fluchtpunkt fundamentalismus? - münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · fluchtpunkt...

33
Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz, Rudolf B. Hein und Katharina Klöcker

Upload: others

Post on 15-Jun-2020

2 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Fluchtpunkt Fundamentalismus?

Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral

Herausgegeben vonStephan Goertz, Rudolf B. Hein

und Katharina Klöcker

Page 2: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Satz: Barbara Herrmann, Freiburg im BreisgauHerstellung: fgb · freiburger graphische betriebe

www.fgb.de

Printed in Germany

ISBN 978-3-451-34140-3

Page 3: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Zur Genealogie und Kritik des katholischen Fundamentalismus:Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Stephan Goertz, Rudolf B. Hein, Katharina Klöcker

Grundlegungen

Fundamentalismus – eine Selbstblockade der sittlichen Vernunft 79Klaus Demmer

Wahrheit als ProzessEinige Gedanken über die Fundamente von Moralim geschichtlichen und evolutionären Wandel . . . . . . . . . . . 93Karl-Wilhelm Merks

Christliches Ethos und ErkenntniszuwachsMethodologische Vergewisserung über die Notwendigkeit desLernens in der theologischen Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123Konrad Hilpert

Fundamentalmoral ohne FundamentalismusZur Grundlegung der katholischen Morallehre . . . . . . . . . . . 140Peter Schallenberg

Das freie Subjekt als Prinzip Theologischer Ethik . . . . . . . . . 159Saskia Wendel

Antifundamentalistische HausapothekeBegründungsgedanken und Naturbegriffe im Moraldiskurs . . . 174Klaus Müller

Gradualismus, Konventionalismus, Relativismus . . . . . . . . . . 193Ludwig Siep

Page 4: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Entfaltungen

Säkularisierung, religiöse Vitalisierung und FundamentalisierungGlobale Trends als Herausforderung für ein friedlichesZusammenleben der Religionen und Weltanschauungen . . . . . 217Karl Gabriel

La Ética Civil: Superación del fundamentalismo y convergenciamoral en la sociedad secular y pluralista . . . . . . . . . . . . . . 237Marciano Vidal

Religionsfreiheit in der BestreitungKatholisch-fundamentalistische Versuchungen . . . . . . . . . . . 257Marianne Heimbach-Steins

Fundamente und feste Burgen: Fragen nach einersicheren Religionsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283Regina Ammicht Quinn

Catholic Conscience Awakening: The Evolution of OurContemporary Dependence on Conscience . . . . . . . . . . . . . 305James F. Keenan

Selbstakademisierung religiöser ÜberzeugungenKatholisch-konfessionelle Theologie im staatlichenUniversitätssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326Magnus Striet

Les femmes, avenir de l’Eglise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339Marie-Jo Thiel

Kann Erkenntnis Sünde sein?Vom Erwachsenwerden des Menschen und der Exegese . . . . . 359Ulrich Berges

6

Page 5: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Anwendungen

Zivilcourage als christliche Tugend und Formen des Widerstands 381Karl Lehmann

Lernen gegen die Angst – oder: den Fundamentalismus an derWurzel packen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402Judith Könemann

Das Recht auf Nichtwissen – Fundamentalismus in der Bioethik? 420Klaus Arntz

Die Rolle der Moraltheologie in der Politik und das politischeEngagement der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445Ulrike Kostka

Fehlermanagement auch in der Kirche? . . . . . . . . . . . . . . . 462Herbert Vorgrimler

Entdeckungen

Schönheit und Schrecken des Namens GottesNavid Kermani zwischen Poesie und Theologie . . . . . . . . . . 479Elmar Salmann

Fundamentalistische Ansätze im Zweiten Thessalonicherbrief? . 483Silvia Pellegrini

Unter dem Zeichen der KomplexitätSituationsethik im Kino von Pedro Almodóvar . . . . . . . . . . 499Stefanie Knauß, Davide Zordan

Humor als Medikament gegen den FundamentalismusSatirische Experimente mit katholischer Moral . . . . . . . . . . . 524Walter Lesch

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . 553

Herausgeberin und Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

7

Page 6: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Vorwort

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das globale religiöse Feld in kräftigeSchwingungen versetzt worden. Die Rückkehr der Religion auf die po-litische Bühne steht immer häufiger im Zeichen scharfer Konfronta-tionen zwischen den Religionen. Nicht wenige Beobachter sprechenvon einer fundamentalistischen Drift, einer dogmatischen Verhärtung.Um ihre kollektive Identität besorgt, beziehen sich heißblütige From-me in negativer Weise auf die Anderen als die Fremden, ja die Feinde.Sichtbarkeit erlangen in der Weltgesellschaft immer mehr diejenigen,die sich um eine ‚Religion pur‘ bemühen, um klare Konturen und ein-deutige Bekenntnisse. Die Inkulturation der Religion in die moderneWelt scheint weiterhin prekär zu sein.

Das katholische Christentum hat in einem epochalen Schritt auf demZweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) den eigenen Antimoder-nismus zu überwinden versucht. Aber der Ausgang dieses Projekts ei-ner Inkulturation in die Moderne ist ungewiss. Längst hat sich im Ka-tholizismus ein fundamentalistischer Sektor etabliert, der sich inFragen der Moral bewusst als antimodern inszeniert. Die in diesemBand versammelten Aufsätze nehmen aus ganz unterschiedlichen Per-spektiven Aspekte der fundamentalistischen Versuchung des Katholi-zismus in den Blick. Der Bogen ist weit gespannt, wie es uns dem opa-ken Phänomen Fundamentalismus angemessen erscheint.

Gewidmet ist dieser Band dem Münsteraner Moraltheologen, Freundund Lehrer Antonio Autiero zu seinem 65. Geburtstag. In der Tradi-tion der Autonomen Moral stehend, gelten ihm solidarische Freiheitund diskursive Vernunft als unverzichtbare Bestandteile christlicherMoral. Sie sind für ihn viel mehr als nur theoretische Konzepte. Siebestimmen sein Wirken als akademischer Lehrer, bioethischer Beraterund begnadeter Netzwerker, auch in der internationalen Welt der Mo-raltheologie. Eine solche Gestalt theologischer Ethik, die Antonio Au-tiero überzeugend verkörpert, setzt auf die Freiheit und Liebe Gottesund der Menschen. Sie dient der Abklärung der Religion zum Schutzvor ihrer fundamentalistischen Selbstgefährdung. Alle Spielarten einerantimodernen Moral scheitern letztlich daran, dass ihre Aussagen

Page 7: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

nachdenklichen Zeitgenossen nicht einleuchten. Die allzu schlichtenVorstellungen einer Schwarz-Weiß-Moral besitzen in einer Welt kom-plexer Herausforderungen keine Überzeugungskraft.

Am Zustandekommen dieses Bandes haben viele mitgewirkt, denenwir an dieser Stelle unseren herzlichen Dank aussprechen wollen. Anerster Stelle sind die Autorinnen und Autoren zu nennen, die durchihre Beiträge sicherlich auch ein Zeichen der Verbundenheit mit Anto-nio Autiero haben setzen wollen. Ihnen danken wir sehr für ihre Be-reitschaft, sich auf das Projekt dieses Buches ideenreich einzulassen.Den Mitarbeiterinnen an den moraltheologischen Lehrstühlen inMünster und Mainz gilt unser besonderer Dank für ihren unermüdli-chen und zuverlässigen Einsatz bei der Anfertigung des Manuskriptes:So danken wir den studentischen Hilfskräften Sabrina Arnold, AmelieDembski, Martina Köster und Annika Plambeck. Die Erstellung desPersonenregisters hat Sarah Christ dankenswerterweise übernommen.Bei den Korrekturarbeiten hat uns Tobias Renner, Assistent am Lehr-stuhl in Mainz, mit großer Sorgfalt unterstützt. Organisatorische Hilfehaben die Sekretärinnen Agnes Wiedemeier (Münster) und RenateNalepa (Mainz) geleistet.

Für die Gewährung von Druckkostenzuschüssen danken wir derDeutschen Bischofskonferenz, dem Bistum Münster – und einerWohltäterin.

Ein abschließendes Wort des Dankes gilt dem Herder Verlag für dieAufnahme des Bandes in sein Verlagsprogramm, seinem Lektor, HerrnStephan Weber, für die umsichtige Betreuung und Unterstützung.

Münster und Mainz, 10. November 2012,am 100. Geburtstag von Bernhard Häring

Stephan Goertz, Rudolf B. Hein, Katharina Klöcker

10 Vorwort

Page 8: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Religionsfreiheit in der Bestreitung

Katholisch-fundamentalistische Versuchungen

Marianne Heimbach-Steins

Einleitung

Eine Momentaufnahme: Nach dem ersten Urteilsspruch des Europäi-schen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall Lautsi vs. Ita-lien1, der im Jahr 2009 erging und der Klägerin Recht gab, die gegenein Kreuz in der Schule ihrer Söhne geklagt hatte, erhielt Frau LautsiZeitungsberichten zufolge Drohbriefe und erfuhr öffentliche Schmä-hungen. Das veranlasste sie, von Reaktionen „katholischer Taliban“2

zu sprechen. Der darin ausgedrückte Vorwurf eines sich militant ge-bärdenden christlichen Fundamentalismus wurde offenbar durchmaßlose, durch keinen religiösen Glauben zu rechtfertigende Reaktio-nen – wie dem von einem italienischen Regierungsmitglied öffentlichgeäußerten Todeswunsch gegen die Frau – provoziert. Diese ungeheu-erliche, sozial unverträgliche – weil der Vertreterin einer abgelehntenAuffassung das Recht auf Artikulation, ja das Recht auf Leben ab-sprechende – Reaktion auf einen Urteilsspruch, gegen den mit gutenGründen Einwände erhoben werden konnten3, kontert die so Ange-griffene rhetorisch, indem sie ihre Angreifer mit terroristischen Fun-damentalisten aus dem islamistischen Spektrum vergleicht.

Die Momentaufnahme führt auf ein Feld der Auseinandersetzung,auf dem das Recht auf religiöse Freiheit, auf Glaubens- und Gewis-

1 Vgl. http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=857732&portal=hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649, Stand 20.7.2012.2 Vgl. „Das Kreuz bleibt hängen“ (18.3.2011) auf www.sueddeutsche.de: http://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-ueber-kruzifix-in-schulen-das-kreuz-bleibt-haengen-1.1074124, Stand 27.4.2012.3 Das Revisionsverfahren vor der Großen Kammer des EGMR führte am 18. März2011 zu einer Korrektur der laizistisch geprägten Entscheidung von 2009, vgl.http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=883169&portal=hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649, Stand 28.06.2012.

Page 9: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

sensfreiheit konfliktiv mit der exklusiven Behauptung von Geltungs-ansprüchen aufeinandertrifft, die – zu Recht oder Unrecht – im Nameneiner Religion bzw. eines Bekenntnisses erhoben werden. „Verscho-nungsansprüche“ im Sinne der negativen Religionsfreiheit geraten mitdem positiven Anspruch der Religionsausübungsfreiheit aneinander;zahlreiche Konflikte werden in der gesellschaftlichen Öffentlichkeitund zunehmend vor staatlichen und internationalen Gerichten aus-getragen. Das mit dem Stichwort „religiöser Fundamentalismus“ auf-gerufene Konfliktfeld wird von unterschiedlichen Akteuren – Einzelnen,religiösen und säkularistischen Assoziationen, staatlichen Organen –bespielt. Das Gelände ist wenig übersichtlich; die Auseinandersetzungenbetreffen keineswegs nur „die Anderen“, vorzugsweise „den Islam“. DieAuseinandersetzung mit „fundamentalistischer“ Kritik ist auch im In-neren der Kirchen zu führen.4 Die katholische Kirche, die sich auf demZweiten Vatikanischen Konzil in einem mühevollen Lernprozess zurAnerkennung des religiösen Freiheitsrechts verstanden hat, ist in ver-schiedener Hinsicht in das gegenwärtige Ringen um Religionsfreiheitinvolviert: in der Gesellschaft durch ihr Engagement zur Verteidigungder religiösen Freiheit von Christen und anderen Gläubigen gegen viel-fältige Bestreitungen und Verletzungen; das Recht auf Religionsfreiheitist ein Prüfstein des Menschenrechtsengagements der katholischen Kir-che. Innerkirchlich steht die Anerkennung und die „richtige“ Deutungdes Konzils im Fokus; die Auseinandersetzung kristallisiert sich beson-ders im Umgang mit der schismatischen Piusbruderschaft, mit der seitJahrzehnten – ganz am Rande der Kirche und doch deren Identität zen-tral betreffend – um den Standpunkt innerhalb oder außerhalb gerun-gen wird.5 Auf diesen Aspekt werde ich die folgenden Überlegungen

4 Die Literatur zeigt ein deutlich verschobenes wissenschaftliches und publizisti-sches Interesse an „religiösem Fundamentalismus“: Findet man in den 80er und90er Jahren des 20. Jahrhunderts zahlreiche Veröffentlichungen zu christlichemFundamentalismus (überwiegend zu entsprechenden Phänomenen im US-ame-rikanischen Protestantismus), so überwiegt in den 2000er Jahren die Beschäftigungmit islamistischem Fundamentalismus bei weitem; darin spiegelt sich nicht zuletztdie Wahrnehmung von „religiösem Fundamentalismus“ als nicht nur religiös, son-dern gesellschaftlich und politisch bedeutsamem Phänomenkomplex, vgl. exempla-risch: Six, Clemens / Riesebrodt, Martin / Haas, Siegfried (Hrsg.), Religiöser Fun-damentalismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung (Querschnitte 16),Innsbruck / Wien / München / Bozen 2005. In der katholischen Theologie pro-vozieren die jüngsten Entwicklungen um die Piusbruderschaft eine neue Beschäfti-gung mit katholischem Fundamentalismus.5 Zu Recht deutet Beinert das Zweite Vatikanische Konzil als „Auslöser“ und „Ka-

Marianne Heimbach-Steins258

Page 10: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

konzentrieren. Zunächst werde ich den Begriff „Fundamentalismus“ sofassen, dass er jenseits populistischer Beanspruchungen als „Schimpf-wort“ Kriterien für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung freigibt(1.). Die Auseinandersetzung um die Religionsfreiheit ist ein Brenn-punkt der Auseinandersetzung um die „richtige“ Hermeneutik desKonzils. Deshalb kommt theologischen Akzentsetzungen und herme-neutischen Weichenstellungen in Äußerungen des gegenwärtigen Paps-tes zur Religionsfreiheit ein zentraler Stellenwert zu (2.). Das Thema bil-det einen Prüfstein für die Verhältnisbestimmung von Kirche undmoderner Gesellschaft6; besonders brisant ist es als eines der zentralenKonfliktthemen zwischen römisch-katholischer Kirche und der schis-matischen Piusbruderschaft (3.).

1. Fundamentalismus – an den „Bruchkanten der Moderne“7

Im landläufigen Sprachgebrauch leidet der Begriff „Fundamentalis-mus“ unter einer gewissen Unschärfe. Ursprünglich als Selbstbezeich-nung bestimmter konservativer Gruppen im nordamerikanischenProtestantismus geprägt8, bildet die seit den 1980er Jahren nicht nurdort zu beobachtende starke Politisierung fundamentalistischer Bewe-gungen den Hintergrund für die aktuell verbreitete polemische Bean-spruchung des Begriffs als stigmatisierende Kampfvokabel; die Ereig-nisse vom 11. September 2001 und die nachfolgenden islamistischund anti-islamistisch motivierten Attentate in Europa haben dieseEntwicklung noch gesteigert.9 Will man den Begriff trotzdem nicht

talysator“ des katholischen Fundamentalismus, vgl. Beinert, Wolfgang, Der „katho-lische“ Fundamentalismus und die Freiheitsbotschaft der Kirche, in: Ders. (Hrsg.),„Katholischer“ Fundamentalismus? Häretische Gruppen in der Kirche, Regensburg1991, 52–115, 59f.6 Vgl. zum aktuellen Kontext der Debatte um Religionsfreiheit, zu der in diesemKontext zu lesenden Position des Konzils und zu deren bisheriger innerkirchlicherRezeption und gesellschaftlichen Konsequenzen: Heimbach-Steins, Marianne,Religionsfreiheit – ein Menschenrecht unter Druck, Paderborn 2012. (Teile diesesArtikels greifen Gedankengänge aus dem Buch auf und schreiben sie fort.)7 Schöttler, Heinz-Günter, An den Bruchkanten der Moderne. Fundamentalismenals Krisenphänomene, in: BiLi 83 (2010) 2– 4.8 Vgl. Küenzlen, Gottfried, Fundamentalismus I. Zum Begriff, in: RGG Bd. 3(42000) 414; Riesebrodt, Martin, Was ist „religiöser Fundamentalismus“?, in: Six /Riesebrodt / Haas (Hrsg.), Religiöser Fundamentalismus, 13 –32.9 Vgl. exemplarisch: Seidel, Eberhard, Islamophobie, in: Bielefeldt, Heiner (Hrsg.),

Religionsfreiheit in der Bestreitung 259

Page 11: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

verabschieden und der Polemik überlassen10, sondern ihn wissen-schaftlich verantwortlich benutzen, ist es wichtig, ihn möglichst klarzu bestimmen. Als fundamentalistisch werden Strömungen, Auffas-sungen und Bewegungen gekennzeichnet, die einen spezifisch „moder-nen Antimodernismus“11 repräsentieren. Bildlich gesprochen, ist derFundamentalismus „an den Bruchkanten der Moderne“ zu verorten.12

Damit wird gesagt: Religiöser Fundamentalismus ist ein genuin mo-dernes Phänomen. Er reagiert nicht nur auf die Modernisierung derGesellschaft, sondern verdankt sich auch eben dieser Entwicklungund nimmt an ihrer politischen Dynamik teil. Deren Voraussetzungenwurden mitgeschaffen durch religiöse Kräfte; auch im Modus der Ab-lehnung bleiben sie darauf bezogen.13 Fundamentalistische Kritik ander Moderne bedient sich zudem der – durch das Recht gesicherten –Handlungsmöglichkeiten und der Kommunikationsinstrumente, dieFrüchte der modernen Gesellschaftsentwicklung sind.

Fundamentalistische Bewegungen sind von anderen Moderne-kriti-schen, aber unkämpferischen Formen von Religiosität abzugrenzen (soist Fundamentalismus typischerweise traditionalistisch, aber nicht je-der Traditionalismus ist zwingend fundamentalistisch). Um näher zubestimmen, was einen fundamentalistisch-religiösen „modernen Anti-modernismus“ auszeichnet und wogegen er sich richtet, erscheint ineinem ersten Angang die formale Definition hilfreich, die HeinrichWilhelm Schäfer vorgeschlagen hat; sie zielt vor allem auf den „politi-schen“ Impetus fundamentalistischer Strömungen: „Fundamentalis-tisch sind solche Bewegungen, die (1) religiöse Überzeugungen (ir-gendwelche Glaubensinhalte) absolut setzen und (2) daraus einegesellschaftliche Dominanzstrategie ableiten, die das private undöffentliche Leben dem Diktat ihrer religiösen Überzeugungen zu un-terwerfen sucht. Der Kontext (3) für eine solche Strategie ist die

Jahrbuch Menschenrechte 2009, Wien / Köln / Weimar 2008, 221–230; Riesebrodt,Was ist „religiöser Fundamentalismus“?, 16 –19.10 Vgl. Schäfer, Wilhelm Heinrich, Kampf der Fundamentalismen. Radikales Chris-tentum, radikaler Islam und Europas Moderne, Frankfurt a. M. / Leipzig 2008, 17.11 Küenzlen, Fundamentalismus I.12 Schöttler, An den Bruchkanten der Moderne (vgl. auch die weiteren Beiträge indemselben Zeitschriftenheft).13 Vgl. u. a. Unterburger, Klaus, Unentrinnbare Moderne. Antimodernität, Moder-nität und Rechtskatholizismus in der katholischen Kirche seit dem 19. Jahrhundert,in: BiLi 83 (2010) 26 –32; Schäfer, Kampf der Fundamentalismen, 27–31.

Marianne Heimbach-Steins260

Page 12: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

grundlegende Politisierung aller Lebensverhältnisse in Modernisie-rungsprozessen.“14

Die Beanspruchung von Glaubensinhalten und/oder selektiv aus-gewählten Traditionsbeständen, die dann als „die Tradition“ schlecht-hin verabsolutiert werden15, zielt auf die Sicherung von Identität durchAbgrenzung, und zwar sowohl innerhalb der eigenen Religions-gemeinschaft, Kirche oder Konfession (in der fundamentalistischenLesart: gegen deren modernistische oder progressistische Dekadenz-gestalt) als auch gegenüber der modernen Gesellschaft, die als Verfalls-produkt der Geschichte gedeutet wird. Fundamentalistisch wird dertraditionalistische Gestus in Verbindung mit dem Dominanzanspruch:Mit religiösen Mitteln soll Macht ausgeübt werden, um konkurrieren-de religiöse oder weltanschauliche Deutungen als falsch oder illegitimzurückzuweisen; der Anspruch ist (auch in Bezug auf die Religions-gemeinschaft, der eine fundamentalistische Gruppierung zugehörtoder auf die sie bezogen ist) politisch: „Fundamentalisten versuchen,bestimmte Praxisfelder oder gar ganze Gesellschaften nach ihrem ingesellschaftspolitischen Utopien geronnenen Glauben zu gestalten –notfalls, aber keineswegs immer, mit Gewalt. Genau diese aktive Teil-nahme an der grundlegenden Politisierung der Gesellschaft … machtFundamentalismen zu modernen sozialen Bewegungen.“16

Diese formale Grenzziehung vorausgesetzt, können einige typischeEigenschaften skizziert werden, die an religiösen Fundamentalismenaus verschiedenen religiösen Traditionen zu beobachten sind:17 Die

14 Schäfer, Kampf der Fundamentalismen, 18.15 Riesebrodt beschreibt den für die Hervorbringung einer fundamentalistischenIdeologie notwendigen Prozess der selektiven Reinterpretation und Aneignungvon Tradition: Die Konstruktion einer idealisierten Vergangenheit geschieht durch„eine eigenartige Mischung von Tradition und Moderne, von selektiver Akzeptanzund Zurückweisung moderner Institutionen und Ideologien sowie von erfundenerVergangenheit und imaginierter Zukunft.“ Verteidigt wird die Tradition in Bezugauf das, was als bedroht erfahren wird, und: „Durch diese Prozesse der Reflexionund Reinterpretation in Auseinandersetzung mit anderen sozialen Gruppen wirdTradition in eine Ideologie im Sinne eines relativ umfassenden Systems der Erklä-rung und Agitation transformiert“, das sich auf mindestens drei Dimensionen er-streckt: „eine Gesellschaftskritik, den Entwurf einer idealen Sozialordnung sowieeine heilsgeschichtliche Deutung der Gegenwart.“ Dabei können Anleihen bei kon-kurrierenden Ideologien gemacht werden, „die nie zur Tradition gehört haben.“(Riesebrodt, Was ist „religiöser Fundamentalismus“?, alle Zitate: 19f.).16 Schäfer, Kampf der Fundamentalismen, 20.17 Zum Folgenden: Küenzlen, Gottfried, Fundamentalismus II. Religionsgeschicht-

Religionsfreiheit in der Bestreitung 261

Page 13: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

moderne Trennung von religiöser und politischer Sphäre wird grund-legend in Frage gestellt (Integralismus; Theokratie); darauf basiert deraus der religiösen Weltdeutung gewonnene Dominanzanspruch. Ausdem Eigensinn der fundamentalistisch-religiösen Weltinterpretationwird ein scharfer Kontrast zwischen dem religiösen „Innen“ und dem„Außen“ der Welt konstruiert18 (Dualismus); der Kontrast wird mora-lisiert nach dem Schema „rein“ vs. „unrein“ (Manichäismus). Dementspricht ein Geschichtsbild, in dem die Gegenwart als Verfallszeit ge-genüber einer idealisierten beziehungsweise sakralisierten19 Vergangen-heit und einer „apokalyptischen“ Zukunftserwartung heilsgeschicht-lich disqualifiziert wird (Kulturpessimismus). Moderne Strömungenund Mentalitäten werden dementsprechend typischerweise unter denVorzeichen des „Relativismus“, „Pluralismus“, „Libertinismus“, Indif-ferentismus oder der „Autoritätsvernichtung“ kritisiert.20

Solchen Verfallserscheinungen wird ein Kontrastprogramm für das„richtige“, Gott gefällige Leben entgegengesetzt; es verlangt unbeding-te Unterwerfung unter die religiöse Autorität. Basal für die Gehorsamfordernden, fundamentalistischen normativen Erwartungen ist eineungeschichtliche Absolutsetzung bestimmter doktrinaler Elemente: Esgeht um die „Rückkehr zu vermeintlich ewig gültigen, heiligen Prinzi-pien“21 und zu entsprechenden Praxen, die das immer Gültige reprä-sentieren. Je nach Spielart und konfessioneller Zuordnung liegen dieSchwerpunkte dabei mehr auf einer angeblich wortgetreuen Lesartder Heiligen Schriften, auf einer vorgeblich ewigen, unveränderlichenLehre oder auf einem autoritativ (als gottgewollte Ordnung) vorge-tragenen moralischen Programm für die Lebensführung, namentlichbezogen auf Körper, Sexualität, Familie und Geschlechterrollen.22 Inletzter Konsequenz führen fundamentalistische Positionen „in einemenschenverachtende Haltung und Praxis, weil denen, die der je eige-nen politischen oder spirituellen Grobzeichnung vermeintlich nichtentsprechen, die ‚Gültigkeit‘ ihrer Existenz in Abrede gestellt wird –

lich, 1. Allgemein, in: RGG Bd. 3 (42000) 415; Riesebrodt, Was ist „religiöser Fun-damentalismus“?18 Wobei das „Außen“ sowohl die (aus der Innensicht betrachtete) Verfallsform derzu restituierenden Religion als auch die nicht-religiöse Gesellschaft umschließt.19 Riesebrodt, Was ist „religiöser Fundamentalismus“?, 18.20 Vgl. Küenzlen, Fundamentalismus II, 415.21 Riesebrodt, Was ist „religiöser Fundamentalismus“?, 18.22 Vgl. Kienzler, Klaus, Fundamentalismus II. Religionsgeschichtlich, 2. Christen-tum, in: RGG Bd. 3 (42000) 415.

Marianne Heimbach-Steins262

Page 14: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

bis dahin, dass sie in manchen Fällen extremistischer Zuspitzung fürihr ‚Anderssein‘ mit dem Leben zu bezahlen haben.“23

Das eingangs aufgerufene Beispiel veranschaulicht diese sehr ernstzu nehmende Grundsatzkritik: Sie läuft in der Tat auf eine prinzipielleUnvereinbarkeit solcher fundamentalistischer Positionen und Bewe-gungen (gleich welcher Provenienz) mit den Grundoptionen einermodernen freiheitlichen Gesellschaft hinaus. Deren grundlegendeÜbereinkunft besteht in der wechselseitigen Anerkennung des Rechtsder Anderen; Akteure, die diese Anerkennung explizit verweigern, set-zen sich dem Vorwurf der sozialen Unverträglichkeit aus. In Konflik-ten um religiöse Symbole, um den Bau von Gotteshäusern und umandere Aspekte der Religionsausübungsfreiheit der jeweils „Anderen“zeigt sich, inwiefern Gläubige (und Nicht-Gläubige), Repräsentantenund institutionelle Repräsentationen religiöser und weltanschaulicherBekenntnisse willens und in der Lage sind, sozial verträglich in undmit einer religiös pluralen Gesellschaft zu leben, und Wege finden,ernsthafte Glaubenspraxis mit der Anerkennung der religiösen Freiheitals allgemeines persönliches Freiheitsrecht zu verbinden.

2. Religionsfreiheit im Brennpunkt. Aktuelle Auseinandersetzungen um dasVerhältnis der katholischen Kirche zur Moderne

Mit der Anerkennung der Religionsfreiheit als Recht der Person hatdas Zweite Vatikanische Konzil sich ein zentrales Element des moder-nen Gesellschafts- und Staatsverständnisses angeeignet und damit ei-nen wesentlichen Schritt hin zu einem kirchlichen Selbstverständnisgetan, das nicht (mehr) in grundsätzlicher Opposition zur Moderneverharrt, sondern diese als Kontext und Erfahrungsraum des Glau-bens sowie als konstruktive Herausforderung theologischer Vernunftwürdigt; für die gesellschaftliche Praxis der Kirche und für die Erwar-tungen, die sie gegenüber dem Staat hegt, ergeben sich daraus weit-reichende Konsequenzen. Die bisherige Auslegungsgeschichte desKonzils hat diese Wendung vielfach und gründlich reflektiert.24

23 Först, Johannes, Auf die Theologie kommt es an! Religiöser Fundamentalismusund die Notwendigkeit, „gute“ Theologie zu betreiben, in: BiLi 83 (2010) 4 –14, 12f.24 Vgl. insbesondere das Kommentarwerk: Hünermann, Peter (Hrsg.): HerdersTheologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil, 5 Bde., Freiburgi. Br. 2004 –2006.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 263

Page 15: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Kaum jemand bestreitet, dass das Konzil eine deutliche Abkehr vonder antimodernen Linie der Päpste des 19. Jahrhunderts vollzogenhat, die das religiöse Freiheitsrecht zusammen mit der Gewissensfrei-heit in aller denkbaren Schärfe verurteilt hatten.25 Die unleugbareDiskontinuität wird aber unterschiedlich gewichtet und bewertet. Inden seit Jahrzehnten andauernden Bemühungen um eine Re-Integra-tion der Piusbrüder in die volle Gemeinschaft mit der katholischenKirche spielt die Auslegung der Konzilsaussagen über die Religions-freiheit eine Schlüsselrolle. Da der Versöhnungswille und das Ent-gegenkommen gegenüber der Piusbruderschaft zu den Anliegen ge-hören, die der gegenwärtige Papst mit großer Intensität und einer inLehrfragen sehr ungewöhnlichen Bereitschaft zu Kompromiss undVerhandlung verfolgt26, scheint es wichtig, einen genaueren Blick aufrichtungweisende Äußerungen des gegenwärtigen Papstes zu diesemThema zu richten.

2.1 Religionsfreiheit und Antirelativismus: Papst Benedikts XVI. Arbeit am„Grenzregime“ der Religionsfreiheit

27

In öffentlichen Äußerungen Benedikts XVI. ist die Sorge um die Reli-gionsfreiheit ein wichtiges Thema. In vielen Ansprachen und Bot-schaften benennt der Papst Probleme mit der Achtung der Religions-freiheit, prangert Bedrängnis und Verfolgung von Christen undGläubigen anderer Bekenntnisse in verschiedenen Teilen der Welt anund fordert den wirksamen Schutz der individuellen wie korporativenBekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit.28 Den Schwerpunkt sei-ner Stellungnahmen zur Religionsfreiheit legt Benedikt XVI. dabeikonsequent auf einen strikten Antirelativismus. So unterstreicht die

25 Vgl. DH 2730 –2732 (Gregor XVI. Enzyklika Mirari vos); DH 2890 –2896 und2901–2980 (Pius IX., Enzyklika Quanta cura und Syllabus errorum).26 Vgl. Hünermann, Peter (Hrsg.), Exkommunikation oder Kommunikation? DerWeg der Kirche nach dem II. Vatikanum und die Pius-Brüder (QD 236), Freiburgi. Br. 2009.27 Das Folgende nimmt auf und führt weiter, was ich in Heimbach-Steins, Reli-gionsfreiheit – ein Menschenrecht unter Druck, 72–77 skizziert habe.28 Vgl. z. B. Papst Benedikt XVI., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2011;Ders., Ansprache beim Neujahrsempfang für die Mitglieder des am Hl. Stuhl akkre-ditierten diplomatischen Corps vom 10. Januar 2011; Ders., Ansprache bei der Be-gegnung mit den Vertretern anderer Religionen im Rahmen der Apostolischen Rei-se in die Vereinigten Staaten vom 17. April 2008.

Marianne Heimbach-Steins264

Page 16: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Enzyklika Caritas in Veritate29 (2009) nicht nur die Bedeutung der Re-ligionsfreiheit für die Wahrheitssuche, sondern deutet das Recht aufReligionsfreiheit explizit als Instrument gegen einen religiösen oderweltanschaulichen Relativismus.30 Der Papst beklagt „die Verweige-rung des Rechtes auf Religionsfreiheit“ sowie einen „religiösen Fana-tismus, der in einigen Bereichen die Ausübung des Rechtes auf Religi-onsfreiheit verhindert“; zugleich kritisiert er „auch die planmäßigeFörderung der religiösen Indifferenz oder des praktischen Atheismus“,wodurch die Entwicklung der Völker behindert werde: „Gott ist derGarant der wahren Entwicklung des Menschen, denn da er ihn nach sei-nem Bild geschaffen hat, begründet er auch seine transzendente Wür-de und nährt sein Grundverlangen, ‚mehr zu sein‘.“31 Zwar leistetenverschiedene Religionen einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung derVölker, zum Frieden und einer humanen Kultur, jedoch sei nicht vonGleichheit bzw. Gleich-Gültigkeit der Religionen auszugehen.32 Dassdie katholische Kirche an ihrem Wahrheitsanspruch festhält, auchwenn sie die Geschichtlichkeit (und damit Unabgeschlossenheit) derWahrheitssuche als Aufgabe des Menschen erkannt und anerkannthat, hatte die Konzilserklärung unmissverständlich klargestellt.33 Mitder anschließenden religionspolitischen Überlegung geht der Papst je-doch, wie es scheint, einen Schritt über diesen Konsens hinaus. Was erfordert, gerät mit dem Axiom der weltanschaulichen Neutralität undder respektvollen Nicht-Identifikation des säkularen Staates gegenüber

29 Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in Veritate, 2009 (Verlautbarungen des Apos-tolischen Stuhls 186, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz,Bonn 2009).30 Vgl. Heidemanns, Katja, Achtung der Religionsfreiheit und Pflicht zum christli-chen Zeugnis – ein Widerspruch? Katholisch-theologische Überlegungen im An-schluss an die Konzilserklärung „Dignitatis humanae“, in: Heimbach-Steins, Mari-anne / Bielefeldt, Heiner (in Kooperation mit der Deutschen Kommission Justitia etPax) (Hrsg.), Religionen und Religionsfreiheit. Menschenrechtliche Perspektivenim Spannungsfeld von Mission und Konversion (Judentum – Christentum – Islam.Bamberger Interreligiöse Studien 7), Würzburg 2010, 83 – 91, 89 – 91; Siebenrock,Roman A., Theologischer Kommentar zur Erklärung über die religiöse Freiheit Dig-nitatis humanae, in: Hünermann, Peter / Hilberath, Bernd Jochen (Hrsg.), Apostoli-cam actuositatem – Dignitatis humanae – Ad gentes – Presbyterorum ordinis –Gaudium et spes (Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten VatikanischenKonzil Bd. 4), Freiburg i. Br. 2005, 125 –218, 168.31 Alle Zitate: CiV 29, Hervorhebung i. Orig.32 Vgl. CiV 29.33 Vgl. DiH 1 und 2.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 265

Page 17: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

allen religiösen Bekenntnissen mindestens in Spannung: „Die Unter-scheidung hinsichtlich des Beitrags der Kulturen und Religionen zumAufbau der sozialen Gemeinschaft in der Achtung des Gemeinwohlsist vor allem für den, der politische Gewalt ausübt, erforderlich. SolcheUnterscheidung müsse sich auf das Kriterium der Liebe und derWahrheit stützen.“34 Das „Kriterium der Liebe und der Wahrheit“ be-zeichnet im Denken des Papstes nicht ein allgemein-religiöses Prinzip,sondern bildet die zentrale Chiffre des christlichen Dogmas. Damitwird der Anspruch an die politisch Verantwortlichen formuliert, sichan der christlichen Wahrheitsauffassung zu orientieren. Den politischVerantwortlichen wird nahe gelegt, zwischen den religiösen Bekennt-nissen je nach dem Gemeinwohlbeitrag der jeweiligen Religion Unter-schiede zu machen. Die antirelativistische Akzentuierung ist deutlich;konkrete Konsequenzen für die Auffassung des Politischen, für die Ak-zeptanz der Säkularität des Staates und für das Verhältnis zwischenStaat und katholischer Kirche werden an dieser Stelle nicht weitererörtert. Die Spannung zwischen dem Bekenntnis zur Religionsfreiheitund den entsprechenden Grenzen staatlicher Zuständigkeit auf der ei-nen Seite und der Erwartung, die politischen Machthaber möchtensich an christlichen Überzeugungen orientieren, auf der anderen Seitebleibt ungelöst.

Die Sorge gegenüber der Gefahr des Relativismus und Indifferentis-mus, die bis zu der strikten Ablehnung der Religions- und Gewissens-freiheit durch die Päpste des 19. Jahrhunderts zurückweist, hatte dasKonzil im Prozess des Ringens um die Religionsfreiheit nicht vollstän-dig ausräumen können und sie ist auch nach dem Konzil, nicht nurbei den traditionalistischen Randgruppen, weiterzuverfolgen.35 Wasim gegenwärtigen Pontifikat in der Schwerpunktsetzung des Papsteszum Tragen kommt, ist bereits während des vorherigen Pontifikatesin lehrhaften Äußerungen aus der römischen Kurie zu erkennen. Sobetont der Katechismus der Katholischen Kirche (1993) besonders dieVerpflichtung „der Gesellschaft zur Gottesverehrung“ (so ist es in derÜberschrift des einschlägigen Passus formuliert) und die Grenzen derReligionsfreiheit.36 Für Katholiken, die sich im politischen Leben enga-

34 CiV 55.35 Vgl. Delgado, Mariano, Vierzig Jahre ‚Dignitatis humanae‘ oder Die Religions-freiheit als Bedingung für Mission und interreligiösen Dialog, in: ZMR 89 (2005)297–310, 300.36 Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2104 –2109. Der Abschnitt, in

Marianne Heimbach-Steins266

Page 18: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

gieren, hatte die römische Glaubenskongregation unter ihrem Präfek-ten Kardinal Ratzinger im Jahr 2002 in einer Lehrmäßigen Note zu ei-nigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im po-litischen Leben die Gewissensverpflichtung auf die Moral- undSoziallehre der Kirche bekräftigt. In diesem Zusammenhang wird dieerstmals im Weltkatechismus explizit formulierte volle Übereinstim-mung zwischen der vom Konzil betonten Gewissens- und Religions-freiheit und „der Verurteilung des Indifferentismus und religiösen Re-lativismus“ durch Päpste des 19. Jahrhunderts festgestellt.37 DieseBetonung der Kontinuität zwischen der Konzilsposition zur Religions-freiheit und den kirchlichen Verurteilungen des „Relativismus“ und„Indifferentismus“ im 19. Jahrhundert findet man seither in verschie-denen römischen Dokumenten; sie dienen jeweils einer Begrenzungder Religionsfreiheit. „Diese Abgrenzungen … fügen sich in das Bildeines defensiven Lehramtes, das spätestens seit Anfang der 90er Jahredes vergangenen Jahrhunderts bemüht ist, das Konzil nicht als Moder-nisierung des Katholizismus, sondern als Bekenntnis zu einer ‚christli-

dem das Recht auf Religionsfreiheit angesprochen wird, steht unter dem Leitwortder Pflicht. In den beiden ersten Unterabschnitten (2104; 2105) kommt die Vokabel„Pflicht“ oder eines ihrer Derivate in fast jedem Satz vor; die Pflicht zur Gottesver-ehrung wird nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch „der Gesellschaft“auferlegt. Das Recht auf Religionsfreiheit als Recht auf Freiheit von Zwang in reli-giösen Dingen (2106; Zitat aus DiH 1) wird mit der Würde des Menschen in Ver-bindung gebracht (nur dieses eine Mal kommt das Wort „Würde“ vor, anders als inDiH, wo es eine leitmotivische Rolle spielt); hier wird nicht die Formulierung ausDiH übernommen, sondern eine Variante gewählt, die die naturrechtliche Ver-pflichtung auf die Wahrheit betont. Dass es sich um ein bürgerliches Recht handelt,das allen Einwohnern eines Staates zukommt, wird durch den folgenden Absatz(2107) unterstrichen, der als ganzer aus DiH 6 übernommen ist. Die beiden letztenAbschnitte handeln von den Grenzen der Religionsfreiheit und stellen über Fuß-notenverweise die Kontinuität zur Lehre des 19. Jahrhunderts her, explizit auch zuPius’ IX. Enzyklika Quanta cura. In der Gewichtung der Aussagen unterscheidetsich diese Behandlung der Religionsfreiheit damit nicht unwesentlich von Dignita-tis humanae.37 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen überden Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24.11.2002(Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 158, hrsg. vom Sekretariat der Deut-schen Bischofskonferenz, Bonn 2003), Nr. 8. Die Behauptung der Kontinuität wird(erst) seit dem Weltkatechismus 1993 auch auf die Päpste des 19. Jahrhunderts unddie von diesen ausgesprochenen Verurteilungen des religiösen Freiheitsrechts aus-gedehnt, vgl. Bischof, Franz Xaver, Steinbruch Konzil? Zu Kontinuität und Diskon-tinuität kirchlicher Lehrentscheidungen, in: MThZ 59 (2008) 194 –210, 202f.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 267

Page 19: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

chen Moderne‘ zu verstehen, zu der die deutliche Ablehnung von Re-lativismus, Indifferentismus und Liberalismus konstitutiv gehört. Manübersieht dabei, dass die Kirche im 19. Jahrhundert nicht nur diechristentumsfeindlichen ‚-ismen‘ ablehnte, sondern prinzipiell ein ‚ge-brochenes Verhältnis‘ zur modernen Freiheitsgeschichte hatte“38.

2.2 „Hermeneutik der Reform“

Zum hermeneutischen Fundament einer Konzilsinterpretation, dieKontinuität mit der vorausgehenden Tradition trotz der teils explizitkonträren Positionen zu Religions- und Gewissensfreiheit auszuweisenvermag, hat Papst Benedikt XVI. in der Anfangsphase seines Pontifi-kats (erneut) Stellung bezogen. In der „kaum anders denn als Grund-satzrede zu wertenden“39 Weihnachtsansprache an das Kardinalskollegi-um und die Mitarbeiter der Kurie vom 22. Dezember 2005 stellt er einer„Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruchs“40, die „Verwirrung

38 Delgado, Vierzig Jahre „Dignitatis humanae“, 301; vgl. auch Bischof, SteinbruchKonzil?, 203.39 Striet, Magnus, Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. und die Moderne, in: Hüner-mann, Peter (Hrsg.), Exkommunikation oder Kommunikation? Der Weg der Kir-che nach dem II. Vatikanum und die Pius-Brüder (QD 236), Freiburg i. Br. 2009,175 –205, 181; Roman Siebenrock liest die Äußerungen zur Religionsfreiheit in die-ser Rede des Papstes als „Vorzeichen“ der neuen Auseinandersetzung mit der Le-febvre-Bewegung: Siebenrock, Roman A., Wie die römisch-katholische Kirche zurReligionsfreiheit fand, in: Gabriel, Karl / Spieß, Christian / Winkler, Katja (Hrsg.),Religionsfreiheit und Pluralismus. Entwicklungslinien eines katholischen Lernpro-zesses (Katholizismus zwischen Religionsfreiheit und Gewalt 1), Paderborn 2010,19 – 40, 19.40 Die Diskontinuitätsthese wird seit dem Konzil einerseits von den traditionalisti-schen Gegnern der Anerkennung der Religionsfreiheit im Sinne einer Delegitimie-rung des Zweiten Vatikanums vertreten, als einer deren Wortführer von Anfang anErzbischof Marcel Lefebvre in Erscheinung getreten ist, vgl. Lefebvre, Marcel, Mesdoutes sur la liberté religieuse, Étampes 22000; andere Lesarten von theologischerwie von juristischer Seite konstatieren den Bruch zu den Moderne-feindlichenLehrpositionen des 19. Jahrhunderts als Voraussetzung für die Anschlussfähigkeitder Kirche an die Moderne und für ein konstruktives Verhältnis zum modernenStaat, vgl. hierzu besonders Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die Religionsfreiheit imSpannungsfeld zwischen Kirche und Staat (1967/1979), in: Ders. (Hrsg.), Religions-freiheit. Die Kirche in der modernen Welt (Schriften zu Staat – Gesellschaft – Kir-che 3), Freiburg i. Br. 1990, 33 –59. Papst Benedikt XVI. legt die „Hermeneutik derDiskontinuität“ noch einmal anders im Sinne einer angemaßten Freiheit aus, überdie Konzilstexte (mit ihren unvermeidlichen Kompromissen) hinaus den „Geist desKonzils“ zu entdecken, vgl. Benedikt XVI., Ansprache an das Kardinalskollegium

Marianne Heimbach-Steins268

Page 20: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

gestiftet“ habe, eine „Hermeneutik der Reform“ gegenüber, die „inStille“ Früchte getragen habe und noch trage.41 Den Gegensatz zwi-schen beiden macht der Papst am Verhältnis von Konzilstext und Kon-zilsgeist fest.42 Die „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruchs“suche über die vom Konzil verabschiedeten (Kompromiss-)Texte hi-nausgehend erst den „wahre(n) Geist des Konzils“ zum Ausdruck zubringen; dies offenbare ein Missverständnis bezüglich der „Natur einesKonzils“, das keine Verfassung gebende Versammlung sei. Die „eigent-liche Kirchenverfassung (komme) vom Herrn“, daher könnten die Bi-schöfe nur als „Treuhänder der Gabe des Herrn“ handeln und nicht alsVollstrecker eines Auftrags eines Souveräns, der das Ergebnis zu ratifi-zieren habe; die Konzilshermeneutik habe einer „Dynamik der Treue“zu folgen.43 Die Betonung von Treue und Kontinuität, die positiv mitder „Hermeneutik der Reform verbunden werden, deutet Gründe fürdie Ablehnung der „Hermeneutik der Diskontinuität“ zumindest an.Entscheidend ist, dass angesichts bestimmter unleugbarer Diskonti-nuitäten das Subjekt Kirche mit sich identisch bleibt: Eine „Herme-neutik der Diskontinuität“ aber berge das „Risiko eines Brucheszwischen „vorkonziliarer und nachkonziliarer Kirche“ in sich.44 Ge-schichtlich Neues fordert die Kirche zwar heraus, ihre Botschaft neuzu sagen, darf sie aber nicht als Subjekt affizieren.45 Mit Bezug auf dieEröffnungsansprache Johannes’ XXIII. zum Konzil stellt er fest, „dassder Versuch, eine bestimmte Wahrheit neu zu formulieren, es erfor-dert, neu über sie nachzudenken und in eine neue, lebendige Bezie-hung zu ihr zu treten; es ist ebenso klar, dass das neue Wort nur zurReife kommen kann, wenn es aus einem bewussten Verständnis derdarin zum Ausdruck gebrachten Wahrheit entsteht, und die Reflexion

und die Mitarbeiter der Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang vom 22. De-zember 2005, Nr. 172, 11.41 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 12f.42 Dazu schon: Ratzinger, Joseph, Theologische Prinzipienlehre. Bausteine zur Fun-damentaltheologie, München 1982, 400ff.; Striet, Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.und die Moderne, 181–185.43 Vgl. Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 11f.44 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 11.45 „Auf der anderen Seite gibt es die ‚Hermeneutik der Reform‘, der Erneuerung deseinen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kon-tinuität; die Kirche ist ein Subjekt, das mit der Zeit wächst und sich weiterent-wickelt, dabei aber immer sie selbst bleibt, das Gottesvolk als das eine Subjekt aufdem Weg.“ (Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 11).

Religionsfreiheit in der Bestreitung 269

Page 21: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

über den Glauben andererseits auch erfordert, dass man diesen Glau-ben lebt.“46 Vom Momentum des Neuen (neue Formulierung, neueBeziehung, das neue Wort) bleibt, so legt es der Text nahe, die Wahr-heit als solche unberührt; das „bewusste() Verständnis“, das sie for-dert, wird im Glauben gefunden, über den reflektiert und der getanwerden muss.47

Auf die Ansprache Papst Pauls VI. zum Konzilsabschluss verwei-send, geht Benedikt XVI. auf die Diskontinuitäten ein, welche dieNeubestimmung des Verhältnisses der Kirche zur Moderne48 mit sichgebracht habe; diese sei notwendig gewesen, weil das Verhältnis nachdem Prozess gegen Galilei in der Opposition zu Kants Vernunftkon-zeption und zu der „radikalen Phase“ der Französischen Revolution„vollkommen zerbrochen“49 gewesen sei. Aber die Moderne selbsthabe sich seit den Tagen der Französischen Revolution verändert, so-wohl hinsichtlich des Staatsverständnisses als auch des naturwissen-schaftlichen Selbstverständnisses und Weltverhältnisses, so dass „im-mer mehr Offenheit füreinander“50 habe wachsen können. Der Papstbeschreibt den Prozess des Wandels der Moderne als eine Art Selbst-begrenzung, dank derer auf den Ebenen der Wissenschaft und der po-litischen Ordnung nach einer Phase der totalen Verschließung gegen-über der Wirklichkeit Gottes eine neue Sensibilität für die Grenzen dermenschlichen Vernunft und Gestaltungsmacht erwacht sei. Folglichhabe die Kirche, die eine Zeitlang in scharfe Opposition zu der fürdie Wahrheit verschlossenen Moderne gehen musste, nun ihre Ver-urteilungen zurücknehmen können, ohne in der Substanz von ihrem

46 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 13. Man wird aber nichtübersehen können, dass der Tenor der Eröffnungsansprache „Gaudet mater eccle-sia“ in der Situation des Konzilsbeginns und des Aufbruchs aus einer Phase der Sta-gnation ein ganz anderer ist als der modernekritische und kulturpessimistischeGrundton, den der gegenwärtige Papst schon bald nach dem Ende des Konzils zuartikulieren begann.47 Wenn der Glaube als Disposition dessen, der die immer gleiche Wahrheit je neuannimmt und in Wort und Tun zum Ausdruck bringt, so (exklusiv) mit der „Her-meneutik der Reform“ verbunden wird, provoziert das zumindest die Frage, ob da-mit einer Hermeneutik der Diskontinuität die Dynamik des Glaubens implizit ab-gesprochen werden soll. Die Frage kann hier nicht beantwortet werden.48 Moderne wird als Epochenbegriff, nicht als Reflexionsbegriff verstanden; dieCharakteristika dieser Epoche im Verständnis Benedikts XVI. sind negativ kon-notiert, vgl. Striet, Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. und die Moderne, 185 –190.49 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 14.50 Ebd., 15.

Marianne Heimbach-Steins270

Page 22: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Kurs abzuweichen.51 Dieses „Zusammenspiel von Kontinuität undDiskontinuität“ auf verschiedenen Ebenen habe die Kirche selbst ver-stehen lernen müssen, um Diskontinuitäten in bestimmten Entschei-dungen eben nicht als „Bruch“, sondern als Kontinuität im Wesentli-chen deuten zu können.52

2.3 Religionsfreiheit – „ein tief verankertes Erbe“?

Diese hermeneutische Herangehensweise wendet Benedikt XVI. in sei-ner Ansprache explizit auf die konziliare Lehre über die Religionsfreiheitund damit auf eines der „heißen Eisen“ in der Auseinandersetzung mitder Piusbruderschaft an: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit demDekret (sic!) über die Religionsfreiheit einen wesentlichen Grundsatzdes modernen Staates anerkannt und übernommen und gleichzeitig eintief verankertes Erbe der Kirche wieder aufgegriffen.“53 Das Moment derDiskontinuität zu den vorausgegangenen Lehräußerungen wird nichtignoriert oder eingeebnet. Es ist aber nach dieser Lesart durch eine Kon-tinuität54 in den die Glaubenslehre im Kern betreffenden Fragen unter-

51 Ebd., 15f.52 „… dass die Entscheidungen der Kirche in Bezug auf vorübergehende, nicht zumWesen gehörende Fragen … notwendigerweise auch selbst vorübergehende Ant-worten sein mussten, eben weil sie Bezug nahmen auf eine bestimmte in sich selbstveränderliche Wirklichkeit. Man musste lernen zu akzeptieren, dass bei solchenEntscheidungen nur die Grundsätze den dauerhaften Aspekt darstellen, wobei sieselbst im Hintergrund bleiben und die Entscheidung von innen heraus begründen.Die konkreten Umstände, die von der historischen Situation abhängen und daherVeränderungen unterworfen sein können, sind dagegen nicht so beständig.“ (Bene-dikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 17). Ausführlicher und mit Bezugauf die Pastoralkonstitution des Konzils findet sich diese Einschätzung bereits dar-gelegt in: Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre, 398f.53 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 17. – Dignitatis humanaeist eine „Declaratio“ des Konzils, nicht ein „Decretum“, wie es hier genannt wird.54 Kontinuität bzw. Vermittlungsfähigkeit zwischen der Tradition der Kirche undder Erklärung über die Religionsfreiheit aufzuweisen, wurde im Konzil selbst vor al-lem von den „maßgeblichen Architekten“ des Dokuments, Bischof de Smedt unddem amerikanischen Jesuiten John Courtney Murray (Murray, John Courtney, Diereligiöse Freiheit und das Konzil. Zweiter Teil: Die aktuelle Kontroverse im Spiegelder Tradition, in: Wort und Wahrheit 20 (1965) 505–536), sowie in der nachkon-ziliaren Theologie u. a. von Walter Kasper (vgl. Kasper, Walter, Wahrheit und Frei-heit. Die Erklärung über die Religionsfreiheit des II. Vatikanischen Konzils. Vor-getragen am 28. November 1987 [Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie derWissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 4], Heidelberg 1988) vertreten.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 271

Page 23: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

fangen: Der Diskontinuität in der katholischen Staatslehre wird eineKontinuität in der Anerkennung des Glaubens als eines freien Aktesund der Gewissensfreiheit gegenübergestellt: Dies zeige sich in der Praxisder frühen Kirche mit der Ablehnung der Staatsreligion und dem Glau-benszeugnis der Märtyrer, die sich weigerten, den Kaiser anzubeten.55

Diese „Klammer“ der Kontinuität zwischen der frühen Kirche und demZweiten Vatikanischen Konzil in der Frage der Glaubens- und Gewis-sensfreiheit muss eine sehr weite geschichtliche und theologische Spanneüberbrücken. Auf der Ebene der Realgeschichte von Kirche und Theo-logie zwischen dem vierten und dem zwanzigsten Jahrhundert werdendie ganze „konstantinische Ära“ der Christenheit mit den eigensinnigenDynamiken der Allianz zwischen Kirche und römischem Staat in derSpätantike, zwischen den beiden Gewalten im Mittelalter sowie der neu-zeitlichen Konfliktgeschichte und die jeweils begleitenden lehrmäßigenund theologischen Legitimationen abgeblendet: auf der Basis des skiz-zierten hermeneutischen Konzepts sind sie auf einer nachrangigen Ebeneangesiedelt.56 Geschichte ist in dieser Lesart kein „theologischer Ort“; siebringt „Umstände“ hervor, in denen die Kirche sich bewähren muss.Während das depositum fidei unberührt von der Geschichte die Zeitenüberdauert, treten durch die wechselnden epochalen Verwirklichungs-gestalten der Kirche hindurch jeweils nur im Staatsverständnis Differen-zen auf, die dem Wechsel der Zeitläufte geschuldet sind.57

Systematisch erscheint es gleichwohl problematisch, zwischen demEintreten für die Glaubensfreiheit in der frühen Kirche und dem mo-dernen Verständnis von Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheitals Menschenrecht tatsächlich eine ungebrochene „Kontinuität im We-sentlichen“ zu behaupten.58 Kann das Zeugnis der Märtyrer für die

55 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 18. Vgl. dazu auch: Rhon-heimer, Martin, Religionsfreiheit – Bruch mit der Tradition?, in: NO 65 (2011)244 –261. Rhonheimer rekonstruiert die Logik des Ansatzes so, dass die Nicht-In-fragestellung der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes durch die unleugbarenAspekte der Diskontinuität als zentrales Ziel erscheint.56 Vgl. dazu auch: Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre, 409: Die Wechselfälleder Geschichte erscheinen als der Kirche letztlich äußerlich und fremd bleibende„Umstände“.57 Nach der apologetischen Argumentation von Rhonheimer ist „höchstens einAspekt der katholischen Soziallehre“, nicht aber die Ebene der Glaubenslehre be-troffen (Rhonheimer, Religionsfreiheit, 252).58 Die Konzilserklärung selbst argumentiert in ihrem theologischen Teil vorsichtig,indem sie die „Verwurzelung“ der Lehre über die Religionsfreiheit in der HeiligenSchrift (vgl. DiH 9) und insbesondere das Moment der Freiheit von Zwang als nor-

Marianne Heimbach-Steins272

Page 24: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Glaubensfreiheit – die gesamte Auseinandersetzung um das Verhältnisder Kirche zur neuzeitlichen Freiheitsgeschichte überspringend59 – mitdem modernen Verständnis der Religionsfreiheit so weitgehend iden-tifiziert werden, wie dies in der Ansprache Benedikts nahegelegtwird?60 Die Zeugnis- und Verweisqualität der altkirchlichen Praxis istvöllig unbestritten; eine geschichtliche Hermeneutik wird gleichwohldie voraussetzungsreichen politischen Entwicklungen, philosophi-schen Vermittlungsprozesse und theologischen Lernprozesse und dentiefgreifenden Wandel von Denkform und Begründungsmustern ein-beziehen müssen, die mit den bekannten Ungleichzeitigkeiten erst inder philosophischen und politischen Moderne zu einem Verständnisder Religions- und Glaubensfreiheit als Menschenrecht und zu derenAnerkennung durch die katholische Kirche geführt haben: Sie sindfür die jeweilige Kontextualisierung der christlichen Botschaft inihrem Kern alles andere als bedeutungslos. Das menschenrechtlicheProprium der Religionsfreiheit, das in der „ausschließliche(n) Begrün-dung durch den Respekt vor der unveräußerlichen Menschenwürde“61

liegt, kommt in einer Rekonstruktion unter dem Vorzeichen der „Her-meneutik der Reform“ nicht in den Blick; das Begründungsmuster,mit dem der Papst argumentiert, ist ein explizit anderes.62

Die harsche Zurückweisung der Religions- und Gewissensfreiheitdurch Gregor XVI. und Pius IX. lässt sich also nicht ohne weiteresdurch Eingrenzung der Diskontinuität auf die Staatslehre mit der Aner-kennung des religiösen Freiheitsrechtes als Menschenrecht im Konzilharmonisieren. Die Lehre über die Glaubensfreiheit hat aufgrund derEinwurzelung der theologischen Vernunft in die jeweiligen zeitlichen

mativen Anspruch in der Tradition der Väter aufzuweisen sucht (DiH 10) unddann narrativ „in einer trinitarisch profilierten und christologisch zentrierten bib-lischen Betrachtung das Ursprungsgeschehen des christlichen Glaubens und derKirche neu verortet“ unter der Leitidee der „Geduld Gottes in Jesus Christus“ (Sie-benrock, Theologischer Kommentar, 188; 190); vgl. dazu insgesamt ebd., 185 –196.59 Bischof, Steinbruch Konzil?, 197.60 Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 18.61 Striet, Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. und die Moderne, 199.62 Vgl. Benedikt XVI., Ansprache beim Weihnachtsempfang, 17: Die Religionsfrei-heit wird unmittelbar mit der Fähigkeit zur Wahrheitserkenntnis verknüpft und an-tirelativistisch eingeführt, ohne überhaupt die Rückbindung des religiösen Frei-heitsrechtes an die Würde der Person zu thematisieren, die für das Konzil explizitgrundlegend ist, vgl. dazu auch Striet, Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. und dieModerne, 198 –202.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 273

Page 25: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Wirklichkeiten und Auseinandersetzungen eine echte Entfaltung undEntwicklung erfahren.63 Mit der „Hermeneutik der Reform“ wird dieSpannung von Diskontinuität und Kontinuität im konkreten Bezugauf das Thema Religionsfreiheit durch die „Klammer“ von der Kircheder Märtyrer zur Moderne erheblich entschärft, indem beides gewisser-maßen enthistorisiert wird64; die um den Preis einer weitgehenden De-kontextualisierung behauptete Kontinuität überwölbt und überlagertdie Momente des Diskontinuierlichen, in denen das jeweilige Ringender Kirche um eine wirklich zeitgenössische und darin authentische Ge-stalt des Glaubens mit allen Chancen und Problemen ansichtig würde.

3. Die Piusbruderschaft und der Streit um die Religionsfreiheit

Die strikt antirelativistische Auslegung der konziliaren Lehre über dieReligionsfreiheit und die auf Kontinuität in Glaubensfragen fokussier-te „Hermeneutik der Reform“ bei Kardinal Ratzinger / Papst Bene-dikt XVI. sind im (kirchen-)zeitgeschichtlichen Kontext der bisher65

nicht abschließend geklärten, für den zukünftigen Weg der Kirche bri-

63 Vgl. auch Siebenrock, Theologischer Kommentar, 200.64 Mit Bezug auf das Jesus-Buch des Papstes spricht Striet pointiert von „Historisie-rungsverweigerung“ und mahnt demgegenüber eine konsequente „Historisierung“an, die im Sinne des Programms der Pastoralkonstitution die konkreten geschicht-lichen Kontexte des Glaubens als loci theologici ernst nimmt: Es gehört auch zu derGestalt des Glaubens, dass dessen „Bedeutung … in geschichtlicher Kontingenz an-geeignet und immer wieder neu unter sich verändernden Erfahrungskontexten undWissensbeständen ergründet werden will. Damit besitzt der Glaube ein Momentdynamischer Offenheit, welches unabschließbar ist, und zwar ohne dass damit inder Logik des Glaubens das Vertrauen aufs Spiel gesetzt würde, dass Gott seine Ent-schiedenheit für den Menschen endgültig offenbar gemacht hat.“ (Striet, JosephRatzinger / Benedikt XVI. und die Moderne, 203f).65 D. h. bis zum Abschluss dieses Manuskripts Mitte Juni 2012. – Den vorerst letz-ten Stand repräsentiert eine Pressemeldung des Vatikans vom 14. Juni 2012 über einGespräch des Präfekten der Glaubenskongregation, Kard. William Levada, mit demBischof der Piusbruderschaft, Bernhard Fellay, in dem diesem ein Dokument mitder Auswertung der zuletzt von der Piusbruderschaft veröffentlichten Stellungnah-me zu dem von der Glaubenskongregation vorgelegten Text einer doktrinalen Prä-ambel übergeben und zudem der Vorschlag zur Errichtung einer Personalprälaturgemacht worden sei, vgl. http://www.news.va/en/news/bishop-fellay-visits-the-congregation-for-the-doct. Alles dies deutet darauf hin, dass zwar noch keine Ent-scheidung vorliegt, aber seitens der römischen Autoritäten sehr weitgehende Be-reitschaft zum Entgegenkommen angeboten wird.

Marianne Heimbach-Steins274

Page 26: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

santen Frage der vollen Wiedereingliederung der traditionalistischenPiusbruderschaft in die katholische Kirche zu lesen. Aus der Vor-geschichte und den Debatten um die Erklärung zur Religionsfreiheitwährend des Konzils ist bekannt, dass eine kleine, aber wortgewaltigeund strategisch gut aufgestellte Gruppe von Gegnern der Religionsfrei-heit, zu denen von Anfang an Erzbischof Marcel Lefebvre66 gehörte, zukeinem Zeitpunkt des Meinungsbildungsprozesses im Konzil von ihrerstrikt ablehnenden Haltung abgewichen ist, auch nicht, nachdemtheologisch hatte geklärt werden können, dass die Anerkennung desPersonrechts auf Religionsfreiheit nicht als moralischer Freibrief fürideologische Beliebigkeit oder als Verzicht auf einen (ontologischen)Wahrheitsanspruch der Kirche verstanden werden könnte.67 Einenvon allen Bischöfen mitgetragenen Konsens in der Frage der Religions-freiheit hat das Konzil deshalb bis zuletzt nicht erreichen können; dieMinderheit von damals hatte sich mit der Ablehnung dieser für dasVerhältnis von Kirche und Moderne so bedeutenden Konzilsentschei-dung und deren theologischem Fundament an den Rand der Kirchebegeben.68 Hier liegt eine der entscheidenden Quellen für das nach-

66 Zu Lefebvre, seinem Werdegang und seinem ideologischen Hintergrund: Congar,Yves, Der Fall Lefebvre. Schisma in der Kirche?, Freiburg i. Br. 1977; Damberg, Wil-helm, Die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) und ihr politisch-geistes-geschichtlicher Hintergrund, in: Hünermann, Peter (Hrsg.), Exkommunikationoder Kommunikation? Der Weg der Kirche nach dem II. Vatikanum und die Pius-Brüder (QD 236), Freiburg i. Br. 2009, 69 –122.67 Vgl. Miccoli, Giovanni, Zwei schwierige Problemfelder: Die Religionsfreiheit unddas Verhältnis zu den Juden, in: Alberigo, Giuseppe / Wittstadt, Klaus (Hrsg.), Ge-schichte des Zweiten Vatikanischen Konzils 1959 –1965 Bd. 4, Mainz / Leuven 2006,110 –229; und Routhier, Gilles, Das begonnene Werk zu Ende führen. Die Mühender Vierten Sitzungsperiode, in: Alberigo, Giuseppe / Wittstadt, Klaus (Hrsg.), Ge-schichte des Zweiten Vatikanischen Konzils 1959 –1965 Bd.5, Mainz / Leuven 2009,57–213.68 Einen Überblick über die Entwicklung in der traditionalistischen Konzilsgegner-schaft in der ersten Nachkonzilszeit gibt u. a. Menozzi, Daniele, Das Antikonzil(1966 –1984), in: Pottmeyer, Hermann Josef / Alberigo, Giuseppe / Jossua, Jean-Pierre(Hrsg.), Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils. Düsseldorf 1986,403 – 431; zur Entwicklung der Lefebvre-Bewegung: Ahlers, Reinhild / Krämer, Peter(Hrsg.), Das Bleibende im Wandel. Beiträge zum Schisma von Marcel Lefebvre(Festschrift für Heribert Schmitz), Paderborn 1990; zur Rekonstruktion und theo-logischen Beurteilung der Entwicklung des Verhältnisses der Pius-Bruderschaft undihrer „Ableger“ zur römisch-katholischen Kirche: Hünermann, Peter, Exkommuni-kation – Kommunikation. Schichtenanalyse der Fakten – Theologische Beurtei-lung – Wege aus der Krise, in: Ders. (Hrsg.), Exkommunikation oder Kommunika-

Religionsfreiheit in der Bestreitung 275

Page 27: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

konziliare Schisma69, das mit der illegitimen Weihe von vier Bischöfender traditionalistischen Piusbruderschaft durch Erzbischof Marcel Le-febvre vollzogen wurde. Die Exkommunikation der illegitim geweih-ten Bischöfe wurde durch ein Dekret vom 21. Januar 2009 (also fastgenau 50 Jahre nach der Ankündigung des Konzils durch Johan-nes XXIII. am 25. Januar 1959) aufgehoben, ohne dass die Schismati-ker ihre Ablehnung zentraler Gehalte des Konzils revidiert hätten.70

Die Ablehnung zentraler Dokumente und Positionen des Konzilsdurch den suspendierten Erzbischof Lefebvre und seine Anhänger, so-wohl in der schismatischen Piusbruderschaft als auch in den von die-ser wiederum abgespaltenen traditionalistischen Gruppen, die nichtins Schisma folgen wollten, bezieht sich neben dem Ökumenismusund der Kollegialität der Bischöfe gerade auch auf die Religionsfrei-heit. Daher provoziert das römische Entgegenkommen gegenüber de-nen, die bis heute keinen Schritt zur Annahme der konziliaren Lehregetan haben71, die Frage: „Welchen Stellenwert … nimmt das Bekennt-nis zur Religionsfreiheit als Ausdruck des Respekts vor den Menschen-rechten in der katholischen Kirche ein, wenn gegenüber denjenigen,die sich explizit und ohne Unterlass davon abgrenzen, eine großzügigeGeste des Willens zur Versöhnung gemacht wird?“72

Nach den im ersten Teil des Beitrags skizzierten Kriterien eines re-ligiösen Fundamentalismus ist die Piusbruderschaft nicht nur als tra-ditionalistisch, sondern dezidiert als fundamentalistisch zu charakte-risieren.73 Kontinuierlich und ohne jede erkennbare Bereitschaft zueiner Verständigung, die der Gegenposition mindestens Legitimitätkonzedieren muss, geschweige denn zu einer Überprüfung der eige-nen, nicht mit dem letzten Konzil zu vereinbarenden Positionenwird ein Absolutheits- und Dominanzanspruch für die eigene Auffas-

tion? Der Weg der Kirche nach dem II. Vatikanum und die Pius-Brüder (QD 236),Freiburg i. Br. 2009, 13 – 68.69 So ausdrücklich festgestellt im Motu proprio Ecclesia Dei vom 2. Juli 1988, daszusammen mit dem Exkommunikationsdekret veröffentlicht wurde, vgl. DH 4821;dazu Hünermann, Exkommunikation – Kommunikation, 30.70 Vgl. dazu Hünermann, Exkommunikation – Kommunikation.71 Vgl. zu den aktuell vertretenen Sichtweisen der Piusbruderschaft u. a. http://pius.info/archiv-news/734-beziehungen_zu_rom/5520 – die-gespraeche-mit-rom-gehen-zu-ende-was-kommt-danach, Stand 05.07.12.72 Goertz, Stephan, Von der Religionsfreiheit zur Gewissensfreiheit. Erwägungen imAnschluss an Dignitatis humanae, in: TThZ 119 (2010) 235 –249, 235.73 Vgl. Damberg, Die Priesterbruderschaft St. Pius X., 114 –122.

Marianne Heimbach-Steins276

Page 28: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

sung reklamiert: Der traditionalistischen, weil statischen und ver-absolutierenden Fixierung auf einen bestimmten Abschnitt der Tra-dition (faktisch zwischen dem Konzil von Trient und dem ErstenVatikanischen Konzil) und mit der theologisch unhaltbaren Identifi-zierung der Kirche mit dem Reich Gottes entspricht die Ablehnungzentraler theologischer Gehalte des Konzils – namentlich derjenigenElemente, mit denen das Konzil den Weg der Öffnung auf die Moder-ne hin eingeschlagen hat: die Pastoralkonstitution Gaudium et spessowie die Erklärungen zum Ökumenismus, zum Judentum und zuden anderen Religionen, zur Religionsfreiheit, sowie die Liturgie-konstitution.74

Der eigene Anspruch, Recht zu haben und berufen zu sein, die ka-tholische Kirche auf den Weg der Wahrheit zurückzuführen, wird ineiner ausgesprochen militanten Sprache, mit ausgeprägter Kriegsrhe-torik und respektloser Polemik vorgetragen. Als die vorgeblich einzigwahre Vertretung der katholischen Kirche beansprucht die schismati-sche Splittergruppe, das „ewige Rom“ gegenüber dem modernistischabtrünnigen in Lehre und Ritus zu reetablieren. Dem autoritär vor-getragenen Anspruch, allein und gleichsam jenseits der Zeit in derWahrheit zu sein, der hierin zum Ausdruck kommt, kontrastiert einextrem verengtes Geschichtsbild, das um das Stichwort „Revolution“fokussiert ist: Der Französischen Revolution (präludiert durch die re-volutionären Impulse der Reformation und der Aufklärung) als säku-lares Einfallstor des Liberalismus, Modernismus, Atheismus entsprichtinnerkirchlich das Zweite Vatikanische Konzil als Einbruchstelle allerdieser verderblichen „modernistischen“ Strebungen in die Lehre derKirche, so dass der (von der Piusbruderschaft repräsentierten) wahren

74 Bereits Erzbischof Marcel Lefebvre hat in Bezug auf diese Gehalte des Konzilsund die entsprechenden Dokumente von „Zeitbomben“ gesprochen; diese kriege-rische Metapher hat der Obere der deutschen Abteilung der Piusbruderschaft,Franz Schmidberger, für den Titel eines seit mehr als 20 Jahren in verschiedenenVarianten kursierenden und publizierten Vortrags übernommen, der unter derÜberschrift „Die Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen Konzils“ eine der Haupt-quellen der aktuell vertretenen Positionen der Piusbrüder darstellt; vgl. dazu Dam-berg, Die Priesterbruderschaft St. Pius X., 93 –114. Zu der traditionalistischenKritik der Liturgietheologie vgl. Kranemann, Benedikt, Die Theologie des Pascha-Mysteriums im Widerspruch. Bemerkungen zur traditionalistischen Kritik katho-lischer Liturgietheologie, in: Hünermann, Peter (Hrsg.), Exkommunikation oderKommunikation? Der Weg der Kirche nach dem II. Vatikanum und die Pius-Brü-der (QD 236), Freiburg i. Br. 2009, 123 –151.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 277

Page 29: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

„katholischen“ Kirche die „konziliare Kirche“ als Verfallsprodukt ge-genübersteht.75

Wenn nun trotz der unwiderrufenen häretischen Positionen und deroffenkundig nicht gegebenen Überwindung der Gründe für die schis-matische Trennung die Exkommunikation der Bischöfe aufgehobenwurde, entsteht der Eindruck, der fundamentalistischen „Opposition“werde ein Platz innerhalb der Kirche in Aussicht gestellt, der den Leug-nern der Legitimität dieser Kirche Freiheiten gestattet, von innen herausdie katholische Kirche, die nicht ohne das letzte Konzil identifiziert wer-den kann, zu untergraben. Solches Entgegenkommen wäre für Identitätund Glaubwürdigkeit der Gesamtkirche geradezu gefährlich. Es gehtum mehr als „ein besseres Austarieren spannungsvoller Gegensätzeoder um mehr oder weniger gelungene Einzelformulierungen des ka-tholischen Glaubens. Vielmehr steht die Richtungsentscheidung überden zukünftigen Weg der Kirche erneut auf dem Spiel, die das Konziltreffen wollte, indem es sich für die Öffnung zur modernen Welt, fürdie Anerkennung ökumenischer Gemeinsamkeiten mit den orthodoxenund reformatorischen Kirchen sowie für das Gespräch mit dem Juden-tum und den Dialog mit den Weltreligionen aussprach.“76

Solch weitreichendes Entgegenkommen gegenüber den Pius-Brü-dern lässt befürchten, die „Heimholung“ der fundamentalistisch ver-härteten Schismatiker werde um den Preis einer gravierenden weiteren„Fundamentalisierung“ römischer Positionen77 erkauft; dies müsste

75 Das von Papst Benedikt ins Zentrum der Konzilshermeneutik gerückte Stichwort„Reform“ liest sich in diesem Kontext zugleich als Antwort auf das Stichwort „Re-volution“, das als Kristallisationspunkt der Abwehrstrategie der Piusbruderschaftbereits im Denken Marcel Lefebvres eine zentrale Rolle spielt, vgl. dazu Damberg,Die Priesterbruderschaft St. Pius X., 84 – 92.76 Schockenhoff, Eberhard, Versöhnung mit der Piusbruderschaft? Der Streit um dieauthentische Interpretation des Konzils, in: StZ 135 (2010) 219 –228; auch: Striet,Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. und die Moderne, 177.77 Fundamentalistische Denkweisen und Handlungsmuster sind nicht nur in denexplizit traditionalistisch ausgerichteten Gruppen in der katholischen Kirche (im-mer wieder genannt: Petrusbruderschaft; Engelwerk, Opus Dei, vgl. u. a. Beinert(Hrsg.), „Katholischer“ Fundamentalismus; Remele, Kurt, Katholischer Fundamen-talismus. Unterscheidungen – Erklärungen – Aufgaben, in: Six / Riesebrodt / Haas(Hrsg.), Religiöser Fundamentalismus, 53 – 68), sondern auch in doktrinalen Zu-sammenhängen (und deren Durchsetzungsmodi) zu beobachten; darin zeigen sichResiduen des Antimodernismus, der – so Klaus Kienzler – die eigentlich katholischeVariante des Fundamentalismus kennzeichnet (vgl. Kienzler, Klaus, Fundamentalis-mus und Antimodernismus im Christentum, in: Ders. (Hrsg.): Der neue Fun-

Marianne Heimbach-Steins278

Page 30: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Glaubwürdigkeit, Zeugniskraft und Kommunikationsfähigkeit der ka-tholischen Kirche in und mit der modernen Gesellschaft substantiellbeeinträchtigen. „Die Erschütterungen, die die Katholische Kircherund um die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Pius-bruderschaft ereilten, deuten … auf das prekäre Verhältnis zumindestdes kirchlichen Lehramtes zur modern gewordenen Welt hin.“78

Die Anerkennung / Nicht-Anerkennung der Religionsfreiheit isthierbei eines der entscheidenden Momente; letzten Endes steht darinimmer auch die Entscheidung über Anerkennung oder Nicht-Aner-kennung der Freiheit der Person als solche zur Debatte. Würde dasLehramt der Kirche es zulassen, dass dezidierte Leugner der Glau-bens-, Religions- und Gewissensfreiheit wieder in die volle Gemein-schaft der Kirche eingegliedert werden, würde es sich gar darauf ein-lassen, mit dieser Randgruppe über die authentische Auslegung vonKonzilstexten zu verhandeln (!), so wäre das nicht nur ein Schlag insGesicht sehr vieler Verantwortungsträger in Verkündigung und Wis-senschaft, die seit Jahrzehnten mit theologischer Akribie an der Aus-legung der Dokumente und der Umsetzung des Konzils arbeiten; eswäre auch und vor allem fatales Signal innerhalb der Kirche, gegen-über den Menschen, die in der katholischen Kirche der Freiheitsbot-schaft des Evangeliums trauen, und gegenüber all jenen Kräften, diein den unterschiedlichsten Gesellschaften und Staaten nach der Frei-heit des Denkens und des Glaubens streben und in denen vielfach ka-tholische Christen und die Kirche vor Ort nach Kräften ihren Beitragzum Gemeinwohl leisten: Das Evangelium der Freiheit verkünden zukönnen, verlangt, die Freiheit des Glaubens, die Freiheit der Wahr-

damentalismus. Rettung oder Gefahr für Gesellschaft und Religion?, Düsseldorf1990, 67– 91, 77): Bestimmte Positionen können nur in einer Haltung der Verwei-gerung gegenüber der Auseinandersetzung mit den Erkenntnismöglichkeiten undder Wissensentwicklung moderner Human-, Sozial- und Kulturwissenschaftenund um den Preis der Nicht-Vermittelbarkeit mit moderner Vernunft aufrecht-erhalten werden. Dies gilt unter anderem für die Fixierung bestimmter sexualmora-lischer Normen, über die hinaus zu denken immer noch bedeutet, ein Lehrverbotbzw. eine Indizierung relevanter Publikationen auf sich zu ziehen (s. den aktuellenFall der amerikanischen Moraltheologin Sr. Margaret Farley, vgl. http://www.oecu-mene.radiovaticana.org/ted/articolo.asp?c=593674, Stand 5.7.2012) und für essen-tialistische Normierungen des Geschlechterverhältnisses sowie die Bekämpfungdessen, was römische Verlautbarungen mit „Gender-Ideologie“ bezeichnen (vgl.Heimbach-Steins, Marianne, „… nicht mehr Mann und Frau“. Sozialethische Stu-dien zu Geschlechterverhältnis und Geschlechtergerechtigkeit, Regensburg 2009).78 Striet, Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. und die Moderne, 181.

Religionsfreiheit in der Bestreitung 279

Page 31: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

heitssuche aller Menschen anzuerkennen und dafür einzustehen. Dassdiese Position nicht kompromissfähig ist, darf nicht „Sondergut“ derersein, die diese Freiheit kompromisslos ablehnen: Mit der Anerken-nung der Religionsfreiheit als Menschenrecht, das in der Würde derPerson gründet, hat das Konzil eine Grenze markiert, hinter die keineAuslegung zurückfallen darf.

LiteraturAhlers, Reinhild / Krämer, Peter (Hrsg.), Das Bleibende im Wandel. Beiträge zum

Schisma von Marcel Lefebvre (Festschrift für Heribert Schmitz), Paderborn1990.

Beinert, Wolfgang, Der „katholische“ Fundamentalismus und die Freiheitsbotschaftder Kirche, in: Ders, (Hrsg.), „Katholischer“ Fundamentalismus? HäretischeGruppen in der Kirche, Regensburg 1991, 52–115.

Bischof, Franz Xaver, Steinbruch Konzil? Zu Kontinuität und Diskontinuität kirch-licher Lehrentscheidungen, in: MThZ 59 (2008) 194 –210.

Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die Religionsfreiheit im Spannungsfeld zwischen Kir-che und Staat (1967/1979), in: Ders. (Hrsg.), Religionsfreiheit. Die Kirche in dermodernen Welt (Schriften zu Staat – Gesellschaft – Kirche 3), Freiburg i. Br.1990, 33 –59.

Damberg, Wilhelm, Die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) und ihr politisch-geistesgeschichtlicher Hintergrund, in: Hünermann, Peter (Hrsg.): Exkom-munikation oder Kommunikation? Der Weg der Kirche nach dem II. Vatika-num und die Pius-Brüder (QD 236), Freiburg i. Br. 2009, 69 –122.

Delgado, Mariano, Vierzig Jahre ‚Dignitatis humanae‘ oder Die Religionsfreiheit alsBedingung für Mission und interreligiösen Dialog, in: ZMR 89 (2005) 297–310.

Ecclesia Catholica, Katechismus der Katholischen Kirche, München / Wien 1993.Först, Johannes, Auf die Theologie kommt es an! Religiöser Fundamentalismus und

die Notwendigkeit, „gute“ Theologie zu betreiben, in: BiLi 83 (2010) 4 –14.Goertz, Stephan, Von der Religionsfreiheit zur Gewissensfreiheit. Erwägungen im

Anschluss an Dignitatis humanae, in: TThZ 119 (2010) 235 –249.Goertz, Stephan, Theozentrik oder Autonomie? Zur Kritik und Hermeneutik der

Moral der Moderne bei Joseph Ratzinger / Benedikt XVI, in: Ethica 19 (2011)51– 83.

Heidemanns, Katja, Achtung der Religionsfreiheit und Pflicht zum christlichen Zeug-nis – ein Widerspruch? Katholisch-theologische Überlegungen im Anschluss andie Konzilserklärung „Dignitatis humanae“, in: Heimbach-Steins, Marianne / Bie-lefeldt, Heiner (in Kooperation mit der Deutschen Kommission Justitia et Pax)(Hrsg.), Religionen und Religionsfreiheit. Menschenrechtliche Perspektiven imSpannungsfeld von Mission und Konversion (Judentum – Christentum – Islam.Bamberger Interreligiöse Studien 7), Würzburg 2010, 83–91.

Heimbach-Steins, Marianne, „… nicht mehr Mann und Frau“. Sozialethische Studienzu Geschlechterverhältnis und Geschlechtergerechtigkeit, Regensburg 2009.

Heimbach-Steins, Marianne, Religionsfreiheit – ein Menschenrecht unter Druck,Paderborn 2012.

Marianne Heimbach-Steins280

Page 32: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Hünermann, Peter, Exkommunikation – Kommunikation. Schichtenanalyse derFakten – Theologische Beurteilung – Wege aus der Krise, in: Hünermann, Peter(Hrsg.), Exkommunikation oder Kommunikation? Der Weg der Kirche nachdem II. Vatikanum und die Pius-Brüder (QD 236), Freiburg i. Br. 2009, 13 – 68.

Hünermann, Peter (Hrsg.), Exkommunikation oder Kommunikation? Der Weg derKirche nach dem II. Vatikanum und die Pius-Brüder (QD 236), Freiburg i. Br.2009.

Hünermann, Peter (Hrsg.), Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vati-kanischen Konzil, 5 Bde., Freiburg i. Br. 2004 –2006.

Kasper, Walter, Wahrheit und Freiheit. Die Erklärung über die Religionsfreiheit desII. Vatikanischen Konzils. Vorgetragen am 28. November 1987 (Sitzungsberich-te der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-HistorischeKlasse 4), Heidelberg 1988.

Kienzler, Klaus, Fundamentalismus und Antimodernismus im Christentum, in:Ders. (Hrsg.): Der neue Fundamentalismus. Rettung oder Gefahr für Gesell-schaft und Religion?, Düsseldorf 1990, 67– 91.

Kienzler, Klaus, Fundamentalismus II. Religionsgeschichtlich, 2. Christentum, in:RGG Bd. 3 (42000) 415.

Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über denEinsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben vom 24. No-vember 2002 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 158, hrsg. vom Sekre-tariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003).

Küenzlen, Gottfried, Fundamentalismus I. Zum Begriff, in: RGG Bd. 3 (42000) 414.

Küenzlen, Gottfried, Fundamentalismus II. Religionsgeschichtlich, 1. Allgemein, in:RGG Bd. 3 (42000) 415.

Lefebvre, Marcel, Mes doutes sur la liberté religieuse, Étampes 22000.

Menozzi, Daniele, Das Antikonzil (1966 –1984), in: Pottmeyer, Hermann Josef / Al-berigo, Giuseppe / Jossua, Jean-Pierre (Hrsg.), Die Rezeption des Zweiten Vatika-nischen Konzils, Düsseldorf 1986, 403 – 431.

Miccoli, Giovanni, Zwei schwierige Problemfelder: Die Religionsfreiheit und dasVerhältnis zu den Juden, in: Alberigo, Giuseppe / Wittstadt, Klaus (Hrsg.), Ge-schichte des Zweiten Vatikanischen Konzils 1959 –1965 Bd. 4, Mainz / Leuven2006, 110 –229.

Papst Benedikt XVI., Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern anderer Re-ligionen im Rahmen der Apostolischen Reise in die Vereinigten Staaten vom17.4.2008. Online verfügbar unter: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/april/documents/hf_ben-xvi_spe _20080417_other-religions_ge.html, Stand 15.6.2012.

Papst Benedikt XVI., Ansprache beim Neujahrsempfang für die Mitglieder des amHeiligen Stuhl akkreditierten diplomatischen Corps vom 10.1.2011. Online ver-fügbar unter: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2011/january/documents/hf_benxvi_spe_20110110_diplomatic-corps_ge.html,Stand 15.6.2012.

Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in Veritate, 2009 (Verlautbarungen des Apostoli-schen Stuhls 186, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn2009).

Religionsfreiheit in der Bestreitung 281

Page 33: Fluchtpunkt Fundamentalismus? - Münsterangergun/leseprobe-fundamentalismus.pdf · Fluchtpunkt Fundamentalismus? Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral Herausgegeben von Stephan Goertz,

Papst Benedikt XVI., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2011. Online verfüg-bar unter: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/messa%20ges/peace%20/documents/hf_ben-xvi_mes_20101208_xliv-world-day-peace_%20ge.html,Stand 15.6.2012.

Papst Benedikt XVI., Ansprache an das Kardinalskollegium und die Mitglieder derRömischen Kurie beim Weihnachtsempfang vom 22. Dezember 2005, (Verlaut-barungen des Apostolischen Stuhls 172, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bi-schofskonferenz, Bonn 2006).

Remele, Kurt, Katholischer Fundamentalismus. Unterscheidungen – Erklärungen –Aufgaben, in: Six, Clemens / Riesebrodt, Martin / Haas, Siegfried (Hrsg.), Reli-giöser Fundamentalismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung (Querschnit-te 16), Innsbruck / Wien / München / Bozen 2005, 53 – 68.

Rhonheimer, Martin, Religionsfreiheit – Bruch mit der Tradition?, in: NO 65 (2011)244 –261.

Routhier, Gilles, Das begonnene Werk zu Ende führen: Die Mühen der Vierten Sit-zungsperiode, in: Alberigo, Giuseppe / Wittstadt, Klaus (Hrsg.), Geschichte desZweiten Vatikanischen Konzils 1959 –1965 Bd. 5, Mainz / Leuven 2009, 57–213.

Schäfer, Wilhelm Heinrich, Kampf der Fundamentalismen. Radikales Christentum,radikaler Islam und Europas Moderne, Frankfurt a. M. / Leipzig 2008.

Schockenhoff, Eberhard, Versöhnung mit der Piusbruderschaft? Der Streit um dieauthentische Interpretation des Konzils, in: StZ 135 (2010) 219 –228.

Schöttler, Heinz-Günther, An den Bruchkanten der Moderne. Fundamentalismenals Krisenphänomene, in: BiLi 83 (2010) 2– 4.

Seidel, Eberhard, Islamophobie, in: Bielefeldt, Heiner (Hrsg.), Jahrbuch Menschen-rechte 2009, Wien / Köln / Weimar 2008, 221–230.

Siebenrock, Roman A., Theologischer Kommentar zur Erklärung über die religiöseFreiheit Dignitatis humanae, in: Hünermann, Peter / Hilberath, Bernd Jochen(Hrsg.), Apostolicam actuositatem – Dignitatis humanae – Ad gentes – Presby-terorum ordinis – Gaudium et spes (Herders Theologischer Kommentar zumZweiten Vatikanischen Konzil Bd. 4), Freiburg i. Br. 2005, 125 –218.

Siebenrock, Roman A., Wie die römisch-katholische Kirche zur Religionsfreiheitfand, in: Gabriel, Karl / Spieß, Christian / Winkler, Katja (Hrsg.), Religionsfrei-heit und Pluralismus. Entwicklungslinien eines katholischen Lernprozesses (Ka-tholizismus zwischen Religionsfreiheit und Gewalt 1), Paderborn 2010, 19 – 40.

Six, Clemens / Riesebrodt, Martin / Haas, Siegfried (Hrsg.), Religiöser Fundamen-talismus. Vom Kolonialismus zur Globalisierung (Querschnitte 16), Innsbruck /Wien / München / Bozen 2005.

Sueddeutsche.de, Das Kreuz bleibt hängen. Urteil über Kruzifix in Schulen, 18.3.2011.Online verfügbar unter: http://www.sueddeutsche.de/ politik/2.220/urteil-ueber-kruzifix-in-schulen-das-kreuz-bleibt-haengen-1, Stand 27.4.2012.

Unterburger, Klaus, Unentrinnbare Moderne. Antimodernität, Modernität undRechtskatholizismus in der katholischen Kirche seit dem 19. Jahrhundert, in:BiLi 83 (2010) 26 –32.

Marianne Heimbach-Steins282