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____________ Seite 1 von 13 Gemeinsame Stellungnahme von KZBV und BZÄK zum Sondergutachten 2012 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ In seinem diesjährigen Sondergutachten „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ setzt sich der Sachverständi- genrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen mit der Frage aus- einander, ob und inwieweit eine Stärkung des Wettbewerbs an der Schnittstelle zwi- schen dem ambulanten und dem stationären Sektor zu einer Verbesserung von Effi- zienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung beizutragen vermag. In ihrer ge- meinsamen Stellungnahme zum Sondergutachten konzentrieren sich die Kassen- zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) auf die gesundheitspolitischen Empfehlungen des Sachverständigenrates zum Quali- tätswettbewerb und die Vorschläge des Rates, die auf Effizienz- und Effektivitätsver- besserungen im kollektivvertraglichen und selektivvertraglichen System abzielen: Sektorenübergreifender und Populationsorientierter Qualitätswett- bewerb, hier insbesondere Exkurs Zahnärzte (Kapitel 5) In seinem Sondergutachten aus dem Jahr 2012 unter dem Titel „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ setzt sich der Sachverständigenrat im Kapitel 5 mit dem Thema „Sektorenübergreifender und Populationsorientierter Qualitätswettbewerb“ auseinander. Positiv ist anzumerken, dass das Gutachten in Kapitel 5 zum Thema „Qualität / Quali- tätsförderung“ übergreifend viele zutreffende Aussagen allgemeiner Natur enthält, die auch ausdrücklich geteilt werden. Es findet insofern eine Darstellung verschiedener Positionen statt; die Aussagen der Autoren werden durch entsprechende Quellenan- gaben unterstützt. So findet sich die Anmerkung (RN 112), dass eine systematische Qualitätsförderung wichtig sei. Lasse man nachwachsende Arztgenerationen bei verantwortlicher Tätig-

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Gemeinsame Stellungnahme von KZBV und BZÄK zum Sondergutachten 2012 des Sachverständigenrates

zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und

stationärer Gesundheitsversorgung“

In seinem diesjährigen Sondergutachten „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ setzt sich der Sachverständi-genrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen mit der Frage aus-einander, ob und inwieweit eine Stärkung des Wettbewerbs an der Schnittstelle zwi-schen dem ambulanten und dem stationären Sektor zu einer Verbesserung von Effi-zienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung beizutragen vermag. In ihrer ge-meinsamen Stellungnahme zum Sondergutachten konzentrieren sich die Kassen-zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) auf die gesundheitspolitischen Empfehlungen des Sachverständigenrates zum Quali-tätswettbewerb und die Vorschläge des Rates, die auf Effizienz- und Effektivitätsver-besserungen im kollektivvertraglichen und selektivvertraglichen System abzielen:

Sektorenübergreifender und Populationsorientierter Qualitätswett-bewerb, hier insbesondere Exkurs Zahnärzte (Kapitel 5) In seinem Sondergutachten aus dem Jahr 2012 unter dem Titel „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ setzt sich der Sachverständigenrat im Kapitel 5 mit dem Thema „Sektorenübergreifender und Populationsorientierter Qualitätswettbewerb“ auseinander. Positiv ist anzumerken, dass das Gutachten in Kapitel 5 zum Thema „Qualität / Quali-tätsförderung“ übergreifend viele zutreffende Aussagen allgemeiner Natur enthält, die auch ausdrücklich geteilt werden. Es findet insofern eine Darstellung verschiedener Positionen statt; die Aussagen der Autoren werden durch entsprechende Quellenan-gaben unterstützt. So findet sich die Anmerkung (RN 112), dass eine systematische Qualitätsförderung wichtig sei. Lasse man nachwachsende Arztgenerationen bei verantwortlicher Tätig-

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keit allein, bestünde die Gefahr, dass diese im Zielkonflikt zwischen den Ansprüchen der Patienten und Angehörigen sowie den ökonomischen Vorgaben zerrieben wür-den. Bei Zeitmangel, begrenzten Ressourcen und überbordender Bürokratie leide nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern kämen berufliche Alternativen in anderen Tätigkeitsfeldern oder die Berufsausübung im Ausland in den Fokus. Auch greift das Gutachten (vergleiche hierzu RN 212) die aktuelle Rechtsprechung auf, wonach beispielsweise zum Thema Mindestmengen der Kausalzusammenhang zwischen höheren Fallzahlen und höherer Qualität in Frage gestellt wird. So spiegele der Durchschnittswert einer Klinik einer bestimmten Größenkategorie nicht zwangs-läufig die Qualität eines einzelnen in einer kleinen oder großen Klinik tätigen Arztes wider. Zu Leitlinien stellt das Gutachten fest (RN 213), dass die Umsetzung von Leitlinien-empfehlungen ein Schwerpunkt vieler Prozessindikatoren sei, dass allerdings Leitli-nien zur Entscheidungsunterstützung im klinischen Alltag entwickelt worden seien und nicht als Instrument zur Messung der Qualität. Dadurch ergäben sich grundsätz-liche Schwierigkeiten bei der Anwendung von Leitlinienumsetzung als Qualitätsindi-kator. Auch bestehe dabei die Gefahr, dass neuere wissenschaftliche Erkenntnisse diese Form von Prozessindikatoren schnell veralten ließen. Im Gutachten (RN 216) wird zu Indikatoren aufgeführt, dass Prozessindikatoren zu-meist zuverlässiger seien als Ergebnisindikatoren, da sie weder mit der Problematik der Fallzahlen noch der Risikoadjustierung behaftet seien. Zudem würden Struktur-indikatoren aufgrund ihrer Kennzahlendarstellung die höchste Zuverlässigkeit besit-zen. Dies ist ein sehr interessanter Aspekt, da das Gesetz in § 137 SGB V entschei-dend auf die Ergebnisqualität abstellt. Diese ist zwar grundsätzlich entscheidend, jedoch müssen der Weg dahin und die entsprechende Feststellung auch zuverlässig erfolgen. Darüber hinaus führt das Gutachten aus (RN 217), dass Indikatoren nicht nur in der Theorie relevant, valide und reliabel sein sollen, sondern auch in der Pra-xis umsetzbar sein müssen. Der Erhebungsaufwand solle so gering wie möglich sein und durch die zu erwartenden klinischen Verbesserungen aufgewogen werden. Dies bedeutet, dass hier eine Zweck-Mittel-Relation vorgenommen werden sollte. Im Gut-achten findet man auch den Hinweis, es sei zu vermeiden, ohnehin dokumentierte Routinedaten gesondert zu erheben; man könne i. d. R. auch auf Abrechnungs- und Sozialdaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurückgreifen. Die Voll-ständigkeit dieser Abrechnungsdaten sei tendenziell besser als die von gesondert erhobenen Qualitätsdaten. Insofern sollten solche Routinedaten anstelle von extra erhobenen Parametern für die Qualitätssicherung genutzt werden. Zum Thema Datenschutz wird aufgeführt (RN 219), dass es bei der Messung von Prozess- und Ergebnisindikatoren zu patientenbezogenen Datenerhebungen kom-me, bei deren Erhebung und Verarbeitung strenge Datenschutzauflagen zu beachten seien. Die gesetzlichen Regelungen zum Datenzugang sollten unter Beachtung der

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strengen Datenschutzauflagen so ausgestaltet werden, dass sie die Qualitätssiche-rung und die Versorgungsforschung ermöglichen. So verweist das Gutachten auf die Neufassung des § 299 SGB V aus dem Jahr 2007 und die darin enthaltene Auflage zur Pseudonymisierung der versichertenbezogenen Daten. Die in § 299 vorgesehene Pseudonymisierung wird daher im Gutachten als Kompromiss zwischen Datensi-cherheit und Sicherung der Qualitätsprüfung gewertet, da die Pseudonymisierung ermögliche, durch einen Schlüssel von einer vorgeschalteten Stelle validiert werden zu können. Auch wird davon ausgegangen, dass ein einmal erreichtes Datenschutz-niveau nicht wieder aufgegeben werde. Aus Datenschutzgründen sei eine pseudonymisierte Vollerhebung mit Routinedaten und Vertrauensstelle der Stichpro-benprüfung vorzuziehen. An dieser Stelle greift das Gutachten auf die von den Leis-tungserbringern bei den Beratungen in der Richtlinie zur einrichtungs- und sektoren-übergreifende Qualitätssicherung (Qesü-RL) eingebrachten Argumente auf. Eine weitere wichtige Forderung im Gutachten ist (RN 228), dass, wenn Qualitätsan-forderungen ohnehin regelmäßig erfüllt würden und damit kein wesentlicher Optimie-rungsspielraum mehr bestehe, die Aufmerksamkeit auf neue Bereiche gelenkt wer-den solle. Zum Thema Akzeptanz jeder und insbesondere der externen Qualitätssicherung verweist das Gutachten darauf, dass diese nicht als Überwachung, sondern als Hilfe verstanden werden müsse. Eine externe, hierarchisch verordnete Vorgabe ohne er-kennbare Handlungsrelevanz für die konkrete Patientenversorgung berge das Risiko von Verweigerung und Fehlkodierungen und damit aussageloser Daten. Bei den allgemeinen Ausführungen zum Thema Qualitätsverbesserung ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass das Gutachten ausführt, der erste Weg führe über das professionseigene Streben nach Exzellenz und über kontinuierliches ge-genseitiges Lernen. Anbieter, die in Rankings schlechter abschnitten, arbeiteten an ihren Schwachpunkten und lernten dazu gezielt von den Besten (sog. Benchmarking). Dadurch werde langfristig die Qualität aller Ärzte und Krankenhäuser auf ein höheres Niveau gehoben. Da sich auch die Besten kontinuierlich weiter ent-wickelten, gelte es andauernd neue Bestmarken zu erreichen. Die ambulanten Quali-tätszirkel und das Peer Review-Verfahren zeigten, dass dies in der Praxis funktionie-ren könne (RN 241). Qualitätsverbesserung durch Selektion stoße dagegen auf der Arztebene sehr schnell an ihre Grenzen. Somit mache eine Fokussierung auf die Förderung eines kontinuierlichen Qualitätsmanagements in der gesamten ambulan-ten Versorgung Sinn. Innerhalb der Regionen biete der Weg des gegenseitigen Ler-nens vom Besten mehr Potential für Qualitätsverbesserung als der einer Selektion. Es wird darauf hingewiesen, dass Qualitätstransparenz auch das Risiko einer Skan-dalisierung durch die Medien beinhalte, die Patienteneinbußen und wirtschaftliche Verluste bedeute. Diese Form der öffentlichen Berichterstattung könne zu einem de-fensiven Umgang mit Fehlern führen. Eine gute Fehlerkultur beruhe jedoch auf Sank-tionsfreiheit. Qualitätstransparenz dürfe nicht die vertrauensvolle interne Qualitäts-

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verbesserung zu Gunsten einer reinen externen Kontrolle gefährden. Es gebe relativ gute Evidenz dafür, dass systematisches Qualitätsmanagement und strukturierte Qualitätszirkel die Versorgungsqualität in Deutschland verbessen könnten (RN 242). Zudem sollen die Indikatoren sich soweit wie möglich an patientenrelevanten Ergeb-nissen orientieren und Ärzten und Krankenhäusern die Freiheit für Prozessinnovatio-nen lassen (RN 246). Im Fazit (RN 286) findet sich dazu die Feststellung, Qualitäts-transparenz dürfe die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Einrichtung und Profession sowie den offenen Umgang mit Fehlern nicht gefährden. Es habe sich gezeigt, dass gegenseitiges Lernen der bessere Weg zur Steigerung der Gesamt-qualität sei, als die Marktbereinigung durch Ausscheiden der Schlechtesten. Quali-tätsverantwortung könne und solle bewusst auf regionaler Ebene, je nach den jewei-ligen Bedürfnissen, organisiert werden. Patientenrelevante Ergebnisindikatoren er-möglichten einen Wettbewerb um Struktur und Prozessinnovationen. Sie stärkten die Kooperation und Koordination zwischen den Akteuren und ermöglichen gleichzeitig einen Qualitätswettbewerb zwischen Anbieternetzen. Schließlich ist dem Fazit (RN 283) auch zu entnehmen, dass das Gutachten das Thema Zahnärzte nur am Rande behandelt, dies wird auch durch den „Exkurs“ deut-lich. Das Fazit führt aus, die Zahnärzte würden bisher nicht als Teil einer sektoren-übergreifenden Versorgung betrachtet werden, dementsprechend seien sie auch nicht in die sektorenübergreifende Qualitätssicherung einbezogen. Dies ist so allerdings nicht richtig. Selbstverständlich sind die Zahnärzte als eigener Sektor zu betrachten und als solche auch ggf. Teil einer sektorenübergreifenden Versorgung und dementsprechend auch in die sektorenübergreifende Qualitätssiche-rung einbezogen. Der Schwerpunkt der sektorenübergreifenden Versorgung und Qualitätssicherung ist jedoch eindeutig in der Verzahnung des ambulanten ärztlichen Bereichs mit dem stationären Bereich zu sehen. Dies wurde seinerzeit auch in der Gesetzesbegründung zu § 137 Abs. 2 SGB V bei der Einführung der sektorenüber-greifenden Qualitätssicherung ausgeführt. Insofern geben diese Ausführungen mehr die Sichtweise der Kommentatoren des Gutachtens des Sachverständigenrates wi-der. Richtig ist auch nicht, dass Qualitätssicherungsverfahren für die Zahnheilkunde bis-her fehlen. Diese sind nur anders ausgestaltet als im ambulanten ärztlichen und sta-tionären Bereich, was auf die Besonderheiten der zahnärztlichen Versorgung zu-rückzuführen ist.

„Exkurs Zahnärzte“ Der „Exkurs Zahnärzte“ im Sachverständigen-Gutachten 2012 wird den vielfältigen zahnärztlichen Bemühungen um Qualitätsförderung der letzten Jahre in keiner Weise gerecht. Es scheint, als sei die Darstellung ohne profunde Kenntnis der zahnärztli-

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chen Versorgung geschrieben worden. Die Vermutung wird durch das Vorwort be-stärkt, aus dem hervorgeht, dass mit der Zahnärzteschaft im Gegensatz zu anderen Sektoren oder diversen Organisationen vorbereitend keine Gespräche geführt oder deren Anregungen aufgegriffen wurden. Aus einer daher resultierenden lückenhaften und dementsprechend teilweise falschen Analyse werden wenige Handlungsoptio-nen abgeleitet, die nicht am richtigen Ende ansetzen und in Sanktionen enden. Für die Zukunft ist daher für eine angemessene Beurteilung des zahnärztlichen Sektors die in der Zahnärzteschaft vorhandene Expertise einzubeziehen und zu berücksichti-gen. Die deutsche Zahnärzteschaft hat in den letzten Jahrzehnten u.a. mit der erfolgrei-chen Einführung der zahnmedizinischen Prävention bewiesen, dass Qualitätsförde-rung mit dem Ziel der hohen Ergebnisqualität für den Patienten hauptsächlich durch Motivation, Kompetenz und kontinuierliche Arbeit zu erreichen ist. Die zahnärztliche Versorgung bildet einen eigenen, weitgehend geschlossenen am-bulanten Sektor, der allerdings mit der zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnis-lage über die kausalen Zusammenhänge oraler mit systemischen Erkrankungen zu-nehmende Berührungspunkte mit dem ambulanten ärztlichen oder stationären Sektor aufweist. Die jahrzehntelange Arbeit im Bundesauschuss der Zahnärzte und Kran-kenkassen, der später im G-BA aufgegangen ist und die dortige jahrelange Mitarbeit hat gezeigt, dass Regelungen der Haus- und Fachärzte kein Vorbild für den zahn-ärztlichen Sektor sind, sondern die Besonderheiten des gewachsenen zahnärztlichen Bereichs mit seinen eigenen vertraglichen Regelwerken und besonderen gesetzli-chen Vorgaben berücksichtigt werden müssen. So sieht das Gesetz in § 137 Abs. 2 SGB V auch ausdrücklich Ausnahmen von sektorenübergreifender Qualitätssiche-rung vor, wenn angemessene Qualitätssicherung nur durch sektorbezogene Rege-lungen möglich ist und sachliche Gründe für sektorbezogene Regelungen (z.B. diese sind fachlich erforderlich, nur allein praktikabel oder führen nur allein zu einer sinn-vollen Beurteilung der Qualität der Leistungserbringung) vorliegen. Zudem passen im zahnärztlichen Bereich sinnvolle Indikatoren und die anzuwendenden Verfahren in der Regel nicht auf andere Sektoren. Auch Stichprobenprüfungen sind für die Ver-tragszahnärzte nichts Neues, sondern bereits seit Jahrzehnten üblich. Im zahnärztli-chen Bereich besteht außerdem aufgrund der dort für eine Prüfung relevanten Medi-en nicht das beschriebene Problem der Pseudonymisierung von Patientenakten. Im zahnärztlichen Bereich konzentrieren sich Qualitätssicherungsmaßnahmen kei-neswegs nur auf Zahnersatz. Neben den schon seit 1993 bestehenden Regelungen für die Gewährleistung bei Füllungen, also der konservierenden Behandlung und Zahnersatz, damit zur Sicherung der Ergebnisqualität auf höchster Ebene, findet sich eine Vielzahl einzelner qualitätssichernder Vorgaben und damit sektorbezogener zahnärztlicher Qualitätssicherung in

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den Allgemeinen Behandlungsrichtlinien für die vertragszahnärztliche Versorgung und

den Zahnersatzrichtlinien. Die weitere Bestandsaufnahme neben den bestehenden Richtlinien zum Qualitäts-management bei Zahnärzten und den Vorgaben der §§ 136 und 137 SGB V weist qualitätssichernde Regelungen in den Kieferorthopädischen Richtlinien (KFO-Richtlinien) dem vereinbarten Gutachterverfahren in den Bundesmantelverträgen für Zahnärz-

te und den Gesamtverträgen (z.B. Tübinger Modell) der Röntgenverordnung den Hygienevorschriften den Programmen und Aktivitäten der Landeszahnärztekammern den Qualitätszirkeln, etc. aus. Insbesondere die für den zahnärztlichen Sektor bestehende Besonderheit des ver-traglichen Gutachterwesens ist auf eine hohe Ergebnisqualität hin ausgerichtet, unter Zahnärzten gut etabliert und auch im Entwurf des Patientenrechtegesetz (PatG) be-sonders hervorgehoben. Das vertragszahnärztliche Gutachterverfahren ist in den Verträgen mit den Primär- und Ersatzkassen geregelt. In der vertragszahnärztlichen Versorgung gibt es Gut-achterverfahren für die Bereiche Prothetik, Kieferorthopädie und Parodontologie. Ist im Rahmen einer Ausnahmenindikation eine implantologische Versorgung als Sach-leistung geplant, muss die Krankenkasse die Behandlungspläne zur Abklärung ihrer Leistungspflicht begutachten lassen. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) führt im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung in der Regel keine Begutachtung durch. Die Gutachter werden einvernehmlich von Krankenkassen und Kassenzahnärztli-chen Vereinigungen bestellt. An die Gutachter werden hohe Qualitätsanforderungen gestellt. Sie werden regelmäßig fortgebildet. Das Gutachterverfahren hat die fachliche Beurteilung eines Behandlungsplans zum Ziel. Der Gutachter beurteilt, ob eine geplante Therapie angemessen bzw. von der Krankenkasse zu übernehmen ist. Das Gutachterverfahren stellt z. T. auch eine vor-gezogene Wirtschaftlichkeitsprüfung dar. Das vertragszahnärztliche Gutachterverfahren genießt bei allen Beteiligten eine sehr hohe Akzeptanz. Es dient der Überprüfung und Förderung der Behandlungsqualität

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und stellt für die Patienten ein anerkanntes Verfahren dar, um die geplante Behand-lung fachlich begutachten zu lassen. Der Hinweis des Sachverständigenrates auf den Medizinischen Dienst der Kranken-kassen (MDK) ist in diesem Zusammenhang nicht zutreffend. Mit den Patientenberatungsstellen bieten Landeszahnärztekammern (LZK) und Kas-senzahnärztliche Vereinigungen (KZVen) dem Patienten eine zusätzliche Bera-tungsmöglichkeit an. Sie haben bundesweit ein Netz von Patientenberatungsstellen eingerichtet. Versicherte haben hier die Möglichkeit, telefonisch oder persönlich eine kostenfreie, fachlich fundierte und objektive Beratung zu bekommen. Die Beratungsstellen geben unter anderem Auskunft über neue Behandlungsmethoden und Therapiealternativen sowie Risiken bei Eingriffen. Sie beantworten Fragen zu Kostenübernahme durch die Krankenkasse sowie zu zahnärztlichen Privatrechnungen. Und sie informiert über Zahnärzte vor Ort. Darüber hinaus haben die Patienten bei vermuteten Behandlungs-fehlern die Möglichkeit, fachliche Klärung durch gezielt beauftragte Gutachter im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Schlichtungsverfahren bei den Schlich-tungsstellen der Zahnärztekammern herbeiführen zu lassen. Mit Einführung der Festzuschüsse beim Zahnersatz haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) mit dem „Zweitmeinungsmodell“ eine weitere Initiative ge-startet. Neutrale Beratungsinstanzen wurden eingerichtet, bei denen sich Patienten kostenlos eine fachlich fundierte zweite Meinung zu ihrer Zahnersatzbehandlung ein-holen können. Gegenstand der Beratung ist eine konkrete Behandlungsplanung, für die bereits ein Heil- und Kostenplan vorliegt. Die Beratungsgespräche werden von Zahnärztinnen und Zahnärzten mit großer Berufserfahrung (Gutachterzahnärzte) ge-führt. Sie dürfen Patienten, die sie beraten haben, anschließend nicht selbst behan-deln. Damit ist gewährleistet, dass die Beratung neutral, das heißt unabhängig von etwaigen wirtschaftlichen Interessen des Beraters erfolgt. Damit existieren Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung bei der Zahnärzte-schaft längst in gewachsenen Regelwerken und werden im G-BA ggf. neu systemati-siert. Auch die im Bereich der zahnärztlichen Versorgung bestehende professionsinterne Erarbeitung, Einrichtung und Nutzung von Qualitätszirkeln, in denen niedergelassene Zahnärzte auf freiwilliger Grundlage Maßnahmen und Erfahrungen im Bereich der Praxisorganisation, der Behandlungsdurchführung und der dabei erfahrenen Erfolge und Misserfolge austauschen und diskutieren, ist beispielhaft. In diesem Zusammen-hang existiert zudem ein Modellprojekt der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), mit dem Ziel festzustellen, wie ein internetgestütztes, für einen internen Nutzerkreis zu-gängliches, anonymes Berichtssystem von kritischen Ereignissen im zahnärztlichen

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Berufsstand angenommen wird, und ob es dazu geeignet ist, Fehlerprävention und Lernen von anderen zu fördern. Dies ist mit einem großen bundesweiten elektroni-schen Qualitätszirkel vergleichbar. Ebenfalls beispielhaft ist auf die professionsinterne Erarbeitung von evidenz-basierten Leitlinien zu verweisen, mit denen jeweils ein konsentierter fachlicher Standard sowohl für einzelne Behandlungsfelder als auch für Bereiche des Praxis-managements im Allgemeinen definiert wird. KZBV und BZÄK haben darüber hinaus im Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) die Zahnärztliche Zentralstelle Qualitätssi-cherung (ZZQ) gebildet, die u.a. die Auswahl geeigneter Leitlinienthemen nach transparenten Kriterien unterstützt, die Leitlinienerarbeitung koordiniert und struktu-rierte Konsensusverfahren durchführt. Zur Qualitätssicherung der Anwendung von Röntgenstrahlen sind nach § 17a der Röntgenverordnung von der zuständigen Behörde zahnärztliche Stellen bei den Zahnärztekammern bestimmt. Diese prüfen in regelmäßigen Abständen nicht nur die Strukturqualität, sondern auch die Prozess- und Ergebnisqualität der zahnärztlichen Röntgendiagnostik. Die Ergebnisse der nach einheitlichen Qualitätskriterien durchge-führten Prüfungen werden der zuständigen Behörde mitgeteilt. Die ausschließliche Festlegung auf die Darstellung der Wurzelspitze als Qualitätskriterium zeugt wenig Kenntnis über röntgendiagnostische Verfahren und Qualitätssicherungselemente im zahnärztlichen Bereich. So ist beispielsweise bei der Kariesdiagnostik (Bissflügelauf-nahmetechnik) eben nicht die Wurzelspitze, sondern der Approximalraum zu beurtei-len. Die Ausführungen des Sachverständigenrates zeigen auch im Hinblick auf die Quali-tätssicherung im Bereich der zahnmedizinischen Prävention einen geringen Kennt-nisstand. Indikator für die Beurteilung der Mundgesundheit im Hinblick auf die Zahn-hartsubstanzerkrankung Karies und deren Entwicklung ist im internationalen Ver-gleich der DMF/T-Wert, der den individuellen Karies-Befall beschreibt. Sowohl die Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV) als auch die epidemiologische Begleit-untersuchung zur zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe haben in den letzten Jah-ren die deutliche Verbesserung der Mundgesundheit und den zunehmenden Zahner-halt belegt. Dabei dient gerade der DMF/T für die Zwölfjährigen als nationaler und internationaler Referenzwert bevölkerungsweit, aber auch im Rahmen regionaler Auswertungen. Darüber hinaus hat die Bundeszahnärztekammer Gesundheitsziele (2004 als erstes Land nach Vorgaben der FDI/WHO - derzeit bereits überarbeitet und deren Vorstellung im September 2012 in Dresden geplant) publiziert, nach deren Vorgaben Vergleiche auch regionaler Datenerhebungen des öffentlichen Gesund-heitsdienstes stattfinden. Damit liegen in der Zahnmedizin ausdrücklich Qualitätsindi-katoren für die regionale Steuerung von präventiven Aktivitäten und die Entwicklung von Mundgesundheitsaktionsplänen vor. Der Begriff „sektorengegenseitige Qualitätsmessung“ ist kein in der Fachöffentlichkeit verwendeter Begriff. Ansatzweise wird offensichtlich im Hinblick auf den demografi-

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schen Wandel und den sich daraus ergebenen Herausforderungen bei der zahnme-dizinischen Versorgung immobiler und pflegebedürftiger Patienten auf den §119b SGB V verwiesen, ohne gleichzeitig die ambulante Versorgung dieser Patienten (zwei Drittel aller Pflegebedürftigen) im Blick zu haben. Bei der integrierten Versorgung unter Beteiligung von Zahnärzten wird verkannt, dass das Gesetz dabei von einer sektoren- oder interdisziplinär-fachübergreifenden Versorgung ausgeht. Eine solche ist aber unter Einbeziehung von Zahnärzten die Ausnahme. In der Regel kommt hier die Einbeziehung von Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen in Betracht. Deren Einbeziehung in die integrierte Versorgung er-folgt aber aufgrund ihrer Doppelapprobation durch den ärztlichen Bereich. Der Verweis auf Infektionen im Mundbereich versucht, das gesamte Fachgebiet mit dem Hinweis auf die infektiöse Genese der wichtigsten oraler Erkrankungen zu erklä-ren. Hier wäre ein Hinweis bzw. ein Blick auf die Gesundheitsberichterstattung des Robert-Koch-Instituts (RKI) viel hilfreicher gewesen, um die komplexen Zusammen-hänge von Mundgesundheit und Allgemeingesundheit auch im Hinblick auf das Thema Lebensqualität und mögliche präventive Handlungsfelder aufzuzeigen. Der Sachverständigenrat hat es an dieser Stelle versäumt, auf Interaktionen und Chan-cen der zahnmedizinischen Prävention sektorenübergreifend hinzuweisen. Fehlbehandlungen und Komplikationen, z. B. eine schlecht sitzende Prothese, eine herausgefallene Füllung oder Schmerzen nach einer Extraktion werden selbstver-ständlich im zahnärztlichen Sektor weiterbehandelt; eine sektorenübergreifende Zu-sammenarbeit macht an dieser Stelle fachlich keinen Sinn. Mundhöhlenkrebs ist eine schwere und bedeutsame Erkrankung. Die Behandlung erfolgt interdisziplinär und sektorenübergreifend. Der Zahnarzt spielt dabei eine wich-tige Rolle bei der Prävention, insbesondere der Früherkennung oraler Tumore und bei der Rehabilitation. Die Therapie liegt in den Händen von Spezialisten. Bei der Früherkennung muss neben der ärztlichen S3-Leitlinie „Mundhöhlenkrebs“ auch die zahnärztliche S2k-Leitlinie „Diagnostik und Management von Vorläuferlä-sionen des oralen Plattenepithelkarzinoms“ einbezogen werden. Beide Leitlinien verweisen auf eine große Anzahl von verdächtigen Schleimhautveränderungen, die Vorläuferläsionen sein können. Da diese meist keine Schmerzen verursachen, kom-men die Patienten oft zu spät zu verschiedenen Ärzten. Bei einer Inzidenz von ca. 10.000 Neuerkrankungen/Jahr und ca. 55.000 Zahnarzt-praxen in Deutschland sieht der einzelne Zahnarzt Mundkrebs sehr selten. Nach ein-gehender Diskussion des Themas und einer Literaturrecherche der Fachberatung Medizin ist die G-BA-Arbeitsgruppe „Qualitätssicherung Zahnmedizin“ daher zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Thema Mundhöhlenkrebs nicht für eine Quali-tätssicherungs-Richtlinie des G-BA eignet.

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Vielmehr sollten Patientenaufklärung, Kampagnen zur Prävention von Mundkrebs, Früherkennung und Frühbehandlung in den Fokus genommen werden. Die bösarti-gen Tumore der Mundhöhle und ihre Vorläuferläsionen bilden einen kontinuierlichen Schwerpunkt in der zahnärztlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Daran muss weiter gearbeitet werden. Ein wichtiges Beispiel für bereits erfolgte Aktivitäten des zahnärzt-lichen Berufsstandes ist die Aufklärung über den Risikofaktor „Rauchen“ gemeinsam vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und von der BZÄK im Rahmen ei-ner wissenschaftlichen Publikation und einer daraus abgeleiteten Patienteninformati-on. Die im Sachverständigen-Gutachten vorgeschlagene Messung des Tumorstatus im Krankenhaus als Grundlage für eine Qualitätsmessung der Zahnärzte zu nehmen, ist nicht operationalisierbar und setzt viel zu spät an.

Effizienz- und Effektivitätsverbesserungen durch selektive Verträge (Kapitel 7) In seinem Sondergutachten 2012 setzt sich der Sachverständigenrat unter anderem mit dem Thema „Selektivverträge“ auseinander. In Kapitel 7 beleuchtet er die beste-henden gesetzlichen Rahmenbedingungen und geht der Frage nach, ob die gesetzli-chen Vorgaben mit einem funktionsfähigen Wettbewerb harmonieren oder einer Kor-rektur bedürfen, und welche Leistungsbereiche sich zusätzlich für das selektivver-tragliche System anbieten. Im Hinblick auf die Verbesserung des gesundheitlichen Outcomes spricht er sich für eine Stärkung des Wettbewerbs aus und empfiehlt eine Unterstellung der ambulan-ten speziell fachärztlichen Versorgung unter die selektive Vertragsgestaltung. Unter Bezugnahme auf die von ihm durchgeführte Analyse stellt er fest, dass selekti-ve Verträge geeignet seien, die Effizienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung zu verbessern; diese müssten aber insbesondere im Hinblick auf die steigende Kom-petenz der Nutzer von Gesundheitsleistungen weiterentwickelt werden, um auch die Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung ausbauen zu kön-nen. Er plädiert für mehr Vertragsfreiheit und weniger staatliche Regulierung und zeigt in dem Zusammenhang auf, dass die von den KZVen bzw. Krankenkassen durchzufüh-renden Bereinigungsverfahren bei Abschluss von Selektivverträgen, die das beste-hende Kollektivvertragssystem ersetzen, sowie die Unterwerfung dieser Verträge unter die strikte Beitragssatzstabilität ein enormes Wettbewerbshindernis im deut-schen Gesundheitswesen darstellen.

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Aufgrund der identifizierten stagnierenden Bereitschaft der Krankenkassen in innova-tive Konzepte zu investieren, bietet der Sachverständigenrat Lösungen an, die sich im Wesentlichen auf die finanzielle Förderung solcher Konzepte in Form von zins-verbilligten oder zinslosen Darlehen für die Zusatzkosten, die den Krankenkassen durch das Angebot von Selektivverträgen und nach Bereinigung entstehen können, erstrecken. Mit diesem Konzeptvorschlag verbindet er folgende Vorzüge:

- die Krankenkassen werden beim Start der Projekte finanziell entlastet - ihnen wird ein eindeutiger Planungszeitraum für die Refinanzierung der Pro-

jekte vorgegeben - es wird kein Mitnahmeeffekt erzielt - der Gesundheitsfond oder die kollektiven zentralen Budgets werden kaum –

und wenn dann nur im nachgewiesenen Erfolgsfall – belastet - die finanziell relevanten Entscheidungen werden stärker von der ex-ante Beur-

teilung auf die spätere ex-post-Evaluation verlagert. Die Einführung von Wettbewerb als Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen wird befürwortet. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die effiziente, qualitativ hoch-wertige Versorgung der Patienten unumgänglich. Mit einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Patienten ist allerdings der reine Preiswettbewerb nicht zu vereinba-ren. Denn hier stehen ökonomische Interessen im Vordergrund und nicht der Wett-bewerb um eine bessere Versorgung der Patienten. Dazu bedarf es keiner selektiv-vertraglichen Regelungen, sondern der Schaffung von Möglichkeiten, das kollektiv-vertragliche System der vertragszahnärztlichen Versorgung kreativ fortzuentwickeln. Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten, wohnortnahen, flächendeckenden Ver-sorgung darf nicht zum Spielball im Vertragswettbewerb werden. Die sog. „Einkaufsmodelle“, wie sie mit Verträgen zur besonderen ambulanten Ver-sorgung Eingang in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) gefunden ha-ben, bergen erhebliche Risiken für die zahnmedizinische Versorgung. Sie führen zu einem „Flickenteppich“ in der Versorgung und stellen die dem Versicherten zuste-hende freie Arztwahl zur Disposition. Daher müssen die kollektiven Vertragsstruktu-ren und körperschaftliche Interessenvertretung bei der Gestaltung der Rahmenbe-dingungen für die zahnmedizinische Grundversorgung erhalten bleiben. Die Vertragszahnärzteschaft lehnt daher Selektivverträge ab, die das Kollektivver-tragssystem substituieren. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass man diese Regelung für die vertragszahnärztliche Versorgung kaum sinnvoll einset-zen kann, und dass durch diese ordnungspolitische Fehlsteuerungen produziert wer-den. Es bedarf vielmehr gesetzlicher Rahmenbedingungen, auf deren Basis innovati-ve Verträge mit den Kostenträgern abgeschlossen werden können, um das aner-

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kannt hohe Qualitätsniveau in der vertragszahnärztlichen Versorgung in Deutschland erhalten und fortentwickeln zu können. Daher müssen Verträge ermöglicht werden, die Leistungen enthalten, die die ver-tragszahnärztliche Versorgung ergänzen („kollektive Ergänzungsverträge“). Dabei sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

- Solche Verträge reichen über die nach § 12 SGB V festgelegten Kriterien „ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich“ hinaus.

- Sie erfüllen nur Bedarfe, die nicht durch den GKV-Leistungskatalog gedeckt sind, es sei denn, es handelt sich um deregulierende Elemente.

- Ergänzungsverträge erfolgen losgelöst von Kapitel 4 des SGB V. - Sie dürfen das Kollektivvertragssystem nicht gefährden. - Die Verträge sind grundsätzlich für alle Vertragszahnärzte offen. Die Ein-

gangsschwellen sollen möglichst niedrig sein. - Immanente Voraussetzung der Verträge ist der Erhalt der Freiberuflichkeit in

unternehmerischer Selbstbestimmung. - Die Verträge schaffen teilnehmenden Zahnärzten, Patienten und Kranken-

kassen einen jeweiligen Zusatznutzen auf Grundlage einer „triple win“-Situation.

- Die Krankenkassen müssen die finanziellen Mittel für 73c-Verträge zusätzlich zur Verfügung stellen.

- Die Honorierung erfolgt auf der Basis der privaten Gebührenordnung ohne komplette Kostenübernahme durch die Krankenkasse und ohne eine Pau-schalierung der Honorare.

- Die Honorarabwicklung ist über Kostenerstattung oder via KZVen möglich. - Die Verträge sind unbudgetiert. - Die Umsetzung ist in der Praxis ohne aufwändige Bürokratie über die KZVen

mit möglichst minimalem Umsetzungsaufwand und niedrigen Transaktions-kosten möglich.

- Die Verträge sehen keine Budgetbereinigung vor. - Die Konzeption von kollektiven Ergänzungsverträgen erfolgt regional und

/oder zentral mit einheitlichen Untergrenzen als modellhafte Rahmenverträge. - Ziel und Zweck solcher Verträge ist gerade auch die Innovationsförderung und

-flexibilität. - Zweck von Ergänzungsverträgen ist insbesondere der Abbau von spezifischer

Unterversorgung (z. B. im Bereich der Alters- und Behindertenzahnheilkunde). - Die Verträge sollen die Qualität zu fairen Bedingungen fördern. - Sie können auch im Falle zwischenzeitlich erfolgender Kassenfusionen fortge-

setzt werden. - Die Verträge werden mit einer Mindestlaufzeit abgeschlossen und enden bei

Kündigung endgültig.

Page 13: Gemeinsame Stellungnahme von KZBV und BZÄK …...Seite 1 von 13 Gemeinsame Stellungnahme von KZBV und BZÄK zum Sondergutachten 2012 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der

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- Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen Krankenkassen sind zu berück-sichtigen.

Ergänzungsverträge dürfen keinesfalls zu

- einer Erodierung des Kollektivsystems, - einem sukzessiven Verlust des Sicherstellungsauftrages, - dem Verlust unternehmerischer Planungssicherheit, - einem Verlust von Autonomie und damit einer Fremdbestimmung des Berufs-

standes, - einem Bürokratiezuwachs (Zahnarzt und KZV), - der Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, - dem Verlust der freien Zahnarztwahl, - einer Risikoselektion, - einer nachfolgenden Ausweitung des Leistungskataloges der GKV, - oder einer präjudizierenden Wirkung auf die GOZ

führen. Dem Vorwort zum Gutachten ist zu entnehmen, dass der Sachverständigenrat für die Erstelllung des vorliegenden Sondergutachtens eine Vielzahl von Gesprächen ge-führt und wertvolle Anregungen erhalten hat. Es bestand Kontakt mit verschiedenen Krankenkassen und Verbänden auf Bundes- und Landesebene, das BMG war invol-viert, ebenso die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wie auch die Kassen-ärztliche Bundesvereinigung (KBV) sowie Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), um nur einige Beteiligte zu nennen wie auch das AQUA-Institut, IGES Institut und Patientenberatungsstellen. Leider wurde jedoch offensichtlich nicht der Kontakt mit der Bundeszahnärztekammer bzw. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung oder den Zahnärztekammern bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) ge-sucht, was sich insbesondere im Exkurs Zahnärzte niederschlägt und dazu geführt hat, dass den Besonderheiten in der zahnmedizinischen Versorgung in dem Gutach-ten nicht Rechnung getragen wird. Für die Zukunft wird angeregt, im Rahmen der Gleichbehandlung aller Beteiligten auch die oben genannten zahnärztlichen Organisationen in die Beratungen einzube-ziehen. Nur dann können aufbauend auf dem bereits Vorhandenen realistische Ver-besserungsvorschläge erarbeitet werden. Berlin, 31.08.2012