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Forschungsmethoden
VORLESUNG SS 2019FLORIAN KOBYLKA
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Florian Kobylka- wiss. Mitarbeiter der Abt. Methodenlehre seit 2016
- Ehem. Student der JGU
- Psychologischer Psychotherapeut in Ausbildung
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ÜberblickHeute:
- „Wissen ist Struktur“
- Logik
- Empirische Psychologie
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Einordnung im StudiumModul B: Methodenlehre
Lehrveranstaltungen
- Forschungsmethoden (3 ECTS)
- Mathematische und statistische Methoden I (6 ECTS)
- Mathematische und statistische Methoden II (6 ECTS)
- Datenerhebung, Analyse und Präsentation (3 ECTS)
4
Veranstaltungsbezogene Ziele des Studiums1. Vertrautheit mit dem wissenschaftstheoretischen Kontext der methodologischen Fundierung und der Entwicklung des Faches Psychologie
2. Fähigkeit, fachwissenschaftliche Texte zu verstehen und zu strukturieren
3. Fähigkeit, inhaltliche Annahmen zu operationalisieren und prüfbare Hypothesen aufzustellen
4. Fähigkeit, relevante Variablen zu identifizieren, problemadäquate Untersuchungsstrategien auszuwählen und geeignete experimentelle Designs zu entwickeln
5. Fähigkeit zur fundierten Anwendung psychologischer Untersuchungsmethoden und zur Bewertung von Objektivität, Zuverlässigkeit und Gültigkeit eingesetzter Test-und Messverfahren
6. Fähigkeit, einfache Fragestellungen so zu formulieren, dass sie auf inhaltlicher und methodischer Grundlage beantwortet werden können
7. Grundlegendes Wissen um Aufbau und Struktur von psychologischen Instrumenten, Untersuchungsanordnungen und Vorgehensweisen
8. Fähigkeit, Fragestellungen anderer verantwortungsbewusst zu beantworten, die Persönlichkeit anderer und die eigene dabei zu schützen und ständig zu fördern und berufsethische Grundlagen zu beachten
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Veranstaltungsbezogene Inhalte des Moduls9. Datenerhebungsmethoden und Verfahren
10. Registrierung und Messung
11. wiss. Aussagen und wissenschaftstheoretische Grundlagen
12. Versuchsplanung und Kontrolltechniken
13. Stichprobenplanung
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Veranstaltungsbezogene Ziele des Moduls14. Die Studierenden können die Eignung wichtiger Forschungsdesigns zur Untersuchung experimenteller, quasi-experimenteller und nicht-experimenteller Forschungsfragen bewerten
15. Sie können den Forschungsprozess für wesentliche Forschungsdesigns von der Hypothesenbildung über die Operationalisierung, die Datenerhebung, (die statistische Analyse und die Interpretation der Ergebnisse) nachvollziehen, bewerten und selbst implementieren.
16. Sie können die Ergebnisse der Analyseschritte interpretieren und mit den inhaltlichen Hypothesen verbinden. Sie können wesentliche Konzepte der Wahrscheinlichkeitstheorie mit empirischen Fragestellungen verknüpfen.
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3 ECTSArbeitsaufwand:
Der Arbeitsaufwand im BSc/MSc Studium wird mit 25 Arbeitsstunden je 1 ECTS Punkt veranschlagt
Das sind 75 h/Semester bzw. etwa 6 h/Woche
Für die Vorlesung sind 2 h/Woche eingeplant
Es verbleibt eine Eigenstudiumszeit von 4 h/Woche
Für den durchschnittlichen Studierenden
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Prüfungsrelevant sind:
1. Inhalte der Folien
2. im Rahmen der Vorlesung im Vortrag vermitteltes Wissen
3. erworbene Informationen und Fähigkeiten des Selbststudiums
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Termine# Datum Thema Inhalts-/Zielnummer(n)
1 26. Apr Einführung & Logik & empirische Psychologie 1.
2 03. Mai Selbststudium I (finden, lesen und verstehen) 2.
3 10. Mai Wissenschaftstheorie 1. 6. 11.
4 17. Mai Entwicklung des Faches 1.
5 24. Mai Psychometrie & Hypothesentest & Testtheorie 3. 10. 15. 16.
6 31. Mai Selbststudium II (strukturieren und Abstract formulieren) 2. 16.
7 07. Jun Replikationskrise & Versuchs- & Stichprobenplanung 4. 12. 13. 14.
8 14. Jun Gütekriterien 5. 15.
9 21. Jun Selbststudium III (kritisieren und Ausblick formulieren) 4. 6.
10 28. Jun Erhebungstechniken I: Selbstberichtsverfahren & Beobachtung 7. 9.
11 05. Jul Erhebungstechniken II: Objektive Daten & Psychologische Tests 7. 9.
12 12. Jul Ethik & Klausurvorbesprechung 8.
10
Einordnung Methodenlehre
Methodologie
Wissenschaftstheorie
Ontologie
Epistemologie
Axiologie
11
Internetseite Methodenlehrehttps://methodenlehre.uni-mainz.de/
Lehre
Lehre im SS 2019
Forschungsmethoden
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Logik
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AussagenlogikEine Aussage (A):
• kann wahr sein (1)
• kann falsch sein (0)
• hat eine Negation (-A)
• kann den gleichen Wahrheitsgehalt wie eine andere Aussage haben (A=B)
Es regnet Wassertropfen fallen vom Himmel
1 1
1 0
0 1
0 0
Es regnet nicht Keine Wassertropfen fallen vom Himmel
0 0
0 1
1 0
1 1
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AussagenlogikZwei Aussagen kann man verknüpfen:
• per Konjunktion (A n B)
• per Disjunktion (A v B)
• per Implikation (A -> B)
A B A n B A v B A -> B
1 1 1 1 1
1 0 0 1 0
0 1 0 1 1
0 0 0 0 1
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Die Implikation• hinreichend, notwendig und äquivalent
• A -> B
• Wenn A wahr, dann ist B auch wahr
• materiale Implikation
• A -> B = -A v B
A -A B -B A -> B -A v B
1 0 1 0 1 1
1 0 0 1 0 0
0 1 1 0 1 1
0 1 0 1 1 1
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AussagenlogikZwei Aussagen kann man verknüpfen:
• per Konjunktion (A n B)
• per Disjunktion (A v B)
• per Implikation (A -> B)
A B A n B A v B A -> B
1 1 1 1 1
1 0 0 1 0
0 1 0 1 1
0 0 0 0 1
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AussagenlogikNun betrachten wir uns den Wahrheitsgehalt verschiedener Verknüpfungen:
• - (A n B) = -A v -B
• -( A v B) = -A n -B
• A -> B = -A v B
A B -A -B A n B -(A n B) -A v -B A v B -(A v B) -A n -B A -> B -A v B
1 1 0 0 1 0 0 1 0 0 1 1
1 0 0 1 0 1 1 1 0 0 0 0
0 1 1 0 0 1 1 1 0 0 1 1
0 0 1 1 0 1 1 0 1 1 1 1
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Schlussfiguren1. Modus Ponendo Ponens:
Prämissen: A -> B AKonklusion: B
A A->B B (A->B) n A
1 1 1 1
1 0 0 0
0 1 1 0
0 1 0 0
P K
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Schlussfiguren1. Modus Ponendo Ponens:
Prämissen: A -> B AKonklusion: B
2. Modus tollendo tollensPrämissen: A -> B -B
Konklusion: -A
A -A B -B A->B (A->B) n -B
1 0 1 0 1 0
1 0 0 1 0 0
0 1 1 0 1 0
0 1 0 1 1 1
PK
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Schlussfiguren1. Modus Ponendo Ponens:
Prämissen: A -> B AKonklusion: B
2. Modus tollendo tollensPrämissen: A -> B -B
Konklusion: -A
3. Kettenschluss:Prämissen: A -> B B -> C
Konklusion: A -> C
A B C A->B B->C A->C
1 1 1 1 1 1
1 1 0 1 0 0
1 0 1 0 1 1
1 0 0 0 1 0
0 1 1 1 1 1
0 1 0 1 0 1
0 0 1 1 1 1
0 0 0 1 1 1
P K
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Schlussfiguren1. Modus Ponendo Ponens:
Prämissen: A -> B AKonklusion: B
2. Modus tollendo tollensPrämissen: A -> B -B
Konklusion: -A
3. Kettenschluss:Prämissen: A -> B B -> C
Konklusion: A -> C
4. Modus tollendo ponensPrämissen: A v B -A
Konklusion: B
A B -A A v B
1 1 0 1
1 0 0 1
0 1 1 1
0 0 1 0
K P
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Schlussfiguren1. Modus Ponendo Ponens:
Prämissen: A -> B AKonklusion: B
2. Modus tollendo tollensPrämissen: A -> B -BKonklusion: -A
3. Kettenschluss:Prämissen: A -> B B -> CKonklusion: A -> CK
4. Modus tollendo ponensPrämissen: A v B -AKonklusion: B
5. reductio ad absurdumPrämisse: -A -> (B n -B)Konklusion: A
A -A B -B B n -B A v (B n –B)
1 0 1 0 0 1
1 0 0 1 0 1
0 1 1 0 0 0
0 1 0 1 0 0
(A -> B) = -A v B(-A -> (B n –B)) = A v (B n -B)
PK
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Tautologie• Wenn A, dann A
• Wenn A, dann B v -B
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Kausalität1. Zusammenhang
2. Zeitliche Abfolge
3. Keine alternative Erklärung
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Empirische Psychologie
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Interessierende Fragen• Was ist Psychologie?
• Was unterscheidet wissenschaftliche Psychologie von Alltagspsychologie?
• Was ist Empirie?
• Wie kann man zu Erkenntnis gelangen?
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Was ist Psychologie?Menschliches Erleben und Verhalten wird beschrieben und erklärt, vorhergesagt und verändert
Fragestellungen:• grundlegende Prozesse, wie z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Emotionen
• Ursachen psychischer Störungen und Behandlungsmöglichkeiten
• Faktoren, die Leistung und Motivation am Arbeitsplatz beeinflussen
• mentale Prozesse wie Problemlösen, Entscheidungsbildung
• Art und Weise, wie Menschen in sozialen Gemeinschaften funktionieren
• …
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Vier Ziele• beschreiben
• erklären
• vorhersagen
• verändern
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Wissenschaftliche vs. AlltagspsychologieAlltagspsychologie = Beantwortung von Fragen über…•Nennung von Beispielen• Berufen auf Autoritäten•Überzeugungsstrategie
Wissenschaftliche Psychologie:systematische und nachvollziehbare Vorgehensweise unter Verwendung bisheriger Erkenntnisse zur Beantwortung von Fragen mit dem Anspruch verlässliche Aussagen zu treffen
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Verzerrungen in Alltagspsychologie- Fehler beim Wahrnehmen und Erinnern:• primacy effect
• recency effect
• pop-out effect
• confirmation bias
- Fehler beim Umgang mit Wahrscheinlichkeiten
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Was ist Empirie?• empirische Wissenschaft = Erfahrungswissenschaft
• systematische Sammlung, Analyse und Aufbereitung empirischer Informationen
• theoriegeleitet
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Merkmale humanwissenschaftlicher Forschung• Formulierung empirisch untersuchbarer und begründeter Forschungshypothesen
• Berücksichtigung des Forschungsstandes (Theoriebezug)
• Systematische Erhebung, Aufbereitung und Analyse von Daten
• Einhaltung von Gütekriterien
• Vorgehen gemäß Prinzipien der Forschungs- und Wissenschaftsethik
• Ausführliche Dokumentation
• Ausgewogene Ergebnisinterpretation mit Hinweisen auf widersprüchliche Befunde und auf Grenzen der Aussagekraft
• Wissenschaftliche Veröffentlichung der Studie
Nach Bortz & Döring (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Human- und Sozialwissenschaften. S. 8 33
Ockhams RazorIm Folgenden möchte ich Euch nun ein durchaus wichtiges Prinzip erklären, dass man beim wissenschaftlichen arbeiten versucht explizit zu beachten. Vor allem aber sollte es bei der Generierung von wissenschaftlichen Hypothesen verwendet werden, weil es für die Alltagspraxis sehr nützlich und komfortabel ist und den Forschenden viel Aufwand und Arbeit erspart. Es geht auf Willhelm von Ockham (1288-1347) zurück. 1654 schrieb Johannes Clauberg: “Entia non suntmultiplicanda praeter necessitatem“. Was als eine scholastische Maxime begann findet sich heute in nahezu allen wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Disziplinen wieder. Man kann es sowohl auf verschiedene nebeneinander stehende theoretische Erklärungen von Sachverhalten, als auch auf die verschiedenen Möglichkeiten und Ausprägungen eines einzigen Erklärungsmodell anwenden.
Bzw. sollte man versuchen, alles auf das Notwendige zu reduzieren. Einfache Erklärungen und klare Modelle sind vorzuziehen.
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Erkenntnistheoretische Ansätze
Induktion Deduktion Abduktion
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Induktion• Von Besonderen zum Allgemeinen
• unsicherer Schluss
Ursache & Wirkung
-> Regel
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Deduktion• Vom Allgemeinen zum Besonderen
• Aus zugrundeliegender Theorie wird logische Hypothese über einen Einzelfall gebildet
• Untersuchung der Hypothese in einer Studie
• Rückschluss auf die Theorie
Ursache & Regel
-> Wirkung
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Abduktion• Vom Resultat auf Ursache
• Theorie und Empirie passen nicht zusammen
• Wegen unzutreffender Theorie wird eine neue „kreative“ Hypothese gebildet
• viel Unsicherer als Induktion, aber effizienter
Regel & Wirkung
-> Ursache
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Erkenntnistheoretische Ansätze
Empirie
(speziell)
Induktion/
Abduktion
Theorie
(allgmein)
Deduktion
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Bis zur nächstes Präsensveranstaltung am 10.05.2019- Interessierendes Themengebiet überlegen
- einen Artikel finden, lesen und grob verstehen
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Artikelarten• Einzel/Sammelstudien (*)
• Systematische Übersichtsarbeiten (Systematic Review)
• Methaanalysen (Quantitativ)
• Narrative Reviews (Qualititativ)
• Metha-Synthesen (Qualititativ)
• Monografien
• Lehrbücher
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Wo finde ich Artikel?• Unibibliothek
• Institutsbibliothek
• PubMed
• Journals (scimagojr.com)
• google scholar
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Ziationsrichtlinien• Englisch: APA
• Deutsch: DGP
• Im Text und am Ende: Literaturverzeichnis
• Wichtig: Stringenz!
• Tipp: TU Dresden pdf
• Zitationsverwaltungsprogramme z.B. Citavi, Endnote, Mendeley Desktop, JabRef, Readcube
• Latex Editoren (TeXlive, TeXmaker, TeXnicCentre, WinEdt)
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Wissensüberprüfung I• Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und Forschung?
• Wer darf sich Psychologe/Psychologin nennen?
• Was sind die Ziele der wissenschaftlichen Psychologie?
• Was sind zentrale Merkmale empirischer Forschung?
• Was unterscheidet empirische von normativer Forschung?
• Warum ist empirische Forschung theoriegeleitet?
• Was ist mit Ockhams Razor gemeint?
• Welche Vorgehensweisen zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn gibt es?
• Was ist eine Implikation?
• Was sind Bedingungen für einen Kausalitätsschluss?
• Wie kann man mithilfe einer Wahrheitstabelle die Äquivalenz zweier Aussagen beweisen?
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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LiteraturBortz, J., & Döring, N. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation für Human-und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer-Verlag. Kap 1 und 2
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