grundlagen der regelungstechnik 03 - … · komplex-wertige funktion der ... verhalten des...
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Grundlagen der Regelungstechnik
Dr.-Ing. Georg von WichertSiemens AG, Corporate Technology, München
Wiederholung vom letzten Mal
Lineare Systeme als Übertragungsglieder
• Abstraktion vom physikalischen System– Verhalten des Systems gegeben durch Differentialgleichung im
Zeitbereich
• Lineare dynamische Systeme als Übertragungsglieder– Verhalten des Systems gegeben durch Übertragungsfunktion im
Frequenzbereich– Bildet Eingangssignal auf Ausgangsignal ab
• Betrachtung der Übertragungsfunktion G(s)
Dynamisches System
DGL
Eingang x(t) Ausgang y(t)
ÜbertragungssgliedG(s)
Eingang x(t) Ausgang y(t)
Sprung- und Impulsantwort
• Sprungantwort und Impulsantwort charakterisieren das Systemverhalten
– Sprung und Impuls haben keine eigenen Parameter
• Systemidentifikation über Sprungantwort
– Idealer Impuls nicht realisierbar
– Impulsantwort ist die Ableitung der Sprungantwort
Sprungfunktion: Impulsfunktion (Dirac-Impuls):
Swegen
Quelle: O. Föllinger, Regelungstechnik
Quelle: O. Föllinger, Regelungstechnik
Übertragungsfunktion: Pole und Nullstellen
• Andere Darstellung für G(s):– Faktorisierung
Übertragungsfunktion: Pole und Nullstellen
s0i : Nullstellen der Übertragungsfunktion
si : Polstellen der Übertragungsfunktion
Charakteristische Gleichung:
Übertragungsfunktion: Visualisierung
• Übertragungsfunktion G(s) ist eine
komplex-wertige Funktion der
komplexen Variablen s=σ+jω
• Sogenannte „s-Ebene“
– Für Visualisierungen wichtig
– Wird aufgespannt von Re{s}=σ und
Im{s}=jω
• Eine komplexe Zahl s ist ein Punkt in
der s-Ebene gegeben durch:
– Real- und Imaginärteil
– Betrag (Amplitude) |s| und
Phase arg(s)
Re{s}=σ
Im{s}=jω
arg(s)
|s|
s
Übertragungsfunktion: Betrag
Quelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Polstellen
Nullstelle
Bode Diagram
Frequency (rad/sec)
Ph
ase
(deg
)M
agn
itu
de
(dB
)
10-1
100
101
-180
-135
-90
-45
0-40
-30
-20
-10
0
10
20
Bodediagramm (PT2)
Eigenfrequenz = 1/T
Ortskurve (des offenen Kreises)
• Weg des Orts von G(jω) in der s-Ebene für ω ∈ [-∞, ∞]– Matlab: Nyquist-Diagramm
Nyquist Diagram
Real Axis
Imag
inar
y A
xis
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5-5
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
5
ω = 0ω = ± ∞
Frequenzkennlinien
• Bodediagramm und Ortskurve sind Visualisierungen des Systemverhaltens– Erlauben die Beurteilung des Systems– Dienen als Hilfsmittel für den Reglerentwurf
Einschub:
Linearisierung
Linearisierung
• In dieser Vorlesung werden nur Verfahren zum Umgang mit linearen Systemen vorgestellt
• Behandlung nichtlinearer Zusammenhänge durch Linearisierung um einen Arbeitspunkt– Meist soll ein System in einem stationären Arbeitspunkt gehalten
werden.– Bei funktionierender Regelung werden die Abweichungen des
Systems vom Arbeitspunkt sehr klein sein
Nichtlinearer Zusammenhang:
Verhältnisse im Arbeitspunkt:
Abweichungen vom Arbeitspunkt:
Linearisierung
Taylor-Reihe für F(x1, ... , xn)
mit und Vernachlässigen des Restgliedes R folgt
Lineare Approximation um den Arbeitspunkt
-20
0
20-20
-100
1020
-5
0
5x 10
5
YU
dy
Zur Lösung der Aufgabe 1.9
Zur Lösung der Aufgabe 1.9
-20
0
20-20
-100
1020
-5
0
5x 10
5
YU
dy
für US=10
Heutiges Thema:
Regelkreise und ihre Eigenschaften
• Geschlossener Regelkreis
GF(s): FührungsfilterK(s): ReglerG(s): ProzessGM(s): Messglied
Regelkreis
d: Störungw: Führungsgrößeu: Stellgrößey: Ausgangsgröße
w u yGF(s) K(s) G(s)
GM(s)
d
v
-
Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises
w u yGF(s) K(s) G(s)
GM(s)
d
v
-
Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises Gg(s):
Übertragungsfunktion des offenen Kreises
w u yGF(s) K(s) G(s)
GM(s)
d
v
Geschlossener Kreis
Offener Kreis
Führungs- und Störübertragungsfunktionen
• Störung wird aufgeteilt auf– d1: Störung am Streckeneingang– d2: Störung am Streckenausgang
w u yGF(s) K(s) G(s)
GM(s)
d1
v
-
d2
+ +
Führungsübertragungsfunktion Störübertragungsfunktionen
Anforderungen an den Regelkreis
• Durch geeignete Wahl (Synthese) eines Reglers soll – bei gegebenem Prozess - dem geschlossenen Kreis ein gewünschtes Verhalten aufgeprägt werden
• Der geschlossene Regelkreis soll– stabil sein– der Führungsgröße folgen– Störungen unterdrücken
• Beispiel:w u y
K(s) G(s)
d1
-
d2
+ +
P-Regler
Beispiel (Schumacher-Skript)
Sprung der Führungsgröße wQuelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Beispiel (Schumacher-Skript)
Sprung der Störgröße d1 Quelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Beispiel (Schumacher-Skript)
Sprung der Störgröße d2 Quelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Regelgüte
• Ausregelzeit tε
• Überschwingweite emax
• Regelfläche
– linear
– quadratisch
– Betrag
Quelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Verhalten des Regelkreises: Ein Beispiel
w u yK(s) G(s)
d1
-
d2
+ +
P-Regler Prozess
OffenerKreis
GeschlossenerKreis
Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 10 20 30 40 50 60 700
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 300
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 300
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Verhalten des Regelkreises: Ein Beispiel
• Geschlossener Kreis erreicht nicht den stationären Endwert des offenen Kreises– Bleibende Regelabweichung
• Kein Integralanteil im offenen Kreis
K = 1 K = 4
Bleibende Regelabweichung!
K = 1
Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 300
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 300
0.5
1
1.5
Verhalten des Regelkreises: Ein Beispiel
• Bei steigender Verstärkung K– bleibende Regelabweichung nimmt ab– Überschwingen nimmt zu– Einschwingzeit nimmt ebenfalls zu
• Bei K=8 klingt die Schwingung nicht mehr ab– Stabilitätsgrenze
K = 6 K = 8
Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 300
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 30-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
Verhalten des Regelkreises: Ein Beispiel
• Bei K > 8 klingt die Schwingung auf– Instabil!
K = 8.1 K = 10
Stabilitätsbegriff
Ein lineares zeitinvariantes Übertragungsglied (LZI-Glied) ist dann stabil, wenn es auf ein beschränkte Eingangsgröße stets mit einer beschränkten Ausgangsgröße antwortet.
Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 300
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 5 10 15 20 25 30-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
K = 4 K = 10
Grundlegendes Stabilitätskriterium
Ein lineares zeitinvariantes Übertragungsglied ist dann stabil, wenn die Pole seiner Übertragungsfunktion sämtlich links der imaginären Achse der komplexen Ebene liegen.
Re{s}=σ
Im{s}=jω
arg(s)
|s|
s
Grundlegendes Stabilitätskriterium
• Zu jedem Pol gehört ein exponentieller Ausgangssignalanteil– positive Realteile der Pole führen zu „aufklingendem“ Verhalten
nur ein-fache Pole
Sprungantwort (einfache Pole):
Anmerkung:Partialbruchsumme fürq-fachen Pol bei s=β:
Partialbruchzerlegung
• Numerische Kriterien– Ausgehend von der Charakteristischen Gleichung– Algebraische Bedingungen für deren Koeffizienten
– z.B. Hurwitz-Kriterium
• Grafische Kriterien– Aussagen basierend auf dem Verlauf des Frequenzgangs,
insbesondere des Phasenverlaufs– Dargestellt als Ortskurven– Nyquist-Kriterium
Stabilitätskriterien
Phasenverlauf
Beliebige, gebrochen rationale Funktion F(s)
Betrag Phase
αi βi
s
Re{s}=σ
Im{s}=jω
Polstelle
Nullstelle
Phasenintegral
αi βi
s
Re{s}=σ
Im{s}=jω
Polstelle
Nullstelle
C
falls si bzw. s0i innerhalb von C
falls si bzw. s0i außerhalb von C
s0isi
Phasenintegral
• Dies gilt allgemein für gebrochen rationale komplexe Funktionen– auch falls keine Polstellen vorhanden sind (z.B. einfaches Polynom)
Polstelle
Nullstelle
C
ln: eingeschlossene Nullstellen
lp: eingeschlossene Polstellen
αi βi
s
Re{s}=σ
Im{s}=jω
s0isi
• Gibt es instabile Pole des geschlossenen Kreises?– Nullstellen der Charakteristischen Gleichung rechts der imaginären
Achse– Negativ durchlaufene Kurve C
– lp = 0, da F(s) einfaches Polynom
Untersuchung eines Regelkreises
Charakteristische Gleichung:
R
σ
jω
C
• Für R → ∞ schließt C die gesamte rechte Halbebene ein• Zerlegung in zwei Teilintegrale
– längs des Halbkreises über C2
• alle Nullstellen der char. Gl. links von C2
– längs der imaginären Achse über C1
Untersuchung eines Regelkreises
R→ ∞
σ
jω
C1 C2
αi
Untersuchung eines Regelkreises
• Stabilität für ln=0, keine Pole in der rechten Halbebene
• Anzahl der instabilen Pole ergibt sich aus
– Ordnung des Nennerpolynoms
– Phasendrehung der Ortskurve des Nennerpolynoms
ln=0
Nochmal das Beispiel von vorher
• Ordnung des Nennerpolynoms
des geschlossenen Kreises ist
n=3
– Phasendrehung der Ortskurve
des Nennerpolynoms muss für
Stabilität 3/2 π sein
• Was heißt das für K?
Quelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Nochmal das Beispiel von vorher
• Schnittpunkte der Ortskurve von Ng(s) mit den Achsen
ω1ω2
Stabilität für also
• Bisher haben wir die Pole des geschlossenen Kreises untersucht!
• Kann man dem offenen Kreis „ansehen“, ob der geschlossene Kreis stabil sein wird?– Nyquist-Kriteium– Nullstellenbetrachtung
für Ng(s)– Ng(s) ist kein Polynom!
– Die Pole des offenen Kreises sind die Pole von Ng(s)
Nyquist-Kriterium
Phasenintegral
Phasenintegral von 1+Go(s)
R→ ∞
σ
jω
C1 C2
wegen weil
Stabilität des geschlossenen Kreises für ln = 0
Nyquist-Kriterium
• Wir betrachten die Ortskurve des offenen Kreises Go(s)!• Relevant: Phasendrehung von Ng(s) = 1 + Go(s)
– Phasendrehung von G0(s) bzgl. des Punktes -1
Die Ortskurve des offenen Kreises muss den Punkt −1 für den Durchlauf der Frequenzen ω von −∞ bis ∞ so oft
gegen den Uhrzeigersinn umlaufen, wie der offene Kreis Pole in der rechten Halbebene besitzt.
Beispiel: Instabiler offener Kreis
• Offener Kreis– Instabil
• Geschlossener Kreis
– Stabilität für K = 1.2
Nyquist Diagram
Real Axis
Imag
inar
y A
xis
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5
-1
-0.5
0
0.5
1
Beispiel: Instabiler offener Kreis
• Sprungantworten der offenen Kreise– Beide instabil
• Sprungantworten der geschlossenen Kreise– Stabilität für K = 1.2
Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200-20
0
20
40
60
80
100
120Step Response
Time (sec)
Am
plit
ud
e
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200-2
0
2
4
6
8
10
12x 10
8
Polstellenlage des geschlossenen Kreises für verschiedene K
Pole-Zero Map
Real Axis
Imag
Axi
s
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1-1.5
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
• Pole auf der reellen Achse werden umgangen mit r → 0
– Ohne Beweis: Stabilität für• la: Anzahl der Pole auf
der imaginären Achse
Nyquist-Kriterium für grenzstabile offene Kreise
Quelle: Schumacher/Leonhard, Grundlagen der Regelungstechnik
Nyquist-Kriterium für (grenz)stabile offene Kreise
Für (grenz)stabile offene Kreise gilt: Der Punkt -1 muss „links“ der Ortskurve des offenen Kreises liegen
Exakte Bedingung für die Phasendrehung:
lp: Instabile Pole des offenen Kreisesla: Grenzstabile Pole des offenen
Kreises
Quelle: Föllinger, Regelungstechnik
Betrags- und Phasenabstand
• Maße für die Robustheit der Regelung– Gegen Parametervariationen
(Modellfehler!)– Hinreichende Dämpfung von
Störungen– „Wie weit ist es bis zur
Instabilität?“
rπ: Betragsabstandωπ: Phasendurchtrittsfrequenz
ψd: Phasenabstandωd: Amplitudendurchtrittsfrequenz
Quelle: Schumacher/Leonhard, Grdl. der Regelungstechnik
Betrags- und Phasenabstand im Bode-Diagramm
• Bodediagramm und Ortskurvetragen dieselbe Information
Quelle: Schumacher/Leonhard, Grdl. der Regelungstechnik
rπ: Betragsabstandωπ: Phasendurchtrittsfrequenz
ψd: Phasenabstandωd: Amplitudendurchtrittsfrequenz