanzen und andere Dinge. Schwester Jacci glaubt, dass das genau das richtige für mich wäre.

Sehr gerne arbeite ich auch bei den Martincitos. Das ist eben ein Freizeitangebot für etwa 50 Rentner. Sie bekommen dort warme Mahlzeiten, spielen Spiele, dürfen sich kreativ ausleben, bekommen professionelle Massagen, wenn sie Beschwerden haben, können sich die Fingernägel lackieren und richten lassen und zusammen feiern. Da manche Leute nie das Schreiben gelernt haben, wird auch Schreiben lernen angeboten. Außerdem ist einmal im Jahr ein Ausflug. Wenn man bei den Martincitos arbeitet, wird man ganz oft einfach auf die Backe geküsst oder umarmt. Außerdem hat immer jeder seine Geschichte zu erählen.

Jeden Sonntag ist hier Katechese. Die Kinder sind in verschiedene Altersstufen eingeteilt und Freiwillige aus der Gemeinde unterrichten sie in Glaubensfragen. Diese werden in Kindern neue Lieder beizubringen. Mit der Zeit werde ich dann als Helfer bei den Katechesen helfen.

Ich habe auch schon Anschluss gefunden. Ein paar Mädels haben mich gestern zum Beispiel auf eine Tanzveranstaltung mitgenommen, wo die Jugendlichen Tänze zu geistlicher Musik für das Patrozinium von unserer Kirche einstudiert haben. Das war einfach der Hammer und die ersten zwei Stunden, in denen mir warm war, vom vielen Tanzen. Außerdem sind hier auch zwei Freiwillige aus Tübingen, die in der Schule, in der ich unterrichte, arbeiten.

Das sind meine ersten Eindrücke von Villa el Salvador. Abschließend lässt sich sagen, dass ich hier sehr, sehr gerne bin. Alles ist zwar etwas chaotischer, aber mich stört das nicht im Geringsten. Das war‘s erst mal! Viele Grüße hier aus dem verrückten, kalten, sandigen und fröhlichem Villa el Salvador. Eure Chrissi