festschrift - oberschlettenbachvorliegende festschrift eine zusammenfassung - wiederum zufällig und...
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Festschrift
Zu den
700-Jahrfeiern
In Vorderweidenthal und
Oberschlettenbach
© 2013
Herausgeber:
Ortsgemeinde Vorderweidenthal und Oberschlettenbach
Gesamtredaktion:
Lothar Wagner, Dr. Jannpeter Zopfs
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Vorwort
Jannpeter Zopfs, Lothar Wagner
700-Jahre-Jubilaum für zwei Nachbargemeinden - was feiern wir da? Bei Licht
besehen eigentlich nur, dass es unsere Ortschaften unter bestimmten Namen gibt und
den Zufall, dass diese Namen - Widental und Slethenbach - vor gerade 700 Jahren
schon einmal aufgeschrieben wurden, mehr nicht.
Wenn zwei oder mehr Leute von einem nicht Anwesenden sprechen, müssen sie
sicher sein, dass sie denselben meinen. So wurde er dann seit je mit einem Namen
benannt und zur näheren Unterscheidung wurde bei gleichem Namen für mehrere
Leute noch die Herkunft hinzugefügt. Herkunft bedeutete zunächst einmal die
Abstammung. Noch heute nehmen deshalb die Isländer einfach den (Vor-)Namen
ihres Vaters und setzen dahinter „Sohn“oder „Tochter“: August Ludwikson, Anja
Ludwiksdottir. In allen nordischen Ländern, häufig auch in Norddeutschland findet
man in vielen Familiennamen darum die Nachsilbe „sen“oder „son“(z. B.
Detleffsen). Herkunft konnte aber auch besonders in Adelsnamen gemeint sein als
die Wohnstatt (Friedrich Vordemberge) oder der jeweilige Wohnort (Markward von
Annweiler). Natürlich setzt ein solcher Sprachgebrauch voraus, dass zumindest die
Beteiligung und deren Umgebung diese Wohnstatt oder diesen Wohnort kennen.
Zwangsläufig ergibt sich daraus, dass der Name eines bestimmten Ortes immer erst
lange nach der Gründung dieses Ortes so allgemein sieh eingebürgert hat, dass man
diesen Ortsnamen als Herkunfts - und Unterscheidungsmerkmai verwenden kann.
Damit steht fest, dass die die erstmalige urkundliche Erwähnung eines Ortes immer
voraussetzt, dass es diesen Ort unter diesem Namen anerkanntermaßen schon lange
gab. „Slethenbach“ und „Widental“sind demgemäß deutlich mehr als 700 Jahre alt.
Weiter und vor allem ist zu bedenken, dass der Anlass für eine urkundliche
Erwähnung in jedem Einzellfall ebenso zufällig sich ergeben hat wie der Umstand,
dass ausgerechnt diese Urkunde über all die Jahre aufbewahrt und erhalten worden
ist. Meistens lag das daran, dass mit der Urkunde eine besondere Berechtigung
nachgewiesen werden sollte - im Fall unserer Ortschaften das verhasste sogenannte
„Besthauptrecht“ des Klosters. Oder es sollte ein Rechtsgeschäft wie Kauf,
Verpachtung Vererbung, Belohnung unangreifbar gemacht werden: Wer schreibt,
der bleibt! Aber wer konnte damals schon schreiben? Die meisten Mensehen nicht,
nicht einmal im Kloster. Das änderte sich sehr langsam. Je näher man an die heutige
Zeit kommt, umso zahlreicher werden die auffindbaren Schriftstücke. Und im Fall
unserer Dörfer kommt der glückliche Umstand hinzu, dass die Burg Lindelbrunn -
die wir mit dieser Festschrift auch und besonders und zu Recht feiern - schon etwa
100 Jahre vor 1313 gebaut wurde.
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Jedenfalls ist eine mehrhundertjährige Wiederkehr eine gute Gelegenheit nicht nur
zu feiern, sondern über die vergangenen vielen hundert Jahre ebenso nachzudenken
wie über das, was wir aus ihnen gelernt oder auch nicht gelernt haben. So ist die
vorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig
von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens
und Nach-Denkens.
Meistens wird beim Ortsjubiläum versucht, mehr oder minder genau und ausführlich
über die Entwicklung des Ortes, über die Ortsgeschichte und -vereine zu berichten
unter Gesichtspunkten „bekannte Ereignisse oder Personen“, „wirtschaftliche
Veränderungen“, „Kirchen- und Schulhistorie“, „Vereinsleben und
Ortsbräuche“usw. usw. Weil nun aber für unsere beiden Ortschaften die
maßgeblichen Vereine, der Sportverein „Blau Weiß „Vorderweidenthal und der
Männergesangsverein Oberschlettenbach in den letzten Jahren aus dem Anlass
großer Vereinsjubiläen eigene umfangreiche Festschriften herausgegeben haben,
soll hier nur auf diese Vereinschroniken verwiesen werden.
Es soll mit dieser Festschrift versucht werden, einen umfassenden Gang durch die
häufig gleichläufige Geschichte unserer Ortschaften zu gehen. Daneben behandeln
einzelne besondere Geschichten Merkwürdigkeiten, die sich gewissermaßen
beispielhaft zugetragen haben und so das Alltagsleben damals kenntlich machen
können. Im Vordergrund sollen nicht die Leistungen, Erfolg und Errungenschaften
unserer Gemeinden stehen. Eher gilt es, immer wieder hervorzuheben, aus welchen
zufälligen Ursachen gerade diese beschriebenen Menschen und ihre Umstände sich
für uns in irgendwelchen Schriftstücken so erhalten haben, dass wir von ihnen
berichten können. Vielleicht sehen wir dann, dass ein großartiges Denkmal oder eine
bewundernde Beschreibung im Gedieht oder in der Chronik weniger Eigenständiges
oder Beispielhaftes zeigen kann als ein Alltagsbild.
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Autorenverzeichnis
Dr. Martin Armgart, Speyer Richard Kalkofen †, Oberschlettenbach
Alwin Becker, Vorderweidenthal Kurt Seegmüller
Martin Buse, Oberschlettenbach Rolf Übel M. A., Landau
Monika Cämmerer †. Karlsruhe Siegfried Vater, Billigheim- Ingenheim
Friedhelm Hans, Landau Lothar Wagner. Vorderweidenthal
Artur Helfer. Vorderweidenthal Dr. Dietmar Wittenberg,
Oberschlettenbach
Walter Hunsicker, Oberschlettenbach Heinz R. Wittner. Großfischlingen
Gero Kaleschke. Speyer Dr. Jannpeter Zopfs, Oberschlettenbach
Für den Inhalt der Beiträge sind die Verfasser verantwortlich.
Die ausgeber bedanken sich bei allen Leihgebern für die überlassenen Fotos und
bildlichen Darstellung.
Bildnachweis:
Becker, Alwin S. 292, 294, 295
Berthold. Johannes S. 161, 163, 175
Franck H. U.: S. 51, 220
Hans Friedhelm S. 96, 105, 125, 126, 130, 137, 139, 143,
144, 147, 149, 150, 152, 153, 154, 157,
172, 173, 174, 176, 179, 187, 188
Hauptstaatsarchiv München S. 17
Hüther, Hans- Günter S. 53, 61, 68, 70. 75. 76, 79, 82, 84, 85, 88,
194, 197-198, 205, 208-211, 255, 278, 299
Kaleschke, Gero S, 183
Kunstdenkmäler der Pfalz S. 119
Landesarchiv Speyer S.63, 228, 250
National Arches, Washington (DC) S.91
Pfalzatlas S, 99
Stadtarchiv Landau S. 253
Übel Rolf S. 30, 32-34, 37
Institut für Pfälzische Geschichte
Und Volkskunde, Kaiserslautern S. 21,24, 27. 35, 38
Van Schie, Paul S.255
Vater, Siegfried S,302,303,
Wagner, Lothar S.74,83, 145, 156, 192.270,348
Weber, Otmar S. 269
Wittenberg, Ditmar S. 341-345
Zeitgenössische Darstellung S.55
Zentralarchiv Speyer S.94
Zopfs, Jannpeter S.275
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Grußwort
700 Jahre Oberschlettenbach und Vorderweidenthal
700 Jahre ist es nun her, dass die Existenz von Oberschlettenbach und
Vorderweidenthal schriftlich belegt ist. Beide Gemeinden werden in ein und
derselben Urkunde erstmals erwähnt und können deshalb 2013 gemeinsam ihr
Jubiläum feiern. Im Namen der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Südliche
Weinstraße gratuliere ich beiden Ortsgemeinden ganz herzlich zu diesem runden
Geburtstag.
Auch im weiteren Verlauf ihrer Geschichte hatten beide Gemeinden vieles gemein.
In der schönen Festschrift, die Sie gerade in den Händen halten, können Sie sich über
die wichtigsten Stationen dieser gemeinsam erlebten Vergangenheit informieren.
Sehr schnell werden Sie dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass es eine „gute alte
Zeit“nie gegeben hat. Jahrhundertelang war das Leben der Menschen in
Oberschlettenbach und Vorderweidenthal von Härte und Mühsal geprägt. Die
idyllische Lage beider Dörfer darf darüber nicht hinweg täuschen. Viel Armut
herrschte in jenen Waldgemeinden. Was es noch vor einhundert Jahren bedeutete,
dort Landwirtschaft zu treiben, können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen.
Es gehört aber auch zu den Gemeinsamkeiten der Bewohner dieser zwei Gemeinden,
dass sie schon immer ihr Schicksal in die eigene Hand genommen haben. Manche
wanderten aus, um ihr Glück in der Ferne zu finden, die meisten aber blieben und
versuchten die Verhältnisse vor Ort zu verbessern. Mit welchem Ergebnis ihnen dies
gelungen ist, davon kann sich jeder überzeugen, der heute mit offenen Augen durch
Oberschlettenbach und Vorderweidenthal geht. Er sieht zwei schöne Dörfer, deren
Bewohner zu Recht stolz darauf sein können, was sie und ihre Vorfahren erreicht
haben.
Mit dem Buch haben sich beide Gemeinden ein sehr nachhaltiges Geschenk selbst
bereitet. Noch in vielen Jahren wird die Festschrift „das“Geschichtsbuch
Oberschlettenbachs und Vorderweidenthals sein. Ich wünsche dem Werk die gute
Aufnahme, die es verdient und kann Ihnen nur raten: Lesen sie die Chronik von
vorne bis hinten - Sie werden es nicht bereuen.
Mit freundlichen Grüßen
Theresia Riedmaier
Landrätin
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Grußwort
700 Jahre Oberschlettenbach und Vorderweidenthal
Ortsjubiläen zu feiern hat in der Südpfalz Tradition. Dass aber zwei Dörfer
zusammen das 700-jährige Jubiläum ihrer ersten Erwähnung in einer Urkunde
begehen können, ist ungewöhnlich. Und dass die beiden Gemeinden auch noch
gemeinsam ein Buch zum Ortsjubiläum auflegen, kann man mit Fug und Recht als
Novität bezeichnen.
Begründet ist dies allemal: Vorderweidenthal und Oberschlettenbach werden beide
in einer Urkunde aus dem Jahre 1313 erstmalig genannt. Und sie haben über
Jahrhunderte eine fast gemeinsam zu nennende Geschichte, gehörten sie doch bis
zur Französischen Revolution zu den Dörfern des leiningisch - hardenburgischen
Amtes Lindelbrunn und bildeten auch zeitweise eine gemeinsame Schultheißerei.
Auch nach der Revolution, in der beide Dörfer selbstständig wurden, rissen die
Gemeinsamkeiten nicht ab - auch unter bayerischer Verwaltung ab 1816 blieb eine
gemeinsame Verwaltung zumindest zeitweise bestehen, die gerade in unserer
Verbandsgemeinde Bad Bergzabern ihren Ausdruck findet.
Bei so vielen historischen Gemeinsamkeiten bot es sich regelrecht an, auch die
Geschichte der beiden Dörfer in einer gemeinsamen Publikation zu den Dorfjubiläen
aufzuarbeiten - dies geschah hiermit zum ersten Mal. Die Ortsgemeinden feiern wohl
getrennt, aber das hier vorliegende Buch ist Ausdruck ihrer Verbundenheit über viele
Generationen - und auch Ausdruck des gemeinsamen Erinnerns an die Jahrhunderte
gemeinsam erlebter und auch erlittener Geschichte, von Freud und von Leid, Aufbau
und Zerstörung. Und hierzu sollen ja Ortsjubiläen auch dienen, zur gemeinsamen
Rückschau auf eine oft gemeinsame Geschichte. Vorderweidenthal und
Oberschlettenbach haben hier einen neuen Weg beschritten, einen gangbaren und
guten Weg. Ich wünsche dem gemeinsamen Jubiläumsbuch der beiden Orte eine
gute Aufnahme und den beiden Festwochenenden vom 14. bis 16. Juni bzw. vom
16. bis 18. August den wohlverdienten Erfolg.
Die 700- Jahrfeiern von Oberschlettenbach und Vorderweidenthal mögen den
Bürgerinnen und Bürgern Anlass sein, auf das Geleistete mit Stolz zurückzublicken.
Das festliche Jubiläum sei ihnen aber auch Ansporn, den gemeinsamen Weg weiter
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zu beschreiten, zum Wohle nicht nur ihrer Gemeinden, sondern auch der gesamten
Heimatregion.
Im Namen von Rat und Verwaltung unserer Verbandsgemeinde Bad Bergzabern und
auch persönlich überbringe ich den Jubiläumsgemeinden Oberschlettenbach und
Vorderweidenthal meine besten Wünsche für eine glückliche Zukunft. Den
Bürgerinnen und Bürgern wünsche ich viel Freude an ihrer neuen Ortschronik und
einen guten, fröhlichen Verlauf des Jubiläums 700 Jahre in Oberschlettenbach und
Vorderweidenthal.
Ihr
Hermann Bohrer,
Bürgermeister Verbandsgemeinde Bad Bergzabern
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Grußwort
700 Jahre erste urkundliche Erwähnung von
Vorderweidenthal. Das ist ein Anlass für mich, allen Bürgerinnen und Bürgern der
Ortsgemeinde meine herzlichsten Grüße und Glückwünsche zu übermitteln.
Mit der Jahreszahl 1313 tritt das Dorf Vorderweidenthal in die niedergeschriebene
Geschichte ein. Die 700 Jahre spiegeln Leid und Lebenswerk vieler Generationen
wieder, die alle Höhen und Tiefen unserer geschichtsträchtigen Südpfalz miterlebt
haben. Anfangs regiert von den Herren von Lindelbrunn, den Grafen von Leiningen,
wurde die Bevölkerung im 30-jährigen Krieg fast völlig ausgelöscht. Nach der
französischen Revolution Frankreich einverleibt, regierten uns hernach die Könige
von Bayern. Im 3. Reich in der „Roten Zone“des Westwalls gelegen, mussten die
Bürger zu Beginn des Krieges ihr Dorf in Richtung Oberfranken verlassen. Um einer
weiteren Evakuierung zu entgehen, erwarteten die Menschen das Kriegsende im
Stollen unterm Rappenfelsen, einem halb fertigen Lazarettbunker des Westwalls.
Alle diese Themen und die weitere Geschichte sowohl unseres Dorfes als auch jene
von Oberschlettenbach behandelt das Buch, das Sie gerade zu lesen beginnen. Sie
werden sehen, es lohnt sich, mehr über unsere beiden Dörfer zu erfahren. In
mühevoller Kleinarbeit haben unser 1. Beigeordneter Lothar Wagner und Dr.
Jannpeter Zopfs aus Oberschlettenbach aus verschiedenen Archiven das Material
über unsere Dörfer zusammengetragen. Beiden gilt mein besonderer Dank sowie
auch allen anderen Autoren. Dem gelungenen Werk wünsche ich eine gute
Aufnahme und eine rege Nachfrage.
Danken möchte ich allen, die sich im Festjahr in vielfältiger Weise engagieren, damit
wir am Ende auf ein gelungenes Jahr zurückblicken können.
Den Gästen, die anlässlich des Jubiläums zu uns nach Vorderweidenthal kommen,
wünsche ich einen angenehmen Aufenthalt und allen Veranstaltungen einschließlich
des Festumzuges guten Verlauf.
Artur Helfer
Ortsbürgermeister
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Grußwort
Zum 700-jährigen Bestehen entbiete ich unserer Gemeinde
Oberschlettenbach auch im Namen des Gemeinderates und persönlich herzliche
Grüße und Glückwünsche.
Unser Ortsjubiläum soll für alle Bürgerinnen und Bürger Anlass sein, sich mit der
wechselvollen Geschichte unserer Heimat zu beschäftigen. Wir sollten dabei auch
der beispielhaften Leistungen unserer Generationen gedenken, die auf den
Trümmern des letzten Krieges und der Naziherrschaft wieder einen demokratisch
und wirtschaftlich gesunden Staat aufgebaut haben.
In den 700 Jahren hat sich eine starke und unverwechselbare Lebensgemeinschaft
geformt. Heimat wurde als tragendes Fundament des dörflichen Lebens in der heute
knapp 150 Einwohner zählenden Gemeinde erfahren und dank Fleiß und Bürgersinn
zum wichtigsten Faktor für die ausgezeichnete Lebens-und Wohnqualität in
Oberschlettenbach entwickelt.
Nicht vergessen darf ich an dieser Stelle unseren 1881 gegründeten Männerchor der
mit der Geschichte unserer Gemeinde eng verbunden ist. Als tragende Säule des
örtlichen Kulturlebens hat er auch im kommunalen Bereich seinen
gemeinschaftsförderten Beitrag geleistet.
Ganz besonders freut es mich, dass wir in diesem Jahr die 700. Wiederkehr der ersten
urkundlichen Nennung im Jahre 1313 gebührend feiern dürfen. Ich darf Sie deshalb
herzlich einladen, beim Dorfjubiläum in Oberschlettenbach dabei zu sein. Freuen
Sie sich mit mir auf ein erlebnisreiches und sicherlich unvergessliches
Festwochenende vom 14. - 16. Juni 2013.
Ihr
Karl Walter
Ortsbürgermeister
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Inhaltsverzeichnis Seite
TEIL l: Geschichte
Erste urkundliche Erwähnung 1313 ............................................................ 13
Burg Lindelbrunn ........................................................................................ 21
Lindelbrunn (Gedicht) .................................................................................. 42
Ein Gang durch die Geschichte ................................................................... 43
Protestantische Kirchengemeinde Vorderweidenthal .................................. 95
Ereignisse im 19. Jahrhundert .......................................................... 113
Zwischen den Zeiten (nach dem Ersten Weltkrieg) ......................... 136
Von der Konsolidierung der Nachkriegszeit bis zum Ende
des 20. Jahrhunderts ........................................................................ 146
Die gotische Glocke von Vorderweidenthal und ihre Geschwister ... 168
Die Orgel(n) der protestantischen Kirche in Vorderweidenthal ................ 180
Tabellarischer Überblick zur jüngeren Geschichte (1991 bis 2013) ........... 189
Vorderweidenthal nach dem 2. Weltkrieg .................................................. 193
Oberschlettenbach nach dem 2. Weltkrieg ................................................ 208
Bürgermeister von Vorderweidenthal und Oberschlettenbach .................. 214
TEIL 2: Geschichten
Das „Amt“Lindelbrunn und der 30jährige Krieg ...................................... 215
Lindelbrunn und ein alter Schlettenbacher Name ..................................... 224
Unter französischer Fahne .......................................................................... 233
Todesstrafe für Meuchelmörder .................................................................. 246
Vom Wässern und Streiten in früheren Zeiten............................................ 254
Jüdisches Leben in Vorderweidenthal ....................................................... 259
Der gute Tod der Blümel Levie ................................................................. 271
Schlettenbachs Kampf um die Post ........................................................... 274
Vorderweidenthals Schicksalstage in den Jahren 1944/45 ........................ 280
TEIL 3: Dorfbilder
Stollenanlage Vorderweidenthal ............................................................... 289
Das Forsthaus Lindelbrunn ....................................................................... 297
Vum Roulschde un Brounerdsegg ............................................................. 300
Als das elektrische Licht nach Oberschlettenbach kam ............................ 333
Städter ziehen ins Dorf .............................................................................. 339
Die alten Gesichter der Langwiese (Eine Porttraitserie) ........................... 341
De Pingschdequack - ein alter Brauch in Oberschlettenbach .................... 346
Die Sage vom Lindenmütterlein ............................................................... 350
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Erste urkundliche Erwähnung - Wernherus de Slethenbach und andere Vorderweidenthaler bezeugen 1313 Klingenmünsters Recht auf Besthaupt, Bestkleid und Bannwein
Martin Armgart
„Item de Widental Crutwinus, Conzelinus filius Rudolfi, dictus Hetzel, Hertwicus,
Anshelmus, Waltherus et Wernherus de Slethenbach“. Vor 700 Jahren machte sich
eine Gruppe Vorderweidenthaler auf nach Speyer. Darunter war ein Mann, dessen
Herkunftsname nach Oberschlettenbach verweist.
Sicherlich geschah dieses häufiger. War doch Speyer im Mittelalter die weitaus
größte Stadt der Region, der Sitz des Bischofs (und Standort eines mächtigen Doms)
und ein zentraler Handelsplatz. Doch 1313 wurde die Anwesenheit beurkundet. Die
Urkunde hat sich bis heute erhalten: ein Pergamentblatt von etwa 40 x 28 cm. An
Pergamentstreifen sind Siegel angehängt. Ein auch optisch schöner Anblick ist sie,
die älteste urkundliche Erwähnung des Ortes.1 Seit diesem Jahr lässt sich die
Geschichte des Ortes anhand von schriftlichen Dokumenten nachverfolgen, wenn
auch zunächst in geringer Zahl: Nächste Nennungen 2 geschehen in einer Urkunde
von I386, die sich heute in einem westfälischen Adelsarchiv befindet3, und einer
Urkunde von 1428 im Landesarchiv Speyer. Beide sind ebenfalls im Original
erhalten.
Die sieben Vorderweidenthaler waren „iurati“, geschworene Vertreter des Dorfes.
Und nicht nur aus dem heutigen Vorderweidenthal, auch aus neun weiteren Dörfern
der Umgebung gingen Vertreter nach Speyer, insgesamt 35 „iurati“. Mit aufgemacht
hatte sich der Abt des Klosters Klingenmünster, Initiator der Aktion.
Uralte bislang in der örtlichen Tradition überlieferte Rechte sollten dort schriftlich
und in bester Form fixiert werden. Klingenmünster4 gehört zu den ältesten Klöstern
unserer Region. Ob es im 7. oder erst im frühen 8. Jahrhundert entstand - dieser
Forschungsstreit 5 braucht uns hier nicht zu berühren. Und auch darüber, wann die
Dörfer entstanden, aus denen Vertreter nach Speyer gingen, soll nicht spekuliert
werden. Ein festes Datum haben wir immerhin dank der Urkunde: im Jahre 1313 „in
die beati Galli confessoris“, am Festtag des heiligen Gallus, nach heutigem Kalender
am 16. Oktober, waren all diese Dorfvertreter in Speyer.
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Zwei Optionen, eine Beurkundung allgemeiner Glaubwürdigkeit zu erlangen, gab es
in dieser Stadt. Die beiden höchsten Geistlichen, der Bischof und der Dompropst
(gleichzeitig Archidiakon für den linksrheinischen Teil der damaligen Speyerer
Diözese), hatten zunächst selbst Gericht gehalten und geurkundet. Im späten 13.
Jahrhundert wurden Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit delegiert: die Richter des
bischöflichen Hofgerichtes (iudices curie Spirensis) bzw. der Offizial des
Dompropstes fungierten als Urkundenaussteller.6 Eine Steigerung war die (relativ
seltene) gemeinsame Gerichtssitzung beider Einrichtungen. Eine derartige
Gelegenheit nutzte nun der Klingenmünsterer Abt.
Der Urkundentext teilt nur das Datum der Gerichtssitzung mit: „in nostra
praesencia“- in Gegenwart der Richter gaben die Vertreter der zehn Dörfer ihre
einmütige Auskunft, was altes Recht war. Doch dürfte naheliegen, dass die
schriftliche Bestätigung, der uns heute vorliegende Urkundentext, sehr bald danach
ausgefertigt wurde. Von den 1313 angebrachten Siegeln der beiden Gerichte hängt
noch das des Oftmals. Es zeigt Christus als Weltenrichter mit Kreuznimbus und zwei
Schwertern über dem Mund. Das Siegel des geistlichen Gerichts ist hier zerbrochen,
aber aus vielen anderen Belegen bekannt: Abgebildet wird eine Gerichtszene: Auf
einer Bank sitzt ein Richter, auf Kopf ein Barett, in der ausgestreckten Rechten eine
Waage. Die linke Hand hat er auf die Brust gelegt.7
Welche alten Rechte waren dem Abt diesen Aufwand wert: Die in den zehn Dörfern
lebenden Eigenleute des Klosters (persona sancti Michahelis in Clingenmuenster)
nutzten Eigentum des Klosters (bonis sancti Michaelis). Im Laufe der Zeit war eine
Weitergabe des Nutzungsrechtes an die Erben üblich geworden. Als Gegenleistung
dafür (und zugleich als Erinnerung der Eigentumsrechte Klingenmünsters) musste
dem Abt bzw. dessen Nachfolger aus dem Nachlass das beste Stück Vieh gegeben
werden. Eingebaut war ein Schutz vor bäuerlichem Existenzverlust: War nur (noch)
ein Stück Vieh im Stall, wurde von der Abgabe abgesehen. Beim Tod einer dem
Kloster gehörigen Frau hatte der Abt ähnliche Rechte. Hier mussten die Erben das
beste Kleid abgeben. War nichts vorhanden, mussten die Erben einen Geldbetrag
zahlen, ein Schilling Heller (Münzen nach der Art von Schwäbisch-Hall). Durch
diese Besthaupt bzw. Bestkleid benannte Todfall - Abgabe wurde die persönliche
Abhängigkeit denkbar deutlich manifestiert: bäuerliche Existenz ist nur „geliehen“,
gebunden an den Abt als ihrem Oberherrn.
Ein zweites herrschaftliches Recht ließ sich der Abt bestätigen. Es wurde hierfür
gleich der deutsche Begriff angeführt, „rulgariter dicuntur banwin“. Das
Bannweinrecht8 erlaubte dem Herrn, zu bestimmten Zeiten allein zum
Weinausschank berechtigt zu sein. Klingenmünster besaß es zweimal im Jahr für
jeweils zwei Wochen (quindena, eigentlich 15 Tage): Zuerst genannt wird die Zeit
ab dem Fest des Klosterheiligen St. Michael - wenn besonders viele Besucher zur
Kirchweih nach Klingenmünster reisten. Der Termin, der 29. September, lag ebenso
in der Herbstzeit wie das zweite genannte Fest, Kreuzauffindung (exaltatio crucis)
am 14. September. De facto erhielt das Kloster in einer für den Weinverkauf
besonders attraktiven Zeit im Herbst das Schankmonopol in den Dörfern.
15
Beide Rechte wurden von mittelalterlichen Menschen als so drückend empfunden,
dass in Speyer die Abschaffung der Todfall - Abgabe und des Bannweins 1111 als
wichtiger Schritt zur Etablierung einer privilegierten, persönlich freien städtischen
Bürgergemeinschaft angesehen wurde - und in goldenen Lettern über dem
Domportal angebracht wurde.9 Doch ehrlicherweise: heute mag mancher froh sein,
wäre seine „Erbschaftssteuer“ durch Weggabe des besten Kleidungsstückes aus dem
Nachlass erfüllt.
Die geschworenen Vertreter der Klosterdörfer (iurati sui villarum) haben diese
Rechte unter Eid vor den Speyerer Gerichtspersonen bestätigt. Die zehn Dörfer
bildeten offensichtlich einen „Klosterbezirk“, ähnlich der weit besser
dokumentierten Weißenburger Mundat. Der hier, 1313 greifbar werdende
Klingenmünsterer Klosterbezirk schließt sich offenbar direkt nördlich an den
Weißenburger an. Als Grenzen erschienen Kaiserbach und Erlenbach, im Westen
die Wasserscheide zu Queich und Wieslauter.10 Neben dem Klosterdorf
Klingenmünster gehörten dazu: Göcklingen, Gleiszellen, Pleisweiler, Bergzabern,
das untergegangene, nördlich von Niederhorbach lokalisierbare Dorf Weiler,
Münchweiler am Klingbach, Gossersweiler, Vorderweidenthal und Schwanheim.
Die Zahl der entsandten Geschworenen ist unterschiedlich, möglicherweise
abhängig von der Einwohnerzahl: Vorderweidenthal stellte dabei mit sieben
Geschworenen die größte Vertretung. Das Klosterdorf Klingenmünster entsandte
sechs Geschworene. Gleiszellen folgten mit vier Abgesandten, vier Dörfer mit je
drei, drei Dörfer mit zwei Vertretern. Bergzabern mag nur zum Teil dem Kloster
unterstanden haben.
Auch wegen des besonders großen Archivalienverlustes beim Kloster
Klingenmünster ist nichts Früheres über diesen Klosterbezirk belegt. Das zeigt sich
an den relativ späten Ersterwähnungen der Dörfer: Für Vorderweidenthal ist die
Nennung des Ortes 1313 die älteste urkundlich Erwähnung. Auch für
Oberschlettenbach, Silz und Stein, die als Herkunftsnamen von Geschworenen
erscheinen, bildet die Urkunde von l313 die älteste Nennung.
Das l313 in Speyer niedergeschriebene große Pergamentblatt mit den beiden Siegeln
der Richter wurde dann dem Klingenmünsterer Abt übergeben. 1457 ließ
Klingenmünster durch den Nachbarabt Diemar von Selz eine beglaubigte Abschrift
(Vidimus) anfertigen; ein zweites fertigte 1483 der Offizial des Speyerer
Dompropropstes.11 Das Kloster verwahrte das Pergament, solange es bestand. Und
auch sein Rechtsnachfolger, die kurpfälzische geistliche Güteradministration, hielt
es für aufhebenswert. In Heidelberg, dem Sitz der Administration, befand sich das
Stück, als um l800 eine neue Zeit die jahrhundertealten staatlichen Rechtstitel durch
neue Verwaltungsprinzipien ersetzte. Nicht mehr gerichtsverwertbares Dokument,
sondern Quelle der Geschichte war das Pergamentblatt seitdem. Die rechtsrheinische
Kurpfalz, Heidelberg, das Archivgebäude und das Pergamentblatt von 1313 wurden
16
Eigentum des badischen Staats. Mit einer Zwischenstation in Mannheim wurden die
alten Archivalien nach Karlsruhe verbracht, in das dortige großherzogliche
Generallandesarchiv.
Nach 1860 vereinbarte Bayern, der neue Landesherr über die linksrheinische Pfalz
mit Baden einen Archivalienaustausch nach den neuen Grenzen. Doch ideal für
Forscher aus der Pfalz war diese Vereinbarung nicht. Die ältesten Quellen, bis zum
Stichjahr 1400, wurden für ganz Bayern in der Landeshauptstadt zentralisiert. So
machte sich auch die Ersterwähnungsurkunde auf ihre weiteste und bislang letzte
Reise, nach München. Im dortigen Bayerischen Hauptstaatsarchiv liegen sie
seitdem, im Sammelbestand „Rheinpfälzer Urkunden“. Und als Kuriosum erhielt die
Urkunde aus dem Jahre 1313 dort die Signatur „Rheinpfälzer Urkunden Nr. 1313“.
Die Urkunde fand auch überregionale Aufmerksamkeit als frühes Beispiel eines
„Bezirksweistums“. Als „Weistümer“bezeichnen Rechtshistoriker Texte, in denen
Vertreter einer dörflichen Gemeinschaft auf Ansuchen einer Obrigkeit Auskunft
(Rechtsweisung) über alten Rechtsbrauch geben. Das Editionsprojekt „Pfälzische
Weistümer“erfasst derzeit pfalzweit diese Quellen. Als Informationsquelle für sehr
alte Bräuche wurde bereits in der Romantik mit der Sammlung von Weistümern
begonnen. Dem Initiator Jakob Grimm waren sie ähnlich archaisch und wichtig wie
seine berühmte Sammlung von Volksmärchen. Im fünften Band seiner
Weistümersammlung ist ein Auszug der Urkunde von 1313 aufgenommen -
weggelassen sind die dem verallgemeinernden Rechtshistoriker nicht
interessierendem Namen der Geschworenen.12 Einen vollständigen Textabdruck
nahm der Karlsruher Archivar Franz Josef Mone in seiner „Zeitschrift für die
Geschichte des Oberrheins“vor.13 Kurz danach gab das Karlsruher Archiv die
Urkunde nach München weiter. Den Abdruck Mones übernahm Ingrid Bürgy -de
Ruijter in ihrer Chronik von Gossersweiler Stein.14 Nachfolgend wird der Text nach
dem Original abgedruckt.15
Der Text der urkundlichen Ersterwähnung:
1313 Oktober 16. Die geistlichen Richter und der Offizial des Dompropstes zu
Speyer beurkunden auf Ersuchen Abt Heinrichs von Klingenmünster die von
Geschworenen aus zehn Dörfern gewiesenen Rechte des Klosters auf Besthaupt,
Bestkleid und Bannwein. - Original Pergament Bayerisches Hauptstaatsarchiv
München, Rheinpfälzer Urkunden Nr. 1313.
Nos iudices curie Spirensis necnon officialis domini prepositi ecclesie ibidem ad
universorum noticiam tam presencium quam futurorum volumus pervenire, quod
sub anno domini millesimo trecentesimo tercio decimo in die beati Galli confessoris
constituti in nostra presencia honorabilis vir dominus Heinricus dei gracia abbas
Clingensis monasterii necnon iurati sui villarum infrascriptarum.
17
Text der Originalurkunde von 1313 aus dem Hauptstaatsarchiv München
(Nennung der beiden Orte unterstrichen).
[1.] primo videlicet de Clingenmünster [= Klingenmünster] Nicolaus dictus
Hulwecke, Fritzo dictus Arzat, Heinricus dictus Ganeister, Conradus
sutor, Dytherus dictus Wige et Ulmannus in der Steingasse,
[2.] item de Geckelingen [= Göcklingen] Conradus textor, Heinricus dictus
Zeberlinger et Eberhardus,
[3.] item de Glisenzelle [= Gleiszellen] Wolframus dictus Schatman, Otdo,
Heinricns dictus Huchelheimer et Conradus dictus Gotzman,
[4.] item de Bliswilre [= Pleisweiler] Wernherus dictus Hocheimer, Jacobus
frater eins dictus Happhelman et Hartliebus,
[5.] item de Zabern [= Bergzabern] dictus Winter, Heinzelmannus, Conzelinus
cerdo,
[6.] item de Wilre [= Weiler nördl. Niederhorbach] Fridericus dictus Hekeber
et Burkardus dictus Kirsemant,
[7.] item de Menchenwilre [= Münchweiler am Klingbach] Wernherus et
Syfridus,
[8.] item de Gozprehtzwilre [= Gossersweiler] dictus Apel et dictus Schade de
Steine [= aus Stein] necnon Reinherus de Sulzen [= aus Silz],
[9.] item de Widental [= Vorderweidenthal] Crutwinus, Conzelinus filius
Rudolfi, dictus Hetzel, Hertwicus, Anshelmus, Waltherus et Wernherus de
Slethenbach [= aus Oberschlettenbach],
18
[10.] item de Swandin [= Schwanheim] Heinricus dictus Wollesleher et
Wernherus dictus Vero.
Dominus abbas omnes et singulos per iuramentum requisivit, quod de iuribus suis
sibi dicerent et ab aliis requirerent et super eisdem per iuramenta ipsorum diffinite
pronunciarent. Iurati autem antedicti deliberato animo et unanimi consensu omnium
et singulorum de villis supradictis dixerunt et retulerunt nec non per iuramenta
ipsorum diffinite pronunciaverunt, quod, quicunque vel qualiscunque persona,
cuiuscumque dignitatis esse videatur, decederet seu decederent super bonis sancti
Michahelis Clingensis monasterii, quod meliorem pecus, quod in morte relinqueret,
preter unum, domino .. abbati predicto seu successoribus suis, qui pro tempore
forent, cedere deberet, seu meliorem vestem, si pecora non haberet. Et si de ambobus
videlicet de pecoribus et vestibus in morte nichil relinqueret, ab aliis relictis solidum
Hallensium recipere debet. Si autem propria est persona sancti Michahelis in
Clingenmuenster predicti, meliorem pecus seu vestem, quod in morte relinqueret,
domino abbati memorato seu successoribus suis, qui pro tempore forent, cedere
deberet, contradictione quorumlibet non obstante.
Item dixerunt et per iuramenta ipsorum diffinite pronunciaverunt, quod dominus
abbas antedictus seu successores sui, qui pro tempore forent, haberet et habere
deberet perpetuo singulis annis duo iura in anno, que vulgariter dicuntur banwin,
videlicet quindenam a festo Michahelis et a festo invencionis sancte crucis
conputandam, nulla eciam contradictione obstante.
In quorum omnium et singulorum testimonium atque firmitatem nos iudices curie
Spirensis nec non officialis predicti sigilla nostra domino .. abbati predicto seu
successoribus suis universis ad preces personarum suprascriptarum presentibus
duximus concedenda.
19
1. Das Original befindet sich heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München.
Rheinpfälzer Urkunde Nr. 1313. Ein Abdruck des Urkundentextes erfolgt am.
Schluss des Beitrages.
2. Eine Auflistung der ersten Erwähnungen geben als Grundlage ihrer Erklärung des
Ortsnamens Oberschlettenbach Dolch. Martin / Greule, Albrecht: Historisches
Siedlungsnamensbuch der Pfalz (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft
zur Förderung der Wissenschaffen 81). Speyer 1991. S. 352.
3. Die Urkunde, heute in Fürstlich Salm-Salm ´schen Archiv in Anholt im Kreis
Bocholt, stammt ans dem dort verwahrten Archiv der Wild- und Rheingrafen; Regest
bei Schmitz- Kallenberg, Ludwig (Bearbeitet): Urkunden des fürstlich Salm-
Horstmar’schen Archives in Coesfeld und der herzoglich Croy’schen
Domänenadministration in Dülmen (Inventare der nichtstaatlichen Archive
Westfalens, Reg.-Bez. Münster, Beiheft 2). Minister 1904, S. 23* Nr. 119.
4. Zu Klingenmünster insgesamt die Festschrift Emmering, Egon W. (Red.):
Monasterium Clinga jubilans. Festschrift zur Einweihung des restaurierten
Ostflügels der ehemaligen Benediktinerabtei Klingenmünster:,Klingenmünster
1995, der Kunstführer von Jöckle, Clemens: Stiftskirche und ehemaliges
Benediktinerkloster Klingenmünster (Kleine Kunstführer 2649), Regensburg 2007
und die Artikel von Fell, Hans, Klingenmünster, in: Jürgensmeier, Friedhelm
(Hrsg.): Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Rheinland-Pfalz
(Germania Benedictina 9). München und Maria Laach 1999, S. 230-259 und Engels,
Renate: Der Landdekanat Herxheim (Palatia Sacra. Kirchen- und Pfründe-
beschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit = Quellen und Abhandlungen zur
mittelrheinischen Kirchengeschichte 61.3). Mainz 1988, S. 115-130.
5. Zu dieser Kontroverse zuletzt Unger. Thorsten: Klingenmünster und die Kurpfalz
im 15. Und 16. Jahrhundert (Abhandlungen zur Geschichte der Pfalz 10), Neustadt
an der Weinstraße 2009, S. 21-40.
6. Über diese Entwicklung nun Wanke, Helen: Zwischen geistlichem Gericht und
Stadtrat. Urkunde, Personen und Orte der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Straßburg.
Speyer und Worms im 13. und 14. Jahrhundert (Quellen und Abhandlungen zur
mittelrheinischen Kirchengeschichte 119), Mainz 2007.
7. Beide Siegel sind beschrieben bei Armgart, Martin (Bearbeitet): Reuerinnen- und
Dominikanerinnen-Kloster Sankt Maria Magdalena überm Hasenpfuhl vor Speyer.
Teil l: Urkunden und Regesten (Pfälzische Geschichtsquellen 1.1), Neustadt an der
Weinstraße 1995. ,S 120 bzw. S. 94 (drittes, von 1308 bis 1326 verwendetes Typar
des geistlichen Gerichts)
20
8. Zu diesen Rechtsbegriffen mit ihren Belegen Deutsches Rechtswörterbuch. Band l,
Weimar 1914-1932. Sp. 199-201 bzw. 127f.
9. Nach ebd. war der Speyerer Beleg 1111 der bei weitem älteste des Wortes „banwin“;
auch die Urkunde von 1313 erscheint in der Belegliste des Rechtswörterbuchs. Der
Jahrestag wurde 2011 in Speyer eingehend gewürdigt; zum Inhalt Andermann, Kurt:
Die Speyerer Privilegien von 1111, in: Die Salier: Macht im Wandel, Band l
(Essays), München 2011, S. 76-179 und andere Beiträge dieses Ausstellungsbandes
sowie Hattenhauer, Hans: Der Speyerer Freiheitsbrief vom 7./14. August 1111, in:
Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 63 (2011), S. 39-66.
10. Deutlich dazu die Kartenskizze bei Hehr, Erich: Agrargeographische Studien in der
Gemarkung Klingenmünster / Südpfalz (Veröffentlichungen der Pfälzischen
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 45), Speyer 1964, Abb. 12 (nach S.
48) mit mutmaßlicher Grenzziehung des Klosterbezirks. Zur Kritik Engels, 1988, S.
121f. Anm. 46.
11. Heute Landesarchiv Speyer. D 29 Nr. 159.
12. Grimm, Jacob: Weisthümer. Fünfter Teil. unter Oberleitung von Georg Ludwig
von Maurer hrsg. von Richard Schroeder, Göttingen 1866. S. 543 f.
13. Mone, [Franz Josef]: Weisthümer vom 13.-16. Jahrh. aus der Schweiz. Baden.
Elsaß , Bayern und Rheinpreußen, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
17 (1865), S. 129-186. hier S. 167-169 Nr. 14.
14. Bürgy-de Rujter: Ingrid: Ein Blick zurück. Die Chronik von Gossersweiler - Stein,
Annweiler 1998, S. 8 f. (mit dortiger Kartenskizze der zehn Dörfer).
15. Herangezogen wurde die im Landesarchiv Speyer. Bestand X 55, verwahrte
Fotokopie. Zu den kleineren Abweichungen gegenüber Mone gehört die Lesung
des ersten Vordenweidenthalers statt ,,Trutvinus“.
21
Luftaufnahme der Burg aus sem Jahre 2004
Burg Lindelbrunn
Rolf Übel
Geschichte
Wir bei dem weitaus größten Teil der Burgen ist das genaue Erbauungsdatum der
Burg Lindelbrunn nicht feststellbar. Archäologische Funde aus der Römerzeit wie
Ziegel und Münzen1 sowie der nachgewiesene Verlauf von Altstraßen lassen eine
frühe Erbauung der Burg möglich erscheinen, ohne allerdings den Beweis hierfür
führen zu können.2
Die erste urkundliche Nennung erfolgt erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts. In der
Baugeschichtlichen Literatur wird sie allerdings aufgrund der Stilmerkmale ein
halbes Jahrhundert älter geschätzt, erbaut gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Auch
die Schriftquellen, vor allem aber die Herkunft des ersten nachgewiesenen
burggesessenen Geschlechts, lassen hier begründete Hypothesen zu. Die erste
Erwähnung datiert Thon auf vor 12523, in ihr ist ein „Diethericus miles dictus de
Lindelbolle“erwähnt. Er wird der Familie von Hausen zugeordnet, die sich nach der
Burg in (Rhein)Hausen bei Mannheim benannte. Die Familie von Lindelboll wird
der Reichsministerialität zugesprochen und auf den berühmten Truchseß Markward
22
von Annweiler zurückgeführt4. Meinrab Schaab sah in Dieter von Lindelboll den
Enkel des bedeutenden Ministerialen.5 Tatsächlich nennt Dieter in einer Urkunde
den Truchsessen Markward als seinen Großvater.6 Obwohl nicht eindeutig zu
beweisen, liegt die Annahme nahe, dass es sich um Markward von Annweiler
handelt. Schaab bringt den Bau/Ausbau der Burg mit Markward in Verbindung: „In
jedem Falle war sie eine recht bedeutende Anlage, die man zusammen mit der
Tatsache, dass sie eine Reichsburg war, ihren Ursprung mindestens in der Zeit um
1200 vermuten dürfen. Der Aufwand für ihren Ausbau kann kaum der schon im
Niedergang befindlichen späteren Familie von Husen- Lindelbrunn zugeschrieben
werden. Viel eher wäre doch zu vermuten, dass die finanzielle Basis für solchen
Ausbau noch aus dem im Reichsdienst erworbenen Vermögen Markwards von
Annweiler stammte. Außerdem hätte dieser mit Lindelboll einen standesgemäßen
Sitz und nicht, wie es in der älteren Literatur gerne heißt, nur einen Hof in
Annweiler“.7 Die baugeschichtliche Bedeutung wird von Peter Pohlit im Jahre 1997
ebenfalls herausgestellt, ohne dass die Verbindung zum Markward gezogen wurde.8
Thon stellte diese 20029 und 2011 her.10 Allerdings sind weitere Tendenzen einer
Gebietsarrondierung resp. Burgenbauten in der Pfalz durch Markward nicht zu
belegen. Thon kommentiert: „Zwar lässt sich der Bau der pfälzischen Lindelbrunn
noch in einen einigermaßen konkreten Zusammenhang mit Markward oder seinem
Enkel Dietrich, der sich auch nach ihr benannte, bringen, doch fehlen weitere
eindeutige Anzeichen für eine Umsetzung seines gestiegenen gesellschaftlichen
Ansehens und seines sicherlich großen finanziellen Potentials in seiner pfälzischen
Heimat völlig. Die Familie von Hausen jedenfalls fiel nach ihrem berühmtesten
Abkömmling umgehend wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück.“ 11 So gehörte
auch die Familie von Lindelboll nicht zu den herausragenden Vertretern der
Reichsministerialität.
1268 wird Dieter von Lindelbolls gleichnamiger Sohn, Dieter d. J., erwähnt.12 Er
übergibt dem Kloster Eußerthal mehrere Weinberge. In dem Kloster war seine Frau,
Agnes von Greifenstein, beerdigt worden. Die Reichsburg blieb auch in den Wirren
des Interregnums in den Händen der Familie von Lindelboll. 1274 taucht Merkelin
von Lindelboll auf, wohl ein Bruder Dieter d. J. König Rudolf von Habsburg
übertrug das Reichslehen, wohl mit der Burg, obwohl diese nicht ausdrücklich
genannt wird, an die Brüder Emich IV. und Friedrich III. von Leiningen, aber nur
für den Fall, dass der schwächliche gleichnamige Sohn Merkelins (Dieter d. J. war
wohl kinderlos) vor Erreichung der Volljährigkeit sterben würde. 13 Der Inhalt der
Urkunde wurde aber mindestes 18 Jahre nicht umgesetzt, da Merkelin im Jahre 1292
noch am Leben war. Zu diesem Zeitpunkt war die von Emich IV. begründete Linie
Leiningen – Landeck schon wieder erloschen, so dass sich die Burg letztlich nach
dem Tod Merkelins, dessen Datum nicht bekannt ist, nur in den Händen der
Hauptlinie von Friedrich III, befunden haben konnte. Erst 25 Jahre später ist die
Burg bei der bekannten Teilung von 1317/18 wirklich im Leiningischen Besitz
nachgewiesen - „Lindelboll mit Walde und Weide und mit allem Recht, wie sie
gelegen und herkommen seint“. 14 Der Zeitpunkt und die genauen Umstände des
23
Übergangs lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Die Burg fiel in das Los Jofrieds,
des Begründers der Linie Leiningen -Hardenburg. Nach dessen Sohn 1343 erbten
seine Söhne den Besitz und teilten ihn auf. Der Status als Reichslehen blieb de jure
unangetastet; was durch die Bestätigung der Belehnung König Rudolfs von
Habsburg durch durch König Karl IV. im Jahre 1352 bestätigt wird. 15 Allerdings
sieht Ingo Toussaint eine weitgehende Entfremdung des Reichsguts: „Das Lehen
muss in der Tat dem Reich ledig geworden sein: Vom Jahre 1317 an bis zur
Französischen Revolution finden wie Burg Lindelbrunn mit Zubehör anteilig beim
Hause Leiningen, wenn auch im Spätmittelalter zumeist an Niederadelige
verpfändet“. 16 In der Urkunde wird erwähnt, dass Emich V. die Burg schon „vor
zeiten“erhalten hatte. 17 Die Burg war nun vierzig Jahre lang in Alleinbesitz der
neubegründeten Linie Leiningen -Hardenburg, wenn sie auch in innerfamiliäre
Besitzstreitereien miteinbezogen war.
1358 tauchen die Grafen von Zweibrücken - Bitsch als Anteilseigner auf der „vesten
Lindelbull“ auf.18 Auch hier sind Zeitpunkt und Umstände des Erwerbs des
Burganteils nicht genau zu bestimmen. Die Grafen Hanemann und Simon Wecker
von Bitsch öffneten in diesem Jahr ihren Teil der Burg Lindelbrunn für Kurpfalz,
was sie 1367 besTätigten.19 Nun beginnt die Zeit der Lindelbrunn als Ganerbenburg.
Die Grafen von Zweibrücken- Bitsch und Leiningen - Hardenburg blieben
Hauptbesitzer, nahmen aber im Laufe der Zeit immer mehr Ganerben auf. Die Burg
wurde verliehen oder verpfändet, verkam immer mehr zum finanziellen
Spekulationsobjekt. Schon 1375 sind Verwandte der Leininger, die Raugräfin Agnes
von Neuenbaumburg und ihre Kinder, als Ganerben bezeugt, 1377 auch Friedrich
von Beilstein und Georg von Wachenheim. Die Grafen von Zweibrücken -Bitsch
verloren in einer Fehde mit den Lützelsteiner kurzzeitig ihren Anteil an der Burg,
konnten ihn kurz darauf (vor 1382) wieder zurückerlangen. 1382 verzichtete Graf
Heinrich von Zweibrücken -Bitsch zugunsten seiner älteren Brüder auf alle
Erbansprüche. Somit war der Bitscher Teil wieder in der Hand der Familie.
„Wie die Grafen von Zweibrücken -Bitsch nutzte auch Emich (VI.) von Leiningen -
Hardenburg die Burg vermehrt als Pfandobjekt, so dass der Kreis der Gemeiner
einem kontinuierliche Wandel unterzogen war“. 20 Beide Teile vereinbarten aber,
dass die jeweiligen Pfandinhaber auch mit dem anderem Burgbesitzer den
Burgfrieden besiegeln mussten. Die Zahl der Verpfändungen und der Mitbesitzer
nahm nun stetig zu. So finden sich z.B. Hans, Reinhard und Heinrich von Rietburg
(1385) und Bertsch von Lauterburg(1398).
Leiningen -Hardenburg und Zweibrücken -Bitsch schienen die Burg jeweils zur
Hälfte im Kondominat besessen zu haben. De Jure war die Burg noch eine
Reichsburg, faktisch hatte dieser Umstand allerdings kaum noch eine Bedeutung -
die beiden Hauptbesitzer behandelten sie wie Allodialbesitz.
24
Aquarell von
F. Bamberger 1864
1402 wird die Burgkapelle erwähnt, die aber schon vorher bestanden haben muss.21
In diesem Jahr wurde eine Kaplanei von Graf Emich VI. von Leiningen und den
Grafen Friedrich und Hanemann von Zweibrücken -Bitsch eingerichtet. Der Kaplan
hatte vier Messen in der Woche zu lesen, musste auf der Burg wohnen und durfte
keine weiteren Pfründe annehmen.22
Die Besitzverhältnisse auf der Ganerbenburg komplizierten sich immer mehr. Die
genauen Abläufe sollen hier nicht interessieren. „Im 15. Jahrhundert stieg der
Geldbedarf in den Häusern Leiningen -Hardenburg und Zweibrücken -Bitsch
merklich. Schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts begegnen uns eine Vielzahl neuer
Gemeiner auf Lindelbrunn, die überwiegend auf dem Wege der Pfandschaft in den
Besitz von Rechten in der Anlage gelangt waren.“ 23
Natürlich machten die spezifischen Verhältnisse auf der Burg deren Nutzung und
Verwaltung für die Hauptbesitzer wie für die Ganerben kompliziert.
Burgfriedensverträge wurden besiegelt, um das Zusammenleben der Bewohner zu
regeln. Dies konnten Verträge innerhalb einer Familie sein, wie zwischen den
Zweibrücken-Bitscher Grafen Hanemann und Friedrich 24, aber auch zwischen den
Familien, so zwischen Graf Emich VI. von Leiningen -Hardenburg und Hanemann
II. von Zweibrücken -Bitsch im Jahre 1407. 25 In diesem Vertrag wurde
festgeschrieben, dass die Burg im Hauptbesitz der beiden Geschlechter bleiben
müsse, wenn eine der beiden Familien im Mannesstamm erlöschen sollte, dann sollte
der Besitz an die erbberechtigten Töchter fallen. Verpfändungen bedurften der
Genehmigung der Mitbesitzer. Der Burgbezirk wurde festgelegt „off der festen, yn
der festen und umb die festen lyndelboln umb und umb als ferre ein armbrost in drin
25
schussen nach ein ander geschießen und gereichen mag, daz ein man mit eynem bein
gespannen mag“.
Weitere Punkte des Burgfriedens waren:
In dem Friedensbezirk darf niemand einen anderen „beleidigen oder beschädigen“.
Wer den Burgfrieden übertritt, wird bestraft.
Es soll kein Feind einer Partei in die Burg eingelassen werden.
Die Erben einer Partei dürfen nur in die Burg aufgenommen werden, nachdem sie
den Burgfrieden beschworen haben.
In Kriegszeiten können Verbündete aufgenommen werden gegen bestimmte Taxen
- für einen Fürsten 50 Gulden und zwei Armbrüste, für einen Grafen 25 Gulden und
eine Armbrust, für einen Ritter oder Edelmann 10 Gulden und eine Armbrust,
welches Geld entweder zum Anschaffen von Geschützen oder zum
gemeinschaftlichen Bauen verwendet werden sollte.26’
1428 versuchte man die verwirrenden Besitzverhältnisse durch eine „Konferenz“ auf
der Burg zu ordnen, zu der alle Gemeinen eingeladen wurden. Die Anwesenden
verabschiedeten eine Burgsatzung und setzten einen Burgvogt ein: Simon von
Mühlhofen, einen der Ganerben. Er sollte die Burg bewahren und verwalten sowie
den Fortgang schon begonnener Ausbauarbeiten überwachen. Lehmann schreibt
über den Vertrag: „... zum gemeinschaftlichen Burggrafen ward Simon von
Mühlhofen erwählt, um das Schloss, seinem Eide gemäß, im Namen aller
teilhabenden Ganerben zu besorgen und zu bewahren, wozu er zwei besondere
Knechte, einen als Pförtner und den anderen als Thurmknecht, die auch nachtens
wachen und huten sollen, auf seine Kosten und in seinem Lohne halten musste;
diesem Simon wurde daselbst ein Jahresgehalt von 60 Gulden ausgeworfen, wozu
jeder Gemeiner jährlich 5 Gulden beizutragen verbunden war, wer sich aber in
Bezahlung dieses Beitrages säumig erweise, der sollte auf so lange seines Burgrechts
verlustig sein und von den anderen nicht für einen Gemeinsherren gehalten werden,
bis er bezahle, wobei man dem Burggrafen, um zu seiner Bezahlung gelangen zu
können, zugleich die Befugnis einräumte, die Säumigen und ihre Güter anzugreifen
und in die Veste zu führen, ohne aber dadurch den Ansprüchen des Burgfriedens
zuwider zu handeln; die gleiche Strafe soll auch diejenigen Ganerben treffen, welche
bisher andere in dem Schloss enthalten, aber die Kosten dafür an Geld und
Armbrüsten in Monatsfrist noch nicht abgetragen hätten ... er solle von allem
denjenigen, was ihm überantwortet und eingegeben werde, es sei an Geld, Büchsen,
Armbrüsten, Pulver. Pfeilen und anderes, sämtlichen Ganerben. oder wenigstens
drei aus ihnen, jährlich gewissenhafte Rechnung abzulegen“.27
In einer Urkunde aus demselben Jahr 1428 wurde auch Vorderweidenthal und
Oberschlettenbach als Zugehörde zur Burg genannt. Emich VI. von Leiningen
verkündet den Schultheißen, Schöffen und Gemeinden von Vorderweidenthal
(Wydentail), Oberschlettenbach, Dimbach und Darstein, die zu seinem Teil am
26
Schloss Lindelbrunn gehören („in unserem deyle zu lindelbolle gesazt“), dass er
seine Söhne Emich und Schafried in diese Teile eingesetzt hat.28
Durch die hohe Anzahl der Gemeiner wurden immer wieder neue Burgfrieden
beschlossen, „mit uffgehalten henden liplich gott und den heyligen gesworen“. wie
es 1437 in einem Burgfriedensvertrag zwischen Emich. Schaffried und Bernhard von
Leiningen und Graf Friedrich von Zweibrücken-Bitsch lautet.
Die Mitte des 15. Jahrhunderts war geprägt von militärischen Auseinandersetzungen
um die Burg - verursacht durch Burggemeiner, die in die Gemeinschaft der Ganerben
aufgenommen worden waren - der adelige Speyerer Bürger Heinrich Steinhausen
und der Ritter Heinrich Holzapfel von Hexheim. Brauner nennt die beiden
Raubritter.29
1441 kam es zur ersten Belagerung der Burg. Emich VI. von Leiningen - Hardenburg
hatte sich von Heinrich Steinhausen Geld geliehen und ihm dafür einen Anteil von
Lindelbrunn verpfändet. Heinrich Steinhausen wurde in eine Fehde mit dem
Pfalzgrafen Otto von Mosbach und Bischof Reinhard von Speyer verwickelt. Er
„fügte deswegen, mit seinen Hülfsgenossen, sowohl den pfälzischen, als auch den
Besitzungen des Bischofs von Speyer, der sich mit Kurpfalz auf engste verbunden
hatte, aus unserer Burg vielfältig bedeutenden Schaden und Nachtheil an Gütern und
Leuten zu. Der Kurfürst konnte und wollte diesem Unfuge nicht mehr länger zusehen
und beschloss also, den Steinhauser auf Lindelbol zu überfallen, ihn gefangen zu
nehmen und für seine Frevel zu züchtigen“.30 Ein Heer beider Fürsten zog vor die
Burg und belagerte sie sieben Wochen lang. Die Hauptbesitzer versuchten den Streit
zu schlichten, auch um Schäden durch die Belagerung zu minimieren und erreichten
auch einen Ausgleich. Steinhausen sollte Urfehde schwören, und er sollte fernerhin
seine Fehde erst wieder aufnehmen, wenn die Leininger den Anteil wieder ausgelöst
hätten - somit wäre jegliche Veranlassung eines weiteren Vorgehens gegen den
Speyerer hinfällig. Am 7. August 1441 wurde ein Vertrag aufgesetzt. Die
Burgherren verzichteten auf einen Schadenersatz und übergaben die Anlage, mit der
Auflage des baulichen Erhalts, an den Vogt von Heidelberg, Eberhard von
Sickingen, der die Burg im Dezember 1441 den Gemeinern wieder einräumte.31
1448 bis 1450 führte Heinrich Holzapfel von Herxheim eine Fehde gegen die Stadt
Landau und den Bischof von Speyer. Holzapfel war von Simon Mauchenheimer von
Zweibrücken ohne Einwilligung der anderen Gemeiner in die Burg aufgenommen
worden. Mauchenheimers Vater oder Bruder Kunz taucht 1420 erstmalig als
Gemeinsmann auf.
Der Bischof von Speyer war Pfandherr der Reichsstadt Landau und sein Bruder Hans
von Helmstadt als bischöflicher Amtmann von Lauterburg in die Fehde verwickelt;
er wurde von Heinrich Holzapfel gefangen gesetzt und auf die Burg Lindelbrunn
gebracht,
27
Kolorierte
Zeichnung:
N. N. 1833
nachdem vorher schon „viele kleine Gefechte, Beschädigungen und Neckereien
vorgefallen“waren.32 Ein gemeinsames Landauer und Speyerer Aufgebot zog vor die
Burg.33 Nach kurzer Belagerung ließen Mauchenheimer und Holzapfel den Speyrer
Amtmann gegen Versprechen eines Lösegeldes frei. Fehdehelfer des Bischofs
(Pallas Schlieder von Lachen und zwei Verwandte des Gefangenen) verbürgten sich
für das Lösegeld in Höhe von 3500 fl. Dies war so hoch festgesetzt, da Hanns von
Helmstatt nicht die Fehde gegen Holzapfel angesagt hatte, seine Kriegshandlung
gegen diesen also illegal waren. Diese Praxis des Handelns außerhalb des
Fehderechts wurde fortgesetzt: Hans von Helmstat erschien nicht zu dem
Übergabetermin und auch der Bischof hielt sich nicht an die Abmachung, vielmehr
konnte er auch noch die Grafen Friedrich von Zweibrücken-Bitsch und Bernhard
von Leiningen-Hardenburg als Fehdehelfer gewinnen, die nun quasi auszogen, ihre
eigene Burg, aus der sie ausgesperrt waren, von aus dem Ruder gelaufenen Ganerben
zurückzuerobern. Mauchenheimer wollte nachgeben, wurde aber von Holzapfel in
einem Turm der Burg gefangen gesetzt.
Letztendlich nahmen die rechtmäßigen Burgherren die Feste Ende Juli 1450 ein. Am
30. Juli 1450 schlossen die Gemeiner einen Vertrag wegen der notwendigen durch
die Belagerung verursachten Baumaßnahmen. Auf 10 Jahre sollten jährlich
wechselnde Baumeister eingesetzt werden, die das von den Gemeinern zu
entrichtende Baugeld verwalten und die Maßnahmen auf der Burg leiten sollten. Am
11. August sollte unter Pfalzgraf Friedrich I., gen. der Siegreiche, eine Versammlung
in Weißenburg stattfinden, um die Parteien zu versöhnen.
Auf dem Rittertag von Weißenburg am 11. August 1450 kam man zu keiner
Einigung. In der Fehde der Konfliktparteien spielte die Burg dann bis zu deren Ende
28
im Jahre 1455 keine Rolle mehr.34 Heinrich Holzapfel von Herxheim war spätestens
1451 als Gemeiner auf Lindelbronn ausgeschieden.
1460/61 war die Burg in die Auseinandersetzung zwischen Pfalzgraf Friedrich I. und
Herzog Ludwig den Schwarzen von Pfalz-Zweibrücken und den Leiningern
betroffen. Leider ist die Bemerkung Artzts, die Leininger „thetten dem pfalzgrafen
großen schaden auß den egenannten schlossen mit leuth vahen und namen“, nur auf
die Burgen Grävenstein, Lindelbrunn, Guttenburg und Falkenburg zu beziehen,
nicht aber auf eine einzelne der Genannten.35
Welche Zerstörungen die verschiedenen Kriegshandlungen an der Burg hinterließen,
lässt sich nicht feststellen. Möglicherweise entstanden in dieser Zeit die dem
Spätmittelalter zuzuschreibenden Teile der Burg.
1483 fielen nach einer Erbteilung im Haus Zweibrücken-Bitsch deren Anteil an die
Linie Zweibrücken-Bitsch-Lichtenberg.
Das Ende der Burg kam im Bauernkrieg: Am 30. April 1525 erstiegen die Bauern
des Kleeburger Kolbenhaufen die Burg. Der zeitgenössische Chronist Peter Harer
schreibt: „... von dannen dem wolgebornen Grave Emichen von Leiningen dem
eltern für 2 heuser, Grevenstein und Lindelbronn, gezogen, die sie bevd erobert und
ausgebrent haben“.36 Die Burg wurde nicht wieder aufgebaut und blieb Ruine.
Baubeschreibung:
Lindelbrunn gehört zum Typus der Gipfelburg, sie liegt auf einem 473 Meter hohen,
frei stehenden, ehemals unbewaldetem Berggipfel 200 Meter über der Talsohle mit
freier Rundumsicht. Die Burg hat einen fast dreieckigen Grundriss mit 60 bis 70
Metern Seitenlängen und verfügt über keine Schildmauer. Die Existenz eines
Bergfrieds ist, obwohl in der Literatur öfters angenommen, nicht mit Sicherheit
belegbar. Alle Gebäude gruppierten sich um einen Burghof und waren randständig
mit teilweise erheblicher Mauerstärke an die Felskante gesetzt. Die Außenmauern
der Gebäude ersetzten somit eine Ringmauer. Der Platz für eine Unterburg unterhalb
des Gipfelfelsens war sehr beengt. Sie wird im Südwesten vermutet und könnte mit
einer Ringmauer umgeben gewesen sein.
Die Baugeschichte geht davon aus, dass die Oberburg innerhalb kurzer Zeit nach
einheitlichem Muster im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert erbaut wurde. Die
Kernanlage wurde wohl im 14. und 15. Jh. durch eine Unterburg und einen
abgesetzten Turm erweitert und auch im Inneren um- und ausgebaut.
l. Der Burgweg
Der Burgweg beginnt am ehemaligen Lindelbrunner Hof, der auch als
mittelalterlicher Wirtschaftshof der Burg angesprochen wird, 37 und umrundet den
gesamten Berg. Hinweise auf ein äußeres Tor in der Verlängerung der
Südwestecke38 konnten 2012 nicht verifiziert werden. Hier folgt der Burgweg in
südöstlicher Richtung dem Burgfelsen, an dem Glättungen festzustellen sind und auf
29
dem das Mauerwerk des großen Saalbaus aufsitzt. In diesem Bereich ist die
Unterburg zu vermuten. Aufgehendes Mauerwerk fehlt, allerdings liegt vor der
Felswand einiges an Schutt, wohl bei Aufräumungsarbeiten in den 1970er Jahren
von der Oberburg herab geworfen. In dem Bereich der vermuteten Vorburg findet
sich der Burgbrunnen, außerhalb der Kernburg gelegen und heute weitgehend
verschüttet. Für den Anbau eines Brunnenhauses an den Fels oder gar die
Hochführung eines Brunnenschachtes bis zur Oberburg wie bei der Burg
Scharfenberg fehlen entsprechende Hinweise. Wie die überlebensnotwendige
Wasserversorgung geschützt und zugänglich war, entzieht sich der Erkenntnis. Hier
gilt aber zu bemerken, dass die Glättung des Felsens sowie der Rücksprung der
Felswand, der wohl ausgehauen ist, doch auf einen, wenn wohl hölzernen Anbau
schließen lässt.
Südöstlich des Brunnens unterhalb des südlichen, jüngeren Wohnbaus befinden sich
Abarbeitungen im Fels, die schräg nach oben führen. Ein Teil des heute getreppten
Aufgangs könnte natürlich und später zu einer Mine erweitert worden sein. Diese
mögliche Angriffsmine wird mit den Belagerungen des 15. Jh. in Zusammenhang.
Sie ist allerdings unvollendet, da nicht in das Burginnere durchgebrochen.
Allerdings wäre es für einen angenommenen Angreifer nur noch ein kurzes Stück
Fels, da ein Felsriss im Boden des aufsitzenden Gebäudes schon erreicht war. Pohlit
sieht einen Zusammenhang mit der Belagerung von 144l.39
Vom Burgweg führt ein schmaler, südöstlich wegziehender Pfad zu einem in den
Hang Burgberges hinein kragenden Felsen, der aus dem Bergkegel vorspringt.
Abarbeitungsspuren auf der geglätteten Felsoberfläche lassen auf einen Überbau,
möglicherweise einen Turm schließen, der den Burgweg deckte. Aufgehendes
Mauerwerk fehlt vollständig, so dass nicht festgestellt werden kann, ob der Fels mit
seinen Aufbauten in die Unterburg integriert war oder separiert stand. Nicht ganz
ausgeschlossen ist, dass die beiden breiten in den Fels geschlagenen Nuten auf der
geglätteten Felsfläche auf den Standort einer Blide hinweisen. Die Literatur schweigt
bislang zu diesem Felsen.
Unter einem Felsüberhang im Süden der Oberburg, der sich durch interessante
Wabenverwitterung auszeichnet, biegt der Burgweg in nördliche Richtung um. An
der östlichen Hangkante ist eine Mauer zu vermuten, die diesem Bereich bis zum
zweiten Tor im Norden einen zwingerähnlichen Charakter verliehen haben könnte.
In der Hälfte dieses Wegstücks ist linker Hand eine hochgelegene, aus dem Fels
geschlagene:Treppe in einem getunnelten Aufgang zu sehen, die in das Burginnere
führte. Der Zugang war nach Ausweis der Balkenlöcher durch einen hölzernen,
abreißbaren Anbau geschützt, so dass er recht einfach in einen hochgelegenen
Eingang verwandelt werden konnte. Wahrscheinlich handelt es sich um den ältesten
Eingang zur Burg. Er weist im Inneren noch einen Türanschlagfalz und Falzen für
die Balkenverriegelung der Tür auf. Die Nähe zur Kapelle wird von Pohlit zu Recht
als Indiz für einen alten Burgeingang angesprochen.40 Eine spätere Nutzung als
Wachtlokal oder Ausfallpoterne
30
Burgweg
in den Zwinger liegt nahe. Bernges vermutet eine Nutzung als Kellerraum41. Eine
Funktion als Gefängnis, wie auch gemutmaßt wurde, ist aufgrund der Lage und der
Verriegelungsvorrichtung im Inneren sehr unwahrscheinlich ist.42
An der Nordspitze kehrt der Weg nach Süden um. An dieser Stelle stand ausweislich
der Bearbeitungsspuren das (zweite) Burgtor. Weiter führt der Burgweg rampenartig
ansteigend in einem ca. 6 Meter breiten Torzwinger nach 15 Metern zu dem inneren,
dritten Burgtor. Hangseitig war die Rampe mit Mauerwerk gestützt, Rinnen durch
die Benutzung von eisernen Wagenrädern sind im Felsboden zu erkennen. Drei
Treppenstufen sind im Fels den Burgweg traversierend zu erkennen. Wahrscheinlich
sollten sie den Männern, die die Karren über den steilen Burgweg schieben oder die
Zugtiere unterstützen mussten. Halt für die Füße geben.
Erhalten hat sich eine Schwelle, Balkenlöchern und Verriegelungsnuten. 1935
wurde das Tor beschrieben: „Vom südlichen, inneren Burgtor dagegen stehen noch
die Pfeiler in etwa l Meter Höhe; sie sind nach außen kräftig geschrägt, nach innen
einmal gestuft; der Torbogen dürfte spitzbogig gewesen sein“.43 Hiervon ist heute
nichts mehr zu sehen. Ob die Tore durch spezielle Torbauten gesichert waren, lässt
sich anhand des Baubefundes nicht mit der notwendigen Sicherheit erschließen.
Man erreicht nun den Burghof.
31
Anschlagfalz und
Verriegelungsloch des
inneren Burgtores
2. Der Burghof
Der heute recht weitläufig wirkende Burghof entstand wohl schon in der ersten
Bauphase der Burg, dürfte aber im Originalbefund mit Gebäuden bestanden gewesen
sein, von denen die meisten, vor allem, soweit sie aus Fachwerk waren, sich heute
ohne archäologische Sondagen nicht mehr nachvollziehen lassen. Vor allem über
den Nordteil, der heute noch unter Schutt liegt, lassen sich keine Aussagen machen.
Der Hof wurde in den 1970er Jahren frei geräumt. Hierbei wurden auch die
Fundamente der randständig um den Hof gruppierten Gebäude verändert. Im
Uhrzeigersinn schließen sich an die Torreste an:
• Die Burgkapelle an der Ostmauer,
• ein Nebengebäude,
• ein möglicherweise turmähnliches Gebäude mit Felsenkeller an der
Südspitze des Burgfelsens,
• ein Wohnbau mit anhängendem Kapellenraum an der Südspitze,
• der Saalbau mit Keller im Osten,
• ein weiterer Wohnbau mit Nebengebäuden im Nordosten.
32
Im Süden des Hofbereiches ist auch noch eine Zisterne angeblich über Zulaufrinnen
lachgewiesen nachgewiesen und auch in Pläne eingezeichnet44. Nach dem heutigen
Baubefund (2012) muss diese Frage offen bleiben.
Generell ist davon auszugehen, dass der Hofraum überbaut und nicht so großzügig
und weit war, wie er sich dem heutigen Besucher zeigt.
3. Die Kapelle
Die Kapelle wurde nach Befunden der Ausgrabungen der 1970er Jahre wieder in
ihren Fundamenten rekonstruiert. Sie hat einen quadratischen Grundriss von 8
Metern, nach Osten schließ t sie mit einer rechteckigen Apsis von 1,5 auf 3 Metern
ab. Die Gliederung des Sockels und die Ausgestaltung der Lisenen mit Wulst und
Kehle, die heute den gesamten Bau umziehen, fanden sich an der Apsis noch in situ
und wurden zum Vorbild für die Rekonstruktion. Der Eingang ist ebenfalls noch ein
Originalbefund. Die Kapelle stand frei, ähnlich wie bei der Madenburg, der
Falkenburg oder der Lemberg. Dieser Umstand wird in der Literatur als Beleg für
eine frühe Datierung der erst 1402 erstmalig erwähnten Kapelle herangezogen.
Zwischen der Kapelle und dem Wohnbau I befand sich ein Gebäude, das auf
geglättetem Fels errichtet worden war. Die Umrisse können an der Felsplatte noch
erahnt werden. Weiteres kann über dieses Gebäude aber nicht gesagt werden.
Rekonstruierte Außenmauer der Burgkapelle
33
4. Wohnbau I.
Von dem südöstlich-nordwestlich ziehenden Wohnbau haben sich an der Hangseite
Reste der dreigeschossigen Außenmauer erhalten, an der die Konsolsteine zweier
Aborterker an den Außenseiten noch zu sehen sind. Das Gebäude war unterkellert45
und von Osten zugänglich. Die westliche Schmalseite des Gebäudes ist weitgehend
verschwunden, die östliche ist noch zwei Stockwerke hoch erhalten. An dieser
finden sich Fenster- und Türöffnungen und die Reste einer Heizungsanlage, die als
von außen befeuerte Kanalheizung für mindestens zwei Stockwerke angesprochen
werden kann. Ein Kamin in Mauerdicke führt durch die Geschosse und hat
Öffnungen, die einen Austritt der Warmluft in die anschließenden Räume möglich
machen. „Auf jeden Fall haben wir auf Lindelbrunn ein schon recht frühes Zeugnis
von Ofenheizung vor uns“, meint Peter Pohlit.46
Der westlich anschließende, kleinere Raum wird als Kapellenraum angesprochen.
Hinweis hierfür ist eine attische Säulenbasen an der Nordwand, auf der eine Säule
für ein den Raum überspannendes Gewölbe geruht haben könnte. Die Säulenbase ist
noch in situ zu sehen. Die zu Beginn des 20. Jh. im Schutt gefundenen Säulenbasen
könnten auch diesem Raum zuzuordnen sein.47
Über die Datierung dieses „Kapellenraums“gehen die Meinungen auseinander.
Ordnet man das Untergeschoss des Gesamtgebäudes wegen der Buckelquader der
Südwand der Erbauungsphase zu, so scheint die Hypothese eines Vorgängerbaus der
Reste des Wohnbau l.
34
Säulenbase in der vermuteten, älteren Burgkapelle
Nikolauskapelle plausibel. Auch die Säulenbasen stützen die These. Dies schließt
aber eine spätere Nutzung als Hauskapelle nach der Errichtung der Burgkapelle
keineswegs aus.
Die aufwändige Heizanlage dürfte aber nicht in der Frühzeit der Burg entstanden
sein, so dass eine mehrphasige Entstehung des Gebäudes denkbar ist.
Auf der Südspitze der Anlage vor dem Wohnbau befindet sich ein runder
ausgehauener Keller, eingetieft in eine Felsplattform, die überkragt und den
Burgweg dominiert. An der Felskante weisen Pfostenlöcher auf eine
Holzüberbauung hin, die später in Stein ersetzt wurde, wie im Westen noch zu sehen
ist. Der Eingang in den Keller erfolgte von Norden, die ehemals spitzbogige Tür
wurde aus dem Fels gearbeitet. Bearbeitungsspuren deuten auf eine Einteilung des
Kellers hin. Eine Nische ist in Ostwand zu erkennen, eine zweite in der Südwand,
die über einen Ausbruch verfügt. Ob der Keller in zeitlichem oder funktionalem
Zusammenhang mit dem anschließenden Gebäude stand, ob es sich um den ältesten
Teil der Burg in Holzbauweise oder um einen den Burgweg schützenden Rundturm
handelte, wie Lehmann vermutete41 - darüber können abschließende Aussagen nicht
getroffen werden.
In der neueren Literatur wird ein „rodellartiger Turm“vermutet.49
Geschützkammern, die Pohlit angibt, sind in dem Keller nicht zu finden. Die
Öffnungen sind so unspezifisch, dass sie keinem Waffentypus zugeordnet werden
können.50 Die These, es habe sich um einen Batterieturm gehandelt, ist abzulehnen,
35
wie auch die von Hotz, der einen runden Bergfried vermutete. Über den
fortifikatorischen Nutzen des Kellers schreibt E. Braun: „Keine Fundamentierung
für schwere Kaliber, heute sind auch keine Scharten für Haken und Arkebusen mehr
zu entdecken“. Nach Braun sollen allerdings kleine eiserne Kanonenkugeln bei
Raubgrabungen auf der Burg gefunden worden sein.51
In der älteren Literatur wird eine Wachtstube vermutet.52
Der Palas und Wohnbau II.
Der heute noch imponierendste Bauteil der Burg ist der Palas an der Südwestseite.
Dieser besteht aus ein 30 Meter langen Bau im Westen und einem 22 Meter langem
im Norden, der in einen Anbau mit geringerer Wandstärke übergeht. Die Stärke der
Außenmauer von 2,5 Metern, die Verwendung von Buckelquadern und die
Durchfensterung legen nahe, dass es sich zumindest im Ursprung um ein Gebäude
gehandelt halte, dass aber durch Umbauten in der Ganerbenzeit aufgeteilt wurde, um
Wohnmöglichkeiten für die jeweiligen Verwalter zu schaffen.
Dur Südwestbau kann als repräsentativer Palas angesprochen werden. Die
Außenseite des Gebäudes ist aus akkurat bearbeiteten und gesetzten Buckelquadern
gemauert. Der Bau verfügt über drei gedoppelte Fenster, eines weist noch über einer
eingesetzten Platte spätromanische Spitzbögen auf, die auch sicherlich bei den
anderen beiden zu finden waren. Die Mittelsäulen fehlen, die Fenster sitzen in
Stichbögen,
Buckelquaderaußenwand
des Palas der Oberburg
36
verfügen über Sitzbänke an den Seiten und waren verschließbar. In der
Entstehungszeit waren die Fenster möglicherweise unverglast. In die Bögen des
mittleren, am besten erhaltenen Fensters sind Anschlagfalzen für einen Verschluss
durch Holzbohlen eingehauen, auch die Verschlusskanäle sind noch zu erkennen. In
späterer Zeit wurde eine Verschlussmöglichkeit der gesamten Nischen eingebaut.
Auch hier haben sich die Verschlussbalkenlöcher und -kanäle noch erhalten.
Die Buckelquaderverblendung und die Fenster erinnern stark an Spolien des ersten
staufischen Palas des Trifels, wie sie auf dieser Burg ausgestellt sind. Auch dies
bestärkt die These, dass zwischen den beiden Burgen in der Person des Markward
von Annweiler eine direkte Verbindung bestand und auch Bauleute vom Trifels bei
der Errichtung der Lindelbrunn zum Einsatz kamen.
Im Inneren des Gebäudes fällt zuerst ein Kamin ins Auge, der zu den zahlreichen
willkürlichen und stilwidrigen Veränderungen an der Burg bei der Über-
Restaurierung der 1970er Jahre gerechnet wird. Der Keller ist original, der
Kellerzugang bis auf die Treppenstufen und die Reste Tür nicht. Von der Tür sind
die Pfosten noch aus der Nutzungszeit erhalten.
Das Untergeschoss hat drei kleine Rundbogenfenster, die zuerst als Lichtöffnungen
anzusprechen sind. Die östlichen sind v- förmig, auf Kragsteinen ruht ein gerader
Sturz. Obwohl als Lichtschlitze angesehen, könnten sie auch als Schießscharte für
Bogenschützen aus der Frühzeit der Burg angesprochen werden. Allerdings hätten
die Schützen nur einen schmalen Bestreichungswinkel.
Die Aufmauerung des hofseitigen Abschlusses muss als willkürlich bezeichnet
werden.
Das Innere der Außenwand wird durch ein Gesims mit Wulst, Platte und Kehle
gegliedert, das Gesims diente wohl als Stockwerksauflage für das Obergeschoss, das
Kellergeschoss wurde durch auf gerundeten Konsolsteinen aufliegenden Balken
gebildet. Diese Konsolsteine haben sich noch fast vollständig erhalten. Der Palas
hatte somit kein Gewölbe, sondern eine flache Holzdecke.
Der heute zu sehende Kamin ist möglicherweise doch in seiner Originalgröße
rekonstruiert. Zumindest ist die obere rechte Wange noch original, auch der Verlauf
der Konsolsteine, die rechtwinkelig nach unten geführt werden und dann in die
Kaminabdeckung übergehen, weist in diese Richtung. Einer dieser Konsolstein ist
als Original anzusprechen. Allerdings sind die meisten keine Originale. Gegen die
Rekonstruktion in Originalgröße widerspricht der Teil einer Kaminwange, der jetzt
in der Rückwand sitzt.
Es ist aber auch möglich, dass der Kamin in der Nutzungsphase des Gebäudes
vergrößert wurde. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum die störenden
Wangen des älteren Vorgängers nicht gänzlich abgeschlagen wurden. Letztlich lässt
sich das wahre Aussehen des Kamins wegen der „unkompetenten Eingriffe“in die
Bausubstanz nicht mehr rekonstruieren.
37
Rekonstruierter Kamin im Saalbau
Links und rechts des Kamins findet sich jeweils eine Blindnische, die wohl als
Wandschränke angesprochen werden können.
Das Gebäude hatte außer dem Keller mindestens zwei weitere Stockwerke mit
mindesten 260 qm. Fläche.
An den Repräsentationsbau stieß ein 22 Meter langer Wohnbau, der fünf Meter breit
und mindestens zweigeschossig war. Auch dieses Gebäude ist stark überformt. Als
Originalteil anzusprechen ist ein Aborterker an der Außenseite, der nicht
aufgerundeten Konsolsteinen ruht, sondern auf „zwei maß werkartig geschaffenen
Konsolen in der Art frühgotischer Kleeblattbögen“. Der fast vollständig erhaltenen
Erker, der sogar noch über die Nut für das Sitzbrett verfügt, ist einzigartig in unserem
Raum.
Weitere Originalteile sind Fenstergewände und Sitzbänke in den Fensternischen. Bei
den Fenstern dürfte es sich um Vierstockfenster aus einer Ausbauphase des 15. Jh.
handeln. Die Krampen zum Einsetzen der Butzenglasfenster haben sich noch
erhalten. Von den Sitzbänken könnte die rechte des östlichen Fensters, mit Wulst
und Kehlen profiliert, noch aus der Bauphase der Burg stammen.
38
Aborterker an der Außenseite des Wohnbaus.
Der sich anschließende Bau, von dem nur noch die Außenmauer steht, wird als
Wirtschaftsgebäude oder Stall angesprochen, Ein noch vorhandener Wandschrank
lässt aber auch eine Nutzung von Teilen des Gebäudes als Wohnraum schließen.
Der Nordteil der Burg ist von Schutt bedeckt. Darunter wurde, auf Beschreibungen
des 19. und 20. Jh. rekurrierend, ein Bergfried vermutet. Hier kann aber nur die
Burgenarchäologie Klarheit schaffen. Ein Turm ist 1448 erwähnt (in den thorn zu
Lindelborn), der zu diesem Zeitpunkt auch als Gefängnisturm genutzt wurde. Über
sein Aussehen und seine Lage ist allerdings nichts bekannt.53
Peter Pohlit hat die bis heute fundierteste Datierung der einzelnen Burgteile geliefert:
„Bauphase I: Die Grundmauern des südwestlichen Wohnbaus mit dem
„sakralen“Raum können aufgrund der Säulenbasen - unter Vorbehalten - eine grobe
Datierung ins 12. Jahrhundert zulassen.
Bauphase II: In den Jahrzehnten um 1200 dürfte ein umfassender Ausbau der Burg
mit Kapelle und Saal- und Wohnbau erfolgt sein. Die - nach Fundstücken -
rekonstruierbare Fassade der Kapelle mit „lombardischen“Lisenen und die
Doppelfenster mit sehr schwach ausgeprägten Spitzbogenöffnungen und
Rundbogenfassungen lassen eine Datierung im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts
möglich erscheinen.
39
Bauphase III: Spätestens im 14. Jahrhundert wurde das südwestliche Wohngebäude
weitgehend neu errichtet. In diese Zeit dürfte auch spätestens der Brunnen in der
Unterburg eingeordnet werden, da die Burg 1398 als Lindelbrunn bezeichnet wird.54
Lindelbrunn ist eine Burg, auf der größeren Wert auf Wohnkomfort als auf die
fortifikatorischen Einrichtungen gelegt wurde. Die imposante Lage mag hier
tatsächlich als Machtdemonstration gelten, die Burg tatsächlich „Symbol der
Macht“sein. Auch die herausragende Steinmetz- und Maurerarbeit am Palas und an
den aufgefundenen und teilweise verlorenen Architekturteilen stützen diese These.
Eindeutig ist sie dem des Trifels zuzuordnen und steht auch in direktem historischem
Zusammenhang mit diesem. Nach ihrer Zerstörung war ein Wiederaufbau auch wohl
deswegen nicht geboten, da das Gipfelplateau keinen Raum für unbedingt
notwendige Ausbauten nach Einführung der Feuerwaffen bot und im Berghang
keine Möglichkeit bestand, die Burg durch Vorwerke zu erweitern und zu
verstärken. Letztlich wurde der Grund ihrer Erbauung, Wohnkomfort und
Repräsentation, ihr 300 Jahre später zum Verhängnis.
______ 1. Sprater, Friedrich: Die Pfalz: in der Römerzeit, 2 Bde. Speyer 1929/30. Bd. 1., S. 95: Häberle,
Daniel: Von der Burg Lindelbol und dem Lindelbrunnerhof, Ein Beitrag zur Heimatkunde der
Südpfalz, Neustadt 1933, S. 3.
2. August Brauner: Burg Lindelbrunn, Bad Bergzabern 1981, S. 4: Bürgy-de Ruijter, Ingrid: Ein Blick zurück. Die Chronik von Gossersweiler-Stein, Annweiler 1998. S. 34-35.
3. Keddigkeit, Jürgen; Burkhart, Ulrich; Übel. Rolf (Hg.): Pfälzisches Burgenlexikon. Band 3,
I-N (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, herausgegeben vom Institut für pfälzische
Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern, Bd. 12.3) Eintrag: Lindelbrunn von A. Thon, U.
Burkhart, P. Pohlit und D. Barz, Kaiserslautern 2005, S. 430-448, S. 432; nach GLA KA
67/l304, in der älteren Literatur wird sie auf 1268 datiert (Lehmann, Johann Georg:
Urkundliche Geschichte der Burgen und Bergschlösser der bayerischen Pfalz, 5 Bde.
Neustadt 1857-1866, unveränderter Nachdruck in 3 Bde., Pirmasens 1969, S. 193; Pohlit.
Peter: Die Burg der vornehmen Lebensart, in: Heimatjahrbuch 1997 des Landkreises
Südliche Weinstraße, Otterberg 1996. S. 139; Die Kunstdenkmäler des Bezirksamtes
Bergzabern (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Regierungsbezirk Pfalz, Bd. 4) bearbeitet von
Anton Eckardt, München 1935, S. 302: Brauner, August: Burg Lindelbrunn. Feriengebiet
Südliche Weinstraße. Geschichte, Baubeschreibung. Rundblick, Sage, Lindelbrunnerhof. Bad
Bergzabern 1981, S. 5: Übel. Rolf: Truwe und Veste, Burgen im Landkreis Südliche Weinstraße, Landau 1992. S. 39.)
4. Thon, Alexander: Markward von Annweiler (um 1140-1202). Reichsministeriale,
Reichstruchsess, Herzog, Markgraf, Graf, in: Rothenberger/Scherer/Staab/Keddigkeit
(Hrsg.): Pfälzische Geschichte, Band l (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, hrsg. vom
Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Bd. 18.1), Kaiserslautern 20113, S. 232-
234.
5. Saab, Meinrad: Die Ministerialität der Kirchen, des Pfalzgrafen, des Reiches und des Adels
am unteren Neckar und im Kraichgau, in: Ministerialität im Pfälzer Raum, Referate und
Aussprachen der Arbeitstagung vom 12. bis 15. Oktober 1972 in Kaiserslautern (Hg. von Friedrich Ludwig Wagner), Speyer 1975. S. 95-116, S. 112-115.
40
6. Huillard- Breholes, J.L.A.: Historica Diplomatica Frederici Secundi, Paris 1852, S. 96.
7. Schaab, S. 114/115
8. Pohlit. 1997, S. 139-145
9. Thon, Alexander: „... und die Gewalt von Aufrührern wies er energisch sowohl durch Waffen
als auch durch Klugheit zurück“. Pfälzische Reichsministerialen im Umfeld von Burg Trifels
zur Zeit der staufischen Könige und Kaiser, in: Trifelsverein Annweiler (Hg.): Stauferkaiser,
Reichsinsignien. Ministerialität (Beiträge zur Geschichte des Trifels und des Mittelalters, Bd.
2), Annweiler 2002, S. 142-162.
10. Thon. 2011, S. 232-234: auch in den Wikipedia-Eintrag zur Lindelbrunn ist die Vermutung
aufgenommen.
11. Thon. 2011. S. 233f.
12. Würdtwein. Stefan: Novo subsidia diplomatica ad selecta iuris ecclesiastica Germainae et
historiarum capita, 14 Bde., Heidelberg, Bd. 12, Nr. 89, S. 198f.
13. Böhmen. Johann Friedrich (Hg.): Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf,
Albrecht, Heinrich Vll, 1273-1313. Innsbruck 1898. Nr. 158, S. 50), FLA Amorbach. Urk.
Leiningen, sub dato 10. Mai 1274.
14. LA Sp F l, Nr. 186, bl.1, auch LA Speyer C 28, Nr. 47.
15. Diestelkamp, Bernhard (Hg.): Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und
Hofgerichts bis 1451 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich,
Sonderreihe) 6, Köln 1995, Nr. 379, S. 225.
16. Toussaint, Ingo: Die Grafen von Leiningen. Studien zur leiningischen Genealogie und
Territorialgeschichte bis zur Teilung 1317/18, Sigmaringen 1982, S. 146.
17. Lehmann. Bd. l, S. 194.
18. GLA KA 67/800, fol. l4v.
19. HStMü, Kurpfz Urk., Nr. 1487.
20. Pfälzer Burgenlexikon. Bd. 3, S. 434.
21. Lehmann, Bd. l, S. 197; Glasschröder, Franz Xaver: Neue Urkunden zur Pfälzischen
Kirchengeschichte im Mittelalter (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur
Förderung der Wissenschaften. Nr. 14). Speyer 1930, S. 41-43, Nr. 71.
22. Palatia sacra, Kirchen- und Pfründebeschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit. hrsg.
von L. Anton Doll. Teil I, Bistum Speyer. Band 3. Der Landdekanat Herxheim, bearbeitet von
Renate Engels, Mainz 1988, S. 199.
23. Pfalz. Burgenlexikon, Bd. 3, S. 434.
24. Lichtenberger Urkunden. Regesten zu den Urkundenbständen und Kopiaren des Archivs der
Grafen und Herren von Lichtenberg in Darmstadt, Karlsruhe, München. Speyer, Straßburg,
Stuttgart und Ludwigsburg 1163-1500 (Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt
2), bearbeitet von Friedrich Gattenberg unter Mitarbeit von Bernhard Metz. 5 Bde., Darmstadt
1994-1996. Nr. 1731, S. 110.
25. LA Speyer C 19, Nr. 222. pag. 3.
26. Lehmann, Bd. l, S. 199.
27. Lehmann, Bd. l. S. 202 f.
41
28. LA Speyer. C 25, Nr. 18.
29. Brauner, S. 11.
30. Lehmann, Bd. l, S. 204-205.
31. Friedrich Toepfer (Hg.): Urkundenbuch für die Geschichte des graeflichen und freiherrlichen
Hauses der Voegte von Hunolstein, 3 Bde., Nürnberg 1866-72. Bd. 2. Nr. 280, S. 229.
32. Lehmann, Bd. l, S. 207.
33. Hofmann, Conrad (Hg.): Quellen zur Geschichte Friedrich’s des Siegreichen. Erster Band:
Mathias von Kemnat und Eikhart Arzt, München 1862 (Neudruck Aalen 1969). S. 200-202.
34. Angelika Zangl: Weißenburg und die Familie Holzapfel von Herxheim, in: L’outre-forêt, (III
2011), S. 29-31.
35. Artzt (1862/1969), S. 187
36. Harer, Peter: Wahrhaftige und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs, hrsg. Von Günther
Franz, Kaiserslautern 1936, S. 47.
37. Obwohl sich diese Annahme einige Male in der Literatur findet, ist ein urkundlicher Nachweis
für diese Annahme bis heute noch nicht erbracht.
38. Pohlit, Pfälz. Burgenlexikon, Bd. 3, S.440 und Karte S. 447. Die ältere Literatur nennt dieses
Tor nicht.
39. Pohlit. .S. 141. Er verweist auf die Minen bei Löwenstein und Wasselheim, die Mine hei Alt-
Windstein und die vermutete Mine auf dem Berwartstein wären hier hinzuzufügen.
40. Pohlit, Burg. S. 142. Burgeingänge konnten auch mit Madonnennischen versehen sein (z.B.
Altdahn oder Neuscharfeneck).
41. Bernges, Rüdiger: Felsenburgen im Wasgau, Untersuchungen eines speziellen Burgentyps im
südlichen Pfälzer Wald und in den Nordvogesen, Ahrweiler 1992, S. 270.
42. Die Baudenkmale in der Pfalz, ges. und hersg. v. d. Pfälzischen Kreisgesellschaft des
bayerischen Architecten- und Ingenieurs-Vereins, 5 Bde. Ludwigshafen am Rhein 1884-1898.
Band 2, S. 241.
43. Kunstdenkmäler. 1935, S. 304.
44. Kunstdenkmäler. 1935, S. 30S. Pohlit. Pfalz. Burgenlexikon, Bd. 3, S. 447 et.al.
45. In dem Kellerraum befindet sich der Felsspalt, der von der Mine aus zu sehen ist.
46. Pohlit Burg, S. 143.
47. Kunstdenkmäler, S. 307.
48. Lehmann, Bd. l, S. 191.
49. Thon, Alexander/Pohlit, Peter/Reither Hans: „... wie eine gebannte, unnahbare Zauberburg“.
Burgen in der Pfalz, ein Führer, Regensburg 2003, S. 94.
50. Pohlit, Burg, S. 141.
51. Braun, Eckhard: Pfälzische Burgen und Feuerwaffen, phil. Diss., Hauenstein 1997. S 1094.
52. Kunstdenkmäler(1935), S. 308.
53. Eikhart Artzt (1862/1969). S. 202
54. Pohlit. Pfälz. Burgenlexikon. Bd. 3, S. 447
42
Von Kurt Seegmüller
Lehrer in Oberschlettenbach in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, überliefert
durch seine Schülerin Hermine Christmann, verheiratete Hunsicker geb. 1924.
Lindelbrunn
Die Wolken huschen um den Lindelbrunn,
‘s ist Herbst, sie treibt ein frostger Wind,
in der Ruine Mauern horsten Eulen,
die sie um Mitternacht umkreisen.
Sieh, durch die Trümmer irrt die alte Frau,
die einst die stolze Burg verdarb.
Und Bauernhorden lagern rings im Wald
und sinnen Raub und Mord und Überfall.
Was war, das wird in dunklen Nächten wieder
und es beginnt ein Kampf um Lindelbrunn.
Die Zinnen stürzen und die Mauern fallen
und übrig bleiben Schutt und Moder nur.
Am Morgen blinket die Ruine öd ins Land.
Aus dunklen Fenstern grinst noch das Entsetzen,
das fünfzehnhundertfünfundzwanzig dort geboren.
Es stirbt nie und es wird nie alt.
Nur wenn im Mai die Büsche wieder blühen,
die Nachtigall in ihnen wieder singt,
wenn rings die Weite schallt von Lust und Freude,
dann segnet Lindenmütterlein das alte Schloss.
43
Vorderweidenthal und Oberschlettenbach
Ein Gang durch die Geschichte
Lothar Wagner
Frühe Siedlungsspuren
In unserer Gegend finden sich frühe Spuren menschlichen Lebens bereits in der
Steinzeit. In Oberschlettenbach im Zimmertal wurde ein ungelochter Faustkeil
(befindet im Landesmuseum in Speyer) und am Fuß des Lindelbrunn ein
geschliffenes Steinbeil aus der jüngeren Steinzeit (bis etwa 2000 v. Chr.) gefunden.
Aus der Zeitspanne zwischen 30000 und 7000 Jahren vor Chr. stammen auch Funde
in einer Sandsteihöle im Weidental bei Wilgartswiesen, die ca. 8000 Jahre alt sind.
Aus keltischer Zeit ist uns eine kleine Siedlung auf dem Maimont an der deutsch -
elsässischen Grenze bekannt, in der auch Kulthandlungen vorgenommen wurden. In
römischer Zeit lebten bei uns neben den keltischen Mediomatrikern die
germanischen Nemeter und die Römer. An der Westspitze eines Felsriffes zwischen
Tannenwaln und Langenwald oberhalb des Bärenbrunner Hofes befindet sich eine
56 cm lange erhaltene Inschrift mit etwa 10 cm hohen Buchstaben: Vosegus
Silvan(o) (dem Gott Vosegus Silvanus). An dieser Stätte in freier Natur riefen die
Kelten ihren Gott des Waldes an, den Vosegus, von dem Vogesen und Wasgenwald
ihren Namen haben. Mit dieser Inschrift wird der einheimische Gott Vosegus mit
dem römischen Waldgott Silvanus gleichgesetzt (er wird latinisiert). Nahebei im
Wald bei Oberschlettenbach fanden sich römische Siedlungsspuren. Aus römischer
Zeit stammen auch Ziegeln und Münzen, die man an der Handelsstraße gefunden
hat, die nördlich von der Burg Lindelbrunn vorbeiführte.
Dieser alte Höhenweg kam von Leinsweiler und zog über Gossersweiler nach
Südwesten. Mit ihm vereinigte sich ein anderer Straßenzug, der von Johanniskreuz,
der Falkenburger Steige, Hauenstein, Schwanheim und Darstein kam. Bis zur
Erschließung der Täler wurden die Straßenzüge in Nord- Süd- und Ostrichtung
benutzt.
Lehen des Klosters Klingenmünster - die erste urkundliche Erwähnung am
16. Oktober 1313
Das Kloster Klingenmünster hatte für die Besiedlung, Kultivierung und kirchliche
Organisation unserer Gegend eine große Bedeutung. Es wird 782 als Kloster
Blidenfeld erstmals urkundlich erwähnt. Etwa um 800 nahmen die Mönche die
Benediktinerregel an. Der Patron des Klosters war St. Michael. Daher werden die
Ordensleute als „Michaelsleute“bezeichnet. Das Kerngebiet des Klosters lag südlich
von Klingenmünster und westlich im Wasgau zwischen Erlenbach und Kaiserbach.
Hier betrieb das Kloster seine Rodungstätigkeit, den Klingbach hinauf. Die hier
liegenden Dörfer verdanken also dem Kloster ihre Entstehung, so auch
44
Vorderweidenthal und Oberschlettenbach. Wann genau unsere Dörfer entstanden
sind, wissen wir nicht. Ob im 12. Jahrhundert oder erst im 13. ist uns nicht bekannt.
Den ersten eindeutigen Hinweis gibt uns die Urkunde vom 16. Oktober 1313. Darin
werden 10 Ortschaften genannt, die dem Abt des Klosters ein Bezirksweistum
ausstellen, u.a. auch Widental (Vorderweidenthal) und Slethenbach
(Oberschlettenbach).
Die aus den Dörfern in Speyer Anwesenden werden „jurati sui villarum“ bezeichnet,
was man mit „Berechtigte seiner (des Abtes) Weiler“ bezeichnen könnte. Gemeint
sind Schöffen oder Schultheißen aus den 10 Dörfern. Aus Vorderweidenthal sind
dies: Trutwinus, Conzelinus, der Sohn des Rudolf, ... genannt Hetzel, Hertwicus und
Anshelmus, aus Slethenbach Waltherus und Wernherus.
Ausgestellt wird das Bezirksweistum über das Besthaupt und den Bannwein.
Das Besthaupt oder Todfall war im Mittelalter eine Abgabe vom Nachlass eines
Hörigen, Unfreien oder Leibeigenen, die häufig im besten Stück Vieh oder besten
Gewand oder überhaupt des besten Stücks bestand. Der Bannwein ist das Recht des
Herrn, auf Grund seines Bannrechts zu bestimmten Zeiten den Weinausschank zu
verbieten und allein auszuüben. In unserer Urkunde wird der Zeitpunkt festgesetzt.
Der Abt hat „duo jura in anno“, zweimal im Jahr das Recht, 15 Tage vom
Michaelisfest und vom Fest der Heiligkreuzerhöhung an gerechnet, den
Weinausschank zu verbieten und selbst auszuüben. Aus diesen beiden Rechten kann
geschlossen werden, dass das Kloster Grundherr in den in der Urkunde genannten
Orten war. Hier die Übersetzung der Urkunde vom 16. Oktober 1313, die im
Original in lateinischer Sprache abgefasst ist und sich im Hauptstaatsarchiv in
München befindet. Ein Abdruck ist in der Zeitschrift für die Geschichte des
Oberrheins, Band 17, S. 167 bis 169 nachzulesen.
Hier der deutsche Text:
Text Seiten 167, 168 und 169:
Wir, die Gerichtspersonen des Hofgerichtes von Speyer und auch die
Officialen der Kirche daselbst wollen allen Gegenwärtigen und Zukünftigen
zur Kenntnis bringen, was wir im Jahre des Herrn 1313, am Tag des seligen
Bekenners Gallus, in Gegenwart des ehrwürdigen Heini Heinrich, von Gottes
Gnaden Abt des Klosters Klingen, beschlossen haben, wir und auch ihre
Geschworenen der unten erwähnten Dörfer. Zuerst natürlich aus
Klingenmünster: Nicolaus, genannt Hulwecke, dann Fritzo, gen. Arzat,
Heinricus, gen. Ganeister, der Schuster Conradus, Dytherus, gen. Wige, und
Ulmannus in der Steingasse. Ebenso aus Göcklingen: der Weber Conradus,
Heinricus, gen. Zeberlinger und Eberhardus. Ebenso aus Gleiszellen:
Wolframus, gen. Schatman, Otdo.Heinricus, gen. Huchelheimer, und
Conradus, gen. Gotzman. Ebenso aus Pleisweiler: Werherus, gen. Hocheimer,
sein Bruder Jacobus, gen. Happhelman und Hartliebus. Ferner aus Bergzabern
-, gen. Winter, Heinzelmannus und der Lohnmann Conzelinus. Ebenso vom
Wirschweilerhof Fridericus, gen. Hetkebz und Burkardus, gen. Kirsemant.
Ebenso aus Münchweiler: Wernherus und Sifridus. Ebenso von
45
Gossersweiler: ,gen. Apel und ,gen. Schade de Steine, und auch Reinherus de
Sulzen. Ebenso: Aus Vorderweidenthal: Trutvinus, Conzelinus, der Sohn des
Rudolf,...., gen Hetzel, Hertwicus, Anshelmus, Waltherus und Wernherus aus
Slethenbach. Ebenso aus Schwanheim: Heinricus, gen. Wollesheher (lies:
Wollesleher), und Wernherus, gen. Vero.
Herr, der Abt, forschte alle einzeln an Eides Statt aus, was sie über ihre
Rechtsverhältnisse sich selbst gegenüber äußern und von den andern zu
erfahren suchen und eben über diese durch eigene eidliche Aussagen mit
Sicherheit aussagen können. Die oben erwähnten Geschworenen aber machten
mit Entschiedenheit und Einstimmigkeit aller und einiger der oben genannten
Dörfer ihre Aussagen und äußerten sich auch durch eidesstattliche
Erklärungen in aller Eindeutigkeit, dass jeder, welcher Stellung er auch sei, als
Person angemessener Glaubwürdigkeit gilt. Jeder, bzw. alle, die auf den
Gütern des heiligen Michael vom Kloster Klingenmünster stürbe, müsse
entweder sein bestes Vieh, das er hinterlässt, außer einem, dem oben
erwähnten Herrn Abt, bzw. seinen jeweiligen Nachfolgern abtreten, oder, falls
er kein Vieh haben sollte, das beste Kleidungsstück. Und wenn er von beiden,
also Vieh und Kleidung, nichts hinterließe, soll er (der Abt) von den anderen
Resten eine Goldmünze erhalten.
Wenn es sich aber um einen Klostermann von dem oben erwähnten St.
Michael in Klingenmünster handelt, soll auch er sein bestes Stück Vieh oder
Kleidungsstück aus seinem Nachlass dem oben erwähnten Abt. bzw. seinen
jeweiligen Nachfolgern abtreten, wobei ein Einspruch, von wem auch immer,
nichts daran ändern soll.
Ebenso machten sie ihre Aussagen und erklärten durch eigene eidesstattliche
Aussagen in aller Entschiedenheit, dass der oben erwähnte Abt, bzw. seine
jeweiligen Nachfolger zeitlich ununterbrochen jährlich zwei Rechtsame haben
soll, die der Volksmund Bannwein nennt, nämlich je fünfzehn an der Zahl am
Michaelstag und am Fest der Kreuzauffindung. Auch soll dies kein Einspruch
verhindern. Zur Bestätigung und Bekräftigung jedes einzelnen haben wir als
die Gerichtspersonen des Hofgerichtes von Speyer und auch die oben
genannten Officialen unsere Verträge dem oben genannten Herrn Abt sowie
all seinen Nachfolgern auf Bitten der oben genannten Personen persönlich zur
Genehmigung vorgelegt.
In den Jahren 1457 und 1483 werden durch den Abt Diemar von Selz und den
Offizial des Speyerer Dompropstes Abschriften erstellt. Das bedeutet, dass der Abt
von Klingenmünster immer wieder um seine Rechte kämpfen musste. Als die
Bauern in der Pfalz sich im Jahr 1525 in einem Aufstand erhoben und in 12 Artikeln
ihre Forderungen formulierten, schrieben sie in Artikel 11:
46
„Zum eilften wellen wir den Brauch, genannt den Todfall ganz und gar abtun
haben, den nimmer leiden noch gestatten, dass man Witwen, Waisen das ihr
wider Gott und Ehren also schendlich nehmen, berauben soll, wie es an viel
Orten (mennigerlei Gestalt) geschehen ist, und von den, so sie beschitzen und
beschirmen sollten; hant sie uns geschunden und geschaben, und wann sie
wenig Fug hettent gehabt, hettent sies gar genommen, das Gott nit mehr leiden
will, sunder soll ganz absein, kein Mensch hichts hinfiro schuldig sein zu
geben, weder wenig noch viel.“
Die 12 Artikel hat auch der Kolbenhaufe gekannt und übernommen, der im Frühjahr
1525 Lindelbrunn besetzte und zerstörte. Ein Beweis dafür, wie sehr das Besthaupt
(der Todfall) die Menschen bedrückte und belastete.
Der Fronhof des Klosters Klingenmünster in Vorderweidenthal
Im Mittelalter besaß das Kloster Klingenmünster einen durch Schenkungen und
Gütervererbungen entstandenen größeren Besitzkomplex. Es besaß Fronhöfe in
Göcklingen, Gossersweiler, Gleiszellen, Pleisweiler, Schwanheim,
Vorderweidenthal, Heuchelheim, Wollmesheim und Insheim. Der Fronhof von
Vorderweidenthal wird im Jahr 1485 erstmals urkundlich erwähnt. Da verkauft der
Abt Eucharius und sein Convent „dem strengen Ritter und pfälzischen Marschalle
Hans von Drot Für 500 gute rheinische Gulden... einen Frei und Fronhof neben der
Kirchenmauer, nebst anderen Berechtigungen“(Lehmann, Urkundliche Geschichte
der Burgen und Bergschlösser im ehemaligen Speyergaue, S. 191-216). Wann unser
Fronhof entstanden ist, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall war er die Urzelle unseres
Dorfes. Durch ihn wurde das umliegende Land urbar gemacht und bewirtschaftet.
Weitere Gehöfte kamen im Lauf der Zeit dazu und langsam entstand ein Dorf. Wir
hatten also einen zentralen Fronhof mit von ihm abhängige Bauernhufen. Als Hufe,
mansus, galt eine vom Fronhof abhängige, aber selbstständige Bauernstelle mit
Hofstatt und Ackerland. Die Arbeitsleistungen der Bauern für den Fronhof
bestanden in Fronden und den großen und kleinen Zehnten.
Eine Fronhofverfassung (von ahd. fro = Herr) bedeutet also, dass es einen
Eigenbetrieb des Grundherrn (Fronhof) gibt, dem selbstständig betriebene
Bauernwirtschaften (Hufen) zugeordnet sind.
Auf dem Fronhof saß ein Schultheiß, der die Klosterhörigen beaufsichtigte. Er hatte
freien Wohnsitz und bewirtschaftete die zum Hof gehörigen Felder und Wiesen. Die
Rechte der Abtei Klingenmünster in Vorderweidenthal und Oberschlettenbach sind
in einem Weistum wiedergegeben, welches vor 1485 entstanden sein muss, da es
immer von einem Abt spricht, das Kloster aber 1490 in ein weltliches Kollegiatstift
umgewandelt wurde und ab da keinen Abt mehr hatte.
47
Rechte der Abtei Klingenmünster zu
Vorderweidenthal
§ 1. Zu Weidenthale, daselbst hat der stift einen hof, gelegen neben der
kirchenmauer, und heisset ein fronhofe, der aller menglich frei ist vor
bekummern dem gericht und ander sachen, und soll der hofe mit zeinen
behebe sein und ein haus und scheuer darin sein. § 2. Auch hat ein abt daselbst
recht zu allen zehenden zweier theile im dorfe und marke, uszgescheiden die
lehen, und ein selegereder des closters von des chores wegen ein drittig theile,
oder ein parher zu Gosserszweiler von iren wegen. § 3. Auch hat ein abt
jerlichen in dem gericht fallenden von den huben uf s. Marteins dage
schezehenhalbe achtel korngeldes und achtzehenhalbe achtel habergeldes, das
die gemeinde sammentlichen verrechen sollen uf den nesten dinstag nach dem
gerichts dage, der do ist nach sant marteins dage. § 4. Und sollen dasz
verrechen einem schultes, der (l. den) dan ein abt dar setzet und gesatzt hat. §
5. Auch wan ein abt einen man dar stellet, der da ein biderman ist, zu einem
schultes, da sall das gericht mit begnuege; weisze aber das gericht icht uf
denselben, dasz er nit gut darzu ist, soe soll er einen andern dar stellen, als
lange bis das gericht begnueget. Und wann dan das gericht begnuegt, mit
welchem das were, der soll einem abt geloben und darnach im und dem gericht
schweren, beiden ir recht zu halten. § 6. Auch gibt ein abt von den
vorgeschriben zinsen und zehenden einem Pfarher jerlichen eilfe suemem
korns und eim selegereder von des chores wegen sehs summern; und seint im
auch nit mere da schuldig, wan die kirche daselbes ein capellanie ist geweszen
und ist gemacht zu einer pfarren umb des kirchegangs willen, der da gehorte
gein Gossersweiler, das da die heübtpfarre ist, und man auch den sent da
besitzet. § 7. Auch wan man jares die egeschriben zinse da gemeinlichen
rechent und bezalt, soe gibt man den hubern in fruentschaft ein viertel weins
zu gezeügnis der rechnung. § 8. Auch soll ein schultes zu Schlettenbach die
zinse verrechen und empfahen und eim abt in seinen sag antworten, wan
dasselbe dorfe auch in das gericht gehoret, an der walthabem von dem Langen
walde und Uffels walde und den deheim, das ein furster sammeln und
entpfahen salle und einem apt antworten in sinen sack. § 9. Auch salle ein
schultes, der in dem fronhofe sitzet und das fronguet bauet, alle jare den
krisam der kirchen und den schotze der gemeinde bezalen. § 10. Ouch sal man
der gemeinde zu irm fihe halden in dem fronhofe einen farren, ein eber, einen
wider, einen halben wagen, ein gruendel mit schare und seche, und ein bloche
oder ein pare ringe, und dammb hat der hofe recht zu zweien deilen des kleinen
zehenden. § 11 Auch haben wir ein stuck wiszen kauft daselbes, gelegen an
des stifts bruel, do warent vile erber luede bei diesem kaufe und beredueng.
48
Der Fronhof besaß Immunität. Er war frei von öffentlichen Gerichten und von dem
Zutritt der öffentlichen Beamten. Sogar die in den Fronhof geflüchteten Missetäter
fanden dort sicheres Asyl. Der Fronhof war ein Immunitätsgebiet. Man nannte einen
Fronhof auch einen Freihof. Er sollte mit einem Zaun umschlossen sein. 2/3 des
großen Zehnten (Getreide und Großvieh) standen dem Kloster Klingenmünster zu,
1/3 dem Mann (selegereder), welcher für die gestifteten Anniversarien
(Totengedächtnisfeiern) sorgte. Aus den Zehnteinkünften besoldete der Abt den
Pfarrer von Vorderweidenthal. 2/3 des kleinen Zehnten (Küchenkräuter, Obst,
Gemüse und Kleinvieh) bezog der Schultheiß im Fronhof, der dafür das heilige Öl
(krisam) und den Schütz bezahlte. Auch war er verpflichtet im Fronhof einen Farren,
einen Eber, einen Widder, einen Pflug mit Schar, einen Fußblock und Fesseln bereit
zu halten. Hielt das Gericht einen Schultheiß nicht für geeignet, musste der Abt des
Klosters einen anderen suchen, mit dem das Gericht einverstanden war.
Oberschlettenbach
§ 1. Zu Schlettenbach, daselbes hat ein abt zehen achtel habergeldes jerlichen
fallende uf sant Marteins dag von allen huben die in der marg da seint gelegen,
die ein gemeinde desselben dorfes einem schultes zu Weidendale verrechen
sollent, und 7 virntzel korns. § 2. Und ist zu wissen, dasz ein iglicher abt des
closters Clingenmunster einen furster zu ensetzten und zu entsetzen hat uber
den Langen wald und Uffels wald, der im schweren und geloben solle, alle
die zu ruegen und vore zu bringen, die ander holze uf den welden nehmen
und hawen, dan ligende faule holze und unschadeber holz, er hette es dan
erleybtnus. Und darumb soll ein abt demselben furster ein jare geben einen
groen rock uf s. Marteins dag. § 3. Auch were zu Schlettenbach sitzet und
z’acker get mit dem pfluge. der gibt ein clein achtel haberns uf s. Marteins
dag, und das seint sehs summem habern, und ein hawer ein virnzel haberns;
und darumb so sollent sie recht han uf den vorgeschriben welden zu holen
ligende fule holze. $ 4. Und wan die vorgenanten welde eckern hant, soe
mogent die armen Leude desselben dorfes ir schweine daruf schlagen und von
iglichem schweine zwen pfenning geben einem abt, die im der furster soll uf
s. Endres dag der (l.nach der) zaie der schweine bei seinem eide. § 5. Auch
were seinen waldhabern nit gebe uf den dag, als in dan der furster stellet oder
soe man die andern zinse gebe, der hette sein recht des waldes verloren, und
soll es der furster einem apt vorbringen. § 6. Und ist zu wissen, were zu
Schlettenbach sitzen weit oder da sesze und ein schewer oder hausze bawen
welt, der soll einem abt holze heischen zu einem ringe, das seint mit namen
acht holzer, dasz man nit versagen soll, und soll sie hawen, dasz der furster
des waldes dabei sei, und nit mere. (Grimm, Jakob: Weistümer V, S. 544f.,)
49
1554 und 1567 wird der vom Stift Klingenmünster herrührende Lehensbesitz an
Zehnten und Gefällen zu Vorderweidenthal, Oberschlettenbach, Darstein und
Bärenbronn an die Erben des Hans von Dratt (Hans Trapp) verlehnt. Aus dem Jahr
1613 ist ein Inventarverzeichnis des Fronhofs überliefert, das ihn als Besitz des
Junkers Wolf Philipp von Fleckenstein ausweist. Ein Mannlehenbrief des Stifts-
Dechants von Klingenmünster aus dem Jahr 1612 legt fest, dass „nach unbeerbtem
Abgange des fleckensteiner Mannesstammes“das Lehen an das Stift zurückfällt. Das
tritt am 6. November 1637 ein, als Wolf Philipp stirbt und damit die Fleckensteiner
röderscher Linie aussterben.
Da die Dörfer und Ländereien des Stifts seit 1567 von der Kurpfalz verwaltet werden
(das Kloster wurde im Zuge der Reformation aufgehoben), dürfte der
Klingenmünsterer Lehensbesitz in Vorderweidenthal. Darstein und
Oberschlettenbach unter kurpfälzische Verwaltung gekommen sein. Auf jeden Fall
erhebt die kurpfälzische Kellerei Birkenhördt jedes Jahr eine Thomas-Gült (Steuer,
Abgabe) in der leiningischen Herrschaft Lindelbrunn, die aus 14 Malter und 4
Simmern Korn und 41 Malter, 6 Simmern und 41 June Hafer besteht. Das galt bis
1792, bis zur französischen Besetzung.
Als die linksrheinische Pfalz französisches Staatsgebiet wurde, haben die Franzosen
nach 1793 den Feudal- und Kirchenbesitz eingezogen und als Nationalgut
versteigert. In Vorderweidenthal gab es „un bien National dit Pfalzschützengut
provenant de l’Electeur Palatin et situé dans la banlieue de la commune de
Vorderweidenthal“(ein Nationalgut genannt Pfalzschützengut, herstammend vom
Kurfürsten von der Pfalz und im Umland von Vorderweidenthal gelegen). Es
bestand aus 0.92 ha Wiese, 0,08 ha Platz und 19,61 ha Acker. Angeboten wird es für
5560 franz. Franken. Dreimal wird es angeboten und schließlich am 15.11.1809 für
5075 Franken von August Roemer aus Alzey ersteigert. Er dürfte die Grundstücke
im Lauf der Jahre an Einzelerwerber verkauft haben. Die Bayern machten, nachdem
die Pfalz ab 1816 zu Bayern gekommen war, diese Landkäufe nicht mehr
rückgängig.
Oberschlettenbach und Vorderweidenthal als Zubehör der Burg Lindelbrunn
Im Archiv in Münster befindet sich eine Urkunde aus dem Jahr 1386, die unsere
Dörfer als Zubehör der Burg Lindelbrunn ausweist. Hier wird die
Zusammengehörigkeit von Darstein, Vorderweidenthal, Dimbach,
Oberschlettenbach deutlich. Da die Leininger nicht selbst auf der Burg wohnten,
sondern sich von einem Vogt oder Amtmann vertreten ließen und immer Geld
brauchten, „verpfändet Emiche Graf zu Lyningen seinem Schwager Gerhard,
Wildgraf zu Kirberg, die Dörfer samt Leuten, Gericht usw.: Darsteine, Widendail,
Dynnebach und Slettinbach für 150 Gulden, 4 Wochen vor St. Georgin“.
Die Burg Lindelbrunn war eine Reichsburg und ist vom Kaiser an Rittergeschlechter
verlehnt worden. So kam die Familie von Lindelbolle, die vermutlich von dem
Reichsministerialen Markward von Annweiler abstammte, in den Besitz der Burg.
50
Im Jahr 1274 überträgt König Rudolf I. an die Brüder Emich IV. und Friedrich II.,
Grafen von Leiningen, das Lehen derer von Lindelbolle. Die Leininger waren
Cousins des Königs. Ihre Mutter war die Schwester der Mutter von König Rudolf I.
Immer wieder vergab aber auch das Kloster Klingenmünster ihm gehörende
Ortschaften als Lehen an Adlige, so auch 1346 Vorderweidenthal an die Grafen von
Leiningen.
1402 verleiht Emich von Leiningen zusammen mit seinen Vettern Friedrich und
Hamman von Zweibücken eine Pfründe auf den St. Nikolausaltar auf Burg
Lindelbrunn. Zur Ausstattung der Pfründe gibt Graf Emich von Leiningen seine
Mühle mit „Mülstaden“. Wassergang und sonstiger Zubehör zu Widendal, die
Grafen von Zweibrücken ihre Mühle mit „Mülstaden’1, Wassergang und sonstige
Zubehör zu Lug. Ab 1317 war die Burg Lindelbrunn gemeinschaftlicher Besitz der
Leiningen -Hardenburger und der Zweibrücker-Bitscher Grafen und blieb es bis zum
Jahr 1570, als die katholischen Grafen von Zweibrücken- Bitsch ausstarben. Seitdem
waren die Leininger Alleinherrn. Sie führten 1570 in unseren Dörfern die
Reformation ein. Die Schultheißerei Lindelbrunn blieb, obwohl die Burg 1525 im
Bauernkrieg zerstört worden war, bis zum Frieden von Lunéville 1801 im Besitz der
später gefürsteten Leininger.
Dreißigjähriger Krieg, Reunionskammern und Pfälzischer Erbfolgekrieg
In der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) scheint das Leben
in unseren Dörfern „verhältnismäßig in geordneten Bahnen“(Heinz R. Wittner)
verlaufen zu sein.
Im Jahr 1630 entschloss sich der Schwedenkönig Gustav Adolf zum militärischen
Eingreifen in die innerdeutschen Angelegenheiten. Die Schweden eroberten von
Norden her Deutschland und besetzten Speyer, Landau und Weißenburg. In der
Gemarkung Birkenhördt gibt es heute noch den Flurnamen „Schwedischhunger“,
der wohl aus dieser Zeit stammt. Im Jahr 1634 wurden die Schweden in der Schlacht
bei Nördlingen entscheidend von den kaiserlichen Truppen geschlagen. Die
linksrheinischen Gebiete wurden 1635 von ihnen mit spanischer Unterstützung
zurückerobert. Bei der Verfolgung schwedischer Verbände fiel der kaiserliche
General Callas mit seinen aus Kroaten bestehenden Truppen auch in unsere
Wasgaudörfer ein und brannte sie nieder. Frankreich trat schließlich in den Krieg ein
und die Pfalz wurde fast gänzlich zerstört. Es war die schrecklichste und schlimmste
Zeit des Krieges für unsere Dörfer. Durchziehende Söldner brachten
Brandschatzungen, Plünderungen und Seuchen in unsere Waldtäler. Viele Menschen
erlagen, wenn nicht gemordet, Typhus und Pest oder einfach dem Hunger. Der
Bevölkerungsverlust Betrug bis zu 80%. Hierzu schreibt Heinz R. Wittner über das
Amt Lindelbrunn:
51
Zeitgenössische Darstellung der Greul des Dreißigjährigen Krieges
„Es kann als Glücksfall bezeichnet werden, dass sich vom 23. März 1631 eine
Huldigungsliste erhalten hat. Sie weist für Vorderweidenthal 20
Haushaltsvorstände auf, das entspricht 80 Einwohnern. Für Oberschlettenbach
sind 8 Bürger verzeichnet, was etwa einer Einwohnerzahl von 35 Personen
entspricht. Dimbach hatte bei 8 Haushaltungen etwa 30 Einwohner und für
Darstein huldigten 6 Männer, was in etwa 22 Bewohnern entspricht. Für das
Amt Lindelbrunn ergibt das um die 167 Einwohner.“
Bis zum Frühjahr 1635 verlief hier das Leben den Kriegsverhältnissen
entsprechend weitgehend normal. Ein düsteres Bild zeichnet die Kellerei-
Rechnung 1637/38: Keine Einnahmen aus beständige Beth, weil die
Untertanen mehrenteils gestorben und verdorben. Ähnlich düster sah es in den
folgenden Jahren aus. Bis 1650/51 schweigen die Rechnungen. Aus der
Kellereirechnung für 1651/52 kann man sehen, dass die Abgaben acht Jahre
zuvor (also vor dem Kroatensturm) 15 Mal so hoch waren. Bis etwa 1656
tauchen in allen Gefällverzeichnissen und Fronlisten immer nur (für alle vier
Orte zusammen) die gleichen 14 Männer auf. Daraus kann man erschließen,
52
dass die Gesamteinwohnerzahl sicherlich nicht höher als 50 war, was etwa
29% der Einwohnerzahl von 1631 entspricht. ... Erst für 1740 liegt wieder eine
Huldigungsliste vor. Sie vermerkt 93 Männer, darunter die hohe Zahl von 17
Hintersassen, was Rückschlüsse auf die Wirtschaftslage des Amtes zulässt,
sowie 3 Juden. Dies lässt auf eine Gesamt-Einwohnerzahl von etwa 380
Personen schließen.“
(Heinz R. Wittner, Schweizer Einwanderer in der Vorder- und Südpfalz, S. 28) Der
grausamste aller Kriege in der Pfalz erschöpfte sich schließlich an den Zerstörungen,
die er selbst geschaffen hatte. Nach dem Frieden von Münster und Osnabrück (1648)
siedelten sich langsam wieder Menschen bei uns an und begannen mit dem
Wiederaufbau.
Wenig mehr als 30 Jahre später am 2. Januar 1680 lud die Reunionskammer in
Breisach den Inhaber des Amtes Lindelbrunn vor, damit er sich vor ihr verantworte,
weil er die in der Landvogtei Hagenau, die seit dem Westfälischen Frieden der Krone
von Frankreich zugehörte, gelegene Herrschaft Lindelbrunn den Franzosen
vorenthalten hatte. Die Franzosen versuchten im 17. Jahrhundert bis an den Rhein
zu expandieren. Um dies zu erreichen, richtete man sogenannte Reunionskammern
ein, um Länder zu besetzten, die in irgendeiner Weise mit den Gebieten, die man
beim Westfälischen Frieden zugesprochen bekommen hatte, verbunden waren. „Aus
dieser... ungerechten Vorladung kann man einen Schluss auf dasjenige machen, was
dieses Amt von jenen Wütherichen und Mordbrennern, während der Reunionen,
hauptsächlich aber in dem sogenannten orlean’schen Krieg 1689 mag erduldet
haben!“ (Lehmann, Burgen, S. 216) Im Pfälzischen Erbfolgekrieg, in dem der
französische König das Erbe seiner Schwägerin Liselotte von der Pfalz
beanspruchte, marschierten Soldaten des Sonnenkönigs in die Pfalz ein und
zerstörten Speyer und Heidelberg.
„Brûlez le Palatinat“war die ausgegebene Devise. „Verbrennt die Pfalz“hieß es, und
das wurde grundlegend getan. Durchimärsche und Zerstörungen kamen wieder über
die Menschen. In diesem Krieg ist unsere Kirche und wahrscheinlich nicht nur sie
abgebrannt. 1695 ist sie, wie auf einem Balken noch zu erkennen ist, wieder
aufgebaut worden. Nach dem Frieden von Rijswijk (1697) kehrten die geflohenen
Bewohner wieder in ihre Dörfer zurück. Und Familien aus Schweiz, meistens aus
dem „Berner Gebiet“, siedelten sich bei uns an. Die Häuser und das zerstörte Land
wurden wieder aufgebaut. Viel Zeit und Kraft brauchte das Land, um sich von den
Verlusten und Wunden der Kriege zu erholen. Es kam zu einer neuen Phase des
Landesausbaus. Die Bodenbearbeitung erhielt neue Impulse durch die Einführung
neuer Früchte wie Kartoffeln, Klee oder Flachs für die Textilherstellung. Das Leben
verlief aus heutiger Sicht sehr bescheiden und beschwerlich. So war die Säuglings
und Kindersterblichkeit sehr hoch und die überlebenden Kinder wurden schon sehr
früh in den Arbeitsprozess, z.B. Viehhüten oder Hilfe bei der Ernte, eingegliedert.
Weit verbreitet war die dörfliche Armut. Jedoch wurden zu Beginn des 18.
Jahrhunderts Schulen eingerichtet, Lehrer begannen ihren Dienst, so 1710 in
Vorderweidenthal.
53
Der Schultheiß für die für die vier Lindelbrunndörfer saß in Oberschlettenbach, der
Amtmann der Leininger auf der Falkenburg. Im Jahr 1777 hatte Vorderweidenthal
einen Pfarrer und einen Lehrer, je ein Schullehrer saß in Oberschlettenbach und
Dimbach und in der ganzen Schultheißerei lebten 120 Untertanen, 14 Hintersaßen
und 3 Juden. Das waren ungefähr 550 Einwohner.
Der Bethof
Der 30-jährige Krieg hatte unsere Dörfer mit den Weilern Bethof, Lindelbrunn und
Bärenbrunnerhof schwer getroffen. Die Kellereirechnungen für das Amt
Lindelbrunn weisen für die Jahre 1650/51 nur 13 steuerpflichtige Bewohner aus.
Unsere Gegend wurde erst langsam wieder besiedelt, indem Auswärtige zuzogen.
Da die Quellenlage für die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg sehr dürftig ist, können
Aussagen zur Zuwanderung nur sehr vage sein. Wann und wie die Siedlung Bethof
entstanden ist, lässt sich heute nicht mehr sagen. Die Kirchenbücher weisen für das
18. Jahrhundert Folgende Personen auf dem Bethof aus:
Paulus Kromer, Kuhhirte auf dem Bethof, geboren in Au/Bayern; er heiratet am
13.1.1720 in Vorderweidenthal Anna Marg. Frudecker aus Gossersweiler; Johannes
Bernhard, Strumpfstricker auf dem Bethof, ab 1750 Feldschütz in
Oberschlettenbach;
Das Naturfreundehaus wird aufgebaut.
54
Julius Klein, Hofmann (Pächter) auf dem Bethof;
Johannes Jacob Müller, Hofmann auf dem Bethof, reformierten Bekenntnisses, geb.
1656 in Bützberg, Berner Gebiet, gestorben auf dem Bethof am 7. 8. 1728;
Johann Jacob Müller (Sohn von Johannes Jacob Müller) Hofmann a. d.
herrschaftlichen Bethof, 1735/36 Tagelöhner auf dem Bärenbrunnerhof,
reformierten Bekenntnisses, geb. 1698 in Bützberg, Berner Gebiet, gestorben am
1.11. 1738 in Darstein an Epilepsie;
Ludewig Müller (Sohn von Johannes Jacob Müller), Hofmann auf dem
herrschaftlichen Bethof; er heiratet am 22. 5. 1731 in Vorderweidenthal Anna Egler
aus Schwanden, Berner Gebiet;
Johann Andreas Pfeiffer, Schuhmacher auf dem Bethof um 1729;
Jacob Schafpuch, Maurermeister; er heiratet am 18. 2. 1738 Anna Barbara Hut;
Johannes Schmitt, Hirte auf dem Bethof, geboren 1673 und gestorben 1728;
Georg Michael Steinbrenner, fremder Weber, um 1740 auf dem Bethof.
In einer leiningischen Urkunde aus dem Jahr 1733 wird „Der oberste Beetwoog...
andererseits der Beethof erwähnt und in einem Leininger Salbuch ist von einem
„Beethof Weyher“die Rede. Wahrscheinlich haben wir es hier mit einem Hof zu tun,
der an den Grundherrn, die Leininger, eine Abgabe abzuliefern hatte, denn bete
bedeutet im Mittelhochdeutschen Bitte, Abgabe, Aufforderung. Im Status der kath.
Pfarrei Gossersweiler aus dem Jahr 1747 heißt es: „Der Bethof ist eingegangen,
abgerissen und von den Vorderweidenthalern in Besitz genommen“worden: In den
20er Jahren des 20. Jahrhunderts erbauten die Naturfreunde dort ein
Naturfreundehaus, das von den Nationalsozialisten 1933 geschlossen wurde. Heute
befinden sich dort das 1957 in Dienst gestellte Gasthaus der Naturfreunde mit
Übernachtungsmöglichkeit, ein Campingplatz und ein Wochenendhausgebiet.
Oberschlettenbach und Vorderweidenthal in der französischen Revolution
Im Jahr 1789 war die Pfalz ein Flickenteppich von 44 Herrschaften. Die mächtigsten
waren die Kurpfalz, das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken und das Bistum Speyer.
Auch die Leininger spielten eine nicht unmaßgebliche Rolle.
Alle diese Herrscher waren Vertreter des Absolutismus mit den negativen
Begleiterscheinungen wie Ämterkauf, Günstlingswirtschaft, Willkür und
Prunksucht.
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Hatte der Frieden von Rijswijk die Wiederherstellung der durch die Reunionen
annektierten Gebiete in diesen Herrschaften gebracht, so dehnte doch Frankreich
faktisch seine Macht in diesen Gebieten immer stärker aus. Schließlich hatten die
Kleinstaaten südlich der Queich sich mit der Realität der Macht Frankreichs
arrangiert. Man zog zwar den Zehnten und andere Abgaben ein und übte die
Patrimonialgerichtsbarkeit aus. Der eigentliche Souverän jedoch war Frankreich,
weshalb man diese Gebiete auch „Souveränitätslande“ nennt. Dazu gehörten u.a.
Pfalz-Zweibrücken mit den Ämtern Annweiler, Kleeburg und Neukastel; das Bistum
Speyer mit dem Amt Dahn, Hanau-Lichtenberg mit dem Amt Lemberg, die Herren
von Waldenburg mit dem Amt Berwartstein und die Herren von Dürkheim mit dem
Amt Busenberg.
Als nun am 14. Juli 1789 die Französische Revolution ausbrach, griffen die
revolutionären Ereignisse bald auf die Provinzen über. Ein revolutionäres Zentrum
im Elsass war Straßburg. Dort versagte man dem Magistrat den Gehorsam ebenso
wie im französisch besetzten Landau. Viele Untertanen auf dem Land gingen gegen
ihre Obrigkeiten vor. So sprangen die Ereignisse auch auf die
„Souveränitätslande“über. Anschläge, Flugblätter und mündliche Propaganda
verbreiteten das „Gift der Revolution“. Ein Zentrum der Unruhen waren Fischbach
bei Dahn, ebenso die Gegend um Schweix und Hilst, die man heute noch die
„Hackmesserseite“nennt in Anspielung auf die Guillotine als Symbol der
Revolution. Gleichzeitig erhoben sich die Erlenbacher und Lauterschwaner, jagten
den auf dem Bärbelsteiner Hof wohnenden
Wie auf dieser zeitgenössischen Darstellung, könnte sich auch die Errichtung des
Freiheitsbaumes in Vorderweidenthal zugetragen haben.
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Hofbeständer davon und nahmen die herrschaftlichen Wälder in Besitz. Den
Waldenburger Untertanen folgten die der Herren von Dürkheim im Dorf Busenberg.
Auch sie vertrieben die Feudalherren und forderten die „französische Freiheit“für
sich. Hier ereignete sich nun etwas, worüber das „Journal von und für
Deutschland“aus dem Jahr 1789 berichtet:
„Wirkungen der französischen Anarchie auf Deutschein Reichsboden“.
Im Anfange des Monats Oktobers des Jahres 1789 wagte es die Gemeinde des von
Türkheimischen unter französischer Hoheit im unten Elsaß gelegenen Dorfes
Busenberg, nachdem sie die beyden zur Fürstlich-Leiningschen Schultheißerei
gehörigen Gemeinden Oberschlettenbach und Weidenthal auf die Gränze fruchtlos
vorladen lassen, mit gewaffneter Hand in den Oberschlettenbacher Bann einzufallen,
einige sehr alte Gränzsteine zu zerschlagen, einen großen District von mehreren
hundert Morgen als ihr Eigenthum an sich zu reißen, und zur vermeintlichen
Besitzergreifung desselben mehrere Bäume mit ihrer Waldaxt zu bezeichnen, ihr
Dorfzeichen in Felsen einzuhauen, und Pfähle mit diesen Dorfzeichen hin und
wieder einzuschlagen.
Hierauf ließ die Fürstlich Leiningische Regierung ein Commando vom fürstlichen
Militär nach Oberschlettenbach und Weidenthal marschieren und ermahnte die
Gemeinde Bussenberg und ihre Beamten, alle fernere Thätlichkeiten zu vermeiden,
und ihre etwaige vorgebliche Ansprüche im Wege Rechtens zu verfechten. Auch
ließ man unter dem Schutze des besagten und noch eines Kurpfälzischen Commando
in Gegenwart eines Notarius und Zeugen die von der Gemeinde Bussenberg
eingeschlagene Gränzmerkmale vertilgen, und statt deren andere setzen, worauf sich
die Bussenberger einige Zeit ruhig verhielten.
Zu Anfang des Decembers aber fielen sie von neuem in die Lindelbrunner
Schultheißerei ein, hieben im Walde, die Eselshaut genannt. Bäume nieder, trieben
dieß auch fort, bis endlich von der Gemeinde Oberschlettenbach Theobald Korn,
welcher mit anderen einen ähnlichen Einfall gewagt, sammt Wagen und Ochsen
arretirt wurde.
Bald hierauf entwich dieser Th. Korn aus seinem Arreste, und die Gemeinde
Bussenberg wand sich an die Provinzialversammlung der Provinz Elsaß , und
erwirkte von derselben unter dem Vorgeben, der besagte Wald gehöre ihr zu, und
die Gemeinde Oberschlettenbach habe durch Arrestirung des Th. Korn die
französische Hoheitsrechte verletzt, ein Requisitions- und Bedrohungsschreiben an
die Fürstlich-Leiningische Regierung. Man ließ nun den Wagen und das Vieh des
Th. Korn an die Gemeinde Bussenberg verabfolgen, und erließ von Seite der
Leiningischen Regierung ein Schreiben an die Provinzialversammlung, worin man
bat, die Gemeinde Bussenberg von fernem Thätlichkeiten abzuhalten, die von
besagter Gemeinde verübte Verletzung genau zu untersuchen, und alsdann die
Frevler zum Ersatz des Schadens und der Kosten anzuhalten.
Zugleich ließ der Fürst v. Leiningen wieder ein Militärkommando einmarschieren,
und durch seinen Gesandten der Oberrheinischen Kreisversammlung vorstellen, ob
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es nicht rathsam sey, von Kreises wegen diese Sache an Kaiser und Reich zu
berichten, und zu bitten, durch Vermittlung des französischen Gesandten Freyherrn
von Groschlag es dahin zu bringen, daß der Gemeinde Bussenberg alle fernern
Einfälle und Verletzung bey hoher Strafe untersagt würden.“
Der Oberrheinische Kreisausschuss wird angerufen, der empfiehlt die Sache seiner
„Kaiserlichen Majestät“vorzutragen, damit diese eingreife und dem Adel (den
Leiningern) den ihm „erforderlichen Schutz und Beystand angedeihen zu lassen“.
Beim Kaiser wird die Sache auf die sogenannte „lange Bank“geschoben. Der Kaiser
dankte schließlich 1806 ab. Da die linksrheinische Pfalz seit 1797 zu Frankreich
gehörte, anerkannten die Franzosen die Busenberger Forderungen, die später als die
Pfalz zu
Bayern kam nicht mehr revidiert wurden.
Im September 1789 bricht in Bergzabern eine erste Rebellion aus, die schließlich zur
ersten Republik auf deutschem Boden, zur „Bergzaberner Republik“führt. Im
November 1792 erheben sich die Bergzaberner Bürger wieder gegen ihren
Landesherrn in Zweibrücken. Wenige Tage vorher erklärten sich mehrere
Gemeinden in der Südpfalz für die Freiheit. Am 25. Oktober 1792 errichtete man
einen Freiheitsbaum in Ingenheim, am 2. November folgte Mühlhofen, Bergzabern
erklärte sich am 6. November für frei. Am 9. November wartet ein Trupp von 350
Mann in Vorderweidenthal darauf, in Bergzabern einzugreifen. Von hier aus
versuchte der vom Herzog von Zweibrücken entsandte Regierungsrat Colson mit der
Bürgerschaft zu verhandeln und mit dem „lärmenden Freiheitsschwindel“ein Ende
zu machen. Der Commisär Hoffmann bringt jedoch nach Vorderweidenthal die
Nachricht, dass die Bergzaberner durch keine gütliche Einigung zur Ordnung
zurückgebracht werden können. So wollte Colson von Vorderweidenthal aus das
Zweibrücker Militär um Mitternacht aufbrechen lassen, um die aufrührerischen
Bürger von Bergzabern zu überrumpeln. Nachdem die Bergzaberner vom
benachbarten Amt Barbelroth jedoch Unterstützung bekamen, von französischen
Dörfern und auch von Weißenburg Hilfe zugesagt wurde, gebot er der Truppe Halt.
Auch kam der Schultheiß von Ilbesheim nach Vorderweidenthal, um Rat und Hilfe
gegen die Aufständischen in Ilbesheim zu erbitten. Auch die „Ilbesheimer
Tumultanten“wollten sich nicht fügen. So kam der Regierungsrat Colson zu der
Ansicht, die in Vorderweidenthal stehenden Truppen „auf schickliche
Weise“zurückzuziehen. Am 17. November 1792 bitten die Bürger von Bergzabern
Schließlich um Aufnahme in den französischen Staatsverband.
Im August 1791 hatten sich Preußen und Österreicher auf Schloss Pillnitz in Sachsen
gegen Frankreich verbündet. Daraufhin erklärten die Franzosen dem Kaiser von
Österreich den Krieg. Ein Koalitionsheer aus Preußen und Österreichern marschierte
in Lothringen ein. Es kam zur „Kanonade von Valmy“am 20. September 1792.
Die Preußen und Österreicher zogen sich daraufhin zurück. Nun stoßen die
Franzosen im Elsass vor und gehen zum Angriff in die pfälzischen Gebiete links des
Rheins über. Im September 1793 stehen Österreicher und Preußen bei
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Vorderweidenthal, Bundenthal und Nothweiler. Der Oberbefehlshaber der
Moselarmee, der französische General Schaumbourg, lässt am 14. September
gleichzeitig Pirmasens und bei Nothweiler bzw. Bundenthal den österreichischen
General Pejachevich angreifen. Der katholische Pfarrer von Bundenthal schreibt
damals in sein Pfarrbuch: „Am 14. September desselben Monats (September) und
Jahres belagerten die Franzosen mit einem 20 000 Mann starken Heere das Heer der
Verbündeten auf dem genannten Felde (auf dem Beißenberg bei Bundenthal und
dem Mäuerle bei Nothweiler). Nach einer fast vier Stunden langen Schlacht musste
endlich das Heer der Verbündeten bestehend aus 3500 Mann in Ordnung abziehen,
nach dem ungefähr 1000 Mann meistenteils auf dem Gipfel des Mäuerle als
verwundet und tot gefunden wurden. Die Franzosen ließen 6000 Mann als
Verwundete und Tote auf dem Schlachtfeld zurück.“ (Siehe: Karl Unold. Die
Schlacht von Bundenthal, 1980). Darüber heißt es in den „Jahrbücher(n) für die
deutsche Armee und Marine“aus dem Jahr 1889, S. 253: „Das Corps setzte sich mit
Ordnung in Marsch und da es der Feind unter beständiger Kanonade und
Kleingewehrfeuer verfolgte, so wurde in Vorderweidenthal Halt gemacht, wo beide
Teile einander kanonierten. Der Feind zog hierauf ab und das Corps marschierte in
der Nacht bis Annweiler. Der Verlust soll auf beiden Seiten beträchtlich gewesen
sein.“ General Pejachevich zog sich also zurück. Im Winter 1793/94 gelang es den
Koalitionstruppen nicht mehr nach Vorderweidenthal vorzudringen, auch wenn die
Österreicher und Preußen noch eine Rückeroberung planten. Vorderweidenthal und
Oberschlettenbach waren nun faktisch französisch. Es kam zum Plünderwinter
1793/94 als die schlecht ausgerüsteten französischen Soldaten alles mitnahmen, was
sie kriegen konnten: Vieh, Textilien, Bargeld, Lebensmittel. Die „Commissaires de
grippe“ beschlagnahmten alles was sie brauchen konnten. 1795 schloss Preußen mit
den Franzosen den Frieden von Basel und schied aus dem Koalitionskrieg mit
Österreich aus, um sich einen möglichst großen Anteil Land bei der 3. Polnischen
Teilung im Osten zu sichern. 1796 wichen die Österreicher endgültig auf das rechte
Rheinufer aus und traten 1797 im Frieden von Campio Formio das linke Rheinufer
an Frankreich ab, was im Frieden von Lunéville 1801 staatsrechtlich bestätigt wurde.
Die Feudalrechte der alten Mächte wurden abgeschafft. Die linksrheinische Pfalz
kam größtenteils zum Departement Donnersberg. Vorderweidenthal und
Oberschlettenbach gehörten darin zum Kanton Annweiler. Das Bürgermeisteramt
(mairie) für die Dörfer Darstein, Dimbach und Vorderweidenthal war in
Oberschlettenbach. Jeder Kanton erhielt einen Friedensrichter. Dieser legte den
Bürgern zwei Bogen Papier vor, „eines für die Namen derjenigen, die den
Freiheitsbaum wünschten, eines für diejenigen, die ihn nicht haben wollten“.
Vorderweidenthal und Glashütte werden für ihre Entscheidung für den
Freiheitsbaum besonders hervorgehoben. Die Bewohner von Vorderweidenthal und
Glashütte seien treue Republikaner schreibt der Kantonsrichter, (siehe: Max
Springer, Die Franzosenherrschaft in der Pfalz, S. 152 ff.,)
Am 15. April 1798 erklären die Bürger von Vorderweidenthal einmütig und am 21.
April 1798 27 von 32 Bürgern von Oberschlettenbach ihren Wunsch nach
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Vereinigung mit der französischen Republik: „Wir unterschriebenen Bürger...
erklären durch gegenwärtiges, dass wir endlich durch die Vereinigung mit der
französischen Republik unseren sehnlichen Wunsch erfüllt zu sehen wünschen.“
Stimmberechtigt waren nur steuerzahlende Bürger.
(Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Revolution 1780-
1801:1797-1811)
Man muss die Reunionsadressen unter dem Aspekt lesen, dass die Franzosen die
Macht im Land hatten und es natürlich gern sahen, wenn man sich für sie entschied.
Auch wurde ein neues Justizsystem eingeführt. Eine Zwischeninstanz zwischen
Departement und Kanton war das Arrondissement. In der Arrondissementhauptstadt
wurden Zivil- und Strafgerichte geschaffen. Die Verfahren waren öffentlich und
mündlich. Die Schwurgerichte wurden mit Geschworenen besetzt. Geschworene am
Assissengericht in Zweibrücken waren später Alexander Blum und Valentin Puster
aus Vorderweidenthal. Die Pfälzer erhielten ein klares und verständliches Recht, den
Code civil und ein neues Strafgesetzbuch, den Code pénal. Eine neue
Gewerbeordnung beseitigte das Zunftwesen und stellte Gewerbefreiheit her. Die
Gesetze zur Verstaatlichung von Kirchengut und zum Verkauf von Nationalgütern
hatten Auswirkungen auf die Besitzverhältnisse in Vorderweidenthal. Das
„Pfalzschützengut“in Vorderweidenthal wurde verstaatlicht und am 19.11.1809
versteigert. Mit dem Wehrgesetz vom 8. März 1800 wurde die allgemeine
Wehrpflicht eingeführt. Junge Männer aus unseren Dörfern wurden nun zum
Wehrdienst eingezogen.
Nach der Machtübernahme durch Napoleon und der Einführung der Wehrpflicht am
8. März 1800 mussten auch junge Männer aus unseren Dörfern mit in den Krieg nach
Spanien und Russland ziehen. An der Völkerschlacht bei Leipzig haben sie auf der
Seite Napoleons teilnehmen müssen. Als diese für die Franzosen verloren ging,
stießen die Preußen und die Österreicher Anfang 1814 in das linksrheinische Gebiet
vor und eroberten es.
Die bayerische Zeit in unseren Dörfern - ein Überblick
Mit dem Scheitern des Russlandfeldzuges und der Niederlage in der Völkerschlacht
bei Leipzig (16. - 19. Oktober 1813) war Napoleons Schicksal in Europa besiegelt.
Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch Preußen und Österreich
wurde das Generalgouvernement Mittelrhein gegründet. Eine aus Österreichischen
und preußischen Kommissären zusammengesetzte Landesadministration wurde
errichtet. Von Juni 1814 bis Mai 1816 leitete diese Administration die
Zivilverwaltung der ehemals französischen Gebiete. Nach langen Verhandlungen
einigten sich beide Länder im Münchener Vertrag vom April 1816 auf einen Tausch:
Bayern übernahm das Gebiet der Pfalz. Österreich bekam dafür die Stadt Salzburg,
das Hausruck- und Innviertel und Teile Tirols. Am l. Mai 1816 übernahm der
Bayernkönig Max Josef die Herrschaft in der linksrheinischen Pfalz, Die früher
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durch französische Gesetze abgeschafften Zehnten und Feudalrechte blieben
abgeschafft. Es wurden zwölf Landcommissariate geschaffen, die ihrerseits aus
mehreren Kantonen bestanden. Das Landcommissariat Bergzabern (später ab 1862
Bezirksamt, dann 1938 Landratsamt) wurde von den Kantonen Annweiler und
Bergzabern gebildet. Oberschlettenbach und Vorderweidenthal lagen im Kanton
Annweiler und unterstanden also dem Landcommissariat Bergzabern.
Regierungssitz des Rheinkreises war Speyer. Der code civil und code pénal aus der
Franzosenzeit wurden beibehalten. Trotz der Verschiedenheit der Regierungsformen
hielt man an den sogenannten „Institutionen“fest. August Becker schreibt: „Wenn
nicht gerade jeder Pfälzer Bauer seinen Code Napoleon in der Tasche nachführt, so
ist doch jeder mit dessen Bestimmungen vertraut und hält ihn hoch und wert als
kostbares Gut.“
König Maximilian I. Josef kannte seine Pfälzer und wusste, was man ihnen einmal
an Freiheiten gewährt hatte, konnte man ihnen schlecht wieder nehmen. So blieb es
bei der Unabhängigkeit der Gerichte, der Mündlichkeit und Öffentlichkeit der
Gerichtsverfahren und der Einrichtung von Geschworenengerichten, aber auch bei
der Todesstrafe, vollstreckt mittels Guillotine auf dem Marktplatz in Zweibrücken.
So ist auch die Begeisterung und Anhänglichkeit der Pfälzer für Maximilian I. Josef,
der ja Pfälzer war, zu verstehen, als er am 16. Februar 1824 sein 25-jähriges
Thronjubiläum beging. Die Art und Weise wie die Gemeinden im Rheinkreis das
Jubiläum begingen, blieb ihnen freigestellt. In Vorderweidenthal hat man im Ort eine
Linde gepflanzt und zugleich einen Pflanzgarten, eine Baumschule, für die Jugend
angelegt. Das Wissen hinsichtlich des Anlasses für die Pflanzung der Dorflinde war
im Lauf der Jahre verloren gegangen. So schreibt Bürgermeister Schmitt am 23.
März 1946 anlässlich der Pflanzung der heutigen Dorflinde: „Am 23. März 1946
wurde die jetzige Dorflinde gesetzt, genau ein Jahr nachdem die Amerikaner in
Vorderweidenthal einzogen. Die alte am gleichen Platz gestandene, war abgängig
und hatte durch Beschuss gelitten. In welcher Zeit sie gesetzt wurde ist nicht
aufgezeichnet.“ Und er fügt den Wunsch hinzu: „Ich möchte wünschen und hoffen,
dass sie wieder in eine bessere Zukunft hinein wachsen möge.“ (Archiv der VG Bad
Bergzabern)
Das Schulhaus
Die Gemeinde kaufte das alte Schulhaus von dem Bürger Karl Simon, der es 1801
erbauen ließ. An dem Platz des alten verkauften Schulhauses, das zwischen dem
heutigen Schulgebäude und der Kirche stand und abgerissen wurde, erbaute man ein
neues Haus. Der erste Lehrer kam aber schon 1710 nach Vorderweidenthal.
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Dorfmitte mit Schulhaus vor dem Krieg
Der Viehmarkt
Am 20. Juli 1823 genehmigt die königliche Regierung des Rheinkreises, Kammer
des Innern, die Einführung von drei Viehmärkten jährlich, und zwar so wie vom
Gemeinderat beantragt: „zumalen da die jährlich daselbst eingeführten Jahrmärkte
einen ganz vorzüglich starken und noch immer zunehmenden stärkeren Besuch von
hier und Ausländern haben und erhalten, es daher keinem Zweifel unterworfen ist,
dass mehrere ordnungsmäßig eingerichtete Viehmärkte einigen zahlreichen
Zuspruch erhalten werden.“
So werden Viehmärkte erlaubt am Montag nach dem Sonntag Lätare, am Montag
nach dem Sonntag vor dem Johannistag oder wenn Johannis auf einen Sonntag fällt
„wo der Jahrmarkt zugleich stattfindet, so der Viehmarkt den Tag nach Johannis
gehalten“und am Montag „welcher auf Sonntag nach Gallus fällt“.
Später wurde das abgeändert und Viehmärkte am 2. und 4. Mittwoch von Februar
bis Mai abgehalten. Es wurden Pferde, Ochsen, Stiere, Kühe und Rinder gehandelt.
Durch die Viehmärkte kam es zu einem verstärkten Zuzug von Handelsjuden. Am
2. Juni 1830 wohnen in Vorderweidenthal 579 Protestanten, 6 Katholiken und 62
Juden. Jedoch wird schon 1857 über „die geringen Einnahmen des hiesigen
Viehmarkts“geklagt. Im Jahr 1890 findet der Viehmarkt von Vorderweidenthal im
bayerischen Landwirtschaftskalender keine Erwähnung mehr.
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Die Erbengüter
Besitzverhältnisse, die man sonst selten antrifft, bestanden in früheren Zeiten im
gebirgigen Teil der Südpfalz. Da gab es die sogenannten Erbengüter; Land, das die
alteingesessenen Bürger gemeinsam besaßen, während später Zugezogene keinen
Anteil daran hatten.
Wie diese Erbengüter entstanden sind, kann heute nicht mehr festgestellt werden.
„Es ist möglich, dass dieser Rechtszustand sich erst nach dem Dreißigjährigen Krieg
bildete, denn nirgends findet man Beweise der gänzlichen Entvölkerung durch
diesen Krieg so häufig, als im Westrich, in der Gegenden um Dahn, Hanau-
Lichtenberg und der Herrschaft Sickingen. In diesem Falle wäre erklärlich, dass die
neuen Ansiedler sich als Eigentümer nicht bloß der ihnen zugeteilten urbaren
Gründe, sondern auch des ungeteilten Landes betrachteten, den neu
hinzugekommenen keinen Anteil mehr gestatteten, und auf diese Weise dieses
Eigentumsrecht der ungeteilten Gründe nach den ursprünglichen Losen auf ihre
Erben übertragen haben.“ (Intelligenzblatt des Rheinkreises, Nr. 20, 23. Jan. 1824).
Die Erbengüter bestanden meist aus Hochwäldern, Rodungen(Ödungen) und
Wilderungen (Rottbüschen) und zu einem geringen Teil aus Äckern und Wiesen. In
Vorderweidenthal nannten 60 Erben 40 ha Rindenschläge und 300 ha Ödungen ihr
Eigen. Außer diesen Erbengütern befand sich in der Gemeinde noch Wilderungsland
von 200 Morgen, welches die Gemeinde von der ehemaligen Leiningischen
Herrschaft im Jahr 1742 erwarb. Alle acht bis zehn Jahre wurden Teile der Ödungen
unter die Erben neu verteilt; sobald die Umackerung geschehen war, wurde
Sommerraps, im folgenden Jahr Korn, dann Kartoffeln, endlich Hafer angebaut,
worauf das Land wieder zum Weiden liegen blieb.
Das Wilderungsland wurde ebenso ausgefruchtet. Die Rindenschläge wurden, wenn
junge Eichen den Baumbestand bildeten, alle zwölf bis fünfzehn Jahre im Monat
Mai, wenn der Saft stieg, abgehackt. Von den Eichenstämmchen wurde die Rinde
abgeschält und zur Lederzubereitung verkauft.
In Oberschlettenbach besaßen 36 Erbenfamilien 50 ha Rindenschläge und 200 ha
Ödungen. In den Jahren nach 1824 war man zu der Einsicht gekommen, dass es
besser sei, wenn der Besitz in einer Hand blieb. Man verteilte die Erben-Güter unter
die einzelnen Erben zu deren dauerndem und alleinigen Besitz unter Umschreibung
auf ihre Namen. Die Verteilung hatte eine bessere Ausnützung des Bodens zur
Folge, weil er besser gehegt und gepflegt wurde.
Auswanderung
Im Jahresbericht des Prot. Pfarramts Vorderweidenthal heißt es über das Jahr 1837:
„Auch in diesem Jahr verlor die Kirchengemeinde wieder eine beträchtliche Zahl
ihrer Mitglieder durch Auswanderung nach Nordamerika. Es waren von
Auswanderern diesmal vierundzwanzig.“
Zu Beginn der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Lage der
Menschen in unserer Gegend durch schlechtes Wetter, Missernten und Teuerungen.
Hinzu kamen der nicht sehr ertragreiche Boden, die Überbevölkerung und das
63
Erbrecht, das Realteilung vorschrieb. Im Annweilerer Wirtschaftsjahresbericht 1836
wird die wirtschaftliche Lage so beschrieben: „Die Bewohner des hiesigen Cantons
sind meistens arme Leute, die was sie aus ihren Berggrundstücken produzieren,
meistens zu ihrer eigenen Existenz nöthig haben, und was sie sonsten davon abgeben
ist nur Notverkauf, um die dringendsten Abgaben für Grundzinsen, Steuern und was
sie für sich und ihre Familien als erstes Lebensbedürfnis haben zu bestreiten...,“(GA
Annweiler I, 46a) Obwohl man in einem Walddorf lebte, zwang manche Bewohner
Holznot dazu, sich zu „versorgen“. Die Haushaltspläne der 1820er Jahre weisen
immer wieder Einnahmen aus Strafen für begangenen Waldfrevel aus. so z.B. für
das Jahr 1820 20,53 Gulden. Oft musste man aus der Gemeindekasse Saatkartoffeln
für die Armen kaufen oder es heiß „zahlte an 4 Gulden an Schreinerei Leonhard
Schneider für die Anfertigung einer Todtenlade zur Beerdigung des Leichnams
von...“
In Massen verließen damals Pfälzer auch aus unseren Gemeinden ihre Heimat, um
in Nordamerika ein besseres Leben zu finden. So sucht, er sei hier exemplarisch
erwähnt, Philipp Veiock aus Vorderweidenthal am 20. Februar 1837 beim
Gemeinderat um die Erlaubnis zur Auswanderung nach, „da er dort besser als
diesseits sein Glück zu machen gedenke. In Erwägung, dass der Bittsteller in
diesseitiger Gemeinde nur mit äußerster Not ein schlechtes Auskommen findet, dass
sich ihm der Gedanke aufdringe, als könne er jenseits des Wassers ein besseres
Leben erwerben.“ (VG Bad Bergzabern, Protokollbuch der Gemeinde
Vorderweidenthal)
Neue Friedhöfe
Im in Jahr 1839 bekamen die Gemeinden Darstein, Oberschlettenbach und
Vorderweidenthal jeweils einen eigenen Friedhof. Bisher wurden die Toten aus
diesen Gemeinden auf dem Gottesacker um die Kirche in Vorderweidenthal
beerdigt, er musste wegen Überfüllung geschlossen werden.
Im Jahre 1804 in
Busenberg gefertigter,
französischsprachiger Plan
der Erweiterung des
Friedhofes in
Vorderweidenthal
64
Im badisch-pfälzischen Aufstand
Im badisch-pfälzischen Aufstand ermächtigt der Gemeinderat von
Vorderweidenthal am 22. Mai 1849 „in Anbetracht der gegenwärtig vielseitigen
Bedürfnisse“die Bürger und Gemeinderäte Alexander Blum, Marx Christmann und
Michael Schütz für 200 Gulden Waffen für die Sicherheitswache von
Vorderweidenthal anzuschaffen.
Es kommt zur Errichtung einer Provisorischen Regierung, die sich von Bayern
lossagt. In der Festung Landau desertieren viele Soldaten. Als der Handelsmann
Bernhard Siegel aus Dahn dort den Soldaten Michael Hof aus Vorderweidenthal
trifft, rät er ihm, sich nicht verführen zu lassen und bei der Truppe zu bleiben. Am
13 Juni 1849 marschiert ein 20 000 Mann starkes Interventionsheer in die Pfalz ein.
In der Schlacht bei Rinnthal am 17. Juni 1849 unterliegen die Aufständischen den
Preußen. Die Toten werden auf dem Friedhof in Annweiler beerdigt, die anderen
Unterlegenen setzen sich nach Baden ab. Marx Christmann aus Vorderweidenthal
wird als Geschworener an das außergewöhnliche Assissengericht in Zweibrücken
berufen, das 1850/51 die Hochverratsprozesse gegen die Aufständischen
durchführen soll. Er erscheint jedoch nicht zum Prozess am 24. Juni 1851 und lässt
sich durch ein ärztliches Zeugnis entschuldigen.
Abschaffung des Schulgeldes
Schon im Jahr 1710 hatte das Dorf seinen ersten Lehrer, Christian Friedrich Stöckel,
fest angestellt. In Oberschlettenbach wurde 100 Jahre später der Schulbetrieb
aufgenommen. 1818 begann dort Ludwig Herberth seinen Dienst.
Die Eltern mussten für ihre Kinder Schulgeld bezahlen. Das Gehalt des Lehrers
betrug im Jahr 1820 in Vorderweidenthal 246 Gulden, in Oberschlettenbach
verdiente er 121 Gulden. Am 19. Februar 1850 fällt der Gemeinderat von
Vorderweidenthal folgenden Beschluss: „Nachdem der Gemeinderat von der
Ansicht ausgeht, dass die Bildung der Schuljugend keine Privatsache sein kann,
indem derselbe die Kultur der ganzen politischen Gemeinde für die Zukunft im Auge
hat; dass die Vernachlässigung einzelner Gemeindeglieder in dieser Beziehung für
die ganze Gemeinde nachteilige Folgen hat; und es höchst unbillig erscheine, die
gering bemittelte Einwohnerklasse, welche die Schule am meisten bevölkert,
verhältnismäßig ungleich mit den Unterhaltskosten einer solchen Anstalt zu
belasten: hat er beschlossen, die Bezahlung des Schulgeldes aufzuheben und die
ganze Besoldung des Schullehrers aus der Gemeindekasse zu übernehmen.“
Die Stundenzahl betrug täglich 6 Stunden, der Unterricht wurde als
Abteilungsunterricht gehalten wegen der großen Zahl der Schüler; im Durchschnitt
besuchten 80 bis 90 Schüler/innen die Schule. So kam jede Klasse täglich auf eine
wirkliche Unterrichtsstunde. Von einem geordneten Schulbetrieb konnte keine Rede
sein. So schreibt der damalige Pfarrer in seinem Jahresbericht von 1853: „... denn
viele Glieder der Gemeinde, besonders vom weiblichen Geschlechte, können weder
lesen noch schreiben, in vielen Wohnungen fehlt die Schrift.“ Es müsse „hier
genannt werden, die große Armut vieler Familien... und endlich das während des
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Sommers hier übliche Austreiben des Viehs, wodurch die Jugend einen großen Theil
des Jahres“der Schule und dem Kirchgang entzogen sei. Die Situation an der
Volksschule Vorderweidenthal änderte sich erst, als im August 1920 die 2.
Lehrerstelle errichtet und mit dem Hilfslehrer Drumm besetzt wurde.
Die Erbauung einer neuen Kirche
Im Jahresbericht des Pfarramts Vorderweidenthal für das Jahr 1848 heißt es: „Zur
Aufbringung der Mittel zur Erbauung einer neuen Kirche im Pfarrort wurde von der
Gemeinde Vorderweidenthal ein außerordentlicher Holzhieb in dem Gemeindewald
veranstaltet. Auch in den folgenden Jahren soll damit fortgefahren werden, bis die
nöthige Summe zum Kirchenneubau aufgebracht sein wird.“
Die alte Kirche war „zu klein, baufällig, höchst ungesund und feucht“.
Zwischenzeitlich war sie baupolizeilich geschlossen worden. Am 12. September
1862 wurde in einer gemeinsamen Sitzung von Presbyterium und Gemeinderat der
Neubau „definitiv“beschlossen. Die Baukosten wurden auf 11738 Gulden
veranschlagt. Am 23. Mai 1864 wurde die alte Kirche abgerissen. Nur die unteren
beiden Stockwerke des Turmes blieben stehen. Bis zur Fertigstellung der neuen
Kirche mussten die Gottesdienste in den Schulhäusern von Oberschlettenbach und
Vorderweidenthal gehalten werden. Am 12. Juni 1864 erfolgte die
Grundsteinlegung, am 2. Advent 1865 (10. Dezember) wurde die neue Kirche
eingeweiht. Man hatte sie erheblich vergrößert und den Boden rund 80 cm höher
gelegt. An den Baukosten mussten sich die Gemeinden Darstein und
Oberschlettenbach je nach ihrem Steueraufkommen beteiligen. Auf dem alten
Kirchturm hatten zwei Glocken gehangen, die Reformationsglocke von 1594 und
eine kleine Glocke, die gesprungen war. Sie wurde neu ausgegossen und eine dritte
Glocke angeschafft. Diese beiden Bronzeglocken wurden 1917 vom Militärfiskus
enteignet und mussten für Kriegszwecke abgeliefert werden. 1922 schaffte der
Gemeinderat erneut zwei Glocken an, die 1942 wiederum abgegeben werden
mussten. Die beiden Glocken, die heute neben der alten von 1594 hängen, wurden
1949 auf den Turm gehängt.
Die Rinderpest in Vorderweidenthal
Am 28. August 1867 berichtet der Amtstierarzt Homer von Bergzabern, dass er am
gleichen Tag von dem Ackerer Jakob Wagner in Vorderweidenthal zur tierärztlichen
Hilfestellung gerufen wurde. Er diagnostiziert bei einer jungen Kuh und einem
einjährigen Rind eine der Rinderpest ähnliche Krankheit, oder aber die Rinderpest
selbst. Am 29. August wird die königliche Regierung davon benachrichtigt. Nach
Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen wird eindeutig die Rinderpest
festgestellt und die Tötung der übrigen Viehstücke im Stall vollzogen. Es wird
vermutet, dass Viehhändler von Vorderweidenthal, die ihre Firmen in Bergzabern
haben, die Tiere infiziert haben. Die Viehhändler waren mit pestkrankem Vieh, das
aus Niederösterreich eingeführt wurde, in Kontakt gekommen. Glücklicherweise ist
die Seuche nur in einem Stall aufgetreten, bricht aber zur gleichen Zeit in Rumbach
und Fischbach aus.
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Damals wohnten in Vorderweidenthal 477 Protestanten, 23 Juden und 11
Katholiken. Sie lebten von Ackerbau, Viehzucht, Viehhandel, Holzhandel und
Brandweinbrennerei. Die Zahl der Gehöfte war 90, in denen vor der Pest 294 Stück
Rindvieh, 50 Schafe und 12 Ziegen standen.
Im Deutsch-französischen Krieg 1870/71
Als Napoleon III. am 19 Juli 1870 dem Königreich Preußen den Krieg erklärte, trat
Bayern an seiner Seite in den Krieg ein. Unsere Region wurde zum Aufmarschgebiet
von bayerischem Militär. Die Bewohner des Grenzlandes waren froh darüber, hatten
sie doch befürchtet, dass die Franzosen die Grenze überschreiten und in ihre Dörfer
eindringen würden.
Ab dem 23. Juli 1870 waren in und bei Vorderweidenthal stationiert: vom 5.
Jägerbataillon die 2. Kompanie unter Hauptmann Bach; vom 5. Jägerbataillon die 4.
Kompanie unter Hauptmann Ney und vom 5. Chevauleger-Regiment Prinz Otto das
II. Escadron von der 4. Division unter Oberleutnant Graf Pückler. Die Soldaten
mussten versorgt werden, so dass allein für die beiden Jägerkompanien 1402
Mundportionen anfielen (mittags 309, abends 309, morgens 351). Das Chevaulegers
Escadron verzehrte 348 Portionen täglich.
In der Gemeinderechnung von 1871 sind im Kapitel 12, Militärische Zwecke, für
Fouragelieferungen, Vorspann- und Verpflegungskosten beispielsweise aufgelistet:
131,46 Gulden für einen fetten Stier und Heu an Böller Michael, 59 Gulden für Hafer
an Helfer Thomas, 165 Gulden für Hafer und Heu an Valentin Puster II, 190 Gulden
für einen fetten Stier an Stöbener Michael, 26,80 Gulden für Stroh an Helfer Adam
von Oberschlettenbach, 199,53 Gulden für einen fetten Ochsen an Jakob Christmann
usw. Die Gesamtsumme, die die Gemeinde ausgeben musste, betrug 1586 Gulden
und 54 Kreuzer.
Dieser Betrag wurde vom Königreich Bayern wieder erstattet.
Aus der Gemeinde Oberschlettenbach, die auch sehr stark durch das Militär belastet
war, ist folgendes Schreiben an das Königliche Bezirksamt Bergzabern vom 5.
September 1870 überliefert:
„Vorschussleistungen für Verpflegungskosten bayerische Truppen pro 1870 betr.,
nach der im Anschluße beiliegenden Kostenrechnung hat die Gemeinde
Oberschlettenbach für Verpflegungs-, Vorspann- und Quartierleistungen an
bayerische Truppen 1509,52 Gulden zu bezahlen, eine Summe, welche bemißt, daß
die kleine Gemeinde auch ziemlich mit Einquartierung belastet war, und da dieselbe
ohne Gemeindevermögen ist und alle Ausgaben durch Umlagen decken muß , so
dürfte sich eine vorschußweise Bezahlung der Verpflegungskosten wohl empfehlen.
Gehorsamstes Bürgermeisteramt
Wagner“
Pfarrer Jockers schreibt in seinem Heft „l00 Jahre neue protestantische Kirche
Vorderweidenthal“aus dem Jahr 1966: „In den Morgenstunden des 4. August trat
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das Bataillon vor der neuen Kirche im Karree an. Der Bataillonskommandeur verlas
die Kriegsartikel. Dann marschierte das Bataillon nach Weißenburg und nahm an
der Schlacht am Geißberg teil’’ im Rahmen der III. bayerischen Armee.
Nach der Niederlage Frankreichs wurde am Sonntag, dem 12. März 1871 in
Vorderweidenthal ein Dankgottesdienst abgehalten und für den erhaltenen Frieden
gedankt. Die Kinder bekamen Brezeln geschenkt und zur „Erhöhung“der
Feierlichkeit wurden Freudenschüsse abgegeben. Auch sollte am Schulhaus eine
Friedenslinde gesetzt werden. Darüber liegt im Gemeindearchiv von
Vorderweidenthal ein Bericht unter der Reg.-Nr. K 9 49:
„Beschreibung der Friedensfeier in der Gemeinde Vorderweidenthal.
Schon als man in der Gemeinde Vorderweidenthal am 3ten März 1871 die
erste Friedensnachricht erhielt, wurde die Freudenbotschaft durch
Glockengeläute und Freudenschüsse der ganzen Gemeinde kund gemacht.
Abends wurde alsdann auf dem Budelstein ein Freudenfeuer angezündet und
dazu wieder mit den Glocken geläutet. Alle denen, welche sich dabei
beteiligten wurde hierauf auf Kosten der Gemeinde ein Ohm Bier verabreicht.
Die Hauptfeier wurde aber am 12ten März, an welchem sonntags auch ein
Dankgottesdienst stattfand, abgehalten. Schon am Vorabend dieses Tages
waren die Ortsstraßen mit Tannenbäumen geziert und die meisten Häuser mit
Fahnen und Kränzen geschmückt. Der eigentliche Festtag wurde mit allen
Glocken in der Frühe um ½ 7 Uhr eingeläutet und durch Freudenschüsse im
ganzen Ort bis zum Beginn des Gottesdienstes weiter angekündigt. Um ½ 10
Uhr begann der Gottesdienst und die Festgäste hatten sich so zahlreich
eingefunden, daß die Kirche gedrückt voll war. Nach beendigtem
Gottesdienste versammelte sich die ganze Festgemeinde an der Linde, an der
die Schuljugend zuerst das Lied sang: „Die Wacht am Rhein“. Hierauf hielt
der Lehrer eine kurze Ansprache und schloß mit einem Hoch auf unseren
geliebten König Ludwig II. Die ganze Versammlung stimmte begeistert ein in
dieses Hoch und zuletzt wurden an die Schuljugend und selbst an die kleinsten
Kinder Festbrezeln vertheilt. Während dieses geschah setzte der Gemeinderat
am Schulhof eine Friedenslinde. Zum Schluße sangen die Schüler noch das
Lied „Ich habe mich ergeben“und mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser
Wilhelm I., den Siegreichen, trennte sich die Versammlung. Nachmittags
wurde die Friedenslinde von den Jünglingen mit Gesang und Trinken
eingeweiht und die Festlichkeit dauerte bei Alt und Jung bis tief in die Nacht
hinein. Zur Bestreitung der Kosten hat der Gemeinderat unterm 8ten März
einen Credit von 60 Gulden bewilligt,
Gefertigt im April 1871 für die Gemeinderegistratur.
Das Bürgermeisteramt
Puster“
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Der Gemeinderat beschloss am 14. Mai 1897 anlässlich des hundertjährigen
Geburtstages „Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm I“wiederum an die Jugend Brezeln
verschenken zu lassen und stellt hierfür 20 Mark zur Verfügung. Das Annweiler
Tageblatt machte am 10. Mai 1932 folgende Mitteilung: „Vorderweidenthal, 8. Mai.
Der älteste Krieger von 1870-71 im Bezirk und der letzte aus unserem Dorfe, der 86
Jahre alte Jakob Mogel, ist dieser Tage gestorben“.
Straßenbeleuchtung in Vorderweidenthal
Der Gemeinderat beschließt in seiner Sitzung am l. Mai 1898 die Anschaffung einer
Straßenbeleuchtung und beauftragt das Bürgermeisteramt mit der Anschaffung einer
nichtgenannten Anzahl von Straßenlaternen und eröffnet hierfür Kredit.
Postomnibusverbindung
Annweiler - Schwanheim - Vorderweidenthal - Erlenbach
Der Gemeinderat gibt am 15. Juli 1900 „dem Ansuchen des Besitzers der Burg
Berwartstein, Hauptmann a. D. Hoffmann, bezüglich der Verlängerung der Route
Annweiler - Schwanheim - Vorderweidenthal seine vollste Zustimmung und kann
die Verlängerung nur mit Freuden begrüßen“. Ab dem 15. Mai 1901 wird eine
täglich einmalige Postomnibusverbindung von Annweiler über Schwanheim und
Vorderweidenthal nach Erlenbach und zurück genehmigt. Die täglich einmalige
Kariolpostverbindung
Kraftpostwagen in Vorderweidenthal in den 20er Jahren
69
(einspänniger Gepäckwagen, auf dem wenige Personen mitfahren konnten) von
Annweiler nach Schwanheim und zurück wird mit Ablauf des 14. Mai 1901
eingestellt.
Fahrplan der Pferdepostlinie Annweiler - Erlenbach
3.55 Uhr Annweiler 9.15 Uhr
5.05 Uhr Schwanheim 8.10 Uhr
5.50 Uhr Vorderweidenthal 7.25 Uhr
6. 15 Uhr Erlenbach 7.00 Uhr
Die Gemeindeverwaltung von Oberschlettenbach und die Bürger bitten am
13.12.1913 darum, die Posthilfsstelle und den Haltepunkt der Fahrpost vom
Hahnenhof nach Oberschlettenbach zu verlegen, was jedoch nicht genehmigt wird.
Wasserleitung
Am 14. Juli 1901 wird vom Gemeinderat die Anlage einer allgemeinen
Wasserversorgung mit Hydrantenanlage und Hausanschlüssen beschlossen. Die
Arbeiten werden von der Fa. Heinrich Koch aus Pirmasens für 16412 Mark
ausgeführt. Am 18. März 1905 wird bekannt gegeben, dass „demjenigen, welcher
sich einer missbräuchlichen Verwendung des Wassers aus der Wasserleitung
schuldig macht, das Wasser auf 3 Tage“entzogen wird“.
Vereinsgründungen
Am 27. Dez. 1854 entsteht ein St. Johannis-Lokalzweigverein, der sich die
Unterstützung der Armen durch Arbeit, Geld und Naturalien auf die Fahnen
geschrieben hat, um sie „aus einer augenblicklichen Not zu reißen“.
Am 17. Januar 1893 erteilt das Bezirksamt Bergzabern die Erlaubnis zur Gründung
eines Gesangvereins. Der weiter 1907 gegründete Männergesangverein stellt 1937
seine Tätigkeit mangels Sängern ein; die Wiedergründung erfolgt am 24. 3. 1947.
Der Sportverein Blau- Weiß Vorderweidenthal wird im Jahr 1927 ins Leben gerufen.
Wann der Kriegerverein entstanden ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen, auf
jeden Fall vor dem l. Weltkrieg.
Im Jahr 1881 wird in Oberschlettenbach durch Lehrer Jakob Germann ein
Männergesangverein gegründet, der inzwischen zum gemischten Chor geworden
noch immer die Menschen mit seinen Liedern erfreut.
Elektrischer Strom kommt in unsere Dörfer
Der Gemeinderat entschließt sich am 22. September 1920 Vorderweidenthal an das
elektrische Stromnetz anzuschließen und das Ortsnetz auf eigene Kosten bauen zu
lassen. Er bewilligt hierzu eine veranschlagte Summe von 100689 Mark und
ermächtigt den Bürgermeister zum Abschluss eines Stromlieferungsvertrages mit
den Pfalzwerken. Das Ortsnetz wird von der Fa. Siemens- Schuckert aus Mannheim
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gebaut. Oberschlettenbach bekommt im Jahr 1927 elektrischen Strom, die gesamte
Anlage wird mit 14 500 Mark veranschlagt. Der Ausbau des Ortsnetzes wird einer
Saarbrücker Firma übertragen, die Installation führt die Fa. Karl Funk aus
Vorderweidenthal aus.
Eine Gendarmeriestation kommt nach Vorderweidenthal
Im Südpfälzischen Wochenblatt wird am Samstag, dem 18. August 1900 über
folgenden Vorfall berichtet: „Vom Lindelbrunn, 15. Aug. In der Gemeinde
Vorderweidenthal wird zurzeit eine gerichtliche Untersuchung geführt, die einen
ganz ungewöhnlichen Vorgang betrifft. Auf verflossenen Sonntag, so wird dem
„LA.“ (Landauer Anzeiger) berichtet, war die Abhaltung des Gesangvereinsballes
in Vorderweidenthal festgesetzt. Eine Anzahl dortiger Burschen, die dem Vereine
feindselig gegenüber stehen, sollen beschlossen haben, die Abhaltung des Balles zu
stören, oder, wenn möglich, zu vereiteln. Thatsächlich drangen sie kurz nach Beginn
des Festes in den Saal. Als die Eindringlinge zur Rede gestellt und aus dem Saale
gewiesen wurden, zogen sie sich zu einem Haufen zusammen und feuerten mit
Revolvern in die Reihen der Gegner. Es wurde dabei eine Anzahl junger Leute
verwundet. Ein Bursche erhielt einen Schuß quer durch den Mund, sodaß der
Oberkiefer bedenklich verletzt wurde. Eine tötliche Verletzung kam zum Glück
nicht vor. Der Zweck die Festlichkeit zu vereiteln, wurde wirklich erreicht, da nach
einem solchen Ereignis die Lust zum Tanzen dahin war. Da alle Beteiligten leugnen,
hat die Untersuchung einen schweren Stand.“
Gendarmeriestation
Vorderweidenthal in den
50er Jahren
71
Das königl. Bezirksamt fragt beim Bürgermeister nach, wo denn bei dem Vorfall der
Polizeidiener war. Dazu nimmt der Gemeinderat am 23. September 1900 Stellung:
„Er muß konstatieren, daß der Polizeidiener seine Schuldigkeit vollständig erfüllt
hat. Bei der stattgehabten Affaire war er zufällig zum Nachtessen nachhause
gegangen. - Dem kgl. Bezirksamt mag vielleicht in dieser Hinsicht zu schwarz
berichtet worden sein. Der Gemeinderat sieht sich aber veranlaßt, den Polizeidiener
aufs Schärfste (zu ermahnen), seinen Verpflichtungen bei Ansammlungen von
Menschen in den Wirtshäusern sowie auf der Straße unnachsichtig nachzukommen.“
Ob die „Affaire“eine Rolle gespielt hat bei der Entscheidung, in Vorderweidenthal
eine Gendarmeriestation zu errichten, ist heute nicht mehr zu klären. Ohne Einfluss
wird sie nicht geblieben sein. Über die Gendarmeriestation Vorderweidenthal lesen
wir in der „Geschichte der Polizeistation Bad Bergzabern“aus dem Jahr 2004: „Die
Nachrichten über die Gendarmeriestation sind recht dürftig. Am l. Oktober 1902
wird eine Gendarmeriestation mit 2 Gendarmen errichtet. Die gleiche Anzahl ist
auch 1907 und 1913 genannt. Vor dem zweiten Weltkrieg befindet sie sich in der
Ortsmitte bei der Linde (Haus-Nr. 64), zuletzt Tankstelle Zeller. (Es war das Hans
nebenan von Jakob Becher.) Zuständig ist sie für die Orte Darstein, Dimbach,
Erlenbach mit Lauterschwan, Gossersweiler, Münchweiler, Silz, Stein und
Vorderweidenthal. Das Stations-Gebäude brennt jedoch im Krieg ab, sodass die
Station vorübergehend nach Gossersweiler verlegt werden muss.
Am l. 3. 1950 wird berichtet, dass die Gendarmeriestation Gossersweiler aufgelöst
und nach Vorderweidenthal zurück verlegt wird. Dort werden die Räumlichkeiten in
dem stattlichen Gebäude des Gastwirts Adam Schmitt in der Kirchstraße 14
angemietet. Die Jahresmiete beträgt 480,- DM. Das Dienstzimmer befindet sich auf
der Gebäuderückseite im Erdgeschoss. Wie bei den obengenannten Stationen ist es
mit der Dienstwohnung gekoppelt. 1954 wird Schwanheim dem Dienstbezirk
einverleibt, Gossersweiler nach Annweiler ausgegliedert.
In der Kirchstraße verbleibt die Gendarmerie - Station bis zu ihrer Auflösung im
Jahre 1962.
Der erste Weltkrieg
Am l. August 1914 begann der l. Weltkrieg. Der Kriegsausbruch wurde mit
Optimismus aufgenommen. Die ersten Wochen waren geprägt von
Jubelpatriotismus, Blumen und Bewunderung für die ausrückenden Soldaten.
„Spätestens wenn die Blätter fallen“seien sie wieder siegreich zu Hause, hatte der
Kaiser“gesagt - also in wenigen Wochen. Die meisten Pfälzer kämpften in der
„Pfälzer Division“, das war die 3. Division, die in Landau und Zweibrücken
stationiert war, wegen der Herkunft der Soldaten „Pfälzer Division“genannt. Die
Völker Europas wurden ins „Menschenschlachthaus“geführt, wie der
sozialdemokratische Lehrer Wilhelm Lamszus in einem 1912 erschienen
Zukunftsroman den heraufziehenden Weltenbrand nannte. Was die Soldaten in den
Schützengräben erleben sollten, übersteigt jede Vorstellungskraft. Die begeisterte
Stimmung legte sich also bald, vor allem als die ersten Todesnachrichten eintrafen.
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Der Gemeinderat stellte am 9. August 1914 ein Hilfskomitee auf, „daß die von ihren
Ernährern verlassenen Familien vor Not bewahrt werden...Die Aktion wird durch
Sammlung freiwilliger Gaben und vorläufige Geldunterstützung aus der
Gemeindekasse eingeleitet.“ Am 16. August 1914 spendet die Gemeinde 500 Mark
für das Rote Kreuz. An Weihnachten 1914 werden 46 Pakete an die Truppe
bewilligt. Der Inhalt war: „50 Stück Cigarren, l Flasche Likör, Tabak, Kautabak“.
Am 3. Oktober 1915 wird für die Kriegsgefangenen in Russland gespendet und an
Weihnachten 1915 eine „Weihnachtsgabe für die zum Heeresdienst eingerückten
hiesigen Mannschaften in Höhe von 600 Mark abgeschickt“. Immer wieder werden
Pakete und Geldspenden bewilligt vom Gemeinderat. Außerdem zeichnet der
Gemeinderat Kriegsanleihen - so am 7. 4. 1918 in Höhe von 10000 Mark.
Hindenburg- und Ludendorf spenden werden getätigt. 1917 beschlagnahmt der
Militärfiskus zwei Kirchenglocken für Kriegszwecke. Und immer wieder treffen
Todesnachrichten von gefallenen Söhnen, Brüdern, Ehemännern und Vätern ein. So
seien hier diejenigen genannt, deren Tod später im Sterberegister unserer beiden
Gemeinden beurkundet wurde, nämlich:
der Ackerer Adam Becker, 27 Jahre alt. Ersatzreservist, in Tourcoing im
Feldlazarett Nr. 5 am 27. Dez. 1914 infolge einer im Kriege gegen Frankreich
erlittenen Verwundung gestorben;
der Ackerer Marx Schmitt, 25 Jahre alt, Ersatzreservist, zu Comines im Feldlazarett
Nr. 10 am 18. Nor. 1914 infolge einer im Gefechte bei Hollebeke (Belgien) erlittenen
Verwundung gestorben;
der Dienstknecht Johannes Dutt, 23 Jahre alt, Infanterist, in den Kämpfen bei
Hollebeke (Belgien) am 14. März 1915 gefallen;
der Ackerer Jakob Becker, 29 Jahre alt, Infanterist, im Priesterwalde bei Pont à
Mousson am 21. Juni 1915 gefallen;
der Dienstknecht Friedrich Steidler, 26 Jahre alt, Ersatzreservist, bei Teratyn
(Russland) am 30 Juli 1915 gefallen;
der Fabrikarbeiter Wilhelm Helfer, 22 Jahre alt, Infanterist, im Walde von
Maloncourt, Frankreich, am 22. März 1916 durch Bauchschuss gefallen;
der Fabrikschuster Adam Hoff, 23 Jahre alt, Ersatzreservist, im Gefechte bei Haisnes
bei Bassec (Pas de Calais) infolge Sprengung am 30. Juni 1916 gefallen;
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der Fabrikschuster Friedrich Helfer, 22 Jahre alt, Infanterist, im Gefecht bei
Maurepas nördlich Peronne am 12. August 1916 gefallen;
der Fabrikschuster Gustav Becker, Ersatzreservist, durch Granatsplitter auf die Brust
am 21. August 1916 gefallen;
der Ackerer Heinrich Hoff, 38 Jahre alt, Infanterist, auf der Lyponia- Höhe,
Ostgalizien, am 4. September 1916 durch Kopfschuss gefallen;
der Ackerer Jakob Berger, 20 Jahre alt, Infanterist, am 19. Dezember 1916 durch
Brustschuss gefallen;
der Handlungsgehilfe Gustav Samuel, Gefreiter, bei Armentieres in franz. Flandern
am 27. Februar 1917 durch Verschüttung gefallen;
der Maurer Ludwig Feldner, 29 Jahre alt, Gefreiter, am 23. August 1918 durch
Artillerie-Geschoss in den Kopf bei Achief le petit gefallen.
Warum die weiter Gefallenen und Vermissten von 1914 bis 1918 aus
Vorderweidenthal nicht im Sterberegister beurkundet wurden, ist nicht bekannt:
Konrad Feldner, Karl Hoff, Friedrich Berger, Jakob Becker, Ludwig Becker, Simon
Müller, Ordon Müller, Richard Michaelis, Gustav Helfer, Karl Samuel.
Aus Oberschlettenbach
der Gemeindeschreibergehilfe Adam Christmann der Zweite, 23 Jahre alt.
Ersatzreservist, zu Carvin im Feldlazarett Nr. 11 am 30 November 1915 infolge einer
im Kriege erlittenen Verwundung gestorben;
der Tagelöhner Friedrich Berger, 37 Jahre alt, Landsturmmann, zu Köln in der
städtischen Krankenanstalt Lindenberg am 13. Juli 1916 infolge einer bei Albert
erlittenen Verwundung gestorben;
der Bauer Valentin Stöbener, 20 Jahre alt, Infanterist, im Gefechte bei Orvillers am
12. Juli 1916 gefallen;
der Ackerer Jakob Höchst, 33 Jahre alt, Gefreiter, in Landau im Reservelazarett Nr.
6 infolge Erkrankung am 7. Mai 1917 verstorben;
der Ackerer Georg Heft, 38 Jahre alt. Landsturmmann, am 3. September 1917 am
großen Jägel bei Riga durch Infanterieschuss gefallen;
der Ackerer und Schmied Adam Stoffel, 19 Jahre alt, Infanterist, am 24. Juli 1918
infolge Kopfschuss 500 m westlich Vrigny gefallen.
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Nicht beurkundet sind folgende Gefallene und Vermisste von 1914 bis 1918 aus
Oberschlettenbach: Albert Eitel, Georg Ladenberger, Jakob Scherer, Wilhelm
Stöbener, Jakob Stoffel.
Mancher der aus dem Krieg nach Hause kam, war an Leib und Seele geschädigt. So
heißt es im Sterberegister des Pfarramtes Vorderweidenthal über den am 24.
Dezember 1927 verstorbenen Adam Wagner: „Starb nach langem Siechtum an den
Folgen einer schweren Gasvergiftung, während des Krieges.“
Adam Wagner als Soldat im
königlich bayerischen Reserve -
Ersatzregiment 5 im Jahr 1915
Am l. Oktober 1918 erklärte General Ludendorf: „Die oberste Heeresleitung und das
deutsche Heer sind am Ende. Der Krieg ist nicht mehr zu gewinnen, vielmehr steht
die endgültige Niederlage unmittelbar bevor. Ich stehe nunmehr auf dem
Standpunkt, dass schnellstens Schluß gemacht werden muß ...“Ersichtlich ging es
den Spitzenmilitärs darum, die Verantwortung auf die zivile Regierung abzuwälzen.
Der Zivilist Matthias Erzberger musste mit den Alliierten den
Waffenstillstandsvertrag aushandeln. Im Waffenstillstandsvertrag vom November
1918 wurde festgelegt, dass das gesamte linksrheinische Gebiet Deutschlands von
alliierten Truppen besetzt werden sollte. In die damals noch bayerische Pfalz rückte
ab dem l. Dezember die 8. französische Armee unter General Gerard als Besatzung
ein. Die Besatzung brachte für die Pfälzer erhebliche Einschränkungen mit sich, Post
und Warenverkehr ins Rechtsrheinische wurden weitgehend eingeschränkt, auch die
Freizügigkeit und die bürgerlichen Grundrechte. Die Presse unterlag der Zensur.
Gemeinderatssitzungen mussten drei Tage vor der Sitzung bei dem französischen
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Kontrollamt gemeldet werden. Die Bürger mussten oft in ihre Häuser französische
Soldaten zur Einquartierung aufnehmen und in die Ställe ihre Pferde. Hauptlehrer
Treber aus Vorderweidenthal schreibt am 7. Juli 1926: „Die hiesige Gemeinde hatte
von April 1925 bis Juni 1926 9 mal Einquartierungen von Besatzungssoldaten.“ So
war am 12. Mai 1927 beispielsweise das 171. Infanterieregiment, 2. und 3. Bataillon,
in und um Vorderweidenthal in Quartier. Das waren 873 Mannschaften, l
Stabsoffizier, 16 sonstige Offiziere, 27 Unteroffiziere und 68 Pferde. Gebraucht
wurde Raum für eine Wachstube, 6 Geschäftszimmer und zwei Feldküchen.
(Liquidation im Archiv der VG Bad Bergzabern unter Vorderweidenthal).
Französische Einquartierung im Jahre 1922
Das Miteinander zwischen Besatzern und der Pfälzischen Bevölkerung war gespannt
und von Hass und Misstrauen geprägt. So kam es am 16. März 1927 in
Vorderweidenthal zu folgendem Vorfall: „Abends gegen 9 Uhr geht eine Gruppe
von 5 einquartierten französischen Soldaten durch die Ortschaft Vorderweidenthal
und misshandelt ihr entgegenkommende Personen, nämlich den Adam Eickert, die
Hermine Stöbener, den August Feldner, Heinrich Hussong, Hoffmann, Becker,
Zeller, die Lina Schütz und den Taubstummen Jakob Schehl.“ (Die Pfalz unter
französischer Besatzung von 1918 bis 1930, 3. Aufl., Koblenz 1996, S. 315).
Das Straßennetz in der Pfalz wuchs in dieser Zeit und auch in Vorderweidenthal gab
es die ersten Autos. Am 19. September 1928 meldet der Gastwirt Jakob Hoff eine
Tankstelle der Deutsch-amerikanischen Petroleumgesellschaft an, ihm folgt am 8.
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Die OLEX- Tankstelle neben der Polizeistation
Oktober 1928 der Bäckermeister Karl Zeller, der eine Tankstelle der Olex Deutsche
Petroleumsverkaufsgesellschaft eröffnet.
Die Besatzungszeit endete am 30. Juni 1930. Überall auf den Bergen des
Haardtgebirges wurden Freudenteuer entzündet und in vielen Dörfern und Städten
Befreiungsfeiern abgehalten.
Vorderweidenthal und Oberschlettenbach im Dritten Reich-Versuch einer
Annäherung
Wir kommen nun zu den Jahren, die gerne in den Ortschroniken unterschlagen und
verdrängt werden. Diese Zeit kommt in ihnen nicht vor und wenn ja nur als eine
Randnotiz. Erst in den Chroniken der letzten Jahre nimmt man sich dieser Zeit an,
versucht eine objektive Aufarbeitung dieser Zeit, auch um der Nachgeborenen
willen. Es muss jedoch gesagt werden, dass die Quellenlage für unsere Dörfer über
diese Zeit schlecht ist, was eine Darstellung erschwert.
Am 30. Januar wurde Hitler nach 14 Jahren heftiger Agitation gegen die junge
Demokratie von Weimar zum Reichskanzler eben dieser Republik ernannt. Die
Prinzipien einer parlamentarischen Demokratie waren zu diesem Zeitpunkt längst
nicht mehr in Anwendung. Seit 1930 wurde in Deutschland nur mit
Präsidialregierungen regiert. Hitler wurde Chef einer Regierung, die auf durch den
Artikel 48 der Reichsverfassung vom Reichspräsidenten eingeräumten Vollmachten
77
beruhte. Die Mehrheit des deutschen Volkes hatte sich keineswegs für Hitler
entschieden. Die NSDAP erreichte im Juli 1932 37,4 % (Pfalz 43,7%) und im
November 1932 33,1 % (Pfalz 42,6%) der abgegebenen Stimmen. Das waren jeweils
ein Drittel der deutschen Wähler. Franz von Papen (Reichskanzler vom l. Juni 1932
bis zum 2. Dezember 1932) hatte Hitler die Vizekanzlerschaft zwar angeboten, doch
Hitler lehnte ab. „Ich will nur die Macht. Wenn wir einmal die Macht bekommen,
dann werden wir sie, so wahr mir Gott helfe, behalten. Wegnehmen lassen wir sie
uns dann nicht mehr.“ (Rede Hitlers am 17. Oktober 1932 in Königsberg) Hitler
wollte die Kanzlerschaft, was Reichspräsident Hindenburg bisher immer verweigert
hatte. Doch waren maßgebliche Eliten in Wirtschaft und Politik fest entschlossen,
der Republik ein Ende zu bereiten. Dafür brauchten sie die Unterstützung der
Nationalsozialisten. In den Hinterzimmern der Macht wurde verhandelt, intrigiert
und geplant. Ende Januar 1933 erfuhr die Öffentlichkeit: Hitler sollte Reichskanzler
werden und Franz von Papen sein Stellvertreter. Hitler hatte die Macht angestrebt
und sie wurde ihm mit Hilfe der deutsch - nationalen rechtskonservativen Kräfte
übertragen. Außer Hitler gehörten der neuen Regierung, die sich ansonsten aus
Parteilosen oder Vertretern der rechtskonservativen DNVP zusammensetzte, zwei
Nationalsozialisten an. Hitler hatte nach seiner Ernennung zum Reichskanzler auf
erneuten Reichstagswahlen bestanden, um seine Regierung plebiszitär abzusichern.
Vor den höchsten Generalen der Reichswehr verkündete er vier Tage nach seiner
Ernennung sein politisches Programm:’’ Völlige Umkehrung der gegenwärtigen
innenpolitischen Zustände in Deutschland. Ausrottung des Marxismus mit Stumpf
und Stiel. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie!“
„Ab 1930 schossen in den protestantischen Dörfern die Ortsgruppen wie die Pilze
aus dem Boden, während in den katholischen Gemeinden, vor allem den kleinen, die
NSDAP- Ortsgruppen bis zur Machtübernahme selten waren...“(Vgl. Rothenberger,
Karl-Heinz: Die nationalsozialistische Machtübernahme in der Südpfalz, in ZGO
132, S.305 bis 342) Im protestantischen Staatsverständnis gab es die Sehnsucht nach
dem starken Staat. Er konnte das Allgemeinwohl bewahren. Eine NSDAP-
Ortsgruppe wurde bereits am l. August 1931 in Darstein gegründet, der die später
entstandenen Ortszellen Oberschlettenbach und Vorderweidenthal zugeordnet
waren. Die Hauptursache für den Aufstieg der NSDAP war in erster Linie die
wirtschaftliche Krise, die die Pfalz von Anfang an stärker belastete als die anderen
Gebiete im Reich. Die französische Besetzung der Pfalz von 1918 bis 1930 und die
Präsenz der Besatzungsmacht verdeutlichten den Pfälzern die Niederlage im Krieg
besonders. Nationalistische Ressentiments wurden dadurch gefördert. Ab 1927
setzte eine Agrarkrise ein, durch die die Weltwirtschaftskrise von 1929 noch einmal
verstärkt wurde. Die Holz-und Getreidepreise stürzten ab. Die Zahl der
Fürsorgeempfänger nahm zu, die Bauern hatten zwar keinen Hunger zu leiden, aber
kein Bargeld. Viele Menschen auch in unseren Dörfern waren ohne Arbeit. Durch
die ausgeprägte antikapitalistische Einstellung der Pfälzischen Nationalsozialisten
wurden viele Menschen angesprochen. Für den Fall der Machtübernahme wurde den
Landwirten die vollkommene Entschuldung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes
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versprochen, was die Nationalsozialisten auch einhielten. So war am 25. Juli 1933
gegen den Kolonialwarenhändler HL. aus Oberschlettenbach ein
Zwangsversteigerungsverfahren wegen eines nicht bezahlten Betrages in Höhe von
46,96 RM eingeleitet worden. Sein gesamter Grundbesitz sollte versteigert werden.
Das Verfahren wurde am 17. August 1933 auf Grund der Verordnung über den
landwirtschaftlichen Vollstreckungsschutz eingestellt. (LA Speyer J11 Nr. 1595) „Je
kleiner das Dorf, umso stärker war der Druck der vorherrschenden Meinung auf die
Andersgesinnten. (Rothenberger 1984, S. 312) „Wer weltanschaulich fest
eingebunden war wie der katholische Bevölkerungsteil oder die sozialdemokratisch
oder kommunistisch organisierten Arbeiter stand der Massenanziehungskraft der
voll aufmarschierten NSDAP mit mehr Festigkeit gegenüber als die übrige
Bevölkerung. Die Milieus des politischen Katholizismus und der Linken wurden
vom Sog der braunen Bataillone in geringeren Maßen erfasst als diejenigen, aus
denen sich zu Beginn der Weimarer Republik Konservative wie Liberale ihre Wähler
geholt hatten. Auch dafür ist Darstein ein gutes Beispiel. Die meisten Wähler hatten
dort 1924 ein liberales Votum abgegeben. „(Fenske, Hans: Der Aufstieg der
Pfälzischen NSDAP, in: Gerhard Nestler u. a., Vom Scheitern der Demokratie,
Leinfelden -Echterdingen 2010)
Vorderweidenthal und Oberschlettenbach waren landwirtschaftlich strukturierte
Gemeinden, wobei es in Vorderweidenthal auch schon eine nicht unwesentliche Zahl
von Fabrikarbeitern gab. Ein SPD-Ortsverein hat in Vorderweidenthal mindestens
seit Mitte der 1920iger bestanden. Bei der Reichstagswahl am 20. 5. 1928 wurde
hier mehrheitlich SPD gewählt, in Oberschlettenbach die DVP, eine bürgerlich –
nationale Partei, die aus den Nationalliberalen hervorgegangen war.
Im Februar 1933 versuchte die NSDAP-Ortsgruppe von Vorderweidenthal in
Zusammenarbeit mit dem Kreisleiter Meyer in Bergzabern den am 8. Dezember
1929 demokratisch gewählten Gemeinderat unter Bürgermeister Schmitt durch
vorgezogene Neuwahlen aus dem Amt zu drängen. Dazu wurde ein Volksentscheid
initiiert, der über Neuwahlen entscheiden sollte. Das notwendige Quorum wurde
jedoch nicht erreicht. Im Landauer Anzeiger vom 4. Februar 1933 ist zu lesen:
„Vorderweidenthal, 13. Februar. Es bleibt beim Alten. Der gestern durchgeführte
Volksentscheid fand keine Mehrheit. - Es beteiligten sich 300 Personen, von denen
163 für die Neuwahl, 134 dagegen stimmten; drei Stimmen waren ungültig. Zur
erforderlichen Durchführung des Volksentscheids wären 178 Stimmen notwendig
gewesen.“
Hier die Ergebnisse der Reichstagswahlen vom 20. 5. 1928 bis zum 5. 3. 1933.
Reichstagswahl am 20. 5. 1928:
Vorderweidenthal: SPD 92, DNP 19, Zentrum/B VP 2, DVP 48, KPD l, NSDAP 17
Oberschlettenbach: SPD l, DNP 7, Zentrum/B VP -, DVP 48, KPD -, NSDAP -
79
Reichstagswahl am 14. 9. 1930:
Vorderweidenthal: SPD 42, DNP -, Zentrum/B VP 3, DVP 3, KPD 3, NSDAP 137
Oberschlettenbach: SPD -, DNP -, Zentrum/B VP -, DVP 6, KPD -, NSDAP 94
Reichstagswahl am 31. 7. 1932:
Vorderweidenthal: SPD 51, DNP l, Zentrum/B VP 7, DVP 3, KPD -, NSDAP 269
Oberschlettenbach: SPD -, DNP -, Zentrum/B VP -, DVP -, KPD -, NSDAP 131
Reichstagswahl am 6. 11. 1932:
Vorderweidenthal: SPD 53, DNP 3, Zentrum/BVP 4, DVP -, KPD l, NSDAP 260
Oberschlettenbach: SPD -. DNP -, Zentrum/BVP -, DVP -. KPD -, NSDAP 130
Reichsstagswahl am 5. 3. 1933:
Vorderweidenthal. SPD 34, DNP 5, Zentrum/BVP -, DVP l, KPD 2, NSDAP 283
Oberschlettenbach: SPD -, DNP -, Zentrum/BVP -, DVP -, KPD -, NSDAP 135
(Wahlergebnisse nach: Bauer, Gustav: Entwicklung und Form des
Nationalsozialismus im Kreise Bergzabern unter besonderer Berücksichtigung der
Presse, Kaiserslautern 1967)
Die Reichstagswahl vom 5. 3. 1933 stand unter dem Eindruck, dass Hitler seit dem
31. Januar 1933 Reichskanzler war, trotzdem brachte sie über den Regierungsbonus
hinaus keinen besonderen Gewinn für die NSDAP. Die SPD hatte sich in
Vorderweidenthal einen Kernbestand bewahrt. Nach den Reichstagswahlen wurde
eine Landesregierung nach der anderen aus dem Amt gedrängt. Am 9. März 1933
wurde in Bayern der ehemalige Freikorpsgeneral Franz Xaver Ritter von Epp zum
Reichskommissar ernannt. Nun hatte die NSDAP in Bayern die Macht, die
Landesregierung galt als abgesetzt.
Jakob Schmitt, Bürgermeister
80
Das Annweiler Tageblatt berichtet am 27. März 1933 über die Auflösung der
Ortsgruppe der SPD von Vorderweidenthal, deren Vorsitzender Anton Schuhmacher
von 1925 an bis zur Auflösung war. Dem Gemeinderat, am 8. Dezember 1929
gewählt, gehörten vor der Machtübernahme an: Bürgermeister Jakob Schmitt,
Beigeordneter Wilhelm Hoff sowie die Gemeinderäte Jakob Becker, Georg Feldner,
Marx Becker, Marx Hoff, Müller, Böller, Hornberger, Berger, Marx Feldner, Puster,
Hertle und Schuhmacher. In Oberschlettenbach war am 8. Dezember 1929 Jakob
Funck mit 108 von 118 Stimmen wieder gewählt worden. Die Gemeinderäte blieben
dieselben. Nach der Reichstagswahl vom 5. März. 1933 wurden missliebige
Bürgermeister abgesetzt und die politische Säuberung der Gemeinden und
Gemeindeverwaltungen begann. Mit dem Gesetz zur Gleichschaltung der
Gemeinden und Gemeindeverbände wurde das Reichstagswahlergebnis auf die
kommunalen Parlamente übertragen. Am 31. März. 1933 wurden die Gemeinderäte
aufgelöst und nach dem Wahlergebnis vom 5. März 1933 neu zusammengestellt. Die
NSDAP hatte in Vorderweidenthal 283 Stimmen bekommen. Der Wahlausschuss
legte am 22. April 1933 fest, „daß auf folgende Parteien und Wählergruppen die
angegebene Zahl von Sitzen entfallen ist: Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei 8 Sitze“, andere Parteien keine. Neuer Bürgermeister wurde Robert
Zeller, Beigeordneter Jakob Jung. Über Oberschlettenbach heißt es im Annweiler
Tageblatt vom 30. Juni 1933: „Oberschlettenbach 29 Juni. Als l. Bürgermeister
wurde jetzt der Amtswalter der NSDAP Landwirt Heinrich Ladenberger bestimmt
und vom Bezirksamt bestätigt. Bürgermeister Ladenberger hat seine Tätigkeit
bereits aufgenommen.“ Bürgermeister, Beigeordneter und die weiteren
Ratsmitglieder der Zeit vor 1933 hatten ihre Mandate verloren und wurden durch
Parteimitglieder ersetzt. Die neuen Bürgermeister bestellte man zur
propagandistischen Vereidigung im November 1933 nach München ein. Der neue
Gemeinderat bewilligte hierfür Bürgermeister Robert Zeller 50 RM aus der
Gemeindekasse. Die Bürgermeister und Gemeinderäte mussten 1935 erklären „dass
ihnen trotz sorgfältiger Prüfung keine Umstände bekannt sind, dass drei oder vier
Großelternteile der Rasse nach volljüdisch sind oder der jüdischen
Religionsgemeinschaft angehören.“ Nach der neuen Gemeindeordnung lief die
Amtszeit der Bürgermeister und Beigeordneten am 4. März 1937 aus. Dann sollte
auf Vorschlag des Beauftragten der NSDAP neue Bürgermeister und Beigeordnete
bestimmt werden. Neuer Bürgermeister ist am 5. März 1937 in Vorderweidenthal
Ludwig Berger, erster Beigeordneter wird Valentin Schmitt und zweiter
Beigeordneter Emil Heft. In Oberschlettenbach bleibt Heinrich Ladenberger
Bürgermeister, Beigeordneter wird Ludwig Helfer. Bürgermeister Ladenberger hat
noch das Amt des Ortsbauernführers und des Zellenleiters inne. Zellenleiter in
Vorderweidenthal war Adolf Eitel, die Mitgliederzahl der Ortszelle betrug 28.
Am 22. Juni 1933 wurde die SPD verboten, im Juli lösen sich BVP und das Zentrum
auf. In wenigen Monaten wälzten die Nationalsozialisten die politische Ordnung in
Deutschland grundlegend um. Mit geschickter Mischung aus Drohung und
81
Verlockung gelang es ihnen, die Demokratie zu beseitigen - und dafür die
Zustimmung eines großen Teils der Bevölkerung zu erhalten. So wurde im
September 1933 der Feldweg, der vom Forsthaus Lindelbrunn auf die Landstraße
nach Vorderweidenthal führt, von Erwerbslosen aus Vorderweidenthal zur festen
Straße ausgebaut. Den Landwirten konnten vermittelt durch den Ortsbürgermeister
Landhilfen zugeteilt werden. Mit den „Rheinhard-Programmen“und dem „Siebert-
Programm“flössen Millionen von Reichsmark in die Pfalz zur Beseitigung der
Arbeitslosigkeit, den Bau von Straßen und Siedlungshäusern. Der sogenannte „rote
Gauleiter“Josef Bürckel initiierte einen „Sozialismus der Tat“, „eine krude
Mischung nationalistischer und sozialistischer Ideen.“ (Hannes Ziegler) Er rief die
„Volkssozialistische Selbsthilfe Rheinpfalz“ins Leben. Der Gemeinderat von
Vorderweidenthal beschloss am 15. Oktober 1933 den Beitritt zur
„Volkssozialistischen Gemeinschaft“. Es sollen künftig keine Veranstaltungen mehr
stattfinden, „ohne daß für jeden Teilnehmer der sogenannte Volkshilfegroschen
abgeliefert wurde.“ Mit den Geldern finanzierte Bürckel
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, den Bau von Siedlungsheimen und einen
Hilfsfonds für Bedürftige. Gleichzeitig wurde das Naturfreundehaus Bethof
geschlossen, wie das Annweiler Tageblatt am 29. April 1933 berichtet:
„Vorderweidenthal 28. April. Das zwischen Vorderweidenthal und Lauterschwan
durch den Touristenverein die Naturfreunde vor einigen Jahren erbaute Waldhaus
wurde geschlossen, nachdem der Verein infolge seiner marxistischen Einstellung
durch die Staatsregierung verboten und aufgelöst wurde.“ Am 3. Mai 1933 werden
in Gossersweiler elf Personen verhaftet und von der Polizei Annweiler und
Vorderweidenthal sowie SA - Hilfspolizisten ins Gefängnis nach Landau gebracht,
weil sie die Öffentlich aufgezogene Hakenkreuzfahne in der Nacht verbrannt haben.
Am 15. Mai 1933 war im Annweiler Tageblatt zu lesen, „dass der im Elsass
beschäftigt gewesene Valentin Orth verhaftet und ins Gefängnis nach Landau
gebracht wurde. Er steht im Verdacht kommunistischer Umtriebe.“ Der SA - Sturm
von Vorderweidenthal unternimmt häufig Propagandamärsche in die umliegenden
Ortschaften und in Vorderweidenthal selbst. Bei Kindtaufen von Kindern von SA-
Männern steht die gesamte SA vor der Kirche Spalier. Laut mündlicher Quelle wird
das auf dem Rödelstein angebrachte, weithin sichtbare Hakenkreuz von SPDlern aus
Pirmasens abgesägt und herunter geworfen, worauf die Ortszelle ein neues
anfertigen lässt und auf dem Fels aufstellt. Einem der Zentrumspartei
nahestehendem Beamten wird zur Kenntnis gebracht, dass man mit der SA vor
seinem Haus aufmarschieren werde, sollte er noch einmal die Gastwirtschaft des aus
dem Amt gedrängten Bürgermeisters Schmitt betreten. Am 25. August 1933 wurden
„im Wege der Gleichschaltung die beiden hiesigen Gesangvereine miteinander
verschmolzen“. Der Männergesangverein „Waldeslust“ tritt dem länger bestehenden
Männergesangverein bei. Als Vereinsleiter werden bestimmt: Adolf Eitel als l.
Vorsitzender, Lehrer Karl Tröster als Chorleiter, Adam Heinrich Funck als 2.
Vorsitzender, Adolf Becker als Schriftführer und Rechner. „Die übrigen
Ausschussmitglieder werden vom politischen Leiter der NSDAP bestimmt:“
(Annweiler Tageblatt vom 26. 8. 1933) Auch die ehemaligen politischen Gegner
82
hatte man nicht vergessen. Am 14 Juni 1938 berichtet die Gendarmeriestation
Vorderweidenthal der Geheimen Staatspolizei in Neustadt über das politische
Verhalten des ehemaligen SPD - Vorsitzenden Anton Schuhmacher: „Als maß
gebender SPD – Funktionär dürfte Schuhmacher nicht anzusehen sein. Vorstehender
Bericht wurde nur gemacht, weil Schuhmacher seinerzeit als SPD-Funktionär
gemeldet worden war.“ (LA Speyer H 91, Nr. 1197)
Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) Kindergarten im Jahre 1938
In den Jahren zwischen 1938 und 1940 entstand entlang der deutschen Westgrenze
ein rund 630 km langes Verteidigungssystem mit 15 000 Bunkern, Gräbern und
Panzersperren. Der Alltag in unseren Grenzdörfern veränderte sich. Tausende
Arbeiter der Reichsarbeitsdienstes, der Organisation Todt und privater Baufirmen
kamen in die strukturschwachen Grenzlandgemeinden. Bei Erlenbach entstand ein
Arbeitsdienstlager. In dieser Zeit wurde auch der Stollen an der Lindelbrunner
Straße gebaut, in dem im Hinterland der sogenannten „Roten Zone“ein Lazarett
untergebracht werden sollte. In der Stollenanlage sollten auf ca. 1000 qm ein OP-
Bereich, Sanitätsstationen und eine Zahnstation eingerichtet werden. Zahlreiche
Männer aus Vorderweidenthal und Oberschlettenbach fanden bei den Baufirmen
Arbeit. Was sie nicht wussten, war, dass jeder einzelne von der Gestapo
„spionagepolizeilich“und in politischer Hinsicht überprüft wurde. Als am l.
September 1939 mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite
Weltkrieg begann, war das für unsere Gegend wegen der besonderen Nähe zu
Frankreich ein besonders einschneidendes Ereignis. Frankreich hatte einen
Beistandsvertrag mit Polen und erklärte nun Deutschland den Krieg. Der Ernstfall
83
trat in der Nacht vom 31. August auf den l. September 1939 ein. Die Pläne zur
„Freimachung“der „Roten Zone“, die bereits in der Schublade lagerten, traten nun
in Kraft. Vorderweidenthal lag noch in der „Roten Zone“, Oberschlettenbach nicht
mehr, es gehörte zur „Grünen Zone“. Die „Rote Zone“war bei Kriegsbeginn zu
räumen, die „Grüne Zone“erst beim Einmarsch feindlicher Truppen. „Am l.
September 1939 kam die Räumung, nachts wurde ich aus dem Bett geholt und
musste das Vieh, Getreide, Wäsche und Möbel, nachdem die Einwohner fort waren,
bergen und habe es den Flüchtlingen nachgesandt“, so schreibt der frühere
Ortsbauernführer Heinrich Hussong später. (LA Speyer R 18, Nr. A 23586)
Vorderweidenthal wurde geräumt. Zwanzig Männer blieben zurück. Sie sollten das
im Dorf aufgestapelte Getreide dreschen. An Großvieh mussten drei Stück zurück
gelassen werden, außerdem 25 Schweine, 150 Ztr. Getreide und 50 Ztr. Mehl. Die
Vorderweidenthaler kamen nach Oberfranken und fanden Aufnahme in
Großbirkach, Kleinbirkach. Lichtenfels, Staffelstein und Reichmannsdorf. Die
Oberschlettenbacher wären im Ernstfall nach Oberlindach und Weisendorf, Kreis
Höchstadt a. d. Aisch, evakuiert worden. Die Freimachung war nicht genügend
vorbereitet und erfolgte unter teils chaotischen Umständen. Danach durfte die „Rote
Zone“von Zivilpersonen nur noch mit Sondererlaubnis betreten werden, in den
Häusern tummelten sich Wehrmachtssoldaten, plünderten und zerstörten Häuser.
Am 18. August 1940 kamen die Vorderweidenthaler mit den Leuten aus Birkenhördt
und Blankenborn mit dem Zug zurück. Viele Wohnungen waren verwüstet, manches
Haus beschädigt oder zerstört.
Die. Evakuierten von Vorderweidenthal kamen u.a. in Reichmannsdorf
(Oberfranken) unter
84
Vorderweidenthal ist evakuiert 1939/40
Ortsbauernführer Hussong und Bürgermeister Berger mit Militärpersonen im
Winter 1939/40
85
Die im Ort zum Dreschen verbliebene Mannschaft vor dem Dreschschuppen
Die Rückkehr nach der Evakuierung im August 1940. Links im Bild mit Rücksack
Fritz Kolb
86
Eigene Möbel befanden sich in anderen Wohnungen, manches war gestohlen.Karl
Helfer schreibt am 13. Januar 1941: „Ich bin Rückgeführter. Während meiner
Abwesenheit von Vorderweidenthal wurde mein Wohnhaus durch das Militär so
beschädigt, daß es niedergerissen werden muss und neu aufgebaut werden soll.“ (LA
Speyer J 11, Nr. 1566) Viele Bekanntschaften und Freundschaften waren im
„Bergungsraum“in Oberfranken entstanden. Manche hielt noch lange Jahre nach
dem Krieg bis in die 70iger Jahre.
Zu Beginn des Krieges tat Georg Schneider aus Oberschlettenbach auf der Straße
seine Meinung über den Krieg offen kund, indem er sagte: „Ich war 4mal verwundet
und habe die Füße erfroren gehabt, ich habe genug vom Krieg.“ (LA Speyer R 18,
A 23675) Das hatte eine Anzeige bei der Gauleitung in Neustadt zur Folge. Wenige
Tage später erschien die Gestapo bei ihm und verhörte ihn. Er wurde zur Gestapo-
Dienststelle nach Neustadt geladen, dort wurde ihm mit „dem Keller“gedroht. Auch
hat man an sein Haus den Goebbelsspruch „Volk steh auf anbringen lassen. Am 15.
Dezember 1940 beschweren sich Eltern aus Schwanheim und Darstein über den
Lehrer Wenzel aus Oberschlettenbach, der sowohl in Oberschlettenbach als auch in
Schwanheim Unterricht erteilte. Er soll im Unterricht gesagt haben: „Es gibt keinen
Gott, keinen Himmel und keine Hölle, keine Ewigkeit... Der Heiland war ein
stinkiger Jud...“ Das Christentum sei eine „artfremde jüdische Lehre“. Er sprach vom
Judentum selbst, stellte Juden als „Verbrecher“dar. Anschließend wies er auf „das
Christentum hin als aus solchen Judenhirnen entstandene Lehre“. Dagegen erhoben
Eltern aus Schwanheim und Darstein mutigen Protest (die Darsteiner Kinder wurden
damals in Schwanheim unterrichtet). Zahlreiche Eltern aus Schwanheim
beschwerten sich bei Schulleiter Weis in Lug. Aus Darstein unterschrieben die
Mütter Lina Christmann, Luise Eickert, Frieda Keller sowie Frau Böhles und die
Eheleute Wetzel. Lehrer Wenzel beschwerte sich bei der Gestapo darüber, dass zwei
evangelische Schüler aus Darstein, die die Schule in Schwanheim besuchten, „statt
zu ihm in die Schule zu kommen, es vorziehen, zum Konfirmandenunterricht nach
Vorderweidenthal zu gehen“. Er ist darüber empört und erklärt den Kindern, „dass
es besser wäre, wenn sie von dieser artfremden jüdischen Lehre nichts hören würden.
Das wäre für deutsche Kinder viel besser“. Wenzel klagt auch über Pfarrer
Esselborn, der in Oberschlettenbach „in meiner Schule“die Kinder vor den
Weihnachtsferien fragte, an wen sie an Weihnachten denken. Als ein Schüler der 3.
Klasse antwortet: „An den Führer“, schreibt Wenzel „das war mein Erfolg!!“ (LA
Speyer H 91, Nr. 2484) Lehrer Wenzel hatte den Nationalsozialismus verstanden.
Zwischen Christentum und Nationalsozialismus gab es keine Gemeinsamkeit. Eine
Ideologie der Unbarmherzigkeit, der Überhöhung der eigenen Rasse und der
Verachtung anderen Menschen gegenüber, besonders den Juden und den slawischen
Völkern, war mit dem christlichen Glauben unvereinbar.
Die rassistische Diskriminierung verschonte aber auch die germanischen
Brudervölker nicht (Holländer, Franzosen, Norweger). Beziehungen zwischen
Deutschen und Kriegsgefangenen aus diesen Ländern waren unerwünscht. Wer sich
87
als Deutsche mit Nichtdeutschen einließ, machte sich verdächtig, zeigte mangelnde
völkische Gesinnung, beging „Rassenschande“. Ein solcher Fall ist uns aus
Impflingen bekannt. Dort flirtete Frau K. D geb. am 17. 4. 1895 in
Oberschlettenbach beim Dreschen mit französischen Kriegsgefangenen. Anwesende
Deutsche, die durch Familienstreitigkeiten mit ihr verfeindet waren, denunzierten
sie. Sie wurde am 11. Oktober 1942 vom Amtsgericht Landau „wegen einer
Übertretung der Verordnung zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes zur
Haftstrafe von sechs Wochen und zu den Kosten verurteilt.“. Schlimmer erging es
dem polnischen Zivilarbeiter Wassyl Pawlyk. Er wurde wegen einer Beziehung, die
eine Frau aus Bundenthal mit ihm eingegangen war, am 31. März 1943 im
Gemeindewald südlich von Bundenthal erhängt. Am 23. April 1942 wurde auf der
Straße Darstein - Vorderweidenthal der „russische Fremdarbeiter“ Michael Gulak
aus der Ukraine festgenommen und an die Gestapo nach Neustadt überstellt. Beim
Verhör gab er an: „Vom Arbeitsamt in Stanislau wurde ich anfangs März zum
Arbeitseinsatz nach Deutschland verpflichtet. Bei meiner Verpflichtung wurde mir
weder ein Arbeitsvertrag noch sonst etwas bekannt gegeben. Ich kam von zu Hause
direkt zu dem Landwirt H E. in Rodalberhof bei Pirmasens als Landhelfer. Als Lohn
habe ich bis heute noch nichts erhalten, nur ein altes Arbeitsgewand. Das Essen war
gut, jedoch die Arbeitszeit zu lange, ich musste aufstehen wenn es noch dunkel war
und kam gegen 21 Uhr zu Bett. Sonntags mußte ich nur das Vieh füttern.“ Er gibt
an, dass er von der Arbeit davongelaufen ist, weil ihm „die Arbeit zu schwer und zu
lang war“. Er wird auf das Schärfste verwarnt und an seine Arbeitsstelle
zurückgebracht. Im deutschen Reich lebten auf dem Höhepunkt des Krieges
siebeneinhalb Millionen „Fremdarbeiter“, die in der Kriegsproduktion oder in der
Landwirtschaft Tätig waren, Die Ukrainer aus der Sowjetunion waren meistens
verschleppt oder unter mehr oder weniger Zwang nach Deutschland gekommen.
Man nannte sie auch „Ostarbeiter“. Das waren billige Arbeitskräfte, die die in den
Krieg eingezogenen Männer ersetzen sollten. Bei geringem oder gar keinem Lohn
waren sie der Willkür ihrer „Herren“ ausgesetzt. Im Sauckel - Erlass (Fritz Sauckel
war der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz) heißt es dazu. „Alle diese
Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, daß sie bei
denkbar sparsamstem Einsatz die größtmögliche Leistung erbringen.“ (Klaus
Wisotzky: Der Ruhrbergbau im Dritten Reich, S. 121)
Wie löchrig die deutsche Luftverteidigung war, beweisen Flugblätter, die von
englischen Flugzeugen in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 1942 am
Lindelbrunn abgeworfen wurden. Wie sehr sich Hitler mit seinem „Blitzkrieg“gegen
Russland geirrt hatte, darauf wurde auf diesen Flugblättern wahrheitsgemäß
hingewiesen. Der Angriff hatte sich im Dezember 1941 vor Moskau festgefahren.
Den Soldaten fehlte die Winterausrüstung. Darüber klärte das Flugblatt die
Bevölkerung auf. Natürlich durfte darüber nicht gesprochen werden.
In der Pfalz prägte sich das Dröhnen der Flugzeuge, die nachts über sie hinweg
zogen, tief in das Gedächtnis der Bevölkerung ein. Am 6. September 1943 stürzte
88
bei Schwanheim ein viermotoriger Short Stirling-Bomber der britischen Air Force
ab. Vier Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben, die anderen wurden
gefangen genommen. Wieder wurden die Kirchenglocken abgehängt, weil man
Bronze für den Krieg brauchte. Die meisten Männer waren als Soldaten eingezogen.
Es gab die unbequeme Verdunkelung, nachts manchmal Fliegeralarm. Der Krieg
dauerte immer länger, die Gefallenenanzeigen in den Zeitungen wurden immer
häufiger, der Krieg kam immer näher. Deswegen sollten die Leute zum Schanzen
gehen. Sie sollten Panzergräben
Amerikanische Luftbildaufnahme Ende 1944
ausheben, um die amerikanischen Panzer aufzuhalten. Anfangs September wurden
Schanzkommandos zusammengestellt. Die Befehlsgewalt lag bei der Partei. Die
Panzergräben waren 5 m breit und 3 m tief auszuheben. Das meiste musste von Hand
erledigt werden. Seit Ende September 1944 kamen auch Frauen zum Einsatz. Ihnen
fiel das sehr schwer, weil sie zu Hause oft ihre Kinder und die Landwirtschaft zu
versorgen hatten, da die Männern im Krieg oder gefallen waren. Ortrud Walter aus
Oberschlettenbach sagte später darüber: „Ich habe mich 3 bis 4 mal bei den
Schanzarbeiten beteiligt. Im Hause hatte ich noch zwei Kinder im Alter von ein und
zweieinhalb Jahren. Mein Ehemann war bei den Soldaten. Es war mir nicht möglich
länger zu schanzen, denn auch die Landwirtschaft war zu versorgen. Zudem waren
in jener Zeit die Tiefflieger stark, davor haben sich selbst die Männer gefürchtet. Mir
wurde wegen meines Fernbleibens von den Schanzarbeiten ein Strafbefehl von 20
89
RM zugestellt. Es war nicht recht, dass man Frauen zu Schanzarbeiten herangezogen
hat. Es war auch nicht nötig gewesen.“ (LA Speyer R 18, Nr. 23675) Am 16.
Dezember 1944 standen die Amerikaner in Weißenburg. Die 45. Infanterie-Division
besetzte Bobenthal, stieß auf Niederschlettenbach und Bundenthal vor. Kurz vor
Weihnachten 1944 trafen ältere Männer aus Darstein beim Christbaumholen am
Kochelstein auf einen amerikanischen Spähtrupp. Am 16. Dezember 1944 begann
die Ardennenoffensive, dadurch kam es an der hiesigen Front zur Ruhe. Das war der
Tag, an dem die Bevölkerung von Vorderweidenthal in den Stollen ging. Die Leute
waren trotz des Beschusses und der baldigen Ankunft der Amerikaner nicht bereit,
ihren Besitz zu verlassen und dem 2. Evakuierungsbefehl Folge zu leisten. Hier
spielten die bei der ersten Evakuierung gemachten Erfahrungen eine Rolle.
Altbürgermeister Schmitt, Forstverwalter Hoffelder, Bürgermeister Berger und
Jakob Puster kamen zu dem Entschluss, die Bevölkerung in dem 1938 bis 1940
gebauten Sanitätsstollen unterzubringen. Ein einzigartiges Dokument, verfasst von
Jakob Puster, gibt uns über die letzten Tage und Wochen des Krieges in
Vorderweidenthal Aufschluss. Er hat es zu seiner Verteidigung vor der von den
Franzosen nach dem Krieg eingerichteten Spruchkammer geschrieben:
„Beilage zum Fragebogen von Jakob Puster
Über meine Tätigkeit als stellvertretender Zellenleiter vom August 44 bis März 45
will ich kurz folgendes vermerken. Zur Übernahme wurde ich einfach bestimmt. Auf
meinen Einspruch ich habe keine Zeit, ich kann es nicht machen bekam ich von
Kreisleiter Ochsner den Bescheid entweder machen oder in kurzer Zeit zur
Wehrmacht. Im Oktober 1944 bekam ich von Altbürgermeister Schmitt und Herrn
Forstverwalter Hoffelder mit denen ich gut Freund war, den Bescheid zu ihnen zu
kommen. (Schmitt wurde 1933 als Bürgermeister von den Nazis abgesetzt.)
Bürgermeister Berger war anwesend. Altbürgermeister Schmitt machte uns seinen
Plan bekannt, (In der Nähe des Dorfes war ein Stollen von 1939 - 40 vom Pi-Stab
erbaut aber der Eingang war vermauert, der Stollen lag im Forstbezirk von Herrn
Hoffelder.) den Stollen zu öffnen, den Feldwebel des Pi-Stabes der die Aufsicht hatte
über die Bauten zu gewinnen damit er die Genehmigung erteilt dazu, was auch
gelang. Dann wollten wir gemeinsam das ganze Dorf den Stollen herrichten. Damit
wir im Falle eines Falles gemeinsam im Stollen Unterkunft finden können. Ich und
Bürgermeister Berger stellten uns sofort zur Verfügung obwohl wir wussten dass der
Räumungsbefehl bereits vorlag, falls der Krieg näher kommen sollte. Das Dorf mit
Leut und Vieh mit Fuhrwerk in 3 Tagen in die Gegend von Speyer dann über den
Rhein. Der Stollen wurde dann geöffnet, hergerichtet und mit Türen versehen.
Liegestätte erstellt. Nahrungsmittel und Brand hineingeschafft, unter Mitwirkung
fast des ganzen Dorfes. Ende November bekam ich dann den Auftrag wieviel
Personen sofort evakuiert werden können nur männliche Personen von 16-60 Jahre
ausgenommen, weibliche von 16-45 ebenfalls. Anfangs Dezember verlangte die
Kreisleitung die Meldung wieviel Pferdefuhrwerke zur Verfügung stehen für Leute
die kein Kuhfuhrwerk haben abzufahren. Und wieviel Kuhgespanne im Dorf sind
90
zum Abtransport falls Auto keine zur Verfügung stehen. Ich zog die Meldung hinaus
bis ich gemahnt wurde war es zu spät, da die Beschießung einsetzte und die ganze
Gemeinde in den Stollen ging. Ein Teil vom Vieh blieb im Dorf unter Obhut von
Bürgermeister Berger und einigen Männern die im Keller blieben. Altbürgermeister
Schmitt, Hoffelder und ich hatten die Aufsicht über etwa 500 Leute im Stollen und
das übrige Vieh, das wir im Wald in der Nähe des Stollens unterbrachten so gut es
ging. Als wir einige Tage im Stollen waren kamen Postomnibusse an den Stollen
gefahren um die Leute wegzufahren. Wir verweigerten die Mitfahrt. Dann sollte das
Vieh abgetrieben werden. Was ebenfalls verweigert wurde. Einige Stück Vieh waren
schon verwundet, teils leicht teils schwer. Ich schlachtete dann sofort eine Kuh als
Fleischbeschauer hatte ich soviel Kenntnisse, nahm die Beschau vor. Das Fleisch
wurde gemeinschaftlich verwendet und die Besitzer von dem Vieh entschädigt. Es
wurde dann auch eine Anzeige gemacht gegen Forstverwalter Hoffelder und mich.
Wir beide sollten Äußerungen gemacht haben, die an Landesverrat grenzen sollten.
Am l. Januar 1945 kam die Gestapo in den Stollen. Wir stellten alles in Abrede. Nach
einigen Tagen kam die Gestapo wieder mit demselben Erfolg. Ende Januar als wir
aus dem Stollen ins Dorf zurückkehrten, hatten wir noch unser Vieh und Fuhrwerk
zur Bewirtschaftung unserer Äcker und Ernährung unseres Dorfes. Was an
beweglichen Sachen im Stollen untergebracht war blieb im Stollen unter Verschluß
zurück. Die Sache ging dann gut bis anfangs März kam ein Schreiben von der
Kreisleitung, daß Zellenleiter die ihre Pflicht nicht erfüllen an einen Ort kommen wo
sie nationalsozialistisch erzogen werden. Am 13. März oder 14. bekam ich vom
Wehrmeldeamt die Aufforderung, den Wehrpaß sofort einzusenden, was am 16.
März geschah. Worüber Einlieferungsschein beiliegt. Am 16. und 17. März mit
Einsetzen des Beschusses ging dann die Gemeinde wieder in den Stollen genau wie
vorher. Am 19. März kam die letzte Post. Bekam ich ein Schreiben mich sofort auf
der Kreisleitung zu melden, was ich jedoch nicht tat. Falls an der Wahrheit meines
Schreibens Zweifel bestehen, bitte ich Herrn Forstverwalter Hoffelder zu
vernehmen. Altbürgermeister Schmitt ist leider in diesem Jahr gestorben. Studienrat
Esselborn als Pfarrer bei uns in dieser Zeit übersande mir ein Gutachten über meine
Tätigkeit.
Für die Richtigkeit des Schreibens
Jakob Puster“
Hinzu kommt, dass auf dem Weg von Vorderweidenthal zum Stollen die 14-jährige
Ema Knorr am 17. Dezember 1944 durch Artilleriebeschuss ihr Leben verlor.
Aufgrund der Ardennenoffensive ließ in unserem Frontabschnitt der Druck nach.
Die Amerikaner zogen Kräfte ab, um der deutschen Offensive in den Ardennen
Einhalt zu bieten. Am 21. Dezember konnte sogar eine Bunkergruppe nördlich
Weißenburg zurückerobert werden. Am 22. Dezember war Niederschlettenbach
91
wieder in deutschem Besitz. Die Front war eingefroren. Bobenthal, Nothweiler und
Schönau blieben amerikanisch besetzt. So feierten die Vorderweidenthaler in
bescheidensten Verhältnissen im Stollen Weihnachten und Silvester. Die
Weihnachts- und Silvestergottesdienste hielt Pfarrer Esselborn am Stollen. Anfang
Januar hatte sich die Lage so weit beruhigt, dass die Leute am 10. Januar 1945 ins
Dorf zurückkehren konnten. Als am 16./17. März der Beschuss des Dorfes einsetzte,
zogen die Leute wieder in den Stollen. In diesen Tagen hatte man einen schwer
verwundeten deutschen Soldaten am Stolleneingang abgelegt, der später dort
verstarb. Er wurde unterhalb des Stollens neben der Straße zum Lindelbrunn von
Pfarrer Esselborn unter Beisein der ganzen Stollengemeinde beerdigt. Die
Amerikaner hatten mit ihrer „Operation Undertone“ begonnen. General Walkers 10.
amerikanische Panzerdivision war über Johanniskreuz durchs Wellbachtal zur B 10
vorgedrungen und hatte sie abgesperrt. Nun war ein Rückzug der Wehrmacht durchs
Queichtal unmöglich geworden. Es blieben nur die engen Talwege durchs Dahner
Tal über Vorderweidenthal Richtung Klingbachtal und in Richtung Bergzabern. „So
füllten sich nun auch die engen Talstraßen der Südpfalz mit Wracks und Leichen.
Unbeschreibliche Zustände herrschten insbesondere an der Kreuzung
Vorderweidenthal - Erlenbach...“(Nosbüsch Johannes: Damit es nicht vergessen
wird..., 8. Auflage, Landau 1993, S.319) Klaus Backes gibt im Heimat - Jahrbuch
2006, hg. vom Landkreis Südliche Weinstraße, ein
Auswertung einer
Luftaufnahme des
Bombenangriffes der 9.
USAAF auf Erlenbach
vom 19. März 1945. Elf
Erlenbacher fanden
dabei den Tod und in
Vorderweidenthal
wurden Häuserzerstört
92
Gespräch mit Agnes Fröhlich und Karl Hoffelder wieder, die den chaotischen
Rückzug der Wehrmacht auf dem Lindelbrunn erlebten. Agnes Fröhlich: „Wenn es
Nacht wurde, hat man nichts gesehen als Himmel und Soldaten. Die haben ihre
Waffen abgelegt und wollten in Gefangenschaft.“ Ihr Bruder fährt fort: „Das heutige
Restaurant lag voll mit Verwundeten, in Reih und Glied auf dem Boden. Auch alle
Flure lagen voll und im Obergeschoss die Betten. Es waren mindestens 30.“ Agnes
Fröhlich: „Die Sanitäter waren fort. alles, was noch hat laufen können, ebenfalls.
Wir haben den Verwundeten Suppe gekocht, Milch und Kaffee gebracht. Ein
Sanitäts- LKW, der in der Nähe stand, war voll mit Medikamenten. Wir haben
daraus Schmerztabletten geholt und den Soldaten gegeben. Die Verbände waren
vereitert, die Maden krabbelten heraus. Die Toten haben wir ins Freie gelegt.“ Das
Gelände um das Forsthaus wurde zum Fahrzeug-Abstellplatz einer geschlagenen
Armee. Agnes Fröhlich: „Die Waldwege waren verstopft mit Fuhrwerken,
Feldküchen und Geschützen.“ Ihr Bruder fügt hinzu: „Gegenüber dem Forsthaus
standen sechs Halbkettenfahrzeuge mit angehängten 15-Zentimeter-Geschützen.
Die Besatzungen haben sie abgestellt und sind geflüchtet. Auf den Feldern verstreut
lagen die Briefe eines Postwagens. Und überall Leichen. Du hast dich nicht
erschrocken. Die hast du ohne Zögern umgedreht.“ Schließlich besetzte ein etwa 200
Mann starker Trupp Amerikaner Lindelbrunn. Wie werden Jugendliche mit solch
traumatischen Erlebnissen fertigt? Agnes Fröhlich überlegt, dann sagt sie: „Ich habe
einfach geholfen, der Schock kam danach.“ Am 23. März 1945 zogen die
Amerikaner in Vorderweidenthal und Oberschlettenbach ein. Damit war der Zweite
Weltkrieg für unsere Dörfer vorüber. Die Bewohner von Vorderweidenthal durften
am 26. März in ihr Dorf zurückkehren. Am schlimmsten von den beiden Dörfern
hatten die Zerstörungen Vorderweidenthal getroffen, wo fast 70% der Gebäude
zerstört oder beschädigt waren. In Oberschlettenbach waren nur wenige Gebäude
beschädigt, die meisten Geschosse gingen über das Dorf hinweg in den Heßler-Berg,
der an verschiedenen Stellen brannte. Die Menschen hatten in den Kellern der
Häuser Schutz gesucht. Fünf tote Soldaten hat man am Ende des Krieges in und um
Oberschlettenbach gefunden, sie wurden zunächst in einem Granatloch beerdigt,
später dann auf den Friedhof umgebettet. An den Straßen und Wegen, in den
Wäldern und Wiesen lagen zerstörte Wagen und Geschütze, ausgebrannte Panzer,
Kadaver von Pferden und Rindern, zerstörtes Kriegsgerät aller Art. Noch nach
Wochen wurden im Wald an der Straße nach Silz hinter dem Sportplatz zwei tote
Soldaten gefunden.
Mit dem Ende der Kampfhandlungen begann die Besatzungszeit. Die Amerikaner
blieben nur kurze Zeit in der Pfalz, schon im April überließen sie den Landkreis
Bergzabern den Franzosen. Die ganze Pfalz übernahmen diese am 10. Juli 1945. Viel
schwerer als die materielle Not wog der Verlust der Angehörigen. Der Mann, der
Vater, der Bruder kam nicht mehr zurück, war gefallen oder vermisst. An dieser
Stelle seien die Gefallenen und Vermissten unserer beiden Gemeinden besonders
erwähnt. Aus Vorderweidenthal kamen ums Leben: Heinrich Becker, Adolf Berger,
93
Max Hoff, Waldemar Hoffmann, Adam Eickert, Gustav Burghard, Oskar
Hornberger, Ludwig Kost, Edwin Stoffel, Edmund Berger, Viktor Klose. Karl Hoff,
Melitta Herder, Willi Stöbener, Helmut Schuhmacher, Christian Kolb, Hermann
Kolb, Heinrich Fitting, Erna Knorr, Hermann Wagner, Otto Berger, Robert Zeller,
Herbert Stöbener, Herrmann Feldner, Jakob Feldner, Konrad Feldner, Heinrich
Hoff, August Feldner, Hubertus Hoffelder, Walter Hoffelder, Erich Siegel, Heinrich
Jung, Rudolf Funk, Edmund Hoff, Roman Buchner, Karl Berger, Heinrich Berger,
Willi Schuhmacher, Willi Hoff, Edwin Hoff, Konrad Bernhardy, Karl Bernhardy,
Adolf Funk, Willi Hertle, Robert Bischoff, Rudolf Hoff, Gustav Schwarz, Karl Funk.
Aus Oberschlettenbach kamen ums Leben: Edmund Gerhardstein, Otto
Gerhardstein, Alfred Christmann, Robert Berger, Josef Bosch, Julius Bredefeld,
Heinz Funk, Heinrich Höchst, Ernst Jung, Karl Jung, Arthur Kurkewitz, Karl Heft,
Albert Stoffel, Helmut Stoffel, Irene Stoffel, Oskar Veiock, Edwin Wagner, Karl
Weber, Eugen Weber, Hermann Weber.
Am 10. Juni 1945 wurde in Vorderweidenthal noch einmal Jakob Schmitt zum
Bürgermeister eingesetzt. Erster Beigeordneter wurde Jakob Helfer, zweiter
Beigeordneter Adam Becker. Die Bildung von Gemeinderäten war verboten. Am 10.
Dezember 1945 bestellte der Bürgermeister zusammen mit den beiden
Beigeordneten Karl Silbernagel, Jakob Hornberger, Christian Metz und Adam
Wagner zu Mitgliedern eines Bürgerkomitees. Das Bürgerkomitee war dem
Bürgermeister zugeordnet. Es hatte die gemeindlichen Belange wahren zu helfen
und auftretende Fragen (Wohnungsfragen, Beschäftigungs- und Ernährungsfragen,
Winterbrand) einer Lösung zuzuführen. Es konnte den Mitgliedern des
Bürgerkomitees gewisse Aufgaben der Öffentlichen Verwaltung übertragen werden.
Vor allem ging es um den Wiederaufbau der zerstörten Häuser, Ställe und Schuppen.
Am 28. März 1946 schreibt der „Commissaire de la Sûrete“ (Sicherheitspolizei):
„Vous êtes autorisé de tenir une reunion du SPD, le 31. Mars 1946 à 13h30, dans
votre commune.“ Es wird erlaubt, am 31. März 1946 eine Versammlung der SPD in
der Gemeinde abzuhalten. Es kommt zur Wiedergründung der im Nazireich
verbotenen SPD in Vorderweidenthal. 26 Mitglieder finden sich in der SPD
zusammen. Als Ausschussmitglieder werden gewählt: Heinrich Becker (Vorstand).
Adam Stöbener (Schriftführer), Wilhelm Schuhmacher (Ausschussmitglied), Georg
Rihm (Ausschussmitglied) und Karl Burkhard (Kassenführer).
Bei der Gemeinderatswahl am 15. September 1946 kandidieren eine Liste
unabhängiger Bewerber und die SPD. Die Unabhängigen bekommen 171 Stimmen
und die SPD 106 Stimmen. Gewählt sind für die Liste der unabhängigen Bewerber
Adam Wagner, Adam Becker, Karl Silbernagel, Karl Christmann, Jakob
Hornberger, Oskar Funck, Siegfried Scherer und Jakob Hoff. Die SPD zieht mit
Adam Hertle, Karl Müller, Adam Stöbener und Karl Burkhard in den Rat ein.
Bürgermeister wird Adam Wagner, Beigeordneter Jakob Hornberger. Am 14.
Februar 1947 findet sich ein Wiederaufbaurat zusammen, um den Wiederaufbau des
zu 70% zerstörten Dorfes in die Wege zu leiten. Ihm gehören an Adam Wagner
94
(Bürgermeister), Ernst Hoffund Jakob Helfer (Vertreter der baulich
Schwergeschädigten), Adolf Becker (Bauunternehmer) und Valentin Schuster
(Vertreter der Bauarbeiter). Und am 15. Mai 1947 lädt die SPD Vorderweidenthal
zu einer Öffentlichen politischen Versammlung mit Willibald Gänger aus
Bergzabern ein. Thema: „Warum kämpfen wir für den Aufbau?“
Wie können wir die Frage heute beantworten?
Vorderweidenthal 1945/46. Die Trümmer werden beiseite geräumt, langsam
beginnt der Wiederaufbau.
95
Geschichte der Protestantischen Kirchengemeinde Vorderweidenthal
Friedhelm Hans
„Vorderweidenthal vertritt heute noch die Gemeinschaft der vier
Lindelbrunndörfer.“ 1 Burg Lindelbrunn gab der über Jahrhunderte unter den
Leininger Grafen stehenden Herrschaft ihren Namen. Die Ortschaft unterhalb der
Burg war und ist der kirchliche Verwaltungssitz, heute das Protestantische Pfarramt
Vorderweidenthal. Pfarrer Karl Jockers erinnert in seiner eingangs zitierten
Jubiläumsschrift daran, dass noch Bärenbrunn, der heutige Bärenbrunnerhof, samt
sieben Höfen als fünftes Dorf neben Darstein, Dimbach und Oberschlettenbach zur
Herrschaft Lindelbrunn gehört hat. Im Dreißigjährigen Krieg ging dieser Ort samt
einer mittelalterlichen Kapelle unter. Erst seit 1957 gehören die Protestanten vom
Bärenbrunnerhof samt Schindhard und Busenberg zur protestantischen
Kirchengemeinde Dann.2
a. Nachrichten zur Kirche und Nikolauskapelle der Burg Lindelbrunn
aus dem Mittelalter
Die Kirche: Wenn auch die Zahl der überkommenen Zeugnisse gering ist und sich
die alte Bausubstanz auf Teile des Kirchtunns beschränkt, lässt sich für das
ausgehende Mittelalter dennoch ein übersichtliches Bild vom Kirchenwesen des
Ortes entwerfen. Nach der kirchlichen Einteilung gehörte die Herrschaft
Lindelbrunn innerhalb des Bistums Speyer zum Landdekanat Herxheim. Das Gebiet
war zuerst ein Teil der Pfarrei Gossersweiler. In Vorderweidenthal stand jedoch eine
Kapelle, also ein Gotteshaus, das dem auswärtigen Pfarrer unterstellt war. Schon vor
1454 erhielt Vorderweidenthal aber einen eigenen Pfarrer. Die bisherige Kapelle
wurde zur eigenen Pfarrkirche erhoben, zuständig für Vorderweidenthal, Darstein,
Oberschlettenbach und Lindelbrunn. Das „kirspel“ (Kirchspiel) zu
Vorderweidenthal hatte sich demnach zwischen den Jahren 1346 und 1454
herausgebildet. In Vorderweidenthal wohnte nunmehr ein Pleban, wie der
Gemeindepfarrer oder Weltpriester im Unterschied zum Klostergeistlichen hieß.3
Der mittelalterliche Kirchenpatron (Heilige), dem die Kirche geweiht und nach ihm
benannt war, ist nicht überliefert. Aus dem Mittelalter ist von der Kirche ein
gotischer Chor im Untergeschoß des Turmes erhalten, der 1489 eine Änderung
erfahren hat. An der Nordseite des Chors befindet sich eine mit einem
schmiedeeisernen Gitter verschließbare Nische. Hier, an der Evangelienseite des
Altars, wurde nach mittelalterlichem Gebrauch das Altarsakrament aufbewahrt. Im
Unterschied zu den freistehenden Sakramentshäuschen der Gotik (Bad Doberan,
Ulm, Lübeck) sollten wir zutreffender von einer Sakramentsnische sprechen. Sie
stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.4
96
Sakramentsnische
Die Geschichte der kirchlichen Rechte (Güterverwaltung, Besetzungsrecht) verweist
über Gossersweiler weiter zurück auf das Kloster Klingenmünster. Etwa 1485
gelangten sie mit anderen Gefällen und Rechten in Vorderweidenthal,
Oberschlettenbach, Darstein und Bärenbronn an den bekannten Ritter Hans von
Dratt5 und nach dem Tode seines Sohnes Christoph in den Jahren 1554 und 1569 an
dessen Erben, die Herren von Fleckenstein. Als Lehen und sind jedenfalls 1613 im
Besitz des Wolf Philipp von Fleckenstein.6 1613 ist der gesamte Zehnt in
Vorderweidenthal, (Ober-) Schlettenbach, Darstein und Lindelbronn, der
ursprünglich mit Klingenmünster und zeitweilig mit Gossersweiler verbunden war,
im Besitz des Wolf Philipp von Flekkenstein.7
Kapelle Lindelbrunn: Eine „capellen uf der burge zu Lindelbollen“ist für das Jahr
1402 bezeugt.8 Die bereits 1737 als gänzlich verfallen9 überlieferte Kaplanei war
ursprünglich von den Gemeinsherren der Burg, dem Grafen Emich I. von Leiningen
und den Grafen Friedrich u. Hamann von Zweibrücken-Bitsch gestiftet worden. Eine
ewige Messe und eine Priesterpfründe (Einkommen des Priesters) sollten „zu ihres
und ihrer Voreltern Seelenheil“dienen. Dompropst Gerhard von Katzenelnbogen10
hatte die Kapelle am 3. November 1402 kanonisch bestätigt. Der Inhaber der
Kaplanei hatte vier Wochenmessen zu lesen, sollte Residenz halten und keine
weitere Pfründe annehmen. Ein Kaplaneihaus war zumindest geplant. August
Brauner lokalisierte die Kapelle auf dem Lindelbrunn, wofür die Formulierung
„capellen uf der Burge“spricht. Die Erwähnung eines zugehörigen Weinbergs
verstärkte Karl Jockers in der Ansicht, die Kapelle sei am Nordhang gelegen
gewesen und mit der Darsteiner Kapelle gleichzusetzen. Für seine Annahme sprach,
dass Nikolauskapelle bei Burg Landeck auch unterhalb der Burg liegt.
97
Ausgrabungen von 1979/81 wiesen der Kapelle wieder einen Platz auf der Burg zu.
Ihr wird als Besonderheit zugeschrieben, dass sie ein freistehendes Gebäude auf der
Burg gebildet hat.11
Das Verleihungsrecht zur Besetzung der Kaplanei sollte zwischen den beiden
gräflichen Familien wechseln. Als es darüber zwischen Graf Emich VIII. von
Leiningen und seinen Brüdern Friedrich, Siegebot und Hesse einerseits und ihren
Vettern, den Brüdern Simon Wecker und Friedrich von Zweibrücken-Bitsch, zum
Streit kam, wurde dieser von Bischof Ludwig von Helmstadt am 11. Juli 1498 dahin
beigelegt, „daß nach zweimaliger Vergabe durch die Grafen von Zweibrücken das
Präsentationsrecht gemäß Konfirmationsbrief zwischen beiden Streitteilen u. ihren
Erben weiterhin wechseln solle.12
Zum Stiftungsgut der Kapelle gehörte eine Hofstatt zu Lindelbol zwischen dem
Turm und Graf Emichs Stall (daz man der ewigen messen ein priesterlichen seß und
ein huß daruf sol machen), zwei Gärten inwendig der Burg, zwei Mühlen zu
Weidenthal und Lug sowie Gülten zu Waldhambach, Oberschlettenbach,
Völkersweiler u. Gossersweiler.3 Die Zehntverhältnisse waren dieselben wie in
Vorderweidenthal2. Als Kapläne wirkten hier bis 1432 Johann Phuseback,13 1432
Konrad Gengisen, 1498 Caspars Sohn.
b. Reformation
Mit der Kirche in Vorderweidenthal als Pfarrkirche waren alle geistlichen Rechte
und Verpflichtungen für die gesamte Herrschaft Lindelbrunn verbunden. Erst 1767
richtete man im Obergeschoß des Dimbacher Schulhauses einen Betsaal und damit
eine Kirche ein, bis das Schulhaus dort 1904 abgerissen und an gleicher Stelle die
bestehende Kirche gebaut wurde.141346 hatten die Leininger Grafen mit dem Erwerb
der Herrschaft Lindelbrunn die aus dem Kloster Blidenfeld15 hervorgegangene
Kirche samt Friedhof in Vorderweidenthal übernommen.16 Rund 450 Jahre lang
teilte die Kirche der Lindelbrunndörfer mit ihren Bewohnern die Geschichte der
Grafen von Leiningen (-Hardenburg). Die reformatorische Durchdringung der
Gemeinden hat Theodor Kaul bezüglich Leiningen-Hardenburg untersucht. Über
alle Teilungen der gräflichen Linien17 hinweg blieb das evangelisch-lutherische
Bekenntnis das vorherrschende, sowohl in der Einführungsphase der Reformation
und am Ende der Feudalherrschaft bis zum Vordringen der Französischen
Revolution; die Proklamation der Toleranz im 18. Jahrhundert gewährte den
evangelisch-reformierten in den Leininger Gebieten ebenfalls die freie
Religionsausübung.
Graf Emich IX. von Leiningen-Dagsburg starb 1541 als Katholik. Bis 1560 standen
seine unmündigen Söhne Johann Philipp (1538-1562) und Emich X. (1540-1593)
unter Vormundschaft. Nachweislich finden sich schon vor dem offiziellen Übergang
98
der Leininger zur Reformation im Jahre 1560 Anhänger der Reformation in den
Ortschaften des zersplitterten Territoriums. Die Einflüsse der größeren Städte und
benachbarten Territorien, für Vorderweidenthal insbesondere Landau und das damit
verbündete Straßburg, sind nicht zu übersehen. Im Leiningischen Kerngebiet der
Mittel- und Unterhaardt ist der Einfluss des Wormser Predigers Jakob Kautz
anzuführen. Kautz predigte 1524 in Worms evangelisch und besaß in seinem
leiningischen Heimatort Großbockenheim viele Anhänger. Als sich Kautz den
Wiedertäufern näherte, musste er mit seiner Familie Worms verlassen und „ins
Elend“gehen. Die Täufer verfügten im Anschluss an die der reformatorische
Bewegung am Oberrhein anfangs über einen beachtlichen Zulauf, der dann
abgenommen und erst wieder nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die Ansiedlung
aus der Schweiz (Mennoniten) Verstärkung erhalten hat. Die meisten Mennoniten
wanderten im 18. und 19. Jahrhundert wieder aus oder sind im 19. Jahrhundert in
der protestantischen Kirche aufgegangen.18
Aus einzelnen Ortschaften der Leininger Grafschaften besitzen wir Nachrichten von
Anhängern der Reformation Martin Luthers. Zwar wurden in der Grafschaft nach
1550 formell noch katholische Pfarrer angestellt, die aber nach 1560 zum Luthertum
übergetreten sind.19 Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 brachte endgültig
die Wende. Die gräfliche Regierung beförderte fortan nur noch lutherische Pfarrer
ins Amt. 1570 ging die Herrschaft aus dem Mitbesitz des Grafen Jakob von
Zweibrücken-Bitsch in den Alleinbesitz der Leininger über.20
Die in den leiningischen Territorien gültige Kirchenordnung schloss sich an die
kurpfälzische von Kurfürst Ottheinrich bzw. der zweibrückischen von Herzog
Wolfgang aus dem Jahre 1557 an. Sie wurde unter Emich XI. dem Jüngeren 1584
erlassen. Auf die Pflicht zum Gottesdienstbesuch wies ferner 1587 ein eigenes
Mandat hin. In Leiningen-Hardenburg 1593 erschien eine eigene Kirchenordnung -
wir dürfen sie als Grundlage für die anderen leiningischen Teilterritorien und damit
auch die Herrschaft Lindelbrunn voraussetzen. 1597 und 1609 wurden auf dieser
Grundlage zwei Visitationsordnungen erarbeitet, deren Protokolle für Leiningen-
Hardenburg erhalten sind. Sie enthalten einen Fragenkatalog nach dem Dienst des
Pfarrers, des Lehrers und der weiteren Amtsträger bis zum Glöckner, berühren den
sittlichen Wandel und den (Schul-) Unterricht, orientieren sich an den Zehn Geboten,
berühren die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kirche und nicht zuletzt das
Glaubenswissen der Gemeindeglieder anhand des Katechismus.21 Durch
Gottesdienst und Unterricht und nicht zuletzt das Visitationswesen ist das
reformatorische Anliegen tief in die Gemeinden eingedrungen.
Johann Philipps Witwe Anna von Mansfeld war eine Anhängerin der Reformation.
Ihr Schwager Emich X. als Vormund für seinen Neffen Emich XI. begann sogleich
1560 mit der Einführung der Reformation und unterzeichnete 1580 die lutherische
99
Konkordienformel.22 Bis zur Vereinigung der Lutheraner und Reformierten in der
Pfalz im Jahre 1818 (Pfälzische Kirchenunion) galt in der Herrschaft das lutherische
Bekenntnis, wiewohl das Leininger Grafenhaus im Jahre 1717 die Religionsfreiheit
für alle reichsrechtlich anerkannten Konfessionen ausgerufen hatte. So konnten sich
im Leininger Gebiet Reformierte bleiben oder niederlassen und die zugewanderten
Katholiken nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg und den Reunionen Ludwigs XIV.
bleiben. Die Toleranz war der Nähe der in den Reichsfürstenstand erhobenen
Leininger zur Residenz der kurpfälzischen Wittelsbacher in Mannheim geschuldet,
gewiss nicht nur der erst im Entstehen begriffenen Aufklärung. Die in der Herrschaft
Lindelbrunn ansässigen Reformierten - 1802 hatte Vorderweidenthal 612
Einwohner, davon waren 378 lutherisch und 134 reformiert (4 katholisch und 91
Juden) - waren
Karte der Leininger Gebiete von 1789 aus dem Pfalzatlas Nr. 68.
100
den reformierten Pfarreien der Nachbarschaft zugewiesen, d. h. den zweibrückischen
reformierten Kirchen in Annweiler oder Bergzabern oder im kurpfälzischen
Klingenmünster. Faktisch versorgten aber die lutherischen Pfarrer die in der
Grafschaft verstreut lebenden Reformierten bei Amtshandlungen wie Beerdigungen
und dies auf ausdrückliche Veranlassung der leiningischen Beamten, so sehr die
beiden reformatorischen Konfessionen sich voneinander auch abgegrenzt haben.23
Gottesdienst, Unterricht und überhaupt das gesamter Kirchenwesen gründeten sich
in der Leininger Grafschaft auf die Bibel, die in der Übersetzung Martin Luthers im
Gebrauch war. Es galten nach der Konkordienformel die altkirchlichen Bekenntnisse
wie das Apostolikum oder das Nikäno-Konstantinopolitanum sowie das lutherische
Augsburger Bekenntnis von 1530 aus der Feder Philipp Melanchthons. In den
Kirchen genügte der aus dem Mittelalter überkommene Hauptaltar, die Nebenaltäre
verschwanden mit der Zeit bis Spätestens 1609. Die Gesangbücher kamen aus
Württemberg oder im 18. Jahrhundert aus Marburg.24 Die Feiertage wurden auf die
Christus- und wenige Kirchenfeste reduziert.
In den Wirren der Französischen Revolution, als der Ortpfarrer geflohen war und
auf der rechten Rheinseite Schutz gesucht hatte, kamen die Pfarrer von Annweiler
zu den Amtshandlungen nach Vorderweidenthal.25
Die Gottesdienststätten
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand die Pfarrkirche in Vorderweidenthal als
ausschließliches Eigentum der Protestanten von Vorderweidenthal,
Oberschlettenbach und Darstein.26 Nach Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg
kam es 1695 zum Wiederaufbau. Bald nach 1830 wurde ein Neubau erwogen. Ein
erstes Kollektengesuch des Pfarrverwesers Scholler vom 18.3.1834 wurde beim
Konsistorium in Speyer nur zögerlich aufgenommen.27 Zu diesem Zeitpunkt war die
Nikolauskapelle auf Burg Lindelbrunn längst verschwunden.
Die Kapelle in Bärenbrunn, der Maria geweiht, stand im 18. Jahrhundert offenbar
zerfallen und wurde protestantischerseits nicht mehr benötigt. Doch wird 1745 noch
von Schwanheim aus die Existenz von zwei Nebenaltären berichtet.28 Im Zuge der
Gegenreformation könnte eine Wiederaufnahme der Marienwallfahrt
möglicherweise erwogen worden sein.
Der im Jahre 1767 eingerichtete Betsaal in der Schule zu Dimbach wurde in den
Jahren 1904/05 durch den Bau einer Kirche von Distriktbaumeister Johann
Kullmann aus Annweiler ersetzt. Die Kirche wird als „neoromanische
Rechteckanlage mit Dachreiter“beschrieben.29
Für Darstein wird 1599 eine als verfallen beschriebene Kapelle genannt. Die
Forschung nimmt an, dass sie mit der Nikolauskapelle von Lindelbrunn identisch
ist.30 In Oberschlettenbach stand mitten im Ort eine mittelalterliche Kapelle, die der
101
Maria geweiht war. In der Reformationszeit wurde sie lutherisch, zerfiel aber nach
den Dreißigjährigen Krieg. Sie wurde zunächst wieder instandgesetzt und noch 1747
als ehemalige muttergottes capell erwähnt, um dann endgültig zu zerfallen und
schließlich abgerissen zu werden.31
Im Jahre 1898 umfasste die Pfarrei außerdem die Orte Busenberg, Erlenbach,
Lauterschwan und Silz, 32 in denen bis heute keine eigenen protestantischen
Gottesdienststätten bestehen.
d. Nachrichten von Pfarrern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
Im Bereich der Pfarrei Vorderweidenthal sind für das ausgehende Mittelalter nur die
bereits genannten Geistlichen der Kapelle von Lindelbrunn bekannt. Die Namen der
ersten reformatorischen Prediger sind nicht bekannt. Möglicherweise versahen
lutherische Pfarrer aus Annweiler, Gossersweiler und anderen Orten die Pfarrdienste
in der Herrschaft Lindelbrunn. Erst die Hinwendung der pfalz-zweibrückischen und
kurpfälzischen Pfarreien zur reformierten Konfession im letzten Drittel des 16.
Jahrhunderts erforderte eine ständige Besetzung mit eigenen lutherischen Pfarrern,
wie dies etwa bis zur Rekatholisierung 1603 in Dahn oder Birkenhördt der Fall war.
Die Liste der Pfarrer von Vorderweidenthal ist für das 16. und 17. Jahrhundert
lückenhaft. Sie beginnt auch nicht mit dem ersten lutherischen Pfarrer; die Literatur
nennt zunächst einen weiter nicht bekannten Philippus Würgel, der hier 1583
Pfarrer gewesen sein soll, nach ihm als unsicher notiert ein Christopherus Motz
und Jacob Resch, Roesch oder Rosch.33
Der bisher älteste bezeugte lutherische Pfarrer im Ort ist Johannes Heinsinus.34
Dieser stammte aus Württemberg und war im Jahre 1598 bereits eineinhalb Jahre
lang lutherischer Pfarrer in Vorderweidenthal. Wir kennen ihn aus einer
vergeblichen Bewerbung um St. Johann bei Albersweiler.
Mag. Georg Pflüger stammte aus der Gegend von Ulm. Nach Studium in Straßburg,
und ab dem 20.6.1575 in Tübingen mit Magisterabschluss 1585, kam
möglicherweise nach Vorderweidenthal. Er ist nachgewiesen bis 1603 in Lembach
(Elsaß) und 1603/11 in Dörrenbach († 17.12.161l).35 Ein Hermann Rump ist ein
möglicher Nachfolger.
Ägidius Krafft36 wirkte bis 1601 (1603?) als lutherischer Pfarrer in
Vorderweidenthal und von 1603 bis 1622 Pfarrer in Lembach (Elsaß). Er ist dort im
November 1622 gestorben.
102
Johann Konrad Merkius (Merck, Merkheimer)37 war 1580/82 lutherischer
Schulmeister in Wörth (Elsaß ), 1582 bis 1601 Pfarrer in Morsbronn (Elsaß ), 1601
bis 1605 in Vorderweidenthal und von 1605 bis zu seinem Tode am 3.1.1619 in
Thaleischweiler. Ein möglicher Nachfolger war Johannes Lupulus oder
Wölfelin.38
Christoph Ziegler39 stammte aus Heidenheim (Markgrafschaft Ansbach, Bayern).
Er war vom 21.1.1592 bis 1599 lutherischer Kaplan in Hechlingen. Ziegler gab sein
Amt am 22.2.1599 auf, um nach Straßburg zu ziehen. Die damals in Straßburg
herrschende lutherische Orthodoxie, vertreten durch den Theologieprofessor D.
Johannes Pappus (1549-1610), hatte für Lutheraner eine große Attraktivität; das galt
auch für unseren Raum mit der lutherisch geprägten Stadt Landau und den
angrenzenden lutherischen Kleinterritorien. 1614 wurde Ziegler lutherischer Pfarrer
in Vorderweidenthal. Er starb am 18.12.1618 als Pfarrer in St. Johann bei
Albersweiler. Dort war er der Nachfolger eines ebenfalls orthodoxen lutherischen
Pfarrers geworden, der Landauer Matthäus Bader, der den Professor Pappus um die
Vornahme seiner Ordination gebeten hatte.40 Weitere bekannte Namen der
lutherischen Orthodoxie sind Johann Gottfried Dannhauser (1603-1666), der großen
Wert auf die Seelsorge und Pädagogik gelegt hatte, und sein Schüler Philipp Jakob
Spener (1635-1705), der 1675 mit seinem Hauptwerk Pia Desideria eine Grundlage
für die neue geistliche Richtung des Pietismus geschaffen hat. Wir dürfen davon
ausgehen, dass die Straßburger Theologie bis ins 18. Jahrhundert hinein die in
Vorderweidenthal wirkenden Pfarrer beeinflusst hat.
Nachfolger war ein Schlemp41 mit unbekanntem Vornamen, zuvor Pfarrer in
Schweigen (?), um 1611/1621 als lutherischer Pfarrer in Birkenhördt und
Vorderweidenthal Tätig.42
Ulrich Koch43, fungierte bis 1633 als lutherischer Pfarrer in Vorderweidenthal. Von
hier aus wechselte er bis 1638 nach Biedesheim und war in den Jahren ab 1638
Pfarrer Colgenstein, das wie Vorderweidenthal den Grafen von Leinigen-
Heidesheim gehört hat.
Ein Sohn des genannten Pfarrers Schemp, Mag. Georg Schlemp jun., wurde in
Schweigen geboren. Am 12.4.1631 schrieb er sich zum Studium an der Universität
Straßburg ein. 1634 meldete er sich erfolglos nach Kandel und wurde stattdessen
von 1634/37 luth. Pfarrer im Amt Lindelbrunn (Vorderweidenthal). 1637/40
begegnet er als Pfarrer in Haßenhausen bei Marburg und 1640/47 Beuern bei Gießen.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges floh Schlemp nach Landau und wurde
schließlich doch noch von 1647 bis 1675 (†) lutherischer Pfarrer in Kandel.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg war hier 1657 möglicherweise ein Philipp Jacob
Vogler hier Pfarrer (Sitz Birkenhördt?). 44 Die kurpfälzischen Orte Birkenhördt und
dessen Nachbarorte sind in den Reunionen Ludwigs XIV. rekatholisiert worden.45
103
Joachim Georg Gerhard(t),46 geboren in Göttingen am 31.3.1636, besuchte ab
Oktober 1656 die Universität Gießen, an der damals (bis 1688) wie in Straßburg die
lutherische Orthodoxie vorherrschend war.47. Wie nicht wenige seiner Vorgänger
studierte er anschließend in Straßburg. In den Jahren 1657/59 begegnet er als Vikar
des Hofpredigers Philipp Böhm48 († 1563) zu Hanau. Seine erste Pfarrstelle fand
Gerhard(t) von 1569 bis 1664 in Vorderweidenthal. Danach war er bis 1670 Pfarrer
in Langensulzbach (Elsaß ), war 1670/71 ohne Amt und schließlich bis zu seinem
Tode jeweils einige Jahre Pfarrer in den Ortschaften der Grafschaft Hanau-
Lichtenberg Sand (Baden), Hangenbieten (Elsaß ) und Gundershofen (Elsaß ). Dort
wurde er am 21.9.1685 begraben. Erstmals finden wir Nachrichten über seine
Ehefrau. In der Zeit in Vorderweidenthal heiratete Gerhard(t) am 4.6.1661 in
Annweiler die Müllerstochter Johannetta Mühlmichel (* Annweiler 13.2.1642),
nach deren Tode in Hangenbieten am 30.11.1683 in zweiter Ehe Catharina Stahl.
Eine Tochter Anna Dorothea (* 1663, begraben Gundershofen 27.2.1727), heiratete
in Gundershofen am 5.2.1686 Wigand Stumpf, Amtsnachfolger ihres Vaters in
Gundershofen.
Der erste Pfarrer des 18. Jahrhunderts hieß Christian Moritz Pörner.49 Der im
elsässischen Roppenheim am 6.10.1673 geborene Pörner war ein Sohn des Pfarrers
Christian P. u. der Jakobea Ulrici. Wiederum war der Studienort dieses Pfarrers
Straßburg (ab 1.5.1694). Vorderweidenthal war von 1699 bis 1702 seine erste
Pfarrstelle, 1703 ging er als Diakon nach Bischweiler. Von 1714 bis 1716 war er
Pfarrer in Dürstel im Krummen Elsaß und wirkte bis zu seinem Lebensende am
8.12.1748 als Hauslehrer in Straßburg. Er war seit 4.11.1699 verheiratet mit Anna
Francisca Matthiot, deren Vater Schulmeister in Mömpelgard (1670-1750). Die
Namen der in Vorderweidenthal geborenen ersten Kinder sind bekannt: Christian
Joachim * 17. l. 1701 und Catharina Dorothea * 26.4.1702. - Zu seinem
akademischen Lehrer D. Johannes Joachim Zentgraf 50 hatte Pörner ein enges
Vertrauensverhältnis.
Ihm folgte Johann Nikolaus Müntz aus Butzbach (Grafschaft Hessen-Darm-
stadt).51 Der Sohn eines Kantors schrieb sich am 17.5.1696 als Student an der
(reformierten) Hohen Schule zu Herborn ein, wechselte aber 1698 nach Gießen, der
damaligen hessen-darmstädtischen Landesuniversität, an der auf Speners
Empfehlung Johann Heinrich May 1688 den Pietismus als beherrschende
theologische Richtung durchgesetzt hatte.52 Nach einigen Jahren in Höchst am Main
wurde Müntz 1703/04 lutherischer Provisor an der Lateinschule in Speyer, kam von
da aus 1704 nach Vorderweidenthal und verblieb hier bis zu seinem Tode 1718. In
der Weißenburger Stadtkirche St. Johann heiratete er am 26.2.1704 Christina
Rosina, Tochter des Johann Jacob Scherer, Ratsmitglied zu Weißenburg. Beiden
wurden fünf Kinder geboren. 1709 wird als Pate „Herr Johann Michael Henrich
Müntz, Musicant in Bergzabern“genannt (möglicherweise ein Neffe).
104
Johann Balthasar Lauckhard 53, im hessischen Echzell am 18.6.1676 geboren -
Vater und Großvater waren die Gerichtsschreiber Johann Philipp Lauckhard. Die
Mutter Anna Felicitas war Tochter des Hofschreiners und Bildschnitzers Andreas
Schaurer. Lauckhard wandte sich nach Studium ab 1698 in Marburg und ab 1700 in
Gießen (er nennt u. a. einen seinen akademischen Lehrer Bartholomäus Rüdiger) ab
1710 als Konrektor nach Kin, eine Entlastung für die verwitwete Mutter, deren vier
Söhne gleichzeitig studiert haben. Lauckhard wanderte als Schulmeister und Diakon
über Monsheim nach Neustadt an der Haardt54 und Colgenstein mit Mühlheim an
der Eis. Dort wurde er zum Pfarrer ernannt und von der Gräfin Johanna Magdalena
zu Leinigen-Heidesheim gefördert. Graf Emil Reinhard berief ihn 1718 nach
Vorderweidenthal; dort starb er am 5.9.1735. Es müssen unruhige Zeiten in
Vorderweidenthal gewesen sein, denn Lauckard berichtet von drei Einbrüchen im
Jahre 1728.55 Er notiert zwei Erdbeben in den Jahren 1729 und 1733 und von
Kriegsereignissen im Jahre 1733 (Polnischer Erbfolgekrieg 1733-1738; Frankreich
im Krieg mit dem Deutschen Kaiser Karl VI. und Rußland; die Truppenbewegungen
finden hauptsächlich am Oberrhein statt, was die Bevölkerung nicht wenig belastet
hat). Lauckhards Sammlung angehängt ist ein „Titularbüchlein“mit Ratschlägen zur
ständischen Etikette. Weiter hat er Bemerkungen über seine Dienstorte und dortigen
Pfarrstelleninhaber beigefügt. Weiter berichtet er über Sehenswürdigkeiten im
Pfälzer Raum und über Grundsteinlegungen von Kirchen, darunter Zweibrücken
(Karlskirche, 1708), Pfeddersheim (1710) und Edenkoben (1732); Mitteilungen über
Hinrichtungen, Bauernregeln und seine Dienstmägde samt ihrer Bezahlung: Wir
haben es bei Lauckhard mit einem Chronisten zu tun.
Seine Ehefrau, Tochter des verstorbenen Pfarrers Christoph Friederich Rüdiger aus
Schlitz, Anna Marie, hatte er am 19.8.1710 in Monsheim an der Pfrimm geheiratet.
Sie verheiratete sich am 27.4.1747 als Witwe wieder mit Johannes Eichelmann,
Schulmeister u. Witwer in Vorderweidenthal daselbst. Ihr Sohn Johann Andreas,
geboren 12.1.1714 und am 25.1. getauft durch Pfarrer Schröder in Neustadt56, ging
bei einem Scheider in Annweiler in die Lehre und wanderte in diesem Handwerk
weiter durch Hessen. Zwei Söhne kamen in Dienste der leiningischen Verwaltung,
Sohn Karl Christian Eberhard Lauckhard, geboren am 5.7.1723 in
Vorderweidenthal, wurde 1742 Informator57 auf dem herrschaftlichen Hof
Lindelbrunn.
Lauckards Nachfolger war Ludwig Heinrich Schade58 aus Hamburg. Der Sohn
eines Ingenieurs war von 1735 bis 1777 lutherischer Pfarrer in Vorderweidenthal.
Er wurde in Annweiler am 13.6.1777 im Alter von 82 Jahren begraben. Der
Amtmann von Falkenburg habe Schade, so die Pfarrbeschreibungen von
Vorderweidenthal, viel Verdruss bereitet. Schade unternahm in seiner Zeit eine
Kirchenreparatur.
Johann Wilhelm Leonhardt59 war der letzte einer Reihe von Pfarrern, die aus
hessischen Gegenden stammten. Er wurde am 20.4.1730 in Okarben (Wetterau) als
105
Sohn eines Gastwirts geboren, studierte im nun von der Aufklärung beseelten Halle
und bestand am 12.8.1756 sein Examen vor dem lutherischen Kirchenrat in
Heidelberg, Nach seinem Einsatz 1757/62 als lutherischer Pfarrer in Otterberg wurde
Leonhardt 1762/67 bei einer Leininger Seitenlinie in der Residenz Guntersblum
Hofprediger, wechselte 1767/77 nach Assenheim (heute Hochdorf-Assenheim) und
kam schließlich von 1777 bis 1783 nach Vorderweidenthal. Er wurde vorzeitig
pensioniert, da gemütskrank. Leonhardt starb in Annweiler am 16.4.1789.
Johann Georg Reitz60 wurde im leiningischen Kallstadt am 24.11.1754 als Sohn
des Schulmeisters Johann Christoph Reiz und Anna Elisabeth Münch geboren. Nach
der Lateinschule Dürkheim besuchte er für zwei Jahre Gymnasium Idstein (noch
einmal eine Berührung mit Hessen!), studierte wie sein Vorgänger in Halle. Er legte
sein Examen in Dürkheim ab und wurde 1780 in den kirchlichen Dienst
aufgenommen. In Nachfolge seines erkrankten Vorgängers blieb er 1783/84 als
Pfarrer Vorderweidenthal, ehe er vom 15.8.1784 bis 1817 in Weisenheim am Berg
und danach bis zu seinem Tode am 13.10.1825 in Haßloch II amtierte. Reitz war mit
Friederike Katharina Nikol aus Kallstadt verheiratet.
Westseite des alten Pfarrhauses aus der Barockzeit mit zweiläufiger Treppe und
Kellerabgang, Dachgiebel und Krüppelwalmdach
106
Johann Philipp Jakob Höpfner61 wurde als Sohn des Pfarrers Johann Georg
Höpfner am l .6.1759 in Battenberg geboren. Wie sein Vorgänger besuchte er ab
1774 die Lateinschule in Dürkheim und studierte 1780/82 in Halle. In seiner Zeit
wurde das Pfarrhaus von den Leininger Fürsten erbaut. Ein Vorgängerbau stand im
Garten und war im gleichen Jahr wie das neue 1788 abgebrochen worden. Erst
Granatwerferbeschuss beschädigte es im Zweiten Weltkrieg. Das heutige Pfarrhaus
wurde bis 1949 wieder aufgebaut und 1952 repariert.62 - Höpfner, 1784 in den
Kirchendienst übernommen, wurde am 14. September 1782 Pfarrer in
Vorderweidenthal. Als die französischen Revolutionstruppen das linke Rheinufer
besetzten, floh er über den Rhein nach Mannheim. 1795 bis 1822 war er Pfarrer in
Herschberg, ab 1722 bis zu seinem Tode am 12.5.1838 in Nünschweiler. Verheiratet
war Höpfner seit dem 10.9.1792 mit Marie Theresia Stoffel (*1.3.1772, aus
Oberschlettenbach, † Nünschweiler 18.10.1858, Tochter des Johann Adam Stoffel,
Förster u. Oberschultheiß zu Oberschlettenbach; ihr Grabstein in Nünschweiler. Die
Tochter Karoline Kath. H. († Annweiler 18.11.1827) hatte den Papierfabrikanten
Jakob Lorch in Sarnstall geheiratet.
Der Pfarrerssohn Karl Christian Theodor Simon,’63 geboren in Altleiningen am
18.6.1777, kam um 1800 als Sekretär der kantonalen Verwaltung nach Annweiler
und hat sich mit einer Anna Maria Pfanner aus Vorderweidenthal verheiratet. Das
Beispiel widerspiegelt einen nicht seltenen Vorgang, dass sich Angehörige des
vorrevolutionären herrschaftlichen Beamtenmilieus aus Not oder mangels einer
Alternative in den neuen französischen Verwaltungsapparat eingetreten sind. Ein
bekanntes Beispiel ist der Pfarrer Philipp Jacob Roemmich (1766-1813)64, der in
Lauterecken seine Karriere als „fonctionair“in der kantonalen Verwaltung beendet
hat. Bei der erforderlichen Öffnung für die französische Gesetzgebung - zu
verweisen ist auf den Code Civile (Bürgerliches Gesetzbuch) und die Organischen
Artikel Napoleons von 1802, die das Staat-Kirche-Verhältnis betrafen - ist eine
gewisse Kontinuität in der Amtsführung der örtlichen Verwaltung vermuten.
Abkürzungen:
Biundo Georg Biundo, Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der
Reformation, Neustadt an der Aisch 1968
BPfKG Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde
MEKR Monatshefte für Evangelischen Kirchengeschichte des Rheinlandes
NPB Neues Pfälzer Pfarrerbuch (NPB): VVPfKG 14 (1989)
107
TRE Theologische Realenzyklopädie
VVPfKG Veröffentlichungen des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte
ZASP Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Speyer
________
1. Karl Jockers, 700 Jahre Herrschaft Lindelbrunn, o. 0., o. J. [1974], 7.
2. Jockers (wie Anni. l).
3. Die mittelalterlichen kirchlichen Quellen hat zuletzt auf den Forschungsstand gebracht:
Renate Engels, Palatia Sacra I Bd. 3, Der Landdekanat Herxheim. Quellen und
Abhandlungen der mittelrheinischen Kirchengeschichte Bd. 61.3, Mainz 1988. Nachweis für
die Angaben in diesem Abschnitt bei Engels, 265 f: „Mannlehenrevers des Gf Emich. V. von
Leiningen für Abt u. Konvent des Kl. Klingenmünster über Gosperswiler u. Wydental u. was
in dieselben kirspel gehört, ausgenommen des Kl. zu Münster Schultheißenämter, Zehnten u.
Hauptrechte in den gen. kirspeln, v. J. 1346, Transsumpt des geistl. Ger. zu Sp. v. 23. Mai
1454 (LeinA Amorbach). ... Spätestens bei Ausfertigung des Transsumpts 1454 muss V.
jedenfalls KSpiel gewesen sein.“
4. Abgebildet bei Armin Eckardt. Die Kunstdenkmäler der Pfalz. Bd. IV Bezirksamt Bergzabern,
München 1935 Nachdr. München-Berlin 1976, 457.
5. Neuere Literatur zu Hans von Trotha: Otto Böcher, Hans von Trotha an Papst Alexander VI.,
BPfKG 50 (1983), 178-187:, Kurt Andermann. Hans von Dratt (Trotha) (um 1445/50-1503):
Hartmut Harthausen (Hg.), Pfälzer Lebensbilder 4 (Veröffentlichungen der Pfälzischen
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 80), Speyer 1987, 61-83. Hans von Trotha
ruht in der Annakapelle bei Niederschlettenbach. 1967 hat der Familienverband von Trotha
zum Gedenken an Ritter Hans eine Tafel anbringen lassen. Nach dem Tod von Christoph im
Jahre 1545 ging der Besitz des Berwartsteins auf Christophs Schwiegersohn Friedrich von
Fleckenstein über.
6. Inventar des Wolf Philipp von Fleckenstein 1613, Abschr. in LA SP Nr. 23 Bl. 25: Der pfarr
zu Niederweydenthal gehört junckher Wolff Philipps von Fleckensteyn zu verleyhen (aus fol.
103 des Orig.).
7. Inventar 1613. wie Anm. 9 Bl. 85: Die zehenden zu Niederweydenthal Oberschlettenbach u.
Darstein gehört junckher Wolff Phlippßen von Fleckensteyn allein zu: Zehnt zu
Oberschlettenbach u. Darstein dgl. (Bl. 29). Zehnt zu Lindelbronn dgl. (Bl. 29’).
8. In einer Urkunde, vom 21. Juni 1381 HStA M Rhpf. Uu Nr. 1323) ist ein Wingert erwähnt,
den man nynet den Lindelboller und gelegen ist by sante Nyclaus cappel, doch ist damit wohl
ein zu Burg Lindelbol gehöriger Weinberg an der Nikolauskapelle in Klingenmünster
gemeint, vgl. A. Decker: Pfalz. Heimat l, 1950, 24.
9. PfAkten Gossersweiler in LA SP D 2 Nr. 364a, bes. 364a II Bl. llff (l731); das
Kapellenvermögen wurde noch im 18. Jh. je zur Hälfte von leiningischen u. kurpf. Pflegern
verwaltet (ebda mit Uu zur Verwaltung des Kapellenvermögens 1582 v 1697/1699).
10. Gerhard von Katzenelnbogen war vermutlich ein nachgeborener Sohn aus dem
gleichnamigen Grafenhaus, der im kirchlichen Dienst Verwendung fand. Die Grafschaft
Katzenelnbogen war eine reichsunmittelbare Grafschaft zwischen 1095 und 1479 am
Mittelrhein. Seit 1479 trugen die Landgrafen von Hessen diesen Grafentitel. Der Titel „Graf
108
zu Katzenelnbogen „ist heute noch Bestandteil des Familiennamens im Haus Hessen. Weitere
Träger des Titels sind der Großherzog von Luxemburg und der König der Niederlande.
Stammsitz war die gleichnamige. Burg in der heutigen Stadt Katzeneinbogen: Karl E.
Demandt: Geschichte des Landes Hessen, Kassel u. a. 21972. 207-216.
11. Jürgen Keddigkeit (Hg.), Ulrich Burkhart. Rolf Übel: Pfälzisches Burgenlexikon. Band 3: I-
N. Kaiserslautern 2005, 430-448, bes. 440. 442 (Alexander Thon u.a.).
12. Sämtliche Hinweise dieses Abschnitts bei Engels (wie Anm. 3), 199: s. auch August Brauner,
Burg Lindelbrunn. Bad Bergzabern 1975. 5-8.
13. Investitur des dompröpstl. Offizials (gerichtet an den Landdechanten in Rohrbach) für den
Wormser Konrad Girgisen auf die vicaria perpetua s. Nicolai in Lindelbolle, deren Kollator
Gf Emich von Leiningen ist u. auf Johann Phuseback freiw. verzichtet hat (Orig. Perg. vom
14. Juni 1432 im LeinA Amborbach); z. n. Engels (wie Anm. 3), 199.
14. Jockers (wie Anm. l), 14.
15. Gemeint ist das benediktinische Reichskloster Klingenmünster, entstanden im frühen 7.
Jahrhundert. Nach innerem Zerfall, als nur noch vier Mönche vorhanden waren. 1490 in ein
weltliches Chorherrenstift umgewandelt. Thorsten Unger, Klingenmünster und die Kurpfalz
im 15. und 16. Jahrhundert: Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung,
Reihe B. Abhandlungen zur Geschichte der Pfalz, 10 (2009), 487-494.
16. Jockers (wie Anm. l), 25.
17. Literatur zum Haus Leiningen und ihre Herrschaft: Eva Kell. Das Fürstentum Leiningen.
Beiträge zur Pfälzischen Geschichte Bd. 5. Kaiserslautern 1993, 20: Theodor Kaul, Die
Einführung der Reformation in der Grafschaft Leiningen-Hartenburg und die Entwicklung
der religiösen Verhältnisse bis zum Dreißigjährigen Kriege (VVPfKG 3), 1942: zur
Genealogie u.a.: Ingo Toussaint, Die Grafschaften Leiningen im Mittelalter (1237-1467). Die
Grafschaften Leiningen in der Neuzeit: Pfalzatlas II H. 27 (1977), 1056-1080 – Karten 114
c-d. Thomas Gehrlein: Das Haus Leiningen. 900 Jahre Gesamtgeschichte mit Stammfolgen.
Werl 2011. - Die Auffassung in der Pfarrbeschreibung von 1843, dass die Linie Leiningen-
Heidesheim bei der Teilung der Linie Leiningen Dagsburg-Hardenburg 1658 die Herrschaft
Lindelbrunn erhalten habe: ZASP Abt. 44 Nr. 11. Pfarrbeschreibung 1843, ist bei der
verzweigten Geschichte des Hauses Leiningen zu erläutern: 1560 erfolgte eine Teilung in die
Linien Leiningen-Dagsburg-Hardenburg und Leiningen-Dagsburg-Falkenburg (bis 1658).
Die Linie Leiningen-Dagsburg-Hardenburg geriet unter die Hoheit Frankreichs und verlegte
ihren Sitz 1725 nach Dürkheim. Ihre Nachkommen erlangten 1779 den Reichsfürstenstand.
Diese fürstliche Linie zu Leiningen ist die letzte bis heute existierende Linie des Gesamthauses
Leiningen. - Die gräfliche Linie Leiningen-Dagsburg-Falkenburg spaltete sich 1658 in die
Linien Leiningen-Dagsburg († 1706), Leiningen-Heidesheim († 1766) und Leiningen-
Guntersblum (bis 1774), dann als Leiningen-Dagsburg-Hardenburg wieder vereinigt, auf
Klagen beim Reichshofrat 1782. 1783 und 1784 kam es am 17. Januar 1787 zwischen
Nachkommen des Grafen Johann Ludwig von Leiningen-Falkenburg und den Fürsten von
Leiningen-Dagsburg-Hardenburg zu einem Vergleich, durch den diese Souveräne der beiden
Leiningen-Falkenburgischen Ämter Guntersblum und Heidesheim mit den dort befindlichen
Schlössern der ausgestorbenen Linie wurden. Den Rest des Leiningen-Falkenburgischen
Besitzes verblieb bei den Fürsten zu Leiningen-Dagsburg-Hardenburg, so die Herrschaft
Lindelbrunn.
18. Übersicht zuletzt Friedhelm Hans, Kirchengeschichte Erpolzheim, dort weitere Literatur,
Täufermandat v. 18. März 1609 als „Nebeninstruction, die Wiedertäuffer betreffendt“:
Thomas Bergholz (Bearbeitet), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts.
109
Bd. 19: Rheinland-Pfalz II, l. Teilband, Tübingen 2008, 299 ff.; Heidemarie Wünsch. Agnes
von Mansfeld: MEKR 47/48 (1998/1999), 247-258: Kaul (wie Anm. 17), 12-17.
19. Kaul (wie Anm. 17). 11.
20. ZASP 851. Jahresbericht v. 1954.
21. Bergholz (wie Anm. 18), 284-319.
22. Bergholz (wie Anm. 18), 217: Wünsch (wie Anm. 18).
23. Kaul (wie Anm. 17). 23-27.
24. Kaul (wie Anm. 17), 47-50.
25. ZASP Abt. 44 Nr. 11. Pfarrbeschreibung von 1843, 11.
26. ZASP Abt. 44 Nr. 11, Pfarrbeschreibung von 1843, 15.
27. Balkeninschrift, vgl. Karl Jockers, 100 Jahre neue protestantische Kirche in
Vorderweidenthal, Bergzabern 1966. 8; ZASP.Abt. 44 Nr. 9.
28. Engels (wie Anm. 3), l3f.
29. Eckardt, Kunstdenkmäler (wie Anm. 4), 161.
30. Engels 42 (wie Anm. 3), so auch Jockers.
31. Eckardt, Kunstdenkmäler (wie Anm. 4), 316: Engels (wie Anm. 3), 218.
32. ZASP Abt. 44 Nr. 11, Pfarrbeschreibung von 1843, Nachtrag.
33. Alfred Hans Kuby, Pfarrerlisten der Leiningen-hardenburgischen Pfarreien in der
Rheinpfalz: BPfKG 65 (1998), 117-134. hier 128, ohne weitere Quellenangabe.
34. Biundo l994b, identisch mit 199 a, BPfKG 49; Karl Hamm. Die kirchlichen Verhältnisse im
löwensteinischen Amte Scharfeneck - Kanskirchen, Albersweiler-Nordhälfte. Dernbach und
Ramberg - von der Reformation bis 1803: BPfKG 34 (1967), 231-255: Friedhelm Hans,
Protestanten in Ramberg - eine lange. Geschichte: Ortsgeschichte Ramberg (Arbeitstitel),
2013.
35. Kuby (wie obige Anm.) u. Biundo 4026, BPfKG 55.
36. Biundo 2861.
37. Biundo 3436.
38. Kuby (wie Anm. 33); Lupulus, Kuby hat ihm die Nr. nach Biundo gegeben: 3247a, Wölfelin
Biundo (nach Kuby) 6014a, möglichemeise identisch mit Hopff (Biundo 2311).
39. Biundo 6086: Hamm, Kirchliche Verhältnisse, 237.
40. Friedhelm Hans, Protestanten im Ramberg (wie Anm. 34); zu Pappus: Bernard Vogler, Art.
Straßburg: TRE 32 (2001), 233-241, hier 236f. Kuby (wie Anm. 33), i 28, nennt einen Brocht
oder Brucht, Philipp Jakob, als Nachfolger Zieglers.
41. Biundo 4718.
42. Friedhelm Hans, Protestanten in Böllendorf-Reisdorf: Egon Bade. Böllenborn-Reisdorf
1345-1995, Landau-Wollmesheim 1995, 313-316.
43. Biundo 2775.
44. Kuby (wie vorige Anm.), 129.
45. Friedhelm Hans, Böllenborn-Reisdorf (wie Anm. 42), 314.
46. Biundo 1540, BPfKG 48 (1981).
47. Hans Georg Gundel, Art. Gießen, Universität: TRE 13 (1984), 261-266, hier 262.
48. Wilhelm Bach, Kurzgefasste Geschichte der kurhessischen Kirchenverfassung. Marburg
1832.
110
49. Biundo 4088a, BPfKG 55 (1988), s. BPfKG 1977. 99.
50. Johann Joachim Zentgraf war ein Vertreter der lutherischen Orthodoxie, s. Paul Tschackert,
Art. Zentgraf, Johann Joachim: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), 66f. Zentgraf
studierte in Wittenberg 1667 bei Abraham Calov. 1676 erfolgte die Promotion in Straßburg,
1695 wurde er zum Professor der Theologie berufen, 1702 Präsident des lutherischen
Kirchenkonvents und Dekan des Kollegiatstiftes St. Thomas. Im Blick auf die
Naturrechtslehre halte er eine literarische Auseinandersetzung mit Samuel von Pufendorf, †
1707 in Straßburg.
51. Biundo 3687, BPfKG 53 (1986) Johann Nikolaus Müntz.
52. Gundel (wie Anm. 47), 262.
53. Johann Balthasar Lauckhard: Biundo 3043, BPfKG 52 (1985); L. verfasste eine
Familienchronik: Wilhelm Diehl. Familienchronik des Vorderweidenthaler Pfarrers Johann
Balthasar Lauckhard: Hessische Chronik 22 (l 935), 65-83. Ein Bruder der Frau war Michael
Christian Rüdiger. 1691-1726 Pfarrer in Colgenstein und Mühlheim an der Eis (Biundo 4508
„Rüdinger“), Eheschließung am 19.8.1710 durch jüngsten Bruder der Frau. Gangolf
Rüdinger.
54. Der gräfliche Rath Joh. Joachim Pfeil in Grünstadt hat ihm das Leben in Monsheim schwer
gemacht; vermutlich Sein Bruder war Quirin Heinrich von Pfeil, 1680-1722, dieser Vater des
Liederdichters herrnhutischer Frömmigkeit Christoph Ludwig Freiherr von Pfeil.
Staatsmann, später u.a. in württembergischen und preußischen Diensten, geb. 20. Jan. 1712
zu Grünstadt, gest. 14. Febr. 1784 auf Gut Deusstetten im Ansbachschen.
55. Diehl (wie vorige Anm.), 67. Angaben über Lauckhard Person bei Diehl samt Nachkommen
76-83.
56. Johann Christoph Schröder, 1693/96 luth. Pfarrer Kleinfischlingen. 1696-1728/32 Neustadt
an der Haardt; ∞ Queichheim 12.2.1698 Marie Sibylle Sonderhausen, Witwe des Anton S.;
Biundo 4927.
57. Pfarrbeschreibung ZASP 44, Vorderweidenthal, 11: „Hauslehrer“.
58. Biundo 4603. Der bei Biundo aufgeführte Johann Balthasar Nagel. Biundo 3768a. BPfKG 54
(1987), 1728 luth. Diaconus u. Praeceptor der Schule zu Vorderweidenthal, ist eher nicht in
den Pfarrerlisten zu führen.
59. Biundo 3099, BPfKG 52 (1985).
60. Biundo 4257.
61. Biundo 2230. BPfKG 49 (1982). Sohn von Biundo 2229. Tochter Ottilie Theresia ∞ Pfarrer
Friedrich Julius Matthias (1805-1890), Pfarrer in Elmstein, Nünschweiler und
Oberotterbach. Der Enkel August Wilhelm Hermann Matthias war 1857 Verweser in
Albersweiler, Vikar in Siebeldingen und Zweibrücken, 1859 Pfarrer in Siebeldingen, †
15.1.1885.
62. Pfarrbeschreibung ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal). Nr. 26; ZASP 850 Pfarrbeschreibung
1904, ZASP 851 Pfarrbeschreibung 1954.
63. Sohn des Pfarrers Johann Daniel Simon, Biundo 5104. Vater * Niederwiesen ...l 745, Sohn
von Biundo 5101, 1765/91 luth. Pfarrer Altleiningen, 1791/98 (†) Ebertsheim. ∞ II.
A1tleiningen 1772 Karoline Christine Kolb aus Zweibrücken. Bruder des Karl Christian
Simon: Johann Daniel S., aus Altleiningen, am 2.9.1779 luth. Colloquium Heidelberg zur
Aufnahme in den kurpfälzischen Kirchendienst.
64. Karl Baumgart, Philipp Jacob Roemmich (l 766-1813): VVPfKG 21 (1999).
111
e. Das Kirchenbuch der lutherischen Pfarrei Vorderweidenthal
von 1684 bis 1815
Anton Müller hat schon 1925 in seinem beschreibenden Verzeichnis der
Kirchenbücher der bayerischen Pfalz darauf aufmerksam gemacht, dass das älteste
Kirchenbuch von Vorderweidenthal unter anderem Kasualeinträge von Katholiken
enthält. Alfred Hans Kuby hat sich die Mühe gemacht, die Ehepaare aus dem
Taufregister und die Sterbeeinträge von Katholiken aus diesem Kirchenbuch zu
ermitteln (Alfred Hans Kuby, Das lutherische Kirchenbuch von Vorderweidenthal
als Tauf- und Sterberegister der Katholiken: Pfälzische Familien- u. Wappenkunde
19, 1970).
Das Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz (Abt. Kirchenbücher) verwahrt das
Kirchenbuch heute. Allerdings handelt es sich bei diesem Register bis zum Jahre
1737 um eine Abschrift. Sie umfasst Vorgänge, die folgende Ortschaften betreffen
(in der dortigen Schreibweise): Bährenbrunnerhof, Bährenbrunner Mühle, Bethof;
Darstein, Dimbach, Hirschberg, Lauterschwan, Lindelbrunner Hof, Nothweiler,
Sägermühle, ferner Oberschlettenbach und natürlich Vorderweidenthal.
Der älteste Eintrag datiert vom 14. März 1684, die Taufe einer Anna Ursula, Tochter
von Johann Valentin, Dreher, und seiner Frau Anna Ursula; Gevattern (Paten) waren
Johann Jacob Stoffel, Anna Catharina Bohin und Anna Maria Burkhard. Am
22.7.1689 tritt als Pate ein Johann Jacob Bullinger von Busenberg auf.
Die Familiennamen, die in den genannten Ortschaften heute noch vorhanden sind,
weisen auf die Anwesenheit von Familien mit alter pfälzischer bzw. schweizerischer
Herkunft hin, wobei der Name Bullinger einem bis heute überwiegend katholischen
Familienverband zuzuweisen ist.
In der raschen Durchsicht konnten nur wenige bemerkenswerte Beispiele gefunden
werden. Ich wähle die Taufe eines Kindes von Augustus Christian Bohrer und Anna
Catarina. Gevatter war der Ortspfarrer Ludwig Heinrich Schade aus
Vorderweidenthal, dessen Vater Ingenieur der Hanse-Stadt Hamburg gewesen ist.
Das Kind hieß Louisa Catarina Margareta, geboren am 10. April 1752. getauft am
13. April 1752. Der auswärtige Täufer hieß Bolchert (?) Augustus Christian, dazu
der Vermerk aus der Feder Schades: Est Studiosus et Candidatus Theologiae, cujus
Pater est Parochus in Preusdorf, Parochia Lutheranorum in dominatu Lichtenberg.
Der Taufende war also ein Pfarrerssohn aus der Grafschaft Lichtenberg im Elsaß,
einer ebenfalls lutherischen Herrschaft. Man vergleiche die Herkunft der
Vorderweidenthaler Pfarrer aus den verschiedensten lutherischen
Herrschaftsgebieten.
Wir erfahren weiter, dass die Konfirmationen (überliefert ab 1719) am Palmsonntag
stattgefunden haben, 1792 ausnahmsweise am Charfreitag, weil in den turbulenten
112
Revolutionszeiten kein Pfarrer im Ort war. Am 24.4.1795 nahm Pfarrer Weyrich,
Pfarrer in Annweiler, die Konfirmation vor. Zu seiner Person - die Herkunft ist für
die Wanderungsgeschichte der Pfälzischen Pfarrerschaft bezeichnend: Geboren in
Niederbrombach bei Birkenfeld 22.1.1770, Sohn des Pfarrer Christian Daniel
Weyrich (* Lötzbeuren 17.12.1733, † Wirschweiler 1809) und (∞ Niederbrombach
19.6.1764) Marie Christine Loch (Tochter des Pfarrers Joh. Peter Loch in Oberstein),
Enkel des Pfarrers Johann .Justus Weyrich (- Wolf 3.4.1696, † Lötzbeuren
12.12.1752) und (∞ 25.9.1725) Anna Elis. Storck (Tochter des Winninger Vogts K.
O. Storck und Klara Katharina Hargart).
Weyrich studierte 1786/89 in Halle und Jena, bestand 1790 das Examen in
Zweibrücken, war ab dem 5.8.1790 Gehilfe bei Superintendent Tatsch1 in
Zweibrücken, ab 1.2.1792 Vikar in Zweibrücken, ab 1.12.1793 Pfarrvertreter für den
gegangenen Oberkirchenrat Kämpf2 in Zweibrücken, 1794/95 Vikar in Bundenbach,
Battweiler und Hornbach, ab 4.3.95 Verwalter in Annweiler, ab 21.1.1795 (-
vermutlich aufgrund des Konfirmationseintrags erst einige Monate später l. Pfarrer
in Obermoschel, ab 15.4.1799/1827 Pfarrer in Dielkirchen, ab 24.6.1827/33
Mimbach. † 22.6.1833; ∞ Katharina Weibel (Angaben nach Biundo 5917).3
______
1. Johann Christian Tatsch, 1720-1798, Biundo 5389.
2. 1748-1798, Biundo 2508 † Erg., BPfKG 51 (1984).
3. Ergänzender Aktenfund zur Konfessionslage und Kollektenpraxis in der Herrschaft
Lindelbrunn bzw. Leiningen für die Tochtergemeinde: Heidesheim, 12. Juni 1765:
Kollektenpatent: Direktor und Räte der Regierungskanzlei des Grafen Christian
Carl Reinhard zu Leiningen und Dagsburg erteilen der evangelischen, teil
lutherischen, teils reformierten Gemeinde des Dorfes Dimbach, Schultheißerei
Lindelbrunn im Amt Falkenburg die Genehmigung zur Erhebung einer Kollekte
zwecks Errichtung eines Gebäudes für Gottesdienst und Schule. ZASP Abt. 44,
300.0066.
113
Ereignisse im 19. Jahrhundert
Die Person des Pfarrers Georg Jakob Schweppenhäuser1 markiert den
Zeitenwandel zwischen der Französischen Revolution und der Staatskirche im
Königreich Bayern. Bevor wir auf Schweppenhäuser näher eingehen, erinnern wir
an die kirchenpolitischen Veränderungen jener Zeit.
Mit der Niederlage des alten Deutschen Reiches in den Koalitionskriegen gegenüber
den französischen Revolutionsheeren waren die zersplitterten Pfälzischen
Herrschaftsgebiete, darunter das Fürstentum Leiningen, in den revolutionären
Staatsverband der Republik Frankreich aufgenommen worden. Preußen hatte der
Abtretung des linken Rheinufers bereits im Frieden von Basel 1795 zugestimmt,
Österreich und das vor seinem Ende stehende alte deutsche Kaisertum musste der
Neuordnung der
Landkarte im Frieden von Campo Formio im Jahre 1797 zustimmen. Die Folgen der
Französischen Revolution waren für die Kirche erheblich, doch ist die Revolution
auch in kirchlicher Hinsicht schließlich an ihrer Radikalität gescheitert. Vor allem
die Abschaffung des Sonntags erwies sich als undurchführbar.2 Erst Napoleon, auf
den die Auffassung zurückgeht, ein Pfarrer ersetze zehn Gendarmen, brachte das
Verhältnis von Staat und Kirche in den Organischen Artikeln von 1802 auf eine neue
Grundlage: Im Ausgleich für die enteigneten Kirchengüter übernahm der Staat die
Besoldung der Pfarrer und jüdischen Geistlichen. Fortan galt auch in der Pfalz eine
gestaffelte Besoldungsordnung, der auch die bayerische Staatskirche gefolgt ist. Bis
heute gehen die sog. Staatsleistungen zur Besoldung der Pfarrerschaft in der Pfalz
auf Napoleons Organische Artikel zurück. Die Staatsleistungen stellen eine
Entschädigung für in der Säkularisation eingezogene Kirchengüter dar. Im
benachbarten Elsaß und Lothringen gelten die Organischen Artikel bis auf den
heutigen Tag. Sie sind Teil der Sonderrechte Elsaß -Lothringens innerhalb
Frankreichs seit 1918.
Nach dem Übergangsstadium einer gemeinsam bayerischen-österreichischen
Verwaltung ab 1816 bildete die Pfalz innerhalb des Königreichs Bayern einen
eigenen Regierungskreis mit Sitz in Speyer. In der Bayern nächstgelegenen
pfälzischen Stadt erhielt das Konsistorium als Kirchenleitung seinen Sitz. Eine erste
große Aufgabe ergab sich durch die an einigen Orten bereits vollzogene Vereinigung
der beiden protestantischen Konfessionen ausreformierten und Lutheranern. Im
Schwung der Reformationsfeier 1817 zum Andenken an Luthers Thesenanschlag in
Wittenberg dreihundert Jahre zuvor wurde die Pfälzische Kirchenunion im Jahre
1818 im gesamten „Rheinkreis“vollzogen.
In diesen Jahren war der genannte Pfarrerssohn Georg Jakob Schweppenhäuser
Ortspfarrer in den Dörfern am Lindelbrunn. Er war der um zwei Jahre ältere Bruder
der Marie Salome Schweppenhäuser (1751-1833), die seit 1773 mit einem Sekretär
114
des mächtigen Grafen Brühl in Warschau, Johann Friedrich Michael Hauke (1737-
1810), verheiratet war. Marie Salome wurde Ahnherrin europäischer Königshäuser,
denn ihre Enkelin Julia Hauke wurde 1851 als Gräfin von Battenberg geadelt (der
britische Prinzgemahl Philip Mountbatten, Duke of Edinburgh, geboren 1921
entstammt dem Haus Battenberg, das sich seit 1917 Mountbatten nennt).3 Pfarrer
Schweppenhäuser, am 26.6.1749 geboren, wuchs in Rechtenbach und Sesenheim
auf. 1760/1766 bezog er das Gymnasium Zweibrücken, studierte in Halle und kam
nach seinem 1769 in Bergzabern abgelegten Examen im Jahre 1772 als lutherischer
Pfarrer nach Lohr (Elsaß). 1787/93 ließ er sich nach Sesenheim versetzen (sein Vater
Heinrich Wilhelm Schweppenhäuser4 war dort 1760 gestorben). 1793 emigrierte er
vor den Franzosen über den Rhein. Nach Beruhigung des Kriegsgeschehens begab
sich Schweppenhäuser auf einen Abstecher auf linksrheinisches Gebiet. In einem
Wirtshaus zu Klingenmünster soll ihn ein Bürger von Vorderweidenthal
aufgefordert haben nach Vorderweidenthal zu gehen. Tatsächlich war
Schweppenhäuser von 1795 bis 1826 Pfarrer in Vorderweidenthal. Als er nach dem
Tode seiner Ehefrau Karoline geb. Siffert (1755-1824) erblindete, stellte er Wilhelm
Ludwig Pixis als Vikar ein. Pixis heiratete schließlich die Pfarrerstochter Christine
Luise Philippine (geboren am 17.1.1801 in Vorderweidenthal). Der Vater blieb im
Haushalt von Tochter und Schwiegersohn und zog 1832 nach dessen Ernennung zum
Dekan mit nach Marnheim. Dort starb er am 17.4.1836.
Karoline Schweppenhäuser, eine Schwester des Pfarrers von Vorderweidenthal,
heiratete um 1805 Johann Philipp Christian Aulenbach, den Dichterpfarrer in
Annweiler. Ihr Sohn Karl floh 1848 nach Ohio, um dort seinerseits als Pfarrer und
Dichter zu wirken.5
Wilhelm Ludwig Pixis6 war Vikar bei Schweppenhäuser. Am 21.7.1798 als Sohn
eines Pfarrers in Katzweiler geboren, kam er nach Studium in Marburg 1821 in den
Pfälzischen Kirchendienst. Pixis amtierte in Vorderweidenthal als Nachfolger seines
erblindeten Schwiegervaters von 1826 bis 1832. Nach seiner Dienstzeit in Marnheim
zog er 1858 nach Bischheim und starb dort am 30.8.1863.
In der Kirchengeschichte der Pfarrei Vorderweidenthal gilt es für das 19.
Jahrhundert drei besondere Vorgänge festzuhalten:
1.. Die Kirchenunion von 1818 als Folge der kirchlichen Neuordnung nach
der Französischen Revolution
2.. Der Neubau der Kirche in Vorderweidenthal im Jahre 1865
3.. Die Auswirkungen des Pfälzischen Gesangbuchstreites um 1861 in der
Gemeinde.
115
Die Vereinigung der beiden reformatorischen Kirchen ging in Vorderweidenthal
geräuschlos vonstatten. Die Lutheraner hatten in der Pfalz etwa ein Drittel der
Protestanten ausgemacht, in Vorderweidenthal waren sie seit der Reformation aber
die bestimmende Konfession. So kamen lediglich reformierte Einzelpersonen zur
nunmehr vereinigten protestantischen Pfarrei, die bislang ohnehin die Dienste des
lutherischen Ortspfarrers in Anspruch genommen hatten. Dieser Pfarrer war jetzt der
erste unierte Pfarrer in Vorderweidenthal.
Die vereinigte Pfälzische Kirche (Vereinigte Protestantisch-Evangelisch Christliche
Kirche der Pfalz) verabschiedete 1818 ihre Unionsurkunde, auf die sich die heutige
vangelische Kirche der Pfalz mit ihrer Kirchenverfassung von 1920 stützt. Zu den
Hauptaufgaben der jungen Kirche gehörte die Herausgabe eines neuen Gesangbuchs
und eines eigenen Katechismus. Beide Bücher waren vom Geist des theologischen
Rationalismus geprägt, eines späten Ausläufers der Aufklärung. Die Vernunft und
der Fortschritt der Bildung zählten zu den Hauptbegriffen dieser Richtung. Das
Unionsgesangbuch von 1823 stand damit in einer in Deutschland verbreiteten
Tradition und passte die alte Lieddichtung unbekümmert an den Zeitgeschmack an.
Ein Beispiel hierfür ist die Umdichtung des Paul Gerhardt-Liedes „Nun ruhen alle
Wälder, Vieh, Menschen, Stadt und Felder, es schläft die ganze Welt“. Die
Rationalisten ersetzten den letzteil Vers durch „es schläft die halbe Welt“, weil die
Vernunft besagt, dass immer nur ein Teil der Menschheit schläft, während der andere
Teil auf dem sonnenbeschienenen Erdenrund wacht.
Ein weiteres Beispiel aus dem Pfälzischen Unionsgesangbuch ist das Lied Nr. 373
von Konsistorialrat Philipp David Müller; darin wandelt sich der christliche Glauben
in bürgerliche Moral:
Ihr Bürger eines Staates, Brüder, vereinigt euch zum Lobgesang!
Bringt unserm Vater frohe Lieder, sagt ihm für seine Gnade Dank,
ihm, welcher uns mit weiser Hand vereinigt hat im Vaterland!
2. Der Mensch kann nicht allein sich bilden, nur Menschenumgang bildet ihn;
Vergebens irrt er auf Gefilden, die ihm allein entgegen blüh’n;
Nur Menschen lindem seinen Schmerz und Gießen Freuden in sein Herz.7
Doch gegen den rationalistischen Katechismus von 1823 erhob sich in
Vorderweidenthal ein Protest: Die Eltern sprachen sich gegen die Einführung des
Unionskatechismus im Unterricht aus. Dabei trafen sie exakt den Schwachpunkt des
neuen Lehrbuchs der Pfälzischen Kirche. Sie hielten den Unionskatechismus für
pädagogisch ungeeignet und geistlich unangemessen bzw. dürftig. Pfarrer
Schweppenhäuser leitete den Protest ans Dekanat weiter. Dekan Walther reagierte
auf die Verweigerung der Eltern, „derselbe sei unverhältnismäßig und enthalte
116
weltliche Dinge“, mit einer schroffen Ablehnung. Dekan Karl Friedrich Walther
meinte, das Dorf erhebe sich über das Werk gelehrter Männer und über die Synode,
die den Katechismus verabschiedet hat. In Vorderweidenthal handle es sich seiner
Meinung nach um eine „höchst strafbare Widersetzlichkeit“, man habe sich „frech
aufgestellt“. Der Dekan vermied eine inhaltliche Auseinandersetzung, wie man sie
heute erwarten dürfte. Vielmehr bezog er einen autoritären Standpunkt, der ganz
dem restaurativen Obrigkeitsdenken jener Jahre entsprochen hat. Abschließend
empfahl Walther, das Pfarramt solle die kursierenden alten Katechismen einziehen.8
Der Gemeinde Vorderweidenthal blieb nichts anderes übrig als den Katechismus
anzunehmen.
Doch von einer herzlichen Annahme kann in der gesamten Pfalz kaum die Rede sein.
Dies belegt nicht nur der Ingenheimer Pfarrer Friedrich Theodor Frantz in seiner
„Morgenröthe“von 1846: Der Katechismus des sonst wegen seiner Verdienste im
Schulwesen hochverdienten Verfassers Johann Friedrich Butenschön wird von
Frantz „außer anderen Ausstellungen schon um seiner abstrakten Sprache willen
unpopulär und unkindlich genannt“.9 Eine literarische Beurteilung fand der
Katechismus in der „Nonnensusel“des Klingenmünsterer Schriftstellers August
Becker. Darin beeindruckt die Konfirmandin Susanne Groß bei ihrer Prüfung die
versammelte Gemeinde mit dem Aufsagen der verschraubten Katechismusfrage:
Und nun fragte der Geistliche, sich an Susel wendend: „Und warum, Susanne Groß,
heißt unsere Kirche protestantisch?“
Das Mädchen atmete tief auf, ihr Herz pochte; allein sie war sich des feierlichen
Augenblicks völlig bewusst und durfte keine Schwäche über ihr junges Herz
kommen lassen. So begann sie denn ihre Antwort, langsam, ausdrucksvoll, bald
selbst ergriffen und gehoben von den Worten, die ihr nie so verständlich geklungen
waren wie jetzt, wo sie in ihrem Munde zum Verständnis der ganzen Gemeinde
gelangten, so dass in tiefer Stille schon von Anfang alles der schönen, vollen
Mädchenstimme lauschte und jedermann, selbst der würdige Geistliche, mit
Innigkeit ihrem Vortrag folgte (,da sie also sprach): „Weil unsere Kirche das edelste
Recht des vernünftigen Menschen, frei und redlich in der wohlgeprüften Wahrheit
fortzuschreiten mit christlichem Mut, in Anspruch nimmt, gegen alle
Geistesknechtschaft wie gegen allen Gewissenszwang ewigen Widerspruch einlegt
und dabei ungestörte innere Glaubensfreiheit behauptet.“
Man hatte diese Ausführung des damaligen Katechismus schon öfter gehört, aber
noch niemals war dieser, für Kinder und einfache Landleute allerdings schwere und
verwickelte Satz so ergreifend zum Verständnis der Gemeinde gedrungen wie
diesmal.10
117
b. Auf dem Weg zum Kirchenbau
Nach dem Weggang von Pfarrer Pixis versah Karl Friedrich Scholler (1807-1863)
1832 als Vikar seinen Dienst in Vorderweidenthal. Nach weiteren Stationen als
Vikar in Frankenthal und seit 1833 als Pfarrer in Ruchheim wurde Scholler 1844 im
Alter von 37 Jahren Dekan in Homburg. 1847 kam er als Dekan nach Landau, ehe
er von 1856 bis zu seinem Tode am 8.8.1863 seine Laufbahn als Prodekan
(Dekanstellvertreter) in Minfeld abschloss. Seine Nähe zum konservativen
Konsistorium mit Konsistorialrat Rust hat er in seiner Landauer Zeit bestätigt.“ Sie
erklärt ihrerseits seine frühe Berufung zum Dekan. Scholler hatte 1836 in
Frankweiler die Pfarrerstochter Johanna Magdalena Reichhold geheiratet.12
In Schollers Zeit fallen die ersten Überlegungen zum Neubau der Kirche. Am
l7.8.1832 wandte sich das Landkommissariat als vorgeordnete Baubehörde an das
Pfarramt Vorderweidenthal. Der Gemeinderat wollte den Bauunternehmer Wagner
beauftragen anstelle des vom Presbyterium bevorzugten Unternehmers Hatzer. Das
Landkommissariat empfahl, mit der Reparatur der Orgel zu warten, bis die Reparatur
der anderen Gebäudeteile vollendet sei.13 Vermutlich handelt es sich um die letzten
größeren Reparaturen an der mittelalterlichen Kirche. Laut Bericht vom 23.8.1832
wurden ausgegeben für den Maurer 42 fl 30, den Schreiner 96 fl 40. Die
Orgelreparatur und Stimmung kostete 44 fl 40 (1836 ausgeführt), zusammen wurden
veranschlagt 183 fl 10. Während der Reparaturen wurde der Vertrag mit Leonhard
Schneider aufgelöst, der das benötigte Holz nicht beschaffen konnte.14 Über den
Weg zum Kirchenbau vgl. die Angaben bei Pfarrer Heintz.
Ernst Christian Herche15 stammte aus dem elsässischen Weitersweiler und wurde
dort am 21.10.1803 geboren. Der Sohn eines Pfarrers besuchte zuerst das
Gymnasium Zweibrücken, bevor er ans College Buchsweiler wechselte. 1820 ging
er ans theologische Seminar in Straßburg, studierte dort an der Fakultät und später
in Erlangen und München. 1827 in den pfälzischen Kirchendienst aufgenommen,
war er zwischen 1830 und 1833 Vikar in Zweibrücken. Am 19.4.1833 begann sein
Dienst als Pfarrer in Vorderweidenthal. Am 24.10.1843 wechselte er nach
Barbelroth, am 1.1.1856 nach Winden und am l.10.1861 nach Rinnthal. Dort starb
er am 17.6.1879. Seit 1839 war er mit Juliane Graßmück von Birkweiler verheiratet.
Im Jahresbericht von 1837 hält Herche Auswanderungen nach Nordamerika fest.
Diese sollten über das gesamte 19. Jahrhundert andauern. Wegen seiner Erkrankung
wurde in diesem Jahr die Konfirmation statt am Palmsonntag am Karfreitag gefeiert.
Eine derartige Abweichung war damals noch möglich, heute wäre eine
Vertretungsregelung zu treffen. Herche lobt die Sittlichkeit, den Glauben und den
frommen Sinn und Wandel der Glaubensgenossen. Doch hat er auch Anlass zur
118
Kritik: „Eine Veranlassung zu vielem Unfug und zu vielen Schlechtigkeiten sind ...
die vielen Freinächte. Das Pfarramt weiß nun zwar nicht, dass von der Distrikts-
Polizei-Behörde die Zahl der Nächte beschränkt worden ist, aber kann, wie es hier
der Fall ist, außer an den Freinächten, von der Kirchweihe drei volle Nächte hindurch
getanzt werden; wenn es erwiesen ist, daß alle Arten von Unfug besonders in diesen
Nächten verübt werden, so kann es gewiß nicht anders als höchst wünschenswert
erscheinen, dass die sog. Freinächte als mit der Natur in Widerspruch cf. Plagarium
(?) der Unsittlichkeit und Freistätte des Lasters ursprünglich fernerhin gar nicht mehr
geduldet würden.16 Bei den Freinächten stoßen wir auf eine Volkssitte, die zu
bestimmten Zeiten eine gewisse Zügellosigkeit vermutlich für die jüngeren
Zeitgenossen erlaubt hat. Ein Rest hat sich in der verschiedentlich anzutreffenden
„Hexennacht“am 30. April erhalten.
Herche registriert 1836 die Teilnahme der Silzer Protestanten am Abendmahl in
Klingenmünster und befürwortet sie wegen des kürzeren Weges. Er schlägt deshalb
vor, dass die Orte Gossersweiler und Schwanheim von der Pfarrei Annweiler nach
Vorderweidenthal eingepfarrt werden, wie dies heute der Fall ist. Von Ökumene war
noch keine Rede: Der Jahresbericht 1839 vermerkt: Der katholischer Pfarrer von
Schwanheim habe einen protestantischen Bräutigam aus der Pfarrei nicht
proklamiert.17
Bedeutsam ist die Gründung des Lokal-Bibelvereins im Jahre 1836, auf Anordnung
des Konsistoriums. Im Gründungsjahr 1838 zählte dieser Verein 37 Mitglieder, die
7 Gulden und 16 Kreuzer aufbrachten (1840: 30 Mitglieder 5 fl. 28). Der Verein hält
stets eine Bibel zum günstigen Verkauf vorrätig. Jedoch muss im Jahresbericht 1868
mit Erschrecken festgestellt werden, dass jemand ein Neues Testament für
Branntwein verkauft hat.18
Der nächste Pfarrer in Vorderweidenthal, Karl Ludwig Theodor Heintz, stammte
aus Zweibrücken. Dort wurde er am 3.5.1815 als Sohn des Sattlers Paul Heintz und
der Sophie Bauer geboren. Nach Studium ab 1833 in Erlangen und Utrecht kam er
1837 in den Pfälzischen Kirchendienst. Nach einem Vikariat in Waldmohr war er
vom 26.3.1844 bis 1849 Pfarrer in Vorderweidenthal. Er ging am 10.5.1849 nach
Rohrbach bei Landau und starb dort am 20.11.1883. Heintz war mit Friederike
Elisabeth Schließ aus Bergzabern verheiratet. Er galt wird als leutselig und
freundlich.19 Sein Wechsel im Jahre 1849 lässt vermuten, dass Herche aus einer
Umgebung entfernt wurde, die im Zusammenhang mit der Revolution von 1848/49
stand. Die Revolution hatte vor den Pfarrhäusern nicht halt gemacht. Es kam zur
Absetzung und Strafversetzung von Pfarrern. In den Ortschaften nahe der
Französischen Grenze kam es zur Fluchthilfe für Revolutionsanhänger.
119
c. Von der Kirchenschließung zum Kirchenbau
Zuerst einige formelle Beobachtungen: Zur Pfarrei Vorderweidenthal gehörten 1843
außer den Parochialorten Dimbach, Darstein, Oberschlettenbach noch Erlenbach,
Busenberg, Schindhard und Bärenbrunnerhof. In Schreiben vom 8.6.1846 und 1849
hielt es das Konsistorium als unzumutbar für den Pfarrer, zu Fuß zu regelmäßigen
Gottesdiensten nach Dimbach zu gehen.20 Aber in Dimbach scheint man nicht
lockergelassen zu haben. Am 29.7.1849 hieß es aus Speyer, der Pfarrer könne,
„wenn er Lust hat, alle 3 Wochen in Dimbach Gottesdienst“abhalten. Im Jahre 1905
trug der Filialort für den Zusatzdienst jährlich 18 Mark zur Pfarrbesoldung bei. Seit
1950 werden in Dimbach alle 14 Tage Gottesdienste gehalten. Zur Pfarrbesoldung
gehörte laut Sachreiben vom 7.3.1848 der Holzbezug aus Oberschlettenbach.21 Nach
dem Jahresbericht von 1844 gehörten 1205 Personen zur Pfarrei.
Die Kirche wurde am 28.1.1846 und wiederum am 23.4.1847 für baufällig erklärt
und baupolizeilich geschlossen. Die Gottesdienste fanden im Schulhaus statt.22 Doch
wurde sofort an einen Neubau gedacht. Die Regierung genehmigte am 21.8.1846
den Einschlag von Eichen im Gemeindewald von Darstein. Am 15.5.1847 reagierte
das Dekanat auf einen Bauantrag des Pfarramtes vom 16.2.1847. Vorhandene
Kapitalien im Umfang von 50 Gulden wurden zu 3% Zinsen angelegt.23 Nach dem
Jahresbericht von 1848 verlief die Sammlung über mehrere Jahre. Inzwischen
leisteten nach dem Weggang von Pfarrer Diethmann die Vikare Caselmann und
Lyncker24 Dienst in Vorderweidenthal. Tatsächlich hatten die revolutionären
Ereignisse den Kirchenbau aufgehalten. Da der „Zusammensturz“einer Seite des
Langhauses befürchtet wurde, entschloss man sich am 23.5.1864 zum kompletten
Abriss. Von der alten Kirche blieb im Turm ein Stein mit der Jahreszahl 1489
erhalten.
Grundriss der Kirche von 1865 ans den Kunstdenkmalen Bergzabern. Der Plan lässt mit
gestrichelter Linie die Lage des Vorgängerbaus erkennen. Der um 80 cm angehobene
Kirchenbau hatte dennoch mit der aufsteigenden Feuchtigkeit zu kämpfen.
120
Am 12.6.1864 wurde der Grundstein zur heutigen Kirche gelegt. Konsistorialrat
König, Pfarrer Dr. Philipp Schwarz als Dekan und Senior Herche zu Rinnthal (der
frühere Ortspfarrer) nahmen am 10.12.1865 die Einweihung vor.25 Pfarrer Liborius
Matthäus Diethmann hielt während seiner gesamten Dienstzeit seine Gottesdienste
in Vorderweidenthal im Provisorium Schulhaus.
Diethmann stammte aus Unterfranken (geboren in Oberlauringen am 18.9.1816) und
war ein Sohn des Knechtes Valtin(!) Seufert und der Johanna Catharina Diethmann,
Müllerstochter, später Handarbeitslehrerin. Nach Besuch des Gymnasiums in
Schweinfurt und Studium 1840/44 in Erlangen leistete er nach dem 1844 abgelegten
Examen 1845/49 Dienste als ständiger Vikar in Quirnbach, 1849 in derselben
Funktion in Queichheim, ehe der Aufsteiger das Vertrauen des Konsistoriums fand
und ab 5.1.1850 bis 1857 als Pfarrer in Vorderweidenthal fungierte. 1857 bis 1860
war er Pfarrer in Heuchelheim bei Landau, ging 1860 nach Rechtenbach und starb
dort am 23.7.1879. 1850 heiratete er Anna Babette Cunigunda Batz, Tochter eines
Zollwarts in Gräfenberg (Mittelfranken, sie starb 1908). Diethmann, ein Schüler der
lutherischen Theologen Harleß, Thomasius und Thiersch in Erlangen, legte Wert auf
eine umfassende Teilnahme der Gemeinde am kirchlichen Geschehen und sah das
gelegentliche Durchziehen von Vaganten und Musikanten kritisch, da für die
Sittlichkeit verderblich. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern war er theologisch
konservativ eingestellt.26
Mit Georg Zimmermann aus Fußgönheim, am 1.10.1823 geboren, Sohn des
Lehrers Jakob Zimmermann und der Juliane K∞b kam erneut ein theologisch
liberaler und als Vikar sogar politisch aktiver Mann als Pfarrer nach
Vorderweidenthal. Nach Studium von 1843 und 1847 hauptsächlich in Erlangen und
dem Vikariat in Lachen, Wolfstein und Neuhäusel wurde Zimmermann wegen seiner
Beteiligung an der revolutionären Bewegung am 22.9.1849 in Neuhäusel entlassen.
Erst 1856/58 begegnet er wieder als ständiger Vikar in Neuhofen und wurde am
14.5.1858 Pfarrer in Vorderweidenthal. Er erlebte den Kirchenbau und blieb hier bis
zum Jahre 1867. Zimmermann ging am 21.4.1867 nach Gönnheim und wurde nach
seinem Tode dort am 7.4.1877 begraben. Geheiratet hatte er am 8.5.1860 in
Albersweiler Elisabeth Culmann aus Albersweiler 27.3.1886).27
e. Im Pfälzischen Gesangbuchstreit von 1861
In Zimmermanns Zeit fallen die Auseinandersetzungen um ein neues pfälzisches
Gesangbuch. Sie tobten im Dekanatsort Bergzabern ausgesprochen heftig und
fanden auch in Vorderweidenthal ihren Niederschlag. Die politisch wie kirchlich
liberale Opposition nahm das von der Pfälzischen Generalsynode beschlossene und
nun einzuführende neue Pfälzische Gesangbuch zum Vorwand, um den wenig
beliebten Konsistorialrat August Ebrard (1853-1861 )28 in Speyer anzugreifen und
121
letztlich abzulösen. Das Gesangbuch selbst darf nicht nur aus heutiger Sicht in
seinem Entwurf als gelungen bezeichnet werden. Es sollte das alte rationalistische
Gesangbuch mit seinen Umdichtungen und Venünfteleien ersetzen. Im Sinne der bei
Ernst Moritz Arndt in seiner Schrift „Vom Wort und dem Kirchenliede“favorisierten
Rückbesinnung auf die Originale der Liederdichter entstand ein Werk auf der Höhe
der Zeit. Doch haben sich die Bearbeiter bei der Vorbereitung so gut gefallen, dass
der Umfang mit über tausend Nummern viel zu groß ausfiel. Den Liberalen
missfielen einige Lieder aufgrund ihrer bibelnahen Sprache, sodass sie gegen die
Einführung des Gesangbuchs polemisierten. Erst 1905 sollte ein neues pfälzisches
Gesangbuch das rationalistische Unionsgesangbuch von 1823 ersetzen. - Das
Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz verwahrt folgenden
Aktenvorgang:29
„Die gehorsamst unterzeichneten Bewohner der protest. Gemeinde
Vorderweidenthal sehen sich veranlaßt an das kgl. Prot. Consistorium zu Speyer die
unterthänigste Bitte zu stellen, Hochdasselbe wolle wohlgefälligst um weiteren
Unruhen in der Gemeinde und um der Störung des kirchlichen Friedens vorzubeugen
genehmigen, daß auch hier wie in noch gar vielen Gemeinden bereits geschehen, das
alte Gesangbuch wieder in Kirche und Schule bis zur definitiven Einführung des
neuen Gesangbuchs in sämmtlichen protest. Gemeinden (der Pfalz) eingeführt
werden dürfe und das kgl. Protest Pfarramt dahier mit der Wiedereinführung
desselben zu beauftragen. In der Hoffnung einer gütigen Willfahrung der
gehorsamsten Bitte verharren mit vollkommenster Hochachtung die gehorsamsten
Bittsteller ...“Es folgen die Unterschriften von etwa 50 Gemeindegliedern, ähnliche
Listen sind im gleichen Konvolut aus Oberschlettenbach und Darstein überliefert.
Aufgrund der Eingabe forderte Börsch30 das Dekanat am 13.5.1861 „zur genauen
Prüfung der thatsächlichen Verhältnisse“auf und erinnerte an den Beschluss der
Generalsynode zum neuen Gesangbuch. Doch in der Gemeinde waren die Fronten
verhärtet. Am 17.5.1861 beschlossen die drei Presbyterien in Oberschlettenbach
gemeinsam die Wiedereinführung des alten Gesangbuchs am zweiten Sonntag nach
Trinitatis. Das Pfarramt meldet unterdessen am 20.5.1861 ans Dekanat, am 11.
Januar und am 21. Februar wäre das neue Gesangbuch nach Kundwerden eines
Regierungserlasses vom 12.12.1860 in Schule und Kirche zunächst ohne Widerstand
eingeführt worden. Doch dann hätten sich durch den Einfluss von außen die
Oppositionskräfte geregt. Gegen das Gesangbuch gab es offenen Widerstand, indem
sich die Kinder weigerten, das neue Gesangbuch in die Schule mitzunehmen. Die
Eltern hatten es ihnen verboten. Eine Opposition „von außen her“hätte sich ab
Februar „mit aller Macht und Verführung“betätigt. Listen zum Unterzeichnen gegen
das neue Gesangbuch kursierten; sie wurden dem Vernehmen nach von beinahe allen
Gemeindegliedern unterzeichnet, schrieb Pfarrer Zimmermann. Die Außeninitiative
sei von Tag zu Tag gewachsen. Sie habe „Blätter“ins Dorf hereingespült“und damit
auf das Presbyterium Druck ausgeübt:
122
„Das unterzeichnete Pfarramt belehrte es [das Presbyterium] erneut. Vergeblich! Die
Kirchengemeinde trat, gestützt auf die allerhöchste Entschließung vom 19. April d.
J., jetzt mit allem Trotze und begünstigtem Selfgovernment in kirchlichen Fragen
auf und brachte mit Ausnahme eines einzigen Mädchens das neue Gesangbuch vom
Sonntage Cantate an nicht mehr zur Kirche. Es sangen von da an nur noch Pfarrer
und Lehrer! Anstatt den Entschluss der Gemeinde dem unterzeichneten Pfarramt
bekannt zu geben, ging die Gemeinde unbekümmert an jede kirchliche Vertretung
und Staat selbsthätig voran. ...“„Eine Vermittlung ist also nicht mehr möglich, aber
dem unterzeichneten Pfarramt ist es nicht möglich, die Hohe Kirchenbehörde um
Willfahrung der Bitte der Protestanten zu bitten.“ Zimmermann teilt diesen
Presbyterbeschluss vom 26.5.1861 mit, den er zu seinem Schutze nicht mit seiner
eigenen Unterschrift, sondern nur von den Presbytern unterschrieben weitergeleitet.
Das Verhalten Zimmermanns erweist sich als klug, andernorts in der Pfalz kam es
zu Versetzungen und sogar zur Entfernung aus dem Kirchendienst. Der
Gesangbuchstreit ist vielerorts untersucht worden. Er hat den Protestantenverein zur
starken und selbstbewussten Kirchenrichtung in der Pfalz gemacht.31
Bis zum Ersten Weltkrieg verlief das kirchliche Leben in Vorderweidenthal wieder
in ruhigeren Bahnen. Pfarrer Ludwig Mettel wurde am 25.8.1837 in Lauterecken
geboren. Der Sohn des Bäckers und Wirtes Jakob Mettel und der Wilhelmine
Schneider studierte in Erlangen, Heidelberg und Utrecht. Er war Vikar in Mittelbach,
Landstuhl und Neuhofen, war Vikar bei dem alten Pfarrer Esch in Bischheim und
heiratete Ella Rettig vor seiner Versetzung nach Vorderweidenthal. Am 6.11.1867
kam er nach Vorderweidenthal, wurde Pfarrer, wechselte aber schon 1871 nach
Annweiler II und 1879 Annweiler I, bevor er am 16.9.1886 Dekan in Homburg
wurde und dort am 22.3.1894 starb. Verheiratet war er mit Anna Charlotte Salome
Wolf. 1868 hielt Mettel am Sonntag Okuli einen Gedenkgottesdienst auf den Tod
des abgedankten Königs Ludwig I. - unter großer Teilnahme der Bevölkerung. 1870
vermerkt der Visitationsbericht, Mettel lese von Meyer das Neue Testament und die
Homiletik oder Apologetik Baurs, Werke von Luthardt und Riggenbach.32 Mettel
war schriftstellerisch Tätig. Seine Vorträge tragen einen deutschnationalen Unterton.
Wann das hier abgedruckte Gedicht „Haussegen“entstanden ist, ist unbekannt:
Haussegen.
O selig Herz,
Das Er, der Herr, zur Wohnung sich erwählet!
Die Welt entzweit sich, doch das merkt es nicht;
Es denkt nur Ihn, der sich ihm hat vermählet.
Es sucht nur Eins, sein Gnadenangesicht.
Geschmückt mit Maien, Gotteswonne fein,
Schließt es ja doch das höchste Kleinod ein -
Dies Herz sei Dein!“
123
O sel’ger Bund,
Wenn sich im Herrn zwei solcher Seelen einen!
Wohl nennen Trübsal sie ihr irdisch Theil
Vom ersten Scheiden bis zum letzten Weinen -
Gott will es so. gewiß zu ihrem Theil
Vom ersten Scheiden bis zum letzten Weinen -
Gott will es so, gewiß zu ihrem Heil.
Denn Lieb’ in Lust, die bringet Höllenleid,
Doch Lieb1 in Gott ist Himmelseligkeit -
Gott sei mit euch!
O selig Haus,
Das Haus, das so zu Gottes Ehr’ erbauet!
Nein, wie die Herzen, rein ist Fach und Schrein;
Den Engeln ist dies Hauses Hut vertrauet,
Der Freund der Kleinen kehret segnend ein:
Kein Strom der Welt löscht seinen Segen aus,
Das Haus der Liebe ist ein ewig Haus -
Das walt’ euch Gott!
Ludwig Metter33
Die Wendung „ewig Haus“ist übrigens der Arbeitstitel des Fragments von Jochen
Klepper, „Das ewige Haus“, ein geplanter Roman des protestantischen
Liederdichters und Schriftstellers (1903-1942), davon nur das erste Kapitel unter
dem Titel „Die Flucht der Katharina von Bora“nach dem Zweiten Weltkriege
erschienen ist. Die schwerfällige bis schwülstige Dichtung Metteis (sie ähnelt der
späteren Heimatdichtung z. B. von Jakob Böshenz, 1871-1979 oder Leopold Reitz,
1889-197234) lässt lange im Ungewissen, um welches Haus es sich handelt; dass es
ums Pfarrhaus geht, wird nur für den Spezialisten erkennbar. Erfahrungen aus dem
Pfarrhausdasein sowohl in Vorderweidenthal als auch in Annweiler mögen hier
eingeflossen sein.
Die Tochter Elise Karoline Maria Mettel gen. Ella (* Vorderweidenthal 4.11.1869,
† Zweibrücken 1.3.1942) heiratete am 26.4.1892 in Homburg den Theologen Karl
Rettig. Sie war Mutter zweier Pfarrer, darunter der spätere Dekan zu Bergzabern,
Theodor Rettig (1900-1985).35, 36 Zwei Söhne Metteis (Vettern der Theologen
Rettig) wurden ebenfalls Pfarrer. Ludwig Ferdinand Mettel37 und der spätere Dekan
von Bergzabern Friedrich Ludwig Mettel.38
Karl Friedrich Wilhelm Mohr war auch kurze Zeit Pfarrer in Vorderweidenthal.
Der am 4.3.1833 in Obrigheim geborene Sohn des Lehrers Friedrich Mohr und der
Marie Heser wurde nach Studium in Erlangen, Heidelberg und Utrecht 1863 in den
124
pfälzischen Kirchendienst aufgenommen. 1871 war er Verwalter in Wolfstein,
1871/72 ständiger Vikar in Dennweiler-Frohnbach und vom 14.3.1872 an Pfarrer in
Vorderweidenthal. Am 4.12.1882 wechselte er nach Tiefenthal und starb dort am
14.7.1908. Er war verheiratet mit Magdalene Schifter. Zwei ihrer Söhne wurden
Pfarrer.39) Mohr beobachtete das Vorhandensein von Hausandachten und
Abendgebet in den Familien, notiert 1877 keine unehelichen Geburten, schreibt
1876 vom guten Beispiel der Presbyter im Verein mit anderen kirchlich Gesinnten40
und hebt sich in seinen Berichten von den kulturpessimistischen Beobachtungen
seiner Kollegen vor und nach ihm ab. Mohr plädierte für die Auslagerung der
Pfarrorte Busenberg und Schindhardt nach Dahn. Nach dem Visitationsbericht von
1873 mache er sich Exzerpte aus theologischen Schriften, habe eine „ziemliche
Bibliothek“und sei Mitglied im (theologischen) Leseverein (Bergzabern).
In der Vakanz predigte Vikar Heinrich Noé (1859-1948), Sohn eines Haßlocher
Lehrers, am Reformationstag 1883 über Matthäus 15, 21 ff. anlässlich des Jubiläums
des 400. Geburtstages Martin Luthers ließ Noe an die Kinder Lutherschriften
verteilen, so dass in jedes Haus ein Exemplar kam.41 1884 feierte er hier ein
Zwinglijubiläum (Jahresbericht), wie es in der Landeskirche üblich war. Noe wurde
1886 Pfarrer in Bellheim, 1892 in Hornbach II, 1897 in seiner Heimatgemeinde
Haßloch und wurde bei seinem Eintritt in den Ruhestand 1929 zum Kirchenrat
ehrenhalber ernannt. Er starb in Neustadt a. d. W. am 27.6.1948. Er war verheiratet
mit Barbara Damian. Der fromme Noe schrieb u.a. Lebensläufe von einigen
Theologen der positiven (erweckten) Richtung.
Wilhelm Rupp - wie Noé Sohn eines Lehrers - wurde am 8.9.1857 in Callbach
geboren. Der Vater hieß Friedrich Ludwig Rupp, die Mutter Anna Marie Böhler.
Nach Studium ab 1876 in Erlangen und im Jahre 1880 in den Kirchendienst
aufgenommen, kam wurde er Vikar in Speyer, Dahn und Ludwigshafen.
Vorderweidenthal war seine erste Pfarrstelle. Hier blieb er vom 16.12.1883 bis 1887.
1887 ging er nach Barbelroth und starb dort am 11.6.1893 im Alter von nur 36
Jahren. Verheiratet war Rupp mit der Pfarrerstochter Johanna Friederike Karoline
Heim (1870-1934). Sie heiratete 1904 in zweiter Ehe den Pfarrer Karl Wilhelm
Reichhold. Der Visitationsbericht Dekan Maurers von 1887 bezieht sich bei der
Angabe der Lektüre des Pfarrers auf Rupp. Maurer notiert, Rupp lese die Dogmatik
von Frank. Gemeint war der Daniel Frank, Professor in Jena (1832-1904).42
Außerdem war er Mitglied des theologischen Lese- und Broschürenvereins
Bergzabern. Den Presbytern stellte Rupp kein gutes Zeugnis aus. Sie seien ein
schlechtes Vorbild für die Kirchlichkeit. Außer den Kunkelstuben kritisiert er das
nächtliche Umherziehen der männlichen und weiblichen Jugend bis nach
Mitternacht, der materielle Sinn sei allgemein verbreitet, der Aberglaube grassiere.
Mehrere Familien seien durch den Branntweingenuss gänzlich verkommen, sogar
am Sonntagmorgen halte man sich während des Gottesdienstes schon in
125
Wirtshäusern auf.43 Rupp war ein persönlich frommer Mann. Er hielt in Barbelroth
Missionsstunden ab, hatte dort aber auch einen Konflikt mit einigen jungen Leuten,
die sich bei der Abendmahlsvermahnung persönlich angesprochen gefühlt haben.44
Die Vakanz nach Rupp vertrat Karl Theodor Schuler, 45 Lehrersohn aus Erlenbach
bei Kandel, geboren am 31.10.1863, Sohn von Adam Schuler und Luise Keßler.
Nach Studium ab 1886 in Heidelberg und Eintritt in den Kirchendienst im Jahre
1890 wurde er 1891 Vikar in Lachen, 1884 Verweser in Kerzenheim, danach in
Vorderweidenthal, 1895 ständiger Vikar in Hüffler-Wahnwegen, 1899 bis 1909
(i.R.) Pfarrer in Imsbach. Schuler starb in Kirchheimbolanden am 15.3.1912. Er war
mit Berta Wagner verheiratet.
Karl Otto Westenberger war Pfarrverweser in Vorderweidenthal. Im Jahresbericht
für 1887 beklagte er, die Sittlichkeit ließe viel zu wünschen übrig. Westenberger
stützte sich allerdings auf Stereotypen, die in den Pfarrberichten seit Jahrzehnten
wiederholt auftraten: uneheliche Geburten, geringe Frömmigkeit, Kritik der
Kunkelstuben, Branntweingenuss und mangelnde Kinderzucht der Eltern. - Der
Bauernsohn Westenberger wurde am 16.4.1862 in Odenbach am Glan geboren und
trat 1886 in den Pfälzischen Kirchendienst ein. 1888/90 war er Vikar in Callbach,
1890 Pfarrer Glan-Münchweiler, 1921 Dekan in Kusel. Dort starb er am 29.12.1930.
Am 11.10.1890 hatte er in Meisenheim Ella Schäfer (1865-1935) geheiratet.46
Eugen Friedrich Ferdinand Stepp47 war in dritter
Generation Pfarrer. Sein Vater Adolf Stepp wurde Dekan von
Obermoschel und Kaiserslautern. Die Mutter hieß Auguste
Schmidt.48 Eugen Stepp wurde in Katzweiler am 3.5.1859
geboren. Er studierte ab 1881 in Straßburg, Jena und
Heidelberg, trat 1885 in den Kirchendienst und wurde Vikar.
Am 1.11.1888 kam er als Pfarrer nach Vorderweidenthal und
zog schon 1894 weiter nach Kerzenheim. 1901 ging er nach
Minfeld, trat 1922 in den Ruhestand und starb in Bergzabern
am 11.8.1944. Stepp war seit 1892 verheiratet mit Elise
Hildebrand († Bergzabern 23.11.1946), Tochter des Seminardirektors in
Kaiserslautern Karl Hildebrandt und Marie Schwarz. Im Jahresbericht von 1889
beklagt Stepp den schwachen Besuch der Passionsgottesdienste. Bei der Visitation
gibt er im gleichen Jahre an, er lese derzeit von Honegger einen „Grundriss der
allgemeinen Cultur“.49 Der Visitationsbericht von 1891 vermerkt, der Pfarrer besitze
eine Sammlung theologischer Lehrbücher, studiere praktische theologische Literatur
und nennt besonders ein ins Deutsche übersetzte Sammelwerk des Niederländers
Daniël Chantepie de la Saussaye.50
126
Pfarrer Konrad Sauter stammte aus Lachen. Dort wurde er am 8.4.1864 geboren.
Sein Bruder Ludwig (1869-1951) war ebenfalls Pfarrer.51 Nach dem Studium in
Berlin und Heidelberg wurde er 1889 Vikar in Münchweiler an der Alsenz und
Hüffler- Wahnwegen. Am 1.6.1895 wurde er Pfarrer in Vorderweidenthal, nach
vielen Pfarrerwechseln wieder einmal für eine längere Zeit. Im Visitationsbericht
von 1902 wird gerügt, dass die Orgel zu laut spiele und den Gemeindegesang
übertöne. Der Gemeindegesang war schwach, da der Gemeinde die Liedermelodien
nicht bekannt waren. Der theologische Lesestoff des Pfarrers beschränkte sich auf
praktische Literatur.52 Zum Jahreswechsel 1908/09 ging Sauter nach Lautersheim
und Ende 1914 nach Erpolzheim. Am Ende seiner Laufbahn war er müde geworden.
1929 trat er in den Ruhestand und starb in Bad Dürkheim am 31.3.1935. Verheiratet
war er mit Mathilde Schmidt (geb. 1868, † Bad Dürkheim 15.7.1955). - Die
Vakanzvertretung bis 15. Juli 1909 übernahm Pfarrverweser Reinhold Scheid (1883-
1950), 1911 Pfarrer in Jettenbach, 1913-1922 (im Ruhestand in Erlenbach bei
Kaiserslautern), † Edenkoben 15.1.1950, ledig.
Aus der Perspektive der Kirchengeschichtsschreibung der
Gegenwart von Interesse ist Pfarrer Georg Valentin
Wambsganß.53 Anders als sein Vorgänger nahm er, bis zum
Ende des Krieges ein treuer Diener der Staatskirche, die
Zeichen der Zeit wahr. Der Visitationsbericht von 1910 gibt
Aufschluss über die dienstlichen Verhältnisse der scheinbar
„guten alten Zeit“: Wambsganß urteilte über den Dorflehrer,
der zugleich Organist und bisweilen auch Kirchendiener
war, hier aber eine andere Person, „sie tun ihre
Schuldigkeit.“ Er selbst befasste sich mit Werken Houston
Stewart Chamberlains, 54 las Kant und Wernle, „Einführung
in das theologische Studium“„und hielt daneben theologische und andere
Zeitschriften. Demnach war er ein belesener Theologe ganz am Puls seiner Zeit (der
Schweizer Wernle war ein vergleichsweise junger Theologe), wenn auch der Name
Chamberlain die Verbreitung chauvinistischer Ideen anzeigt. Über die Orgel urteilt
er, sie sei „alt“. Offenbar war das Orgelwerk im Laufe der Zeit abgenutzt und
verbraucht.
Im Jahre 1911 pries Wambsganß den Prinzregenten Luitpold in einem Gottesdienst
zu dessen 90. Geburtstag einen „Vater des Vaterlandes“. Die Schulkinder erhielten
Brezeln und ein Prinzregentenbüchlein. 56 In Leinsweiler kritisierte Wambsganß den
gedankenlosen Umgang mit Lebensmitteln am Ende des Krieges, als andere hungern
mussten. In Neuhofen war er als Vertreter der Gruppe des „Bundes Religiöser
Sozialisten in der Pfalz“ in die Landessynode gewählt worden. Kein geringerer als
Kirchenpräsident Karl Heinrich Fleischmann (1867-1954) verteidigte das Rederecht
in der Landessynode auch für diese aus dem alten Schema herausspringende
127
Gruppe.57 Wambsganß war Mitherausgeber der Wochenschrift „Der religiöse
Sozialist“. Geboren in Speyer am 11.5.1879, wurde Wambsganß nach seinem
Studium 1903 in den Kirchendienst aufgenommen. Vikarsdienste leistete er in
Mutterstadt, Limburgerhof und Ludwigshafen. Vom 19.5.1909 an war er Pfarrer
Vorderweidenthal. Am 1.5.1914 ging er nach Leinsweiler, am 1.3.1921 nach
Neuhofen. Von dort wurde er am l.2.1936/42 nach Dammheim versetzt und starb am
7.5.1942 in Landau. Verheiratet war Wambsganß mit Emma Margarethe geb.
Wambsganß aus Landau.
Noch ganz in die Zeit der Staatskirche hinein gehört der nachfolgende Verweser
(Verwalter) der Pfarrei Rudolf Becker,58 geboren in Eßweiler am 5.2.1891, Sohn
des Sattlers Philipp Becker und Karoline Martin. Nach Abitur im Jahre 1909 in
Kaiserslautern und Studium in Straßburg, Heidelberg, Leipzig und Gießen war er
1913 Privatvikar in Lachen. Am 16.6.1914 wurde er Verweser in Vorderweidenthal,
am 16. l. 1915 in Annweiler II, 1916 in Wallhalben und Luthersbrunn, dort ab 1919
Pfarrer, 1922 in Heimkirchen, 1932 in Colgenstein, trat zum 1.7.1957 in Ruhe und
starb in Grünstadt am 10.12.1959. Er war seit 1922 verheiratet mit Johanna Knerr
aus Kröppen (geb. 1900).
f. Der Friedhof
Abschließend zu dieser Epoche ein Wort zum 1839 eröffneten heutigen Friedhof,
damals „vor dem Dorf: Dieser wurde 1881 erweitert und war ab 1940 auch
Soldatenfriedhof. Im Zuge der aufgeklärten Hygienevorschriften forderte der
bayrische Staat im Anschluss an eine Verordnung Kaiser Josephs II. für Wien die
Verlegung der Friedhöfe aus der Ortsmitte - dort waren sie als Kirchhöfe seit dem
Mittelalter zumeist angelegt vor die Orte und Städte.59 Diese Veränderung wurde
fast Überall in Deutschland vorgenommen. Die Friedhöfe blieben nur am alten Platz,
wenn die Kirche in Ortsrandlage stand.
128
Blick auf die Friedhofshalle
Blick über den Friedhof auf das Dorf mit der Kirche im Zentrum
129
Denkmalkreuz oberhalb der
Kriegsgräberstätte
77 Kriegstote haben in Vorderweidenthal ihre letzte Ruhe gefunden.
130
Auch einige Frauen befinden sich unter den hier begrabenen Kriegsopfern. Das
jüngste Opfer war ein Mädchen von 14 Jahren. Den Kampfhandlungen fiel ein
Mann aus Vorderweidenthal zum Opfer, der ebenfalls im Ehrenfriedhof seine letzte
Ruhe gefunden hat.
Erinnerungstafel am Straßenseitigen Zugang zur Kriegsgräberstätte. Sie wurde im
Jahre 1957 eingeweiht. Die Sandsteine der 12m langen Einfriedungsmauer wurden
1956/57 aus dem gemeindeeigenen Kirchensteinbruch gewonnen. Die im März
2013 durch einen Verkehrsunfall beschädigte Mauer musste wegen Instabilität
abgetragen werden und wird zur Zeit der Abfassung dieses Beitrags durch einen
Steinmetzbetrieb von Grund auf neu aufgezogen (Die Rheinpfalz - Ausgabe Landau
v. 4.5.2013)
131
_______
1. Biundo 5001 und Ergänzungen.
2. Ein Fallbeispiel für die. Pfalz: Karl Baumgar Philipp Jacob Roemmich (1766-1813).
VVPfKG21 (1999).
3. The Hauke Family from Wetzlar, http://www.wargs.com/royal/hauke.html (1.3.2013).
4. Biundo 5000.
5. Biundo 137, 138. Da ihre Söhne bereits 1810 und 1813 geboren wurden, war Karoline kaum
die Tochter des Vorderweidenthaler Pfarrers (gegen Biundo).
6. Biundo 4077.
7. Bernhard H. Bonkhoff u. Sonja Schnauber, Quellenbuch zur Pfälzischen Kirchenunion:
VVPfKG 18 (1993), 249-253. Weitere Beispiele zur rationalistischen Dichtung im
Unionsgesangbuch und zur Person Müllers bei Friedhelm Hans, Die kirchlichen Verhältnisse
nach der Pfälzischen Kirchenunion von 1818 bis zum Neubau der Kirche [Unterkapitel zur
Ortskirchengeschichte]: Erpolzheim. Lebensbild eines Dorfes Bd. 2, Erpolzheim 2011. 207-
226.
8. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal) Nr. 5; zu Walther s. Robert Hensel, Geschichte Bergzabern,
372ff. u.a.; die Diözesansynode vermisst alte und beliebte Lieder im Gesangbuch von 1823,
Hensel 397: Friedhelm Hans, Grundlinien evangelischer Kirchengeschichte in Barbelroth.
Germersheim 2004, 123-173; Biundo 5695.
9. Friedrich Theodor Frantz, Morgenröthe 5 (1846), 361 z. n. Bonkhoff/Schnauber 249 f.: zu
Frantz s. Biundo 1404, BPfKG 47 (1979), 48 (1980).
10. August Becker, Die Nonnensusel, überarb. Ausgabe v. Oskar Bischof. Neustadt 1962, 66: die
5. Aufl. Kaiserslautern 1919, 76, enthält den - originalen - Klammerzusatz.
11. Zu Scholler s. Biundo 4875, vgl. auch Friedhelm Hans, Der Landauer Pfarrei-Stammtisch
und seine Vorläufer im Gefüge anderer Pfarrversammlungen: BPfKG 79 (2012), 87-134, bes.
104. Scholler als Schriftsteller: Zeugnis der Wahrheit in Sachen der evangelischen Kirche der
Rheinpfalz, München 1861; Schilderung seiner Reise nach Italien (1829). 2 Bde. 1831/32:
Christian Knapp und seine literarische Leistungen, Leipzig 1839; Katechismus der
evangelisch protestantischen Kirche in der bayrischen Pfalz am Rhein, 1846: Pfälzer Briefe,
1858; Das Recht des Gewissens, 1856.
12. *J815, Tochter von Biundo 4226 (Friedrich Wilhelm Reichhold, 1779-1836; über ihn
Friedhelm Hans in Erpolzheim Bd. 2 (wie Anm. 7), 207.
13. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal), Nr. 22; ZASP Abt. 44.11 (Pfarrbuch 1843/53).
14. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal), Nr. 29.
15. Biundo 2088, Sohn von Biundo 2087; Lit.: Friedhelm Hans, Barbelroth (wie Anm. 8), 123-
173. hier 143.
16. Jahresberichte ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal). Nr. 14.
17. ZASP 44 (Vorderweidenthal). Nr. 17.
18. ZASP 44 (Vorderweidenthal), Nr. 16.
19. Biundo 2009, BPfKG 49 (1982); Dietmar Wenzel, 500 Jahre Kirche in Rohrbach, Meisenheim
o. J. [1984]. 162, nennt die acht Kinder der Eheleute Heintz, von denen fünf als Kinder
gestorben sind.
20. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal), Nr. 26.
21. ZASP Abt. 44’(Vorderweidenthal), Nr. 11 Pfarrbuch für die Jahre 1843/53: Abt. 44
(Vorderweidenthal). 275.
132
22. ZASP44 (Vorderweidenthal), Nr. 22 Jahresberichte..
23. ZASP 44 (Vorderweidenthal Nr. 19.
24. Hermann Wilhelm Caselmann, 1820-1902. 1847 Pfarrer Annweiler II 1852 Neustadt a. d.
Haardt III, 1857 Dietersdorf, 1861 Ansbach, 1877 (i. R.) Dekan Bayreuth, Kirchenrat, †
17.11.1902: beerdigte Richard Wagner: ∞ 3.9.1846 Julie Karoline Culmann (* Bergzabern
1829), T. v. Biundo 860; Werke: Wie Dr. Märt. Luther den rechten Grund des Glaubens
gefunden, 1846: Herausgeber des „Evang. Kirchenboten“: Biundo 737; Karl Theodor August
Wilhelm Lyncker, 1816-1895, 1840 Pfarrer Nohfelden, 1848 Annweiler I, 1853 Dekan
Bergzabern I, 1859 Dekan Speyer l, 1883 Kirchenrat, † 7.8 1895. 1849-1893 Vors. d. Basler-
Mission-Vereins: Vorbereiter des Baus der Gedächtniskirche in Speyer; ∞ 7.7.1841 Karoline
Wilhelmine Fuchs (1822-1876), h (17 Kinder): Veröff.: Erste Unterweisung aus Gottes Wort
1865; Der Katechismusstreit der evang. Kirche der Pfalz 1871: Die Entwicklung des
kirchlichen Lebens in der vereinigten Kirche der Pfalz. Speier 1860; Bausteine zur
christlichen Lehre; Presbyterialverfassung 1888; Biundo 3253.
25. Angaben nach den jeweiligen Jahresberichten. Zu den Personen: Karl Philipp Jakob König,
* Dürkheim 22.11.1804. 1832/41 Stud. Lehrer Dürkheim. 1841/48 Pfarrer Oppau, 1848/56
dritter Pfarrer Speyer, 1857/64 Pfarrer Wachenheim (Haardt). 1864 dritter Pfarrer u. zweiter
geistl. Rat Speyer. 1876 emeritiert, † Speyer 10.5.1888: Dürkheim 2.12.1832 Amalie Luise
Mühlhäuser; Werke: Botanischer Führer durch die Rheinpfalz. Hochverdient um den Pfälz.
Gustav-Adolf-Verein und den „Retscherverein“- Bildnis in der Gedächtniskirche Speyer;
Biundo 2818, BPfKG 51 (1985): Johann Philipp Schwarz, Dr. phil., * Emskirchen an der
Aaurach 8.5.1810. 1835 in München (Predigerseminar u. Spitalgeistlicher). 1837 in Tirol,
1838/39 Stud. Berlin 1839/43 Vikar Passau, 1841 Dr. phil. Erlangen. 1843/46
Religionsprofessor Lyzeum Speyer, 1846/56 Pfarrer Odernheim am Glan, 1856/61
Bergzabern II, 1861/69 Dekan Bergzabern I. † 4.2.1869; ∞ Pauline Kollenberger. Biundo
4981; Veröff.: De populorum ingenio in decursu historiae universalis conspicuo (Dissertation
Erlangen 1841); unter dem Pseudonym „Philipp von der Aaurach“: Das Heil kommt nicht
von Österreich. 1859: Schleswig-Holstein und Preußen, Mannheim 1865; Die kirchlichen
Simultanverhältnisse in der Pfalz am Rhein, Mannheim 1866: Der Luxemburger Händel und
die Französischen Rheingelüste, München 1867; Unterlagen und Vorarbeiten zu C. Menzel,
Herzog Wolfgang von Zweibrücken, Bonn 1893: Mitbegründer und 1863/69 Redakteur der
„Union“. Robert Hensel bescheinigt dem zunächst mit Vorbehalt aufgenommenen Dekan
Schwarz und seinem liberalen Kollegen Maurer in Bergzabern nach dem Gesangbuchstreit
eine konstruktive Zusammenarbeit: Hensel, Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde
Bergzabern seit der Reformation, Zweibrücken 1993, 465.
26. Biundo 952, BPfKG 45 (1978), BPfKG 54 (1987). Als uneheliches Kind einer Bürgerlichen
gelang ihm ein für die damalige Zeit erstaunlicher Aufstieg, s.a. die Angaben über ihn bei
Friedhelm Hans, Aus der Geschichte, der protestantischen Gemeinde in Schweigen: 1200
Jahre Schweigen, Germersheim 2002, 223-252, bes. 238.
27. Biundo 6101.
28. Biundo 1061 u. Ergänzungen. BPfKG 45 (1978).
29. ZASP Abt. 102, Nr. 103 v. 6.5.1861.
30. Friedrich Börsch, 1794-1880. 1820Verw. Kleinhockenheim, zugl. 1819 Stud. -Lehrer
Grünstadt, 1822 Stud. -Lehrer Dürkheim, 1829 Stud. -Lehrer Grünstadt, 1831 Pfarrer
Mußbach. 1836 Dekan Neustadt III, 1841 Kaiserslautern II, 1842 Kaiserslautern I. 1847
Konsistorialrat Speyer, infolge des Gesangbuchstreites 27.2.1863 in Ruhe, † Speyer
27.9.1880 (Grabrede u. Nekrolog von Dekan Lyncker. Kaiserslautern 1880); ∞ 1824 Susanna
133
Vogeley († Speyer 27.2.1875); Veröff.: Zweifel und Glaube, 1829; Tempelbilder: 1832;
Biundo 487.
31. Friedhelm Hans, Jakob Exter (1817-1889). der erste Vorstand des Protestantischen Vereins
der Pfalz; BPfKG 76 (2009), 93-112; dort weitere Literatur.
32. Jahresberichte ZASP 8 Nr. 65; Heinrich August Wilhelm Meyer, ev.-luth. Exeget und
Theologe, 1800-1873, bekannt, als Begründer einer kritischen Kommentarreihe zum Neuen
Testament: Gustav (?) Baur, Theologieprofessor in Leipzig, 1816-1889; Christoph Ernst
Luthardt, Neutestamentler, Professor in Leipzig, 1823-1902; Christoph Johannes
Riggenbach, Schweizer ref. Theologe und Kirchenhistoriker, 1818-1890: zu Ludwig Mettel:
Biundo 3443, BPfKG 53: * Lauterecken 25.8.1837, 1861 Vikar Mittelbach. Landstuhl,
Neuhofen. 6.11.1867 Pfarrer Vorderweidenthal, 26.9.1871 Annweiler II, 1879 Annweiler I,
1886 Dekan Homburg, † 22.3.1894; ∞ Anna Charlotte Salome Wolf.
Werke: Biblische Geschichte, katechetisch bearbeitet. Annweiler 1883; Schaffet, daß ihr selig
werdet (Confirmandenbüchlein), Speyer 1869; 1870. Altes und Neues. 1873;
Trifelserinnerungen. Kaiserslautern 1888.
Lt. Tochter Ella (∞ Rettig) war M. vor seiner Versetzung als Pfarrverw. nach
Vorderweidenthal Vikar bei dem alten Pfarrer Esch (Biu. 1171) in Bischheim: Gedicht
Haussegen in ZASP 502. - 632 l. Num.: 632.
33. ZASP 502. - 632 l. Num.: 632, Pfälzisches Memorabile Teil 9 (5. Nachtragheft) 1881, 135 f.
34. Beispiele der genannten Dichter vgl. „Lustig und fidel“: Die Gedächtniskirche im Spiegel der
Protestationsfeiern von 1929: BPfKG 71 (2004), 487-495.
35. Karl Adolf Theodor Rettig, * Zweibrücken 21.1.1864, 1887 Vikar Neuburg, Wörth. Altdorf,
Oberndorf, Mittelbexbach, Verweser Niederkirchen bei Kaiserslautern, 16.1.1892 Pfarrer
Walsheim an der Blies. 11.10.1906 Mittelbach, † 12.11.1909.
36. Biundo 3443, BPfKG 53(1986); zu Johann Christian Esch s. Biundo 1171. Veröff.: Biblische
Geschichte, katechetisch bearbeitet, Annweiler 1883: Schaffet, daß ihr selig werdet
(Confirmandenbüchlein), Speyer 1869. 1870; Altes und Neues, 1873; Trifelserinnerungen.
Kaiserslautern 1888.
37. 37 Ludwig Ferdinand Mettel, Biundo 3444; * Vorderweidenthal 1.7.1871. 1896 Lehrer
Weierhof, 1898 Vikar in Freckenfeld, 1898 beurlaubt, 1899 Verweser Wiesbach. 1901 Vikar
in Edenkoben. Göcklingen. Mittelbexbach und Hochspeyer, 1903 beurlaubt, 1905 ständiger
Vikar in Lauterecken, 1908 Pfarrer Mechtersheim, 1915 Contwig, 1932 Pfarrer Göcklingen,
i. R. 1938, † Winkel 12.1.1948: ∞ 14.4.1903 Luise Theodora Petri. (*Altleiningen 28.9.1877.
† Winkel 1945), Tochter von Biundo 3983. „Die Feinde des Deutschtums“, Vortrag v. 1888.
ZASP Abt. l Nr. 105, 471; „Der schottische Reformator“von 1890 s. ZASP Abt. l, Nr. 105.
75; ,. Eine Herde und ein Hirte“: 1892, ZASP Abt. l Nr. 105, 535; „Die Behandlung der
sozialen Fragen in den vier ersten Jahrhunderten der Christlichen Kirche „, 1891. ZASP l
Abt. l Nr. 105. 699.
38. Friedrich Ludwig Mettel, Biundo 3445, * Annweiler 18.10.1881. Stud. 1902 Straßburg, 1906
in den Kirchendienst aufgenommen, 1908 ständiger Vikar Maxdorf, Ludwigshafen. 1910
Pfarrer Theisbergstegen, 1913 Lettweiler, 1919 Ebertsheim, 1925 Frankenthal II, 1933
Dekan Bergzabern II, † Heidelberg 7.8.1937: ∞ Rosa .... (t 8.7.1957).
39. Biundo 3530, BPfKG 53 (1986). Sohn Friedrich Wilhelm Mohr, Biundo 3532. *
Vorderweidenthal 26.5.1872, Stud. 1893 Straßburg, Heidelberg, Greifswald u. Zürich, 1899
Vikar, 1908 Pfarrer Gangloff. 1913 Weisenheim am Berg, 1927 Konken, 1927 Gundersweiler,
1936/39 (i. R.) Speyerdorf, † Neustadt a. d. W. 28.2.1949: ∞, Barbara Baumann (1881- 1958).
- Sohn Heinrich Jakob Mohr, Biundo 3533, * Vorderweidenthal 24.8.1876, Stud. 1894
134
Greifswald, Straßburg, Halle u. Heidelberg, 1899 Hauslehrer Halle, 1899 Vikar, 1909
Pfarrer Altenkirchen, 1913 Morschheim, 1.1.40 (i. R.), † Kirchheimbolanden 9.3.1958: ∞
Frieda Rohne (* Halle/Saale 1879, † 1954).
40. Jahresbericht 1876. Visitationsbericht 1879. ZASP Abt. 8, 65. Im Jahresbericht 1875 hat er
noch die Kunkelstuben erwähnt.
41. ZASP 851 Pfarrbeschreibung 1954. Zu Noé s. Biundo 3827, BPfKG 54 (1987): veröff.: Thut
Buße - der Herr ist nahe! [Predigt z. Gedächtnis Dr. A. Henhöfers am 6. S. n. Trin. 1889,
Bellheim = 68. Gabe d. Ev. Vereins für die Pfalz]; Pfarrer Job. Schiller, Bahnbrecher der
Inneren Mission in der Pfalz. Kaiserslautern 1929: Hg. der FS zum 80jhg. Jubiläum des
Evang. Vereins f. d. Pfalz.
42. Gemeint das Werk Franks: Gesch. der prot. Theol. I, 1862 II. III. 1875: IV, aus dem Nachlass
hg. v. Georg Loesche, 1905.
43. Jahresberichte 1883, 1885 und 1886; ZASP Abt. 8, 65. Kunkelstuben, Spinnstuben: August
Becker berichtet in „Die Pfalz und die Pfälzer „Kunkelstuben seien früher weit verbreitet
gewesen. Man traf sich von November bis Anfang März - Frauen strickten, webten oder
spannen. Männer brachten ihr Werkzeug in Ordnung, man erzählte und las anheimelnde und
gruselige Geschichten und auch Märchen, wenn der Winterwind an den Fensterläden rüttelte.
Nicht selten ging es dabei hoch her.
44. Biundo 4530. Friedhelm Hans. Barbelroth (wie Anm. 8), 145 ff.; zur Ehefrau s. Biundo 4228,
zu Reichhold und Tochter Biundo 2954. Sohn Johann Wilhelm: * Barbelroth 4.12.1891,
Gymnasium Landau, Studium 1911 München, Erlangen. Heidelberg und Utrecht,
Aufnahmejahr 1915, 1915 Kriegsdienst, 1919 Stadtvikar Homburg, 1920 Pfarrer
Mackenbach, 1923 Annweiler II. 1931 Ludwigshafen, 1939 Dekan Kaiserslautern I, †
14.7.1942: ∞ Homburg 20.7.1920 Marie Magdalen(a/e) Mathilde Schlosser (*1896); Biundo
3531.
45. Biundo 4948.
46. Biundo 5903; die Tochter Katharina heiratete den Pfarrer Andreas Cassel (1890-1966),
Biundo 743.
47. Biundo 5251; Foto aus dem Jahre 1898: ZASP Abt. 154.
48. Biundo 5250.
49. Korrekter Titel: Grundsteine einer allgemeinen Kulturgeschichte der neuesten Zeit, 5 Bde (Bd
l: Die Zeit des ersten Kaiserreiches. Bd. 2: Die Zeit der Restauration. Bd. 3 u. 4: Das
Julikönigthum und die Bourgeoisie. Th. 1-2. Bd. 5: Dialektik des Culturgangs und seine
Endresultate), Leipzig 1868-1874 (sein Hauptwerk). Johann Jakob Honegger (* 1825 in
Dürnten; † 1896 in Stäfa) war ein namhafter Kulturhistoriker, nach Meyer,
Konversationslexikon, 4. Aufl. 1887. ZASP Abt. 8, 65.
50. D. Ch. de. la Saussaye, Theologe, * 1818 in Den Haag. † 1874 in Groningen. C. war seit.
1842 Pfarrer der wallonischen Gemeinde in Leeuwarden, später in Leiden und in Rotterdam,
seit 1872 Professor in Groningen. Er ist bekannt als führender Vertreter der
„ethischkonfessionellen „Richtung: Friedrich Wilhelm Bautz, Art. D. Ch. de la Suassaye:
BBKL I (1990). 982. Gesammelte Schriften, dt. Freiburg 1887-1889 in 2 Bdn.
51. Biundo 4595, Friedhelm Hans, Erpolzheim (wie Anm. 7). Bruder: 4594, dessen Sohn
Hermann 1940/62 Direktor der Landesbibliothek Speyer. ab 1962 Direktor der
Universitätsbibliothek in Mainz.
52. ZASP Abt. 8. 65, Visitationsbericht von 1902. - Zu Reinhold Scheid s. Binndo 4662.
135
53. Biundo 5704. Friedhelm Hans. Die Kirchengeschichte. von Leinsweiler: Ortsgemeinde
Leinweiler (Hg.), Speyer 2006. 135-156. Biogramm im projektierten Handbuch der
Landeskirche für die Zeit des Nationalsozialismus (erscheint 2014). Foto (um 1930): ZASP.
Abt. 154. ‘
54. Visitationsbericht 1910 im ZASP Abt. 8, 65. - H. St. Chamberlain, * 9.9.1855 in Porlsmouth,
England: † 19.1.1927 in Bayreuth, Schriftsteller. Verfasser populärwissenschaftlicher Werke,
u.a. zu Richard Wagner, Immanuel Kant und Johann Wolfgang von Goethe, mit
pangermanischen und antisemitischen Einstellungen. Sein bekanntestes Werk sind die
„Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ (1899).
55. Paul Wernle (1872-1937). Schweizer Neutestamentler und Kirchenhistoriker, verfasste
„Einführung in das theol. Studium. Tübingen 1908. 21911, 3 1921. vgl. Klaus-Gunther
Wesseling, Art. Wernle. Paul: BBKL 13(1998), 873-879.
56. ZASP 851 Pfarrbeschreibung 1954.
57. Friedhelm Hans, Karl Heinrich Fleischmann (1867-1954), Konsistorialdirektor und
Kirchenpräsident 1915-1930: Pfälzische Kirchen- und Synodalpräsidenten. VVPfKG 27
(2008). 11-32.
58. Biundo 275.
59. Friedhöfe spielten eine Vorreiterrolle bei der Ausdehnung der Stadt, so in München. Stefan
Fisch, Stadtplanung im 19. Jahrhundert. Das Beispiel München bis zur Ära Theodor Fischer,
München 1988, 161.
136
Zwischen den Zeiten (nach dem Ersten Weltkrieg)
Unsere Kapitelüberschrift war der Titel einer erfolgreichen Zeitschrift und geht auf
den Theologen Eduard Thurneysen (1888-1977) zurück. Die Zeitschrift erschien
zwischen 1923 und 1933 im Münchener Verlag Christian Kaiser. Sie war das Forum
der neuen „Wort-Gottes-Theologie“, deren führender Kopf Karl Barth (1886-1968)
hieß, Theologieprofessor in Göttingen und Bonn, zuletzt in Basel.
Die Kirche nach 1918 war noch von der Kaiserzeit und der liberalen Theologie
bestimmt. Mit einem von der Wissenschaft geprägten Ansatz verstand sie sich als
Teil ihrer Zeit und Kultur. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt außerdem die
Lutherforschung einen beachtlichen Rang. Die Theologen, die von der Dialektischen
Theologie berührt wurden, kamen erst ab den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts
in den kirchlichen Dienst, spürbar aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie blieb
noch lange eine Stimme in der Minderheit. Doch Barth und Bultmann prägten die
theologische Debatte zusehends (Stichworte „Entmythologisierung“,
„Wiederbewaffnung“). Die Sorge um die Kriegsgefangenen durch Pfarrer Theodor
Friedrich in Böhl und Kirchenpräsident D. Hans Stempel in Speyer bewegte die
Gemeinden unmittelbar,1 wie die Arbeit des elsässischen Pfarrers, Kirchenmusikers
und Arztes von Lambarene, Dr. Albert Schweitzer aus dem benachbarten Elsaß , in
die Gemeinden ausgestrahlt ist. Im Frühjahr 1913 war Schweitzer nach
Äquatorialafrika ausgereist, im Ersten Weltkrieg als deutscher Staatsbürger
interniert worden und insgesamt 14mal nach Lambarene gereist. Der christliche
Versöhnungsgedanken hat das kirchliche Leben nach dem Zweiten Weltkrieg in
vielen Facetten geprägt, sichtbar geworden in der Aktion Brot für die Welt seit 1959,
im kirchlichen Wiederaufbau im In- und Ausland, im Hilfswerk und der Inneren
Mission, in der praktischen und theologischen Partnerarbeit des Gustav-Adolf-
Werkes, fortgesetzt in den Hilfstransporten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
nach Polen, Rumänien und Kroatien, weiter in der Wiedergutmachung an den
ehemaligen Zwangsarbeitern und dem jüdischen Volk. Stark war das Engagement
der Kirche in Frauen-, Kinder- und Jugendgruppen, im Männerwerk und in der
Erwachsenenbildung und nicht zu überhören in der Kirchenmusik (Chor, Posaunen-
und Orgelmusik). Wir blicken auf eine starke volkskirchliche Epoche, die sich nach
dem Ersten Weltkrieg im demokratischen Staat reorganisiert hat. Das Dritte Reich
hat begeistert und erschüttert. Nach dem Zusammenbruch von 1945 konnte sich
kirchliches Leben wieder entfalten. Die Gegenwart sieht sich neuen
Herausforderungen gegenüber.
137
Ernst Jung
Ernst Richard Wilhelm Jung2 steht als Pfarrer in Vorderweidenthal am Übergang
von der Staatskirche zur Volkskirche in der Republik, in der Pfalz beschwert durch
die unübersehbare Besatzungsmacht, geschockt vom Kriegserleben und aufgewühlt
vom Separatismus und Straßenkampf in den Industrierevieren. Jung wurde in
Maudach am 16.3.1887 als Sohn des Oberlehrers Ernst Jung und seiner Ehefrau
Elisabeth Sutter geboren. Er gelangte er nach seinem Studium in Erlangen, Berlin,
Tübingen und Straßburg und Militärdienst 1911 als Verweser nach Marienthal,
Ensheim und Germersheim. Vom 16.1.1915 bis 1931 war Jung Pfarrer in
Vorderweidenthal. 1931 wechselte er bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1955 nach
Laumersheim. Jung starb in Annweiler am 23.11.1970. Er war seit dem 16.5.1916
verheiratet mit Katharina Margarete Schloßstein (1894-1977), Tochter eines
Oberstudienrates.
Ernst Jung mit Ehefrau
und Tochter Liselotte
Die auffällige Angabe bei Georg Biundo, Pfarrer Ernst Jung sei 1945 pensioniert
worden, hat sich beim Blick in die Personalakte sofort als falsch erwiesen. Der
Irrtum hat aber dazu geführt, die Persönlichkeit Jungs näher zu betrachten. Im
Ergebnis hat sich Jung als grundsolider und gegenüber jeglicher Anfechtung,
besonders des politischen Zeitgeistes, erhabene Persönlichkeit herauskristallisiert.
Dies hat sich auch in Vorderweidenthal bestätigt, als es 1920 eine Kampagne gegen
138
den Ortspfarrer gegeben hat: Am 26.4.1920 wurde ein Beschwerdeschreiben gegen
Pfarrer Jung verfasst. Demnach hätte er sich „sehr rege“an den Gemeinderatswahlen
beteiligt. Daher hätten die Eltern ihre Kinder nicht mehr in den Religionsunterricht
des Pfarrers geschickt. Als Jung von dem Beschwerdeapell erfahren habe, hätte er
die Eltern aufgefordert, sie sollten das Schriftstuck zurücknehmen, er wolle alles
wieder gut machen. Die Vorwürfe lauteten. Jung wäre von Mitgliedern der
Ackerbauern... (?) mit Butter und Milch bestochen worden und habe den früheren
Bürgermeister vor Gericht gezogen. Die Beschwerdeführer schreiben: „Ein
beschränktes Frauenzimmer das nicht einmal seinen Namen schreiben kann ... habe
aus Spaß von einer .angeblichen Misshandlung’„gesprochen, sie habe den
Strafantrag gegen den früheren Bürgermeister umgestellt, weil der Herr Pfarrer ihr
keine Ruhe gelassen habe. Es folgen etwa dreißig Unterschriften.
Am 10.5.1920 gab das vom Landeskirchenrat konsultierte Dekanat dem Pfarrer
Recht. Der ehemalige Bürgermeister Schmitt wäre der Urheber der Beschwerde. Der
Pfarrer bemerkte, dass unter den Beschwerdeführern sich zwei zwanzigjährige
Jünglinge und ein Katholik befanden. Es wäre aufgefallen, dass man nicht mehr als
vier Frauen zur Unterschrift habe auftreiben können. Pfarrer Jung verteidigte sich.
Seine „rege Beteiligung“bei Gemeinde-, Bezirks und .Kreiswahl habe lediglich in
der Stimmabgabe bestanden! Die vorgebliche Bestechung wäre nichts als ein
dummer Vorwurf. Der Kirchendiener habe nicht gewusst, was er unterschrieben hat,
die Kinder gingen weiter in den Religionsunterricht.
Im Hintergrund ergab sich, dass sich die Frau bei der Lebensmittelzuteilung
übervorteilt sah. Der Pfarrer riet ihr, gegen Schmitt gerichtlich vorzugehen. Dieser
habe der Frau gesagt: „Dem Saupfaffen möchte ich am liebsten ein paar hinter die
Ohren geben.“ Jung führt die Misere auf das Vorhandensein von Parteien zurück.
Sie hätten den Frieden im Ort schon vor seinem Hiersein gestört. Nachdem nun
Schmitts Partei unterlegen war, hätte es Tränen gegeben. Parteigänger Schmitts
hätten nach der Niederlage dem Pfarrer überbracht, er solle zu den anderen gehen
und dort darum bitten, man möge der Partei Schmitts das Amt des zweiten
Bürgermeisters überlassen. Wenn er dies tue, wäre wieder alles gut; der Brief würde
nicht abgeschickt und die Kinder gingen wieder in den Religionsunterricht.
Jung gestand ein, er habe den Fehler gemacht, die Nachricht als Vermittler zu
überbringen - ohne Erfolg übrigens. Er schloss mit der Bemerkung, er habe ein
„heiter ruhiges Gewissen“in der Sache. Die Personalakte enthält tatsächlich ein
Solidaritätsschreiben für Jung mit hundert Unterschriften vom 16.5.1920. Dekan
Philipp Friedrich Born3 meldete am 30.5.1920, dass sämtliche protestantischen
Schüler wieder den Religionsunterricht besuchen würden.
139
Die Wogen glätteten sich, erst ein knappes Jahrzehnt darauf hegte Jung den Wunsch
zur Versetzung. Am 5.1.1929 zog er eine Bewerbung auf die Pfarrstelle Rinnthal
zurück, dafür reichte er am 8.4.1931 eine neue für Laumersheim ein, der
stattgegeben wurde. Wenn Jung auch wie die meisten anderen Pfarrer den vom
Landeskirchenrat erzwungenen Eid auf den Führer Adolf Hitler am 20.5.1938
unterschrieben hat, gegengezeichnet von Landesbischof Diehl, tat er in seinem
Pfarrdienst alles, um selbst den geringsten Anschein einer Querverbindung mit dem
Nationalsozialismus zu vermeiden. Nach dem Kriege, am 19.5.1947, schrieb er: Er
habe am 27.9.1936 im Gottesdienst für evangelische Schwesternschaft geworben. In
diesem Zusammenhang hätte er von einem Parteigenossen erfahren, dass für die
braune NS-Schwesternschaft geworben würde. Daraufhin trat Jung am 29.9.1936
aus dem Opferring4 aus, um keinerlei Verbindung mit der NSDAP oder einer ihr
nahestehenden Organisation zu besitzen.5 Auf einem Fragebogen des
Landeskirchenrates gab Jung am 17.8.1945 glaubhaft an, er sei kein Mitglied
NSDAP oder einer ihrer Gliederung gewesen und habe in seinem Dienst keine
deutschchristlichen Rituale verwendet. In Laumersheim bewältigte Jung den
Kirchenbau 1951/53.
In Vorderweidenthal vermerkte Jung als Besonderheit am 14.11.1918 die Feiern
zum hundertjährigen Jubiläum der pfälzischen Kirchenunion von 1818, die aber am
Ende des Ersten Weltkrieges in einer düsteren Lage untergingen. In den
Jahresberichten notierte Jung u.a. das am 16.6.1929 gefeierte Gustav-Adolf-Fest, bei
dem Pfarrer Georg Otto Wenz6 ausrohrbach die Festpredigt gehalten hatte. Jung und
seine Gemeinde beteiligen sich am 30.6.1930 mit einer Mitternachtsfeierstunde zur
Räumung der besetzten Zone, wie es landesweit gehalten wurde.
Mit Friedrich Gottlob Laukenmann.7 geboren am
6.7.1900 1 in Darstein, bezog ein Sohn der Pfarrei das
Pfarramt in Vorderweidenthal. Vater Gottlob
Laukenmann (* Rothenburg o. d- Tauber 28.3.1866,
† Oberhausen bei Bergzabern 7.6.1927) war Lehrer
und hatte am 21.5.1896 die in Vorderweidenthal
geborene Marie Löwenberg (Tochter eines Lehrers, *
Vorderweidenthal 25.12.1863, † Oberhausen
18.11.1926) geheiratet. 1918 wurde im Alter von 18
Jahren noch Soldat. Erst in den Jahren von 1924 bis
1927 studierte er Heidelberg und Tübingen, kam am
20.3.1928 als Aushilfsgeistlicher nach Wörth, wurde
am 16.11.1928 Verweser in Rohrbach b. Landau, am
1.5.1929 in Schmalenberg und am 1.10.1930 in
Laumersheim. In derselben Funktion trat er am 16.7.1931 in Vorderweidenthal an,
um ab dem 1.7.1932 als Pfarrer in Vorderweidenthal zu dienen. Am 16.1.1937 bezog
er die Pfarrstelle Minfeld, blieb dort fast dreißig Jahre lang und ging am 31.1.1967
in den Ruhestand. Lange Jahre hatte er den Vorsitz der Kirchenschaffnei Guttenberg
140
inne, deren Einkünfte den angeschlossenen Kirchengemeinden zugutekamen.
Laukenmann starb am 27.11.1972 in Zweibrücken. Am 7.1.1921 hat er in Kapellen
die Ehe mit Elisabeth Katharina Rapp (1910-2000) geschlossen. Die 1937 geborene
Tochter Eleonore Klara Grimm geb. Laukenmann, ist mit dem Ruhestandspfarrer
und früheren Dekan von Neustadt Hans Jürgen Grimm8 (* 1928) verheiratet.
In Vorderweidenthal vermerkte Laukenmann im Jahresbericht für 1933 einen am
17.9.1933 abgehaltenen Diakoniegottesdienst und am 10.11.1933 einen Gottesdienst
als Lutherfeier mit Schwerpunkt auf dem 400jährigen Jubiläum der
Lutherübersetzung der Bibel. Der Visitationsbericht des Dekanats von 1934 hielt
fest, dass die Predigten geordnet vorlagen und sowohl die Amtsblätter der Landes-
wie der Reichskirche gebunden waren. Wichtiger aber dies: Laukenmann habe ein
gutes Verhältnis zu den Schullehrern und unterrichte mit viel Liebe. Für die Jahre
1936 bis 1939 finden sich keine Aufzeichnungen (Jahresberichte), die einen näheren
Einblick in das damalige Gemeindegeschehen erlauben.
Laukenmann wurde am 26.8.1939 zur Wehrmacht für 14 Tage eingezogen worden
„in äußerster Stellung am Westwall“, bevor er „in Ruhe“nach Landau zurückkehren
konnte, ungewiss, wie lange die Freistellung dauern würde. Das frühe Einzugsdatum
des bereits 43 Jährigen fällt auf und lässt auf nur geringe Rücksichtnahme der
staatlichen Behörden bzw. Parteistellen auf den geistlichen Berufsstand
zurückschließen. Laukenmann dankte am 10.12.1939 dem Landesbischof Ludwig
Diehl für das Büchlein „Wie soll ich dich empfangen“. Er reflektierte in seinem Brief
an Diehl, man habe sich schon in vorderster Front befunden: „Was haben wir damals
als Grenzländer körperlich und seelisch alles erlebt!“ Er sieht die Gefahren draußen
im Felde, aber die Sorge um Frau und Kind, die Haus und Hof verlassen mussten
(Rote Zone), treibe zusätzlich um. Laukenmann ist in Neustadt a. d. W. für den
Wachdienst an lebenswichtigen Objekten abgestellt. Er wohnt kostenfrei im
Casimirianum und wird von den Diakonissen versorgt. Während eines Urlaubs
wohnte er 1940 wiederum im Casimirianum. Minfeld lag in der Roten Zone und
musste geräumt werden. Die Ehefrau fand Aufnahme in Dürkheim, die Möbel
verblieben u.a. in Minfeld auf Lager.9
a. Kriegszeiten: Vertretungen, Räumung, Wiederaufbau
(Zweiter Weltkrieg und Folgezeit)
Nach Laukenmanns Weggang brach in Vorderweidenthal wieder eine
Vertretungszeit an. Ab dem 16.1.1937 wirkte hier Helmut Lambach10 „als
Pfarrverweser. Der in Freckenfeld am 13.5.1908 geborene Sohn des Landwirts Karl
141
Lambach und der Anna Scheidt hatte zwischen 1930 und 1935 in Herrnhut,
Tübingen und Erlangen studiert. Lambach wurde im Mai 1935 ordiniert, ging am
1.6.1935 als Verweser nach Erlenbach bei Kandel und kam am 16.1.1937 nach
Vorderweidenthal, unterbrochen von einem Aufenthalt am Predigerseminar in
Landau. Vertretung durch Vikar Mauck (1912-1945). Aus Impflingen ersuchte
Lambach am 13.7.1937 die Erlaubnis zur Heirat mit „Fräulein, Elisabeth Meyer“,
die Oberkirchenrat Stichler11 am 22.7.1937 gewährt.
Ab dem 16.8.1937 fungierte er wieder als Verweser in Vorderweidenthal. Am
12.5.1938 unterschrieb er den Eid auf den Führer Adolf Hitler in Landau vor
Landesbischof Diehl. Daraufhin ereilte ihn ein herber Schlag: Kurz vor dem
23.6.1938 ist laut Mitteilung des Dekans Gilcher12 in Bad Bergzabern seine Frau in
Vorderweidenthal plötzlich gestorben und wird in Impflingen begraben. Im April
1939 erbat Lambach vier Wochen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen. Kollege
Mohr aus Mechtersheim vertrat ihn. Nach der Evakuierung nach Franken erhielt er
im Oktober 1939 Urlaub für Dauer eines Jahres, ab 10.10.1940 bat er um Erlaubnis
zur Fortsetzung seines Studiums, den Oberkirchenrat Roland13 genehmigt. Zur
Wehrmacht eingezogen, teilte „Schütze Helmut Lambach“am 3.8.1940 aus Posen
als neue Heimatanschrift „über Karl Meyer I. in Impflingen“mit, also die Adresse
des Schwiegervaters. Auf eigenen Antrag hin wurde Lambach am 15.10.1941 zur
Fortsetzung seiner Studien im Fach Medizin beurlaubt und ist aus dem Pfarrdienst
ausgeschieden.14
Ein fast vergessener Theologe aus Vorderweidenthal ist Rudolf Hoff.15; Am
25.5.1910 in Vorderweidenthal geboren, studierte Hoff von 1934 an in Heidelberg,
Erlangen und Tübingen. Aufgenommen in den kirchlichen Dienst im Jahre 1938,
wurde Hoff wie der etwas jüngere und nach dem Kriege in Vorderweidenthal
eingesetzte Adolf Fiedler 1938/39 beim Landeskirchenarchiv in Speyer und im
Predigerseminar beschäftigt. Am 16.10.1939 versah Hoff Aushilfsdienste in
Ramstein. 12.9.1939 gab er als Wohnort Lichtenfels an, offenbar betreute er
Gemeindeglieder aus der geräumten „Roten Zone“. Ab dem 20.9.193916 war er
Verweser in Hermersberg, bevor er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Am
22.2.1940 hatte er für sein Motorrad einen „roten Winkel“17 beantragt. Am
25.4.1940 hatte er in Ramsen die aus Vorderweidenthal stammende Olga Paula
Zeller (* Vorderweidenthal 24.2.1914, † in Ludwigshafen 11.2.1985) geheiratet, die
später zusammen mit ihrem ledigen Bruder in einem Haushalt in Vorderweidenthal
gelebt hat. Hoff schrieb am 2. l. 1943 an Landesbischof Ludwig Diehl über die
Indifferenz vieler Soldaten, wusste aber von Militärpfarrern zu berichten, die Gottes
wundersame Führung gerade auch im Kriege predigen. Zu diesem Zeitpunkt tobte
die Vernichtungsschlacht um Stalingrad. Hoff selbst sprach mit seinen Kameraden
über den Glauben, wie er selbst schrieb, nicht ohne Erfolg. Offenbar während eines
Urlaubs bestand er die Zweite Theologische Prüfung im März 1944 in Speyer.
Erteilte am 1.12.1944 seine Beförderung zum Fähnrich mit. Am 12.7.1944 wurde er
142
aus dem Etappendienst an die Front versetzt. Frau und Kind wohnten nach einer
Mitteilung Lambachs vom 10.1.1945 in Winterlingen bei Balingen. Lambach selbst
blieb seit 1945 vermisst. Die Pfarrwitwe Hoff versah in Vorderweidenthal ab 1949
das Amt der Kirchenrechnerin.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Theophil Christian
Ludwig Blitt18 schon den Auftrag erhalten, als
Verweser in Vorderweidenthal seinen Dienst
aufzunehmen. Nominell war Blitt seit dem 16.1.1938
Pfarrer in Dörrenbach. Doch die bei Kriegsausbruch
erfolgte Räumung der länger „Roten Zone“ verschlug
ihn mit seine Gemeinde und vielen Bewohnern aus
Nachbargemeinden nach Oberfranken, wie sein
Nachbar ausrechtenbach, Eugen Sueß. Zusammen
mit Sueß konfirmierte Blitt am 22.3.1940 in Michelau
siebzig Kinder aus dem Kirchenbezirk Bergzabern.
Dazu gehörten auch die aus Vorderweidenthal nach
Bamberg und Ebrach versetzten Personen aus
Vorderweidenthal. Die Begegnung mit Blitt in
Oberfranken vertiefte sich durch Blitts Einsatz 1940/41 als Verweser in
Vorderweidenthal. Anschließend war Blitt für die drei Pfarreien Dörrenbach.
Oberotterbach und Rechtenbach und sogar noch für Klingenmünster zuständig, eine
kriegsbedingte Leistungsabforderung ersten Ranges.
Blitt, am 4.3.1904 als Sohn des Pfarrers Christian Ludwig Heinrich Blitt und seiner
Ehefrau Anna Elisabeth Kath. Karoline geb. Schmidt geboren, wurde 1935 Pfarrer
in Spesbach. 1949 bis zum Eintritt in den Ruhestand am l .8.1971 war er Pfarrer in
Gimmeldingen. Am 4.4.1982 starb Pfarrer Christian Blitt in Speyer. Sein Sohn Hans
Blitt (geb. 1939) lebt als Ruhestandspfarrer in Gimmeldingen. Die Eltern hatten in
Spesbach am 2.9.1935 geheiratet (Mutter * 25.4.1913, † 21.4.1987).
Außer Blitt war Pfarrer Karl Johann Esselborn in Vorderweidenthal eingesetzt.
Esselborn, 19 geboren am 16.5.1901 in Freckenfeld, war vom 1.12.1930 an Pfarrer in
Elmstein, vom 1.12.1935 bis 1939 in Oberotterbach, leistete 1939/40 Kriegsdienst.
Nach seiner Zeit in Vorderweidenthal von 1940-1946 war er als (Ober-)Studienrat
an der Oberrealschule in Pirmasens (naturwiss. Gymnasium) Tätig. 1976 trat
Esselborn in den Ruhestand. Er heiratete am 11.11.1930 in Pirmasens, Luise
Theysohn (1907-1977). Esselborn war als Mitglied der Pfarrbruderschaft
kirchenpolitisch und journalistisch vielseitig Tätig.
Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges erlitt die Kirche Bombentreffer im nördlichen
Kirchenschiff. Die Orgel wurde beschädigt, Empore, Kanzel und Pfarrstuhl waren
zerstört. Im Laufe des Jahres 1947 konnte Pfarrer Eckstein Empore, Kanzel,
Pfarrstuhl und Fenster wiederherstellen lassen. 1948 wurde der beschädigte
143
Kirchturm nach Plänen von Oberbaurat Raimund Ostermaier20 hergerichtet. 1951
wurden weitere Fenster, der Altarraum und die Orgel wieder hergestellt. 1952
erfolgte ein Innenanstrich.21
Auf Esselborn folgte Rolf Eckstein22 (geb. Edenkoben 24.2.1912, gest. in Frankfurt-
Höchst und dort am 3.3.1973 beerdigt), seit 1937 Religionslehrer Heidelberg, 1939
Pfarrvikar Bad Sachsa, 1940/45 Kriegsdienst, 1945 Verweser in Dammheim, dann
in Edenkoben, Schließlich war ab 16. l. 1947/48 Verweser Vorderweidenthal. Seine
erste Ehefrau verunglückte 1951 bei einem Verkehrsunfall am Hahnenhof bei
Oberschlettenbach. Pfarrer Eckstein und Herr Kalkofen befanden sich ebenfalls im
verunglückten Fahrzeug und überstanden den Unfall. 1953 bis 1959 war Eckstein
Pfarrer in Albisheim. 1959 wurde er Pfarrer an der Friedensgemeinde in Frankfurt
a. M. und war zuletzt Pfarrer am Städtischen Krankenhaus Frankfurt-Höchst.
Mit Hans Sachs23 leistete erstmals ein Pfarrer aus Mitteldeutschland Dienst in
Vorderweidenthal. Der am 31.5.1906 in Halle/Saale geborene Sohn des
Reichsbahnvermessungsobersekretärs Johann Sachs und der Margarethe Trümpler
hatte ab 1926 in Halle, Erlangen und Heidelberg studiert. Nach dem Eintritt in den
kirchlichen Dienst 1936 wurde 1940 Soldat und geriet in Gefangenschaft, aus der er
1948 entlassen wurde. Am 16.12.1948 kam Sachs als Verweser nach
Vorderweidenthal, ging am 1.3.1949 nach Edenkoben, wurde 1949 Stadtvikar in
Kaiserslautern, 1952 Pfarrer in Kriegsfeld. 1954 in Hüffler-Wahnwegen und 1962
in Altleiningen. Am 1.4.1967 wurde er Inhaber der Pfarrstelle Einöllen und trat am
30.6.1970 in den Ruhestand; Sachs starb am 8.3.1988. Er war seit der Hochzeit am
28.1.1953 in Mörsfeld mit Eleonore Mann verheiratet (1931-1980).
Adolf Johann Fiedler, 24 in Neustadt a. d. Haardt am
3.3.1911 geboren, Sohn des Industriekaufmanns
Adolf Friedrich Fiedler und der Katharina König,
studierte von 1930 bis 1936 in Heidelberg zuerst
Germanistik, dann Theologie). 1937 war er am
landeskirchlichen Archiv in Speyer beschäftigt. 1938
kam er ans Predigerseminar, wurde am 13.3.1940
Soldat, nahm am Frankreichfeldzug teil und freute
sich in einer Mitteilung an den Landesbischof Diehl,
dass der Weg nach Paris nun frei sei.25 Fiedler kehrte
1948 aus der Gefangenschaft zurück. Am 16.2.1948
wurde er Verweser in Dennweiler-Frohnbach und am
1.2.1949 in Vorderweidenthal. Die weiteren
Stationen als Verweser und Pfarrer waren
Niederauerbach, Grünstadt, Frankenthal, Biedesheim und Bad Dürkheim. 1957
wurde Fiedler Pfarrer in Ilbesheim bei Kirchheimbolanden und 1965 in Duchroth.
Am 31.10.1973 trat er in den Ruhestand und starb am 12.4.2002 in Ludwigshafen.
144
Als letzter einer Reihe von nur vorübergehend
eingesetzten Theologen tat Dr. phil. Rudolf Otto
Molter26 in den Jahren 1949 bis 1951 Pfarrdienst in
Vorderweidenthal. Doch zeichnet sich in seiner Zeit
bereits die Wende zu einer neuen Kontinuität an. Von
Dr. Molter aufgegriffene landeskirchliche Vorschläge
zur liturgischen Ausschmückung des Gottesdienstes -
etwa wiederkehrende Altarverse nach der
Kirchenjahreszeit oder den Gesang des dreimaligen
Amen anstelle des üblichen Schlussverses - hat die
Gemeinde aber abgelehnt. Auf Dauer blieben die
neuen Glocken aus dem Jahre 1949 (siehe dazu
eigener Abschnitt). Schließlich fanden sich im
Sommer 1949 unterhalb der Burg Lindelbrunn
verschiedene Jugendlager mit Jugendlichen aus Speyer und Landau ein. Regelmäßig
erschien in der Pfarrei der Prediger Gerlich aus Annweiler.
Dr. Molter kam am 16.10.1911 in Eßweiler zur Welt. Der Sohn eines Oberleutnants
der Schutzpolizei Otto Molter und der Friedericke Wächter studierte ab 1931 in
Heidelberg, Tübingen und Erlangen Theologie, legte 1936 an der Fakultät in
Heidelberg sein Erstes Theologisches Examen ab und bezog daraufhin das
Predigerseminar in Herborn. 1936 war er Lehrvikar in Auerbach a. d. Bergstraße,
ging zum l.12.1936 ans Predigerseminar in Eisenach, wurde am 1.3.1937
Hilfsprediger in Berga a. d. Elster und wurde dort am 28.3.1937 ordiniert. 1938
Dienste in Langenschade bei Saalfeld/Saale, kam er im gleichen Jahr kurze Zeit zum
Dienst nach Eisenach. Sein 1940 und 1941 aufgenommenes Philosophiestudium in
Heidelberg schloss er am 1.3.1941 mit der Dissertation: „Die Weltanschauung
Martin Luthers, Antwort auf Arno Deutelmoser27 „Luther, Staat und Glaube“ ab. Es
folgte der Kriegsdienst vom 1.5.1941 bis 1945 Kriegsdienst. Am 16.9.1944 stand
Dr. Molter vor dem Kriegsgericht (Luftflotte III, München, Zusammenhang nicht
ermittelt). Der zwischenzeitlich aus der Kirche ausgetretene Dr. Molter kam am
1.10.1944 als Verweser nach Allmenhausen (Ebeleben/Sondershausen), 1946 nach
Schwebda a. d. Werra, 1947 nach Grebendorf a. d. Werra, wurde 1947 Kreisvikar in
Eschwege und 1948 Verweser in Rambach (mit Filiale Weißenborn), bevor er nach
Vorderweidenthal kam.
Am 1.4.1951 ging Dr. Molter nach Münsterappel - die Pfarrstelle wurde ihm 1953
übertragen. Er wechselte am 15.2.1957 nach Weisenheim am Berg und ging Ende
1965 als Religionslehrer an die Berufsschule Zweibrücken mit zusätzlichem
Seelsorgedienst am Elisabethen-Krankenhaus in Zweibrücken. Am 6.3.1968
übernahm er die Pfarrstelle Asselheim bei Grünstadt unter Mitführung der Pfarrei
Mühlheim a. d. Eis. Zusätzlich erteilte er ab 1.3.69 Religionsunterricht in Grünstadt.
Dr. Molter trat am 31.10.1976 in den Ruhestand. Er wohnte in Wachenheim und
starb am 3.3.1990 in Frankenthal. Dort hatte er am 27.2.1937 seine Ehefrau Alice
Gebhard (* 1909) geheiratet, mit der er sechs Kinder hatte.
145
Aus Vorderweidenthal stammt der Ruhestandspfarrer
Lothar Ernst Wagner.28 Er wurde von Dr. Molter in
Vorderweidenthal getauft. Nach einer Ausbildung als
Industriekaufmann besuchte Wagner von 1972 bis
1975 ein Gymnasium in Landau und legte dort sein
Abitur ab. Ab 1975 studierte er an der Kirchlichen
Hochschule in Bethel, in Saarbrücken, Mainz und
Bonn. 1982 bestand er das Erste Theologische
Examen und wurde zum Vikar ernannt. Nach dem
Vikariat und dem Zwei Theologischen Examen 1984
wurde er 1984 Pfarrer im Hilfsdienst und als solcher
im Dekanat Kusel eingesetzt. Am 4.11.1984 fand
seine Ordination in Kusel statt und am 1.8.1987
wurde er zum hauptamtlichen Verwalter der
Pfarrstelle 3 Kusel ernannt. Mit Wirkung vom 16.10.1989 wurde ihm als zum Pfarrer
auf Lebenszeit die Stelle in Kusel verliehen. Mit Wirkung vom 15. Februar 1990
übernahm die Pfarrstelle Niederbexbach. Am l.7.1994 wechselte er nach
Zweibrücken und übernahm die Krankenhauspfarrstelle. Seit seinem Eintritt in den
Ruhestand am 31.12.2000 wohnt er wieder in Vorderweidenthal und ist seiner
Wohn- und Kirchengemeinde vielfältig verbunden.
146
Von der Konsolidierung der Nachkriegszeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts
Die dienstlichen Verhältnisse in Vorderweidenthal konsolidierten sich weiter. Kurt
Hans Wilhelm.29 geboren in Haßloch am 8.8.1925, gest. 1991, trat im Jahre 1949 in
den pfälzischen Pfarrdienst ein. Am 16.10.1949 wurde er Stadtvikar in Germersheim
und kam am 16.4.1951 als Verweser nach Vorderweidenthal. Die Kirchenregierung
in Speyer hat Wilhelm am 1.7.1953 zum Pfarrer ernannt. Am 16.4.1959 bezog
Wilhelm die zweite Pfarrstelle der landeskirchlichen Männerarbeit in
Kaiserslautern. Wilhelm schloss am 25.10.1949 in Heidenheim am Hahnenkamm
im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen die Ehe mit Elfriede
Renate Kolb (*1926).
Aufgrund der Schenkung eines Grundstücks am Fuß der Burg durch Marx Becker
an die Kirchengemeinde Vorderweidenthal konnte nach Beratungen im
Kirchenbezirk 1953/54 für 27.000 DM das Dekanatsjugendheim Lindelbrunn
errichtet werden. Ein angrenzendes Waldstück am Lindelbrunn wurde dazu
erworben. Zuvor waren im Kirchenbezirk Überlegungen für ein ähnliches Vorhaben
in Dörrenbach im Gespräch. Ab 1989 wurde das Heim mit einem völligen Neubau
ersetzt und am 4.7.1992 als Dekanatsjugendheim Lindelbrunn wieder eingeweiht.30
a. Exkurs 60 Jahre Lindelbrunn
Hermann Dahl schreibt in einem Gemeindebrief: „Unser „Dekanatsjugendheim
Lindelbrunn“ feiert 2014 ein tolles Jubiläum: 60 lange Jahre für unsere Jugend. 1954
wurde das Haus eingeweiht. Seitdem haben etliche CVJMler, Jugendgruppen,
Konfis und viele andere Gruppen das Haus mit jugendlichem Leben erfüllt. Und weil
uns diese ausgezeichnete Möglichkeit der effektiven Jugendarbeit so sehr am Herzen
liegt, haben wir das damals in die Jahre gekommene Haus 1992 durch einen auf die
Bedürfnisse der Jugend zugeschnittenen Neubau ersetzt. Unter der umsichtigen und
kompetenten Arbeit des „Förderkreises Dekanatsjugendheim e.V.“ wurde und wird
das Haus bis heute unter großem persönlichem Einsatz im Schuss gehalten und so
können und wollen wir 2014 ein Fest feiern, das es in sich hat. Ein Teil dieses Festes
wird eine Fotoausstellung sein. Dabei sind wir auf Ihre Mithilfe angewiesen. Und so
fragen wir: Wer hat Fotos von einer Freizeit, einem Wochenende, einem Zeltlager,
einem Kursus einem Begegnungstag usw. und das besonders aus den Jahren 1954
bis 1980? Schauen Sie doch mal in Ihren alten Fotoalben nach und stellen Sie uns
diese Bilder zur Verfügung - ... Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn zu
Händen von Hermann Dahl - Wasgaustr. 2 - 76831 Billigheim-Ingenheim e-mail:
[email protected] ...“31
147
Die Fahnenträger des Fördervereins beweisen ein unerhörtes Durchhaltevermögen.
Das Engagement basiert auf eine generationen- und gemeindeübergreifende
Initiative von sechs Jahrzehnten.
Der Bau von 1954 bestand aus einem großen Schlafraum mit Platz für zwanzig
Betten, einem geräumigen Tagesraum, einer Küche und Nebenräumen. Die
Einweihung des Altbaus erfolgte am 11.7.1954. Die Nutzung war evangelischen
Jugendgruppen des Dekanats und anderen vorbehalten. Wie bei der Einweihung
1954 (und beim Neubau 1992) musste wegen Regenwetters der
Einweihungsgottesdienst in der Kirche zu Vorderweidenthal stattfinden. 1954
nahmen Jugendliche aus den Kirchenbezirken Bad Bergzabern, Landau in der Pfalz
und Pirmasens an der Feier teil. Der Leiter des evangelischen Männerwerkes der
Pfälzischen Landeskirche, Pfarrer Heinz Wilhelmy32, predigte über Psalm 19: „Die
Himmel loben die Ehre Gottes“. Der Posaunenchor Freckenfeld und Kirchenchöre
aus Ingenheim, Bergzabern und Kapellen verschönten die Feier. Maurermeister
Becker aus Vorderweidenthal dankte im Namen aller beteiligten Unternehmen. Man
gedachte des verstorbene Ehrenpresbyters und Mäzens Marx Becker. Pfarrer Kerth33
aus Klingenmünster nahm den Schlüssel als Senior des Kirchenbezirks entgegen und
verlas das Grußwort des Dekans Theodor Rettig. Dieser nahm eine Glockenweihe
im neu zum Kirchenbezirk gehörigen Minfeld vor. Mit der Losung des Kirchentages
„Seid fröhlich in Hoffnung“ schlug Kerth die Brücke nach Leipzig. Kerth reichte
den Schlüssel weiter an den Jugendobmann des Kirchenbezirks Pfarrer Leonhard34
ausrohrbach. Die Kirchenregierung vertrat Oberkirchenrat Willi Hussong35.
Hussong überbrachte die Grüße des Kirchenpräsidenten Hans Stempel.
Das Dekanatsjugendheim, Zustand im Jahre 1984
148
In den 1950er und 1960er Jahren wurde das Haus durch laufende Zuschüsse per
Umlagen der Kirchengemeinden getragen. Mit Hilfe der Stadt Pforzheim und dem
Kramerhaus des Pfälzerwald-Vereins konnte die Wasserversorgung 1963
sichergestellt werden. Pfarrer Jockers stellte mit großem Einsatz die Erlangung von
öffentlichen Zuschüssen sicher (Gesamtkosten 108.000.- DM). Unter der Leitung
des Architekten Otto Hahn aus Schifferstadt kam es zum Einbau der sanitären
Anlagen zwischen 1964 und 1966. Gegen 1970 sank aber der Zuspruch aus den
Reihen der Jugendlichen und Ehrenamtlichen. Trotz der Bemühungen der
Jugendwarte Wilfried Dahl, Günter Henke und Karlheinz Landwehr, die immer
wieder Arbeitsaktionen gestartet haben, sollte das inzwischen heruntergekommene
Jugendheim 1976 verkauft werden. 1976 übernahmen daher sechs junge Menschen
ehrenamtlich die Verantwortung für das Jugendheim. Sie gründeten einen
Arbeitskreis zu dem der Dörrenbacher Pfarrer Volker Hörner36 vom Kirchenbezirk
als geborenes Mitglied entsandt wurde, und schließlich einen Verein. Immer neue
Arbeitsaktionen retteten das Haus und leiteten schließlich den Neubau ein. Gott sei
Lob und Dank: So schloss Alfred Wasner37, Dekanatsjugendpfarrer, in der
Festschrift von 1992 seinen Rückblick. Entscheidende Impulse gingen seit 1976 bis
heute vom „Arbeitskreis zur Verwaltung und Erhaltung des Jugendheims
Lindelbrunn“ und dem „Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e. V.“ 1977
kam es zur Wiedereröffnung des vorübergehend stillgelegten Heimes. Hilfreich
erwies sich die Kooperation mit dem Christlichen Jugenddorf Neustadt. 1982 wurde
ein Förderkreis gebildet. Seit 1983 setzten jährlich gefeierte Waldweihnachten
öffentlichkeitswirksame Impulse. Das Jubiläum 1984 war wiederum vom
Regenwetter überschattet, aber dennoch lauschte eine stattliche Besucherschar der
Predigt von Dekan Dr. Robert Hensel. Bald darauf wurde der Entschluss gefasst, ein
neuzeitliches Konzept anzupacken. Die Initiative Hermann Dahls für den
Förderkreis in Richtung der Landeskirche fand Bestätigung in der Reaktion des
Oberkirchenrates Ludwig Scheib: „Wenn wir etwas machen, dann machen wir was
Richtiges!“ Das weitere Konzept lag in den Händen von Dekan Alfred Keffel38,
Dekanatsjugendwart Reiner Fischer, Jugendpfleger Matthias Keller und dem
Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e.V. Im Mai 1986 stellte Architekt
Fritz Cawein aus Ingenheim die Entwürfe vor, die 1987 in revidierter Form die
Zustimmung der Landeskirche gefunden hatten. 1989 wurde das alte Haus
abgerissen. Diese Eigenleistung entsprach zunächst nicht der Vorstellung des
Nachfolgers von Oberkirchenrat Scheib, Dr. Adolf Zeitler, hinderte aber nicht, dass
am 3. Mai 1991 nach Baubeginn im November 1990 das Richtfest gefeiert werden
konnte. Die Gesamtkosten lagen bei 1.025.000.- DM Spenden kamen von
Privatpersonen. Firmen, Behörden und Kirchengemeinden sowie Geldinstituten. Die
Finanzierung sicherten die Stiftung Deutsche Jugendmarke, das Land Rheinland-
Pfalz, die Kreisverwaltung Südl. Weinstraße, der Förderkreis Dekanatsjugendheim
Lindelbrunn (40.000 DM neben den Eigenleistungen der Mitglieder), der Zuschuss
der Landeskirche und der Kirchenbezirk.
149
Aus der Festschrift zur Einweihung am 4.7. 1994; die. Abb. Unten zeigt
Dekanatsjugendpfarrer Alfred Wasner mit Hermann Dahl, Vorsitzender des
Förderkreises
Abschließend zitieren wir nochmals Hermann Dahl: „Der Förderkreis
Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e.V. und davor der AVEL (Arbeitskreis zur
Verwaltung und Erhaltung des Dekanatsjugendheimes Lindelbrunn) bestehen
zusammen schon seit 1976 ... Wer ... hätte gedacht, dass sich das Jugendheim in
dieser Weise entwickeln wird. Aus einem einfachen Waldhaus, das bei der
Übernahme eine Bauruine war, wurde im Laufe der Jahre durch großen Einsatz der
GA-( Geschäftsführender Ausschuss) Mitglieder ein modernes, gut ausgestattetes
Jugendheim mit einer Grillhütte und einem Versammlungsforum.... Die
maßgebende Unterstützung erhielten wir von Detlef Schoberth (damals CVJM
Pfalz) der uns mit Rat und Tat zur Seite stand, der uns auch dazu bewegte einen
Verein zu gründen. Der Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e.V. betreibt
das Jugendheim in ehrenamtlicher Tätigkeit.
Die Anfragen auf Belegung werden koordiniert und die entsprechenden
Mietverträge ausgestellt. Nach den jeweiligen Freizeiten werden das Haus, die
Einrichtungen und das Geschirr/Besteck von einem Mitglied des
Hausabnehmerteams kontrolliert. Beschädigungen werden von Vereinsmitgliedern
repariert oder an Handwerker zur Reparatur gemeldet. Fehlteile werden sofort
ersetzt. Durch diese recht aufwendige, zeitintensive Maßnahme kann gewährleistet
werden, dass das Jugendheim immer in einem guten Zustand ist. Den Gruppen wird
nach der Belegung eine Rechnung für Übernachtungen, Strom- und Gasverbrauch,
sowie für evtl. Beschädigungen geschickt. Stetig sind am Haus und am Mobiliar
Reparaturen durchzuführen. Diese werden von den Vereinsmitgliedern in
150
ehrenamtlicher Tätigkeit koordiniert. Teilweise müssen auch Firmen beauftragt
werden wie z.B. bei der Erneuerung der Heizung oder beim Ausbau eines neuen
Waschraumes im Keller. Die Reparaturen und Anschaffungen werden vom
Förderkreis getragen. Jährlich werden im Schnitt ca. 2000 € ans Dekanat zur
Bauunterhaltsicherung abgeführt. Mit dem vom Förderkreis erwirtschafteten Mitteln
wurde ein großer Teil der neuen Grillhütte bezahlt. Der Anteil des Dekanates bei der
Sanierung der Wasserversorgung am Wohnplatz Lindelbrunn wurde vom
Förderkreis getragen. Durch die ehrenamtliche Tätigkeit der Mitglieder des
Förderkreises trägt sich das Jugendheim selbst. Es ist sogar eine jährliche finanzielle
Unterstützung des CVJM-Pfalz und der evangelischen Jugend im Dekanat Möglich.
Das Jugendheim ist wohl eines der wenigen Jugendheime, das ohne Zuschuss
auskommt. Das Jugendheim ist stark ausgelastet, nur wenige Tage im Jahr sind nicht
belegt.
Das Dekanatsjugendheim, Neubau
Das Dekanatsjugendheim kann 2014 das 60jährige Jubiläum feiern. Wir dürfen
dankbar sein, dass uns eine so großartige Möglichkeit geboten wurde durch unseren
Einsatz und durch unser Engagement der Jugendarbeit ein so tolles Haus zur
Verfügung stellen zu können. ... 1976: Das Haus war stark Beschädigt, größere
Renovierungen waren erforderlich. Es fehlte an Geld und an den Hauptamtlichen die
das Haus betreuen könnten. Das Haus sollte verkauft werden. Sechs junge Frauen
und Männer, Alfred und Gerda Weber, Hans und Hannelore Wegmann (heute
Vedder), Hermann und Ilse Dahl wollten verhindern, dass ihr Jugendheim verkauft
151
wird. Sie verhandelten mit dem damaligen Dekan Dr. Hensel hinsichtlich der
Übernahme der Verantwortung für das Jugendheim. Keinem der Beteiligten war
damals klar was in den nächsten Jahren auf sie zukommen würde ... 2005
Einweihung der neu errichteten Grillhütte ... Berthold Johannes, von 1994 Jahre bis
zur Stabübergabe an Volker Janke39 2000 als Dekanatsjugendpfarrei- ...; Braune Ute,
Jugendreferentin im Dekanat ... Brunck Peter, Hausabnahme. Immer ansprechbar,
wenn es etwas zu reparieren oder zu arbeiten gibt, eine der Stützen des Vereins;
Brunck Rainer, Familienreferent im Dekanat, ... Cuntz Sabine, Hausabnahme ...
Dahl Ilse, von Anfang an, seit 1976 dabei. Seit 1991 stellvertretende Schriftführerin.
Organisation im Bereich Küche bei allen Festlichkeiten, Dahl Hermann, von Anfang
an, seit 1976 dabei, bereits im neugegründeten Arbeitskreis zum Vorsitzenden
gewählt. Seit der Vereinsgründung 1982 bis heute Erster Vorsitzender, Damerow
Victor40, Pfarrer, seit 2010 als Dekanatsjugendpfarrer, ... Mattern Günter, seit der
Vereinsgründung Rechner und stellvertretender Vorsitzender des Förderkreises,
anfangs auch noch Schriftführer. Kümmert sich um Versicherungen, juristische
Fragen, Gemeinnützigkeit, Arbeitsverträge der Putzfrauen. Zusammen mit seiner
Frau Dagmar seit Jahren ein wichtiges Element im Verein, Mattern Hans,... seit 1994
Vorsitzender der Bauausschusses. Planung von Arbeitseinsätzen, Abstimmung mit
Handwerkern und Beauftragung von Reparaturen. Arbeitet auch bei der
Hausabnahme mit. Eine der tragenden Säulen, Meyer Gerd, seit 1991
Heimverwalter, organisiert die Hausabnahme mit seinem Team und erledigt kleinere
Reparaturen am Haus selbstständig. Erstellt die Rechnungen an die Gruppen.
Ersatzbeschaffung von Geschirr, Putzmitteln usw. Zusammen mit seiner Frau Betty
zuverlässige, verantwortungsvolle Mitarbeiter. .... Wüst Christel und Gerhard, seit
1994 Belegungsplaner, bei Arbeitseinsätzen und Festlichkeiten immer zuverlässige,
verantwortungsvolle Mitarbeiter. Säulen des Vereins, Wasner Alfred, als
dienstältester Dekanatsjugendpfarrer jahrelang, auch in schweren Zeiten, kluger und
mutmachender Berater bis zur Verabschiedung in den Ruhestand 1994, wurde zum
Ehrenmitglied des Vereins ernannt, ... Die Mitgliederzahlen des Förderkreises
stiegen in den vergangenen Jahren stetig an. Besonders in der Bauphase des neuen
Hauses war ein starker Zustrom zu verzeichnen. Ein Groß teil der Mitglieder kommt
aus der evangelischen Jugendarbeit. Einige Mitglieder konnten durch die jährlich
stattfindende Waldweihnacht und durch die Familientage gewonnen werden. Viele
sind Mitglied, weil sie die Arbeit am Haus und somit die Jugendarbeit Unterstützen
wollen. Derzeit hat der Förderkreis 102 Mitglieder.“ 41
152
Vergrößerte Teilaufnahme der Sakramentsnische; gotische Form mit Maßwerk,
gekrönt mit einem Kelch (?) oder Pinienzapfen auf der Spitze, links und rechts
daneben Kapitellspitzen (?)
c. Exkurs Kirchenfenster|
Das Buntglasfenster im Chor wurde 1958 vom Godramsteiner Glaskünstler
Hermann Jürgens (1914 - 1967) entworfen und von den Karlsruher Kunstwerkstätten
(Scharf)| angefertigt und eingebaut. Es zeigt das Abendmahl Jesu mit seinen
Jüngern. Im Maßwerk links oben sieht man Kelch und Ähre sowie rechts eine
herabkommende Taube| des Heiligen Geistes. Darüber gipfelt ein rotes Dreieck für
die Dreieinigkeit Gottes, darin ein Auge Gottes.
Die Beschriftungen weisen auf den Künstler und die Werkstatt sowie die
Stifterfamilie Fabrikant Hermann Diehl hin, die das Fenster zum Andenken an ihre
verstorbene Tochter gestiftet hat.
Aufnahmen des Verfassers v. 29.4.2013. - Lit.: Anke Elisabeth Sommer,
Glasmalereien der Protestantischen Landeskirche der Pfalz. Leuchtende Botschaft
christlichen Glaubens im Kontext ihrer Zeit: VVPfKG 25 (2007), 296; zum Künstler
S. 145f. und
153
Kirchenfenster an der Turmseite,
gestiftet von Familie Diehl
154
weitere Literatur; Karl Jockers, 100 Jahre prot. Kirche Vorderweidenthal, aus Anlass
der Wiederindienststellung 1966,11. Eine Kopie der FS wurde dem Verf.
dankenswerterweise von Frau Dr. Anke Sommer, Wörth, am 30.4.2013 überlassen.
Nach dem Jahresbericht wurde unter Pfarrer Wilhelm im Jahre 1958 die Läuteanlage
elektrifiziert. Zu Weihnachten kamen in seinerzeit Krippenspiele zur Aufrührung
(„Das Hirtenspiel der Heidenheimer Schulknaben“, 1957; „Macht hoch die Tür“,
1958). Nach einem Trauerfall stiftete ein Gemeindeglied ein Buntglasfenster für die
Kirche. Männerarbeit, Frauen-, Jungen- und Mädchengruppen bereicherten das
Gemeindeleben. 1956 wurde ein Ehrenmal eingeweiht (Christus hält einen
sterbenden Soldaten). Wilhelm kritisierte den „Götzen“ Lebensstandard sowie die
sich ausbreitenden Zerstreuungen Fußball und Kino. Besonderheiten waren die Feier
des Weltgebetstages der Frauen und weiterhin eine Kriegsgefangenenwoche.
Missionar Autenrieth aus Annweiler hielt Vorträge in Vorderweidenthal und
Dimbach. Der Jahresbericht bemerkt, dass Lehrer Richard Kalkofen der
Gemeinschaft nahestand. Frisch von der Akademie kam Lehrer Klaus Weinacht
nach Dimbach. Das Verhältnis zu den Lehrern war kollegial und produktiv. Die
Ostvertriebenen veränderten die kirchliche Sitte. Einerseits nahmen sie die ihnen
fremde Christenlehre nicht an, andererseits haben sie langfristig eine liturgische
Bereicherung eingebracht (z. B. Altarkerzen, Christvespern). Nach und nach waren
in Vorderweidenthal die Kriegsschäden ausgebessert.
Nachdem der Jahresbericht 1954 noch vermeldete, dass zwei Kinder von
Bärenbrunerhof usw. von Pfarrer Ernst Rieder42 in Dahn unterrichtet werden, kam
es nach Anläufen im 19. Jahrhundert am l.2.1957 tatsächlich zur Ausgliederung der
Pfarrorte Busenberg und Schindhard nach Dahn.43
Nach dem Weggang Wilhelms sandte der
Landeskirchenrat Rudolf Walter als Pfarrverweser.
Geboren in Mannheim am 22.5.1933, Sohn des
Ruchheimer Landwirts Ewald Walter (1901-1978) und
seiner Ehefrau Senta Kreiselmaier (1910- 1985), kam
Walter nach Studium in Tübingen, Heidelberg und Bonn
am 1.5.1959 als nach Vorderweidenthal. Nach einer Zeit
am Predigerseminar 1959/60 ging Walter am l.4.1960 als
Pfarrverweser nach Ludwigshafen-Mundenheim und ab
16.12.1960 als Vikar nach Landstuhl. Er wurde am
l.10.1963 Verweser, ab l.4.1964 Pfarrer in Katzweiler.
Vom 16.4.1974 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand
am 31.5.1995 war Rudolf Walter Pfarrer in Freinsheim.
Am 14.10.1961 schloss er in Hoheneggelsen bei Hildesheim die Ehe mit Brigitte
Hedwig Ida Kunkel, med.-techn. Assistentin und Krankenpflegehelferin (*
Neustrelitz 1937, † 7.7.2001 in Freiburg). Das Ehepaar hat zwei Söhne, einen Arzt
und einen Politologen. Über seine Monate in Vorderweidenthal schreibt Walter:
155
„Pfarrer Wilhelm, der bis dahin die Pfarrstelle innehatte, war .Männerpfarrer“
geworden, wohnte noch mit seiner Familie im Pfarrhaus und fuhr jeden Tag mit dem
Auto zum Dienst nach Kaiserslautern. Ich hatte im Pfarrhaus nur das Amtszimmer
zur Verfügung und wohnte schräg gegenüber dem Pfarrhaus möbliert bei Familie
Zeller/Hoff. Frau Hoff geb. Zeller war eine Pfarrerswitwe, deren Mann im Krieg
ums Leben gekommen war. Sie lebte zusammen mit ihrem unverheirateten Bruder
der im Haus einen später so genannten ,Tante-Emma-Laden’ betrieb und mit ihrer
16jährigen Tochter Trudel. Zur Pfarrei gehörten die Parochialorte
Oberschlettenbach und Darstein, sowie noch einige andere Dörfer, in denen aber nur
einzelne protestantische Familien wohnten, und die Tochtergemeinde Dimbach.
Gottesdienste waren jeden Sonntag in Vorderweidenthal zu halten und 14tägig in
Dimbach, wo auch eine Kirche steht. In Oberschlettenbach und Darstein gab es nur
ausnahmsweise einmal einen Nachmittagsgottesdienst in einem Schulsaal. Schulen,
an denen ich Religionsunterricht zu halten hatte, gab es in jedem Dorf, allerdings
waren überall mindestens zwei Klassen gemeinsam zu unterrichten. In
Oberschlettenbach fand sogar der Unterricht aller acht Klassen gemeinsam statt.“ 44
Pfarrer Karl Friedrich Jakob Jockers45 kam am 6.3.1926 in Speyer als Sohn des
Regierungsrates Dr. Wilhelm Jockers (*1895) und der Luise Hilgert (*1900) zur
Welt. Jockers leistete 1943/45 Kriegsdienst und geriet in Gefangenschaft. Zwischen
1947 und 1951 studierte er in Heidelberg, Bethel, Marburg und Göttingen. 1952 trat
er in den Dienst der Pfälzischen Landeskirche ein, zunächst am Predigerseminar und
zeitweise als Stadtvikar in Kaiserslautern. Am 27.7.1953 wurde er als Verweser nach
Niederbexbach und am 1.1.1956 als Stadtvikar nach Frankenthal versetzt. Ab
1.9.1956 wegen Krankheit beurlaubt, kam er am 1.2.1957 als Verweser erst nach
Impflingen, drei Monate darauf nach Landau-Queichheim und am l .2.1958 nach
Olsbrücken. Dort ging er am 20.6.1959 die Ehe mit Sigrid Frenkel ein,
Studienassessorin für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde (*3.6.1925 Mölkau bei
Leipzig, Tochter des Fabrikanten Erich Frenkel und der Elfriede Scheibe).
Volle fünfundzwanzig Jahre, vom 1.11.1959 bis zum 31.12.1984, war Jockers
Pfarrer in Vorderweidenthal. Am 1.1.1985 trat er in den Ruhestand und starb am
5.8.1994 an seinem Ruhestandswohnort Oberotterbach. Die drei Töchter der
Eheleute Jockers wuchsen in Vorderweidenthal auf: Maria Christiane Jockers-
Scherübl geb. Jockers, Ärztin; Hanna Elisabeth Wiltrud Jockers, Gärtnerin; und
Gundula Friederike Jockers, Krankenschwester.
Die von Jockers verfassten pfarramtlichen Jahresberichte46 nennen einerseits die
bemerkenswerten Sachverhalte und Vorgänge in der Pfarrei: 1964 wurden die
Protestanten aus Lug, Gossersweiler-Stein und Völkersweiler der Kirchengemeinde
Dimbach zugeordnet.
156
Pfarrer Jockers mit Konfirmanden 1966
1969 entschied sich das Presbyterium für eine Orgelrenovierung durch Firma Gebr.
Oberlinger in Windesheim bei Bad Kreuznach. Sie wurde am 27.6.1971 eingeweiht.
Die Kosten betrugen 29.193,- DM, erforderliche Malerarbeiten kosteten 1.556,43
DM. Die Ortsgemeinde Vorderweidenthal brachte einen Zuschuss von 5.193,- DM
auf.
Das alte Pfarrhaus sollte durch einen Neubau im Pfarrgarten ersetzt werden. 1971
wurden die Verkaufsverhandlungen mit der Oberpostdirektion in Neustadt/W, und
der Ortsgemeinde abgeschlossen. Die Bundespost erwarb den südlichen Teil des
Pfarrgartens mit 1013 qm, die Ortsgemeinde das Pfarrhaus mit einer
Grundstücksfläche von 1269 qm. Als Bauplatz für das neue Pfarrhaus verblieben
1120 qm bei der Kirchengemeinde.
Die kirchliche Genehmigung für den Neubau des Pfarrhauses wurde am 5.11.1971
erteilt. Die Architektengemeinschaft Alwin Becker aus Vorderweidenthal und Hans
Meigel aus Dahn erhielt den Auftrag zur Bauplanung und Bauleitung. Der
veranschlagte
157
Oberlinger-Orgel in Vordenveidenthal
Kostenbedarf über 243.000 DM wurde aus 10.000 DM an Eigenmitteln, 3.000 DM
der Kirchengemeinde Dimbach, einer Vergütung Lindelbrunn mit 5.000 DM, den
Verkaufserlös für das Pfarrhaus mit 45.000 DM, Verkaufserlös an die Bundespost
ca. 15.000 DM, einem Zuschuss der Landeskirche über 125.000 DM und einem
landeskirchlichen Darlehen über 40.000 DM aufgebracht. Die Maurerarbeiten
wurden der Fa. Stengel in Birkenhördt übertragen, Zimmerarbeiten an Fa. F. Mehr
in Wieslautem. Der Bau erstreckte sich über das Jahr 1972. Der Neubau konnte am
22.12.1972 bezogen werden.
Im Rückblick auf das Jahr 1974 meinte Jockers, die 700-Jahrfeier habe Brücken in
der Gemeinde gebaut. In diesem Zusammenhang erschien seine Festbroschüre: „700
Jahre Herrschaft Lindelbrunn“.
In Anbetracht des zurückgehenden Kirchgangs „aus vielen Gründen“ denkt das
Presbyterium laut Jahresbericht für 1972 über die Schaffung eigener
Gemeinderäume für kleinere Kreise nach; eine Einrichtung eines derartigen Raumes
im Pfarrhaus wurde vom Landeskirchenrat nicht genehmigt. Im Jahresbericht für
1977 teilte Jockers mit, dass die Zahl der Geburten, Taufen und Trauungen
158
stagnierten. Aber „ein junger Mann aus der Gemeinde studiert Theologie“. Gemeint
ist der spätere Pfarrer Lothar Wagner. Ein schwerer Verkehrsunfall erzwang im
Jahre 1980 den Ausfall des Pfarrers für sieben Monate. Prädikant Richard Kalkofen
und Missionar Walter Hennig47 überbrückten die Lücke mit ihrem Dienst.
Wiederholt wurde vermerkt, dass die umfangreiche Gemeindearbeit (Chor, Jugend)
wegen Raummangels spürbar eingeschränkt war. Abhilfe sollte der Bau eines
Gemeindehauses schaffen.
Mit ca. 11 ha Pfründewald bestand in der Pfarrei der größte zusammenhängende
Waldbesitz der Landeskirche. Kritisch vermerkte Jockers das Ärgernis, dass die
Pfründe nichts tut und die Bäume verfaulen. An einen Verkauf sei jedoch nicht
gedacht. Dazu ist zu erläutern: Mit Pfründe bezeichnet man den Grundbesitz in
verschiedenen Kirchengemeinden (Äcker, Weinberge, Wiesen und Wald), der zur
Besoldung der Pfarrstelle beiträgt. Er wird in der Regel nicht veräußert und wenn,
dann mit einem wertmäßigen Ausgleich in Form von anderweitigem Grundbesitz.
In manchen Jahren fällt aber eine Verpachtung z. B. von Wald oder Wiesen schwer,
dagegen erzielen begehrte Rebflächen bei Pachtauktionen Höchstpreise. Die
Situation bleibt schwankend. In früheren Jahrhunderten war Waldbesitz mit
Reichtum gleichzusetzen, wovon z. B. die Leininger Grafen sicherlich profitiert
haben. Heute Hängt die Wirtschaftlichkeit von Waldflächen von vielen Faktoren ab
(Zugänglichkeit und Lage, Zustand und Pflege des Bewuchses, Baumarten,
Nachfrage usw.).
Die Visitation der Pfarrei Vorderweidenthal von 1981 durch Dekan Dr. Robert
Hensel48 spart nicht mit „Lob auf den fleißigen Pfarrer“ und führt auch die Vielfalt
der Aktivitäten in den zugehörigen Gemeinden an. Sie würdigt den Einsatz von
Lehrkräften, den Dekanatsjugendwart Hermann Dahl, den Missionar Walter Hennig,
der in Völkersweiler wohnt, und Lektor Richard Kalkofen, der zum ersten
Prädikantenjahrgang der Landeskirche gehört hat und im Jahre 1972 ordiniert wurde.
Aus verschiedenen Gründen war das Verhältnis zwischen Pfarrer Jockers und Lehrer
Kalkofen gespannt. Als Pfarrer distanziert sich Jockers von der von der
Landeskirche eingeräumten Möglichkeit, dass Prädikanten den Talar tragen durften,
sofern sie es wollten. Im Jahresbericht 1972 hielt Jockers fest, dass niemand den
Prädikanten hören wolle. Vor allem kritisiert Jockers „ das parteipolitische
Engagement von Lektor Kalkofen.“ Er bezeichnet seinen Vorgänger Pfarrer
Eckstein als „ CDU-Fan“, der Kalkofen nach dem Kriege wieder in die Kirche
aufgenommen habe, was manche Gemeindeglieder nicht verstanden hätten. Der
unterschiedliche Frömmigkeitsstil hatte zur Kluft zwischen beiden Persönlichkeiten
zusätzlich beigetragen. Jockers kritische Bemerkungen führten im Übrigen dazu,
dass das Dekanat 1972 zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Der zuständige
Oberkirchenrat Otto Mehringer49 markierte einige Passagen mit rotem Randvermerk
und ließ am 9.10.1973 einen Auszug aus dem Jahresbericht für 1971 im
Landeskirchenrat kursieren. Die Abzeichnung von Kirchenpräsident Walter
Ebrecht50 ist erhalten. Mit Lehrer Kalkofen kam es einige Jahre später zur
159
Aussöhnung. Jockers hatte u.a. geschrieben: „ Die Bundestagswahl 1971 hatte eine
starke Politisierung der Dorfgemeinden mit sich gebracht. ... Das lange
voraussehbare Wahlergebnis hat nun seine Folgen. Die abgeschlagenen CDU-
Ortsgruppen sehen sich in die Opposition gedrängt. So wird gerade von dieser Seite
der Wunsch nach weltanschaulicher Toleranz in die Gemeinden getragen. Dieses
Uranliegen der Demokraten und Sozialisten wirkt aber bislang im Munde der
deutschnationalen CDU wenig glaubhaft. Insbesondere die CDU-Vertreter in den
Kirchenleitungen haben jetzt sattsam Gelegenheit, ihren Willen zu politischer
Toleranz und Demokratie zu beweisen.“ Die 1972 gewählten Presbyter seiner
Gemeinde wären jedenfalls nicht bereit, sich mit den „sogenannten Konservativen
an die Klagemauer zu begeben.“ Die pointierte politische Haltung von Jockers geht
aus diesen Passagen eindeutig hervor und lässt auch seine Vorgesetzten nicht
außerhalb seiner Kritik (1979 Sturmschäden, aber die Landeskirche feiert das
Protestationsjubiläum). Der Berichterstatter versagt sich an dieser Stelle jeder
Wertung. Sachlich bleibt nur festzuhalten, dass die von Jockers beklagte Aufteilung
der Lindelbrunndörfer an zwei Landkreise und vier Verbandsgemeinden tatsächlich
eine historische Herausforderung gewesen ist. Doch erschrickt die Wortwahl im
Zuge der Verwaltungsreform und Bildung von Verbandsgemeinden aus dem Jahre
1969: An „die Stelle der Fürsten und Gauleiter“ wäre „nun die allmächtige
Großindustrie getreten“, er befürchtete eine Majorisierung durch die „ CDU-
Pfründe Hauenstein“. Vielleicht hat er an die diktatorische Stellung des Prälaten
Sommer in Hauenstein gedacht.
Die konfessionelle und historische Raumordnung blieb in der Verwaltungsreform
tatsächlich kaum berücksichtigt und konnte aus protestantischer Sicht wie aus
Kenntnis der historischen Zusammenhänge als Herabsetzung verstanden werden.
Aus dem zeitlichen Abstand wird man einerseits Verständnis für die Befürchtungen
des Pfarrers aufbringen können. Jockers zeigte sich als Anwalt der historischen
Zusammengehörigkeit der alten Herrschaft Lindelbrunn. Andererseits ergaben sich
in kirchlicher Hinsicht Chancen für ein ökumenisches Miteinander durch die damals
eingetretenen Entwicklungen. Die katholische Kirche vollzog mit dem Zweiten
Vatikanischen Konzil eine Öffnung. Die Kirchen glichen den Wortlaut des
Vaterunsers 1970 einander an. Eine gemeinsame Fassung für das Apostolische und
das Nikäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis folgten 1970/71. Das
ökumenische Miteinander hat in den Folgejahren einen großen Aufschwung
genommen.
Höchst kritisch beobachtete Jockers die Schulpolitik. 1963 fand er, es gäbe gute
Lehrer, aber die Schulen wären schlecht. Er schrieb das in Richtung der
Gemeinderäte, die seiner Auffassung nach am „Primitivschulbild“ der „gesegneten
Kaiserzeit“ hingen. 1972 stellte er der Christlichen Gemeinschaftsschule (Jockers
setzt das Wort „christlich“ in Anführungszeichen) kein gutes Zeugnis aus. In
Vorderweidenthal würde seit Jahren „ein miserabler Unterricht erteilt“, als Folge
160
davon hätten Kinder aus dem Dorf in weiterführenden Schulen wenige Chancen. Die
Verteilung der Kinder auf die umgebenden katholischen Verbandsschulen und nach
Bad Bergzabern führen ihn zur Vermutung: „In wenigen Jahren ist die evangelische
Pfarrei Vorderweidenthal geschlachtet“. Eine Aushilfslehrerin sei Anthroposophin
und pädagogisch nicht qualifiziert. Klagen beim Kreisschulamt hatten keinen Erfolg.
Abschließend urteilt Jockers: „Lehrer sind dank der segensreichen Kulturpolitik der
Mainzer Regierung nicht vorhanden.“ Tatsächlich stand in dieser Zeit ein
Lehrermangel einer „ Schülerschwemme“ gegenüber.
Nach seinem 25jährigen Dienstjubiläum in der Pfarrei trat Pfarrer Karl Jockers zum
1.1.1985 in den Ruhestand. Er blieb mit der Gemeinde Vorderweidenthal verbunden.
Als er gestorben war, fand seine Trauerfeier am 10.8.1994 in der Kirche von
Vorderweidenthal statt.
b. Statistische Angaben zur Gemeindegliederzahl
aus dem Jahre 1836 / 1885: (ZASP Abt. 44 Vorderweidenthal. 6)
Zahl der Protestanten ................... 1836 ............................... 1885
Vorderweidenthal .......................... 560 ......................................... 557
Dimbach ........................................ 162 ......................................... 168
Oberschlettenbach ......................... 222 ......................................... 253
Darstein ......................................... 141 ......................................... 159
Erlenbach......................................... 17 ........................................... 17
Busenberg ........................................ 15 ........................................... 28
Lauterschwan .................................... 1 ............................................. 3
Silz .................................................... 4 ........................................... 12
Schindhard........................................... ................................... 3(1855)
Statistische Angabe nach der Visitation von 1981
Ort Protestanten Katholiken
Vorderweidenthal .......................... 564 ............................................... 112
Erlenbach bei Dahn ......................... 75 ......................................... 355
Silz .................................................. 62 ......................................... 776
Oberschlettenbach ......................... 138 ........................................... 23
Darstein ......................................... 181 ........................................... 15
Dimbach ........................................ 182 ........................................... 23
Schwanheim .................................... 29 ......................................... 627
Lug .................................................. 42 ......................................... 622
Völkersweiler .................................. 43 ......................................... 480
Gossersweiler-Stein ......................... 88 ....................................... 1260
161
Angaben nach dem Jahresbericht 1984/85 (30.6.1985)
Vorderweidenthal .......................... 499 ................................... 80
Erlenbach......................................... 22 ................................. 385
Oberschlettenbach ......................... 128 ................................... 17
Silz .................................................. 80 ................................. 752
Darstein ......................................... 177 ................................... 14
Dimbach ........................................ 166 ................................... 17
Gossersweiler-Stein ....................... 120 ............................... 1117
Lug .................................................. 47 ................................. 640
Schwanheim .................................... 45 ................................. 632
Völkersweiler .................................. 46 ................................. 426
Angaben vom 31.12.2012/31.3.2013
Ort Einwohner- Protestanten Katholiken Sonstige/
zahlen konfessionslos
Vorderweidenthal ............... 620 355 165 100
Darstein .............................. 203 125 38 48
Dimbach ............................. 175 111 19 45
Oberschlettenbach .............. 137 74 17 43
Erlenbach mit
Lauterschwan ..................... 324 54 139 31
Silz ..................................... 810 132 567 111
Gossersweiler-Stein .......... 1387 173 1019 195
Schwanheim ....................... 585 86 414 84
Lug
Völkersweiler ..................... 611 90 402 119
Insgesamt
Beim Aufzug des Pfarrers Johannes Berthold waren
bereits viele Weichen für die Weiterentwicklung gestellt.
Gerhard Moser wurde bereits am 16.4.1985 als Diakon
für Jugend-, Alten- und Besuchsarbeit vorgestellt. Die
Vorstellung und Ordination von Johannes Berthold
erfolgte am 10.11.1985 in der Kirche zu
Vorderweidenthal.
Die Bestandsaufnahme sah 1985 wie folgt aus: An drei
Orten Chorarbeit, Existenz eines Krankenpflegevereins,
CVJM, Gottesdienste in Vorderweidenthal sonntags,
162
14tägig in Dimbach und in Völkersweiler (ab 1980 im Pfarrsaal, ab 1982 in der
katholischen Kirche samstagszweitweise in Gossersweiler, dann in Völkersweiler),
einmal im Monat in Oberschlettenbach. Ein Gemeindebrief erschien, in drei
Schaukästen wurden kirchliche Bekanntmachungen gezeigt. Der Pfarrer erteilte
Religionsunterricht an der Sonderschule in Bad Bergzabern, nachdem der Bedarf an
evangelischem Religionsunterricht vor Ort abgedeckt war. Einen sonderlichen
Brauch fand der junge Pfarrer bei Beerdigungen vor, „dem Verstorbenen einen
Lorbeer ins Grab nachzuwerfen’’. Die Sitte des Zitronenwerfens am Grab war u.a.
in der Pfalz bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitet. Paradigmatisch
beschreibt dies Albert Weyersberg für das Bergische Land:51
Im Bergischen Land war es früher insbesondere bei „Personen der besseren Stände“
üblich, den Sargträgern eine Citrone auszuhändigen. „In Bannen erhielt sich dieser,
zu Anfang unseres Jahrhunderts (19. Jahrhundert wohl allgemeine Brauch ... etwa
bis zum Jahre 1860. ... Ihr Zweck scheint ursprünglich gewesen zu sein, dem häufig
unvermeidlichen Leichengeruch entgegenzuwirken. Als nach der Einführung der
Leichenwagen die Träger mit den Särgen weniger in Berührung kamen, wird man
den alten Brauch allmählich fallen gelassen haben. Vielleicht wurde der Citrone
zunächst aber auch eine symbolische Bedeutung beigelegt.“
Neue Aufgaben entstanden. Als im November 1989 die Berliner Mauer fiel, stand
Europa vor der Wende. Sie wurde bis in die Gemeinde spürbar. Russlanddeutsche
kamen im Feriendorf Ferienpark Eichwald (Silz) und auf dem Bethof unter. Wie
nach dem Zweiten Weltkrieg stießen erneut verschiedene Frömmigkeitsstile
aufeinander. Die Wohnungssuche gestaltete sich für die Neubürger als schwierig.
Vorbehalte trafen manchen Wendehals aus der alten DDR. Übergriffe wie in
Hoyerswerda gegenüber Fremden werden befürchtet. Umgekehrt ist die Gemeinde
mit Hilfstransporten nach Bosnien und Rumänien positiv hervorgetreten.
Das ökumenische Miteinander entfaltete sich in vieler Weise positiv. Das Gustav-
Adolf-Fest 1987 für den Kirchenbezirk Bad Bergzabern mit dem Thema
Siebenbürgen und Rumänien fand in Völkersweiler statt. Die dort wohnenden Patres
nahmen unbeschwert an der Feier teil. Gerhard Moser koordinierte einen
Sternmarsch der Jugend an dem Kirchenbezirk zur Berglandhalle, die von der
Ortsgemeinde kostenlos überlassen wurde. Am 8.4.1994 gratulierte Pfarrer Berthold
dem volkstümlichen katholischen Pfarrer Otto Böhm in Niederschlettenbach zum
80. Geburtstag, dabei begleitete ihn der Kirchenchor. Auf den Besuch der neuen
Gemeindeglieder in den Parochialorten wurde großen Wert gelegt.
Das inzwischen fertiggestellte Gemeindehaus wurde fleißig benutzt. Seminare wie
„Christ werden, Christ bleiben“ und auch Bibelwochen fanden statt. Die
Jahresberichte erwähnen einen Kurs in häuslicher Krankenpflege. Eine
Ostermorgenfeier fand in der Leichenhalle in Vorderweidenthal statt. Der
Himmelfahrtsgottesdienst am 25.5.1995 am Lindelbrunn schloss eine Taufe mit ein,
163
alles das Zeichen einer liturgischen Öffnung, die sich mit dem 1994 eingeführten
„Evangelischen Gesangbuch“ weiter fortgesetzt hat. Im Juli 1993 hatte die
Gemeinde den Dekanatskirchenmusiktag in Vorderweidenthal ausgerichtet. Die
Arbeit von Gemeindediakon Gerhard Moser verlieh der Jugendarbeit im Gefüge der
Gemeindearbeit ein großes Gewicht. Es war eine große Erleichterung, dass ihm nach
Prüfung durch den damaligen Kirchenpräsidenten Werner Schramm52 das
Predigtrecht verliehen wurde. Aufregung verursachte in der Gemeinde 1994 die
Abschaffung des staatlichen Feiertagsschutzes für den Buß - und Bettag. Am
7.2.1995 starb der Lehrer, Presbyter und Prädikant Richard Kalkofen. Die
Gemeindearbeit nahm seit 1985 eine kontinuierliche Entwicklung nicht zuletzt
durch die Erkenntnis auf Dekanatsebene, dass der Pfarrdienst in der ausladenden
Fläche des Gemeindezuschnitts einer personellen Unterstützung bedarf.53 Darüber
berichtet die Beschreibung des amtierenden Ortspfarrers.
Zur Person: Johannes Berthold wurde am 1.9.1957 geboren. Die Eltern waren
Werner Berthold und Margot Berthold geb. Hinkel. Nach Studium von 1977 bis
1983 in Oberursel, Tübingen, Hamburg, Erlangen und Marburg legte er in Speyer
1983 die Erste Theologische Prüfung ab. Das zweite Examen folgte im Herbst 1985.
Am 10.11.1985 erfolgte wie bereits beschrieben seine Ordination in
Vorderweidenthal. Seither war er zuerst Verwalter, seit 1990 Inhaber der Pfarrstelle
Vorderweidenthal. Das Ehepaar Rosemarie Berthold geb. Kauck und Johannes
Berthold ist seit 1982 verheiratet. Die Eheleute haben drei Kinder: Matthias Roland,
Daniel Andreas und Annette Monika.54
Pfarrer Berthold als Baumeister
164
_______ 1. Christophe Baginski, Evangelische Kirche und deutsche Kriegsverurteilte in Frankreich.
1944-1962: VVPfKG 22 (2002); Ders., Hans Stempel (1894-1970). Kirchenpräsident
1946/48-1964: VVPfKG 27 (2008), 107-132.
2. Biundo 2485, BPfKG 50 (1983). Biundo nennt ein falsches Ruhestandsjahr. Ehefrau gest.
3.3.1977, beerdigt am 5.3.1977 in Annweiler (ergänzende Angaben eins Personalakte
Jung im ZASP. Abt. 2).
3. Philipp Friedrich Born, 1865-1946: 1890 Verw. Oberotterbach, 1890 Pfarrer Ellerstadt,
1896 Lettweiler, 1907 Alsenborn. 1914 Dekan Bergzabern. 1933 i. R. 1925 Kirchenrat. †
Bergzabern 14.3.1946; °° Philippine. Meyer.
4. Eine Organisation, die nicht von der NSDAP gegründet, aber von ihr mit der Zeit
dienstbar gemacht wurde.
5. Alle Angaben nach der Personalakte Jung im ZASP.
6. Biundo 5866; Wenz: lebte 1893-1954. Er war 1929-1935 Pfarrer in Rohrbach bei
Landau. 1945-1947 war er Jungs Nachbar in Großkarlbach.
7. Biundo 3052, NPB 414. Frau Eleonore Grimm geb. Laukenmann in Kapellen-Drusweiler
danke ich für das Foto und ergänzende Angaben und berichtigende Hinweise.
8. Biundo 1735 u. NPB 212.
9. ZASP Abt. 10. Nachlässe, 150.015. - Diehl, Ludwig. Landesbischof(1894-1982) Nr. 11
Feldpostbriefe an Landesbischof Ludwig Diehl bzw. an den Landeskirchenrat von
Pfarrern und landeskirchlichen Mitarbeitern im Kriegsdienst. Helmut Lambach u. a.; von
Lambach nur die genannte Karte v. 3.8.1940.
10. Biundo 3003. ZASP 851 Pfarrbeschreibung Vorderweidenthal 1954. Nachlass Diehl (wie
vorige Anm.); Personalakte ZASP Abt. 2. 547. - Zu Martin Mauck s. Biundo 3349.
11. Hans Otto Stichler, D. theol., * Marienthal 9.11.1877, 1.1.1928 Oberkirchenrat Speyer.
1929 D. theol. h. c. Erlangen. 10.10.1945 Landesbischof, 1.9.46 in Ruhe, † Speyer
31.3.1948. 1940/48 Vors. d. Basler Miss. Vereins. Biundo 5267; Michael Landgraf. D.
Hans Stichler (1877-1948), Landesbischof 1945-1946: Friedhelm Hans, Gabriele Stüber
(Hgg.), Pfälzische Kirchen- und Synodalpräsidenten, VVPfKG 27 (2008). 90-106.
12. Adolf Gilcher: * Diedelkopf 26.2.1895. 1925 Pfarrer Elmstein. 1930 St. Ingbert l, 1933
Dekan Lauterecken, 1.5.1938 Dekan Bergzabern, 1951 Pfarrer Weingarten, 1.9.1958 in
Ruhe, † 1.2.1969: ∞ Zweibrücken 1926 Marie Elfriede Oberlinger (* Fußgönheim
21.10.1904, † 7.5.1982 Kusel): Biundo 1595, BPfKG 48 (1981), NPB 199.
13. Eugen Roland, * Rehhorn 21.2.1889. 1914/18 Kriegsdienst, 1920 Stadtvikar Lauterecken.
18.11.1921 Pfarrer Rechtenbach. 1931 Rhodt u. Rietburg. 1936 Oberkirchenrat Speyer.
1946 im inneren Dienst der Verwaltung beim Landeskirchenrat Speyer, † Speyer
4.3.1947: °° Godramstein 10.9.1921 Anna Barbara Kienzler (* Godramstein 24.2.1897 –
Speyer 21.9.1985), Sohn Dr. Berthold Roland, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege,
vgl. Friedhelm Hans, Aus der Geschichte der protestantischen Gemeinde in Schweigen:
1200 Jahre Schweigen. Germersheim 2002, 223-272; Biogramm im für 2014
projektierten Handbuch der Landeskirche für die Zeit des Nationalsozialismus; Biundo
4432.
14. Kirchliches Amtsblatt 1941/8.
15. Biundo 2248; s.u. die Erinnerungen Rudolf Walters im nächsten Abschnitt. Personalakte
ZASP Abt. 2, 2788, und Wehrmachtsbrief im Nachlass Ludwig Diehl: ZASP 150. 15, Nr.
8.
16. So die Angabe in der Personalakte, die Angabe bei Biundo ist falsch.
165
17. Ab 6.9.1939 durften im Deutschen Reich Motorräder nur noch dann gefahren werden,
wenn ihr Einsatz im öffentlichen Interesse lag. Das Kennzeichen hierfür war ein roter
Winkel.
18. Biundo 431, NPB 55, Friedhelm Hans, Schweigen (wie Anm. 13), 247 ff.; Sohn Hans Blitt
NPB 432; zu Eugen Sueß ebd. u. Biundo 5361 (1899 Neustadt - 1985 in Remscheid.
Auskunft Dr. Ulrich Dühr v. Archiv der Ev. Kirche im Rheinland am 3.1.2002 an den Verf.
Für „1200 Jahre Schweigen“, 2002, 271 Anm. 101.
19. Biundo 1176, NPB 142: Pfälzisches Pfarrerblatt 1982: Artikel der Pfarrer Ernst
Kohlmann, Hermann Lübbe und Karl Esselborn ,,Überlegungen zur Wahl des
Kirchenpräsidenten“. ZASP 150.065. - Heinz Wilhelmy, Pfarrer, hauptamtlicher
Landesbeauftragter für das kirchliche Männenwerk (1906-1980), Korrespondenz 1936.
Korrespondenz u.a. mit Karl Esselborn; ZASP 150.120 Nachlass Alexander Müller:
Bericht über die Tagung der Pfälzischen Pfarrbruderschaft in Gimmeldingen von Pfarrer
Karl Esselborn. Oktober 1966: Hermann Lübbe, Ev. Kirchenbote 1982, Nachruf.
20. Ostermaier arbeitete für mehrere Kirchen der Pfalz, z.B. Edigheim. Niederlustadt,
Asselheim, Dörrenbach, Dammheim, Kindenheim, Waldfischbach, Höheinöd, Erfenbach,
Landstuhl, Gerhardbrunn: Wohnorte Speyer, Kaiserslautern.
21. ZASP Abt. 44. 850 Pfarrbeschreibung 1904, ZASP Abt. 44. 851 Pfarrbeschreibung 1954.
22. Biundo 1073. BBK 45; ZASP Abt. 66, 851 Jahresbericht 1954. Personalakte im
Landeskirchlichen Zentralarchiv in Darmstadt, die erbetene Auskunft steht noch aus.
23. Biundo 4544, NPB 594, Friedhelm Hans, Die Pfälzische Landeskirche und die
Ostflüchtlinge: BPfKG 64 (1997). 111-183.
24. Biundo 1311, NPB 154.
25. ZASP Abt. 10. Nachlässe, 150.015. - Diehl. Ludwig, Landesbischof (1894-1982) Nr. 6
Feldpostbriefe an Landesbischof Ludwig Diehl bzw. an den Landeskirchenrat von
Pfarrern und landeskirchlichen Mitarbeitern im Kriegsdienst, u.a. Rudolf Fiedler.
26. Biundo 3552, NPB 474.
27. Arno Deutelmoser, 1907-1983, aus der Jugendbewegung hervorgegangener Anhänger
einer pantheistischen Weltanschauung.
28. NPB 755: Lothar Wagner, *26.9.1950 Vorderweidenthal. S. v. Oskar W. ( *13.2.1917,
†1983) u. Erna W. geb. Sengling (*20.2.1922).
29. Biundo 5951, nicht im NPB: Eltern: Landwirts Joh. W. (* Haßloch 13.3.1891, † H.
14.5.1960) und Philippine Löchner (* H. 17.11.1894, † H. 31.1.1954); 1943/45
Kriegsdienst, Stud. 1945/49 Erlangen. Frdl. Angaben von Frau Christine. Lauer im ZASP
v. 18.3.2013: (Teil) Personalakte im ZASP. Wilhelm wechselte am 15.11.1970 in den
Dienst. der Ev. Kirche in Hessen und Nassau. Er war in folgenden Pfarreien Tätig:
16.10.1949 Vikar in Germersheim. 16.4.1951 als hauptamtlicher Verweser in
Vorderweidenthal (ab 1.7.1953 als Pfarrer), 16.4.1959 Pfarrstelle bei der Männerarbeit
in der Pfälzischen Landeskirche. Mit Wirkung vom 16.11.1970 wurde Wilhelm zum
Pfarrer der EKHN auf Lebenszeit berufen und gleichzeitig für die hauptamtliche
Erteilung von Religionsunterricht an der Berufsschule in Friedberg freigestellt. Mit
Wirkung vom 1.10.1980 in Ruhe. Er verstarb am 22.10.1991 in Friedberg (Amtsblatt der
EKHN Nr. l, 1971, 30; Nr. 10, 1980, 175; Nr. 12, 1991. 218); für die Auskunft dankt der
Vf. Frau Ute Dieckhoff vorn Zentralarchiv der Ev. Kirche in Hessen und Nassau in
Darmstadt. 25.3.2013. Seine Urne wurde am 27.11.1991 auf dem alten Friedhof in
Haßloch beigesetzt.
30. Der Kirchenbezirk hat eine Festschrift herausgegeben.
166
31. Aufruf im Gemeindebrief Ingenheim, April 2012.
32. Heinz Friedrich Wilhelm Wilhelmy, * Pirmasens 2.3.1906; 1930 Verw. Albersweiler,
Kaiserslautern, 1934 Pfarrer Thaleischweiler, 1939 Kriegsdienst, 1946 nebenamtl., seit
1953 hauptamtl. Landesbeauftragter für das kirchl. Männerwerk (Kaiserslautern), °°
1931 Hanna Gericke. i.R. 1969. † 16. Mai 1980 Ebernburg; Biundo 5962. nicht im NPB.
33. Friedrich Johann Kerth.* Kandel 1.9.1910. 1934. Verw. Göllheim. Pirmasens III,
1.5.1938 Verw., 1.3.1949 Pfarrer Klingenmünster, 1939/48 Kriegsdienst und russ. Gef.
Ruhestand am 31.8.1973, † 8.6.2004 in Gleiszellen-Gleishorbach, 1966-1973 Mitglied
der Kirchenregierung, Mitglied des Grundordnungs- u. des Finanzausschusses; ∞ Kandel
23.10.1939 Anneliese Greiner (* Pirmasens 15.7.1919), Ehefrau Vorstandsmitglied des
Müttergenesungswerkes Pfalz: zwei Kinder; Biundo 2617, NPB 344.
34. Ludwig Heinrich Leonhard, * Edenkoben 15.4.1909, 1934 Verw. Großniedersheim,
Mittelbexbach, 1935/43 Verw., 1942 Pfarrer Elmstein. 1940’’4 5 Kriegsdienst und Gef.,
1950 Pfarrer Rohrbach bei Landau, 31.7.1974 Ruhestand; °° Edenkoben 21.9.1937
Emilie Elis. Kutterer (* Karlsruhe 1910, † 15.12.1992 Annweiler); Biundo 3104, NPB
421. Sohn Ludwig Georg Leonhard, (1938-2012), bekannt als Pfarrer zu Annweiler 1973-
2000: Biundo 3105; NPB 432.
35. August Hussong, weltlicher Oberkirchenrat. 1906-1972, Biundo 2381, NPB 298.
36. Volker Ludwig Adolf ‘Hörner * 1948 Rohrbach/Landau, 1972 Vikar, 1975 Verwalter
Dörrenbach. 1976 Pfarrer Dörrenbach. 1978 Pfarrstelle Predigerseminar Landau 1995
Pfarrstelle Ev. Akademie der Pfalz, ab 2013 Pfarrer i. R. in Landau; NPB 275.
37. Alfred Wasner, * Speyer 10.6.1931. 1955 Predigerseminar, 1955 Vikar Miesenbach, 1956
Stadtvikar Frankenthal. 1959 Pfarrer Rechtenbach i. R. 30.6.1994, verlängert bis
31.10.1994, † 29.8.2006 in Schweigen-Rechtenbach: Dekanatsjugendpfarrer, Senior,
Beisitzer im Verwaltungsausschuss der Ökum. Sozialstation: Biundo 5721: NPB 762:
Hans, Schweigen (wie Anm. 13).
38. Alfred Hans Keffel, *1941. 1968 Aushilfe Waldfischbach, 1968 Vikariat Landau-Mitte,
1971 Religionslehrer am Neusprachl. Gymnasium Landau, 1.10.1975 Pfarrer Landau-
Mitte, 1978 Dekan Lauterecken, 1984 Dekan Bad Bergzabern. 1994 a. D., 1995 Pfarrer
Fußgönheim, 30.4.2000 i. R.: NPB 338.
39. Volker Janke, geb. 11.2.1966, 1.1.1994 Vikar, 16.7.1996 der Kirchengemeinde Minfeld
zugeordnet, 16.7.1999 Pfarrer auf Lebenszeit. 1.1.2003 Pfarrer z. A. Minfeld- Winden
verliehen, 1.10.2012 Dekan Landau.
40. Victor Alexander Damerow, * 12.7.1977, 18.9.2006 Vikar, 1.3.2009 Pfarrer z. A.,
1.3.2009 hauptamtliche Verwaltung der Pfarrstelle Heuchelheim und dem Kirchenbezirk
Bad Bergzabern zugeordnet.
41. Mitteilung Hermann Dahl an den Vf. v. 19.3.2013, aktualisiert, mit herzlichem Dank. d.
Vf.
42. Ernst Wolfgang Rieder, 1913-1971, Vikariat ab 1936, 1939/49 Kriegsdienst u. russ.
Gefangenschaft, 1.1.1950 Pfarrer Speyer (Vikarsstelle), 1.6.1950 Pfarrer Dahn. 1.1.1957
Erlenbrunn, † 12.2.1971 Pirmasens-Erlenbrunn: ∞ Speyer 7.7.1951 Gudrun Weber (*
Ernstweiler 1929), fünf Kinder; Biundo 4344, NPB 565.
43. Jahresberichte Abt. 44. Vorderweidenthal.
44. Biundo 5681, NPB 761. Für die persönlichen Erinnerungen v. 16.3.2013 und das Foto
danke ich Rudolf Walter in Freinsheim herzlich, F. H.
45. Biundo 2448, NPB 316.
167
46. ZASP Abt. 8. Nr. 65 Jahresberichte. Im Text jeweils das entsprechende Jahr angegeben.
Zur Kirchenrenovierung und Orgelgeschichte s. eigene Abschnitte.
47. Walter Hennig. Völkersweiler, Reisemissionar der Basler Mission. Pfarrdiakon.
Dienstbezeichnung Pfarrer verliehen mit Wirkung vom 1.3.1990;
48. Robert Hensel, Dr. theol. Professor, * Zweibrücken 1930, 1954 Predigerseminar, 1955
eingesetzt in Kirkel, Pirmasens u. Berufsschule Pirmasens, 1956 Dienst am
Predigerseminar Landau, 1956 Dr. theol. Mainz, 1958 Pfarrstelle 2 Predigerseminar
Landau, 1961 Pfarrer Dahn, 1966 Dekan Bergzabern II. 1984 Oberkirchenrat Speyer /
Dez. II – Schule u. Universitäten, Ausbildung u. kirchl. Werke, 1990 i. R.; ∞ Zweibrücken
1957 Hildegard Maurer (*1931), Veröff.: Das Interim in Pfalz-Zweibrücken (Dissertation
Mainz 1956); Miles Coverdale, Heimatjahrbuch Landau 1984; Billicanus, dto. 1986:
Hans Denk, dto. 1988: Geschichte der Ev. Kirche in Bad Bergzabern seit der
Reformation, Zweibrücken 1993; 1960-65 Lehrauftrag Kirchengeschichte. Katechetik an
der Päd. Hochschule Kaiserslautern, 1970-1983 Vorstand des GAW; 1995 in Landau zum
Professor (Universität Koblenz-Landau) ernannt: Lehrauftrag in Landau; Biundo 2066,
NPB 256.
49. Otto Mehringer 1908-1982. ab 1932 Dienste in Gönnheim. Predigerseminar,
Kirchheimbolanden, Mörzheim, Kindenheim, 1937 Pfarrer Großbockenheim,
Kriegsdienst, 1950 Pfarrer Ludwigshafen II. 1953 Dekan Landau, 1964 Oberkirchenrat
Speyer, 31.10.1974 Ruhestand; ∞ I. 1937 Bad Dürkheim: Anna Heilmann (1913-1967),
T. Ursula Müller-Praefcke geb. Mehringer, ∞ Biundo 3676 u. NPB 458: Jürgen M.,
Neustadt: ∞ .II 1969 Karlsruhe: Helga geb. Krebs, *1936 Zeiskam, Malerin; Veröff.: Pro-
Teste aus protestantischen Pfarrhäusern. 1979: Georg Friedrich Dentzel, ein Pfälzisches
Schicksal, Speyer 1983; Biundo 3407. HP B 458.
50. Gabriele Stüber, Walter Erich Ebrecht (1910-1978). Kirchenpräsident 1969-1975:
Friedhelm Hans, Gabriele Stüber (Hgg.), Pfälzische Kirchen- und Synodalpräsidenten:
VVPfKG 27(2008), 159-175; 1062. NPB 122.
51. Lorbeer als Symbol des Sieges (über den Tod), bekannt von den Lorbeerkränzen. Seit der
Barockzeit war neben dem dreimaligen Erdwurf der Einwurf von Zitronen – besonders
durch die Leichenträger) verbreitet, dem Vf. zuletzt in Weisenheim am Sand 1981 bezeugt
für die Zeit bis 1970; s.a. Georg Biundo. Brauchtum um Tod und Grab: BPfKG 26 (1959),
174f.; für das Bergische Land ist der barocke Ursprung ebenfalls bezeugt: In einer
Aufstellung der Begräbniskosten eines im Jahre 1782 zu Pilghausen bei Solingen
verstorbenen Klingenkaufmanns sind u.a. aufgeführt: „5 Rthlr 58 Stbr. für 13 Paar
Handschuhe und ebensoviele Citronen für die Träger und Schulmeister“, s. Albert
Weyersberg, Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins = MBGV9 (1894). 121]. Es
mag noch erwähnt werden, daß ... die Kutscher des Leichenwagens und der
Begleitwagen ... ein Paar weiße, baumwollene Handschuhe im Trauerhause erhalten, so
Weyersberg, MBGV 9 (1894), 130.
52. Werner Schramm. 1933-2004, 1964 Pfarrer Morschheim 1969 Pfarrstelle l
Kirchheimbolanden. 1970 Dekan Kirchheimbolanden, 1976 Oberkirchenrat in Speyer.
1988-1998 Kirchenpräsident. † 1.9.2004 in Dudenhofen: ∞ Erika Rettig (*1938); Biundo
4900, NPB 654: F. Hans, Werner Schrann (1933-2004), Kirchenpräsident: VVPfKG 27
(2008), 207-229, vgl. Anm. 50.
53. ZASPAbt.8Nr. 772.
54. NPB 49.
168
Die gotische Glocke von Vorderweidenthal und ihre Geschwister
Der Kirchturm birgt u.a. eine gotische Glocke aus dem Jahre 1594, wie aus der
Schulterinschrift der Glocke hervorgeht. Die stilistische Klassifizierung als gotisch
erfolgt nach dem Glockentypus und nicht nach der Jahreszahl, in der etwa im
Bauwesen längst die Renaissance angebrochen war. Die letzte umfassende
Beurteilung hat der frühere Pfälzische Glockensachverständige der Pfälzischen
Landeskirche, Volker Müller aus Maxdorf, abgegeben. Müller schreibt:
„Die jüngste erhaltene Pfälzische Glocke in gotischem Stil aus der Zeit vor 1618
läutet heute im Dreiklanggeläute fis’- a’-cis“ der Pfarrkirche Vorderweidenthal, eine
klanglich sehr gute, flüssig und klar wirkende Glocke. Interessant ist ihre
Schulterinschrift, gemischt in deutscher und lateinischer Sprache und in Antiqua-
Majuskeln der Renaissance: GLORIA IN EXCELSIS DEO (liegende Lilie als
Trennung) ZV STRASBVRG GOS MICH IOHANN IAKOB MILLER DA MAN
ZALT ANNO 1594 (3 Lilienblätter als Texttrenner); unter der Schrift findet sich ein
Hängefries aus Blattwerk und Eicheln, unter dem Wort GLORIA unterbrochen
durch eine 125 mm hohe Plastik des auferstandenen Christus mit erhobener rechter
Hand und in der linken Hand die Weltkugel mit Kreuz tragend.’„ Ihr Schlagton ist
a’. Sie besitzt eine Sechs-Henkel-Krone, je zwei Kronenhenkel sind paarig
angeordnet, auf jedem Henkel sieht man eine männliche Fratze. Der genannte
Schulterschmuck ist 13 cm hoch.2
Tatsächlich verweist die Glockenzier auf andere bekannte spätmittelalterliche
Glocken in Friedelsheim oder Bad Bergzabern (Marktkirche, 1414, mit einer
Christusfigur und der gotischen Minuskel mit dem Wortlaut „ hans von sant vvalfart
gos mich anno dni - domini - M CCC XXXXI“ = 1441). „ Ehre sei Gott in der Höhe“
– Die Engelsbotschaft aus dem Weihnachtsevangelium nach Lukas 2 ist ein beliebter
Spruch auf Glocken und wurde in unserem Raum zuletzt in Landau verwendet. Diese
Glocke stand 2003/04 vorübergehend stumm in der Johanneskirche, bevor sie nach
Serui nach Westpapua verschickt wurde.
Der stilistische und technische Umbruch im Glockenguss erfolgte nach dem
Dreißigjährigen Krieg. In den Kriegsläuften jener Epoche ging das Wissen um den
Glockenguss verloren. Daher haben die barocken Glocken keinen hohen
musikalischen Klangwert. Die sog. Hunspacher Glocke neben der Bergkirche in Bad
Bergzabern hat ihren Wert von der Glockenzier mit dem Bergzaberner Wappen, eine
Reparatur der durch Artilleriebeschuss im Zweiten Weltkrieg Beschädigten Glocke
hätte sich vom Klang her jedenfalls nicht gelohnt. Die Präsentation auf dem
„Hunspacher Plätze!“ ermöglicht es aber dem Publikum, eine Glocke ohne
besonderen Aufwand aus der Nähe zu betrachten. Die gotische Glocke von
Vorderweidenthal hat alle Kriegs- und Friedenszeiten heil überstanden. Sie läutete
169
bereits vom Turm der Vorgängerkirche und überstand die beiden Weltkriege. Der
Erwähnung wert ist das zur Glocke. Die Glocke hängt an einem hölzernen Joch (der
drehbar gelagerte Balken zum Aufhängen einer Glocke). Das Joch ist ebenso wie
der Holzglockenstuhl aus alter Zeit erhalten.3 Der Wert des historischen
Glockenensembles ist unschätzbar. Vom Glockenstuhl lässt sich auf das
Vorhandensein von drei Glocken bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts
zurückschließen.
Für den Kirchenneubau von 1865 wurden ehedem zwei Glocken von Fa. Pfeifer in
Kaiserslautern gegossen worden. Man wollte ein neues, besser klingendes Geläute
haben und goss zwei ältere Glocken um. Wie heute vorhanden entstand damals ein
Molldreiklang mit folgenden Glocken:
Glocke 1 Ton: fis’ Durchmesser 1060mm, Gewicht ca. 600/620 kg
Glocke 2 Ton a’ Durchmesser 902 mm, Gewicht ca. 420 kg
Glocke 3 Ton cis“ Durchmesser 710mm, Gewicht 175 kg
1917 wurden die Glocken fis’ und cis“ von 1865 für Rüstungszwecke eingezogen.
Die fünf Jahre später von Pfeifer in Kaiserslautern gegossenen und im Juli 1922
gelieferten Glocken fis’ und cis“ wurden wiederum auf die historische a-Glocke
abgestimmt.4 Kaum zwanzig Jahre nur riefen sie vom Kirchturm die Gemeinde zu
Gottesdienst und Gebet. Vom 13. bis 18. Februar 1942 wurden sie vom Turm
abgenommen und sofort im Hamburg eingeschmolzen, da sie der Gruppe A
eingeordnet wurden, der kein historischer oder klanglicher Wert beigemessen war.5
Anders als im Ersten Weltkrieg war die Glockenabnahme aber eine reine
Propagandamaßnahme. Nur die wenigsten wurden für Kanonenmetall
eingeschmolzen. Vielmehr sollte der Kirche eins Stimme genommen werden. Viele
Gemeinden fanden ihre beschlagnahmten Glocken der Gruppen B und C (historisch
mehr oder weniger wertvoll) wieder auf dem „Glockenfriedhof’ in Altona, da ein
Bombenangriff die Schmelzanlage lahmgelegt hatte. Nach dem Kriege goss
Hermann Hamm (l 896-1971) in Frankenthal 1949 für Vorderweidenthal zwei
Ersatzglocken mit gleichem Schlagton.6
Pfarrer Dr. Rudolf Molter lud den „Präses“ Hans Stempel am 14.5.1949 zur
Glockenweihe nach Vorderweidenthal ein, die Gemeinde würde sich nach dem
Terminkalender des Präses richten. Die Absage des Kirchenpräsidenten Stempel an
Bürgermeister Hermann Müller vom 23.5.1949 ist erhalten. Wegen der zahlreichen
anderen Glockenweihen erfolge vom Landeskirchenrat kein Besuch, teilte Stempel
mit. Seine Teilnahme würde außerdem in den Gemeinden ein falsches Signal setzen,
die vier Jahre nach Kriegsende, immer noch kein Pfarrhaus oder keine Kirche
besaßen.7 Grüße des Landeskirchenrates zur Glockenweihe überbrachte Pfarrer
Erich Hammel aus Kapellen.8
170
Beschreibung der Hamm-Glocken (aus der Inventarisation des
Glockensachverständigen Volker Müller, Maxdorf):
Glocke 1 fis’: Sechs-Henkel-Krone, Bügel radial angeordnet, einmal abgesetzte Platte, Grat auf
der Haube.
Schulterinschrift zwischen zwei umlaufenden Wülsten in 40 mm-Antiqua:
DTE ERLÖSTEN DES HERRN WERDEN WIEDERKOMMEN MIT
JAUCHZEN Auf dem Wolm zweizeilige, 17 mm hohe Antiqua-Inschrift:
Erste Zeile: DEM GEDÄCHTNIS DER OPFER ZWEIER
WELTKRIEGE WARD ICH GEWEIHT
Zweite Zeile: ANDREAS HAMM SOHN IN
FRANKENTHAL GOSS MICH FUER DIE PROT.
KTRCHE VORDERWEIDENTHAL 1949
Um den Schlagring Inschrift in 40 mm Antiqua: DER
GERECHTIGKEIT FRUCHT WIRD FRIEDE SEIN
(Stern) DIE LIEBE IST DES GESETZES ERFUEILUNG
Glocke 3 cis’: Gestaltung von Krone uno Haube wie bei der großen fis’-G locke
Um die Schulter zwischen zwei Zierringen 30 mm-Antiqua-Inschrift:
SEI GETREU BIS AN DEN TOD †
Auf dem Wolm zweizeilige 20 mm-Antiqua-Inschrift:
Erste Zeile: ZWEI GLOCKEN DER GEMEINDE
VORDERWEIDENTHAL VERSCHLANG DER KRIEG 1942
Zweite Zeile: MIT MEINER GROSSEN SCHWESTER
ZUSAMMEN GOSS MICH ZU IHRER NACHFOLGE
ANDREAS HAMM SOHN IN FRANKENTHAL 1949 Um den Schlagring zwischen Graten 30-mm-Antiqua-
lnschrift: WER DA GLAUBET UND GETAUFT WIRD DER WIRD
SELIG WERDEN † pS: Die Schlagringe aller drei Glocken sind stellenweise Beschädigt,
besonders bei Glocke a’ (Glocke 2).
15.6.1985 aufgenommen durch Volker Müller und Dr. Konrad Bund
Die Kirchengemeinde ist sich ihres Schatzes im Kirchturm bewusst. Sie feierte
1994 den vierhundertsten Geburtstag ihrer historischen Glocke.9
171
_______
1. Volker Müller. Denkmalglocken der evangelischen Kirchen der Pfalz, Der
Turmhahn 30 H. 5/6 (19861. 7-10.
2. Nach Unterlagen Volker Müllers, Maxdorf’(12.3.2013). Mit herzlichem
Dank, FH..
3. Müller (wie vorige Anm.); Müller: Erfreulich ist, daß auch 1949 bei der
Ergänzung dieser Glocke der schöne, alte Holzglockenstuhl und die
Holzjoche erhalten blieben“; bei Müller Abbildung der Glocke und des
Glockenstuhls. 7.
4. Jahresberichte ZASP Abt.. 8, für 1917 und 1922.
5. Angaben zu den Glocken von 1865 und 1922 bis zur Einschmelzung nach
Unterlagen Volker Müllers (12.3.2013). Mit herzlichem Dank an Volker
Müller für die Ergänzungen, Friedhelm Hans. Feierlicher Glockenumzug
über Annweiler, Darstein, Oberschlettenbach; Festpredigt Dekan Born:
Pfarrbeschreibung 1954.
6. Bernhard H. Bonkhoff, Die Pfälzische Glockengußkunst, Zweibrücken
1992, 137.
7. ZASP Abt. 344. 32.
8. Jahresbericht für 1949, ZASP Abt. 8; Pfarrer Erich Hammel: 1904-1975.
1938-1950 Pfarrer in Kapellen-Drusweiler, 1957-1969 Vorsitzender des
Blauen Kreuzes Pfalz-Saar; 1970 Ruhestand; Biundo 1877, NPB 231.
9. ZASP Abt. 8. 742 (Jahresbericht 1994/95 Vorderweidenthal).
172
Protestantische Kirche
173
Nordseite der Kirche mit Spuren alter Beschädigungen
174
Protestantisches Gemeindehaus von Süden mit Denkmal für die Gefallenen des
Zweiten Weltkrieges
Protestantisches Gemeindehaus - Westseite
175
Bei der Einweihung des Protestantischen Gemeindehauses entstanden im Mai 1992
zwei Aufnahmen:
Das Presbyterium z. Zt. der Einweihung (von links nach rechts): Gerhard Moser,
Gemeindediakon; Edmund Keller, Helmut Jung, Renate Bauer, Heidi Hussong-
Braun, Richard Kalkofen, Luise Eitel, Helga Stoffel. Waltraud Jung, Gerhard
Helfer, Hannelore Heft, Helmut Dopke, Johannes Berthold, Pfarrer; rechts im
Hintergrund rechts der ehemalige Presbyter Herbert Wagner
Nach der Einweihung Präsentieren sich - v.l.n.r.: Gerhard Moser, Gemeindediakon;
Edmund Keller, Oskar Bischoff, Reinhard Burkhard. Heidi Hussong-Braun, Herbert
Wagner, Luise Ettel, Richard Kalkofen, Helga Knurr, Gerhard Greitsch, Gerhard
Helfer, Helmut Dopke. Eugen Stöbener (im Rollstuhl) und Johannes Berthold,
Pfarrer
176
Kircheninneres und Ausstattung
Derzeitigel- Zustand der Kanzel, des Chorbogens und des Altars im Chorraum; im
Bild rechts Tafel der Kriegstoten des Ersten Weltkrieges
Das Kirchenschiff mit Blick auf den Chor: an der Decke ein hölzerner Radleuchter
(Nachbau eines gleichgestaltigen Vorgängers). Dessen Ausführung erinnert an eine
gezackte Krone, wiederkehrend z. B. im Epiphaniaslied „O König aller Ehren „
177
Das Kircheninnere nach einer alten Aufnahme aus dem Anfang des 20.
Jahrhunderts: Die Kriegertafel fehlt noch, der Altar ist schmucklos, nach
Pfälzischer Überlieferung ohne Kerzen oder Kreuz, auch fehlt eine Altarbibel. Im
Bild sieht man links von der Kanzel den Pfarrstuhl, der wie in vielen anderen Fällen
bei der Renovierung von 1966 entfernt wurde. Ansonsten hat sich der Kirchenraum
- besonders hinsichtlich der Kirchenbänke und ihrer Anordnung - kaum verändert.
Foto in der Kirche
Diese Aufnahme des Kircheninneren
zeigt bereits den Radleuchter. Die
Kirche Verfügt zur Beheizung des
Kirchenraumes über einen gusseisernen
Ofen, man beachte das Ofenrohr an der
Chorwand rechts. Der Altar ist immer
noch schmucklos. Frühester Zeitpunkt
für diese Aufnahme sind die Jahre nach
1920. Der Zustand hielt bis vor der
Renovierung 1965/66 an, vgl. die
Einweihungsfestschrift Pfarrer Karl
Jockers „100 Jahre neue Kirche in
Vorderweidenthal“, Bad Bergzabern
1966.
Foto in der Kirche
178
Jockers geht in der Festschrift von 1966 ausführlich auf die Renovierungsgeschichte
ein: Am 1.6.1965 beschloss das Presbyterium die Vorverlegung der Konfirmation
auf den 21. März, um am Tag darauf mit der Renovierung zu beginnen. Bei
Erdarbeiten stieß man auf die Fundamente der mittelalterlichen Kirche und Gebeine
aus dem alten Kirchhof. Fa. Schwarzmüller aus Schwanheim erhielt Unterstützung
bei den Ausschachtungs- und Maurerarbeiten von Freiwilligen aus dem Dorf.
Neue elektrische Leitungen wurden gezogen, das Gebälk imprägniert. Jockers
spricht noch von der „Frauenseite“, die einen Gang an der Wand erhielt - damals saß
man im Gottesdienst noch nach Geschlechter getrennt. Die Orgelrestaurierung
wurde vertagt und erfolgte einige Jahre darauf, zwischen 1969 und 1971. Eine Öl-
Warmluft-Heizung kam zum Einbau, neue Fenster und eine elektrisch betriebene
Turmuhr kamen hinzu. Besonders war man auf die Herrichtung des mittelalterlichen
Chorraums stolz. Zur Hilfe kamen Geldspenden hinzu, davon 10.000 DM von der
politischen Gemeinde. Aus dem Grenzlandfonds des Bundeslandes floss dieselbe
Summe, der Landeskirchenrat bewilligte 43.000 DM und 10 Festmeter Stammholz.
An eigenen Mitteln brachte die Kirchengemeinde 25.000 DM auf, Sachspenden
kamen im Wert von 20.000 DM aus der Gemeinde.
„40% aller Haushalte sehen bereits in die Röhre“, bemerkte Jockers, und doch
gingen die Gedanken weiter auf die Orgelinstandsetzung und den Ausbau eines
Pfarrzentrums mit Jugendräumen und Bücherei. Eine Liste der unter Architekt Otto
Hahn aus Schifferstadt wirkenden Handwerksbetriebe aus dem Ort Schreinerbetrieb
Oskar Hoff und Sohn, Maler Erich Eckert aus Darstein, aus Spirkelbach, Elektro O.
Stoffel, Steinsanierung B. Oehl aus Wernersberg, Fenster und Fensterkreuze die
Firmen Krumholz und Erb aus Bad Bergzabern, Schmiedearbeiten Fa. Schreiber aus
Rhodt unter Rietburg, Heizungstür K. Funk, Vorderweidenthal u.a.
Die mittelalterliche Sakramentsnische
mit neuzeitlichem Gitter im Chorturm
179
Vergrößerte Teilaufnahme der Sakramentsnische; gotische Form mit Maßwerk,
gekrönt mit einem Kelch (?) oder Pinienzapfen auf der Spitze, links und rechts
daneben Kapitellspitzen (?)
Der dritte Quader von unten in der linken
Chorwand weist eine längliche
Aussparung vor, nach oben
halbkreisförmig abgerundet und einer
gezackten Spitze. In der Abbildung von
vor dem Ersten Weltkrieg ist eine
Nutzung zu erkennen. Über das Alter
dieser Aussparung sind keine sicheren
Aussagen möglich
180
Die Orgel(n) der protestantischen Kirche in Vorderweidenthal
Gero Kaleschke
In der 1386 erstmalig erwähnten, 1489 umgebauten und 1695 nach Beschädigungen
im Pfälzischen Erbfolgekrieg erneuerten Kirche in Vorderweidenthal (lutherisch)
befand sich bis 1788 keine Orgel. Nach dem Jahresbericht von 18651 wurde die erste
Orgel im Jahre 17882 in der Kirche auf einer kleinen Emporbühne im Chor
aufgestellt.3 Diese Orgel hatte offenbar elf Registerzüge4, was auf etwa acht bis zehn
klingende Register schließen lässt. Als Erbauer kommt mit größter
Wahrscheinlichkeit der Orgelmacher Johann Carl Baumann von Annweiler infrage.5
Weitere Nachrichten aus dem 18. Jahrhundert und beginnenden 19. Jahrhundert sind
nicht bekannt; so entzieht es sich auch unserer Kenntnis, ob das Werk während der
Revolutionswirren beschädigt oder geplündert wurde. Die Kirche selbst, die im
Besitz der „Civilgemeinde“ war, wurde am 2. Pluviose XIII (22. Januar 1805) der
Kirchengemeinde überlassen.
18206 wird ein Blasbalgzieher erwähnt und 1822 reparierte der Orgelmacher Jacob
Moeller7 die Orgel zu einem Betrag von 62 fl. 20 xr, welcher aus der
Gemeindekasse8 bezahlt wurde. Eine weitere Reparatur ist bezeugt für das Jahr 1836;
sie wurde von Orgelmacher Georg Hof von Klingen um den Betrag von 22 fl 48 xr
vorgenommen.9
1847 war die Kirche für baufällig erklärt worden, so daß die Gottesdienste im
Schulhaus abgehalten werden mussten. Doch noch im Dezember des gleichen Jahres
wurde die Kirche nach einer Reparatur wieder benutzt. Die anstehende
Orgelreparatur wurde dagegen erst im Jahre 1852, im Zuge einer weiteren
Kirchenreparatur durch Wilhelm Huber von Pirmasens lt. Kostenanschlag vom 16.
Juli 185210 zu 44fl. vorgenommen. Diese Kosten wurden aus der Kirchenkasse
bestritten.11 Huber hatte danach die Orgel nochmals in den Jahren 1857, 1860 und
1863 gestimmt, wofür er jeweils 8 fl. bezog.
Am 12. September 186212 hatte die Gemeinde beschlossen, angesichts des immer
desolater werdenden Bauzustandes, eine neue Kirche nach Plänen von J. Köhler von
Pirmasens zu errichten. Vor dem Abbruch des Gebäudes (ausgenommen der Turm)
am 23. Mai 1864 hatte Orgelbauer Carl Wagner von Kaiserslautern die Orgel
abgelegt und im Schulhaus eingelagert.13 Am 12. Juni konnte der Grundstein zum
neuen Kirchenschiff gelegt werden. Nachdem Wagner die Orgel auf
Gemeindekosten nach gründlicher Reparatur (und Veränderung?) 14 - die Orgel
erhielt u.a. ein neues Flötenregister - auf der Empore über dem Haupteingang
aufgestellt hatte, wurde der Kirchenbau am 10. Dezember 1865 eingeweiht.15 Das
erneuerte Orgelwerk war von den Lehrern Herrmann von Oberschlettenbach und
Grünenberg von Vorderweidenthal geprüft worden.
181
Im Vorfeld des Kirchenneubaus aufgetretene unerquickliche
Eigentumsstreitigkeiten betr. Glocken und Orgel wurden dahin entschieden, daß für
die Orgel das Presbyterium als zuständig erklärt wurde, aber der Gemeinderat gehört
werden müsse, wenn die Kosten für Neubau oder Reparatur aus der Gemeindekasse
bezahlt werden sollten.
Ein 1865 und nochmals 1870 ins Auge gefasster Orgelneubau - die alte Orgel hatte
sich für den viel größeren Kirchenraum als zu klein erwiesen - unterblieb. Von 1869
bis 1872 wartete Christian Huber16 von Pirmasens die Orgel, ab 1878 der
Orgelmacher Peter Hof von Klingen bzw. dessen Sohn Andreas; sie erhielten jeweils
17 Mark aus der Kirchenkasse.
Der sich verschlechternde Zustand des Werks - die Wartungen beschränkten sich
offenbar nur auf die Stimmungen - veranlasste das Presbyterium im Jahre 1887,
Jakob Heinrich Lützel von Zweibrücken um ein Gutachten über die Orgel zu bitten.17
Aufgrund dieses Gutachtens wurden die Gebrüder Huber von Pirmasens noch im
gleichen Jahre aufgefordert, einen Kostenanschlag über Erneuerung einzureichen.
Am 28. September 1887 genehmigte das Bezirksamt Bergzabern18 die Pläne mit der
Auflage, die Vorschläge Lützels zu berücksichtigen.
Der ursprüngliche - und wohl auch dem Vertrag zugrunde gelegte – Kostenaufwand
von 900 Mark wurde jedoch infolge unvorhergesehener Zusatzarbeiten, die sich erst
beim Abbau der Orgel als notwendig herausgestellt hatten, beträchtlich
überschritten. Die Gesamtsumme belief sich Schließlich auf 1235 Mk.19 ohne die
Nebenausgaben. Welche Umgestaltungen vorgenommen worden waren, lässt sich
zur Zeit mangels Quellen nicht mit Sicherheit angeben.
Am 28. Juli 1888 konnte die erneuerte Orgel20 - gleichsam zum Gedächtnis an die
hundertjährige Wiederkehr der Aufstellung in der Kirche - in Dienst gestellt werden.
Die Prüfung wurde von Seminarlehrer Hermann Hahn von Kaiserslautern
vorgenommen. Gebr. Huber hatten danach die Orgel - bis 1898 in Pflege; von 1899
bis 1909 betreute Andreas Hof von Klingen das Werk, schließlich ab 1909 bis zum
Ausbruch des Ersten Weltkriegs August Huber von Pirmasens.
1917 wurden die Prospektpfeifen beschlagnahmt und durch die Orgelbauwerkstatt
Gebr. Steinmeyer/Oettingen ausgebaut.21 Die schon 1904 als „ schlecht“ beurteilte
Orgel wurde 1919 durch eingedrungenes Schneeschmelzwasser so geschädigt, daß
sie ihren Dienst vollends versagte. Durch die Ablieferung der Prospektpfeifen hatte
die Orgel ohnehin an Klangfülle verloren, so daß sich das Presbyterium Anfang des
Jahres 1921 entschloss, eine neue Orgel zu beschaffen. Den Auftrag erhielt die
Orgelbauwerkstatt G. F. Steinmeyer.22
Am 27. April 1921 wurde die alte Orgel abgebaut und die nicht mehr zu
verwendenden Teile versteigert. Ende Juli 1921 wurde die neue Orgel mit 13
182
klingenden Registern auf zwei Manualen und Pedal geliefert und aufgebaut. Bereits
am 2. August konnte Seminarlehrer Hans Albrecht von Kaiserslautern die Orgel
prüfen und sie als wohlgelungen beurteilen.
Das Werk war nun gegen die Wand gerückt und Höher gestellt worden; das hinter
der Orgel befindliche Fenster war verschalt worden. Das Werk hatte pneumatische
Spiel- und Registertraktur, Taschenladen und einen freistehenden Spieltisch. Der
Gebläseantrieb erfolgte mit einem Elektromotor. Die Disposition lautete:23
Pedal: F-g’. 1. Manual: C-g3 2. Manual: C-g3
Subbass 16’ Principal 8’ Geigenprinzipal 8’
Zartbass 16’ Viola di Gamba 8’ Salizional 8’
Octavbass 8’ Dolce 8’ Liebl. Gedeckt 8’
Soloflöte 8’ Hohlflöte 4’
Oktav 8’
Comettmixtur 2 2/3’
Spielhilfen: II/I, I/P, II/P (Koppeln)
Suboktav II/I
3 feste Kombinationen Piano, Mezzoforte, Tutti Pianopedal
Am 21. August wurde das als op. 1303 erbaute Orgelwerk als
„Kriegergedächtnisorgel“ feierlich eingeweiht.
Während der Evakuierung der Bevölkerung („ Rote Zone“) zu Anfang des Zweiten
Weltkrieges scheint die Orgel trotz aller Vorsichtsmaßnahmen stark gelitten zu
haben; nach der Rückkehr der Bevölkerung wurde das Werk durch die Firma Poppe
& Söhne in Landau im Jahre 1942 auf Kosten der Wiederaufbaubehörde24
instandgesetzt 1945 wurden Kirche und Orgel schwer Beschädigt, das Dorf selbst
weitgehend zerstört. Nach der provisorischen Wiederherstellung der Kirche 1948/49
wurde die Orgel erst Ende 1950 durch Gebr. Oberlinger/Windesheim
instandgesetzt.25 Einen Klangumbau lehnte das Presbyterium lt. Schreiben vom 15.
November 1950 ab.26
Mit Beginn der umfassenden Kirchenumgestaltung am 22. März 1965 wurde die
Orgel durch Fa. Steinmeyer ausgebaut27 und - abgesehen vom Gehäuse - in einem
Schuppen eingelagert. Landeskirchenmusikdirektor Adolf Graf, von Speyer schlug
in seiner Stellungnahme vom 28. April 1965 vor, das „völlig wertlose“ Instrument
durch einen Neubau zu ersetzen.
183
Nach Abschluss der Kirchenerneuerung am 20. März 1965 wurde die Kirche wieder
eingeweiht.28 Bald darauf wurde das Orgelprojekt wieder aufgegriffen. Der bereits
mit Datum 10. Mai 1965 von Fa. Steinmeyer eingereichte Kostenanschlag wurde
nicht weiter berücksichtigt, stattdessen ein neues Angebot von Gebr. Oberlinger am
28. Mai 1968 über 13.500 DM eingeholt. Dieser Kostenanschlag wurde nach
Vorschlägen des neuen Landeskirchenmusikdirektors Heinz Markus Göttsche
aktualisiert und die Disposition um drei Register erweitert; 29 das neue Angebot vom
28. März 1969 belief sich nunmehr auf eine Summe von 19.370 DM. Die
Genehmigung zum Orgelneubau wurde am 2. Oktober 1969 - lautend über 20.500
DM - durch den Landeskirchenrat erteilt.
Noch im Oktober baute Gebr. Oberlinger das in der Kirche stehende Orgelgehäuse
ab; es wurde zusammen mit noch verwendbaren Teilen der eingelagerten Orgel - in
die Orgelbauwerkstatt verbracht. Am 27. Juni 197130 wurde die neue Orgel - eine
Schleifladenorgel - mit acht klingenden Registern - eingeweiht.
Oberlinger-Orgel in Vorderweidenthal
184
Die Disposition lautet:
Pedal: C - d’ Manual: C-g3
Subbass 16’ Gedackt 8’
Principal 4’
Rohrflöte 4’
Octave 4’
Mixtur 5fach
Trompete 8’
dazu Pedalkoppel und Cymbelstern.
Die Gesamtkosten beliefen sich nunmehr auf 29.193 DM; die Malerarbeiten am
Orgelgehäuse durch Fa. Wilhelm Krämer von Neustadt erforderten einen weiteren
Betrag von 1.557,43DM.
Seit nunmehr 42 Jahren erklingt das Orgelwerk bei Gottesdiensten und anderen
kirchlichen Anlässen.
Quellen:
A) Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz (ZASP)
- Abt. 44, Pfarrarchive: hier: Vorderweidenthal
- Abt. 43, Dekanatsarchive: hier Bad Bergzabern (Jahresberichte)
- Abt. G, Pfarrbücher: hier Vorderweidenthal
B) Landesarchiv Speyer (LAS)
Best: H 3, 6405 prot. Kirche Vorderweidenthal
H 31, 5121 Duplikate der Gemeinderechnungen
5178 Duplikate der prot. Kirchenrechnungen
156 Prot. Kirche Vorderweidenthal
C) Ev. Kirche der Pfalz. Amt für Kirchenmusik: Orgelakt Vorderweidenthal
D) Prot. Pfarramt Vorderweidenthal:
- Jahresberichte 1860-1946
- Orgelakten 51-3-1
- Kirchenbau nach 1945: 51-1
E) Aufzeichnungen des Verfassers: Handakten
185
Festschrift: 100 Jahre neue prot. Kirche Vorderweidenthal. Aus Anlass der
Wiederindienststellung am 20.3.1966, Bad Bergzabern 1966
Johannes Nosbüsch: Damit es nicht vergessen wird ... Pfälzer Land im Zweiten
Weltkrieg - Schauplatz Südpfalz, Landau 1982
______
1. Prot. Pfarramt Vorderweidenthal: Jahresberichte.
2. Damit sind die bisher in der Literatur angegebenen Zuschreibungen ins Reich der
Fantasie verwiesen. Ein Gehäusevergleich der Orgel mit nachgewiesenen Göbel-
Prospekten hätte zudem die Zuschreibung an diese Werkstätte ebenfalls hinfällig werden
lassen.
3. ZASP, Abt. G Pfarrbücher, hier 1835 (Pfarrer Herche).
4. Die Lage der Registerzüge ist im Innern (Vorderfront-Rückseite) noch zu erkennen.
5. Leider gibt es zu der Jahreszahl 1788 widersprüchliche Aussagen:
1865 heißt es: „ Die alte Orgel, 1788 erbaut, wurde ... „
1888 heißt es: erstmalige Aufstellung der Orgel im Jahre 1788, zu welcher Zeit die
Orgel als schon gebraucht aus der Kirche zu Annweiler hierhergebracht worden war.
1896: Orgel im Jahre 1788 angeschafft
1904: Die Orgel wurde im Jahre 1788 von Annweiler bezogen.
Aus den Rechnungen ist kein Hinweis auf einen etwaigen Orgelverkauf von Annweiler
nach Vorderweidenthal zu finden. Die einzig Mögliche Lösung - neben einem
Orgelneubau - bestünde in der Annahme, dass bei den Orgelvergrößerungsprojekt 1788
für die Stadtkirche in Annweiler neben einem neuen Rückpositiv auch ein neues
Hauptgehäuse (mit neuem Innenleben) angeschafft wurde, so dass ein Verkauf der alten
- noch von. Macrander/Frankfurt erbaute Orgel - in den Bereich des Möglichen Rückt.
6. LAS H 31/5178. Duplikate der prot. Kirchenrechnungen Vorderweidenthal.
7. Nähere Angaben zu diesem Orgelbauer sind bisher nicht bekannt.
8. L AS H 31/5121. Duplikate der Gemeinderechnungen Vorderweidenthal.
9. Wie vorige Anm., Rechnung 1836.
10. LAS H 31/156. Darin das Original des Kostenverzeichnisses von W. Huber.
11. LAS H 31, 3178, Rechnung von 1852.
12. ZA EKPS, Abt G. Pfarrbücher, liier: Vorderweidenthal 1896.
13. LAS H 31/5121 Gemeinderechnung 1864 und 1866.
14. Ebenda Rechnung 1866: Bei 253 bis 258: An Carl Wagner in Kaiserslautern für
Reparatur und Aufstellung der Kirchenorgel 37] f l 07 xr.
15. Jahresbericht 1865.
16. 1869, 1870 und 1872: Wagner war 1868 verstorben.
17. Die Stellungnahme Lützels ist verschollen. Die Angaben erfolgen nach der
Kirchenrechnung von 1887 bzw. dem Jahresbericht 1887.
18. Kostenanschlag am 25. Juli 1887. Belege dem Bezirksamt vorgelegt (AAS H 31/156).
19. Angaben nach der Kirchenrechnung 1888. Belege nicht vorhanden.
186
20. Die mutmaßliche Disposition nach der Umgestaltung durch Huber ist in einer
Notiz des Orgelbauers Gottlieb Steinmeyer vom 9. Juni 1917 festgehalten, die er
anlässlich des Ausbaus der Prospektpfeifen angefertigt hatte. Danach hatte die
Orgel folgende Disposition:
Manualumfang Pedalumfang
Manual C-c3: Pedal C f°:
Principal 4’ Subbass 16’
Salicional 8’ Octavbass 8f.
Bourdon 8’
Hohlflöte 8’
Kleingedackt 4’
Quinte 3’
Octave 2 ‘
Mixtur 3-fach 2’
Diese Angaben bestätigen die. Annahme von 11 Registerzügen {einschl.
Pedalkoppel.
21. Lt. Jahresbericht 1917
22. Sämtliche Unterlagen zu diesem Neubau müssen als verloren gelten.
23. Die Disposition nach dem bei Gebr. Oberlinger aufbewahrten Spieltisch
(Aufschrift auf den Registerkipptasten).
24. Jahresbericht 1924.
25. Lt. Orgelakt Vorderweidenthal im Amt für Kirchenmusik Speyer.
26. Wie. vorige Anm.
27. Am 22. März 1965 hatte Adolf Graf die Orgel- zusammen mit Orgelbauer Max
Sauerteig (Fa. Steinmeyer) besichtigt.
28. Vgl. Festschrift.
29. Es waren dies: Rohrflöte 4’, Octavbass 8 ‘und Trompete 8’. Die neue Orgel war
also wesentlich kleiner geplant!
30. Vgl. Faltblatt zur Einweihung.
187
Pfarrhäuser und Kirche
Blick vom neuen über das alte Pfarrhaus (erbaut 1788) zur Kirche im Hintergrund
Westseite des alten Pfarrhauses aus der Barockzeit mit zweiläufiger Treppe und
Kellerabgang. Dachgiebel und Knüppelwalmdach
188
Das Pfarrhaus von 1972
Hahnenhof bei Nacht
189
Tabellarischer Überblick zur jüngeren Geschichte (1991 bis
2013)1
1991 10. Mai Grundsteinlegung zum Protestantischen Gemeindehaus
1992 4. Mai Einweihung des Gemeindehauses, mit viel Eigenleistung und
Kostenunterschreitung errichtet, u.a. unterstützt durch die
Russlanddeutschen, die ab 1990 im Übergangswohnheim am Bethof
untergebracht waren (bis zu 150 Personen). Das Gemeindehaus wird bis
heute unentgeltlich geputzt (Planung ab 1992 Waltraud Jung).
1992 3. November Kirchenvisitation mit Predigt des Dekans Alfred Keffel
1992 Oktober Familienfreizeit im südlichen Schwarzwald
1993 Gottesdienste werden auch im Gemeindehaus gehalten Flüchtlingshilfe
Vorderweidenthal organisiert insgesamt 11 Konvois nach Ex-
Jugoslawien
1993 11. Juni Dekanatskirchenmusiktag in Vorderweidenthal Familienfreizeit
im Münstertal
1993 17. Oktober E. Neufeld neue Lektor
1994 Januar/Februar Lebenswege wagen - unterwegs bleiben. Ein Seminar zu
Fragen des Lebens im Glauben mit Pfarrer Berthold und Gemeindediakon
Moserl994 Elektronische Verstärkeranlage in der Kirche
Vorderweidenthal 31. Oktober Jubiläum 400 Jahre Vater-Unser-Glocke
mit Glockenbauer Reinhard Ankermann und Festvortrag Prof. Dr. Robert
Hensel „Wenn die Glocke erzählen könnte“
1994 Der Hahnenhof-Verein wird nach Instandsetzungsphase unter Leitung des
Dekanatsjugendwartes Joachim Würth aus Wörth gegründet. Das
Jugendheim befindet sich im Eigentum des Protestantischen Dekanats
Germersheim. Der Hahnenhof bei Nacht. Aufnahme von der Intemetsite
des Fördervereins
1995 Kirche Dimbach besteht 90 Jahre
190
1995 25. Juni Ordination des Prädikanten Fedor Schiefer 130 Jahre Jubiläum
des Kirchenneubaus von 1865; der alte (Decken-)Holzleuchter wurde
wieder hergestellt
1996 Neuwahl Presbyterium Sommerfreizeiten „für Dehäämgebliwene“ wie
in den Vorjahren ausgebucht
1997 Musikgruppe „ Ichthys“ von Walter Hennig, Pfarrer i. R. in
Völkersweiler gegründet
1997 Erster Vorweihnachtlicher Markt im Gemeindehaus Vorderweidenthal
1998 15. Februar Eugen Stöbener erhält in einem Festgottesdienst das
Kronenkreuz in Gold
1999 Altar und Lesepult fürs Gemeindehaus angeschafft September,
Wanderausstellung „Bach und Bibel“ im Gemeindehaus Erste
Adventsfahrt ins Erzgebirge (bis heute alle 2 Jahre, zuletzt 2012!)
2000 neue Kirchenheizung
2001 6. Mai Gustav-Adolf-Fest in Vorderweidenthal (für Spanien!)
2002 Zehn Jahre Gemeindehaus Neuwahl Presbyterium Kirchendienerin
Waltraud Helfer verabschiedet
2004 Fahrten zum Reformationsjubiläum in Speyer
2005 Kirchenvisitation durch den Bezirkskirchenrat. Zur Kirchengemeinde
gehören 919 Protestanten, davon 440 in Vorderweidenthal. Die Pfarrei
umfasst insgesamt 1527 Personen. Dem Presbyterium gehören an:
Annemarie Zinke als stv. Vorsitzende, Waltraud Jung, Anni Glanzmann,
Lothar Wagner (Bezirkssynodaler), Ursel Metz E, Hannelore
Olschewsky, E, † 12.2.2011); aus Oberschlettenbach Erika Stoffel,
Helmut Veiock, Manfred Stoffel E., Helga Stoffel E., aus Darstein
Edmund Keller, René Riehm E.
Organistinnen sind die Damen Durm aus Spirkelbach und Kolb aus
Busenberg. Es existiert eine Musikgruppe Ichthys (seit 1997, Leitung
Walter Hennig bis 2012). 30 Jahre Krankenpflegeverein
Vorderweidenthal. 14. Juli Erstes Konzert des Jugendstreichorchesters
vom Schwarzmeer
191
2006 Kirche Dimbach renoviert
2007 l. Juli Dekanatskirchenmusiktag in Vorderweidenthal
2. September Kirche Dimbach nach Renovierung wieder eingeweiht
2008 Dezember Wahlen zum Presbyterium; H. Veiock aus Oberschlettenbach
Stv. Vorsitzender, Vorsitzender Pfarrer Berthold
2009 11. März Mitgliederversammlung des Krankenpflegevereins mit
Mittagessen, Teilnahme von 58 angemeldeten Personen; Frau Gütermann
als l. Vorsitzende wiedergewählt 28. Juni Paulusstift Völkersweiler,
Teilnahme am letzten Sommerfest
2011 Buß - und Bettag Ehrung des Pfarrers und seiner Frau anlässlich des
25jähriges Dienstjubiläum in der Pfarrei mit Ansprachen von
Presbytern, Vereinsvorständen und zweier Bürgermeister l.-5. Juni
Kirchentag in Dresden. Gemeindeglieder nehmen wiederholt an einem
Kirchentag teil Monatlicher „Kulinarischer Treff“
2012 Christi Himmelfahrt, Gemeindefest mit Dank an Walter Hennig (15 Jahre
Ichthys); Vortrag 20 Jahre Gemeindehaus 21. Oktober Walter Hennig
übergibt Leitung von Ichthys an Frau Vette weiter 30. November und l.
Dezember Kunsthandwerkermarkt mit ökumenischem Gottesdienst 8.
Dezember Waldweihnacht des Fördervereins Dekanatsjugendheim
Lindelbrunn e.V.
2013 9./10. März Lätaremarkt anlässlich der Ersterwähnung des Ortes vor 700
Jahren 29. Juli bis 2. August „Fraizeit fär Dehäämgebliwene“
192
Einführung des Presbyteriums im Dezember 2002
v. li. n. r.: Johannes Berthold, Pfarrer, Edmund Keller, Annemarie Zinke, NN.. Helga
Stoffel, Ursula Metz, Erika Stoffel, Hannelore Olschwesky)’ (†), Waltraud Jung.
Anni Glanzmann, Helmut Veiock, Manfred Stoffel, Lothar Wagner
_________ 1. Zusammenstellung nach einer Vorlage von Johannes Berthold
Verwendet wurden zusätzlich Akten aus dem Pfarrarchiv sowie Gemeindebriefe ab
1987.
193
Vorderweidenthal nach dem 2. Weltkrieg
Ein Rückblick von Bürgermeister Artur Helfer
1946
Die Gedanken gehen zurück in das erste Nachkriegsjahr, zum 2. Mai 1946, wo bei
Lehrer Tröster meine Schulzeit begann.
Was folgte war ein Kurzschuljahr, denn bereits nach den Sommerferien sahen wir
uns, meine Klassenkameraden und ich, in die 2. Klasse versetzt.
Unser Schulhaus war teilweise zerstört so dass nur ein Saal zur Verfügung stand. In
diesem mussten vorerst alle 8 Klassen unterrichtet werden. Im ortsüblichen
Sprachgebrauch waren die Klassen 1-4 die „Kleine Schule“, die Klassen 5-8 die
„Große Schule“. So hatte während der Sommerzeit die „Große Schule“ ihren
Unterricht von 7:00 bis 10:00 Uhr, die „ Kleine Schule“ von 10:00 bis 13:00 Uhr.
Da in unserem, zu dieser Zeit, noch rein landwirtschaftlich strukturierten Dorf auch
die Kinder bei der Feldarbeit gebraucht wurden, war der Nachmittag daher
unterrichtsfrei. In den Wintermonaten dagegen, wenn die Ernte eingebracht war, gab
es vormittags Unterricht für die „ Großen“ und nachmittags für die „Kleinen“.
Bei schönem Sommerwetter hielt Pfarrer Esselborn den Religionsunterricht auf dem
Rasen unter den Obstbäumen des Pfarrgartens ab, dort, wo heute das neue Pfarrhaus
steht. Der große Pfarrgarten reichte damals noch bis zur oberen Straße, so wie heute
noch die Nachbargrundstücke. Auch sein Nachfolger, Pfarrer Eckstein, hielt anfangs
noch an diesem Unterricht „im Grünen“ fest.
Das Spätjahr war angebrochen und im Oktober stand die Kerwe vor der Tür. Die
Entbehrungen des Krieges waren zu groß gewesen. Die Jugend wollte wieder zu
leben beginnen. Kerwetanz gehörte schon immer dazu. Aber wo? Die beiden
Tanzsäle der Gastwirtschaften Schmitt und Hoff hatte der Krieg zerstört. Der einzige
große, überdachte Raum im Dorf war der Dreschschuppen. Aber Dreschen ist eine
staubige Angelegenheit. Unmöglich. Aber das Wort Tanzmusik hatte schon eine
Eigendynamik entwickelt die nicht mehr zu bremsen war. Die Dreschmaschine fand
ihren Platz in der Ecke, die jungen Männer bauten einen Tanzboden auf und
Vorderweidenthal feierte seine erste Kerwe nach dem fürchterlichen Albtraum.
Schon vor dem Krieg versorgten die Bäckereien und Kolonialwarenhandlungen Karl
Silbernagel und Karl Zeller die Bevölkerung unseres Dorfes mit frischen Backwaren
und Lebensmitteln, Jakob Helfer mit Lebensmitteln. Nach dem Krieg begann Karl
Silbernagel seine Geschäfte wieder aufzunehmen, wie auch Jakob Helfer. Bei Helfer
verkauften später Karl Oste, Marianne Funck und Traudel Funck. Bäckermeister
Robert Zeller kehrte aus dem Krieg nicht mehr zurück. Das Lebensmittelgeschäft
führten die Geschwister weiter und boten auch Back- und Wurstwaren von
194
auswärtigen Geschäften an. Nach dem Wiederaufbau des zerstörten Hauses neben
dem alten Schulhaus eröffnete Oskar Helfer darin eine Metzgerei. Sie ist heute
geschlossen. Ein weiteres Lebensmittelgeschäft eröffnete Wilhelm Bangert,
bereichert durch Obst und Gemüse. Heute gibt es nur noch ein Geschäft. Die
Bäckerei Burkhard aus Wernersberg hat das frühere Zellersche Anwesen erworben
und bietet seine Backwaren und alle Dinge des täglichen Bedarfs an.
1947
Lehrer Tröster, der schon vor dem Krieg an unserer Schule Tätig war, wechselte
nach Dierbach. Es folgte nach den Sommerferien Lehrer Teubner. Auch er
unterrichtete immer noch alleine alle 8 Klassen. Auch nach seiner Pensionierung
blieb Lehrer Teubner bei uns. Er baute sich ein Haus hoch über Vorderweidenthal,
am Südhang, in der Baumhalde. Zuvor hatten ihm seine Schüler geholfen eine
Schlauchleitung zu seinem Bauplatz zu verlegen, um zu sehen ob der Wasserdruck
ausreichend war, das Haus mit fliesendem Wasser zu versorgen.
Verkaufswagen in der Hauptstraße im Jahre 1947
1949
195
Endlich beendete der Abschluss der Bauarbeiten am Saal der „Kleinen Schule“ die
räumliche Enge. Mit der gleichzeitigen Einstellung von Lehrerin Hilsinger für die
„Kleinen“ kehrte der normale Schulalltag bei uns zurück. Wenn auch alle Kriege
anders verlaufen, so gibt es Dinge, die sich ständig wiederholen. Zu den Verlierern
gehören immer die Kirchenglocken. Sowohl im l. als auch im 2. Weltkrieg mussten
die „Große“ und die „Kleine“ den Weg in die Schmelzöfen antreten, um zu Munition
gegossen zu werden. Letztere waren erst am 16. Juli 1922 feierlich vor der Kirche
geweiht worden.
Jetzt war es wieder soweit. Bürger hatten zur Finanzierung neuer Glocken
Stammholz gespendet. In der Ortsmitte lag es zur Abfuhr bereit. Die Glocken
konnten bestellt werden. Am Tag des Gusses fuhren etliche Bürger in die Gießerei
um ihre Entstehung mitzuerleben.
Im Mai konnte ihre Ankunft in Darstein gefeiert werden, wo sie auf das
Pferdefuhrwerk von Adam Schmitt umgeladen wurden. Festlich geschmückt mit
Girlanden, bunten Bändern und Tannengrün zog das Pferdegespann mit den
Glocken, in Begleitung der Schuljugend mit ihren ebenso herausgeputzten
Fahrrädern unter großer Beteiligung der Bevölkerung, in einem langen Zug, heute
unvorstellbar aber bei dem damaligen Verkehr problemlos, von Darstein nach und
durch Oberschlettenbach und in unser Dorf. Am darauffolgenden Sonntag
wiederholte sich die feierliche Glockenweihe vor der Kirche, wie schon im Juli
1922.
Mit tiefer Befriedigung können wir heute feststellen, dass sie schon mehr als doppelt
so lange ihren Klang über unser Dorf schicken dürfen als ihre Vorgänger. Möge ihr
Läuten noch lange zu hören sein.
Dr. med. Alexander Benn mit seiner Familie war einer der ersten Flüchtlinge, die in
unser Dorf kamen, aus seinem Heimatort Lenzen in der ehemaligen DDR. Zum
Sportfest der Blau-Weißen hatte er 1954 die Fußballmannschaft seines Geburtsorts
nach Vorderweidenthal geholt. Im Hause Jung in der Lindelbrunnstraße, heute das
Haus zwischen Dieter Brosius und Ursula Kardenbach, dem früheren Haus Puster,
eröffnete er eine eigene Praxis.
Auch eine Zahnarztpraxis bot ihre Dienste an, gerührt von Dr. Vogelsgesang. Er
baute sich später ein Haus mit Praxis in der Mühlstraße, gegenüber von Oskar Fath,
in dem bis zu ihrem Tod vor wenigen Jahren Familie Schäfer wohnte.
1950
Immer mehr Flüchtlinge und Vertriebene spülten die Auswirkungen des Krieges in
unseren Ort. Am Ende waren es 58 Neuankömmlinge, die mehr oder weniger lange
hier lebten. Wenige blieben für immer bei uns und sind heute nur noch den Älteren
als solche ein Begriff.
Einer aus ihren Reihen war Dr. Dr. Kantor, der im Hause Rausch, das in diesen
Tagen von Norbert Dausmann generalsaniert wurde, eine weitere Zahnarztpraxis
196
eröffnete. Noch bis ins hohe Alter von über 90 Jahren war er mit seinem VW Käfer
unterwegs. Belächelt wurden seinerzeit die von ihm praktizierten Anwendungen von
Sebastian Kneipp, wie etwa das Barfuß laufen auf der Wiese beim frühen
Morgentau. Heute sind alle Praxen geschlossen.
1951
Die wohlhabende Gemeinde, die große Einnahmequelle war zu dieser Zeit noch der
Wald, wollte ihrer sozialen Verantwortung für seine bedürftigen Mitbürger gerecht
werden und errichtete am Schwabelshang ein Wohnhaus. Heute ist es in Privatbesitz.
Der Sportverein betrachtete die große Entfernung seines Sportplatzes in der Nähe
von Lauterschwan als Hindernis für die Weiterentwicklung. In der Unger erhielt er
von der Gemeinde ein neues Gelände. Mit dem ersten Schlepper im Ort, auch noch
mit Seilwinde ausgerüstet, war Walter Schmitt beim Fällen der Bäume eine große
Hilfe. Riesige Sandberge waren nun abzutragen und an anderer Stelle wieder zu
verfüllen. Zur Verfügung standen Hacke, Schaufel und Pferdefuhrwerke. Um von
den Fuhrwerken unabhängig zu werden, sie wurden ja in der Landwirtschaft
gebraucht, stellte die Firma Jakob Becker & Sohn Gleise mit Loren zur Verfügung.
Nach einer grandiosen, unentgeltlichen Arbeitsleistung, an der sich fast alle Männer
des Dorfes beteiligten, gelang es den Grundstein zu legen für das heutige
Sportgelände.
1952
Der Friedhof hatte seine Kapazitätsgrenze erreicht. Der Teil unterhalb der in dieser
Zeit noch nicht vorhandenen Friedhofshalle, damals der älteste Teil mit schönen
alten Grabsteinen aus Sandstein, wurde neu angelegt. Die Planung und Umsetzung
lag in den Händen des jungen, einheimischen Architekten Otto Schmitt. Ironie des
Schicksals. Kurz nach Fertigstellung starb er unerwartet an einer Nierenkrankheit
und fand als Erster dort seine letzte Ruhe.
Unsere Dorfstraßen, nicht nur die Nebenstraßen, bestanden alle aus
Schottermaterial. Die dorfeinwärts führenden Asphaltstraßen an allen drei
Ortseingängen endeten am Dorfeingang. Bei Höheren Feiertagen wie Ostern und vor
allem auch der Kerwe, fuhr Straßenwärter Jakob Schuhmacher mit seinem
Kuhfuhrwerk, beladen mit Sand, durch den Ort und warf mit der Schaufel den roten
Sand über den Schotter um der Oberfläche ein gefälligeres Aussehen zu verleihen.
Endlich war es soweit. Vom Friedhof bis zur Linde bekam Vorderweidenthal seine
erste Asphaltstraße. Weil dabei noch vieles in Handarbeit erledigt wurde, stand eine
ganze Reihe der Männer aus unserem Dorf, bei der ausführenden Firma Strabag,
einen Sommer lang, bei guter Bezahlung, in Lohn und Brot. Wir Buben bewunderten
vor allem die große Straßenwalze.
197
Schulkinder mit Lehrer Hick im Jahre 1953
1953
Jetzt ging es an die Hauptstraße. Vom Lämmel Sepp bis zur Mühle vom Wagner
Herbert entstand eine neue Straße. Der zu feuchte Untergrund im „Unnereck“
verhinderte den Ausbau mit Asphalt. Kopfsteinpflaster war angesagt. Und wieder
gab es für uns Buben etwas zu bestaunen. Die Männer der Firma Budell aus
Busenberg arbeiteten monatelang Meter für Meter, mit den handgroßen
Pflastersteinen, auf ihren kleinen, einbeinigen Hockern mit einem Handgerät aus
Hammer am einen und kleiner Schaufel am anderen Ende.
1954
Die Schuhindustrie erlebte ihren Höhepunkt. Viele unserer Mitbürger arbeiteten in
dieser Branche in Hauenstein und Schwanheim. Fabrikant Hermann Diehl, der eine
Schuhfabrik in Altena in Nordrhein-Westfalen betrieb, richtete eine Anfrage an die
Gemeinde wegen eines Fabrikneubaues. Der Gemeinderat nahm das Angebot an und
stellt ein Gelände in den Sandäckern zur Verfügung. Nach Fertigstellung fand eine
große Anzahl von Männern und Frauen Jahrzehnte lang einen sicheren Arbeitsplatz
direkt vor der Haustür. Die Fabrik hat die Arbeit längst eingestellt. Die neue
Besitzerin, Frau Kornmann, betreibt ein Lederstudio.
198
Gendamerieobermeister Schulz auf
Fahrradstreife
Aufbau des Ehrenmales
für die Gefallenen
beider Kriege im Jahre
1956
199
1956
Nachdem in den 20er Jahren die Kirchengemeinde in der Kirche eine
holzgeschnitzte Gedenktafel für die Gefallenen des l. Weltkrieges aus Darstein,
Oberschlettenbach und unserem Ort aufgestellt hatte, wollte unser Gemeinderat nun
11 Jahre nach Kriegsende ein Ehrenmal für die Gefallenen beider Weltkriege aus
Vorderweidenthal errichten. Das Denkmal ausrotem Sandstein gestaltete Bildhauer
Richard Leonhart aus Dahn. Es steht im Kirchgarten.
Die Gemeinde begann jetzt mit der Asphaltierung der gemeindeeigenen,
geschotterten Dorfstraßen.
1957
Die restlichen Dorfstraßen erhielten ihre Asphaltdecke. Der Holzreichtum gestattete
es der Gemeinde die Kosten vollständig zu übernehmen. Das Wort
„Erschließungsbeiträge“ war noch nicht erfunden. In den letzten Kriegsjahren
1944/45 Rückte die Front immer näher an unser Dorf heran. Wir hatten einen großen
Friedhof mit einem noch nicht belegten Feld an der Ostseite. Dort wurden nun die
gefallenen deutschen Soldaten beerdigt. Die Gräber vieler Gefallener lagen aber
auch noch verstreut in den umliegenden Wäldern.
In Dahn begann die zuständige Behörde nun einen großen, zentralen
Soldatenfriedhof anzulegen, auf dem alle beerdigten Gefallenen der umliegenden
Orte ihre letzte Ruhe finden sollten. Auch die „Vorderweidenthaler“.
Unser Gemeinderat setzte sich zur Wehr. Er wollte „seine Gefallenen’’ hier behalten,
deren Gräber die Frauen des Dorfes pflegten, seit Ende des Krieges. Nach zähem
Ringen willigte die Behörde ein. Die Firma Fischer aus Bergzabern erhielt den
Auftrag zur Gestaltung in der heutigen Form. Die Firma hatte zuvor in der gleichen
Art auch die große Kriegsgräberstätte im luxemburgischen Sandweiler errichtet. Die
feierliche Übergabe zu treuen Händen an die Gemeinde fand am Volkstrauertag statt.
Für die musikalische Umrahmung sorgte die Blaskapelle ausrumbach.
1959
Mit dem Reservoir in der Unger stellte die Gemeine die Wasserversorgung seiner
Bürger sicher. Zur Verbesserung, aber vor allem wegen einer Reserve im Brandfall,
baute die Firma Karl Funk am Schwabelshang einen neuen Hochbehälter. Beide sind
zwar heute noch vorhanden, aber nicht mehr in Betrieb.
Auch die Landwirtschaft hatte sich weiterentwickelt. Immer mehr Schlepper
ersetzten die Kuh- und Pferdefuhrwerke. Der „Grüne Plan“ war plötzlich in aller
Munde. Mit den Mitteln daraus konnten die Gemeinden ihre Feld- und Waldwege in
„Betonstraßen“ umwandeln. Mühevoll mussten die Kuhgespanne den schweren
200
Mistwagen mit den schmalen eisenbeschlagenen Holzrädern durch die tiefen
Sandwege ziehen. Jetzt, wo es auf dem Betonuntergrund leichter ging, übernahmen
die Schlepper diese Arbeit. Bürgermeister Hermann Müller begann mit dem Ausbau,
der sich bis in das Jahr 1966 fortsetzte unter Bürgermeister Richard Schütz.
1960
Am langen, steilen Schwabelshang stellte die Abfuhr des geschlagenen Holzes
immer ein Problem dar. Waldhüter Adam Becker tüftelte die Trasse eines neuen
Weges aus, der dieses Problem zumindest vereinfachte. Er beginnt am
Dreschschuppen, führt über den Schwabelshang ostwärts und schließt im Schwabel
an das bestehende Wegenetz an. Nach Fertigstellung erhielt er den Namen Adam
Becker Weg. Heute ist es ein beliebter Wanderweg auf der Route von und nach
Erlenbach. Vom Hochbehälter genießt der Wanderer einen herrlichen Blick über
unser Dorf, zum Budelstein, Rödelstein und Lindelbrunn.
1965
Die jungen Leute wollten neue Häuser bauen. Schon lange forderten sie ein
Neubaugebiet. Nun ließ es sich nicht weiter verschleppen. Der Gemeinderat stimmte
zu. Das Baugebiet Schwabeleck wurde ausgewiesen. Endlich konnte neu gebaut
werden. Es folgten die Baugebiete Döllenpfad, Vorderweidenthal - West und
Pitzenäcker mit insgesamt 114 Häusern. Unser Dorf ist dadurch in der Fläche größer
geworden, aber die Einwohnerzahl hat sich nicht gravierend verändert. Die für uns
magische Zahl von 700 ist immer noch nicht überschritten worden. Die jungen
Familien zieht es in die neuen Häuser, der Ortskern verödet. Zu Gebäuden die nur
noch von einer Person bewohnt sind gesellen sich auch jene die gänzlich leer stehen.
Das alte Pfarrhaus war in die Jahre gekommen. Die Kosten einer Generalsanierung
standen denen eines Neubaues gegenüber. Die Kirchengemeinde und das Bauamt
der evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer entschieden sich für einen Neubau. Die
politische Gemeinde erwarb das alte Pfarrhaus mit Scheune und einem Teil des
Pfarrgartens. Den oberen Teil des Grundstückes bis zur Straße verkaufte die
Kirchengemeinde an die Post, die darauf ihre neue Fernsprechvermittlung errichtete.
Pfarrer Jockers begann mit der Renovierung der Kirche. Er ließ den Fußboden des
Hauptgangs zum Altar erneuern.
Auch das alte Schulhaus entsprach nicht mehr den Anforderungen, vor allem was
die sanitären Einrichtungen betraf. Nach Jahren, geprägt von Verhandlungen mit der
Bezirksregierung, der Erstellung der Planung oder der Zustellung der
Baugenehmigung konnte jetzt der erste Spatenstich erfolgen. Nach 2 Jahren Bauzeit
zogen fröhliche Schüler und Lehrer in ihr neues Gebäude ein. Aber schon war
201
abzusehen, dass die verlorenen Jahre vergeudete Jahre waren. Die Schüler kamen
nicht mehr nur aus unserem Dorf sondern auch aus Oberschlettenbach und Darstein,
deren Schulen bereits geschlossen waren und aus Birkenhördt. Nach nur neun Jahren
war der Unterricht in diesem neuen Haus zu Ende und es blieb bis 1987 fast
ungenutzt, abgesehen von gelegentlichen Sitzungen des Gemeinderates und
Gruppenstunden des CVJM, unter Leitung von Hans-Günther Hüther.
Der Schulhausneubau kam dem Sportverein gerade recht. Der knöcheltiefe
Sandplatz sollte einem Rasenplatz weichen. Die Qualität des Aushubmaterials
entsprach den Erwartungen. Von der ausführenden Firma zum Sportplatz gefahren,
ebneten es die Mitglieder des Vereins über dem sandigen Untergrund ein, in schon
gewohnter unbezahlter Arbeit mit Schaufeln und Rechen. Das Einsäen war
unproblematisch, da eine gewohnte Arbeit aus der Landwirtschaft. Der Rasen durfte
anschließend ein Jahr ohne Störung wachsen. Die Heimspiele fanden in
Niederschlettenbach statt.
1967
Beim Sportverein blieb die Arbeitswut erhalten. Man baute ein neues Sporthaus. Die
Ausmaße waren so gewaltig, dass ernsthafte Zweifel aufkamen, ob dieses große
Projekt in gewohnter Art und Weise gestemmt werden könnte. Es konnte. Wieder
einmal war bei uns etwas entstanden das es weit und breit in dieser Form im ganzen
Fußballkreis noch nicht gab.
Noch füllte der Gemeindewald die Kasse, wenn auch nicht mehr so üppig wie
gewohnt. Daher entschlossen sich unsere Väter zum Bau einer Friedhofshalle. Im
westlichen Teil des Friedhofs, oberhalb des neuangelegten Feldes, sollte sie
entstehen. Die neue Zeit wollte die alten Bräuche abschütteln. Die Toten sollten
nicht mehr, wie gewohnt, bis zur Beerdigung daheim in der Wohnung verbleiben.
Nach Baubeginn im zeitigen Frühjahr erfolgte die Schlüsselübergabe mit einer
schlichten Feier am Totensonntag im selben Jahr. Die noch nicht restlos fertig
gestellten Außenanlagen verdeckte an diesem Tag eine dichte Schneedecke.
1972
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die Verbandsgemeinden wurden
gegründet. Damit verloren die einzelnen Orte ihre Gemeindebüros. Die Verwaltung
saß nun in Bad Bergzabern. Es dauerte lange, sich daran zu gewöhnen.
In dem vor sieben Jahren erworbene Pfarrhaus wohnte weiterhin Pfarrer Jockers.
Der Hof, der erworbene Teil des Gartens und die Scheune lagen ungenutzt. Das
sollte sich ändern. Die Scheune fiel der Spitzhacke zum Opfer, die Mauer zum
Garten wurde zurückgesetzt und die Hof- und Gebäudefläche der Scheune mit
202
Verbundsteinen gepflastert. Die neue Fläche sollte nutzbar sein für parkende Autos,
Stellplatz für Karussell und Stände während der Kerwe und als Buswendeplatz. Die
Investition hat sich gelohnt.
Auch die Kirchengemeinde blieb nicht untätig. Die Planung und die
Baugenehmigung für das neue Pfarrhaus lagen mittlerweile vor. Die Bauarbeiten
begannen und gingen zügig voran. Ein Jahr später zog Pfarrer Jockers mit seiner
Familie in ihr neues Haus ein und die Gemeinde vermietete das alte Pfarrhaus an
Bürger aus dem Ort.
1973
Das Ortsnetz für die Stromversorgung, all die Jahre Eigentum der Gemeinde,
wechselte den Besitzer. Die Pfalzwerke kauften es.
Die Haupt- und Lindelbrunnstraße bis zur Schuhfabrik Diehl erhielten eine neue
Straßenbeleuchtung.
Neue, Große Vorhaben standen an. Kanalisation hieß das Stichwort. Der
Gemeinderat vergab den ersten Bauabschnitt. Bei dieser Gelegenheit galt es auch
die Wasserleitung zu erneuern. Die Arbeiten zogen sich ins nächste Jahr hin.
Während der Gemeinderat diesen Abschnitt noch selbst vergeben konnte, erfolgte
die weitere Vergabe 1975 und 1976 bereits durch die Verbandsgemeindewerke.
Um auch den Privatwald besser nutzbar zu machen gründeten deren Besitzer den
Waldbauverein. Als erstes Vorhaben baute der Verein drei Jahre später unter
forstamtlicher Betreuung die ersten Wege zur Holzabfuhr im Privatwald für schwere
LKW aus.
1974
Das 1952 angelegte Gräberfeld war nahezu voll belegt. Im Mittelteil des Friedhofs,
im oberen Bereich entstand unter Aufsicht und Planung der Bauabteilung der
Verbandsgemeinde ein neues Feld. Wie schon 1952 bestanden die Hauptaufgaben
aus dem Entfernen der bestehenden Grabsteine, dem Fällen von Bäumen und dem
Anlegen von neuen Ebenen für Gräber und Wege sowie deren Befestigung.
1986
Im alten Schulhaus war die Lehrerwohnung im Obergeschoss längst vermietet. Die
Schulscheune diente schon seit Langem anderen Zwecken. Die Milchsammelstelle
und eine Große Gemeinschaftsgefrieranlage waren eingebaut worden. Hier konnten
die Bewohner einzelne, kleine Fächer anmieten in denen sie Lebensmittel
tiefgefroren aufbewahrten. Noch fanden in fast jedem Haus im Winter die
Hausschlachtungen statt. Um Wurst haltbar zu machen hing sie in der
Räucherkammer während das Fleisch eingesalzen im Holzzuber den Sommer
überdauerte. Jetzt lag beides tiefgefroren im Gefrierfach in der Schulscheune.
203
Doch die rasante, wirtschaftliche Entwicklung überrannte auch diese Anlage. In den
Häusern standen die Ställe leer, die Land- und Viehwirtschaft hatten die Menschen
aufgegeben. Ohne Vieh keine Milch, ohne Milch keine Sammelstelle. Und die
Gefrieranlage? Wie zuvor die Kühlschränke in die Haushalte Einzug hielten so
waren es jetzt die Gefriertruhen.
Die Schulscheune hatte ihre Schuldigkeit getan. Sie wurde nicht mehr gebraucht.
Die Gemeinde beschloss den Abriss und den Ausbau des Areals, das einmal aus
Schulhof, Schul-Abortanlage, Schulscheune und Schulgarten bestand.
Es entstand ein Multifunktionsplatz, gepflastert mit farbigen Verbundsteinen. Die
Mitte ziert ein Brunnen, zur Hauptstraße hin hat die Bushaltestelle mit überdachten
Sitzplätzen ihren Standort und an der Nebenstraße gibt es Parkplätze. Ein
langgestrecktes Gebäude an der Seite zum Nachbarn Helfer beherbergt
Abstellräume, WC-Anlage und eine größere, überdachte Sitzgelegenheit lädt zum
verweilen ein. Mit einem Fest weihte die Gemeinde den Platz ein, der später auf den
Namen August-Becker-Platz getauft wurde. Viele Feste sind bisher dort gefeiert
worden.
Vor dem Krieg hatte unser Dorf einen eigenen Kindergarten in der Kirchstraße. Nach
Kriegsende zog die Polizei dort ein. Erst spät, Ende der sechziger Jahre konnten
unsere Jüngsten eine solche Einrichtung wieder besuchen. Sie fuhren mit dem Bus
nach Bad Bergzabern.
Platzmangel gab wohl den Ausschlag, dass eine Anfrage der Kreisverwaltung ins
Haus flatterte, für die Kleinen von Vorderweidenthal und Oberschlettenbach einen
Kindergarten einzurichten.
Die Gemeinde nahm das Angebot dankend an. Im leer stehenden neuen Schulhaus
im Erdgeschoß errichtete sie eine Anlage mit je einem Gruppen- und
Gymnastikraum. Das Treppenhaus musste weichen. Die Schulsäle im Obergeschoss
waren nun von oben begehbar. Die Umbauarbeiten gingen zügig voran.
Schon ein Jahr später feierten stolze Bauherren die Einweihung mit der
Bevölkerung. Doch da war schon klar, jemand hatte sich geirrt. Der Kindergarten
hätte für zwei Gruppen eingerichtet werden müssen. Der Gymnastikraum verlor
seine Funktion und die zweite Gruppe zog dort ein.
1988
Einer der Säle im Obergeschoss des neuen Schulhauses stand immer noch leer,
während den anderen der CVJM nutzte.
Der Gemeinde fehlte ein größerer Versammlungsraum. Der leere Schulsaal sollte es
werden. Eine Zwischenwand teilte den zwischen beiden Sälen gelegenen
Gruppenraum in Küche und Vorraum zum Saal mit Großer Schiebetür. Der Saal
erhielt Decken- und Wandvertäfelung und neue Beleuchtung. In einem Anbau
entstanden ein neuer Eingangsbereich und die Toiletten. Versammlungen aber auch
viele private Familienfeste fanden bis heute darin statt.
204
Den Dreschschuppen ereilte das gleiche Schicksal wie alle anderen
landwirtschaftlichen Gebäude im Ort. Die Dreschmaschine lief längst am Viehstrich
als Relikt vergangener Zeiten bei Festumzügen mit. Die Gemeinde und die Vereine
nutzen ihn jetzt zur Unterstellung allerlei Gegenstände und Geräte, die nur selten
gebraucht werden.
Da traf es alle wie ein Donnerschlag. Der Dreschschuppen brennt. Die Feuerwehr
hatte keine Chance. Die Holzkonstruktion mit äußerer Bretterverkleidung brannte
wie Zunder. Der Feuersturm wirbelte die Dachziegel bis auf die Straße.
Betroffene Mienen beim Sportverein. Das Zeltdach, das der Verein im Sommer vor
der Halle aufbaute und der Tanzboden verbrannten. Schon einmal, noch vor dem
Krieg, hatte sich dieses Drama abgespielt, mitten in der Ernte.
1989
In unserem Ort gab es zwei Tankstellen, betrieben von den beiden Kfz-Werkstätten
Josef Lämmel und Eugen Zeller. Für unser Dorf war das sicher ein Überangebot,
aber in den umliegenden Dörfern fehlte eine Tankgelegenheit. Daher hatten sie
Großen Zuspruch. Jetzt war auch diese Ära zu Ende. Während eine der beiden schon
vorher schloss, kam das Ende für die andere in diesem Jahr.
1991
Die Gemeinde sah sich gezwungen den Dreschschuppen wieder aufzubauen. Auf
eine Anfrage bei der Brandversicherung, statt des Wiederaufbaues, eine Scheune im
Ortskern zu erwerben, erhielt die Gemeinde eine negative Antwort. So entstand das
neue Gebäude, das bis heute dem gleichen Zweck dient wie vor dem Brand. Wegen
der Großen Staubentwicklung hatte man früher die Anlage außerhalb errichtet. Jetzt,
wo sie nur als Geräteschuppen genutzt wird, ist die Gefahr groß, durch die
Entfernung vom Ort, einer Brandstiftung zum Opfer zu fallen oder dass sich Diebe
darin zu schaffen machen. Diese Befürchtung hat sich leider bewahrheitet, als dreiste
Diebe den Schlepper der Gemeinde vor Jahren entwendeten.
1993
Die Zahl der Kindergartenkinder stieg weiter an. Der verlorene Gymnastikraum
fehlte. Es gab eine Lösung. Im alten Schulhaus zog die Mieterin aus. Damit stand
das Obergeschoss zur Verfügung. Wenn darin eine Bleibe für die Jugend errichtet
würde, stände im neuen Schulhaus der von ihr bisher genutzte Saal zur Verfügung.
Der Gemeinderat stimmte zu. Ironie des Schicksals. Bei der Einrichtung des
Kindergartens verschwand das Treppenhaus um die Verbindung zum Obergeschoss
zu kappen. Jetzt war eine neue Treppe erforderlich als Aufgang zum neuen
Gymnastikraum.
So erhielt der Kindergarten wieder einen Gymnastikraum und die Jungend eine neue
Bleibe.
205
1995
Seit Kriegsende führte Heinrich Stoffel die Poststelle in seinem Haus im Ort. Lange
Jahre stand dort auch das einzige Telefon. Anrufe für alle im Dorf nahm er entgegen
und überbrachte die Nachricht dem Empfänger. Sein Schwiegersohn Nikolaus
Hüther führte sie weiter bis zu seiner Pensionierung. Eine neue Stelle musste her.
Der Saal der „Kleinen Schule“ stand leer und die Deutsche Bundespost richtete dort
eine neue Poststelle ein. Die Gefahr einer Schließung war gebannt. Die
Bundesregierung aber hatte andere Pläne. Sie zerschlug die Deutsche Bundespost in
Post, Telekom und Postbank. Sparen war angesagt. Wo? Natürlich beim Personal.
So kam was kommen musste. In unserer Poststelle knipste der letzte Angestellte das
Licht aus.
Im Saal der „Großen Schule“ hatte sich die Volksbank mit einer Filiale
niedergelassen, nach dem Tod von Heinrich Hussong. Er hatte vorher in seinem
Anwesen die Raiffeisenbank geführt mit dem Raiffeisenlager.
Aber auch die Banken zogen sich aus den Dörfern zurück. Die Volksbank machte
genau so dicht wie später auch die Sparkasse.
In den Räumen der Volksbank eröffnete der Bäckermeister Bernd Feldner aus
Billigheim eine Filiale. Sein Vater stammte aus unserem Ort. Nach bitten und betteln
ließ sich die Post erweichen, in seinen Verkaufsräumen, von ihm eine Postfiliale
betreiben zu lassen.
Luftaufnahme im Jahre 1995
206
Die Kanalisation im Ort war beendet. Noch fehlte die Kläranlage. Seit Jahren
diskutierten Verwaltung und Fachleute. Zunächst favorisierten sie eine
Gemeinschaftsanlage für alle umliegenden Orte in Bobenthal. Dann wollten die
Oberschlettenbacher für sich eine Schilfkläranlage bauen. Schließlich einigten sie
sich auf eine Anlage für Oberschlettenbach und Vorderweidenthal am heutigen
Standort. Jetzt waren die Bauarbeiten beendet. Die Kläranlage nahm den Betrieb auf.
Hausklärgruben und Jauchegruben gehörten der Vergangenheit an. Die Kanalisation
in Vorderweidenthal war abgeschlossen.
In Oberschlettenbach hatte es durch Kolibakterien Probleme mit dem Trinkwasser
gegeben. So bot es sich an, gleichzeitig mit dem Verbindungskanal zwischen
unseren Orten auch eine neue Wasserleitung zu verlegen um das Nachbardorf, wenn
nötig, mit Wasser aus unseren Quellen zu beliefern. Um die Versorgung
sicherzustellen hatten die Verbandsgemeindewerke im Wald, rechts vom Steinwoog
einen Tiefbrunnen bohren lassen und auf dem angrenzenden Berg einen
Hochbehälter errichtet. Damit, so die Fachleute, sei die Wasserversorgung für unsere
beiden Orte auf Jahre hinaus gesichert.
2000
Das zuletzt angelegte Gräberfeld war belegt. In den Doppelgräbern finden zwar nach
ihrem Tod noch viele Ehepartner ihre letzte Ruhe aber für neue Gräber fehlte der
Platz. So gestaltete das Büro Hartenstein aus Steinfeld den unteren Bereich im
Mittelteil in Anlehnung an das darüberliegende, belegte Feld.
Heute ist eine Reihe davon schon wieder belegt und die nächste Reihe begonnen.
Im alten Schulhaus hatte Bäckermeister Bernd Feldner seine Filiale geschlossen und
damit auch die Postfiliale. Das bedeutete das Ende der ehemals stolzen Deutschen
Post in unserem Ort.
2009
Um unser Dorf voranzubringen beschloss der Gemeinderat, sich beim Land
Rheinland-Pfalz um die Aufnahme in das Programm „Dorferneuerung des Landes“
zu bewerben. Da dieser Wunsch auch in Oberschlettenbach bestand, verständigen
sich beide Orte auf einen gemeinsamen Antrag. Das Innenministerium stimmte zu
und verlieh beiden Bürgermeistern die Anerkennungsurkunde, im Paket als
Modellprojekt. Damit waren Zuschüsse für anzugehende Projekte garantiert.
Fachleute der beauftragten Büros informierten bei Veranstaltungen die interessierten
Bürger, Arbeitskreise nahmen ihre Arbeit auf, kurz, ein Dorf schien im Aufbruch.
Der Gemeinderat begann damit erste Projekte anzugehen. Das alte Schulhaus stand
leer wegen eines, aus einem Wasserschaden entstandenen, Hausschwamms. Ein
zeitgemäßes Dorfgemeinschaftshaus sollte es werden, für alle Bürger und für alle
Anlässe.
207
Ein Trugschluss, wie sich herausstellte. Die Euphorie war wie weggeblasen. Ein
Dorf entzweite sich. Hier die Befürworter, dort die Gegner. Gräben rissen auf,
Kompromisse scheinen bis heute unerwünscht.
Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt, denn das „alte Schulhaus“ liegt auf
Eis. Ein Umbau scheint ausgeschlossen.
Unter der Oberfläche aber brodelt es weiter.
Die Dorfentwicklung stockt, sowohl bei uns als auch im Nachbarort. Die Ergebnisse
sind bis heute äußerst bescheiden.
Da das Modellprojekt jedoch zeitlich begrenzt ist, droht es zu scheitern. Unsere
beiden Orte waren dafür einfach nicht reif genug. Eine riesige Chance ist vertan
worden. Der russische Regierungschef Michail Gorbatschow hat es einmal treffend
ausgedrückt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.
2011
Einer der bescheidenen Erfolge der Dorfentwicklung ist der Kulinarische Treff. Ein
Arbeitskreis hat ihn aus der Taufe gehoben. Hier treffen sich ältere Mitbürger einmal
im Monat im protestantischen Gemeindehaus zu einem gemeinsamen Mittagessen,
das im Rhythmus jeweils eine der örtlichen Gastwirtschaften liefert. Die Beliebtheit
ist bisher ungebrochen.
208
Oberschlettenbach nach dem 2. Weltkrieg
Walter Hunsicker
Die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ging auch an unserem kleinen
Heimatort nicht spurlos vorüber. Wenn auch der Ort selbst und die Gebäude den
Krieg weitestgehend unbeschadet überstanden haben, so wurden doch in die Herzen
der Hinterbliebenen tiefe Wunden gerissen. Fast jede Familie hatte einen oder
mehrere Toten zu beklagen. Die Gedenktafeln mit den Portraits und das Ehrenmal
mit den Namen der Gefallenen und Vermissten Zeugen noch heute vom Schmerz
der Angehörigen und mahnen zum Frieden.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Kapitulation kam eine Zeit der
Ungewissheit und der Ratlosigkeit, die glücklicherweise nur von kurzer Dauer war.
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 und der
Währungsreform 1948 ging es weiter und es begannen die Wirtschaftswunderjahre.
Die Wasserleitung wird eingeweiht
209
Unter der Regie des Ortsbürgermeisters Ferdinand Stoffel erfolgte der Bau der
Wasserleitung und des Wasserreservoirs auf dem Michelsbühl. Bis zum Jahr 1965
floss rechts und links der unbefestigten Straße ein kleiner Bach, der das Wasser der
vielen Quellen und auch das Abwasser zum Erlenbach führte. Mit dem Bau der
Ortskanalisation und dem anschließenden Straßenbau hatte auch Oberschlettenbach
den Wandel in die Neuzeit vollzogen.
In den 60er und 70er Jahren veränderte sich unser Dorfbild nochmals ganz
entschieden. Viele hauptberuflich tätige Landwirte gaben einen Teil ihrer
Landwirtschaft auf und wurden zu sogenannten Feierabendbauern. Die neuen Berufe
der früheren Landwirte veränderten auch die Lebensgewohnheiten und den
Tagesablauf der Menschen. Die Zeit, als noch Kuh und Pferdefuhrwerke über die
Ortsstraßen zogen, ist längst vorbei. Die Felder liegen brach und werden
erfreulicherweise zur Heugewinnung genutzt, während die rein landwirtschaftlich
genutzten Flächen von Jahr zu Jahr kleiner werden.
In das Dorf sind nach und nach viele „Neubürger“ eingezogen, zunächst meistens
ältere Menschen, die für ihr Alter ländliche Ruhe suchten. Weil gleichzeitig die
meisten jungen Leute fortgezogen sind in die Orte, in denen sie Arbeit gefunden
hatten, nahm das Durchschnittsalter der Dorfbewohner erheblich zu, deren
Gesamtzahl dagegen ab. Neuerdings ist jedoch manche junge Familie dazu
gekommen, so dass heute nicht nur Autos, sondern auch Kinder auf den Dorfstraßen
zu sehen sind.
Lehrer Kalkofen mit Schulkindern im alten Schulraum
210
Der Ofen in der alten Schule
Oberschlettenbach hatte schon früh eine Schule und bereits 1832 wurde in der
Ortsmitte ein neues Schulhaus im französischen Baustil errichtet, das heute
umgebaut als Privathaus genutzt wird. Um den Schülern und dem Lehrer einen
zeitgemäßen Unterricht zu ermöglichen, wurde 1956/57 ein neues Schulheim im
Glimborn errichtet. Dieses war damals der Stolz aller Bürger. Aber die Freude
währte leider nur bis zum Jahr 1966. Infolge der Schulreform wurde die kleine
Dorfschule geschlossen, die Hauptschüler gingen nach Bad Bergzabern, die
Grundschüler zogen um nach Vorderweidenthal, wo ihr Bleiben auch nur von kurzer
Dauer war. Heute besuchen unsere Schüler das Schulzentrum in Bad Bergzabern
und die Kleinsten den Kindergarten in Vorderweidenthal und finden so schon früh
Freunde außerhalb der Ortsgrenzen.
Das stillgelegte Schulhaus sahen in den Jahren 1966 bis 1969 viele als
Fehlinvestition, bis der Männergesangverein ab 1970 im leeren Schulsaal seine
Chorproben abhielt. Zuerst wurden nur kleine Feste darin gefeiert und schon bald
wurde der Platzmangel durch ein provisorisch angebautes Festzelt beseitigt. In den
Jahren 75/76 fassten die Gemeindeväter den weitreichenden und bedeutsamen
Beschluss zum Bau der Lindelbrunnhalle und im Jahr 1979 erfolgte der erste
Spatenstich. In den Jahren 79, 80 und 81 verbrachten viele Bürger und Sänger ihre
freien Stunden auf der Baustelle
211
Die Glimbornstraße vor dem Schulneubau
Schülerinnen vor dem Schulneubau
212
im Glimborn. Auf einer Holztafel im Flur der Lindelbrunnhalle sind die Namen der
Helfer und Spender aufgeführt als Zeichen des Dankes und der Anerkennung. Durch
Engagement, Fleiß und Spendenfreudigkeit der Bürger entstand in vielen
freiwilligen Arbeitsstunden eine Kultur- und Begegnungsstätte für alle
Oberschlettenbacher und eine Heimstatt für die örtlichen Vereine. Neben
Festlichkeiten jedweder Art fanden auch schon viele Familienfeste statt und die
Oberschlettenbacher und ihre Gäste haben viele gemütliche Stunden in der
Lindelbrunnhalle verbracht.
Im kleinen Saal diskutiert der Gemeinderat und fasst darin seine Beschlüsse. In
Ermangelung einer Kirche versammeln sich im Großen Saal im vierwöchigen
Turnus und an den Feiertagen die Gläubigen zum Gebet und immer öfters begleiten
wir von dort unsere Verstorbenen zu ihrer letzten Ruhestätte. Somit hat unsere
Lindelbrunnhalle einen multifunktionalen Charakter. Die Bankgruppe unter der
prachtvollen Linde auf dem 2003 errichteten Lindelbrunnplatz lädt die Wanderer zur
Rast und zum Verweilen ein.
Mit der Erschließung des Baugeländes im Adelsthal Ende der siebziger Jahre kam
auch die Forderung der Fachbehörden, zusätzlich einen Regenwasserkanal zu
verlegen und den Schmutzwasserkanal an die Kläranlage in Vorderweidenthal
anzuschließen. Es folgten harte und lange Diskussionen, ob es sinnvoll sei, die noch
intakte Ortsstraße aufzureißen und einen zweiten Kanal zu verlegen. Die Einsicht,
dass es nicht sinnvoll ist, sauberes Quellwasser durch Schmutzwasser zu
verunreinigen und anschließend wieder mit Großem Aufwand zu Klären, erleichterte
den Entschluss zum erneuten Kanalbau. Der daran anschließende Ausbau der
Ortsstraßen in den Jahren 90 bis 95 belastete die Geldbörsen erneut und schmerzlich.
Aber mittlerweile können wir mit Stolz auf das Erreichte zurück und mit Zuversicht
nach vorne blicken.
Wenn auch der Tourismus bei uns noch in den Kinderschuhen steckt, so liegt darin
doch ein Stück Zukunft unserer kleinen Wasgaugemeinde, die umrahmt ist von einer
herrlichen Waldlandschaft inmitten einer geschichtsträchtigen Region im Herzen
Europas. Kilometerlange Waldwege laden zum Wandern ein. Erst kürzlich ist in
vielen freiwilligen Arbeitsstunden von Rentnern aus Busenberg unter Leitung von
Robert Breitsch, dem hier ausdrücklich gedankt werden soll, ein besonders reizvoller
„Steinpyramidenweg“ (Holzschuhpfad) über den Löffelsberg entstanden. Schon
früher hatten Busenberger und Schlettenbacher gemeinsam am Ostabhang des
Löffelsberges eine Picknickbank aufgestellt. In den zahlreichen umliegenden
Gaststätten und Wanderheimen ist für das leibliche Wohl bestens gesorgt. Ob unser
Klima und unser Wasser jugenderhaltend und heilbringend wirken, ist zwar nicht
bewiesen, auf einer Holztafel am Dorfbrunnen lesen wir allerdings: „Wer täglich
einen Schoppen schafft, hat hundert Jahre Manneskraft, nur wenn er nicht schon
früher stirbt und sich mit den Spaß verdirbt.“ Zu meiner Schande muss ich gestehen,
dass auch mir ein Schoppen Riesling von der Südlichen Weinstraße besser schmeckt
213
als ein Schoppen Wasser vom Dorfbrunnen. Viele Burgruinen und
Sehenswürdigkeiten im näheren und weiteren Umkreis laden zum Besichtigen ein,
einige davon sind gemütlich zu Fuß zu erreichen. In der nahe gelegenen
Südpfalztherme in Bad Bergzabern findet der müde Körper Ruhe und Erholung und
der Geist Entspannung vom Stress des Alltags. Der Urlauber findet bei uns an der
Südlichen Weinstraße und im nahen Elsass ein reichhaltiges Freizeitangebot und die
Küchen und Keller der Gastronomen sind gefüllt mit Pfälzer Köstlichkeiten. Wer
den Höhepunkt der Pfälzer Speisekarte, den Saumagen nicht genossen hat, der hat
das schönste und köstlichste, was einen Pfalzurlaub ausmacht, versäumt.
Mit der seit 1993 bestehenden Gemeindepartnerschaft zwischen Oberschlettenbach
und Geiswiller im Elsass trägt auch die kleinste Gemeinde im Kreis Südliche
Weinstraße zur Völkerverständigung bei. Und auch hier haben die Sänger wieder
maßgeblich zum Gelingen der Jumelage beigetragen. Es erfüllt das Herz eines jeden
vernünftigen Menschen mit Freude, dass sich heute niemand mehr vorstellen kann,
dass sich Pfälzer und Elsässer, Deutsche und Franzosen und mittlerweile Europäer
gegenseitig bekriegen.
Möge es uns vergönnt sein, dass wir unser Leben im Blickfeld der Burg Lindelbrunn
und am Ursprung des Erlenbachs weiter in Frieden, Freiheit und Wohlstand
genießen dürfen.
(entnommen und geringfügig ergänzt aus der Festschrift 125 Jahre Männergesang-
verein. Oberschlettenbach 1881 e. V.)
214
Bürgermeister von Vorderweidenthal ab 1836
1836- 1846 Puster Valentin der Alte, Wirth und Bürgermeister
1846- 1847 Funk Adam
1847- 1848 Becker Adam
1848- 1855 Wagner Johannes
1855- 1860 Stöbner Jakob
1861 – 1874 Puster Valentin
seit 1873 G. Schmitt als Adjunkt kommissarisch
1874- 1880 Schmitt Georg
1880- 1904 Helfer Thomas
1905 – 1920 Schmitt Jakob
1920- 1922 Jung Jakob
1922- 1933 Schmitt Jakob
1933- 1937 Zeller Robert
1937-Mai 1945 Berger Ludwig
Juni 1945-Sept. 1946 Schmitt Jakob
1946- 1948 Wagner Adam
1948- 1949 Hornberger Jakob l. Beigeordneter
ab Nov. 1949- 1960 Müller Hermann
1960- 1974 Schütz Richard
1974- 1989 Ettel Walter
1989- Helfer Arthur
Bürgermeister von Oberschlettenbach ab 1818
1818-1823 Becker
1823-1846 Valentin Puster
1846-1849 Adam Funck
1849 – 1868 Jakob Christmann
1868-1880 Adam Wagner
1880-1890 G. Stöbener
1890 – 1910 Adam Christmann
1910-1933 Jakob Funck
1933 – 1945 Heinrich Ladenburger
18.1. - 6.10.1946 Vorsitzender d. Bürgerratskommitees Jakob Christmann
1946 – 1948 Jakob Christmann
1948 – 1979 Ferdinand Stoffel
1979 – 1986 Karl Stürzebecher
1986-1999 Werner Heft
1999 – 2004 Jürgen Stoffel
2004 – 2012 Walter Hunsicker
2013-dato Karl Walter
215
Das „Amt“ Lindelbrunn und der 30jährige Krieg
Heinz R. Wittner
Die Schultheißerei Lindelbrunn mit den Orten Vorderweidenthal,
Oberschlettenbach, Dimbach und Darstein ist noch kaum erforscht. Das Wenige, das
bisher veröffentlicht wurde, bedarf in vielen Fällen der Korrektur. In den
reichhaltigen Beständen des Fürstlich-Leiningischen Archivs in Amorbach wird fast
durchgehend vom „Amt“ Lindelbrunn gesprochen, obwohl es sich nur um eine
Schultheißerei handelte, die dem Amt Falkenburg unterstand. Die Amtsrechnungen
Lindelbrunn, die Amts- sowie die Kellereirechnungen Falkenburg gestatten es, den
Zeitraum vor, während und nach dem 30jährigen Krieg recht gut zu erhellen.
Der fleckensteinische Freihof
In Vorderweidenthal bestand ein fleckensteinischer Freihof, um den es zwischen
1583 bis 1617 zu Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Grafen
von LEININGEN und den Herren von FLECKENSTEIN kam. Philipp von
FLECKENSTEIN machte dabei Ansprüche u.a. auf die Mühle, den Zehnten und den
Pfarrsatz geltend, die er nach seinen Angaben von der Kurpfalz zu Lehen trug. Das
umfangreiche Aktenbündel gewährt einen Einblick in die Rechte und Pflichten des
fleckensteinischen Schützen sowie in das dörfliche Leben. Bei einer am 29. und 30.
März 1617 in Vorderweidenthal unter dem Titel „Abgehörte Kundtschafft
betreffend den fleckensteinischen Schützen und das Schütz-Ampt zu Weydenthall“
niedergeschriebenen Anhörung durch Dr. Friedrich SAUR (später Amtmann auf der
Falkenburg) und den falkenburgischen Keller Johann Jacob KÖGELE wurde u.a.
ausgesagt, dass allein von 1594 bis 1614 in Vorderweidenthal nacheinander 11
lutherische Pfarrer ihren Dienst versahen. Es waren dies: Philippus WÜRGELL,
Christophorus MOTZ, Jacobi ROSCH, Johannes HEIRLING, M. Georg PFLÜGER,
Hermann; RUMP, Ägidiy KRAFFT, Cunradi MORCK, Johannes LUPULY, M.
Christopher ZIEGLER und derzeit (1614-1617) Philips Jacob BRUCHT.
Im Verlaufe der Anhörung wurde zuerst der Büttel Hannß GERBER befragt. Er gab
an, wenn der (fleckensteinische) Schütz ein Pferd halte und die Gemeine Weide
mitbenutze, so müsse er auch frönen. Seiboldts Wendell, der (1590) von
Gossersweiler zugezogen sei, habe mit seinen Pferden gefrönt. Auch habe man,
wann der Gemeine Woog abgefischt worden sei, der Gemeinde (Vorder-)
Weidenthal ein Fischessen gegeben, was auch schon ein paar Jahre nicht mehr
geschehen sei.
Der etwa 60jährige Peter KREMER zu Dimbach gab zu Protokoll, dass er unter
Junker Johannsen (von FLECKENSTEIN) von etwa 1587 bis 1590 auf dem Fronhof
216
gesessen habe und nicht habe frönen müssen. Da er tags und nachts hüten und
schützen mußte, habe ihm vom Juncker 5 Achtel Frucht, halb Hafer, halb Korn
zugestanden; auch habe er den Kleinen Zehnten bezogen. Die Bürger hätten das
Recht besessen, das (Weide-) Vieh in den Fronhof zu treiben. Dafür seien an ihn 5
Pfennige als Entgeld von jeden Viehbesitzer zu zahlen gewesen. Für das Hüten am
Tag hätten ihm 2 und bei Nacht l Pfennig pro Stück (Vieh) zugestanden. Falls ohne
sein Wissen das Vieh auf dem Lindelbrunner Hof Schaden angerichtet habe, so hätte
er ihn bezahlen müssen. So habe er einmal für einen Schaden 3 Achtel Korn geben
müssen. Er und andere Schützen hätten selbst kein Pferd gehalten. Lediglich sein
Nachfolger, Seiboldts Wendell, habe ein Pferd besessen, habe aber nicht gefrönt.
Der Juncker (von FLECKENSTEIN) und LEINIGEN haben um 7 Morgen Acker
hinter der Kirchenmauer einen Streit gehabt und sich verglichen. Der Schütz müsse
einen halben Wagen, einen Pflug, eine Egge und zwei Kärste bei Sonnenschein in
den Hof (Lindelbrunn) liefern und wieder abholen. Hierfür stehe ihm der Kleine
Zehnte zu. Der Schütz müsse jährlich an Martini der Gemeinde ein Viertel Wein,
einen Käse und ein Brot geben, das sei alles.
Zum Freihof gehörten über 100 Morgen Äcker und Büsche. Der auf dem Hof
sitzende fleckensteinische Schütz war verpflichtet für die Dörfer Schlettenbach,
Darstein und Weidenthal einen Farren, zwei Widder und einen Eber zu halten. Er
mußte demjenigen in Darstein, der den Farren hielt ein Achtel Hafer und zwei
Simmern Korn geben, da er selbst dort nicht rügen durfte.
Von den Krautgärten brauchten die Weidenthaler keinen, aber von allen anderen
neuen Gärten war der Zahnte zu entrichten. Anstatt des Zehnten war von einem Kalb
ein Pfennig zu zahlen. Vom anderen Vieh nehme er (der Schütz) das zehnte Stück.
Wenn einer keine zehn Lämmer habe, so gebe er pro Lamm ein Ei. Von zehn Ferkeln
sei eines abzuliefern. Er habe immer friedlich mit den Nachbarn gelebt. Zur
Eckerichmast habe er sein Schwein mitlaufen lassen und habe, halb für den
Schultheiß, halb für die Gemeinde, fünf oder sechs Gulden bezahlt.
Als dritter wurde Martin ACKER befragt, der jetzige (1617) leiningische Schütz auf
der Falkenburg. Er sei vor zehn Jahren auf den Fronhof gekommen und habe dort
zehn Jahre gesessen. Er gab an, dass er zwei Jahre lang zwei Pferde gehalten, aber
nicht gefrönt habe, was auch nicht von ihm verlangt worden sei. Auch er habe sich
mit den Nachbarn gut gehalten. Ihm hätten 6 1/2 Achtel Korn für das Schützenamt
zugestanden. Da er aber nicht gerügt habe, hätten die (Ober-)Schlettenbacher ihr
Korn, zwei kleine Achtel oder 15 Simmern, selbst behalten. Auch die Darsteiner
hätten ihre 15 Simmern Korn nicht abgeliefert. Der Juncker (von FLECKENSTEIN)
habe ihm dafür 2 ½ Achtel Korn aus den Weidenthaler Gefällen sowie 2 ½ Achtel
Hafer gegeben. Darüberhinaus habe er ihm über 50 Morgen Wilderung (Willerung)
217
mit Büschen zur Nutzung übertragen. Martin ACKER sagte ferner: „der Ruhe
halben, er habe gantz nichts gerügt, die Bauern haben selbst gerügt, wie sies bißhero
auch gemacht haben, aber der alt Peter SCHNEIDER von Dienbach habe gerügt.
Den halben Wagen und Pflug habe Jr. (Juncker) Philips ihme vorbehalten, alß er ihn
dargesetzt, müße er stellen, wann es die Weidenthaler begeren, wann sie es aber
nicht begeren, so seye es ihm wol zufrieden, die Weidenthaler habens aber nie an
ihn begeret, haben wol vom rügen gesagt, daß es ein Schütz thun muss, haben aber
nicht druff getrieben.“
Diese Passage und die vorherigen Aussagen werden verständlich durch die ebenfalls
1617 vorgetragene Beschwerde des fleckensteinischen Schultheißen Conradt
HEFFT. Er klagt, daß es den Bürgern des Amtes Lindelbrunn bei Strafe verboten
worden sei, ihm das Schützenkorn abzuliefern. Auch durften sie ihn nicht weiter
Schultheiß zu Weidenthal nennen.
Doch zurück zur Aussage von Martin ACKER. Von den eingezäunten Gärten habe
man ihm keinen Zehnten gegeben. Vom Vieh habe er von einem Kalb einen Pfennig
und von den Lämmern, falls es keine zehn waren, je ein Ei gehabt. Damit endet das
Anhörungsprotokoll. Die Aussagen belegen, daß die fleckensteinischen Schützen
trotz vieler Differenzen versucht haben, mit den übrigen Bürgern in einem
gutnachbarlichen Verhältnis zu leben. Im 18. Jahrhundert erscheint der Freihof unter
kurpfälzischer Regie.
Der Lindelbrunner Hof
Die Grafen von Leiningen besaßen unterhalb der Burg Lindelbrunn, dort wo heute
das Forsthaus und das Cramerhaus des Pfälzerwald - Vereins stehen, ein Hofgut, das
im Temporalbestand vergeben wurde. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheint der
Hof nicht vergeben gewesen zu sein, denn in den Kellerei-Rechnungen 1608 des
Amtes Falkenburg werden keine Abgaben vermerkt, da der Graf den Hof selbst in
Händen habe. 1619 wird Jacob PIERMANN als Hofmann zu Lindelbrunn genannt.
Bei der Huldigung am 23. März 1631 erscheint an 2. Stelle Hans DERST, der
Hofmann zu Lindelborn. Er war der Schwiegersohn von Martin ACKER, dem
leiningischen Schützen auf der Falkenburg, der auch von 1606 bis 1616
fleckensteinischer Schütz auf dem Freihof war.
Im Herbst 1633 erhielt der Hofmann zu Lindelbrunn 7 Batzen und 8 Pfennige für
das Herbsten im gräflichen Wingert zu Bergzabern. Für 1633 hatte er 24 Malter und
5 Simmern Korn als Pacht zu zahlen. 1634 wurde das Korn vom Hagel zum größten
Teil vernichtet. In diesem Jahr lieferte er 27 Malter und l Simmern Gerste ab. Dazu
kamen noch 7 Malter Hafer als Willerungszins. Am 26. August 1634 wurden auf
dem Hof 193 junge Schafe, 151 junge Hämmel und 53 Lämmer gezählt. Im gleichen
Jahr wurde von den Dreschern auf dem Hof Lindelbrunn 34 Malter und l Simmern
Hafer geliefert.
218
1635/36 heißt es: Auf dem Hof Lindelborn im Jahr 1635 erbauet 31 Malter Korn und
dieses Jahr (1636) 7 Malter. ... Abgaben von jungen Lämmern ... ist der Pächter
schuldig geblieben. In den Jahre 1633 bis 1636 mußte der Hofmann jeweils 1/2
Malter Korn dem Pfarrer Georg SCHLEMPEN in Vorderweidenthal geben. 1636
lieferte der Schuster Franz KRÄHMER zu Darstein 6 Paar Schuhe auf den Hof.
Barthel STOFFEL aus Oberschlettenbach kaufte 1636 einen Stall auf dem Hof zu
Lindelbrunn.
Die Kellerei-Rechnungen 1637/38 vermerken: Bürgern von Darstein wurde Wein
und Brot sowie 10 Batzen gegeben beim Löschen des Brandes auf dem Hof
Lindelbrunn.
1650/51 ist der Lindelbrunner Hof noch verlassen. Hanß DERST, der letzte
Hofmann, scheint den „Kroatensturm“ nicht überlebt zu haben, denn es heißt, daß er
vor vielen Jahren verstorben sei. 1656 war der Lindelbrunner Hof wieder aufgebaut.
Thomas STEBINGER (STEBNER) aus Dimbach wurde erster Hofmann nach dem
Krieg. Für die Saat auf Lindelbrunn wurden im „Amt“ 19 Malter Korn, 3 Malter
Gerste, 200 Ballen Stroh und 3 Bund Heu gekauft.
Steuern, Abgaben und Streiflichter aus dem dörflichen Leben
In den Jahren 1605 und 1608 gab es ausweislich der Zahlung von Ungeld (Ohmgeld)
in Vorderweidenthal zwei Gastwirte. 1605, 1606 und 1607 waren dies Hanß STOLL
und Michel HAILMANN. 1608 erscheint, anstelle von Michel HAILMANN Caspar
WENTELL, auch Caspar der Wirt genannt (zu dieser Zeit waren die Familiennamen
im Amt Lindelbrunn erst im Entstehen begriffen). 1613 hatten sogar drei Gastwirte
ihr Auskommen und zahlten beachtliche Summen an Ungeld: Caspar WENTELL 5
Gulden, 12 Batz, 12 Pfennige, Peters Hanß, der ander Wirt; 32 Gulden, 15 Pfennige
und Jacob DOLDT (er erscheint 1616 als fleckensteinischer Schütz) 12 Gulden, 11
Batzen und 4 Pfennige. 1619 (3) zahlt in Vorderweidenthal nur noch Hanß
Rupprecht RODTHAAR 30 Gulden Ungeld. Dafür erscheint nunmehr Hanß
SCHUNCKH als Wirt in Oberschlettenbach.
Ein Vergleich der Kellerei- und Amtsrechnungen aus der Zeit vor dem 30jährigen
Krieg und den Rechnungen bis 1635/36 lassen den Schluss zu, daß das Leben im
Amt Lindelbrunn bis zum „Kroatensturm“ immer noch in verhältnismäßig
geordneten Bahnen verlief. 1608, 1613 und 1619 betrug die Beständige Beed im
Amt Lindelbrunn ohne Dimbach 15 Malter Korn und 5 Malter, 3 Simmern Hafer,
Dimbach gab 3 Malter Korn. Unter Jährliche Gefälle sind aufgeführt: Mai- und
Herbst- Beed jeweils 15 Gulden sowie 5 Gulden Grabgeld, „daß die Untertanen den
gräflichen Wingert zu Bergzabern graben dürfen“. Die gleichen Beträge wurden
auch noch 1633/34 und 1634/35 erhoben. An Schätzung wurde 1619 im „Amt“ 109
Gulden, 9 Batzen und 6 Pfennige abgeführt. Daneben erfahren wir im gleichen Jahr.
219
daß an die Gerber in Annweiler für 7 Gulden, 5 Batzen. 4 Pfennige Häute verkauft
wurden.
Weitere Details sind aus der Kellerei-Rechnung 1633/34 zu entnehmen: Der
Steinwoog unterhalb Lindelbrunn wurde im Herbst 1632 mit 800 Kärpflein besetzt.
Der Müller in Vorderweidenthal gab 14 Malter Korn als Pacht. Daneben erfahren
wir, daß keine Spelz angepflanzt wurde. Das Amt Lindelbrunn lieferte 1634 32
Fastnachtshühner ab. Als Gesamteinnahmen aus dem Amt Lindelbrunn sind in
dieser Rechnung 309 Gulden, 6 Batzen, 4 Pfennige ausgewiesen. Je einen Gulden
Einzugsgeld zahlten Peter FUNKCKH in Damstein und Hannß OSTER in
Vorderweidenthal.
Auch die Kellerei-Rechnung 1634/35 lässt immer noch auf ein weitgehend normales
Leben schließen. Der Mühlenzins betrug unverändert 14 Malter Korn. Das Amt
Lindelbrunn gab 30 Fastnachtshühner. An Kappen (Masthähne) lieferten die
Oberschlettenbacher Bürger Barthel STOFFEL 3, Nickhel THOMAN 2 und Thomas
LADENBERGER 2 Stück. Für Schaf- und andere Felle wurden 70 Gulden, 10
Batzen, 4 Pfennige erlöst. Die Gesamteinnahmen im Rechnungsjahr betrugen 466
Gulden und 5 Batzen. Nebenbei erfahren wir, dass für 2 Gulden eine Tür an die
Bezenkammer zu Weidenthal gemacht wurde. Schultheiß des Amtes ist, wie 1631,
Peter BECHTOLD. Als der Steinwoog zu Vorderweidenthal am 3. September 1635
abgefischt wurde, wurden 2 Simmern Hafer verfüttert. Einer der letzten
Rechnungseinträge erinnert daran, daß Krieg war. „Der Bellerswoog zu Weydenthal
ist von den Soldanten aufgezogen und verderbt worden.“
Ein anderes Bild vermittelt die Kellerei-Rechnung von Michaeli (29. September)
1635 bis Michaeli 1636: „Denn dieß Jahr, weilen die Underthanen nicht zu Hauß
pleiben khönnen, kheiner Württschaft im Ambt Lindelbron getrieben worden ...
Einnahmen aus Thiergartengeld Ambt Lindenbron nichts, wegen der Thiergarten vor
einem Jahr in Abgang kommen ...“Von etlichen Untertanen im Amt Lindelbrunn sei
anstelle von 16 Gulden Schatzung lediglich l Malter Korn eingegangen. Einnahmen
aus Hühnern und Hahnen aus dem Amt Lindelbrunn: Nichts. Mühlenzins zu
Vorderweidenthal früher jährlich 15 Malter; da der Müller und die Untertanen nicht
zuhause bleiben konnten: Nichts.
Peter BECHTHOLD ist immer noch Schultheiß. Sogar ein Neubürger, Mattheß
DAUSSMANN, zahlt in Vorderweidenthal Zuzugsgeld. Veix STEBNER und
Hannß BECKHER, beide Strohschnitter (Dachdecker) aus Dimbach, decken im
Frühjahr 1636 das Pommeranzenhaus des Grafen. Aus der Umgebung weist die
Rechnung folgendes aus. „Ständige Beth zu Hofstätten: Weil die Undertanen
meistenteils vestorben und das Dorf abgebrannt worden, nichts ... Einnahm Habern
von Hofstätten nichts. Wegen des verderblichen Kriegsweßens dadurch daß das Dorf
mehrenteils abgebrannt worden, sowohl von den Undertanen 1635 und dieses Jahr
kein Habern eingeführt worden.“
220
Zeitgenössische Darstellung der Greul des Dreißigjährigen Krieges
Ein düsteres Bild zeichnet die Kellerei-Rechnung 1637/38: „Keine Einnahmen aus
Beständige Beeth, weil die Underthanen mehrenteils gestorben und verdorben.“
Ebenfalls keine Einnahmen ergaben folgende Posten: Leibbeth, Abkauf der
Leibschaft, Ungeld, Schatzung, Einzugsgeld, Eckerich- Erlös, Hühner aus Büschen,
Tiergartengeld, „wegen der Thiergarten von dreyen Jahren in abgang kommen“, aus
Wolleverkauf, aus Verkauf von Hammeln und Schafen, aus verkauftem Vieh, aus
Schaffellen und anderen Häuten. Die Untertanen haben auf Thomas (21. Dezember
1637) das beständige- Beeth- Korn geliefert: 14 Malter. Im Amt Lindelbrunn wurde
kein Mühlenzins bezahlt. „Dieweilen die Underthanen mehrentheils verstorben, die
Übrigen hinweggezogen, also hat auch nichts Erbauwet undt Erhalten werden
können.“ Dazu vemerkt der Keller: „Obwohl mir für 2 Jahre wegen Schultheißen
und Oberförster-Diensten 15 Malter Korn jährlich geliefert werden sollten, habe ich
jedoch nicht mehr als 4 Maler insgesamt erhalten.“ Daraus ist zu entnehmen, daß der
Schultheiß Peter BECHTOLD wohl tot war und der falkenburgische Keller als
Schultheiß fungierte. Dagegen ist Georg SCHLEMPEN zu dieser Zeit immer noch
Pfarrer in Vorderweidenthal. Dann schweigen die Rechnungen bis zum Jahr
1650/51. Anhand der Kellerrei- Rechnungen kann danach auch der Wiederaufbau
221
verfolgt werden. Die beständige Beed erbrachte von Martini 1650 bis Martini 1651
18 Gulden, 9 Batzen. 14 Pfennige. Dazu ist vermerkt: „Nota: Ob zwar Vor alters die
Meyen Undt Herbstbeedt daselbsten 30 Gulden erbrachten, die Leuth aber in dem
Langwürigen Continuirlichen Kriegesweßen mehren theils gestorben und verdorben
...“ Im Einzelnen entrichteten in Weidenthal:
Theobald VEYOX 2 fl, 12 Batzen; Hanß ACKHER 12 Batzen, 12 Pfennige und
Barthel STOFFEL l fl, 7 Batzen.
In Dimbach:
Thomas HEFFT 8 Batzen, 8 Pfennige, Peter FUNCKH 8 Batzen, Hanß
BURKHARDT 13 Batzen, 4 Pfennige und Hanß BECKHERS Wittib 5 Batzen, 6
Pfennige.
In Darstein:
Matthes KOCH l fl, 6 Batzen, Veyox NICKS 12 Batzen, 8 Pfennige und Theobald
SCHAAF.
In Schlettenbach:
Hanß Christmann DAUSMANN 6 fl, 14 Batzen, 4 Pfennige, Hanß Matthes STOLL,
gestorben, sein Gut liegt noch unbebaut, Thomas LADENBERGER 2 fl, 4 Batzen,
4 Pfennige und Hanß STOFFEL 2 Batzen. Hans DERST dagegen war gestorben und
seine Güter waren noch unbebaut. Von Velten KELLER wird berichtet, daß er nach
Busenberg gezogen sei.
Das Amt Lindelbrunn lieferte 1651 wieder 22 Fastnachtshühner. Doch wurden noch
keine Hammel und Schafe gehalten. Auch die früher so einträgliche Schanksteuer
brachte keine Einnahmen. Da noch kein Wirt da war, konnte auch kein Ungeld
erhoben werden. In der folgenden Zeit wurden immer wieder 14 Männer zu
Fronarbeiten (Holzfällen, Korndreschen, Jagdrevier einzäunen usw.) herangezogen.
Daraus ist zu folgern, daß damals nicht mehr volljährige Männer lebten.
Im Rechnungsjahr 1651/52 wurde kein Gericht gehalten. Es gab noch keine
Viehzucht und keine Schäferei. Die Gesamteinnahmen aus dem Amt erbrachten nur
32 Gulden. 7 Batzen, 9 Pfennige. Acht Jahre vorher waren sie fast 15mal so hoch.
Als ständige Beed wurden 5 Malter Korn geliefert. Aus der herrschaftlichen Rodt zu
Vorderweidenthal wurden nach dem Ausdreschen 14 Malter Korn gewonnen. Auch
hier existierte noch kein Wirt, so daß auch kein Ungeld erhoben werden konnte.
Die Erbbestandsmühle in Vorderweidenthal (heute: Wagner) wurde wieder
instandgesetzt. Der Ziegler aus Pleisweiler deckte sie mit gebrauchten Ziegeln, die
zusammengesucht werden mussten. Außerdem waren ein lothringischer Steinmetz,
222
ein Zimmermann und der Schindeldecker Jacob SEYLER aus Birkenhördt tätig. Es
wurden Kalk und 900 Lattnägel verbraucht. Der Mühlenzins betrug nur 3 Malter,
„weil die Gemeinsleute gar noch wenig haben“.
Ausweislich der Rechnungen von Martini 1656 bis Weihnachten 1657 begann sich
das Leben allmählich wieder zu normalisieren. Das Amt Lindelbrunn besaß wieder
ein Gericht. Hanß ACKER, der 1608 Bürger geworden war, wurde zum
Schultheißen ernannt. Der Graf hatte ihm in Vorderweidenthal einen Hausplatz für
3 Gulden verkauft. Theboldt VEIOX betrieb wieder eine Gastwirtschaft und zahlte
l Gulden, 7 Batzen, 8 Pfennige Ungeld. An rückständiger Beed wurde an Bartholomä
(24. August) 1656 13 Gulden, 6 Batzen und Bartholomä 1657 jeweils 7 Gulden, 4
Batzen, 12 Pfennige einbezahlt. Weiter wurden eingenommen (jeweils zum Ziel und
an Bartholomä): Schätzung jeweils 36 Gulden, 12 Batzen, 6 Pfennige, Leibbeth
jeweils l Gulden, 7 Batzen, 8 Pfennige. Reißgeld 9 Gulden.
Auch die Sägmühle in Vorderweidenthal (unweit der heutigen Kreuzung mit der B
427) war wieder in Betrieb. Zu ihr wurden für 5 Gulden Bäume gebracht. Und
nebenbei erfährt man, daß Deboldt STEEGER (STEIGNER) einen Ochsen für 12
Gulden erkauft hat.
Huldigungen und die Bevölkerungsentwicklung
Als Glücksfall kann es bezeichnet werden, dass im Jahr 1631 eine Huldigung
erfolgte und die Huldigungsliste erhalten blieb. Graf Johann von LEININGEN und
DAGSBURG war nämlich im März 1625 verstorben. Sein Sohn Emich (VII.), am
12. Juni 1612 geboren, war zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig. Er heiratete am
24. Mai 1632 Christina, Gräfin von SOLMS und starb bereits am 29. November
1638. Nach dem Ende der Vormundschaft übernahm er die Regierungsgeschäfte und
ließ sich huldigen. Diese Huldigung fand in der Schultheißerei Lindelbrunn am 23.
März 1631 statt. Das Verzeichnis der Unterthanen, so gehuldigt zu Falckenburg im
Saal, Mittwoch, den 23. Marty ao 1631 weist nachstehende Namen auf:
Weidenthal:
Peter BECHTOLD der Schultheis, Hans DERST, der Hoffmann zu Lindelborn,
Pirman GERBER, Geörg FISCHBACH, Erhardt FAUTH (Gastwirt), Hans Jacob
VEIOX, Hans ACKER (1656 bis 1661 Schultheiß ) und Lorentz BAUER.
Eine Nota vermerkt: „Leonhardt STOLL (Strohschneider) ist dißmals nicht
anweßendt. Seind nacher Dirngem (Dürkheim) von der Herrschafft verschickt.“ Als
weitere Einwohner werden genannt:
Debald VEIOX (ab 1656 Wirt), Hans SCHÖN, PIRMANNS Jack, Adam Georg,
Peter FAUTH, Wendel BÜLER (Maurer, Steinmetz), Mathes GERBER (Büttel),
Hans KELER (Gastwirt), Hans DAUSSMAN, Velten FAUTH und Andres RIEDT
(Endreß AMMORIT, Maurer, Steinmetz).
223
Oberschlettenbach:
Hier werden genannt:
Hans CHRISTMANN, Hans Christmann DAUSMAN (ab Mitte 1661 Schultheiß ),
Anstatt DAUSMAN, Jacob KUSEL, Matthes STOLL, Johannes SCHEYDGEN
(Gastwirt), Barthol STOFFEL, Thoman LADENBERGER und Niclaus THOMAN.
In Darstein huldigten:
Niclaus SCHAFF, Adam STOFFEL, Hans FUNCK der Jung, Matthes KOCH
(stammte aus Vorderweidenthal), Hans FUNCK der Alt und Rupert LANG.
Aus Dimbach werden genannt:
Hans BECKER der Alt, Leonhard KLEIN (hat 1633 nach Wernersberg geheiratet),
Veiox BAWMAN, Adam FUNCK, Hans FÖLCKER, Thomas HEFFT, Hans
BEKKER der Jung (Strohschnitter, Dachdecker) und Anthes STOFFEL.
In den folgenden Jahrzehnten fanden immer wieder Huldigungen statt, doch sind den
Akten keine Huldigungslisten beigefügt, so daß daraus auf die weitere
Bevölkerungsentwicklung nicht geschlossen werden kann.
92 Jahre nach dem Großen Krieg weist die „Specification derer Unterthanen der
Schultheißerey Lindelbrunn’’ bei der am 27. Juni 1740 in Vorderweidenthal
durchgeführten Huldigung für die Schultheißerei 93 Personen auf. Ungewöhnlich ist
dabei die Tatsache, daß auch Hintersassen und Juden aufgezählt wurden.
Verzeichnet waren: Für Vorderweidenthal 42 Bürger, 8 Hintersassen und 3 Juden,
für Oberschlettenbach 14 Bürger und 4 Hintersassen, für Darstein 7 Bürger und für
Dimbach 10 Bürger und 5 Hintersassen. Das Verhältnis von Bürgern und
Hintersassen in den einzelnen Dörfern lässt Rückschlüsse auf die Wirtschaftskraft
der Gemeinden und ihrer Bürger zu. Bezeichnend ist, daß sich die meisten
Hintersassen aus Schweizer Einwanderern bzw. ihren Nachkommen rekrutierten.
Doch noch einmal zurück zur Aufbauzeit nach dem 30jährigen Krieg. Die Beed- und
Gefälleverzeichnisse weisen immer die gleichen Namen auf wie die Listen für die
Fronarbeiten. Die Auswertung der untersuchten Belege und des l. lutherischen
Kirchenbuches zeigt, daß die schweizerische Einwanderung in das Amt Lindelbrunn
erst kurz vor 1700 einsetzt und ihren Höhepunkt in den ersten Jahrzehnten des 18.
Jahrhunderts erreicht. Die Familiennamen, die vor 1670 genannt werden, sind
„bodenständig“. Sie kommen auch schon vor dem Großen Krieg vor. Es sind Namen,
die auch heute noch dort verbreitet sind, wie ACKER, BECKER, CHRISTMANN.
DAUSSMANN, FUNK, HEFT, KOCH, LADENBERGER, STÖBENER,
STOFFEL und VEIOCK.
224
Lindelbrunn und ein alter Schlettenbacher Name
Jannpeter Zopfs
1966 war der damals circa 11.000 Gulden teure Neubau der Kirche in
Vorderweidenthal 100 Jahre alt. Zum 100-jährigen Jubiläum verfasste der damalige
Pfarrer Karl Jakob Jockers eine kleine Festschrift, in der er gleich zu Anfang den
Namen Stoffel erwähnt, „eine Familie Stoffel aus der Steiermark“. Dass diese
Familie tatsächlich aus der Steiermark eingewandert war, erscheint fraglich nach
dem Aufsatz des Heimatforschers Heinz R.Wittner, auf den unten noch näher
eingegangen wird. Jedenfalls hatte man beim Herausnehmen des alten
Kirchenbodens im Frühjahr 1965 eine Große Grabplatte von 1807 gefunden. Sie ist
heute in die Begrenzungsmauer links vom Kircheneingang eingefügt und soll das
Andenken an Johann Adam Stoffel, Oberförster und der erste Maire in der
Franzosenzeit bewahren. Dazu schrieb Jockers:
„Die Inschrift erinnert nicht nur an einen Verstorbenen, sondern erzählt noch
mehr. Johann Adam Stoffel gehört in jene Sippe namens Stoffel, die nach dem
30-jährigen Krieg die Steiermark des Glaubens wegen verlassen musste und
sich hier niederließ. J. A. Stoffel war Oberförster der Herrschaft Lindelbrunn
und hatte seinen Dienstsitz in Oberschlettenbach. Gleichzeitig war er
Bürgermeister. ...“
Bereits sein Vater Georg Stoffel war dort Förster und Schultheiß, also
Bürgermeister. Das beweist ein altes Pergament aus der Zeit der Leininger, das 1986
als Geschenk des Juristen und Urkundensammlers Dr. Kirchner nach
Oberschlettenbach zurückkehrte. Wie es dazu gekommen war wird beschrieben in
einem Artikel, der am 10. September 1986 im „Südpfalzkurier“ und etwas gekürzt
am 5. September 1986 auch in der „Rheinpfalz“ erschienen ist. Er lautet (noch
stärker auf das hier Wesentliche) gekürzt:
„Dr. Kirchner wird der Gemeinde ein wertvolles Geschenk übergeben, das
Lindelbrunn ebenso wie Oberschlettenbach betrifft. Dr. Kirchner hat die
Große Fachbibliothek des Bundesgerichtshofs aufgebaut. ... Besonders zog es
ihn immer zur Geschichte, zur allgemeinen und zur Rechtsgeschichte. Der
Fürst von Leiningen, dessen Vorväter als Grafen die Herren zu Lindelbrunn
waren, wurde 1848 der erste Präsident der Nationalversammlung in Frankfurt,
so weiß Dr. Kirchner zu berichten. ... 1770 hatten die Leiniger eine
Verwaltungsreform eingeführt. Sie setzten den Schultheiß von
Oberschlettenbach über alle vier Lindelbrunn-Dörfer. 1775 vergab Carl
Friedrich Wilhelm, regierender Graf zu Leiningen ... sein Hofgut ... und was
noch dazu gehörte gegen „l00 Gulden ständigen Erbzins in Frankfurter
Währung“ in feierlicher Urkunde und schwer verständlichem damaligen
225
Kanzleideutsch an zwei Bürger aus Oberschlettenbach, an den Schultheiß
Georg Stoffel und an Thomas Vejock. ... Und eben diese Urkunde vom „11.
Januarii Eintausend Siebenhundert Siebenzig Fünf schenkte der
Urkundensammler Dr. Kirchner jetzt der Ortsgemeinde Oberschlettenbach. So
ist sie wieder dorthin gekommen, wohin sie gehört. Sie soll im schlichten
Rahmen unter Glas in der von Bürgern der Gemeinde erbauten
Lindelbrunnhalle zu besichtigen sein. ...“
Dort also hängt seitdem eine Kopie der Urkunde, das Original kam ins Archiv. Es
lohnt sich, sie genau zu lesen. Dann erfährt man, dass die Übertragung im Jahr 1775
nur eine Fortsetzung war. Im genauen Wortlaut heißt es nämlich (Unterstreichungen
jetzt hinzugerügt):
Wir Carl Friedrich Wilhelm, regierender Grav zu Leinigen ... Urkunden und
bekennen hiermit für Uns, Unsere Erben und Nachkommen: Dass wir nach
Ableben unseres Herrn Vettern Graven Friedrich Theodor Ludwig zu
Leiningen ... auf unterthänigstes Ansuchen Georg Stoffels, Schultheißen und
Försters zu Schlettenbach, und Thomas Vejock in einen fernerweiten
Erbbestand übergeben haben, übergeben auch in Kraft dieses Briefes, das in
der Schultheißerey Lindelbrunn belegene und gleichen Nahmen führende
Hofgut, samt darauf erbauten Wohnungen, Scheuer und Stallungen mit allen
seinen Zugehörden, Rechten und Gerechtigkeiten, Privilegiis und Freiheyten,
wie solches bis anhero besessen worden, ihnen Erbbeständern Georg Stoffel
und Thomas Vejock, deren ehelichen Leibeserben und Nachkommen also und
dergestalten in einem Erbbestand, dass ...
Es folgen als Nr. l bis 12 umständliche Beschreibungen von Rechten, Pflichten und
Vorbehalten. Die Größe des Hofgutes ist unter Nr. 2 angegeben mit „Ein Hundert
Zehn Morgen ein Quart Ruth an Äckern, Neun Zehn Morgen Ein Viertel Ein Quart
Ruth an Wiesen und Sieben Morgen Drey Viertel Zwanzig Zwei und eine Quart
Ruth an Gärten, die Ruthe zu Sechzehn Schuhen und den Schuh zu Zwölf Zoll
Rheinisch, also der Morgen zu Ein Hundert Zwanzig Acht Ruthen“. Wald ist nicht
verpachtet, im Wald sind nur bestimmte Nutzungen erlaubt wie Schweinehaltung,
Brennholzsammeln, unter besonderen Voraussetzungen auch Bauholzschlagen.
Aus den Unterstreichungen im Eingangssatz wird deutlich, dass das Hofgut schon
vorher vom „Herrn Vetter“ Friedrich Theodor Ludwig vor dessen „Ableben“ wohl
denselben Berechtigten als Erbbeständern, also in Erbpacht, gegeben war. Das
bestätigen auch Prozessakten im Archiv in Speyer (H 3 Nr. 453 I und II), auf die
unten ebenfalls noch näher eingegangen werden muss. Danach hatte der Leininger
Graf bereits 1756 eine solche Erbbestandsverleihungsurkunde ausgestellt und diese
1768 erneuert. Die Erneuerung 1768 wird auch in der Urkunde von 1775 unter Nr.
2 noch vor der Größenangabe bestätigt.
226
Der Aufsatz von Heinz R. Wittner, über „das Amt Lindelbrunn und der 30-jährige
Krieg“, der dankenswerterweise in dieser Festschrift abgedruckt werden durfte,
belegt unter der Zwischenüberschrift „Der Lindelbrunner Hof“, dass dieser Hof
jedenfalls schon ab 1619 verpachtet war, und dass 1656 nach Kriegszerstörung und
Wiederaufbau erneut ein Hofmann eingesetzt wurde. Weiter zeigt dieser Aufsatz,
dass die „Sippe Stoffel“ nicht erst nach dem 30-jährigen Krieg aus der Steiermark
eingewandert ist, wie es noch in der Jockers-Festschrift heißt. Heinz R. Wittner hat
in dem ihm damals zugänglichen „Fürstlich Leiningischen Archiv in Amorbach“
eine Huldigungsliste vom 23. März 1631 gefunden. Darin sind genannt als Bürger
von Oberschlettenbach Barthel Stoffel, von Darstein Adam Stoffel und von Dimbach
Anthes Stoffel. In Rechnungsunterlagen für 1650/51 werden dann in
Vorderweidenthal Barthel Stoffel und in Schlettenbach Hanß Stoffel genannt.
Weiter beweisen diese Belege und das erste lutherische Kirchbuch zufolge der
Auswertung durch Wittner, dass die Einwanderungen nach dem Krieg erst kurz vor
1700 einsetzten.
Demgemäß sind der Name und die Sippe Stoffel „bodenständig“, wie Wittner
schreibt, in allen Lindelbrunn-Dörfern. Besonders zahlreich war die Sippe Stoffel in
Oberschlettenbach. 1913 z.B. haben das Gesuch um die Verlegung der
Posthilfsstelle in den Ort Oberschlettenbach 10 Bürger von 42 und ein
Gemeinderatsmitglied von sechs mit dem Namen Stoffel unterschrieben. Auch 1986
lebten in Oberschlettenbach noch viele aus der „Sippe Stoffel“, unter ihnen der
Altbürgemeister Ferdinand Stoffel und dessen Großneffe, Jürgen, der 1999 ebenfalls
Bürgermeister wurde. Heute (im Jahr 2013) tragen hier nur noch der frühere
„Rödelstein“-Gastwirt Manfred Stoffel und seine aus Vorderweidenthal stammende
Frau Emma seit ihrer Geburt diesen Namen und seit ihrer Eheschließung deren
Schwägerinnen Erika und Helga. Für Vorderweidenthal ist er im Telefonbuch bei
fünf Anschlüssen vermerkt. Ob und wenn ja in welchem nachweisbaren
Verwandtschaftsgrad die heutigen Familien Stoffel zu denen aus der Zeit von 1775
bis 1825 oder gar aus der Zeit des 30-jährigen Krieges stehen, mögen Ahnenforscher
zu Klären versuchen. Hier soll nur die für Lindelbrunn und diesen Namen besondere
Zeit nach 1775 beschrieben werden.
In diese Zeit gehören auch Friedrich Stoffel und sein Bruder Ludwig. Sicherlich
waren sie mit Georg und Johann Adam verwandt. In seinem Gesuch vom 14. Juni
1816 bezeichnet Friedrich Stoffel sich als „Gutsbesitzer und Bürgermeister“. Der
Förster Ludwig Stoffel wird 1822 im Strafverfahren gegen Jakob Helfer wegen
Meuchelmordes als dessen Dienstherr genannt. Darum liegt nahe, dass auch sie als
Erbpächter und Enkel von Georg Stoffel am Hofgut Lindelbrunn beteiligt gewesen
sind.
1816 gehörte die Südpfalz zu Bayern. Das, was früher Eigentum der Leininger
gewesen war, wurde nun Domäne des bayerischen Staates. Die vergangene
Franzosenzeit wirkte aber noch nach. Am 21. Februar 1809 hatten Friedrich und
Ludwig Stoffel in den Gemeinden Oberschlettenbach und Vorderweidenthal
227
insgesamt acht Weiher und Wiesenstücke gekauft. Als Verkäuferin trat auf eine
französische „Compagnie de la Moy“ oder vielleicht auch die französische
Ehrenlegion. Jedenfalls gehörten diese Weiher- und Wiesenstücke der Verkäuferin
in Wahrheit nicht. Sie hatte diese widerrechtlich in Besitz. Darum wurden sie 1813
noch zu Napoleons Zeiten vom französischen Präfekten wieder zu Eigentum des
Staates erklärt. Als nun Bayern Eigentümer geworden war, wollten die Brüder
Friedrich und Ludwig Stoffel die Bestätigung des Kaufkontraktes aus 1809
erreichen. Anscheinend hatten sie die Weiher und Wiesen seit 1809 in Besitz und
Bewirtschaftung. Die Domänenverwaltung ermittelte ausgiebig und lange. Sie stellte
dabei fest, dass der 1809 vereinbarte Kaufpreis noch nicht gezahlt war, dass aber die
Brüder Stoffel die Verkäuferin guten Glaubens für berechtigt gehalten hatten. Darum
genehmigte der König damals noch Maximilian I Josef, der aus der Zweibrücker
Dynastie stammte mit Order vom l. September 1819 diesen Kauf aus 1809, jedoch
nur gegen Zahlung eines Schätzpreises von 754 Gulden nebst Zinsen seit 1809 und
Schätzkosten. Letzten Endes haben die Gebrüder Stoffel bzw. deren Erben, Friedrich
war inzwischen verstorben, die beträchtliche Summe von 1.174 Gulden 16 Kreuzer
und l Pfennig für die Sumpfwiesen zahlen müssen. Daran sieht man, dass die Familie
Stoffel um diese Zeit reich, also bedeutend war. Sie konnte mehr als das fünffache
Lehrergehalt für die Sumpfwiesen auf den Tisch legen. Der Lehrer Herberth in
Oberschlettenbach hatte 1844 ein Jahreseinkommen von 200 Gulden einschließlich
freie Wohnung und Nutzung von Äckern, Wiesen und Garten, der Lehrer und
Gründer des Männergesangvereins Gehrmann im Jahr 1862 450 Gulden insgesamt.
In der Akte H 3 Nr. 2801 (30 Blätter) sind im Landesarchiv das Gesuch, die
Domänen-Ermittlungen und Schließlich die königliche Order zu finden, vom König
selbst unterschrieben.
Anders und nicht so gut ging es für die Stoffel-Erben aus, als sie mit dem bayerischen
Staat um den so genannten Jungenwald (oder Junkerwald) in Streit gerieten. Dieser
Streit ist in den oben bereits erwähnten Prozessakten (Landesarchiv H 3 Nr. 45301
und II) dokumentiert. Dabei handelt es sich nicht um die Gerichtsakten des
Landgerichts Landau, die wahrscheinlich durch Kriegseinwirkung verloren sind.
Vielmehr sind es die (Hand-)Akten der bayerischen Verwaltung, die den Prozess
und seine Folgen betreffen.
Das seit 1756 von der Sippe Stoffel aus Oberschlettenbach gepachtete und
bewirtschaftete Hofgut Lindelbrunn war so ertragreich, dass die beiden Pächter mit
ihren Familien davon gut leben konnten, obwohl sie jährlich 100 Gulden Erbpacht
zu zahlen hatten. Zwar musste der Mitpächter Thomas Vejock Ende 1779 seine
Pachthälfte „schuldenhalber“ (so steht es in den Prozessakten) veräußern. Sie wurde
von Johann Adam Stoffel, dem Sohn des Mitpächters Georg erworben.
Offensichtlich hatte Georg mit seiner Familie besser gewirtschaftet. Denn sein Sohn
Johann Adam Stoffel konnte
228
Königliche Order vom l. September 1819, unterschrieben von Max Joseph
229
für den Erwerb des 1/2 Erbbestandsrechts am Hofgut Lindelbrunn einen
„Kaufschilling“ in Höhe von 3.100 Gulden zahlen. Das ist ein gewaltiger Betrag,
wenn in Rechnung gestellt wird, dass der spätere Kirchenneubau in
Vorderweidenthal im Jahr 1866 circa 11.000 Gulden kostete. Der Leininger Graf
bewilligte mit dem Datum 9. Februar 1780 dem Käufer eine neue
Erbbestandsurkunde, wonach für diese Hälfte die gleichen Bedingungen und Rechte
galten wie in der Urkunde vom Januar 1775 beschrieben. Die andere Hälfte, schon
immer im Besitz von Georg Stoffel, trat dieser ebenfalls mit „oberherrlicher
Genehmigung“ im Jahre 1785 an seinen anderen Sohn Konrad ab. Weil Konrad
seinem Vater auch im Amt des Schultheißen nachfolgte, ist anzunehmen, dass er der
ältere war. Bereits sechs Jahre später 1791 starb Konrad Stoffel „mit Zurücklassung
einer hülflosen Witwe und vier armen Waisen“, wie seine Erben es im Dezember
1830 in einem Gnadengesuch ausdrückten. Darin schrieben sie auch, dass Johann
Adam, der „Oheim“, nun Vormund der Waisen war, da die Witwe „sich kurz darauf
wieder verehelichte“. Demgemäß bewirtschaftete er bis zu seinem Tod 1807 das
Hofgut allein „nach seinem Gutdünken“ (so das Gnadengesuch der Erben des
Konrad Stoffel im Dezember 1830).
Zum Hofgut gehörte schon seit 1782 auch ein Teil des „jungen Waldes“ oder
„Junkerwaldes“, der an das Pachtland direkt angrenzte und heute den Forstnamen
„Jungerwald“ trägt. Auf den Wanderkarten des Pfälzerwald-Vereins heißt er
„Lungenwald“. Die ursprüngliche Größe dieses Waldgebietes ließ sich im späteren
Prozess nicht feststellen aus Mangel an vollständiger Beschreibung. Eine
Vermessung im Jahr 1816 ergab für dieses Jahr 69 Morgen 118 1/4 Ruthen, wovon
aber 8 Morgen 112 1/2 Ruthen in Ackerfeld umgeschaffen waren. Auf das auch im
Namen seines Sohnes Johann Adam gestellte Gesuch des Vaters Georg Stoffel hatte
der Leininger Graf bestimmt, „dass das von den Erbbeständern nachgesuchte Stück
Wald von uhngefähr 15 Morgen ... richtig dargemessen, das darauf stehende Gehölze
versilbert und solchenes Feld ... erbbestandsweise überlassen werden soll“.
Nach der vom Leininger Forstmeister Eberstein und Georg Stoffel gemeinschaftlich
aufgestellten Berechnung handelte es sich Schließlich um eine Fläche von 15 ½
Morgen, 13 Ruthen, 9 Schuh und 9 Zoll (= rund 15 Morgen 77 Ruthen), auf der 501
Buchen und 32 Eichen gefällt wurden. Zwei Jahre später wurde den Erbpächtern Ein
weiter angrenzendes Waldstück „von 9 Morgen 41 Ruthen exclusiv des zur
Viehtrifft bestimmten Theiles“ zum gleichen Pachtbetrag pro Morgen wie 1782
überlassen. Demgemäß bewirtschafteten die Erbpächter des Hofgutes ab 1785
zusätzlich zum Hofgut insgesamt 24 Morgen 118 Ruthen vom jungen Wald, für die
an Erbpacht jährlich 6 Gulden 14 Kreuzer zu zahlen waren. Darüber wurde endlich
am 23. Januar 1788 eine gräfliche Erbverleihungsurkunde in Dürkheim ausgefertigt.
So blieb es bis zum Einmarsch der französischen Truppen nach dem Ausbruch der
Revolution. Diese Besetzung zwang den Leininger Grafen und seine Beamten unter
Mitnahme aller Urkunden zur Flucht auf die rechte Rheinseite.
230
Die nunmehr französische Verwaltung hatte für die Einkünfte der vorherigen
Landesherren aus deren Grundeigentum also keine Unterlagen. Sie ordnete an, dass
alle Besitzer und Schuldner von landesherrlichen Eigentum innerhalb bestimmter
Fristen alle dafür maß geblichen Berechtigungsdokumente vorzeigen mussten. In
einem im Jahr 1798 angelegten Verzeichnis der französischen
Domänenadministration in Edenkoben ist zwar in französischer Sprache die Rede
von den Erbpachtschuldnern „Jean Adam u. Conrad Stoffel d’Oberschlettenbach“
und von dem Urkundsdatum vom 23. Januar 1788. Notizen oder Belege für die
Anforderung oder Bezahlung der Jungenwald-Erbpacht sind aber nirgends zu
finden, auch nicht in der 1809 für den Kanton Annweiler gesondert gebildeten
„Domaine Rezeptur“.
Für das französische Verzeichnis in Edenkoben ist nicht eine Originalurkunde,
sondern eine von einem französischen Notar namens Daguesant gefertigte Abschrift
der letzten Erbverleihungsurkunde vom 23. Januar 1788 vorgelegt worden. Diese
Abschrift stimmt aber weder in der Höhe des 1782 ausbedungenen Erbzinses noch
in der überlassenen Anzahl an Morgen Waldgebiet überein mit der Originalurkunde
vom 23. Januar 1788. Statt der Zahl von ursprünglich 15 Morgen 77 Ruthen heißt es
115 Morgen 77 Ruthen, statt der Gesamtzahl von 24 Morgen 118 Ruthen heißt es
124 Morgen 118 Ruthen. Statt des Pachtbetrages von 15 Kreuzer sind 5 Kreuzer pro
Morgen genannt. Dabei fällt besonders ins Auge, dass der gesamte Jungenwald
jedenfalls 1816 nur mit knapp 70 Morgen vermessen wurde, während die
Notarabschrift von einem abgemessenen (!) Waldstück von 115 Morgen handelte.
Wer die danach naheliegende Fälschung, die auch nach der Art der Zahlen in der
Daguesant-Abschrift eher in Frage kommt als ein falsches Abschreiben (es ist
einfach eine eins bei den 15 Morgen bzw. 24 Morgen davorgesetzt und bei den 15
Kreuzer weggelassen) zu verantworten hat, blieb wohl ungeklärt. Der Beamte der
bayerischen Domänenverwaltung in Speyer, der all dies aufzudecken bemüht war,
hat in die Prozessakte eine „Vortrag“ genannte Argumentation von 50 eng
beschriebenen Seiten eingebracht. Wie es dazu gekommen ist, dass die französische
Verwaltung anscheinend die Erbpachtzahlungen nicht einforderte, dass stattdessen
sogar die Erben Stoffel am Ende der Franzosenzeit den gesamten Jungenwald als ihr
Eigentum ansahen und dass er als solcher auch im Sektionsregister und in der
Mutterrolle (das Grundbuch gab es damals noch nicht) ausgewiesen war, ist
ungeklärt. Dabei hätte spätestens im Todesjahr 1807 des Johann Adam Stoffel
Anlass genug bestanden, die Rechtsverhältnisse zu klären. In diesem Jahr wurden
nämlich nicht nur die Urkunden über die Erbpachtvereinbarungen aus den Jahren
1756, 1768, 1775 und 1780 im Archiv aufgefunden, sondern auch das Concept der
Urkunde vom 23. Januar 1788, von der doch der französische Notar seine Abschrift
hergestellt haben sollte. Und ein Jahr später hat der Schwiegersohn von Johann
Adam die „Ablösung“ der Hälfte des Erbgutes „bewirkt“, wie es in dem 50-Seiten-
Bericht heißt. Damit waren die Johann Adam-Erben seit 1808 Eigentümer von einer
Hälfte des Hofgutes Lindelbrunn.
231
Im März 1815 beschwerten die Stoffel-Erben sich bei der kgl. bayerischen
Landesadministration, sie würden durch die Forstbehörde in ihrem Besitz des
Jungenwaldes gestört. Das Ergebnis der daraufhin angeordneten „mit Gründlichkeit
und Aufmerksamkeit“ durchzuführenden Untersuchung verblüfft den Leser: Der für
die Störungen verantwortliche Informant der Forstbehörde sei „höchst
unzuverlässig“, der Anspruch der Familie Stoffel auf „das fragliche Waldstück“
stehe „außer allem Zweifel“. Daraufhin wurde angeordnet, die Größe des
Jungenwaldes genau auszumessen. Diese Messung ergab 1816, wie oben bereits
erwähnt, eine Größe von 69 Morgen 118 ¼ Ruthen. Der doch bei einem Vergleich
mit den 115 bzw. 124 Morgen in der Notar-Abschrift auffällige Fehlbestand wurde
mit ungenauer früherer Messung abgetan. Das Oberforstamt sollte nun die Lokal-
Forstämter anweisen, „dass sie die Erbbeständer in ihrem Besitz nicht kränken
sollen“.
Dennoch gingen seit 1817 immer wieder „verschiedene Anzeigen“ ein, welche
vermuten ließen, „dass der Beschluss der Landesadministration nicht auf voller
Kenntniß der wahren und eigentlichen Verhältnisse ... gefasst worden sein möge“.
Deshalb begann der Beamte in Speyer mit seinen Untersuchungen über die „
Usurpation“ des Jungenwaldes. Am 22. Januar 1822 legte er der „königlichen
Regierung des Rhein-Kreises, Kammer der Finanzen in Speyer“ seinen 50-Seiten-
Vortrag vor mit der Empfehlung, Klage zu erheben. Schon am 11. August 1824
wurden die Erben Stoffel durch das Bezirksgericht Landau verurteilt, dem
königlichen Aerar den Jungen- oder Junkerwald abzutreten und die Nutzungen von
1798 bis 1824 zu ersetzen. Dieser volle Erfolg setzte die Forstbehörde in Landau in
Erstaunen. Sie schrieb am gleichen Tage nach Speyer:
„Man sollte fast glauben, in das königliche Bezirksgericht dahier
sey ein anderer guter Geist gefahren, denn seit einiger Zeit werden
alle bey ihm anhängigen Fiskal-Prozesse gewonnen und so hat
dasselbe unterm heutigen ... den Hauptantrag der Klägerin
zugestanden.“
Das von den Erben Stoffel eingelegte Rechtsmittel half ihnen nicht. Das Urteil des
Bezirksgerichts Landau wurde in Zweibrücken in der Appellationsinstanz am 23.
März 1829 bestätigt. Eineinhalb Jahre später, am 24. August 1830, setzte das
Bezirksgericht die Nutzungsentschädigung nach gutachterlicher Schätzung durch
die Bürgermeister Petermann von Mörzheim, Ludwig Hofmann von Wollmesheim
und Hofmann von Klingenmünster auf 1.433 Gulden und 15 Kreuzer fest.
Ein erstes Gnadengesuch „an die hochlöbliche hohe Regierung des königlich
bayerischen Rhein-Kreiß es zu Speyer“ vom 5. November 1829 also noch vor dem
Urteil zur Höhe der Nutzungsentschädigung hatte keinen Erfolg. Es war verfasst von
dem schon 1808 bei der Ablösung aufgetretenen Tochtermann, also Schwiegersohn
des Johann Adam Stoffel. Dieser berief sich auf eine Leininger Schenkung: „Der
232
gerechte und mildthätige Fürst“ habe dem Oberschultheiß Johann Adam Stoffel den
Wald versprochen, als dieser „bei Eindrang der Franzosen in unsere damals
friedlichen deutschen Lande“ die in seinem Besitz befindlichen „herrschaftlichen
Gelder durch schnelle Ablieferung“ gerettet habe. Er sei nach Dürkheim und dann
nach Mannheim nachgeeilt, so dass er „wegen Sperrung des Rheinübergangs
unmöglich zurückkehren konnte noch durfte; so musste er fast ein ganzes Jahr in
Mannheim bey theurer Zehrung verweilen, während ihm zu Hauße als einem
ausgewanderten fürstlichen Beamten alles geraubt und ruiniert wurde. ...
Unterthänigst bitten daher sämtliche Stoffel’schen Erben und in ihrem Namen
gehorsamster Bittsteller, ihnen jenes Versehen und ihren Missgriff hinsichtlich des
übereilten Prozeßes nicht als vorsätzlich böse Handlung anzuschuldigen oder das
bisher gehabte hohe Vertrauen zu entziehen, sondern vielmehl- die ganze Sache als
eine Verleitung von eigennützigen Rathgebern, wie es auch wirklich der Fall ist und
Unkenntniß der wahren Lage der Sachen von unserer Seite Gütigst aufnehmen zu
wollen; endlich die durch eine verordnete Expertise allenfalls zuerkannt werden
mögende Entschädigung für mehrjährigen, jedoch unbedeutenden Genuss um so
eher gnädigst zu erlassen belieben, da gerade der jetzige schöne Bestand des Waldes
von der besonderen Sorgfalt unseres Erblassers herrührt, welcher in den langen
Kriegszeiten dessen Erhaltung durch manche Opfer theuer erkaufte“.
Ebenso wenig Erfolg hatte das direkt an den König gerichtete, acht Seiten lange
Gnadengesuch vom 18. Dezember 1830. Darin traten allein die Erben von Konrad
Stoffel als Bittsteller auf. Sie legten ausführlich mit verschiedenen Unterlagen dar,
die gesamte Verantwortung für die Fälschung und deren Gebrauch treffe den Johann
Adam Stoffel, den Bruder von Konrad. Am 31. Dezember 1830 wurde die Regierung
in Speyer aufgefordert, den Bittstellern deren Unterlagen zurückzugeben und die
Abweisung zu eröffnen.
Aus den Prozessakten der königlich bayerischen Verwaltung geht nicht hervor, ob
und von welchen Erben die Nutzungsentschädigung von 1.433 Gulden und 15
Kreuzer letztlich gezahlt worden ist und ob diese Summe womöglich noch verzinst
werden musste. Der Jungenwald jedenfalls ist noch heute im Eigentum der
öffentlichen Hand.
233
Unter französischer Fahne - Soldaten aus Darstein, Dimbach, Oberschlettenbach und Vorderweidenthal
Lothar Wagner
Am 14. Juli 1789 begann die französische Revolution. In der Folge verließen viele
Adlige und Royalisten Frankreich in Richtung Deutschland. Am 27. August 1791
trafen sich Kaiser Leopold II. und König Friedrich-Wilhelm II von Preußen auf
Schloss Pillnitz bei Dresden, um mit französischen Emigranten über ein
Verteidigungsbündnis zu beraten. Anfang des Jahres 1792 schlossen Österreich und
Preußen ein Militärbündnis zur Rettung der französischen Monarchie. Um dem
drohenden Einfall der alten Mächte zuvorzukommen, erzwang die französische
Nationalversammlung am 20. April vom König eine Kriegserklärung an Österreich.
Kriegerische Auseinandersetzungen ließen nicht lange auf sich warten. Nach der
Kanonade im lothringischen Valmy (20. September 1792), die Österreich und
Preußen verloren, rückten die französischen Revolutionstruppen auf das linke
Rheinufer vor. Es kam zu Schlachten bei Pirmasens, Kaiserslautern, Bundenthal und
Weißenburg. Die Franzosen konnten die Preußen und Österreicher Schließlich
zurückdrängen. Im Frieden von Lunéville 1801 musste das ganze linke Rheinufer an
Frankreich abgetreten werden. Das Land links des Rheins blieb über 20 Jahre unter
französischer Herrschaft; denn an die Zeit der Revolution schloss sich die Ära
Napoleon an, und die Revolutionskriege fanden ihre Fortsetzung in den
Napoleonischen Kriegen. Nach dem Frieden von Lunéville und dem
Reichsdeputationshauptschluss kam der größere Teil der Pfalz zum Departement
Donnersberg. Es umfasste 38 Kantone, darunter war auch der Kanton Annweiler. Zu
diesem gehörte die Mairie (Bürgermeisteramt) Oberschlettenbach mit den
Gemeinden Darstein, Dimbach und Vorderweidenthal.
Mit der endgültigen Abtretung der linksrheinischen Pfalz an Frankreich wurde die
französische Gesetzgebung und die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die
gesetzliche Grundlage für die Aushebung der Soldaten stellte das Wehrpflichtgesetz
vom 8. März 1800 dar. Nach dem Gesetz war jeder Männliche Franzose, der das 20.
Lebensjahr vollendet hatte, zum Wehrdienst auf die Dauer von 5 Jahren verpflichtet.
Ob er tatsächlich dienen musste, hing von der Höhe des Kontingents ab, das der
jeweilige Jahrgang stellen musste, soweit nicht eine Befreiung aus gesundheitlichen
oder sozialen Gründen erfolgte.
Das Aushebungsverfahren
Die Bürgermeister (für uns Maire Stoffel aus Oberschlettenbach) mussten für ihre
Gemeinde ein Verzeichnis der Konstkriptionspflichtigen anlegen. Der Unterpräfekt
(Sous-Préfet) mit Sitz in der Arrondissement-Hauptstadt Zweibrücken fertigte aus
den von den Bürgermeistern gefertigten Listen eine Liste an (Tableau des Conscrits)
für jeden Kanton. Es erfolgte die Benachrichtigung der Konskribierten durch
234
Aushang und Ausruf in den Kommunen und, sie mussten sich in Begleitung des
Bürgermeisters am Musterungsport einfinden.
Die Ziehung
Sobald die Listen abgeschlossen waren, begann der Unterpräfekt mit der Festsetzung
der Reihenfolge, in der die Konskribierten zum Militärdienst eingezogen werden
sollten. Im Beisein der Konskribierten, der Bürgermeister, des Offiziers der
Gendarmerie und des Rekrutierungsoffiziers wurden so viele Zettel, beginnend der
Nr. l. in eine Urne geworfen, wie Namen auf der Liste standen. Ein Konskribierter
nach dem anderen wurde dann aufgerufen, um einen Zettel zu ziehen. Der Name
eines jeden Konskribierten und seine persönlichen Daten wurden dann in eine neue
Liste entsprechend der Ziehung in Nummernfolge auf die Ziehliste (Liste du Tirage)
eingetragen.
Befreiung vom Militärdienst
Die jungen Männer konnten vom Militärdienst befreit werden:
wegen mangelnder Körpergröße, schlechtem Gesundheitszustand
und Gebrechen,
aus sozialen Gründen und
bei Stellung eines Ersatzmannes.
Die Kommission, die das Ziehen der Nummern überwachte, war auch zuständig für
die Tauglichkeitsprüfung. Sowohl die wegen mangelnder Körpergröße als auch
wegen Gebrechlichkeiten Befeiten mussten eine Entschädigung zahlen, deren Höhe
sich nach dem steuerlichen Aufkommen richtete. Sie lag zwischen 50 und 120
Franken.
Aus sozialen Gründen konnte ein Konskribierter vom Militärdienst befreit werden,
wenn
er verheiratet war,
er einen Bruder bei der Armee hatte,
ältester Sohn oder einziges Kind einer Witwe war,
Witwer mit Kindern war.
Die Befreiung aus Gründen des schlechten Gesundheitszustandes nahmen in Zeiten
der Bedrängnis ab 1808 ab.
Die Befreiungen aus sozialen Gründen wurden eingeschränkt, indem die zu
befreienden lediglich ans Ende der Liste gesetzt wurden. Das bedeutete jedoch keine
Sicherheit vor einer möglichen Einberufung, wenn die Zahl der Rekruten nicht mehr
ausreichte. 1813 wurden selbst Ehemänner und solche mit Körperfehlern zum
Kriegsdienst eingezogen.
235
Gestellung eines Ersatzmannes
Die allgemeine Wehrpflicht wurde aber oft untergraben. Reiche Leute konnten sich
„Remplacanten“, auch Ersatzmänner genannt, leisten, welche sie an der Stelle der
eigenen Kinder in den Krieg ziehen ließen.
Liste der Ausgemusterten von 1806, 1807 und 1811
Name Vorname Wohnort
1806 Acker Johannes Jakob Vorderweidenthal
Schütz Johannes Jakob Vorderweidenthal
Veiock Johannes Konrad Darstein
1807 Schütz Peter Vorderweidenthal
Uth Mathias Dimbach
Helser Georg Vorderweidenthal
Heiner Johannes Oberschlettenbach
Steidler Michael Dimbach
Helser Philipp Vorderweidenthal
1811 Fuhr Philipp Dimbach
Aushebungsliste 1811 (Konskribierte)
Becker, Johannes Jakob
geb.: 04.11.1791, Größe: 1,730 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Jakob Becker, Landwirt
Mutter: Elisabeth Becker geb. Puster
Funk, Georg
geb.: 16.01.1791, Größe: 1,690 m, Landwirt, Dimbach
Vater: Jakob Funk, Landwirt
Mutter: Margarete Funk geb. Heft
Rapp, Franz
geb.: 15.07.1791, Größe: 1,560 m, Schneider, Vorderweidenthal
Vater: Michael Rapp, Schneider
Mutter: Katharina Rapp geb. Gleichmann
236
Stoffel, Johannes Friedrich
geb.: 17.04.1791, Größe: 1,743 m, Landwirt, Darstein
Vater: Georg Stoffel, Landwirt
Mutter: Katharina Stoffel geb. Veyock
Stoffel, Philipp
geb.: 15.02.1791, Größe: 1.700 m, Landwirt, Oberschlettenbach
Vater: Konrad Stoffel, Landwirt
Mutter: Maria Elisabeth Stoffel geb. Mathil
Stöbener, Johannes Heinrich
geb.: 03.12.1791, Größe: 1,610 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Marx Stöbener, Landwirt
Mutter: Margarete Stöbener geb. Reuß
Fuhr, Philipp
geb.: 04.03.1790, Größe: 1,750 in, Dimbach
Vater: Christoph Fuhr, Metzger
Mutter: Katharina Fuhr geb. Reck
Bemerkung: untauglich
Acker, Georg Adam
geb.: 16.03.1790, Größe: l,790 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Jakob Acker, Leinenweber
Mutter: Anna Maria Acker geb. Walther
Blum, Gumber Nathan
geb.: 16.03.1790, Größe: l,720 m, Händler, Vorderweidenthal
Vater: Moses Blum, Kaufmann
Mutter: Bette Blum
Boeller, Johannes Konrad
geb.: 08.04.1790, Größe: 1.649 m, Landwirt, Darstein
Vater: Georg Boeller, Landwirt
Mutter: Maria Appolonia Boeller geb. Hartmann
Puster, Valentin
geb.: 28.08.1790, Größe: 1,620 m, Müller, Vorderweidenthal
Vater: Georg Puster, Bäcker
Mutter: Magdalena Puster geb. Zimmerle
237
Ziehliste von 1811
Zieh-Nr. 15
Acker, Georg Adam
geb.: 16.03.1790, Größe: l,790 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Jakob Acker, Leinenweber
Mutter: Anna Maria Acker geb. Walther
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 17
Boeller, Johannes Konrad
geb.: 08.04.1790, Größe: 1,649 m, Landwirt, Darstein
Vater: Georg Boeller, Landwirt
Mutter: Maria Appolonia Boeller geb. Hartmann
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 43
Heft, Johannes
geb.: 27.11.1791, Größe: 1,630 m, Tagelöhner, Dimbach
Vater: Michael Heft, Landwirt
Mutter: Magdalena Heft geb. Walther
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 74
Stoffel, Johannes Friedrich
geb.: 17.04.1791, Größe: 1,743 m, Landwirt, Darstein
Vater: Georg Stoffel, Landwirt
Mutter: Katharina Stoffel geb. Veyock
Tauglichkeit: untauglich
Zieh-Nr. 79
Puster, Valentin
geb.: 28.08.1790, Größe: 1,620 m, Müller, Vorderweidenthal
Vater: Georg Puster, Bäcker
Mutter: Magdalena Puster geb. Zimmerle
Tauglichkeit: tauglich
238
Zieh-Nr. 118
Blum, Gumber Nathan
geb.: 16.03.1790, Größe: l,720 m, Händler, Vorderweidenthal
Vater: Moses Blum, Kaufmann
Mutter: Bette Blum
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Im Gefängnis bis zum neuen Jahr
Zieh-Nr. 144
Stoffel, Philipp
geb.: 15.02.1791, Größe: 1,700 m, Landwirt, Oberschlettenbach
Vater: Konrad Stoffel, Landwirt
Mutter: Maria Elisabeth Stoffel geb. Mathil
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 148
Helfer, Balthasar
geb.: 28.08.1791, Größe: 1,720 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal
Vater: Georg Helfer, Landwirt
Mutter: Maria Katharina Helfer geb. Hoff
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 160
Rapp, Franz
geb.: 15.07.1791, Größe: 1,560 m, Schneider, Vorderweidenthal
Vater: Michael Rapp, Schneider
Mutter: Katharina Rapp geb. Gleichmann
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 161
Stöbener, Johannes Heinrich
geb.: 03.12.1791, Größe: 1,610 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Marx Stöbener, Landwirt
Mutter: Margarete Stöbener geb. Reuß
Bemerkungen: ans Ende der Liste
Zieh-Nr. 172
Funk, Georg
geb.: 16.01.1791, Größe: 1,690 m, Landwirt, Dimbach
Vater: Jakob Funk, Landwirt
Mutter: Margarete Funk geb. Heft
Tauglichkeit: tauglich
239
Zieh-Nr. 176
Becker, Johannes Jakob
geb.: 04.11.1791, Größe: l ,730 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Jakob Becker, Landwirt
Mutter: Elisabeth Becker geb. Puster
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: ans Ende der Liste
Ziehliste von 1812
Zieh-Nr. 20
Acker, Theobald
geb.: 28.08.1792, Größe: 1,495 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Michael Acker, Zimmermann
Mutter: Barbara Acker geb. Schütz
Bemerkungen: zurückgestellt bis 1813, geringe Körpergröße
Zieh-Nr. 41
Hof, Michael
geb.: 27.05.1792, Größe: 1,646 m. Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Michael Hof, verstorben
Mutter: Anna Maria Hof geb. Müller
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Sohn einer Frau, die gerade Witwe geworden ist; ans Ende der Liste
Zieh-Nr. 67
Vogel, Johannes
geb.: 29.07.1792, Größe: 1,627 m, Diener. Darstein
Vater: Johannes Vogel, Diener
Mutter: Margit Vogel geb. Mesler
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: abmarschiert am 21. Februar 1812 und eingestellt am 4. März in das
54. Linienregiment Nr. 120
Zieh-Nr. 84
Helfer, Marx
geb.: 11.10.1792, Größe: l,682 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal
Vater: Rudolf Helfer, verstorben
Mutter: Marie-Margarete Helfer geb. Koch
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Sohn einer Frau, die gerade Witwe geworden ist, zurückgestellt bis
Okt. 1813
240
Zieh-Nr. 85
Schütz, Johannes Jakob
geb.: 10.08.1792, Größe: 1,651 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Friedrich Schütz, verstorben
Mutter: Sophie Schütz geb. Veyock
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: abmarschiert am 25. Februar 1812 und eingestellt in das 54.
Linienregiment Nr. 126
Zieh-Nr. 103
Kau, Marx
geb.: ? 1792, Größe: 1,694 m, Händler, Vorderweidenthal
Vater: Salomon Kau, verstorben
Mutter: Rahel Kau geb. Schwab
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Sohn einer Frau die gerade Witwe geworden ist; ans Ende der liste
Zieh-Nr. 112
Walther, Johannes Michael
geb.: 15.08.1792, Größe: 1,633 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Michael Walther, Landwirt
Mutter: Maria Katharina Walther geb. Michelin
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: einberufen in die 79. Kohorte der Nationalgarde am 30. Mai 1812
Zieh-Nr. 120
Schütz, Ludwig
geb.: 23.02.1792, Größe: 1,627 m, Wachtmeister, Vorderweidenthal
Vater: Johannes Jakob Schütz, Wachtmeister
Mutter: Maria Elisabeth Schütz geb. Veiock
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: eingerückt in das Linienregiment Nr. 133 am 25. Februar 1813
Zieh-Nr. 129
Brandenburger, Johannes
geb.: ? 1792 in Merzalben, Größe: 1,627 m, Schweinehirt, Darstein
Vater: Johannes Brandenburger
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: verheirat
241
Zieh-Nr. 132
Acker, Georg Heinrich
geb.: 22.07.1792, Größe: 1,592 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Johannes Jakob Acker, Landwirt
Mutter: Maria Katharina Acker geb. Löhlein
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 25. Februar 1913 in das 18. Linienregiment Nr. 137 einberufen
Zieh-Nr. 160
Schmitt, Johannes Michael
geb.: 16.04.1792, Größe: 1,525 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Johannes Georg Schmitt, verstorben
Mutter: Maria Katharina Schmitt geb. Wagner
Tauglichkeit: mangelnde Körpergröße, Bruder bereits in der Armee; Zahlung: 80
Franken
Zieh-Nr. 170
Schneider, Dietrich
geb.: 20.02.1792, Größe: 1,621 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Michael Schneider, Schuhmacher
Mutter: Katharina Schneider geb. Veiock
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Bruder bereits im 26. Linienregiment; an das Ende der Liste
Zieh-Nr. 173
Stoffel, Johannes Jakob
geb.: 20.01.1792, Größe: 1,715 m, Landwirt, Darstein
Vater: Michael Stoffel, Landwirt
Mutter: Anna-Maria Stoffel geb. Stöbener
Bemerkungen: verheiratet; befreit; zahl eine Summe von 120 Franken
Zieh-Nr. 175
Uth, Johannes
geb.: 08.04.1792, Größe: 1,667 m, Landwirt, Dimbach
Vater: Philipp Uth, Maurer
Mutter: Appolonia Uth geb. Braun
Bemerkungen: am 21.02.1813 in das 18. Linienregiment einberufen
242
Zieh-Nr. 189
Zimmerle, Johannes Michael
geb.: 02.02.1792, Größe: 1,534 m, Landwirt, Vorderweidenthal
Vater: Heinrich-Balthasar Zimmerle, Landwirt
Mutter: Eva Zimmerle geb. Ketterin
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 21. Februar 1813 in das 18. Linienregiment Nr. 148 einberufen
Ziehungsliste von 1813
Zieh-Nr. 57
Veyock, Johannes Thomas
geb.: 02.02.1793, Größe: 1,611 m, Schneider, Oberschlettenbach
Vater: Theobald Veyock, verstorben
Mutter: Maria Elisabeth Veyock geb. Becker
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Sohn einer Frau die gerade Witwe geworden ist; an das Ende der
Liste
Zieh-Nr. 68
Siegel, Georg Friedrich
geb.: ?, Größe: 1,555 m, Landwirt, Darstein
Vater: Georg Siegel, Landwirt
Mutter: Elisabeth Siegel geb Stöbener
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen
Zieh-Nr. 72
Steidler, Georg
geb.: ? 1793, Größe: 1,595 m, Tagelöhner, Dimbach
Vater: Georg Steidler, Leinenweber
Mutter: Anna Steidler
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen
Zieh-Nr. 79
Stauch, Heinrich Balthasar
geb.: 15.01.1793 in Contwig, Größe: 1,730 m, Landwirt, Lindelbrunner Hof
Vater: Daniel Stauch, Landwirt
Mutter: Katharina Stauch geb. Bender
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen
243
Zieh-Nr. 80
Keller, Johannes Jakob
geb.: 09.12.1793, Größe: 1,698 m, Landwirt, Darstein
Vater: Thomas Keller, Landwirt
Mutter: Maria Elisabeth Keller geb. Veyock
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen
Zieh-Nr. 85
Bellert (Böller ?), Johannes Georg
geb.: 23.10.1793, Größe: 1,627 m, Landwirt. Darstein
Vater: Georg Bellert, Landwirt
Mutter: Maria Appolonia Bellert geb. Zuchtmann
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: Bruder bereits in der Armee; an das Ende der Liste
Zieh-Nr. 141
Grimm. Johannes Jakob
geb.: 02.02.1793, Größe: 1,605 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal
Vater: Heinrich Grimm, Landwirt
Mutter: Maria Elisabeth Grimm
Tauglichkeit: tauglich
Zieh-Nr. 143
Stoffel, Johannes Jakob
geb.: 14.04.1793, Größe: 1,580 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal
Vater: Heinrich Stoffel, Tagelöhner
Mutter: Maria Katharina Stoffel geb. Stöbener
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: einziger Sohn einer Witwe; an das Ende der Liste
Zieh-Nr. 157
Gröninger. Johannes Georg
geb.: ? auf dem Hermersberger Hof, Größe: 1,603 m, Landwirt, Lindelbrunner Hof
Vater: Friedrich Gröninger, Landwirt
Mutter: Anna Margaretha Gröninger
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: verheiratet
244
Zieh-Nr. 163
Bischoff, Georg Friedrich
geb.: ? in Oberschlettenbach, Größe: 1,580 m, Landwirt, Oberschlettenbach
Vater: Michael Bischoff, Leinenweber
Mutter: Maria Katharina Bischoff geb. Beller
Tauglichkeit: tauglich
Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen
Abmarsch
Als der Einberufungsbefehl gekommen war, hat man traurig voneinander Abschied
genommen, gar manche Träne wird geflossen sein. War es doch für viele ein
Abschied für immer. Sie ruhen in der Erde, auf der Napoleon seine Schlachten
schlug, so in Spanien und Russland. Oder auf dem Schlachtfeld bei Leipzig, wo im
Oktober 1813 die Völkerschlacht stattfand, an der das 85. Linienregiment
teilgenommen hat. Manche sind auch wieder zurückgekommen, so Valentin Puster,
der später von 1836 bis 1843 Bürgermeister von Vorderweidenthal war.
Ein Brief aus der Zeit Napoleons
Nach der in Frankreich nach der Revolution eingeführten allgemeinen Wehrpflicht
musste auch einer der Vorfahren der Familie Funk, Vorderweidenthal, Soldat in der
französischen Armee unter Napoleon werden. Sein letzter Feldpostbrief vor dem
Abmarsch in den Krieg nach Russland 1812 ist erhalten. Der Schreiber kam von
Russland nicht zurück.
Poststempel: 51 Boulogne sur Meer.
Monßieur Georg Funk, Vorder-Weidenthal
Canton Annweiler
Departement du mont douneren
a Landau N 44a Vorderweidenthal
Bulumen, den 19ten August 1812
Viel geliebte Eldern! Ich Jakob Funk, Begrüße Euch viel dausend Mahl und
Friedrich Rausch grüße ich auch viel dausend Mahl und ich hovfe der Friedrich
wärdt in förne absieht halten wie bis Her auf mich. Und ich muß sie auch
benachrichtigen, daß wir den 16ten Juli aus Mainz abmarschieren haben müssen und
d. 18ten August seynd wir in das Lager Bulumen ankommen und ich muß Euch auch
benachrichtigen, wie sich unsere Reis zugedragen hat, wir haben ein großie dei
Erung gehabt und viel Regenwetter, dass wir haben müssen in den Dreckgehen bis
an die Knie.
245
Das 4 Pfund krumbieren haben wir bezahlen müsen vor 2 Su und in dem Lager gilt
das Pfund Brot 12 Su (l Su 4 Pfg.) da könt ihr Euch leicht denken, daß mein Geld
Ein End kann haben, und was wir bekommen in dem Tag, daß muß ich Euch auch
wissen lassen.
In 4 dag Einhalb läbgen brod und ein ganzes. Doch aber hat sich meine reis nicht
beim besten Bedrachen ich hab ein Sehr dicken Halz bekommen, daß ich 8 Dag
nichts hab essen können aus genohmen was mich sehr viel Geld gekost hat, für meine
Gesund-Heit zu erlangen.
Also viel geliebte Eltern ich will Sie viel dausend mahl gebitt haben, daß sie mir
doch Et was Geld möchten schüken wann es sein kann 24. Franken, wir sind in einem
bedriebten Stand, wir müssen den Tag 8 Stunden Exxezieren und neues weiß ich
Euch nichts zu schreiben, als daß mir alle dag den Engelländer können sehen auf
dem Wasser fahren, den mir haben nur Ein Steinwurf an das Meer, und ich laß auch
mein Baß Elisabeth der Mann grüßen und döt doch gern wissen, wie es mit dem
Johann Migel walder besteht. Ob er doch nach Haus kommen ist oder ob er noch in
Mainz ist und ich grüße zum letzten Mal noch alle guten Freund, die mir gutes
gedahn haben. Jakob Funk aus forterweidenthal.
und lasst es nicht anstehen wenn ihr mir schreibt so schreibt an die 19. Fahr. 6ten
Kombanie.....
246
Todesstrafe für Meuchelmörder
Jannpeter Zopfs
Wenn man so genannten repräsentativen Umfragen glauben darf, sind mehr als die
Hälfte der wahlberechtigten Deutschen für die Todesstrafe. Man darf es wohl nicht.
Denn das würde bei geschätzt 660 Wahlberechtigten zusammen in unseren Dörfern
bedeuten, dass 330 von uns der Todesstrafe zustimmen kaum vorstellbar! Zum
Glück kommt es darauf aber auch nicht an. Denn unser weises Grundgesetz hat die
Todesstrafe abgeschafft. Zur Wiedereinführung müssten mehr als zwei Drittel
unserer Volksvertreter das Grundgesetz ändern.
Im 19. Jahrhundert gehörten unsere Dörfer nach dem Wiener Kongress 1815 im so
genannten königlich bayrischen Rheinkreis zu Bayern. Im Bayerischen
Strafgesetzbuch von 1813 war für Meuchelmord (Art. 296: „Jeder mit Vorbedacht
oder Auflauern verübte Mord wird als Meuchelmord betrachtet“) wie für Vatermord,
für Kindestötung und sogar für Brandstiftung zwingend die Todesstrafe
vorgeschrieben. Am l. September 1820 wurde sogar gegen die 74 Jahre alte
Taglöhnerin Catharine Deutsch aus Schifferstadt wegen versuchter Brandstiftung in
einer Scheune die Todesstrafe verhängt, dann aber durch Gnadenerweis des Königs
zu langjähriger Zwangsarbeit gemildert. Fälle von Kindestötung bei der meistens
verzweifelten Situation von ungewollt schwangeren Dienstmägden kamen mehrfach
im Jahr zur Verhandlung. Zuständig für solche Fälle war das „Assisengericht“
(Schwurgericht) in Zweibrücken. Der bayerische König hatte nämlich für den
Gerichtsaufbau und das Verfahrensrecht wie für die allgemeine Verwaltung des
Landes das moderne, volksnahe französische Recht fortgelten lassen. So entschied
nach einer Voruntersuchung durch den so genannten Instruktionsrichter und der
Anklageerhebung durch die Anklagekammer über die Schuldfrage eine Jury aus
zwölf zu besonderen Berufsgruppen gehörenden mindestens 30 Jahre alten
Geschworenen (Assisen). Die fünf Berufsrichter konnten bei Bejahung der
Schuldfrage in den Fällen der Kindstötung nur noch das Todesurteil verkünden, es
gab ja kein anderes Strafmaß. Nur der König konnte im Gnadenwege mildern und
machte nicht selten von diesem Recht Gebrauch.
Vollstreckt wurde die Todesstrafe auch das ein Erbe der Franzosenzeit mit dem
Fallbeil, der Guillotine. Das geschah bis 1861 sogar öffentlich auf dem Marktplatz
in Zweibrücken. So wurde dort der 30-ährige schon erheblich vorbestrafte
Leineweber Joseph Lorenz hingerichtet. Er war wegen am 3. Oktober 1839 in
Siebeldingen verübten Raubmordes am 24. März 1840 zum Tode verurteilt worden.
Im drei Seiten langen Vollstreckungsprotokoll vom 12. Mai 1840 heißt es
auszugsweise:
247
... Das Schafott war aufgeschlagen.... Der Scharfrichter Heinrich Graul, dessen
Sohn gleichen Namens und der Scharfrichtergehülfe Heinrich Canné aus
Bulchen bei Metz standen auf demselben. Um 9.00 Uhr präcis nahete sich der
Zug. ... Lorenz saß auf einem Wagen, mit dein Rücken gegen das Schafott
gekehrt, und zwei Geistliche ... begleiteten denselben. ... Nachdem Lorenz mit
dem Kruzifix in der Hand längere Zeit mit seinen Seelsorgern gebetet und die
Tröstungen der Religion empfangen, wurde ihm der Hals entblößt und er
erstieg ruhig die Stufen des Blutgerüstes, richtete einige Worte an das
versammelte Volk und empfing das Heilige Abendmahl. Nach beendigter
heiliger Handlung näherten sich die Nachrichter dem Verurtheilten und
schnallten ihn auf dem Brette fest und zwar den Rücken nach oben gekehrt.
Kaum war derselbe niedergelegt worden, so erhob er wieder das Haupt und
äußerte den Wunsch, noch einmal einen Seelsorger zu sprechen. Pfarrer B. trat
zu ihm hin und nach einer kurzen Unterredung gab Lorenz den Wink zum
Vollzug des Unheils. Rasch wurde nun das Aufschlagbrett vorgeschoben und
das Fallbeil losgelassen. In zwei Sekunden war dies geschehen. Kopf und
Rumpf wurden sogleich entfernt, in den unteren Raum der Bühne
hinabgelassen und dem Blicke der Zuschauer entzogen. Die Leiche wurde
unverweilt in einen Sarg gelegt und nach dem Gottesacker abgeführet. Bis zu
dem letzten Augenblicke behielt Lorenz seine kalte ruhige Fassung und
bewahrte stets einen ungebeugten Muth und eine seltene Entschlossenheit.
In diesem Fall hatte König Ludwig I am 29. April 1840 entschieden:
Wir haben uns in der Untersuchung gegen Joseph Lorenz von Eberbach wegen
Raubmordes Vortrag erstatten lassen und finden uns nicht bewogen, den ... L.
zu begnadigen.
Das alles lässt sich wegen nicht selten kaum leserlicher Sütterlin - Handschrift der
Gerichtsschreiber allerdings mit einiger Mühe aus den im Landesarchiv in Speyer
aufbewahrten Protokoll und Registerbänden ermitteln. Aber ausgerechnet in den
unsere Dörfer betreffenden beiden Fällen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
kann endgültige Klarheit nicht recht gefunden werden.
Hinreichend klar ist der Ausgang des späteren Verfahrens gegen den 28 Jahre alten
Ackersmann Michael Veiock aus Vorderweidenthal, angeklagt wegen
Meuchelmordes. Er hatte „den Michael Helfer aus Vorderweidenthal freiwillig
mittels Vorbedacht und Auflauern dadurch getötet, dass er ihn am Abend des 23.
Juny 1839 in dem Hofe des Wirtshauses von Georg Fried in Vorderweidenthal mit
einem Prügel auf den Kopf schlug, so dass der Tod des Misshandelten als eine
notwendige Folge der erlittenen Gewalttat eintrat“. Die Protokolle der
Verhandlungen geben leider den Inhalt der Aussagen von Zeugen oder Beteiligten
nicht wieder. Die Zeugen wurden allerdings in öffentlicher Verhandlung
vernommen, so dass ihre Aussagen manchmal in den Zeitungen nachgelesen werden
248
konnten, falls die Zeitungen darüber berichteten. Solche Zeitungsberichte gibt es in
den hier interessierenden Fällen aber leider nicht. Im Gerichtsprotokoll festgehalten
wurde nur, dass die Ergebnisse der Voruntersuchung vorgetragen wurden. So muss
man den Anlass einer Tat und die näheren Begleitumstände aus den formelhaften
Wendungen des Protokolls oder aus anderen Quellen erschließen. Hier war es wohl
zu einem Jahrmarktsstreit gekommen. In dem Sterbebuch der Pfarrei
Vorderweidenthal ist nämlich zu lesen, dass der am 25. Mai 1783 geborene, also 56
Jahre alte Michael Helfer, Ehegatte von Marie Apollonia Schmitt „am 3. July 1839
in Folge einer am vorhergehenden Joh.-Markte erhaltenen schweren Verletzung
gestorben und am 5. July 1839 beerdigt worden“. Für seine Witwe hatte sein Tod
bittere Folgen. Als sie drei Jahre später starb, war sie so arm, dass ihr Sarg aus der
Armenkasse bezahlt werden musste. In der Abrechnung der Lokalarmenpflege von
Vorderweidenthal ist als Ausgabe 3 ein Betrag von 4 Gulden und 40 Kreuzer „an
Schreiner Bernhard Schneider von hier für Fertigung einer Totenlade der Armen
Apollonia Helfer laut Kostenverzeichnis und quittierter Anweisung“ verzeichnet.
Ein Protokoll über eine Verhandlung vor dem Assisengericht in Zweibrücken gibt
es in diesem Fall nicht. Es gibt nur am 30. Juli 1839 die Verweisung vom ersten
Appellationsgericht des Rheinkreises an das Assisengericht, also die Anklage nach
der Voruntersuchung, und einen Haftbefehl mit genauer Personenbeschreibung. Die
Erklärung dafür findet sich in dem Generalregister von 1839 bis 1848 für
Zuchtpolizei-und Criminalsachen (Landesarchiv J 2 Nr. 401). Dort wird unter Nr.
3730 die Anklageerhebung dokumentiert. In der letzten Spalte des Registers heißt es
dann aber „flüchtig“. Unter Nr. 3775,2 wird diese Bemerkung ergänzt mit den
Worten „ist auf dem Transport entflohen“. Das weitere Schicksal des Entflohenen
bleibt im Dunkeln. Vielleicht ist er in das gelobte Land Nordamerika gelangt und
hat dort sein Glück gemacht oder aber er ist dort wie so viele unbeachtet
umgekommen. Vielleicht hat er auch die nahe Grenze nach Frankreich passiert, um
sich von der 1831 durch König Louis Philippe geschaffenen Fremdenlegion
anwerben zu lassen.
Ein Kriminalfall besonderer Art ist der zeitlich erste Fall.
Auf den Friedhöfen der Lindelbrunndörfer kann man wie in den Verwaltungs- und
Gerichtsakten der Archive immer wieder die gleichen Namen z.B. Veiock, Stoffel,
Helfer, Becker, Christmann lesen. So ist es nicht verwunderlich, dass der Opfername
Helfer aus 1839 im 17 Jahre früheren Mordfall der Tätername ist.
Die Verhandlung vor dem Kgl. bayr. Assisengericht in Zweibrücken vom 6.
Dezember 1822 befasste sich mit dem als Bauernknecht in Oberschlettenbach
dienenden J a k o b H e l f e r , der im „Leibverhaftbefehl“ vom 19. November 1822
wie folgt beschrieben wurde:
249
23 Jahre alt, lediger Sohn von Heinrich Helfer, Ackersmann, erzeugt mit seiner
bereits verstorbenen ersten Frau Christina Winkler vom Bärbelsteinerhof,
gebürtig zu Vorderweidenthal, zuletzt im Dienste von Ludwig Stoffel, Förster,
wohnhaft zu Oberschlettenbach, derselbe ist fünf Schuh, eilt’ Zoll, eilf Linien
(ein Meter 73 Centimeter) groß , hat blonde Haare, eine niedere Stirn, graue
Augen, mittelmäßige Nase und Mund, ovales Kinn, blonden Bart und
Backenbart, blasse Gesichtsfarbe und ist von starkem Körperbau.
Er wurde angeklagt;
am 27ten Juli laufenden Jahres morgens um zwei Uhr, nachdem er sich von
seinen Cameraden getrennt hatte, in dem Garten von Georg Müller eine Latte
losgebrochen, sich damit bei Georg Bottenhauer zu Vorderweidenthal
hinterstellt, und als er den Michel Becker als solchen nennen hörte und ihn
erkannte, hinterwärts auf ihn losgesprungen und ihm freiwillig und mit
Vorbedacht einen Streich mit der Latte auf die rechte Seite des Kopfes
versetzt zu haben, an deren Folgen Michel Becker fünf Stunden später
gestorben ist.
Die Frage, ob er dieser Tat schuldig sei, bejahten die Geschworenen „mit der
größeren Stimmenmehrheit neun gegen drei, und allen in der Frage aufgestellten und
erschwerenden Umständen“. Wieder können aus den formelhaften Inhalten der
Protokolle Anlass und nähere Umstände der Tat nicht entnommen werden.
Zeitungsberichte oder Eintragungen in Kirchenbüchern sind nicht zu finden. Uhrzeit
und Ort der Tat könnten daraufhindeuten, dass Michel Becker von einem
Tanzvergnügen kam oder auf dem Wege zur „Schließe“ (Schleuse) war, um die
Wiesen zu wässern.
Nach dem Spruch der Geschworenen wurde er verurteilt zur Todesstrafe, zu
vollziehen auf dem Marktplatze der Stadt Zweibrücken, und in alle Prozesskosten
gegen den Staat, liquidiert auf die Summe von vierhundertsiebenundzwanzig
Gulden, vierzigneun Kreuzer, drei Pfennig. Weiter wurde verordnet, „dass das
Urtheil im Auszuge gedruckt und zu Speier, Zweibrücken, Vorderweidenthal und
Oberschlettenbach angeschlagen werden soll“. Es folgt der Schlusssatz mit den
Namen und Titeln der Gerichtspersonen und den Unterschriften der Richter und des
Protokollführers. Daneben steht als „Nota“ der Vermerk des Obergerichtsschreibers
Blessmann, wonach das von Helfer eingelegte „Cassationsgesuch“ am 4ten Januar
verworfen wurde. Im französischen Strafverfahrensrecht hatte über ein
Cassationsgesuch gegen das Urteil des Assisengerichts der Cassationshof in Paris zu
entscheiden. Dessen Aufgaben nahmen im bayerischen Rheinkreis „zunächst“ das
mit den Berufsrichtern des Assisengerichts praktisch identische Appellationsgericht
Zweibrücken wahr.
250
Das Todesurteil im Originalprotokoll
251
Mehr über das Schicksal von Jakob Helfer ergibt sich aus den Akten in Speyer nicht.
Ein Vollstreckungsprotokoll gibt es für diesen Fall im Vollstreckungsregister anders
als im oben beschriebenen Fall Lorenz nicht, auch nicht wie sonst Häufig eine
Abschrift davon im Prozessregister oder im Generalregister. Ebenso wenig gibt es
irgendeinen Hinweis darauf, dass der König Maximilian Joseph die Todesstrafe im
Gnadenwege in eine Freiheitsstrafe umgewandelt hat. In der damaligen Zeitung für
Zweibrücken, die auf Mikrofilmen archiviert ist, gibt es keine
Gerichtsberichterstattung oder dergleichen, hauptsächlich Nachrichten über
Versteigerungen und Verkäufe.
Bei Kriminalfällen braucht man für die Archivarbeit nicht nur kriminalistische
Suchfähigkeiten und beharrliches Blättern, sondern ebenso den Kommissar Zufall.
Als die Aufklärung im Fall von 1822 schon aussichtslos erschien, fand Lothar
Wagner beim routinemäßigen Durchblättern der Zeitung für Speyer (Intelligenzblatt
des Rhein-Kreises Nro. 206 vom 22. August 1825) auf der ersten Seite folgenden
amtlichen Artikel (auszugsweise):
Da ich sehr Häufig um die Signalements nachbezeichneter aus der Straf-
Anstalt zu Speyer entwichenen und noch nicht wieder eingefangenen
Sträflinge angegangen werde, so bringe ich dieselben zur öffentlichen
Kenntniß.
Frankental, den 21. August 1825.
Der königliche Staats-Prokurator
Maurer
Johann Beriet, vulgo Hammelhannes, Ackersmann aus St. Lambrecht im
Rhein-Kreise, wurde durch das königl. Assisengericht wegen Mord und
Diebstahl zu einer dreißigjährigen Gefängnißstrafe verurtheilt. (dann folgt die
nähere Beschreibung)
Jacob Hesser, Ackersmann aus Vorderweidenthal im königlich baierischen
Rhein-Kreise, wurde durch das königliche Assisengericht in Zweibrücken
wegen Mord in eine zwölfjährige Gefängnißstrafe verurtheil.
Derselbe ist 25 Jahre alt;
Größe: 6 Schuh l Zoll; Haare: blond;
Stirn: breit; Augen: grau; Augenbrauen: blond;
Nase: gewöhnlich; Mund: breit; Kinn: spitz
Bart: blond; Gesicht: rund; Gesichtsfarbe: blass.
Besondere Kennzeichen: Ist an Arm und Brust mit Kreuz und anderen
Zirathen von Zinnober geziert und trug bey seiner Entweichung blautuchene
Kleidung. Jakob Heckel aus Westerhausen im Württembergischen, ein
252
Korbmacher wurde durch das königliche Assisengericht zu Zweibrücken
wegen Diebstahl in eine zehnjährige Gefängnißstrafe verurtheilt usw. usw.
Alles spricht dafür, dass der Fehlerteufel hier der Zeitung einen Streich gespielt und
Helfer in Hesser verwandelt hat. Dann aber ist der Täter Helfer, wie später im Jahre
1839 der Täter Veiock letztlich auch davongekommen, nicht hingerichtet worden.
Die Täterbeschreibungen im Urteil vom 6. Dezember 1823 und im amtlichen Artikel
vom 22. August 1825 stimmen beim Vornamen, beim Alter und Herkunftsort völlig
überein, ebenso in den Äußerlichkeiten des Gesichts. Zur Größenangabe ist zu
bedenken, dass „ein Schuh“ wie „ ein Fuß „ zwölf Zoll lang war, ein Zoll 2,3 bis 3
cm lang sein konnte, so dass 1.73 Meter passen. Die „Zinober-Zirathen“ kann Helfer
sich in der Gefängniszeit beigebracht haben. Die Umwandlung der Todesstrafe in
eine zwölfjährige Gefängnisstrafe auf dem Gnadenweg war keineswegs
ungewöhnlich, zumal drei der zwölf Geschworenen Helfer nicht als Meuchelmörder
ansahen. Ein Übertragungsfehler von Helfer zu Hesser liegt sehr nahe: Den
amtlichen Artikel, den die Zeitung gedruckt veröffentlichte, erhielt sie nur als
handschriftliche Vorlage. In der Sütterlinschrift sind im Wort ein fund das nach oben
und unten ausgezogene s leicht zu verwechseln. Wenn dann das l vor dem f noch
undeutlich geschrieben, womöglich zu lang nach unten gezogen war, kann der die
handschriftliche Vorlage in den gedruckten Artikel verwandelnde und dabei mit
Spiegelschrift arbeitende Setzer leicht ein doppeltes s lesen und aus dem Setzkasten
nehmen.
Vor allem aber: Im „ Generalregister aus der Kanzlei des königlich bairschen
Appellationsgericht der Rhein-Kreise hinterlegten Untersuchungen in peinlichen
und zuchtpolizeilichen Sachen“ vom Jahre 1815 bis zum vierten Quartal des Jahres
1826 also von Nr. l bis Nr. 1380 taucht ein Jakob Hesser aus Vorderweidenthal oder
ein ähnlicher Name niemals auf. Nur unter Nr. 934 am 26. November 1822 ist die
Verweisung des Verfahrens gegen Jakob Helfer aus Vorderweidenthal an das
Assisengericht zu finden, das ihn dann am 6. Dezember 1822 zur Todesstrafe
verurteilte. Wenn es jemals einen Straftäter Jakob Hesser aus Vorderweidenthal in
jener Zeit gegeben haben sollte, müsste er in diesem Generalregister oder im
Prozess- oder im Vollstreckungsregister zu finden sein.
Also sind beide Täter der Mordanklagen gegen Angehörige unserer Dörfer im 19.
Jahrhundert trotz zwingend vorgeschriebener Todesstrafe nicht nur der Hinrichtung,
sondern sogar zum überwiegenden Teil der Vollstreckung der Freiheitsstrafe
letztlich entkommen.
253
Eilbote Nr 52 vom 30.06 1855 Die Rheinpfalz Nr. 85
Seite 293 und 294 vom 12.04.2013
Nach 27 Jahren festgenommen: Die Polizei im US-
Ostküstenstaat Maine hat einen 47-Jährigen festgenommen, der seit
1986 als Einsiedler in einem Wald gelebt und sich mit Diebstählen
über Wasser gehalten haben soll. Wie eine Lokalzeitung gestern
berichtete, gab Christopher Knight rund tausend Einbrüche zu -
gestohlen habe er aber stets nur Dinge, die er zum Überleben
brauchte, (afp)
254
Vom Wässern und Streiten in früheren Zeiten
Jannpeter Zopfs
Oberschlettenbach und Vorderweidental sind miteinander verbunden durch die alte
Distriktstraße und durch den neuen Radweg auf der anderen Seite des Tales. Der ist
zwar in Vorderweidental immer noch nicht fertig, dafür aber ist er neuerdings
geschmückt mit sehens- und hörenswerten Skulpturen. Die älteste Verbindung
zwischen unseren Orten ist die Bach. Die Alten im Dorf sagten „die“ Bach, nicht
„der“ Bach.
Auf alte Schätze hinweisen sollte mit Bild und Text ein Zeitungsartikel in der
Rheinpfalz vom 16. März 2012. Damit gemeint waren Schätze am Wegesrand „in
Vergessenheit geratene, zugewucherte steinerne Zeitzeugen“. Der Text lautet:
Ein historisches Kleinod ist die alte „Schließ“ am Erlenbach zwischen
Oberschlettenbach und Vorderweidental. Durch einen Arbeitseinsatz am
Wochenende ist das kunstvoll gemauerte Bauwerk jetzt wieder sichtbar. Das
Alter der aus massiven Sandsteinblöcken gebauten Anlage, mit der viele
Jahrzehnte lang das Wasser des Erlenbachs gestaut wurde, schätzen die
Einheimischen auf ungefähr 150 Jahre. Mit einem riesigen Schraubenschlüssel
wurde noch vor wenigen Jahrzehnten der hölzerne Schieber heruntergelassen,
um das Wasser zu stauen, das dann in die vielen im Wiesental angelegten
Gräben floss.
Die am Schluss des Zeitungsartikels wiedergegebene Erinnerung des
Altbürgermeisters Walter Hunsicker „als Kinder haben wir die Schließ im Sommer
geschlossen und dann im Erlenbach gebadet“ wurde schon früher durch den von
seinem Vorvorgänger Werner Heft gegebenen Hinweis bestätigt, dass er wie andere
Kinder aus Schlettenbach dort schwimmen gelernt habe. Die Schließ ist also ein
Sperrwerk wie eine Schleuse, mit dem das Wasser gestaut und die Wiesen fruchtbar
gemacht werden konnten. Im weiteren Lauf des Erlenbachs kann man zwischen
Vorderweidental und Erlenbach und hinter Erlenbach bis Niederschlettenbach noch
weitere Stauanlagen finden.
Das Wasser des Erlenbachs war aber nicht nur zum Bewässern oder gar schwimmen
brauchbar und notwendig. Vor allem war es Energiequelle für die bis zu seiner
Mündung in die Wieslauter am rauschenden Bach klappernden vielen Mühlen und
deren Mühlräder. Von ihnen wird heute nur noch die Maußhardt’sche Mühle in
Erlenbach betrieben, allerdings nicht mehr mit Wasserkraft. Und zur Bewässerung
der Wiesen kommt es heutzutage in unseren Dörfern nicht mehr, sondern nur noch
dort, wo Feuchtbiotope für Störche gebildet werden sollen.
255
Die alte Schließ am Erlenbach 2012
Die Schließ in den Vorderweidenthaler Wiesen von der Sägmühle aus gesehen,
links: die Dorfmühle vor dem Zweiten Weltkrieg
256
Früher aber waren Bewässerung und Mühlenbetrieb schlecht vereinbar. Wenn das
Wasser des Erlenbachs in den vielen Bewässerungsgräben versickerte, konnte das
Mühlrad nicht in Schwung kommen. So musste es zwangsläufig zum Streit zwischen
den Bauern und der Mühle kommen. Friedel Kalkofen geborene Wagner, die
Ehefrau des letzten Lehrers in Oberschlettenbach, verstorben 2011, stammte aus der
Sägemühle kurz vor der Kreuzung der Straße nach Erlenbach mit der Bundesstraße.
Sie erzählte immer wieder von ihrer Großmutter, der alten „Sämüllerin“ und deren
Prozess gegen die Bewässerung. Nicht nur einmal sei die Großmutter nach Landau
zum Gericht gelaufen, schon vor Tagesanbruch losgezogen, um das
Sägemühlenrecht durchzusetzen. Schließlich sei der Prozess auch gewonnen
worden. Tatsächlich ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Landau vom
14. Dezember 1905 ein Streit entschieden worden, der eigentlich schon Jahrhunderte
dauerte. Die Prozessakten für jenes vor dem Landgericht Landau geführte Verfahren
der Sägemühle gegen Wiesenbesitzer aus Vorderweidenthal sind allerdings nicht
mehr verfügbar. Im Landesarchiv Speyer wird aber (J 11 Nr. 1828) ein Urteil des
Königlichen Amtsgerichts Annweiler aufbewahrt, in dem jenes Verfahren vor dem
Landgericht maßgeblich war. Der Sägemüller hatte 1912 vor dem Amtsgericht
Klage wegen unrechtmäßiger Bewässerung erhoben. Seine Tochter habe am 29.
Dezember 1911 gegen Abend um etwa fünf bis fünfeinviertel Uhr beobachtet, wie
der beklagte Wiesenbesitzer auf seiner Wiese den Einlassgraben geöffnet und das
Wasser auf die Wiese geleitet habe. Das Landgerichtsurteil vom 14. Dezember 1905
hatte aber festgelegt, dass nur an bestimmten Tagen gewässert werden durfte und an
allen anderen Tagen das Wässern verboten war. Das ergab sich aus dem „Vertrag de
dato Falkenburg 2. Mai 1742“. Also war schon in den Zeiten der Leininger
Herrschaft um die Wiesenbewässerung gestritten worden. Der Vertrag regelte, dass
gewässert werden durfte aus dem sogenannten Sägmühlgraben in der Zeit vom 25.
März bis 24. August von Samstagabend 6 Uhr bis Montag morgens 6 Uhr, dann an
Maria Verkündigung, an den Osterfeiertagen, am Philippi- und Jacobitag, Christi
Himmelfahrtstag und Pfingstmontag, aber an keinem anderen Tage. Dieser Vertrag
aus dem Jahre 1742 hatte für die Sägmühle eine entsprechende Grunddienstbarkeit
begründet, die auch im 20. Jahrhundert noch in Geltung war. Der
Interessenwiderstreit zwischen Mühle und Wiesenbesitzer war auch für die
Leininger Herrschaft so bedeutsam, dass sie ihren Amtmann auf der Falkenburg
veranlasste, ihn durch einen Vertrag zu beenden.
Leider sind die „reichhaltigen Bestände des fürstlich-leiningischen Archivs in
Amorbach“, an die der Heimatforscher Heinz R. Wittner noch herankommen konnte
(siehe den Wiederabdruck seines Aufsatzes in dieser Festschrift), heute nicht mehr
zugänglich. Der finanzielle Aufwand für Unterhaltung und Pflege eines viele
Jahrhunderte umfassenden Archivs ist wie im Landesarchiv in Speyer zu besichtigen
so gewaltig, dass eigentlich nur die öffentliche Hand ihn erbringen kann. Und selbst
dann ist es Zufall, dass es die Akten des Landgerichts aus 1905, in denen der Vertrag
vorhanden gewesen sein muss, nicht mehr gibt, wohl aber die Akten eines
demgegenüber relativ unbedeutenden späteren Rechtsstreits vor dem Amtsgericht,
257
in dem der Vertrag und die Grunddienstbarkeit eine Rolle spielte. Im Jahre 1912
kam es letztlich allerdings auf den alten Vertrag nicht entscheidend an. Die Klage
des Sägemüllers wurde nämlich abgewiesen, weil der Amtsrichter es nicht als
bewiesen ansah, dass der verklagte Wiesenbesitzer derjenige war, den die Tochter
des Sägmüllers beim Öffnen des Bewässerungsgrabens beobachtet hatte. Die recht
ausführliche Beweiswürdigung des Amtsrichters im Urteil des königlichen
Amtsgerichts zu Annweiler vom 22. Mai 1912 lautete wie folgt:
Die Aussage der Zeugin ... erscheint zur Herstellung des erforderlichen
Beweises nicht ausreichend, da die Möglichkeit einer Täuschung bei dieser
Zeugin nicht ausgeschlossen ist. ... Wenn auch zugegeben werden kann, dass
die Zeugin bei ihrer Vernehmung den Eindruck voller Glaubwürdigkeit
geimacht hat, so liegen doch andererseits auch Gründe vor, welche die
objektive Wahrheit der Aussage der Zeugin in Frage stellen, und für die
Möglichkeit eines Irrtums bei Wahrnehmung der Zeugin sprechen. Die Zeugin
ist die Tochter des Klägers und ist am Ausgang des Prozesses interessiert. Ihre
Aussage ist daher schon aus diesem Grunde mit einer gewissen Vorsicht
aufzunehmen. Die Zeugin lebt mit ihren Eltern in Häuslicher Gemeinschaft
zusammen und ist daher von deren Stimmungen und Auffassungen zweifellos
beeinflusst. Der Inhalt der Klageschrift deutet schon darauf hin, dass Kläger
in dem Beklagten wie früher in dessen Vater seinen Hauptgegner und Urheber
der vorkommenden Störungen seines Rechts erblickt, und dass deshalb schon
von vornherein eine gewisse Voreingenommenheit gegen den Beklagten bei
Kläger besteht. Diese Voreingenommenheit hat sich unter dem Einfluss ihres
Vaters ohne Zweifel auch auf die Zeugin, seine Tochter übertragen. Es Dürfte
letzteres schon daraus hervorgehen, dass die Zeugin bei Zumachen der
Einlassgräben nur die Wiesen, welche sie für Wiesen des Beklagten
angesehen, beachtet, die Eigentümer der anderen Wiesen, die sie ebenfalls
zugemacht, sich aber nicht gemerkt hat. Da die Zeugin den Beklagten kurze
Zeit vorher am Hause ihrer Eltern in der Richtung gegen den Erlenbach hatte
vorübergehen sehen es wird hier unterstellt, dass sie sich in der Person nicht
geirrt hat so nahm sie ohne weitere Prüfung wohl auch an, dass die am Abend
des 29. Dezember 1911 auf der Wiese Plan Nr. 3644 gesehene Person der
Beklagte sei, zumal auch diese Person angeblich den gleichen Mantel anhatte
wie der Beklagte beim Vorübergehen an der Wohnung des Klägers. Da indes
angenommen werden darf, dass auch andere Bewohner von Weidental Mäntel
gleicher Beschaffenheit und gleichen Aussehens, wie der Mantel des
Beklagten, besitzen und tragen werben, so lässt sich aus dem Besitz des von
der Zeugin wahrgenommenen Mantels noch keineswegs mit Sicherheit darauf
schließen, dass der Träger des Mantels der Beklagte gewesen sei. Wenn die
Zeugin bei ihrer Wahrnehmung auch in ziemlicher Nähe der von ihr
beobachteten Person sich befand, so beweist dies noch nicht die
Zuverlässigkeit ihrer Wahrnehmung. Es steht nicht einmal fest, ob sie ihre
Wahrnehmung während Weitergehens oder Stillstehens gemacht hat. Nach
258
ihrer Aussage herrschte zur Zeit ihrer Wahrnehmung bereits Dämmerung. Da
aber am 29. Dezember 1911 abends fünfeinviertel Uhr die Nacht bereits
eingetreten sein wird, so wird statt Dämmerung Dunkelheit bestanden haben.
Dass Dunkelheit selbst bei geringer Entfernung des Wahrnehmenden eine
sichere zuverlässige Wahrnehmung aber nicht gestattet, ist selbstverständlich.
Berücksichtigt man weiter, dass der von der Zeugin wahrgenommene Mann
bei seiner Arbeit an der Wiese und nach seiner Geradrichtung ihr immer nur
die Seite und nicht das ganze Gesicht zugekehrt hatte, so ist die Annahme einer
Täuschung nur umso mehr gerechtfertigt. Dass die Zeugin nicht genau
beobachtet haben wird, Dürfte schon daraus hervorgehen, dass sie nicht einmal
anzugeben weiß, ob der betreffende Mann sie einmal angesehen hat. Gegen
die Richtigkeit der Wahrnehmung der Zeugin in Bezug auf die Person des
Wahrgenommenen spricht auch einigermaßen, das anscheinend sorglose und
unvorsichtige Benehmen desselben. Der Beklagte war kurz vor der
Wahrnehmung der Zeugin an der Wohnung des Klägers vorübergegangen. Er
hatte den nach Ansicht der Zeugin zum Wassereinlass geöffneten Graben
frisch zugemacht gefunden, er musste daher befürchten, dass er von dem ihm
nicht gut gesinnten Kläger verfolgt und beobachtet werde, und musste deshalb
zu seiner Sicherung Umschau halten. Dies aber hat er anscheinend nicht getan,
sonst hätte er die Zeugin trotz der bestehenden Dunkelheit früher bemerken
müssen. Unter Würdigung all dieser Umstände erscheint die Annahme, dass
die Zeugin in der Person des Wahrgenommenen sich geirrt und ohne nähere
Prüfung sich überzeugt gehalten hat, die von ihr wahrgenommene Person sei
der Beklagte, weil sie einen Mantel, wie dieser anhatte, und auf einer Wiese
sich befand, die sie für das Eigentum des Beklagten ansah, keineswegs ganz
haltlos; namentlich wenn man auch noch berücksichtigt, dass es sich um die
Aussage einer Frauensperson handelt, die in der Regel weniger zuverlässig zu
sein pflegt als die eines Mannes.
Es bleibt dem Leser überlassen, ob er diese Beweiswürdigung für überzeugend oder
aber z.B. wegen ihres letzten Satzes für getrübt durch einen patriarchalischen
Blickwinkel Hält. Der Sägmüller wird damals wie auch heute noch mancher Kläger
im Rechtsstreit zu der bitteren Erkenntnis gekommen sein, was nützt mir mein
Recht, wenn ich dessen Verletzung nicht beweisen kann.
259
Jüdisches Leben in Vorderweidenthal
Lothar Wagner
In einer „Specification derer Unterthanen der Schultheißerei Lindelbrunn“ werden
für das Jahr 1740 in Vorderweidenthal drei Juden als wohnhaft angegeben. In den
Gebieten der Leininger Grafen ist man bei der Ansiedlung der Juden großzügig
verfahren. So finden wir für das Jahr 1800 in Vorderweidenthal acht
Familienvorstände, nämlich: Moise Nathan, Leser Schmul, H. Hennig, Samuel
Mercur, Löb Jacob, Beer Feiber, Borsig Levy und Laban Schmul. Als Beruf wird
commercant =- Händler angegeben. In einem napoleonischen Dekret von 1808
werden Juden, die bisher lediglich zum eigenen Rufnamen den Rufnamen des Vaters
hinzufügten, gezwungen, fixe Geschlechts- und Vornamen anzunehmen. So werden
für das Jahr 1809/10 neun Familien/Haushaltungen mit Vor- und Familiennamen
genannt: Viehhändler Moses Blum, Rahel Cahn Witwe, Viehhändler Jacques Jung,
Baruch Levy, Viehhändler Jsaac Levy. Weinhändler Moses Lorch, Jacob Maas,
Viehhändler Moses Maas und Viehhändler Aron Mack. Insgesamt lebten damals 35
Juden im Dorf.
1823 erteilt die Königliche Regierung des Rheinkreises der Gemeinde
Vorderweidenthal die Genehmigung, Viehmärkte abhalten zu dürfen, zunächst
dreimal im Jahr, später an jedem l. und 3. Mittwoch im Monat. Es ist zu vermuten,
dass es dadurch zum verstärkten Zuzug von Juden kam. Da den Juden über
Jahrhunderte das Ausüben des zünftigen Handwerks und die Landwirtschaft
verboten war, verlegten sie sich auf den Handel und das Geldverleihen, Der
pfälzische Viehhandel lag zu über 90% in jüdischen Händen. Mit der Errichtung
eines Viehmarktes in Vorderweidenthal eröffneten sich damit für die jüdischen
Viehhändler Chancen: 1828 wohnten hier bereits 78 und im Jahr 1835 91 Bürger
jüdischen Glaubens. Mitte des 19. Jahrhunderts gingen die Umsätze auf dem
Viehmarkt zurück, ja das Betreiben des Viehmarktes wird für die Gemeinde zum
Minusgeschäft. Es herrschte damals eine schwere Wirtschaftskrise. Es ist daher zu
vermuten, dass deswegen auch wieder die Einwohnerzahl der Juden zurückging. So
wurden 1874/75 noch 22 Einwohner mosaischen Glaubens registriert, bis 1900 ging
ihre Zahl auf 14 zurück, 1914 wohnten noch 2 jüdische Familien im Dorf, aus denen
2 Söhne, Karl und Gustav Samuel, im ersten Weltkrieg „für Kaiser und Reich“
gefallen sind.
Nach der Liberalisierung des Wirtschaftslebens im 19. Jahrhundert waren den Juden
auch der Grunderwerb und die Landwirtschaft gestattet. Sie blieben aber meistens
in ihren angestammten Berufen und betrieben nebenher Landwirtschaft. Die
Regierung des Rheinkreises bestimmte am 31. Mai 1826, dass jeder Handel
treibende Jude ein Patent beizubringen habe, das ihm erlaubte, Handelsgeschäfte
auszuüben. Sie berief sich dabei auf ein französisches Dekret vom 17. März 1808,
260
dessen Gesetzeskraft die Königliche Regierung des Rheinkreises beibehielt. Das
Patent zum Handel durfte dem Handel treibenden Juden erst ausgestellt werden,
wenn er das Zeugnis des Gemeinderates seines Wohnortes beibrachte, das ihm
bescheinigte, „daß derselbe weder Wucher noch sonst ein unerlaubtes Gewerbe
treibe“. Über die Gemeinderatssitzung vom 27. November 1848 liegt uns daher
folgendes Protokoll vor: .,Der Gemeinderath von Vorderweidenthal hat in seiner
heutigen Sitzung gemäß mündlicher Aufforderung der in hiesiger Gemeinde
gewerbetreibenden Israeliten und auf dem Grund des kaiserlichen Dekrets vom 17.
März 1808, der Verordnung der vormaligen gemeinschaftlichen
Landesadministration vom 24. Januar 1815 und der kgl. Regierung und Verfügung
vom 21. Mai 1826 über den Leumund der Juden: l. Blum Alexander, Vieh- und
Pferdshändler 2. Blümel Levy, Spezereihandel nur im Kleinen 3.Schönberg
Seligmann, Bierhofhandel 4. Levy Moses 5. Levy Samuel, Vieh- und Pferdshändler
gemeinschaftlich 6. Kahn Marx, Makler 7. Jung Moses, Viehhändler 8. Jung Josef,
Spezerei nur im Kleinen 9. Maas Moses, Witib, Spezereihandel nur im Kleinen, sich
versammelt und wegen dem Betrieb der oben erwähnten Gewerbe darüber berathen
ob die Bewerber Wucher oder sonst ein unerlaubtes Geschäft ausüben und hiernach
zufolge seiner Erfahrungen und Wahrnehmungen beschlossen, denselben folgendes
Zeugnis in betreff obengenannter Punkte zu erteilen, nämlich: Blum Alexander
genießt hierorts des besten Leumund, hat sich auch nie wucherischer Umtriebe zu
Schulden kommen lassen, auch nie ein unerlaubtes Geschäft betrieben, ein gleiches
Zeugnis wird allen hier oben genannten Israeliten erteilt.“
Man hat das Gesetz von 1808 auch „infames Dekret“ genannt, weil es die
Grundsätze der französischen Verfassung (Gleichheit, Freiheit), die auch im
Departement Donnersberg galten, für einen bestimmten Personenkreis, nämlich die
Juden, wieder einschränkte.
Ein Vermögensverzeichnis der selbständigen Familienhäupter der israelitischen
Einwohner von Vorderweidenthal gibt uns Auskunft über ihr Vermögen. Als sehr
wohlhabend können die Brüder Alexander und Lion Blum bezeichnet werden (je
10000 Gulden), wohlhabend waren Levy Marx (6000 Gulden) und Levy Samuel
(6000 Gulden), mäßig begütert waren Moses Maas (800 Gulden) und Blümel Levy
(600 Gulden). Die anderen waren arm. Sehr arm war die Witwe von Seligmann
Schönberg, die ein Vermögen von 50 Gulden besaß und total verarmt war Abraham
Ackermann, der gar kein Vermögen besaß. Arm war auch Emanuel Kahn, der am
26. November 1869 die Gemeindearmenkasse um Unterstützung zur Versorgung
seines kleinsten Kindes bittet, da sich seine Frau Katharina Moses zur Behandlung
in der „Kreisirrenanstalt Klingenmünster“ befindet. Es wird ihm eine Unterstützung
von einem Gulden pro Woche zur Unterhaltung dieses Kindes gewährt. Der in dem
Verzeichnis von 1845 unter der Rubrik „Abgang seit 1842“ aufgerührte Seligmann
Blum, der im November 1845 nach Bergzabern umzog, hatte sich als Vorsteher der
dortigen jüdischen Gemeinde Große Verdienste bei der Erbauung der Synagoge
erworben. Viele Jahre hatte er auch das Amt des Mohels inne. Er war lange Jahre im
261
Stadtrat ebenso wie sein Bruder Alexander Mitglied des Gemeinderats von
Vorderweidenthal war. Dass Seligmann Blum Vorstand der jüdischen Gemeinde
Bergzabern war und beim Bau der dortigen Synagoge sehr engagiert, hat mit hoher
Wahrscheinlichkeit einen Beschluss des Gemeinderats von Vorderweidenthal vom
28. Mai 1850 zur Folge. Darin sucht die israelitische Kultusgemeinde Bergzabern
bei der Gemeinde Vorderweidenthal um ein Darlehen in der Höhe von 1200 Gulden
nach. Es wird gewährt, „dergestalt, daß 600 Gulden gleich und 600 Gulden am
Schlusse des Etatjahres, also Anfang Oktober, gegeben werden“. Für die
Zurückzahlung hätten sich fünf der meistbegüterten Israeliten von Bergzabern
solidarisch zu verbürgen. Die Summe sei mit 5% zu verzinsen.
In einem Gewerbe- und Handels - Adressbuch der bayerischen Pfalz aus dem Jahr
1877 ist aufgelistet, welche Berufe und Handelsunternehmungen in
Vorderweidenthal vertreten waren: Bernhard Samuel (Bäcker), Marx Jung
(Brandweinbrenner), Bernhard Samuel (Brandweinhändler), Josef Samuel (Frucht-
und Mehlhändler, Krämer), Emanuel Kahn (Makler), Elias Levy (Viehhändler),
Levy (Viehhändler, Kaufmann). Aus dem Jahr 1907 gibt es ebenfalls eine
Auflistung. Im Adressbuch für die Rheinpfalz findet man: Bernhard Samuel
(Bäcker), Bernhard Samuel (Landkrämer), Bernhard Samuel
(Manufakturwarenhändler), Jakob Jung (Oekonom und Landwirt).
Für das Jahr 1843 gibt uns das Urkataster darüber Auskunft, wo die
Juden ihre Häuser hatten. Das waren:
Alexander Blum, Gutsbesitzern. Viehhändler, Pl.-Nr. 92; heute:
Hauptstr. 25, Dagmar und Thomas Schulte
Leon Blum, Handelsmann, Pl.-Nr. 137; heute: Hauptstr. 30, Heidi Hussong-Braun
und Franz Braun
Seligmann Blum, Handelsmann, Pl.-Nr. 78: heute: Norbert Daußmann
Jakob Jung, Handelsmann, Pl.-Nr. 31; heute: Bergstr. l, Christian Ettel
Josef Jung, Handelsmann, Pl.-Nr. 56; heute: Hauptstr. 12, Rudi Schwarz
Marx Kahn, Viehhändler, Pl.-Nr. 48; heute: Untere Bergstr. l, Fam. Köhler
Jakob Levy, Handelsmann, Pl.-Nr. 123; heute: Platz hinter dem Schuppen von Kurt
Schmitt, schräg gegenüber von Farn. Brosius. Es steht dort kein Haus mehr.
Isaak Levy, Handelsmann, Pl.-Nr. 212; heute: Hauptstr. 38, Anneliese und Karl
Burkhard
262
Marx Levy, Handelsmann, Pl.-Nr. 207; heute: Hauptstr. 34. Lothar und Natalia
Wagner
Blümel Levy geb. Levy, Witwe von Marx Levy, Handelsfrau, Pl.-Nr. 24, heute:
Lindelbrunnstr. 20, Farn. Dietsch
Samuel Levi, Handelsmann, Pl.-Nr. 159; heute: Kirchstr. 12, Fam. Lothar Berger
Judith Maas, Witwe von Moises Mass, Handelsfrau; heute: Hauptstr. 16, Gertrud
Hüther
Aaron Moock, Handelsmann, Pl.-Nr. 29; heute: Lindelbrunnstr. 10, Christian Ettel
Isaak Moock, Handelsmann, Pl.-Nr. 31; heute: Bergstr. l, Christian Ettel
Levy Moock, Handelsmann, Pl.-Nr. 29; heute: Lindelbrunnstr. 10, Christian Ettel
Die israelitische Schule
In einem Bericht vom 26. 8. 1835 die Verhältnisse der israelitischen
Glaubensgenossen zu Vorderweidenthal betreffend, wird zwar ein Vorsänger
erwähnt, aber von Religionsunterricht ist nicht die Rede.
Die kgl. Regierung der Rheinkreises am l. April 1837: Auf den Bericht des kgl.
Landkommissariats das Gesuch der israelit. Gemeinde von Vorderweidenthal um
die Anstellung des Lehrers Ludwig Schloss betr.: „ist demselben zu eröffnen, daß
der Anstellung des Ludwig Schloss als ordentlicher Lehrer der israelit.-teutschen
Schule zu Vorderweidenthal in Anbetracht seiner guten Zeugnisse, sowie zu Folge
der Gutachten der kgl. Distriktsschulinspektion, des Bezirks-Rabbinats zu Landau
und der Ortsschulkommission die provisorische Genehmigung erteilt werde, sofern
und solange derselbe den vertragsmäßigen Gehalt, bestehend a. in baren 150 Gulden
b. in einer anständigen Wohnung und Lokal für den Schulunterricht c. den nöthigen
Bedarf an Brennholz von der dortigen israelit. Gemeinde ungeschmälert beziehen
kann.“ Das Bürgermeisteramt Vorderweidenthal fordert am 26. 2. 1838 die israelit.
Gemeinde auf, der Anfertigung der Fassion über das Gehalt des israelit. Lehrers
beizuwohnen. „Die Schule zu unternehmen ist sie weder jetzt noch künftig im
Stande... denn in der hiesigen israelit. Gemeinde sind im ganzen sechs
zahlungsfähige Bürger, welche, wenn die Gemeinde nicht ins Mittel tritt, ein
Schullokal zu mieten, die Beheizung der Schullokals zu übernehmen, den Lehrer mit
150 Gulden jährlich zu bezahlen, nicht im Stande sind.“
263
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 4. 8. 1838: „Die Israeliten besitzen weder
ein Lokal für eine besondere israelitische Schule noch die notwendigen Mittel,
sondern verlangen ein solches von der polit. Gemeinde, die dazu in keiner Weise
verpflichtet ist. Die Israeli, schulpflichtige Jugend ist daher unter Aufhebung der
bisherigen israelit. Schule in Vorderweidenthal wieder in die christliche Schule
einzuweisen.“
Gesuch des Privat - Lehrers Abraham Praslav aus Floß am 2. Juni 1840 „um
Privatunterricht erteilen und den Vorbeterdienst der israelit. Gemeinde zu
Vorderweidenthal versehen zu Dürfen“.
Das kgl. Landkommissariat Bergzabern am 2. 7. 1840: „Auf das Gesuch kann
solange nicht eingegangen werden, bis er nicht die notwendigen Prüfungszeugnisse
vorlegt.“
Das kgl. Landkommissariat am 24. 9. 1840: „Dem Vernehmen nach fährt Praslav
fort, Religionsunterricht zu erteilen, ohne sich um die dafür nothwendige Conzession
zu kümmern. Jeder weitere Unterricht wird verboten.“
Das kgl. Landkommissariat am 30. 9. 1840: „Da er keine Zeugnisse vorlegt, kann
keine Erlaubnis zur Erteilung von Religionsunterricht erteilt werden. Der Aufenthalt
ist nur noch bis zum 16. des künftigen Monats zu gestatten.“
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 8. l. 1841: „Es wird die Errichtung einer
eigenen Schule von der kgl. Regierung in Speyer gestattet. Sofern das Schulgebäude
vorhanden, eine Lehrergehalt von 150 Gulden und freie Wohnung und Beheizung
des Lehrsaals vorhanden, so gestattet man die Errichtung einer eigenen Schule. Die
israelit. Schule bleibt im Übrigen der oberen Aufsicht der protest.
Distriktsschulinspektion unterstellt.“
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 8. 5. 1841: Praslav erhält Aufschub. Er darf
Unterricht erteilen bis zum Ende des Schuljahres. Muss sich aber dann der
Anstellungsprüfung in Kaiserslautern unterziehen.
Die kgl. Landkommissariat am 14. 12. 1841: „Die Ortsschulkommission wird
angehalten, darüber zu wachen, daß die schulpflichtigen israelit. Kinder mit
Ausnahme des Sabbats die christliche Ortsschule regelmäßig und unausgesetzt
besuchen. Auch kann die israelit. Jugend nicht mehr, wie seit 1837 öfter geschehen,
der christlichen Schule eigenmächtig entzogen werden. Auch kann neueren
Anträgen der israelit. Gemeinde in Vorderweidenthal zur Errichtung einer eigenen
Schule solange keine Folge gegeben werden als nicht für einen normalmäßigen
Lehrergehalt gesorgt ist und das Kgl. Landkommissariat sich die Überzeugung
verschafft hat, daß der Lehrsaal mit allem erforderlichen Gerät und dem nötigen
Schulapparat hinlänglich versehen sei.“
264
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 30. 6. 1842: „Auf Antrag der Gemeinde
Vorderweidenthal und der Vernehmung des Bezirksrabbinats in Landau und in
Übereinstimmung mit der protest. Bezirksschulinspektion wird dem ... Katzenberger
die Erlaubnis zur Erteilung des Privatreligionsunterrichtes an der israelit. Jugend von
Vorderweidenthal erteilt, unter der Auflage, dass er sich der nächsten Prüfung am
Schullehrerseminar unterziehe“.
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 4.2.1843: Katzenberger wird die Erlaubnis
erteilt, den Religionsunterricht an der israelit. Schule zu Vorderweidenthal bis zum
Ende des Schuljahres fortzusetzen, „wobei ihm jedoch wiederholt aufzugeben ist,
daß er sich der nächsten Prüfung bei dem Schullehrerseminar unterwerfe und die
Nachweise über ein günstiges Resultat derselben beibringe“.
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 27.6.1844: „Die Errichtung einer israelit.
Schule kann solange nicht gestattet werden als nicht für ein auf 300 Gulden
festgesetztes Lehrergehalt gesorgt ist. Da die Israeliten dieses Gehalt nicht mit einem
Beitrag aus der Gemeindekasse aufzubringen vermögen, ist die israelit. Schuljugend
in der Volksschule unterzubringen:“
Das kgl. Landkommissariat am 28.5.1845: „Man ist in Kenntnis gesetzt worden, der
Religionsunterricht werde den israelit. Kindern in Vorderweidenthal durch einen
nicht geprüften und auch nicht bestätigten Privatlehrer erteilt, „welcher auch noch
ein Ausländer sei“. Das Bürgermeisteramt wird aufgefordert, Bericht zu erstatten.
Das kgl. Landkommissariat am 4.6.1845: In Folge des Berichts vom 31. v. Monats
wird dem Bürgermeisteramt den Auftrag erteilt in Erfahrung zu bringen, „ob das in
Vorderweidenthal als angeblicher Vorsänger sich aufhaltende Individuum nicht
auch noch der israelit. Jugend Religionsunterricht erteilt“.
Das kgl. Landkommissariat am 30.10.1845: Das Bürgermeisteramt hat dem Josef
Weill zu Protokoll zu eröffnen, „er habe die Gemeinde binnen drei Tagen zu
verlassen. Sollte er diesem Befehl nicht nachkommen, so ist er der unterfertigten
Behörde vorzuführen, damit dessen Ausweisung über die Grenze Verfügt resp.
verwirklicht werde“.
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 16.5.1846: „Da der israelit.
Schuldienstexpektant Hermann Grünebaum aus Münchweiler bei seiner Entlassung
aus dem Schullehrerseminar in Kaiserslautern im Jahre 1844 in der israelit.
Religionslehre die Note gut erhalten hat, derselbe während seiner Verwendung in
Edesheim nach dem Zeugnis des Bezirksrabbinats mit gutem Erfolg den israelit.
Religionsunterricht erteilt hat, so steht seiner Verwendung als Religionslehrer der
israelit. Schulkinder in Vorderweidenthal kein Hindernis im Wege. Das Kgl.
Landkommissariat hat jedoch mit aller Strenge darüber zu wachen, daß bezüglich
des Elementarunterrichts die Ortsschule von der israelit. Schuljugend regelmäßig
besucht werden muss.“
265
Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 13.8.1856: „Die diesjährige Schlußprüfung
der Seminarzöglinge betr.: Da der israelitische Vorbeter Abraham Eppinger
Abraham seit längerer Zeit in einem anstößigen Verhältnisse zu einem übel
beleumundeten Judenmädchen, die in Vorderweidenthal Wirtschaft hält, steht und
von diesem Verhältnis trotz ergangener Verwarnung nicht abläßt, so kann er zur
diesjährigen Schlußprüfung der Seminarzöglinge in Kaiserslautern nicht zugelassen
werden.
Die bayerische Verfassung von 1817 verpflichtete die jüdischen Kinder zum Besuch
der öffentlichen Schulen „mit Ausnahme ihrer besonderen Religionslehre“. Die
Juden wollten eigene Schulen, um ihre Kinder in die Bibel einzuführen und im
Talmud zu unterrichten. Auch lernten die Kinder dort die Grundkenntnisse der
hebräischen Schrift kennen. Eine Schule zu betreiben war jedoch nur unter Großen
finanziellen Anstrengungen möglich, da die jüdischen Schulen keine Zuschüsse von
der Regierung bekamen und auch von der politischen Gemeinde nicht angemessen
unterstützt wurden. Die israelitische Schule von Vorderweidenthal konnte aus
eigenen Mitteln für die Besoldung einer Lehrerstelle nicht aufkommen. So versuchte
man sich mit Schuldienstexpectanten (Lehramtsanwärtern) zu behelfen. Sie wurden
eingestellt und durften solange unterrichten bis die Kgl. Regierung in Speyer sie
aufforderte, endlich die erforderlichen Prüfungen am Schullehrerseminar in
Kaiserslautern abzulegen.
Die Mikwe - das Badhaus der Vorderweidenthaler Juden
Überall wo Juden in Großer Zahl leben, zählt auch eine Mikwe zu den notwendigen
Einrichtungen. Die Mikwe ist ein rituelles Tauchbad, in dem man den Körper völlig
untertauchen kann. Die Mikwe (hebräisch: Becken oder Brunnen, wo es fließendes
Wasser gibt) diente der Erfüllung biblischer Gebote. Eine Frau pflegte die Mikwe
nach ihrer Menstruation zu benutzen, ein Mann gebrauchte sie nach dem Kontakt
mit einem Leichnam oder mit Unreinem. Angesichts der früher schlechten
hygienischen Zustände hatte sie auch eine medizinische Funktion. Im Volksmund
wurde die Mikwe auch als Judenbad bezeichnet oder als „Badhäuschen“. Es durfte
nur vom Grundwasser oder fließendem Wasser gespeist werden und lag meist in der
Nähe eines fließenden Baches. In den Jahren 1828 bis 1838 ließen die pfälzischen
Regierungsbehörden die „Reinigungsbäder der Israeliten“ auf ihre hygienischen
Zustände hin untersuchen, denn in vielen Fällen genügten die Bäder nicht den
Anforderungen. In einem Bericht an die Königl. Regierung des Rheinkreises aus
dem Jahr 1838 heißt es: „Ordnungsgemäß eingerichtete Bäder hatten Homburg,
Bergzabern, Albersweiler, Vorderweidenthal, Münchweiler/Alsens...“ (LA Speyer
Best. H 3 Nr. 8237) Im Jahr 1838 ist also eine Mikwe in Vorderweidenthal
nachzuweisen. Darüber, wo diese Mikwe stand, gibt uns das Urkataster von 1843
Auskunft. Dort ist auf die Pl.Nr. 79 Seligmann Blum als Eigentümer eingetragen:
Badhaus mit Pflanzgarten. Es wird hinzugerügt: „Von Magdalena Schmitt getrennte
Ehefrau von Marx Stoffel in Gemeinschaft mit dem Bruder Alexander Blum am 5.
Juli 1835 um 150 Gulden erkauft und den Anteil des Bruders im Jahr 1842 von
266
demselben abgetreten erhalten.“ Die Mikwe stand hinter dem Haus von Seligmann
Blum, Pl.Nr. 78, (heute Norbert Daußmann), dort wo heute der Parkplatz auf der
rechten Seite der Berwartsteinstraße sich befindet, ist. in einer Rechnung der
Synagoge von Vorderweidenthal für das Jahr 1857 ist bei den Ausgaben im 3.
Kapitel ein Betrag von 25 Gulden für die „Reparatur am Badhause“ eingesetzt. Auf
einer Fotokopie aus dem Jahr 1880 ist das Gebäude mit einem Schornstein versehen,
aber kein Wohnhaus. Das könnte auf eine Badstube hindeuten, in der warmes
Wasser bereitet werden konnte. Richard Kalkofen hat im Pfarrbuch von
Vorderweidenthal recherchiert, dass die Mikwe mit heißen Steinen aufgeheizt
wurde. Von da an bleibt die Geschichte des Bades im Dunkeln.
Die Synagoge
Vorderweidenthal gehörte zum Rabbinatsbezirk Landau. In einer Bescheinigung des
Vorstandes der jüdischen Kultusgemeinde von Vorderweidenthal vom 13. März
1846 heißt es: „Der unterzeichnete isr. Vorstand bescheinigt hierdurch, daß die Liste
über die Familienhäupter dahier ... seit 14 Tagen in der Synagoge zur Einsicht offen
gelegen hat“. Die jüdische Kultusgemeinde Vorderweidenthal hatte also eine
Synagoge. Es Dürfte sich dabei um einen bescheidenen Versammlungsraum
gehandelt haben, für den ein Glaubensgenosse ein größeres Zimmer zur Verfügung
gestellt hat. Ein jüdischer Gottesdienst konnte stattfinden, wenn zehn Männliche,
mindestens 13 Jahre alte Juden anwesend waren. Die Rechnung der Synagoge von
Vorderweidenthal für das Jahr 1857 gibt uns unter dem Posten „Ordentliche
Ausgaben“ folgende Auskunft: für Palmzweige und Paradiesäpfel an Josef Samuel
1,20 Gulden, für Gehalt des Syagogendieners an Lazarus Ackermann 2,42 Gulden,
für Vorlesung am Hamansfest an Josef Samuel 1,30 Gulden, Gehalt des Rechners
Leon Blum 5 Gulden, für Vorbeten am Versöhnungstag an Josef Samuel 3,30
Gulden, für Vorlesung am Laubhüttenfest an denselben 2,30 Gulden. Die
Einnahmen und die Ausgaben der israelitischen Synagoge von Vorderweidenthal
pro 1856 betragen in Einnahmen 161, an Ausgaben 128,92 Gulden, was ein
Überschuss von 32,08 Gulden ergab. Den Synagogenausschuss bildeten Alexander
Blum, Eduard Blum und Marx Levy. Alexander Blum war auch Deputierter „behufs
der Ermittlung des Rabbinats - Gehaltes pro 1846 - 1848“. Er hatte sich an einem
„noch näher zu bestimmenden Tag nach Landau zu Verfügen, um in allen
Angelegenheiten des israelitischen Cultes sowie Rabbinats und der Verhältnisse der
isr. Glaubensgenossen im Allgemeinen“ seine Gemeinde zu vertreten.
In Vorderweidenthal lebten 1872 noch sieben israelitische Familien. Sie werden in
einem Schreiben des kgl. Bezirksamts Bergzabern am 17. Juni 1872 aufgefordert
„entweder einen Synagogenausschuß zu wählen oder aber Antrag auf Auflösung der
Cultusgemeinde zu stellen“. Daraufhin schließen sich die Israeliten von
Vorderweidenthal „der israelitischen Cultusgemeinde“ Erlenbach an. Drei Jahre
später wurde mit Schreiben des Bezirksamts Bergzabern vom 9. Februar 1875 die
267
israelitische Kultsgemeinde Vorderweidenthal aufgelöst: „Die Israeliten
Vorderweidenthal werden der israel. Cultusgemeinde Erlenbach zugeteilt.“
Der Friedhof
Die Juden von Vorderweidenthal besaßen gemeinsam mit denen von Ingenheim
einen gemeinsamen Friedhof in Ingenheim. Bis zur ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurden die verstorbenen Juden von hier in Ingenheim beigesetzt. Im
Jahr 1824 wurde der jüdische Friedhof von Busenberg gegründet. Von da an
begannen auch die Vorderweidenthaler Juden ihre Toten dort zu beerdigen. Das alte
Gewohnheitsrecht, nach Ingenheim zu gehen, wurde immer mehr ausgehöhlt. Nun
wurde vermutlich versucht mit einem „Local - Polizei - Beschluß „ die alte Ordnung
beizubehalten. Interessant ist der Inhalt des Beschlusses, gibt er uns doch Auskunft
darüber, wie eine jüdische Beerdigung vonstattenging:
„Bürgermeisterei Vorderweidenthal
Local - Polizei - Beschluss
Nach der Ansicht des königl. Regierungsbeschlußes vom 26. August 1845 und das
.... des königl. Landkommissariats Bergzabern vom 3. l. Mts. No 24 beschließt, was
folgt:
§ .1. Die hiesige israelitische Gemeinde, welche mit der isr. Gemeinde zu Ingenheim
einen gemeinschaftlichen Friedhof besitzt, ist verbunden, einen passenden
Leichenwagen auf gemeinschaftliche Kosten herstellen zu lassen, um sich dessen
beim Verbringen des Leichnams auf den Friedhof zu bedienen.
§ .2. Wer die Leiche begleiten will, muß anständig gekleidet sein und die Träger mit
einem Hut bedeckt sein.
§ .3. Leidtragende Männlichen Geschlechts, welche die Leiche begleiten, müssen
gleich hinter dem Leichenwagen gehen. Diesem folgen die Rabbiner, dann der
Lehrer mit der Männlichen Schuljugend, sofern es ohne Beeinträchtigung des
Schulunterrichts geschehen kann, alsdann die Übrigen langsamen Schrittes, in
geordnetem Zuge. Auf beiden Seiten des Leichenwagens darf niemand gehen, als
eben die zum Ablösen beim Tragen bestimmten Personen.
§ .4. Das bisher übliche Almosen-Sammeln darf nur am Sterbehause, bevor der
Leichenzug beginnt, oder außerhalb des Ortes und überhaupt nur in der
Voraussetzung geschehen, daß die eingesammelten Geldbeträge zu religiösen oder
wohltätigen Zwecken verwendet werden.
§ .5. Das Grab muß fertig sein, bevor die Leiche auf dem Friedhof anlangt, damit sie
sofort beigesetzt werden kann.
§ .6. Der Rabbiner oder dessen Stellvertreter hat zu bestimen, welche Gebete
während des Leichenzuges auf dem Friedhof gesprochen werden sollen.
268
§ .7. Alle Zuwiderhandlungen gegen vorstehenden Beschluß sollen dem einfachen
Polizeigerichte zur Bestrafung angezeigt werden.
§ .8. Gegenwärtiger Beschluß soll nach erfolgter Genehmigung dem königl.
Landkommissariate und dem königl. Friedensgerichte abschriftlich mitgeteilt
werden.
Vorderweidenthal, den 14. September 1845
Das Bürgermeisteramt
Puster“
Der jüdische Friedhof von Ingenheim ist vermutlich Ende des 17. Jahrhunderts
angelegt worden. Der Weg nach Ingenheim war weit und von Vorderweidenthal bis
nach Münchweiler in einem miserablen Zustand wie aus dem Bericht einer
Regierungskommission hervorgeht. Es ist daher, auch wegen des kürzeren Weges
nach Busenberg, nachvollziehbar, dass man bereits vor der Mitte des 19.
Jahrhunderts sich darauf verständigte, die Toten auf dem jüdischen Friedhof in
Busenberg zu beerdigen. So wurden im Juli 1843 Esther und ihre Tochter Jaffa
Scheinel aus Vorderweidenthal dort beerdigt. Der letzte Vorderweidenthaler Jude,
Bernhard Samuel, wurde 1934 auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. Von den
Hinterbliebenen des Gutsbesitzers und Viehhändlers Alexander Blum, der am 3.
September 1868 verstorben ist und drei Tage später auf dem jüdischen Friedhof von
Busenberg beerdigt wurde, ist uns folgende Danksagung überliefert:
„ Öffentliche Danksagung“
Bei dem am 6. dieses Monats stattgehabten Leichenbegängnis des Rentners
Alexander Blum in Vorderweidenthal hat die dortige Einwohnerschaft und jene der
Nachbargemeinden den Antheil, welchen sie an unserem Verluste nimmt, und die
Achtung, welche sie dem Verblichenen stets gezollt hat, in einer Weise bestätigt, die
uns veranlaßt, derselben hiermit unseren Dank öffentlich auszusprechen.
Insbesondere fühlen wir uns verpflichtet, der Gemeindeverwaltung, welche ohne
alles Zuthun von unserer Seite während des Abgangs des Leichenzugs mit den
Glocken läuten ließ und dem Gemeinderath, dessen Mitglied der Verlebte seit 50
Jahren war, der den Leichenzug bis zum israelitischen Begräbnisplatz nach
Busenberg folgte, zu danken.
Vorderweidenthal, 7. September 1868
Die Hinterbliebenen“
269
Grabstein von Alexander Blum auf
dem jüdischen Friedhof von
Busenberg
Die Verfolgung in der Nazizeit
Es ist gerichtskundig, dass am Abend des 2. Oktober 1938 am Anwesen des
Viehhändlers Bernhard Pfeiffer in Erlenbach, dessen Vorfahren aus
Vorderweidenthal stammten, einzelne Fensterscheiben eingeschlagen und das Haus
mit Parolen verschmiert wurde. Laut einer mündlichen Quelle wurde auch der BDM
von Vorderweidenthal nach Erlenbach geführt, um dort Schmählieder auf die Juden
zu singen. In den Listen der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem findet man den
Namen von Adolfine Baer geb. Samuel (geb. 1884 in Vorderweidenthal). Sie wurde
1942 von Darmstadt aus nach Theresienstadt deportiert, umgekommen ist sie im
Januar 1943 in Auschwitz.
Die Urenkelin von Alexander Blum, Frau Anni Ebbecke - Blum, geboren 1903 in
Bergzabern, emigrierte 1936 zusammen mit ihrem Lebensfährten Hans Ebbecke
nach Belgien und heiratete den Pianisten und Dirigenten dort. Nach der Besetzung
Belgiens durch die Wehrmacht flohen sie nach Frankreich und wurden dort als
270
„feindliche Ausländer“ interniert. Sie kamen in das Lager Gurs („das Große
Hauptquartier des Elends“) am Fuß der Pyrenäen und mussten dort unter
entwürdigenden Umständen leben. 1942 durften sie das Lager verlassen und fanden
Asyl in der Schweiz. Anni Ebbecke - Blum arbeitete später in Brüssel und London
als Erzieherin und starb 1989. Ihre Eltern Max und Ida Blum wurden von den Nazis
in Bergzabern in den wirtschaftlichen Ruin getrieben und wählten den Freitod.
Quellen und Literatur:
LA Speyer L56,44 -46
LASpeyerH31 Nr. 5270
LA Speyer G 6 Nr. 81030
LA Speyer P 16 Nr. l ff.,
GA Vorderweidenthal KA 2 Nr. 3c
GA Vorderweidenthal KA 12 Nr. 61c
GA Vorderweidenthal KA 12 Nr. 63c
GA Vorderweidenthal KA 19 Nr. 80d
Volz, Günther: Überlebenswege, in: Heimat - Jahrbuch 2005. hg. v. Landkreis Südliche
Weinstraße, S. 22-24 Weber, Otmar: Der jüdische Friedhof Busenberg, Dahn 1998
Grabstein von Blümel Levie
271
Der gute Tod der Blümel Levie
(Auf dem Judenfriedhof bei Busenberg in der Pfalz)
Monika Cämmerer
Ruht hier unter ihresgleichen
Blümel Levie
hinter gelb und weißen Blumen,
hinter Hahnenfuß und Margeriten,
eng umhegt von einer Buchenhecke.
Biegt sich Gras und violetter Günsel
vor den dunkelrosa Steinen,
schiebt sich Efeu zwischen Immergrün und Nessel
vor die abgeweinten Schriften,
und darüber wölbt sich Laub von Linden
unter einem harmlos blauen Himmel.
Wußte man nicht viel von Blümel Levie.
Kam von irgendwo nach Vorderweidenthal,
hatte keinen Mann und keine Kinder,
und gelesen hat am End das Kaddisch,
Simon Levi, den sie Vetter nannte.
Der sie aufgenommen in sein Haus,
wo sie hat gewiegt ihm
seine sieben Kinder,
und das Schutzgeld hat er auch gezahlt.
Hat nicht viel gehabt, die Blümel Levie,
war auch nicht mehr jung.
Hat sich nie gemischt in andrer Leute Sachen,
aber hat gewußt sehr viel von all den Blumen,
die gewachsen sind in Vorderweidenthal.
Hat gewußt, was gut ist gegen Seuche bei den Kühen,
und was Sannchen Blum hat trinken müssen,
als sie’s kriegte auf der Brust.
Hat nicht viel verlangt, wenn man sie fragte,
hat gereicht für Sabbatbrot und Öl.
272
War zufrieden mit der einen Ziege
und ist noch im hohen Alter
ganz allein den Weg gegangen
hin nach Busenberg zur Synagoge.
Fragte keiner, wer die Eltern waren
von der Blümel.
War halt eine von den Levis,
von den vielen Levis, die der Herr
ausgestreut hat über unsre Erde,
ausgestreut hat wie die gelb und Weißen Blumen
auf den Wiesen Vorderweidenthals.
Hinter Gras und wilden Krautern,
die sie allesamt mit Namen kannte
wie die Seinen hat gekannt der Moses,
ruht hier Blümel Levie aus in Gott.
Ruht hier aus von ein paar guten Stunden,
ruht hier aus von vielen Nöten
und von einem stillen Tod.
Hat dereinst geweint um Siegels kleinen Jungen,
dem sie hat erzählt vom Löwen Judas,
um ihm Mut zu machen gegen seine Schmerzen,
als kein Kraut mehr helfen konnte.
Hat sich lesen lassen auch den Brief von drüben,
den geschrieben hat an seine Muhme
Edmund Levi,
den sie mehr geliebt hat als die ändern.
Hat geschrieben, daß sie kommen solle,
daß sie wiegen solle seine Kinder,
aber Blümel Levie wollte nicht.
Hat nicht wissen können, dass nur dieses einen
Kind und Kindeskinder würden übrigbleiben
von den ändern Levis.
Von den Levis, die geblieben sind in ihrer Heimat.
Nichts hat Blümel Levie ahnen können.
Hätte sonst gepriesen alle Tode,
die sie ansah.
273
Hätte nicht geweint um Siegels Kleinen,
auch nicht um das Siechtum von der schönen Sarah Engel –
Hätte nicht die Haare sich gerauft,
um den alten Katz, den sie gefunden
tot am Weg, der weiterführt nach Dahn,
wo der Viehmarkt ist gewesen.
Konnte ja nicht wissen, Blümel Levie,
daß das alles gute Tode waren,
kannte ja die Todesrampen nicht.
Hat gelitten auch, die Blümel Levie,
lebte aber unter ihresgleichen
ungeschoren.
Wußte keiner, wie sie richtig hieße.
Hat geheißen immer Blümel Levie.
Hat gelebt so und ist so gestorben
eines lauen Maiennachmittags.
Hat zum Schluss auch ihren Stein bekommen,
den der Simon Levi ihr bestellte.
Nicht sehr groß, doch alles wie es sollte:
vorn hebräisch und auf deutsch im Rücken,
mit dem Angesicht nach Osten,
wie es alle Levis hatten -
und sie hatte einen guten Tod.
Friede durfte ihre Asche haben,
und das war allein schon Gnade,
wußten später Levis Kindeskinder -
Blümel Levie hat das nicht gewußt.
Ruht hier unter ihresgleichen
zwischen Gras und violettem Günsel
Blümel Levie.
Hatte manche Kümmernisse,
hatte ein paar gute Stunden
und am Ende einen guten Tod.
aus: Monika Cämmerer. Lyrik-Prosa
Jahresgabe der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe 1987
274
Schlettenbachs Kampf um die Post
Jannpeter Zopfs
Wer den amtlichen Busfahrplan der Südwestbus-Linie 525 (Annweiler - Bad
Bergzabern und zurück) durchsieht, findet genau in der Mitte der Strecke die
Haltestellenbezeichnung „Gleichmann“. So heißt diese Haltestelle nicht etwa
deshalb, weil es von dort gleich weit zu beiden Endpunkten der Strecke ist. Die
Erklärung kann man vielmehr auf dem schon 1839 eröffneten Friedhof in
Oberschlettenbach in der vierten Reihe links finden. Dort ist auf dem
Marmorgrabstein der Name „Gleichmann“ zu lesen wie übrigens auch auf dem
Friedhof in Darstein. Friedrich Gleichmann war der erste vom königlich-bayrischen
Oberpostamt zu Speyer ernannte Posthilfsstelleninhaber der Posthilfsstelle
Oberschlettenbach. Gemäß Verfügung des Oberpostamts Nr. 17384 vom l. Mai 1901
trat diese Stelle „am 15. Mai 1901 in Wirksamkeit“. Das war der erste Erfolg im
langen, zähen Kampf der Dortbewohner um den direkten und bequemen
postalischen Anschluss an die Große weite Welt. Doch das blieb nicht so.
Am 14. März 1901 hatte Bürgermeister Christmann für das Dorf „mit seinen 238
Einwohnern“ anlässlich der „nunmehr genehmigten Postomnibusverbindung
Annweiler - Erlenbach“ gebeten, eine Posthilfsstelle einzurichten. Das Dorf war der
„nahezu eine Stunde entfernten Postagentur Schwanheim“ zugeteilt, konnte aber für
die Hilfsstelle ein „stattliches Wohnhaus, dem Fr. Gleichmann, hier, gehörig, an der
Distriktstraße befindlich“anbieten von dem Gleichmann selbst schrieb, „solider
Steinbau, eigentlich zum Betrieb einer Wirtschaft bestimmt“.
Heute heißt das Anwesen „Hahnenhof’ und gehört der Landeskirche, die dort das
Dekanatsjugendheim betreibt. Lange Jahre war dort eine Gastwirtschaft, gab es dort
Tanzvergnügen: Manche spätere Ehe hatte dort ihren Ursprung.
Zurück zum Gesuch des Bürgermeisters Christmann: Es endete mit dem post
scriptum:
„ Es sei noch gestattet, auch hier den allgemeinen Wunsch der
Thalbevölkerung von Vorderweidenthal bis Annweiler zum Ausdruck zu
bringen, der darin besteht, dass es durch zweckmäßige Festlegung der
Fahrzeiten den Landbewohnern ermöglicht werde, an einem Tage zur Stadt
(Annweiler) und wieder zurück ins Heimatdorf unter Benutzung des
Postomnibusses gelangen zu können.“
275
Die Posthilfsstelle Gleichmann auf einer alten Postkarte
Aus diesem Wunsch wird deutlich, dass der Postomnibus eine Pferdekutsche, der
berühmte „gelbe Wagen“ war, den circa 70 Jahre später der Bundespräsident Scheel
besungen hat. Diese Kutsche fuhr damals um „7 3/4 Uhr vormittags Richtung
Annweiler, 5 1/2 Uhr nachmittags Richtung Erlenbach“. Für die Posthilfsstelle
bewilligte die Generaldirection in München ein jährliches Aversum von jeweils 50
M einmal für Hilfsstellen-, zum anderen für den Zustelldienst. Damit hatte die
Großzügigkeit aber erst mal ein Ende. Die Bitte von Oktober 1901, den im Mai zur
Posthilfsstelle an die Distriktstraße verbrachten Briefkasten zurück ins Dorf zu
setzen, lehnte München mit Verfügung Nr. 8067 Schließlich am 3. März 1902 ab.
Die am 28. November angeordnete Zählung hatte ergeben, dass im Zeitraum von 14
Tagen insgesamt 27 Briefe und 17 Karten bei der Hilfsstelle eingeliefert und 8
Briefe, 12 Karten aus dem Postkasten entnommen waren. Aber Oberschlettenbach
gab sich nicht geschlagen. Der listige Bürgermeister, für den anscheinend der ebenso
listige Dorfschullehrer die handschriftlichen Briefe aufsetzte übrigens mit viel
besserer Schrift als z.B. der Obergerichtsschreiber Blessmann vom königlich-
bayrischen Appellationsgericht zu Zweibrücken wandte sich nun an das Bezirksamt
Bergzabern und begann das Gesuch vom 25. August 1902 mit dem eindrucksvollen
Satz:
„ Wohl wird außer Oberschlettenbach in der ganzen Pfalz kein Dorf zu finden
sein, das keinen Briefkasten hat. ...“
276
Daraufhin gab es neue umständliche Ermittlungen, wieviel und wie oft und von wo
bis Schließlich am 12. Februar 1903 also im Jubeljahr 2013 genau vor 110 Jahren
die Generaldirection in München entschied, der Briefkasten könne wieder beim
Gemeindehaus aufgestellt werden, sei täglich einmal zu leeren. Und so ist es noch
heute. Man weiß trotz der am Briefkasten vermerkten Uhrzeit der Leerung nur nicht,
zu welchem Zeitpunkt das geschieht. Geleert wird nämlich durch den
Postzustelldienst, der manchmal am Vormittag, ebenso oft aber auch am Nachmittag
kommt. Man kann aber beim Einwurf eiliger Briefe aus der Art des Aufpralltons
entnehmen, ob heute schon geleert wurde oder erst morgen die Post abgeht. Übrigens
konnte der Postamtsschimmel in München sich nicht den Hinweis verkneifen, dass
entscheidend nicht etwa die Menge der Postsachen, sondern der Umstand gewesen
sei, dass der Postkasten ja früher schon im Dorf gestanden habe.
In der Zeit vom l. Oktober 1903 bis 30. September 1905 zog sich Gleichmann aus
dem „soliden Steinbau an der Distriktstraße“ ins Dorf zurück. Er überließ seinem
Pächter Johannes Dörrzapf die Aufgabe, als Posthilfsstelleninhaber Post zu sortieren
und als Gastwirt Bier auszuschenken. In dieser Zeit kam der zähe Kampf um den
postalischen Anschluss zu einem besonderen Höhepunkt. Am 9. Juli 1904 bat
Dörrzapf das Oberpostamt in Speyer um eine merkliche Erhöhung seiner Einkünfte,
„da sich in den letzten Monaten die Post-Correspondencen bedeutend vermehrten“,
zumal „in Darstein 100 M ohne Austragen gezahlt werden (die Post wird sämtlich
abgeholt)“. Das Oberpostamt reagierte sauer und forderte das Bürgermeisteramt in
Oberschlettenbach auf, „eine geeignete Persönlichkeit in Vorschlag zu bringen,
welche bereit ist, den Posthilfsstellendienst dort selbst gegen eine Jahresvergütung
in bisheriger Höhe zu versehen“. Der Bürgermeister nannte als geeignet den
„hiesigen Lehrer Karl Boelt“ aber die Post müsse in das Dorf gebracht werden. Das
wollte Speyer nicht. Dörrzapf entschloss sich wahrscheinlich zähneknirschend am
l0. August 1904 ohne Erhöhung weiter zu machen, zunächst jedenfalls. ...
Aber schon am 20. Januar 1905 wurde ein Schreiben aufgesetzt, worin die „hiesige
Bevölkerung und der Gemeinderat“ höflichst um eine Postverlegung ins Dorf bitten.
Annweiler und Bergzabern, die nächsten Städte, seien in zweieinhalb Stunden erst
mit der Post zu erreichen. Und weiter wörtlich:
„Aber dieselbe geht nicht in unsere Dörfchen, sondern Hält an einem einsamen
Wirtshaus, das acht bis zehn Minuten vom Ort entfernt ist. Will nun jemand
eine Postkarte fortsenden, so muss er diesen weiten Weg machen. Die Post ist
aber zugleich Wirtschaft. Man geniert sich, so fortzugehen und trinkt
Schließlich ein Glas Bier oder 1/2 Wein. Abgesehen von der Zeitversäumnis
kommt dann die Postkarte gleich auf 20 bis 30 Pfennig. Nun denke sich Kgl.
Oberpostamt, wenn jemand bei schlechter Witterung ein Paket auf die Post
tragen muss acht bis zehn Minuten lang. Bis er hinkommt ist er durchweicht.
277
Außerdem ist es auch für die Passagiere unangenehm, bei Wind und Wetter
diese Strecke zu laufen an dunklen Winterabenden. Nun wäre dem allen leicht
ohne eine Große Veränderung herbeiführen zu müssen abzuhelfen. Die Post
Annweiler geht abends von Vorderweidenthal und Erlenbach offen gesagt
umsonst, denn die Bergzaberner Post geht ebenfalls nach Erlenbach um
dieselbe Minute. Beide können miteinander sogar wettfahren, wenn sie
wollten. Gerade so ist es morgens, da kommen beide auch miteinander. Die
Annweilerer Post könnte natürlich bei Verlagerung der Oberschlettenbacher
Posthilfsstelle ins Dorf herein gemütlich bei höchsten zehn Minuten
Fahrzeitverlängerung ins Dorf hineinfahren auf einer festen Straße. Kommt
sie dann nach Vorderweidenthal, könnte die Bergzaberner Post die Sachen für
Erlenbach mitnehmen, die Annweilerer Post aber in Vorderweidenthal
bleiben. Dort gibt es sogar auf der Postagentur einen schönen Poststall. Die
Fahrtstrecke wäre dann auch nicht größer für die Annweilerer Post, ja noch
etwas näher.“
Unterschrieben hatten nicht nur der Gemeinderat (Christmann, Stöbener, Funck,
Helfer, Christmann, Wagner, Veiock, Christmann) sondern weiter auch die
Ortsbewohner Boelt (der Lehrer) und Bischoff. Dieses Ansinnen lehnte Speyer am
27.02.1905 kühl ab unter Hinweis auf den ziemlich geringfügigen Postverkehr und
auf die nur mittlere Entfernung von 600 Metern „wenn man hiermit die in größeren
Orten und auch in Städten mit lebhaftem Postverkehr gegebenen bezüglichen
Verhältnisse in Vergleich zieht“.
Ein halbes Jahr später unternahm Dörrzapf einen neuen Anlauf: Er brachte am
28.08.1905 „dem Kgl. Oberpostamt zur gefälligen Kenntnis“, dass er „am l. Oktober
d. J. aus dem Hauße an der Straße Darstein - Vorderweidenthal ausziehen tut und im
Ort O. zu wohnen kommt“. Die nun mit Ermittlungen beauftragte Kgl. Postagentur
in Schwanheim berichtete in Gestalt des Agenten Hammer am 8. Sept. 1905,
Oberschlettenbach zur Winterszeit zu befahren sei unmöglich „indem mehrere
laufende Brunnen durch den Ort laufen und bei Eintreten der Kälte die ganze
Ortsstraße mit Eis“ überziehen. Wer haftet dann dem Posthalter „bei etwa ereigneter
Verunglückung eines Pferdes“ für den Schaden?
Das findige Oberpostamt deckte nun aber auf, dass der frühere Hilfsstelleninhaber
Gleichmann wieder die Wirtschaft und den Postdienst übernehmen wolle. Damit
hatte Dörrzapf ausgespielt und Hilfs- sowie Haltestelle blieben an der
Distriktsstraße.
Erst für das Jahr 1908 lässt sich den Akten im Landesarchiv Speyer ein neuer
Vorstoß entnehmen. Bürgermeister Christmann hatte am 16. August gebeten, die
beabsichtigte staatliche Telefonstelle nicht bei der Posthilfsstelle, sondern im Ort bei
dem Polizeidiener Christian Stoffel anzulegen, anderenfalls werde die Gemeinde auf
ihre Kosten eine gemeindeeigene Leitung legen. Nun wollte das Oberpostamt zwar
278
die gesamte Hilfsstelle in das Dorf verlegen, dann müsste aber, da „nicht angängig
ist, den Postomnibus in das Dorf einfahren zu lassen“, der Hilfsstelleninhaber sich
verpflichten, die Post zweimal täglich abzuholen und auszutragen. Aber schon im
Oktober sahen der Bezirksbaumeister Tillmann und sogar der Postagent Hammer
aus Schwanheim die Möglichkeit, mit der Kutsche ins Dorf einzufahren und am
Ortseingang zu wenden, wenn z.B. die Hilfsstelle in die dort befindliche Wohnung
des Schuhmachermeisters Hettig käme. Auf Anfrage erklärte der Bürgermeister,
Hettig wolle nicht, wohl aber der Schmiedemeister Adam Stoffel und auch Heinrich
Gerhardstein, die 80 bis 100 Meter weiter dorfeinwärts wohnten als Hettig.
Hier bricht das aus losen Blättern bestehende Aktenstück über die Post in
Oberschlettenbach im Landesarchiv Speyer unvermittelt ab. Offenbar haben aber die
Dorfbewohner wieder keinen Erfolg gehabt. Denn aus der Postakte für
Vorderweidenthal ergibt sich für den 21. Dezember 1913 ein erneuter Antrag aus
Oberschlettenbach, unterschrieben vom Rat, vom Lehrer Traxel und von 42
Dorfbewohnern (darunter l0x Stoffel, je 5x Wagner und Veiock, 4x Christmann, 3x
Stöbener), Hilfsstelle und Haltestelle in den Ort zu verlegen. Auch dieser Versuch
scheiterte aber, weil der inzwischen zuständige Postagent Böhm aus Annweiler auf
Anforderung einen langen, negativen Bericht vorlegte.
Gesellschaft vor der Kraftposthaltestelle. Gastwirtschaft Funck
279
Wann die Posthilfsstelle Schließlich doch ins Dorf kam, wann die Passagiere und
Postsachen nicht mehr mit der Pferdekutsche, sondern mit Kraftfahrzeugen befördert
wurden, wann diese Postfahrzeuge in das Dorf hineinführen all das ist in Speyer
nicht zu finden.
Jedenfalls war die Posthilfsstelle, bevor Familie Ludwig und danach ab circa 1961
in der Langwiesenstraße Willi Stöbener sie betreuten, lange in der Gastwirtschaft
Funck am Dortbrunnen untergebracht. Heute ist die ehemalige Gaststube das
gemütliche Wohnzimmer der ältesten Dorfbewohnerin Paula Schmitt geb. Funck,
geboren 1926. Sie weiß noch aus ihrer Kindheit, dass die Postsachen von einem
Postauto bis zur Gastwirtschaft gebracht wurden. Wer eine auswärtige Schule
besuchte, musste allerdings bis fast in die 70er Jahre hinein aus dem Dorf bis zum
Hahnenhof laufen, um zum Bus zu kommen.
Letztlich haben die Oberschlettenbacher den Kampf um die Posthilfsstelle leider
verloren. Die Deutsche Bundespost fand in den 90er Jahren, die Hilfsstelle sei nicht
genug ausgelastet. Wiederum bemühten sich die Oberschlettenbacher: Viele
richteten schnell Konten und Postsparbücher ein, auf denen montags abgebucht
wurde, was freitags eingezahlt worden war und umgekehrt. Die Bundespost aber war
unerbittlich. Nachdem die Hilfsstelle noch eine Zeit lang im alten Schulhaus und
dann im Wohnhaus Heft untergebracht war, wurde sie Schließlich wie später auch
die Hilfsstelle in den viel größeren Orten geschlossen.
Der Busverkehr, jetzt nicht mehr von der Post betrieben, bedient mehrmals täglich
das Dorf. Und alle, fast alle Busse fahren bis zum Dorfbrunnen. Dort wenden sie
Mühsam und gelangen so zur Haltestelle, wie die Gastwirtschaft „ Nachtigall“ sich
auch nennt. Seit August 2012 wird ein 15-sitziger Kleinbus eingesetzt, der nicht nur
mühelos den Dorfbrunnen umrunden, sondern auch gut einen Kinderwagen oder
Rollstuhl aufnehmen kann. Vielleicht führt diese erfreuliche Neuerung zu besserer
Auslastung, damit wenn auch die Posthilfsstelle nur 100 Jahre existierte
Oberschlettenbach den Anschluss an den Busverkehr doch auf Dauer ins Dorf geholt
hat.
280
Vorderweidenthals Schicksalstage in den Jahren 1944/45
Richard Kalkofen
Der Vorderweidenthaler Mechaniker Josef Lämmel als „Sepp“ bekannt, ist bei
älteren Mitbürgern noch in bester Erinnerung.
Lämmel bat den Chronisten im Jahre 1952 die letzten Kriegsereignisse von
Vorderweidenthal, besonders aber den Aufenthalt der Bevölkerung im Stollen, zur
Erinnerung der Nachkommen aufzuschreiben.
Die zahlreichen Gespräche, Mitteilungen und Erzählungen von den älteren
Vorderweidenthalern aus dieser Zeit, vor allem aber die Erinnerungen und Notizen
des damaligen Gemeindepfarrers Esselborn lassen folgende Darstellung der
Vorderweidenthaler Schicksalstage von 1944/45 zu:
Am Westhang des Herrenwaldes nahe der Lindelbrunner Zufahrtsstraße erhebt sich
versteckt im Wald der Rappenfelsen. Während der Zeit des Westwallbaues sprengte
und trieb im Auftrag der Militärbehörde eine Saarbrücker Baufirma zwei Große
Stollengänge mit einer Querverbindung in den Berghang. Diese U-förmig angelegte
Stollenanlage, die angeblich als Sanitätsstollen geplant war, wurde vor
nachbrechendem Gestein durch starke Rundholzverstrebungen abgesichert. Nach
Beendigung der groben Ausbauarbeiten wurden die beiden Stolleneingänge
zugemauert.
Bei diesen Arbeiten beteiligte sich die Vorderweidenthaler Baufirma Jakob Becker.
Aus unbekannten Gründen unterblieb der weitere Ausbau.
Auch Vorderweidenthal blieb im Spätjahr 1944 von den Kriegsereignissen der
Westfront nicht verschont. Alles Geschehen, was mit Militär und Krieg
zusammenhing, war durch seine Ortslage nahe der deutsch-französischen Grenze
bedingt.
Der Durchgang militärischer Einheiten, der Wechsel von Einquartierungen und die
sich Häufenden Einsätze aller arbeitsfähigen Personen zu den Schanzarbeiten,
brachten Unruhe und Spannungen in das dörfliche Leben.
Zum Schutz vor amerikanischen Panzern wurden im Gelände Deckungsgräben und
Sperren angelegt. Was die Menschen bei dieser für sie überflüssigen Plagerei
empfanden, gab ein Schanzer zum Ausdruck. Er rief dem abfahrbereiten Busfahrer
zu: „Warte noch ein bisschen, meine 80-jährige Groß mutter will auch noch mit.“
Die Kartoffel- und Rübenernte war noch nicht beendet. Es fehlte an den notwendigen
Arbeitskräften.
281
Die Kriegsereignisse wurden spürbarer. Der Hunger nach Informationen war groß.
Eine Hiobsbotschaft jagte die andere. Die erregten Gemüter der Bewohner, die
Befürchtungen hatten, dass auch Vorderweidenthal zum Kriegsschauplatz wird,
sorgten sich um die Sicherheit für Leib und Leben. Im Mittelpunkt aller Gespräche
in den Familien und an den Stammtischen betraf die Frage, wo können wir
ausreichend Schutz vor Bomben und Granaten finden. Einige meinten, dass es gut
wäre, in der Nähe der Schindergrube Behelfsbunker und Unterstände anzulegen. Die
Einwände und Bedenken der Weltkriegsteilnehmer von 1914-18 waren
überzeugender. Schließlich kam als rettender Gedanke der zugemauerte
Sanitätsstollen am Rappenfelsen ins Gespräch. Aber keiner wusste, in welchem
Zustand der Stollen war, und ob er für die Vorderweidenthaler nutzbar wäre.
Bürgermeister Schmitt und Forstverwalter Hoffelder vom Lindelbrunn, in dessen
Forstamtsbezirk der Stollen lag, bemühten sich um die notwendigen Informationen.
Der zuständige Wallmeister des Heeres, der in Busenberg Quartier bezogen hatte,
und zu dessen Dienstaufsichtsbereich alle Befestigungsanlagen in diesem Raum
gehörten, teilte mit, dass der Stollen wegen seines gegenwärtigen Zustandes keine
militärische Verwendung finden würde. Die schriftliche Genehmigung zur Freigabe
für die Vorderweidenthaler Zivilbevölkerung blieb auf dem Dienstweg liegen. Die
Frontnachrichten, der von der Front zurückkehrenden Soldaten, vermehrten die
Befürchtungen und die Unsicherheit.
„Wer fragt nach uns?“, so fragten sich die Vorderweidenthaler verbittert, und so
begannen sie eigenmächtig zu handeln. Nach langem suchen fand Bürgermeister
Schmitt zwei beherzte Männer, die den Stollen auf seine Brauchbarkeit untersuchen
wollten. Es war der Mechaniker Josef Lämmel und der Wagner Jakob Funk.
Unter der gebotenen Vorsicht brachen die beiden einen Stolleneingang auf. Lämmel
stieg angeseilt mit einem offenen Licht in den finsteren Stollengang. Als er sich über
Felsbrocken und losgelöste Stützhölzer vorgearbeitet hatte, ging das Licht aus und
wollte nicht mehr brennen. Nur mit größter Mühe erreichte er den Ausgang. Ein
weiterer Versuch mit einer besseren Beleuchtung führte zu einem erfreulichen
Ergebnis. Der Stollen konnte bis auf Räumungsarbeiten und entsprechendem
Ausbau den Bewohnern Vorderweidenthals sicheren Schutz bieten.
Nach eingehender Beratung und Planung der Gemeindeführung rief die Ortsschelle
zum freiwilligen Arbeitseinsatz auf. Lämmel berichtete, dass sich von den
Einwohnern 497 dazu schriftlich bereit erklärten. Auch die Miesmacher waren
dabei. Zunächst stellte Forstverwalter Hoffelder seine Waldarbeiter und
Maurermeister Becker seine arbeitsfähigen Leute zur Verfügung.
282
Es war harte und schwere Arbeit. Der Boden wurde vom herabgestürzten Gestein
und Sand befreit. In die beiden Eingänge setzte man Fenster und Türen. Der vordere
Teil diente als Küchenraum. In jedem Eingang standen ein Kessel und ein Herd.
Dahinter lag ausreichender Lagerplatz. Zu beiden Seiten legte man Holzroste für die
Liegeplätze, und in den Mittelgängen baute man zweistöckige Bettlager. Außerhalb
errichtete man die Latrinen für Frauen und Männer. Zum Glück war in der Nähe
ausreichendes Quellwasser. Freilich war mancher dabei, der zu diesen Arbeiten
keine rechte Lust verspürte. Der eine hielt, der andere ließ nicht gehen, so erzählte
man später.
Die Bürger bekamen durch das Bürgermeisteramt folgende Information:
Alle Bürger von Vorderweidenthal finden im Stollen Aufnahme und Schutz. Die
Lagerstätten werden mit Stroh ausgestattet, und es kann jeder seine Matratzen
verwenden. Die Lagerplätze werden familienweise und nach Hausnummern belegt.
Im linken Stollengang werden die Hausnummern l -60 und im rechten Stollengang
die restlichen untergebracht. Jede Familie kann 1-2 Kisten mit ihrem wertvollsten
Gut und vollem Namen sowie Hausnummer in den Stollen bringen. Es soll so
gepackt werden, dass die Sachen für die Dauer des Krieges im Stollen verbleiben.
Jede Familie hat 2 Zentner Kartoffel, Holz und Kohlen bereit zu halten.
Beim Läuten der Kirchenglocken besteht höchste Gefährdung, und der Stollen soll
sofort mit aller Umsicht aufgesucht werden. In den nächsten Tagen fuhren voll
beladene Leiterwagen an den Stollen, wo Kisten und alte Truhen im hinteren Teil
abgestellt wurden.
Fünfhundert Bund Stroh stellten Adam Schmitt, Valentin Schmitt, Adam Wagner,
Heinrich Müller und Oskar Funck. Um den 2. Advent kam die
Evakuierungsanordnung von der wenige Bürger Gebrauch machten. Vor allem
waren es Frauen mit Kindern, Alleinstehende und ältere auch kranke Personen. Die
meisten Vorderweidenthaler lehnten die Räumung ab. Zu Beginn des Krieges
gehörten sie zur Roten Zone, das Grenzgebiet, das geräumt werden musste. Sie
kamen damals nach Oberfranken. Ihnen stand die Zeit der Trennung, des
Geduldetseins bei fremden Menschen und notdürftig aus Kasten und Koffern zu
leben lebhaft vor Augen. Keiner sprach von den Verlusten an Hab und Gut. Keiner
erwähnte die Schwierigkeiten, des Wiederanfangs bei der Rückkehr. Und der
Gedanke an Kühe, Pferde und Schweine im Stall weckte ablehnende Gefühle. Dazu
bestärkten sie auch die Soldaten. „Ihr müsst doch wieder zurück. Lieber in der
Heimat sterben als in der Fremde. Es geht keiner seinem Schicksal aus dem Wege!“,
so lauteten die Ratschläge. „Es gehe wie es wolle, wir bleiben!“ und so blieben die
meisten Vorderweidenthaler in ihrem geliebten Dorf.
In den Tagen vom 5.-9. Dezember hatte es unaufhörlich geregnet. Am 10. Dezember
war ein guter Tag. Dicker Nebel lag über Dorf und Wald. Feindlicher
283
Fliegerbeschuss war nicht zu erwarten. Jetzt konnte das letzte Stroh in den Stollen
gefahren werden. Die notwendige Beleuchtung bereitete den Verantwortlichen
Große Sorge. Petroleum und Kerzen waren nicht in gewünschter Menge zu beziehen.
Lämmel berichtete dem Chronisten, dass der Landrat bei Besichtigung der
Vorbereitungsarbeiten Petroleum versprochen hätte, was aber niemals eintraf.
Das Unheil kam näher. Bereits am 15. Dezember pfiffen Artilleriegranaten über das
Dorf und schlugen in das Hinterland der Gemarkung. Vorsichtige Bürger nutzten
das Gebot der Stunde. So zogen Bauernwagen, vom langsamen Trott der Kühe
bestimmt, dem Stollen entgegen. Matratzen, Bettdecken und Kissen steckten
zwischen Kisten und Schachteln, Kannen und Kochtöpfen, mit darüber
ausgebreiteten Decken, neu, ausgefranst und löcherig. Und viele Frauen des Dorfes,
an harte Feldarbeit gewöhnt, lenkten ihr Gespann „ Hü -, -Ha-, Hot-“ rufend zum
Dorf hinaus.
Unterhalb des Stollens, wo Wege und Ebene verliefen, standen die Bauernwagen im
Wald und zwischen ihnen spannten sich Abdeckplanen wie bei einem alten
Wagenlager im Wilden Westen Amerikas.
Die Verpflegung im Stollen, überhaupt die gesamte Organisation fanden Zuspruch.
Junge Mädchen halfen beim täglichen Küchendienst. Ortsgendarm Pfeifer von Beruf
Metzger fungierte als erfahrener Koch. Durch Granatsplitter verletztes Rindvieh, das
notgeschlachtet werden musste, wanderte in die Kochkessel, so dass es bei solchen
Fällen Gulasch- oder reichliche Fleischportionen gab.
Für Kinder hatte das gemeinschaftliche Zusammenleben seine besonderen Reize. In
den Laufgängen spielte sich bis spät in die Nacht ein reges Leben ab. Nachbarliche
Schwätzchen behinderten vielfach die eilig Hinausstrebenden. Bei den Frauen
weckte die ungewohnte Benutzung der Latrinen Hemmungen, und einige suchten
lieber im Wald ein geschütztes Plätzchen. Große Sorge bereitete das
zurückgebliebene Vieh in den Ställen. Morgens und abends eilten die Viehhalter ins
Dorf zur Fütterung ihrer Tiere. In besonderem Maße waren davon die Frauen
betroffen: sie fütterten, tränkten das Vieh, rührten das Schweinefutter an und molken
die Kühe.
Abgehetzt von den Stallarbeiten und Rübenmahlen kamen sie mit der Milch in den
Stollen, wobei sie dem Beschuss der Flieger auszuweichen wussten. Was sie an
Beschwernis zu tragen vermochten, und wie sie die Notsituation des Krieges, mit all
dem Schmerz um Väter, Söhne, Brüder, die an der Front standen, meisterten, singt
kein Lied darüber.
Im Dorf war sehr viel Militär und viele Häuser durch Soldaten belegt und die hier
und da halfen. Das „Organisieren“ von Eingemachtem und Geschlachtetem war für
sie eine willkommene und zusätzliche Verpflegung gegenüber der
Feldküchenverpflegung.
284
Am 4. Advent hielt Pfarrer Esselborn den Gottesdienst wieder im Stollen. Und
manches fand nachdenkend in Paul Gerhardts Lied Trost:
Wenn wir uns legen, so ist er zugegen, wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen,
über uns seiner Barmherzigkeit Schein.
Auch an Wochentagen hielt der Gemeindepfarrer Andachten im Stollen. An
Weihnachten und Neujahr war es verhältnismäßig ruhig. Man konnte das Freie
aufsuchen. Vom 5.-7. Januar 1945 wurde es zusehends ruhiger. Man hörte, dass der
Amerikaner sich hinter die Lauterlinie zurückgezogen habe. Dies gab den Menschen
wieder Hoffnung, und sie zogen wieder in ihre Häuser, nachdem sie etwa 3 Wochen
im Stollen verbracht hatten.
Militärfahrzeuge und Soldaten bestimmten das Dorfbild. Dazu wurden aus den
eigenen knappen Futtervorräten auf Befehl Heu und Hafer für die Militärpferde
abgegeben.
Bei der Rückkehr aus dem Stollen, so weiß Pfarrer Esselborn folgendes zu erzählen:
Mit Entsetzen sah er das Ausmaß der Zerstörung im Dorf. Als er in den Stall der
Pfarrscheune kam, hatte ein Soldat sein Pferd gerade über der Stelle abgestellt,
worunter des Pfarrers Geschirr und Wertsachen vergraben lagen. Die
danebenliegende Waschküche war zum Schlachthaus geworden. Einer Gruppe
kriegsgefangener Russen, die auch zu Schanzarbeiten herangezogen wurden, hatte
man gefallene Pferde zur Verpflegung überlassen. Die Gefangenen hatten ein
hervorragendes Orchester aus allerlei Instrumenten zusammengestellt, wobei Pfarrer
Esselborn sein vermisstes Flügelhorn zu entdecken glaubte.
Er selbst hatte sich im Pfarrhaus auf einen Raum beschränkt, so dass die übrigen
Räume von Soldaten belegt waren. Im oberen Dachzimmer richtete er mit
Kirchenbänken einen Unterrichtsraum für die Konfirmanden her.
Als dies der anwesende Wehrmachtspfarrer zu Nieden sah, sagte er: „Aber lieber
Kollege, wer weiß was an Palmsonntag sein wird.“
Einige Tage später war Esselborn auf dem Wege nach Bergzabern. Inzwischen, es
war gegen Ende Januar, waren die ersten Nachrichten von den Evakuierten
eingetroffen. Darunter waren auch seine Frau und Kinder. Unterwegs begegnete ihm
ein Trupp kriegsgefangener Russen. Es war nicht feststellbar, ob sie von Bergzabern
oder Dahn kamen.
Jedenfalls hatten sie sich in einem Eisenwarengeschäft mit neuen Essgeschirren
ausgerüstet, worüber sie sichtbar Freude hatten. Die Situation aber zwang ein
Lächeln ab. An ihren Gürteln oder am Gepäck hingen funkelnagelneue, braun und
Weißemaillierte Nachttöpfe.
285
Unter schwierigen Verhältnissen und Fliegerangriffen kam Esselborn nach
Nürtingen zu seiner Familie. Er beerdigte dort einen evakuierten
Vorderweidenthaler.
Die Amerikaner standen vor den Bunkerlienien des Westwalls. Es ließ sich an den
Fingern abzählen, wie lange es noch dauern würde, bis sie in Vorderweidenthal
waren. Der Kalender zeigt den Februar an. Im Pfarrkeller stellte ein junger Offizier
aus den greifbaren Soldaten, die den verschiedenen Waffengattungen angehörten,
einen Erkundungstrupp zusammen. Die Soldaten zogen widerwillig ab. Nach zwei
Tagen kamen sie ohne Feindberührung zurück, dafür aber reichlich bepackt mit
amerikanischen Nahrungs- und Genussmitteln. Um Weihnachten hatten die
Amerikaner die Lauterlinie überschritten und saßen um Erlenbach fest. Wegen der
Ardennenoffensive, so erzählt man, sei es zu einer Zurücknahme der Fronlinie
gekommen.
Bei der abendlichen Stallfütterung führ jeden Abend etwa um 5 Uhr an der
Sägemühle ein beladener Kastenwagen des Militärs vorbei. Katharina Wagner fiel
dieser sonderbare Wagen auf, der mit Tannengrün und Zeltplanen abgedeckt war.
Es war geradezu verdächtig. So fragte sie den einquartierten Leutnant. Dieser gab
zur Antwort, dies sei der Brotwagen, der von den Bunkern im Porzbachtal und der
Pfälzer Hütte käme. Katharina Wagner war damit nicht zufrieden. So wurde doch
kein Brot transportiert. An den beiden nächsten Tagen schaute die Sägemüllerin das
Gefährt genauer an und unterhielt sich mit dem Fahrer. Dabei stellte sie entrüstet
fest, dass mit dem Wagen die täglich gefallenen Soldaten abtransportiert wurden.
Zum Leutnant gewandt, und von dem Eindruck erschüttert, erwiderte sie: „Das ist
aber ein schöner Brotwagen!“
Aufgrund der Frontlage und den schlechten Nachrichten fanden die militärischen
Einsatzbefehle und Anordnungen bei der Bevölkerung kein rechtes Verständnis.
Dazu beängstigte das Wiederaufleben der Kriegshandlungen die Bevölkerung. Das
Militär hatte in allem den Vorrang. Viele dachten, dass das Ende bald kommt. Lieber
ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Dazu erregt die Nachricht,
der Stollen sei für das Militär freizumachen, aufs äußerste die Gemüter der
Bewohner. Alle waren gewillt, diesem Befehl nicht zu gehorchen.
Forstverwalter Hoffelder bemühte sich anlässlich eines Generalbesuches in
Klingenmünster um Freihaltung des Stollens für die Vorderweidenthaler, was
glücklicherweise gelang.
Bombenabwürfe und Fliegerangriffe gehörten zum Tagesablauf. Kein Mensch und
Fahrzeug konnte sich im Feld sehen lassen. Auf Erlenbach sollen 200 Bomben
Granaten niedergegangen sein. Rauchschwaden stiegen dort hoch. Die vor allem für
das Militär lebenswichtige Straßenkreuzung Vorderweidenthal - Erlenbach,
Bergzabern - Dahn lag unter stärkstem Beschuss. Brennende Fahrzeuge standen bis
ins Grüntal. Viele deutsche Soldaten tot und schwer verwundet, zerfleischt,
zerrissen, stöhnten und starben.
286
Aus Sorge um das Leben seiner Gemeindeglieder und vor allem seiner
Konfirmanden setzte Pfarrer Esselborn die Konfirmation auf Sonntag, dem 18. März
1945 fest. Es war der Sonntag Judica, der eine Woche vor dem Palmsonntag liegt.
So erwarteten 32 Konfirmanden aus Vorderweidenthal und Oberschlettenbach mit
gemischten Gefühlen diesen Tag. Der Gottesdienst wurde auf die ungewöhnliche
Zeit von 6.30 Uhr in der Frühe festgesetzt. Bei klarem Himmel sollte die Prüfung
ausfallen. Und der Himmel war klar, und es war mit dem Einsatz von Feindfliegern
zu rechnen. Für die 18 Knaben und 14 Mädchen fiel die Prüfung aus, so dass nach
der Einsegnung, wobei die Gedanken sich mehr um die Sicherheit um das Leben
richteten und mancher Blick der Gottesdienstbesucher durch die Kirchenfenster auf
den Himmel gerichtet waren und ängstlich mehr auf Fliegergeräusche hörte als auf
den Klang der Orgel, alles unverzüglich nach Hause eilte. Als Esselborn sich um
8.00 Uhr bei der Familie Metz im Haus aufhielt, flogen Schwärme feindlicher
Flieger über Vorderweidenthal. Am Abend fand die Konfirmation für die Darsteiner
und Dimbacher in der Kirche zu Dimbach statt.
In Vorderweidenthals Kellern suchten die Bürger, die das Vieh zu versorgen hatten
mit Soldaten, die sich auf der Flucht befanden, Schutz. Die Bevölkerung war wieder
im Stollen. Kein Mensch wagte sich ins Freie.
So begann es am 19. März. Es nahm noch kein Ende. Beim Hussongschen Haus
schlug ein schweres Geschoß ein und riss einen Großen Trichter in die Straße. Das
Wasserleitungsrohr war zerrissen. Die Flammen prasselten in den Dachgebälken,
Rauchschwaden stickig und schwarz machte das Atmen schwer. Ein Stall mit
Pferden brannte nieder und erfüllte die Luft mit einem widerlichen Geruch. Das
meiste Vieh hatte man losgebunden, und es lief auf den Äckern unterhalb des
Rödelsteines irrend umher. Einige Tiere, denen die Wege zum Futterholen bekannt
waren, standen brüllend auf ihrem Kleeacker. Immer mehr Fahrzeuge und Soldaten
waren auf der Flucht. An den Rändern der Straße und in den Wegen lagen
militärische Ausrüstungsgegenstände, die zum Ballast wurden.
Mühsam bahnten sich die Fahrzeuge durch die Trümmer Vorderweidenthals den
Weg. Bei dem letzten lag ein schwerverwundeter General im Fahrzeug, dessen
Fahrer Auskunft verlangte und Heidelberg erreichen wollte. Jetzt wusste jedermann:
Bald sind die Amerikaner da!
Familie Wagner von der Sägemühle, die fast an der Straßenkreuzung nach Erlenbach
liegt, hatte ihr Anwesen nicht verlassen. Allein und unerschrocken rettete Wilhelm
Wagen die Sägemühle vor dem totalen Abbrennen. Soweit als möglich versorgte
man hilfsbedürftige und verwundete Soldaten, die im Keller gegenüber der Straße
Zuflucht fanden.
287
Der Tag kam, der Tag voller Unruhe und Angst.
Links und rechts, hinter alten Lindenbäumen Schutz suchend, schritt die Mannschaft
mit dem Mädchen in der Mitte vorsichtig ausblickend dem Dorfe zu. An der Spitze
der Soldaten liefen Minensucher, die ihre Suchgeräte über verdächtige Stellen
hielten, und weiter hinten Männer mit Sprechfunkgeräten. In Großem Abstand
folgten Fahrzeuge mit aufmontierten schweren Maschinengewehren.
Kein Mensch war zu sehen. Wo es brannte und schwelte, war nicht zu löschen. Kein
Mensch wollte sich in letzter Stunde unnötiger Gefahr ausliefern. Das Überleben
war jetzt am wichtigsten. Bisher boten die Nächte Schutz, aber für die
Rettungsarbeiten waren sie zu kurz.
So kamen sie mit dem Mädchen, das noch immer krampfhaft das weiße Tuch in
seinen Händen hielt ins Dorf. Da standen die Häuser beschädigt, das Dachgebälk
teilweise herunterhängend, die Straße voller Ziegel und Steine. Der Kirchturm war
abgeschossen. Eine Bombe an der Nordseite der Kirche riss einen Großen Trichter
in den Kirchhof, wo die Vorfahren ihre Toten begraben hatten. Das Dach der Kirche
war fast völlig abgedeckt, die Fenster zertrümmert, Kanzel und Orgelgehäuse
heruntergerissen. Im Bombentrichter bewegte sich eine getroffene Kuh kraftlos zum
Rande hin. Die Zeit auf der Kirchenuhr war stehengeblieben. Gegenüber stand das
Pfarrhaus als eine halbe Ruine. Viele Häuser und Höfe total zerstört. Die
Pfarrchronik berichtet später, dass 15 Häuser total zerstört wurden.
Als sie zum Friedhof kamen lagen nebeneinander und aufeinander deutsche
Soldaten, die in den letzten Stunden gefallen waren.
Auf der ansteigenden Straße ungefähr der heutigen Schuhfabrik gegenüber kamen
ihnen drei Männer vorsichtig um sich schauend entgegen. Sie wollten den
Amerikanern mitteilen, wo sich die Bevölkerung Vorderweidenthals aufhielte, dass
kein Widerstand zu erwarten sei und Schließlich um Schonung der Menschen bitten.
Es waren Pfarrer Esselborn, Bürgermeister Ludwig Berger und der Ortsgendarm
Pfeifer. Da dieser jedoch in voller Uniform vor ihnen stand, behandelten sie ihn wie
einen Soldaten und nahmen ihn sofort in Gefangenschaft.
Von den Mitbürgern, die sich in dieser Zeit noch im Dorf aufhielten kamen die
Zivilisten Wilhelm Bangert und Jakob Jung ebenfalls als Gefangene zum
Sammelplatz nach Erlenbach, wobei sie später in einem Gefangenenlager bis nach
Südfrankreich hinein testgehalten wurden.
Indessen schickte man Aurelia Wagner alleine in den Stollen. Als sie dort
unbehelligt ankam, waren einige Vorderweidenthaler vor dem Stollen. Sie
versorgten einen Verwundeten. Höchst überrascht sahen sie das Mädchen auf sie
288
zukommen und riefen: „Aurelia was ist?“ Und von einem Gang Erlöst, dessen
Gefahr und Bedeutung sie bis jetzt noch nicht erfassen konnte, antwortete sie jedoch
erleichtert: „Die Amerikaner sind da!“ Wie ein Lauffeuer ging es durch die
Stollengänge von Mund zu Mund: Die Amerikaner sind da.
Inzwischen waren auch die amerikanischen Soldaten beim Stollen angekommen.
Nachdem sie sich überzeugten, dass hier keine Soldaten, keine Waffen und dass kein
Widerstand geleistet, sondern Frauen, Kinder, Männer, Alte vor den Schrecken des
Krieges Schutz suchten, konnten am übernächsten Tag die Vorderweidenthaler den
Stollen verlassen und in ihr 80% kriegszerstörtes Dorf zurückkehren.
Und so nahm der Krieg für sie ein Ende. Aber keiner ahnte, dass eine neue Zeit
angefangen hatte.
Alle diese Geschehnisse sind heute nur noch bei den älteren und alten
Vorderweidenthaler Bürgern in Erinnerung. Zum Teil sind die Erinnerungen farblos
und verschwommen im Gedächtnis. Und jeder bewahrt nur Ausschnitte aus einem
Gesamtgeschehen. Die Jugend weiß nichts mehr davon. Dass Vorderweidenthal
nicht mehr Tote zu beklagen hatte, dass vieles gerettet werden konnte, ist den
Männern und Frauen zu verdanken, die sich verantwortlich fühlten und einsetzten.
Was sich an gegenseitigem Verstehen, an Hilfsbereitschaft und wieder
Händereichen in den Stunden der Gefahr zeigte, und was davon von den betroffenen
Vorderweidenthalern heute noch in guter Erinnerung fortlebt, möge auch für
kommende Zeiten als ein Vermächtnis an die Nachkommen bewahrt bleiben.
Ihr unermüdlicher Fleiß und die Haltung des Nichtaufgebens weist nach über einem
Jahrzehnt des Wiederaufbaues auf ein blühendes und aufwärtsstrebendes Dorf hin.
Nur noch der Soldatenfriedhof mit seinem Großen Sandsteinkreuz über dem
Gräberfeld hinter dem Begräbnisplatz der Gemeinde erinnert an die schrecklichen
Tage, wo das Feuer vom Himmel fiel und der Tod kam.
289
Stollenanlage Vorderweidenthal
Alwin Becher
Beim Stollen unterhalb des Rappenfelsens, oberhalb der Straße zum Lindelbrunn,
sprechen wir Vorderweidenthaler gern von „unserem Stollen“, vom „Weidenthaler
Stollen“. Eigentlich haben wir auch das Recht dazu. Schließlich waren wir, die
Bevölkerung unseres Ortes, auch die einzigen, wenn auch zivilen Nutzer dieser
Anlage, wenn man einmal davon absieht, dass nach dem Krieg noch der
Sprengmittelräumdienst zeitweilig großkalibrige Geschosse darin gesprengt hat.
Auch heute gibt es für ihn erneut eine sinnvolle Nutzung. Er wird von Fledermäusen
bewohnt.
Doch zur Entstehung.
Als sich zum ersten Mal überhaupt jemand Gedanken darüber gemacht hat, bei uns,
einen Stollen zu errichten, da hat niemand dabei auch nur im Traum an uns
Vorderweidenthaler gedacht.
Der Bau des Westwalls, das war die Ursache für die Baumaßnahme und „unser
Stollen“ war ein Teil davon.
Ein Hauptgrund für den Westwallbau war aber die Errichtung der Maginotlinie auf
französischer Seite, in den Jahren 1929-1932. Auf Betreiben des damaligen
französischen Kriegsministers André Maginot entstand die Anlage zur Sicherung
der Ostgrenze gegen Deutschland, mit der stärksten Befestigung des „ Gebiets
Lauter“, in der Weißenburger Senke, südlich der Stadt, als Großgruppe Hochwald
bezeichnet, mit den mächtigen, mehrstöckigen Bunkerbauwerken, gespickt mit
Panzertürmen und Kampfkasematten, wie etwa das Werk Schönenburg, das heute
noch für jedermann zur Besichtigung geöffnet ist.
Durch dieses alte Einfallstor waren schon im Krieg 1870 die deutschen Truppen
nach Frankreich eingedrungen, und ein neuerlicher Einfall sollte so für immer
verhindert werden.
Die Maginotlinie war ein mächtiges Befestigungsbollwerk, dessen Werke, wie die
mehrstockigen Bunkeranlagen genannt wurden, 1-5 km voneinander entfernt lagen.
Untereinander verbanden sie tief gelegenen Stollen mit einem gemeinsamen, weit
hinten gelegenen Eingang. Dazwischen befanden sich kleinere Bauten, sogenannte
Mauerkasematten, mit Schießscharten für Maschinengewehre und
Panzerabwehrkanonen. Die Grundidee war: „Die gesamte Verteidigung unter Beton
und Stahl“. Eine bewegliche Kampfführung aber war unmöglich. War der Gegner
erst einmal bis an die Werke vorgedrungen, saßen die Verteidiger gefangen wie im
Käfig. Das erlebten die Besatzungen der Hochwaldgruppe wie das Werk
Schönenburg später, als sie ihre Anlagen erst am l. Juli 1940 übergaben, ohne richtig
290
in die Kampfhandlungen eingegriffen zu haben. Der Waffenstillstand war da schon
seit 6 Tagen in Kraft.
Diesem französischen Bollwerk sollte also auf deutscher Seite der Westwall
gegenübergesetzt werden. Der Grundgedanke war: „Längs der Grenze eine
durchlaufend befestigte Zone“. Bereits 1934 kamen die ersten Planungen in Gang.
Der Urentwurf stammte vom General der Pioniere, Otto-Wilhelm Förster, und sah
eine von der Grenze landeinwärts, in drei Etappen gegliederte Festungszone, von A-
, B- und C-Werken vor.
Die C-Werke bildeten Maschinengewehrschießstände, mit Schieß scharten in den
Betonmauern, die, wie auch die Decken, sicher gegen 15 cm Haubitzen waren.
Die B-Werke, in zweistöckiger Bauart, hatten auf Deck zwei Panzertürme mit je 2
Maschinengewehren, zwei Granatwerfer und einen drehbaren Flammenwerfer.
Wenn nicht gefeuert wurde, schlössen sich die Schießscharten durch
Kugelverschlüsse.
Die A-Werke glichen den B-Werken, waren aber in der Panzerung und der
Betondicke stärker.
An wichtigen Stellen entstanden die Anlagen auch 3-stöckig, mit bis zu 36 Räumen,
für mehr als 100 Mann Besatzung.
Die Entfernung zwischen der Grenze und den ersten Bunkern betrug 1-20 km.
Die 3 hintereinander liegenden Kampflinien, die Verteidigungszone des Heeres, der
A-, B- und C-Werke, hatten eine Tiefe von 10 km. Dahinter befand sich noch eine
Luftverteidigungszone mit Flakbunkern, bis zu einer Tiefe von 50 km.
Vor der Bunkerlinie war an besonders gefährdeten Stellen eine Höckerlinie
vorgelagert. Sie sollten ein Eindringen von Panzern in den Westwall unmöglich
machen. Fünf armierte Betonklötze, in unterschiedlicher Höhe bis zu 1,50 m,
standen nahtlos eingegossen, auf einer Im dicken Betonplatte. Hier in der Südpfalz
sind Teile davon heute noch zu sehen.
An Stellen wo Straßen die Höckerlinie unterbrachen, gab es Panzersperren, die bei
Gefahr von Hand einzusetzen waren.
Soweit die Kampfzone.
Hinter diesen Befestigungen galt es, in den rückwärtigen Gebieten, Einrichtungen
für die Versorgungstruppen zu erstellen, so auch das Sanitätslager
Vorderweidenthal. Im Frühjahr 1938, als die Tschechoslowakei nach dem Anschluss
Österreichs an das Reich die Mobilmachung Verfügte, wurde es mit dem Bau des
Westwalls ernst. Im Juni erhielt der Generalinspekteur für das deutsche
Straßenbauwesen, der Bauingenieur und Erbauer der Reichsautobahnen, Dr. Fritz
Todt, den Bauauftrag. In Bergzabern gründete er die Organisation für den
Festungsbau, die berühmte und, wegen ihrer Arbeitsleistung, hoch geachtete
„Organisation Todt“.
In kurzer Zeit befehligte er 362 000 Arbeiter sowie 100 000 Mann
Reichsarbeitsdienst und zahlreiche Pionierbataillone, wie den Festungspionierstab
291
20 am Vorderweidenthaler Sanitätslager.
Die Betreuung dieser gewaltigen „Arbeiterarmee“ lag in den Händen der „Deutschen
Arbeitsfront“, geführt von Dr. Robert Ley.
Um diese riesige Menschenmasse unterzubringen belegte die Organisation bis nach
Landau Tanz- und Schulsäle. Die Bevölkerung stellte auf „Druck von oben“ Zimmer
zur Verfügung. Vor allem aber schossen Große Barackenkolonien wie Pilze aus dem
Boden. Allein in der Gemarkung von Dierbach standen fünf solcher Arbeitslager mit
Wohn-, Wasch-, Dusch- und Toilettenanlagen, Sanitätsbaracken, Räume für
kulturelle Darbietungen und Großküchen mit Speisesälen für 1100 Mann. Weitere
solcher Lager gab es bei Oberotterbach, Freckenfeld. Schaidt und Vollmersweiler.
Dazu kamen eigene Lager des Reichsarbeitsdienstes, wie im Nachbarort Erlenbach.
Den Transport der Arbeiter zu den Baustellen organisierte in unserem Raum die
Kraftpostdienststelle der Deutschen Reichspost in Landau, die 260 Omnibusse
betrieb, etwa die Hälfte aus Privatunternehmen, aus allen Gauen des Reiches.
Ähnlich gut organisiert war der Materialtransport über Schiene und Straße, denn
allein der tägliche Verbrach von Kies lag bei 100 000 Tonnen.
Hitler selbst informierte sich über den Stand der Bauarbeiten in unserem Kreis bei
zwei Besuchen. Seine erste Inspektionsreise fand am 28. August 1938 statt und am
17. Mai 1939 führ er, von Pirmasens kommend, im offenen Wagen über die
Kreuzung an der Sägemühle, Richtung Bergzabern, unter reger Teilnahme auch
unserer Bevölkerung.
Im Kreis Bergzabern entstanden 1150 Bunker und Festungswerke.
Am gesamten Westwall schätzt man die Zahl dieser Anlagen auf 14 000.
Für die direkten Anwohner aber war die Einteilung des Grenzgebietes in eine
„Rote“- und eine „ Grüne Zone“ besonders wichtig. Die „Rote Zone“ umfasste die
Hauptkampflinie, die im unmittelbaren Schussbereich der feindlichen Artillerie lag.
Sie musste im Ernstfall sofort evakuiert werden und bald war es ja soweit, dass auch
die Vorderweidenthaler ihr Dorf Räumen mussten.
Die „Rote Zone“ verlief in der Südpfalz von Maximiliansau über Kandel, Dierbach,
Hergersweiler, Oberhausen, Kapellen-Drusweiler, Niederotterbach, Kapsweyer,
Steinfeld, Schweigholen, Schweigen, Rechtenbach, Dörrenbach, Oberotterbach,
Böllenborn, Bergzabern, Blankenborn, Birkenhördt, Vorderweidenthal, Dahn
Richtung Pirmasens.
Die dahinter liegende „Grüne Zone“ galt als weniger gefährdet, musste aber in
schwieriger Situation, bis nach Landau, auf die Evakuierung gefasst sein.
292
Parallel zu den Bauarbeiten am Westwall begannen auch jene, für die Einrichtungen
der Versorgungstruppen durch den Festungspionierstab 20, wie bei uns das
Sanitätslager Vorderweidenthal. Der Zweck war, die Versorgung der Verwundeten
bei den Kampfhandlungen am Westwall.
Es entstanden eine Zahnstation, auf dem Lageplan mit der Nr. l. ein Operationsbau,
Nr.2, eine Waschbaracke, Nr.3, ein Pferdestall, Nr.4 sowie 10 Stationsbauten mit
dem Bezeichnungen A - K.
Einen Friedhof gab es nicht.
Aber allein die Lage der Station K weit ab vom Lager, hinten im Wald, lässt darauf
schließen, dass hier die Sterbenden versorgt werden sollten und man sie dort auch
begraben hätte.
Zuerst wurde direkt an der Straße zum Lindelbrunn eine Quelle gefasst, und das
Wasser zu einem, unterhalb der Stolleneingänge gelegenen, neu erstellten
Pumpwerk geleitet. Am nordwestlichen Fuß des Rappenfelsens entstand ein
Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 16 m3.
Wie strategisch wichtig diese Anlage war, zeigt die Stärke der Betonwände von 2 m
und die Eingangsbereiche zu den Innenräumen, die mit Schieß scharten zur
Verteidigung ausgerüstet waren. Die Rohrdurchmesser der Gussleitungen betrugen
von der Quelle zum Pumpwerk 4“, etwa 10 cm, zum Hochbehälter 3“, etwa 8 cm.
Von hier versorgte eine 2“, etwa 5 cm starke Leitung, jeden Bau, auch den Stollen,
mit Frischwasser, auch noch die am höchsten gelegen Station K.
293
Die strategische Bedeutung des Sanitätslagers wird noch deutlicher durch die
Tatsache, dass bei Gefahr durch Beschuss oder Bombardierung, alle Bewohner, samt
Einrichtungen, in einen Bunker zu evakuieren waren.
Die Saarbrücker Baufirma Heinrich Sohnius führte die Bauarbeiten dieses Bunkers,
„unseres Stollens“ aus. Die Vorderweidenthaler Baufirma Jakob Becker & Sohn
beteiligte sich daran mit den Arbeitern Adolf Becker, Karl Berger, Konrad
Bernhardy, Marx Hornberger, Jakob Puster, Georg Rihm, Jakob Steigner und
Oswald Wagner vom 01. September 1939 bis 27. Juli 1940.
Die Stollenanlage, in Form eines Gewölbes, brachen die Bauarbeiter in Handarbeit
aus dem Gestein, und fuhren die Schuttmassen mit Loren, auf fest verlegten
Schienen, aus dem Berg.
Dieser besteht aus massigem, kompaktem Buntsandstein mit Kieseinlagerungen, der
von mächtigen Felsspalten durchzogen wird, mit unterschiedlichen Öffnungsweiten
und verschiedenartigen Füllungen. In diesen Felsspalten besteht erhebliche
Nachbruchgefahr. Die noch heute zu sehenden, sogenannten Bühnlöcher, deuten
darauf hin, dass bereits beim Ausbruch des Gesteins, im Bereich dieser Kluftzonen,
mit Bohlen und Rundhölzern abgestützt werden musste. Geringe
Schichtwasseraustritte sind zu beobachten.
Die Anlage ist zu betreten durch zwei, etwa 50 m auseinander liegende,
Stollenmundlöcher mit 20-25 m langen, mächtigen Voreinschnitten, mit einer
Absturzhöhe von 10 m.
Diese Voreinschnitte waren deshalb so lang, weil die Felsüberdeckung an den
Mundlöchern mindestens 6 m betragen musste, um einer Bombardierung
standzuhalten. Die Zugangsstollen sind zweimal abgewinkelt um einen direkten
Beschuss von außen zu verhindern,
Die Längen der Anlage betragen: 2 Zugangsstollen je 17 m, 2 Querstollen je 49 m,
3 Verbindungsstollen je 14 m und am Ende 2 Kammern mit je 10 m, an denen die
Felsüberdeckung bereits 40 m beträgt.
Die Gesamtlänge des Stollensystems misst also rund 200 m, etwa 1400 m2
Stollenfläche.
Die Breiten betragen am Eingang 3,50 m bzw. 4,50 m, sonst 7,00 m. Die Höhen
messen am Zugangsstollen 4,00 m sonst 7,00 m.
Geplant war ursprünglich, dass die beiden Kammern bis zur Straße nach Bergzabern,
auf der Rückseite des Berges, weitergeführt werden sollten, um den Stollen an diese
Straße anzubinden.
Das zu sehr zerklüftete Gestein und der Kriegsverlauf haben diesen Plan aber
zunichte gemacht.
294
STOLLENANLAGE VORDERWEIDENTHAL
295
Der gesamte Ausbau hat dann mit der politischen Entwicklung nicht Schritt halten
können. Hitler sicherte den Beneluxstaaten bei Kriegshandlungen mit Frankreich
Neutralität zu, ohne dieses Versprechen später einzuhalten.
So wurde von Generalfeldmarschall Fritz von Manstein der Plan entwickelt,
Frankreich nicht am Westwall, sondern über die vorgenannten Staaten, Luxemburg,
Belgien und Holland anzugreifen und die Maginotlinie von hinten einzunehmen,
sodass es nicht zu den befürchteten Kampfhandlungen am Westwall kam. Der Plan
ging auf und Frankreich kapitulierte bereits am 25. Juni 1940.
Damit war für Hitler klar, dass Frankreich besiegt und der Westwall in diesem Krieg
keine Rolle mehr spielen würde.
Das war das Ende der Bauarbeiten, auch an „unserem Stollen“.
Dass bereits knapp 5 Jahre später auch der Westwall kein Hindernis für die alliierten
Truppen darstellte, wollte zu dieser Zeit niemand wahrhaben.
Jedenfalls war die Bevölkerung von Vorderweidenthal froh, dass das Kriegsende, in
der doch relativ sicheren Unterkunft, im Stollen erwartet werden konnte.
Heute ist die Anlage geschlossen. Die mächtigen Voreinschnitte sind durch
Zaunanlagen gesichert.
Bild vom Bau des Stollens.
o. v. l. Karl Berger, Jakob Steigner, Oswald Wagner
n. v. l. Marx Hornberger, Georg Rihm, Jakob Puster
u. v. r. Konrad Bernhardy, 2.v.r. Adolf Becher
296
Im Bereich der Felsspalten, insbesondere im hinteren Querstollen, im
Verbindungsstollen 2 und in beiden Kammern sind erhebliche Nachbrüche durch
sargdeckelartige Gesteinsbrocken und Auswaschungen der geröllhaitigen Füllungen
entstanden. Im Querstollen 2, der in seiner Längsachse von einer Großen Spalte
durchschnitten wird, sind Hochbrüche bis zu 4 m über den Stollenfirst entstanden,
durch Hereinbrechen mehrer Tonnen schwerer Gesteinsbrocken. Wegen der
Mächtigkeit des darüber anstehenden Gebirges, sind aber für die Oberfläche am
Waldboden keine Auswirkungen zu befürchten.
297
Das Forsthaus Lindelbrunn
von Karl Jakob Jockers, überarbeitet von Lothar Wagner
Beim Herausnehmen des alten Kirchenbodens im Frühjahr 1965 fand man eine
große Grabplatte. Der Text auf der oberen Hälfte ist nicht mehr lesbar, auf der
unteren Hälfte steht:
Zum Andenken
an Johann Adam Stoffel
Oberförster und l.er maire
zu Oberschlettenbach
von seiner Gattin
Anna Maria M...rich
anno 1807.
Die Inschrift erinnert nicht nur an einen Verstorbenen, sondern erzählt noch mehr.
J. A. Stoffel war Oberförster der Herrschaft Lindelbrunn und hatte seinen Dienstsitz
in Oberschlettenbach. Gleichzeitig war er Bürgermeister von Oberschlettenbach. Da
Napoleon eine Neuordnung der Verwaltungsbezirke durchführte, wurde J. A. Stoffel
zugleich erster Bürgermeister der vier Lindelbrunndörfer. Oberschlettenbach war
Hauptverwaltungssitz der Herrschaft Lindelbrunn geworden. Sie gehörten jetzt zum
Canton Annweiler. Aus jener Zeit stammt die Bezeichnung „unsichere Cantonisten“.
Damit waren junge Männer gemeint, die nicht Soldat werden wollten.
Alle Geburten, Hochzeiten und Todesfälle mussten in Oberschlettenbach
beurkundet werden. Erst 1815/16 bekamen unsere Dörfer eigene
Gemeindeverwaltungen und Standesämter.
1846 wohnten am Fuße von Burg Lindelbrunn die Familien
Georg Marzolf,
Max Stöbener und
Friedrich Hoepfner.
Deren Häuser und Besitz, sowie das ehemalige Kerth’sche Haus, das als
gemeinsames Hirtenhaus gedient hatte, wurden 1846 von der Forstverwaltung
aufgekauft. Die Häuser Stöbener und Marzolf wurden abgerissen, das Hirtenhaus
bezog der Hausmeister, und das Hoepfnersche Haus wurde nach der Renovierung
Forsthaus. 1847 zog der Förster ein. Die Familien Stöbener und Marzolf zogen nach
Vorderweidenthal, Familie Hoepfner ging nach den USA. Zu diesen Häusern
gehörte ein 40 m tiefer Ziehbrunnen, aus dem mit Pferdekraft das Wasser geholt
wurde. Der Brunnen, in Felsen gehauen, ist zweifellos sehr alt. 1846 wurde er völlig
zugeschüttet, da er wenig Wasser gab, 1903 - 1905 Schließlich wieder bis auf 38 m
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Tiefe aufgegraben wegen des quälenden Wassermangels. 1906 wurde ein Pumpwerk
darüber errichtet. Der Brunnen ist heute noch zu sehen im Garten des Forsthauses.
1846 war eine alte, schadhafte Deichel- Wasserleitung von der Quelle auf dem
Vogelskopf zu den vier Lindelbrunner Häusern vorhanden. Sie musste ständig
repariert werden. 1965/66 wurde sie erneuert. Schließlich nahm man Zement, dann
Gußrohre, aber der Wassermangel blieb. Schließlich wurde vom Silzer Tal das
Wasser mit einem Pumpwerk herbeigeführt, aber die Qualität des Wassers war nicht
befriedigend. Nach dem Bau des Tiefbrunnens und des Hochbehälters 1998 für die
Verbundleitung Vorderweidenthal - Oberschlettenbach wurde 2007 der Lindelbrunn
an diese Leitung angeschlossen. Damit Dürfte die Wasserversorgung auf dem
Lindelbrunn gelöst sein. Nachdem 1896 im Forsthaus der Wirtschaftsbetrieb
aufgenommen wurde, hat sich der Lindelbrunn zu einem beliebten Wanderziel
entwickelt.
Personalbesetzung auf dem Forstamt Lindelbrunn:
Okt. 1846 - Aug. 1848 Reviergehilfe Stein
Aug. 1848 - Aug. 1858 Forstwart Caspar Iffrich
Aug. 1858 - Apr. 1869 Forstwart Wilhelm Stolz
Apr. 1869 - Dez. 1876 Förster Gustav Cramer
Dez. 1876 - Jan. 1895 Förster Fink
Jan. 1895 - Dez. 1912 Förster Benno Panzer
Dez. 1912 - März 1933 Forstverwalter Heinrich Rösch
März 1933 – 1956 Forstverwalter Adam Hoffelder
1956- 1985 Förster Betsch
1985 – 2005 Förster Osterheld
2005 – 2008 Förster Staufer
2008 wird das Forstamt Lindelbrunn aufgelöst und kommt zum Forstrevier Trifels
beim Forstamt Annweiler.
Das Annweiler Tageblatt vermeidet in der Beilage der Ausgabe vom 1. August 1932:
„Unterm Lindelbrunn, 25 Juli. Still und fast unbemerkt wurde vor einiger Zeit mit
den Erdbewegungsarbeiten für den Neubau des Unterkunftshauses des Hauptvereins
des Pfälzerwaldvereins begonnen. Die Maurerarbeiten sind heute schon bis zum
Erdgeschoß herangewachsen, sie werden so beschleunigt, dass der Rohbau Ausgang
August, Anfang September fix und fertig wird. Bauherr ist der Hauptverein des
Pfälzer Waldvereins, Unternehmer das Baugeschäft Jakob Becker in
Vorderweidenthal. Der Neubau schließt sich unmittelbar an das Forsthaus an.“ Nach
der Fertigstellung hatte zunächst der Förster die Betreuung übernommen. Nach dem
2. Weltkrieg wurde das Cramerhaus erweitert. Ein Pächter übernahm den
Wirtschaftsbetrieb. Der Pfälzerwaldverein hat 2003 das Haus an Fam. Becker
verkauft, die dort eine gut gehende Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeit
betreibt.
299
1954 entstand am Fuße des Burgberges eine Herberge für evangelische
Jugendgruppen des Dekanats Bergzabern, nachdem Presbyter Marx Becker ein
Grundstück dafür gestiftet hatte. Das Haus wurde in den vergangenen Jahren immer
wieder modernisiert und erweitert und ist heute eine moderne
Jugendbegegnungsstätte mit 31 Betten.
Verabschiedung des Försters Hoffelder 1955/56
Cramerhaus I960
300
Vum Roulschde un Brounerdsegg
Siegfried Vater
Die Flurnamen Vorderweidenthal
und ihre sprachliche Bedeutung
Einleitung zur Sprachgeschichte
Könnten Flurnamen reden, hätten diese viel zu erzählen, von alter Kultur und
Geistesgeschichte, von den Wurzeln unserer Sprache bis in die fernste
Vergangenheit einer über 5000-jährigen Wort- und Begriffsentwicklung der
Menschen. Veränderungen der Sprache vollziehen sich langsam über Jahrhunderte,
Wortwurzeln können gar Jahrtausende alt sein. So stellt sich hierbei auch die Frage
unserer Identität: wer sind wir und woher kommen wir?
Über die Jahrtausende alte Wortwurzeln werden weite historische
Kulturentwicklungen ersichtlich, von alteuropäischen Vorzeiten über die
indogermanischen Sprachen der Bronzezeit (ca. 2000 - 800 v. Chr.) Zu den antiken
Sprachen der Kelten, Römer und Germanen. Nach 500 n. Chr. wurden die beiden
ersten in unserer Heimat zusehends vom altfränkischen abgelöst, einer germanischen
Vorgängersprache des Deutschen.1
Ersichtlich wird dies in den Literaturtexten des Mönches Otfrid von Weißenburg (ca.
800 - 870 n. Chr.), welcher unweit von Vorderweidenthal im damals zum Speyergau
zählenden Kloster an der Lauter wirkte. Dessen Schriften gelten unter anderem als
eines der frühesten Zeugnisse der altdeutschen Volkssprache (theodiska lingua).
Die deutsche Sprachentwicklung wird in drei große Epochen eingeteilt, dessen
Kürzel in den Flurnamentexten ständig erscheinen:
ahd = Althochdeutsch ca. 700 - 1100 n. Chr.
mhd = Mittelhochdeutsch ca. 1100 - 1500 n. Chr.
nhd = Neuhochdeutsch von 1500-heute.
Erste Bemühungen, die eigene Volkssprache zu fördern, gab es schon unter Kaiser
Karl dem Großen (768 - 814). Zu seiner Zeit entstand der latinisierte Begriff
theodiscus für die auch von ihm gesprochene Volkssprache, im Gegensatz zu
Latein.2 Seit dem 9. Jhd galt theodisk als die Sprache der Ostfranken und wurde
später auch auf das Land übertragen in dem sie lebten. Aus theodiscus entwickelte
sich das Wort deutsch.3
Die südrheinfränkische Mundart des theodisk bezeichnete Mönch Otfrid als
frenciska zungün (fränkischen Zungenschlag): „So wir nu begunün in frenciska
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zungün.“ Er begründete den Gebrauch seiner Heimatsprache unter anderem auch
damit, dass sie den „Edelzungen der Antike“ ebenbürtig sei. Die Franken den
Waffentaten der Römer keineswegs nachstünden. Seinem König, Ludwig dem
Deutschen (842 - 871), verfasste er ein Preislied der Franken - (Otfrid war zeitweise
Mitglied der Reichskanzlei) -: Hier hob er hervor, dass sein Volk fleißig, ordentlich
und tapfer sei, keinen fremden König über sich duldete, es sei denn er sei Franke!
Als Mönch fragte er: warum sollen denn die Franken Gottes Lob nicht in ihrer
Sprache verkünden dürfen. So entstand seine Evangelienharmonie in damaligem
Südrheinfränkisch (um 870 n. Chr.), eine Abhandlung über Leben und Wirken des
„Krist“ dem Heiland der Menschen.
Diese „frenciska zungün“ in welcher Otfrid schrieb, gilt als Vorgängermundart auch
des Südpfälzischen. Viele seiner Wörter zeigen deutlich Parallelen zur heutigen
Mundart z.B. altfränkisch: pad, südpfälzisch Padd, altfränkisch: zetten, südpfälzisch
(ver)zettle, altfränkisch: Pluag, südpfälzisch: Plugg, altfränkisch: Pending, südpfälz.
Penning und viele mehr.4
Sprachforscher bestätigen also der Pfälzer Mundart ein hohes Alter, diese ist bis
heute ein Teil der Identität seiner Menschen geblieben.
Auch für Martin Luther war im 16. Jhd bei seiner Bibelübersetzung ins Deutsche die
Volkssprache Vorbild, was sein Zitat: „Man muss nicht die Buchstaben in der
lateinischen Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern muss die Mutter
im Hause (daher Muttersprache), die Kinder auf den Gassen, den Mann auf dem
markt darum fragen und demselben aufs maul schauen,“ uns anschaulich beweist.
Diese Verbundenheit mit seiner Sprache, Landschaft und Geschichte, seinem Volk
und seinen Vorfahren bezeichnen wir oft als Heimat. Sie drückt sich aus in
Hoffnung, Verantwortung, Sehnsucht und Erinnerung. Das Vaterland als
Territorium ist zwar zerstörbar, dies zeigt die 1100-jährige deutsche Geschichte oft
deutlich. Das geistige Vaterland ist aber unzerstörbar, so lange es vom Willen seiner
Menschen getragen wird. Dies lehrt die Geschichte vieler Völker.
Erstmals wurden die Flurnamen Vorderweidenthals mit Mundartausdruck erfasst,
kartiert und gedeutet. Dies soll nicht der „Weisheit letzter Schluss“ sein, sondern den
Stand der Ermittlungen auf gegenwärtiger Grundlage wiedergeben.
Mein besonderer Dank gilt hierbei den Herren Lothar Wagner und
Ortsbürgermeister Arthur Helfer, welche die Arbeit tatkräftig unterstützten und
hilfreich begleiteten. Möge der Leser Spaß und Interesse an der Ausarbeitung finden.
302
Die auf der Flurkarte eingezeichneten Ziffern verweisen zu den Gewannennamen
und den Erläuterungen zum Text
303
Karte: Verbandsgemeinde Bad Bergzabern
304
Flurnamen:
1.. Im Thal östlich
Vo.Vw.: Im Dahl
Bei Flurnamen im Tal (ahd, mhd. tal) handelt es sich um in Talmulden oder
Bodenvertiefungen liegende Grundstücke.5 Das Wort Tal ist ein uraltes Wort
germanischer Herkunft mit einer indogermanischen Lautwurzel für eine
(Gelände)Wölbung.6
2. Zu Dorf am Dorf östlich
Vo. Vw.: Dorf
Benannt nach der Lage in Nähe des Dorfes oder im früher eingefriedeten
Dorfbereich.7
3. Frohnäcker im Dorföstlich
Vo. Vw.: Frachägger
Zu mhd. vron = herrschaftlich, den Herren dienen. Erinnert an
herrschaftlichen Grundbesitz oder Äcker auf denen Frondienst geleistet
wurde.8
4. Saugarten am Ort westlich
Vo. Vw.: Saugarde
1733 „In den Saugärten“ (Christm. FAK)
Bis Ende des 20. Jhd war das Schwein noch Weidetier und vom Sauhirt auf
seinem Weidestrich durch die Gemarkung begleitet. Der Saugarten diente der
Schweineherde als Weideplatz oder war Schweinekoppel evtl. mit
Sonderfunktion (Ferkelaufzucht, Suhle).9 In alter Zeit bezeichnete man mit
Garten nicht nur den Hausgarten sondern auch Sondernutzungsgebiet im Feld
(Wein-, Kraut-, Flachs-, Obstgarten etc.) hier ein „ Saugarten.“ Diese waren
meist gesondert d.h. eingezäunt und unterlagen oft rechtlicher Sonderstellung
z.B. ohne Flurzwang.10
5. Am Mühlrech nordwestlich
Vo. Vw.: Miehlrech
Bezeichnet die Lage bei einer Mühle. Das Wort Mühle gelangte als
spätantiker Fachbegriff in die deutsche Sprache (lateinisch molina, ahd
mulin, mhd mül) als die Germanen die Wassermühle ausromanischen
Gebieten kennenlernten.11 Rech ist ein pfälzisches Wort für einen
grasbewachsenen Abhang und auf altfränkisch Rek = Reihe, Grenze, Abhang
zurückzuführen. Altfränkisch war die Sprache der germanischen Franken und
findet sich noch heute in Mundartwörtern aus ihrem ehemaligen
Siedlungsgebiet (z.B. der heutige Ort, reques, aus altfränkisch Rek, im pas de
Calais).12
305
6. In der Schelmendöll nordwestlich
Vo. Vw.: Schelmedell
Benannt nach einem Verscharrungsplatz für verendetes Vieh, ahd scelmo -
Seuches, mhd schelme, Aas, toter Körper, Verbrecher.13 Der Begriff Schelm
hat sich über die Jahrhunderte verharmlost, von verendeter, kranker Körper,
Verbrecher, Verräter zu Narr, scherzender Mensch (ab 19. Jhd).14 Mit Döll ist
eine alte Schriftformverfeinerung von Delle gemeint, nhd delle = flache,
kleine, rundliche Vertiefung, aus mhd teile = Schlucht, hier auf das Gelände
bezogen.15
7. Im Schützenbüschel nordwestlich
Vo. Vw.: Schitzebischl, Kerchheld
Ein Waldstück, welches dem Feldhüter, mundartlich de Schitz, zur
Nutznießung zur Verfügung stand.16 Von ahd scuzzio = Schießender,
Bogenschütze, mhd schütze Armbrust-, Büchsenschütze, Wächter. Das Wort
entstand als germanische Ableitung aus schießen.17
Von ahd buskillin, buskila, mhd büschelin, büschel - Waldstück, kleiner
Wald, Busch. Noch heute heißt der Wald, meist Nieder- oder Bauernwald in
pfälzischer Mundart Bosch. Die Wortherkunft ist altfränkisch. Der
Flurnamensforscher Theodor Zink bemerkte, dass germanische Franken das
Wort im spätantiken Gallien verbreiteten und es so auch ins Französische
gelangte, (altfranzösisch bos, französ.: bius = Wald( stück) Holz, Baum.18
8. Am Wingertsberg nördlich
Vo. Vw.: Wingertsberch
Es sei betont, dass bis ins 20. Jhd in nahezu jedem Ort im Wasgau Weinbau
betrieben wurde, davon zeugen die hier oft vorkommenden Flurnamen
Wingertsberg. Wingert ist Sprachkürzel für Weingarten, (ahd wingarto, mhd
wingarte) Seit Martin Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche findet im
Schriftdeutschen Weinberg Verwendung. In Mundart finden sich jedoch stets
die älteren Bezeichnungen Wingert oder Weingarten.19
9. Am Döllenpfad nördlich
Vo. Vw.: Döllepadd
Wortdeutung Döll (Dell) siehe Nr. 5 Schelmendöll. Pfad der zur Döll führte.
Der Ursprung des Wortes Pfad entspringt der ältesten möglichen
Sprachwurzel vor über 5000 Jahren für einen nicht befahrbaren Weg. Das
von den Westgermanen übernommene Wort findet sich auch im
Südrheinfränkischen als pad (9. Jhd Otfrid von Weißenburg). Hier ist ein
Fußpfad gemeint.20
306
10. Gotteskindacker nördlich
Vo. Vw.: Goddeskindsagger
Hier handelt es sich um einen Acker, der einer Familie namens Gotteskind
gehörte.
11. In den Neugärten östlich
Vo. Vw.: Neigärde
Mit neu bezeichnete Flurstücke, hier Gärten, beziehen sich auf neu angelegte,
die also später als ältere gerodet oder urbar gemacht wurden.24 Neu als
Gegensatz zu Älterem. Wortherkunft Garten siehe Nr. 4, Saugärten.
12. In den Pitzenäckern östlich
Vo. Vw.: Pitzeägger, im Dahl
Die Dorfgemarkung war anfänglich in Almend, (Allgemeingut) und Bitz
(gesondertes Individualgut) eingeteilt. Bitz ist Sprachkürzel aus ahd bizüna,
mhd bizüne = eingezäuntes Grundstück. Dies sind meist ertragreiche
Grundstücke oder Gärten in Ortsnähe, oft auch als Pfütze entstellt, haben aber
begrifflich nichts damit zu tun.25 Mit Acker war zuerst nahrungsbringendes
Land, seit dem späten Mittelalter dann das jährlich umgebrochene Pflugland
gemeint, (germ. akra, ahd ackar, mhd acker)26
13. In den weißen Steinäckern östlich
Vo. Vw.: In de Weiße Sdähägger, Im Dahl
Das Adjektiv weiß kann sich allgemein in Flurnamen auf einen markanten
weiß -hellen Anzeigerstein (Grenzstein, steinernes Kreuz etc.) beziehen oder
auf einen Besitzer (Kloster Weißenburg, Weißensteiner Hof etc.) bzw. den
Weizen.27 Da das Gelände nicht steinig ist wäre der Begriff Stein auch auf
den nahen Rödelstein (siehe Nr. 43) zu beziehen.
Wortherkunft Acker siehe Nr. 12 Pitzenäcker.
Näheres wäre nur über weitere Belege zu ergründen, die aber fehlen.
14. In den Sandäckern östlich
Vo. Vw.: Sandägger
Äcker, benannt nach ihrem sandigen Boden.28
15. Am Unger östlich
Vo. Vw.: in de Unger
Der Flurname Unter, speziell in der Südpfalz Unger, 29 leitet sich von ahd
untarn, mhd unter, her. Hiermit ist der Mittagsrastplatz für das Weidevieh
gemeint, 30 meist schattig, am Wasser gelegen. E. Christmann verweist auf
die besondere Häufigkeit des Flurnamens im südwestdeutschen Sprachraum
„von Lothringen/Luxemburg bis Hessen.31
Im pfälzischen Sprachausdruck ist „unter Mittag“ für Mittagsruhe noch bis
heute geläufig.
307
16. Am Sandwögel östlich
Vo. Vw.: Sandwechel
Kleiner Woog (Stauweiher) in sandigem Gelände. Wortherkunft Woog siehe
Nr. 17 Steinwoog.
17. Am Steinwoog östlich
Vo. Vw.: Sdähwooch
Woog ist ein Wort für Weiher, Stauweiher (ahd/mhd wac = See, Wasserflut,
nhd Woog). Das Wort leitet sich vom bewegen des Wassers her.32 Der Woog
befand sich unterhalb des Rappenfelsens, nach älterer Auffassung ein Stein
(vgl. Röthelstein, Stein im Nachbardorf Stein, Berwartstein etc.)
Wortherkunft Stein: Mit Stein meinten unsere Vorfahren noch etwas Großes
von Grenzsteingröße an aufwärts bis zu Felsen auf welchen Burgen standen
wie z.B. der Berwartstein oder hier der Rappenfelsen.
18. In den Schafwiesen nordöstlich
Vo. Vw.: Schoofwisse
Der Flurname bezieht sich auf ehemalige für Schafe bestimmte Weideplätze.
Bis ins 19. Jhd hatte praktisch jeder Ort seinen Schäfer mit Schafherde. Um
z.B. Flurschäden zu venneiden wurden diesen bestimmte Wege und
Weideplätze vorgeschrieben.33 Wortherkunft Wiese siehe Nr. 19 An der
steinigen Wiese.
19. An der steinigen Wiese nordöstlich
Vo. Vw.: an de stähnich Wiss (Christm. FAK)
Benennung nach der Bodenart.
Zur Wortgeschichte von Wiese: Schon die älteste indogermanische
Hochkultur, das Hethiterreich, kannte ein Wort „wesi“ für Viehweide. Auch
in den germ. Sprachen meint Wiese stets feuchtes Grünland. Seit dem
Mittelalter ist im deutschsprachigen Bereich mit Wiese (ahd wisa, mhd wise)
speziell die Mähwiese, statt des beweideten Grünland bezeichnet.34
20. An der -, In der Lochwiese, - Lochborn nordöstlich
Vo. Vw.: in de Lochwisse, - Lochborne
Von ahd loh, mhd loch - Gebüsch, Gehölz, Grenzwald, nicht selten zur
Eichenlohegewinnung, ausgesprochen: die L∞ch.35
Lochwiesen und Lochborn lagen nahe des Waldes oder es wurde dort Lohe
gelagert. Bemerkenswert ist, dass sich das mittelalterliche Wort „die Looch“
noch in pfälzischer Mundart erhalten hat.36
Unsere fränkisch-germanischen Vorfahren sagten zur Quelle ahd bronne oder
brunne. Durch Lautverschiebung (r-Umstellung: bronn - born) wurde im
Mittelalter auch in unserer Heimat daraus mhd born. Seit dem 16. Jhd
entwickelte sich die Lautung wieder zu nhd brunn zurück, daher in alten
308
Flurnamen die Quelle noch als Born bezeichnet.37
Wortherkunft Wiese siehe Nr. 19 An der steinigen Wiese.
21. Am Eichenbühl östlich
Vo. Vw.: Am Ächebeel
1733 „am Eichenbiel“ (Christm. FAK)
Von ahd eicha, mhd nhd eiche aus germ. aik in Flurnamen auf den Bewuchs
mit Eichenbeständen bezogen.38
Der mächtige, Jahrhunderte überdauernde Eichbaum galt nicht nur Germanen
und Kelten, auch Römern, Griechen und Slawen als heilig, sicher auch wegen
seines wirtschaftlichen Nutzens für den Menschen (Holz, Rinde,
Mastfrüchte). Ab dem 18. Jhd wurde die Eiche nicht nur als deutsches
Sinnbild verehrt, auch zur Zeit der Französischen Revolution galt sie als
Freiheitsbaum schlechthin.39
Bühl, Behl, Bohl bedeutet soviel wie kleiner Berg, Anhöhe, zu ahd buhil,
mhd buhel. Das Wort wurde einst in der deutschen Sprache viel verwendet
ist aber in neuhochdeutscher Schriftsprache ausgestorben, in vielen
Siedlungs- und Flurnamen aber noch vorhanden.40
22. In den Benzengärten östlich
Vo. Vw.: Bänsegärde
Diesem Gewannennamen liegt mhd binz, binez = Binse zugrunde, welche
hier auffällig wuchsen. Die Vokalsenkung Binz-Benz entspricht typisch
südpfälzischer Mundart wie z.B. spielen (speie), Mist (Meschd etc.). 41
Wortbedeutung Garten siehe Nr. 4 Saugarten.
23. Auf der -, Im -, Am Steig, Steigenäcker, - teich östlich
Vo. Vw.: d-Sdääch
1733 „uff der Steigen“ (Christm. FAK)
Von mhd steige = steiler Pfad, Weg, Straße, Anhöhe. Der Name weist auf
Steiggelände an einem Weg hin. Im Pfälzischen mittlerweile durch Stich
ersetzt und nur noch in alten Flurnamen oder Redewendungen wie „d-
Schdääch nuff“ vorhanden.42
Den Mundartbegriff Deich, wie oben das Steigendeich, für einen länglichen
Geländeeinschnitt ohne Bach (pfälzisch das Deich) gibt es im
Schriftdeutschen nicht, weshalb derselbe meist als Teich (wie oben)
geschrieben wird aber mit einem tatsächlichen Teich nur selten etwas zu tun
hat.43 Das Wort Deich ist niederdeutscher Herkunft und entstand aus mhd
diche, tiche für den ausgestochenen Dammgraben. Aus dem Graben bildete
sich in Hochdeutsch der Teich, aus dem Damm der Deich.44
In der Pfalz hat sich aber die ältere Begriffsform länglicher (grabenförmiger)
Taleinschnitt erhalten. So ist das pfälzer Deich etwas ganz anderes als der
hochdeutsche Deich oder Teich. Das Deich, meist in
Wortzusammensetzungen, ist im Wasgau ein häufig vorkommender
Flurname.
309
24. Treiberstal nordöstlich
Vo. Vw.: Dreiwersdahl
Der Flurname bezieht sich auf mhd triben = wenden, treiben, aus ahd triban.
Offenbar beziehen sich die Benennungen auf den Viehtrieb durch den Hirt
oder Treiber, welcher durch das Tal erfolgte.45 Auch der Familienname
Treiber ist möglich. Das Wort Tal ist gemeingermanischer Herkunft (germ.
dala, ahd/mhd/ nhd tal, vgl. auch niederländisch und schwedisch dal sowie
englisch dale) Aus einer indogermanischen Sprachwurzel für die
Geländewölbung.46
25. Am Güterweg nordöstlich
Vo. Vw.: Giederwääch
Ein Weg auf dem Güter zur Burg Lindelbrunn transportiert wurden.
Wortherkunft Weg siehe Nr. 31 Am Wegweiser.
26. Am Sechzehnten nordöstlich
Vo. Vw.: Sächzehner
Mit Zahlen benannte Flurstücke sind gerne nach ihrer ehemaligen Größe in
Morgen benannt. Hier kann es sich allerdings auch um eine ehemalige
Abgabenmenge der Feldfrüchte handeln, wie beim Zehnten.
27. Im Langenthal am Weg nordöstlich
Vo. Vw.: Im Langedahl am Wääch
1733 „ vor dem Langenwalde“ (Christm. FAK)
Ackerstücke am Tal welche nach seiner langgezogenen Form benannt sind.47
Wortherkunft Weg siehe Nr. 31 Am Wegweiser.
28. Am Prangerseck nordöstlich
Vo. Vw.: Brounerdsegg
Von ahd phragina (aus indogermanisch brank = einschließen, -engen) mhd =
phrange, phrenge - Einschließung, Beschränkung, Beengung, Drangsal,
Streit. Das Wort germanischer Herkunft (z.B. gotisch: anapraggan =
bedrängen, englisch: to prangle - drücken) bezieht sich im Flurnamen auf ein
eng verwinkeltes Hakenstück der Gemarkungsgrenze gegen
Oberschlettenbach. Auch der Name „Am Pranger“ in der Altstadt Annweilers
bezieht sich auf die sehr enge Bebauung, nicht auf einen Prangerpfahl Holz,
wie neuerdings festgestellt wurde.48
Mit Eck oder Winkel werden abgelegene, kleinere Endstücke an Wegen,
Bächen, Bergen oder Grenzstücke einer Gemarkung bezeichnet. Mhd eck(e)
= Spitze, Kante, Winkel. Das ältere Wort für Ecke war Winkel (ahd triwinkili
= Dreieck) da vor dem 13. Jhd Ecke (ahd egge) in erster Linie die
Schwertspitze war und sich dann auf andere Gegenstände zunehmend
übertrug.49 Der Flurname Prangerseck scheint sich also im 14. und 15. Jhd
ausgeprägt zu haben.
310
29. Im Schafthal nordöstlich
Vo. Vw.: Im Schoofdel
1733 „Im Schoffdell“ (Christm. FAK)
Weideplatz oder -weg der örtlichen Schäferei. Um Flurschäden zu vermeiden
wurden der Schafherde bestimmte Wege oder Weidestücke vorgeschrieben
(siehe auch Nr. 17 Scharwiesen und Nr. 49 Schäfrig.
Wortherkunft Tal siehe Nr. 24 Treiberstal.
30. In der Halde nordöstlich
Vo.Vw.:I n de Hald
Der Flurname geht auf ahd halda (aus germanisch haltha = zugeneigt,
schräg)50 mhd/nhd halde = Abhang zurück und beschreibt seine Lage am
Bergabhang.51
31. Beim Wegweiser nordöstlich
Vo. Vw.: Am Wäägweiser
Flurgelände an einem alten Wegweiser. An Wegweisern kreuzten sich des
öfteren auch Altstraßen.
Weg und Straße: Weg ist die Hauptwortbildung von weg, aus mhd enwec
(vgl. englisch away bzw. mundartlich eweg) für den Ort aus dem sich etwas
entfernt, (germanisch wega, ahd/mhd wec). Gleicher indogermanischer
Sprachwurzel entstammt auch lateinisch via (via - strada = mit Steinen
ausgelegter Weg, Fläche). Das deutsche Wort für Straße war Weg. Deshalb
heißen viele Altstraßen noch Weg. Erst durch den Straßenverkehr des 20. Jhd
drängte das Wort Straße das Wort Weg auf lokale, unbefestigte Nebenwege
zurück. Wir erkundigen uns heute aber immer noch nach dem Weg zum
Zielort, obwohl die Straße dorthin meinen. Das Wort Straße gelangte vor ca.
2000 Jahren aus dem Lateinischen ins westgermanische (strada) und ist in
ahd strazza für den breiten, befestigten Fernweg überliefert.52
32. Im Woppernthal nordöstlich
Vo. Vw.: Wooberndahl
Aus mhd wapenen (gesprochen: wopenen)) = rüsten, bewaffnen. Wappen
war anfänglich das Zeichen auf Waffen, wozu auch Schild, Fahne und
Rüstung zählte. Eine Trennung des Begriffs Wappen (Schildzeichen) und
Waffen (Kampfgerät) begann erst im 16. Jhd.53
Wortherkunft Tal siehe Nr. 24 Treiberstal.
33. In den Spitzäckern nordöstlich
Vo. Vw.: in de Schbitze
Äcker von spitz zulaufender Form.54
311
34. Auf dem Brett nordöstlich
Vo. Vw.: uff em Brädd
Südlich Annweiler Landau wurden über 50 Brett-Flurnamen ermittelt. Es
sind ihrer Umgebung gegenüber höher gelegene, auffällig ebene Flurteile
(breit-eben). Die gleichen Flurteile werden weiter nördlich von uns Platte
genannt.55
35. Im Neufeld nordöstlich
Vo.Vw.:ImNeifeld
Neu angelegtes Ackerfeld, das heiß t durch Rodung oder urbar machen später
als umliegendes Kulturland entstanden ist.56 Das westgermanische Wort Feld
bezeichnet anfänglich eine begrenzte, relativ ebene und (wild) bewachsene
Fläche, im Gegensatz zum dichten Wald. Feld bezog sich bei unseren
Vorfahren auf ganze Landstriche (Maifeld, Wormsfeld), bezeichnete dann
die unbewaldete Mark (Minfeld, Hainfeld) dann Gemarkungsteile (Ober-
Mittel-, Niederfeld) oder, wie oben. Gewannen. Bis ins 19. Jhd wurde die
Bezeichnung immer kleiner (Acker, Beet). Doch wenn wir Pfälzer sagen: „de
Bauer esch im Feld“, so verstehen wir das noch so wie unsere germanischen
Ahnen: irgendwo im Feld des Dorfes, nicht im Wald.57
36. In den Pfalzäckern, In der Pfalzgewann nordöstlich
Vo. Vw.: Palsäcker Palsgewann
Ehemals zu einem kurpfälzischen Besitz oder Hofgut gehörende
Gemarkungsteile. Das Wort Gewanne leitet sich von der Pflugwende her.
Nach dem Pflügen der Längsfurchen wurde der Pflug Gewendet um die
Anwende quer zu Pflügen. Ähnliche oder gleichwertig liegende Äcker
wurden dann als entsprechende Gewanne zusammengefasst58 (mhd gewende,
ahd giwanta).
Wortherkunft Acker siehe Nr. 12 Pitzenäcker.
37. In den Plankenäckern nordöstlich
Vo. Vw.: Blangeägger
Blank im Sinne von hell, glänzend, weißlich, bloß, rein, leer kommt hier wohl
weniger in Betracht, 59 es sei denn man bezieht dies auf den Rodungsvorgang,
auch Blank(e) in der Bedeutung mhd planke = dickes, langes Brett,
Lattenzaun60 dürfte kaum zutreffend sein. Der Flurnamensforscher Prof. E.
Christmann sieht hier die Benennung nach einem bekannten
Personennamen.61
Blank wurde in alter Zeit gerne auch als Zuname benutzt. (z.B. die Ritter
Anselm † Johann, die Blanken von Ingenheim).
Wortherkunft Äcker siehe Nr. 12 Pitzenäcker.
38. Im Kapellenfeld nordöstlich
Vo. Vw.: Kabällefeld
1754 „Kapellenplatz“ (Christm. FAK)
312
Feldstücke die bei oder zu einer Kapelle (ahd kappela, mhd kappel)
gehörten.62
Wortherkunft Feld siehe Nr. 35 Neufeld
Wortherkunft Kapelle: In der Wortgeschichte von Kapelle spiegelt sich
abendländische Kulturgeschichte wieder: Das Wort leitet sich aus der
Verkleinerungsform des Kapuzenmantels St. Martins her, lateinisch cappella,
eine wichtige Reliquie im Merowingerreich (ca. 500 - 700 n. Chr.) und
darüber hinaus bis heute. Überall im Fränkischen Reich entstanden Kirchen
mit speziellen Andachtsräumen für den Nationalheiligen des Königshauses,
symbolisiert durch die Mantelreliquie, die cappella. Die
Reliquienbezeichnung wurde so ab dem 7. Jhd n. Chr. auf diese Orte und
Gebäude übertragen und dann auf kleinere Kirchen allgemein. Die Kapelle
war geboren. Die Zur Schau Stellung des Heiligenmantels war mit Musik und
Gesangsritualen von Mönchen begleitet, so entstand eine neue Familie von
Wortbegriffen., die Musikkapelle, a. cappela etc.63
39. In der Gerstenohnung nordöstlich
Vo. Vw.: In de Gerschdeahnung
1944 „Gerstenöhmung“ (Christm. FAK)
Hier handelt es sich um ehemals langgezogene, terrassenförmige
Grundstücke im mageren Boden, wo nur Gerste oder Hafer gediehen ahd
agana mhd agene, ane = Spreu, Abfall von Ähren (Zernecke S 48f). Evtl. auch
Ährenstachel und Spreu als Düngung oder Emer, Emmer = Sommerdinkel
(Fl. BW. S 59).
Anhand der vorliegenden Belege lässt sich der Name nicht sicher deuten.
40. Hinter dem Schloß , Schloßberg nordöstlich
Vo. Vw.: Hinnerm Schloss
Seit dem 13. Jhd werden im deutschsprachigen Raum auch Burgen als
Schlösser bezeichnet (Wortfamilie schließen). Im Hochdeutschen engte sich
das Wort zur Vorstellung des unbefestigten Renaissance-Prachtbaus ein. In
Mundart wird aber die alte Bezeichnung von Schloss für Burg noch bis heute
verwendet, hier Burg Lindelbrunn.64
41. In den krummen Äckern nordöstlich
Vo. Vw.: grumme Ägger
Flurstücke welche nach ihrer gekrümmten Gestalt ahd/mhd krump benannt
sind.65 Das Wort Acker entstammt der germanischen (germanisch akra, ahd
ackar, mhd/nhd acker). Es war ursprünglich das Weideland außerhalb der
Siedlung, dann alles Land was Nahrung eintrug, Weide und Feld. Ab dem
Mittelalter das umgebrochene Stück Pflugland, daher tragen in dieser Zeit
entstandene Gewannen gerne die Nachsilbe Äcker.66
313
42. Am Lindelbrunn, Lindelbrunnerhof nordöstlich
Vo. Vw.: Linnlbrunn
1252 „Lindelbolle“
1450 „Lindelborn“
1463 „Lindelburn“
1525 „Lindenbronn“
16./l 7. Jhd „Lindelbrunn“
Der Name leitet sich von der kegelig abgerundeten Form des Burgberges her,
der (vermutlich) mit Linden bewachsen war.67 Der Name Lindelborn scheint
eine alte Verschreibung zu sein, das sich der Lautgeschichte entsprechend zu
Lindelbrunn entwickelte. Von ahd bolla, mhd bolle, nhd/mundartlich Boll für
Kugelförmiges auch Schalengefäß (Scheppboll, Millichboll, Knollen,
Gaulsbolle etc.). Seit altfränkischer Zeit wird mit boll(a) ein rundlich,
bauchiger Gegenstand bezeichnet.
Unsere fränkisch-germanischen Vorfahren bezeichneten rundliche Anhöhen
gerne als Boll(a), ahd bolla, mhd bolle. Erinnert sei an einen Bergzug
zwischen Hinterweidenthal und Wilgartswiesen mit „Große, Spitze, Breite
und Mittelboll“. Als man nach 1500 n. Chr. das Haupt als Kopf bezeichnete
übertrug man das bald auch auf Berge so dass manche alte Boll als Anhöhe
fortan Kopf hieß. In alter pfälzischer Mundart blieb aber das Wort noch
geläufig, man denke an „Millichboll, Scheppboll und Gaulsbolle“.68
Zur Wortgeschichte born brunn siehe Nr. 20 Lochborn.
43. Im Langenthal, Langenthaler Hald nordöstlich
Vo. Vw.: Im Langedahl
1530 „von dem langen Walde“ FAK
Deutung siehe Nr. 26 Im Langenthal am Weg.
Halde siehe Nr. 29 In der Halde.
44. Am Rötelstein nördlich
Vo. Vw.: Roulschde
Der Rötelstein besteht aus auffallend rotem Bundsandstein, so dass eine
Benennung danach naheliegt.69
45. In der Kammerdöll nördlich
Vo. Vw.: Kammerdell
1733 Kammerdöll, „Herrschaftliche Rothbüsche“ (Christm. FAK)
Wie aus oben angeführtem Beleg hervorgeht bestanden in der „Kammerdöll“
herrschaftliche Rothbüsche.70 Dies war eine alte Wirtschaftsmethode, bei
welcher der Niederwald gerodet, wobei die Stümpfe im Boden blieben und
dazwischen anspruchslose Frucht (Gerste, Hafer, Buchweizen) gepflanzt
wurde. War der Boden ermüdet wurde der Niederwald wieder aufwachsen
314
gelassen und beweidet bis zum nächsten Turnus (Wald, Feld, Weide).71
Die Grundstücke wurden von einer herrschaftlichen Kammer verwaltet, hier
vermutlich die kurpfälzische Hofkammer und an deren Nutzer vergeben,
daher der Name.
Wortherkunft Döll siehe Nr. 6 Schelmendöll.
46. In der Kirchhalde nördlich
Vo. Vw.: Kerchheld
Mit Kirch gebildete Flurnamen gehören zum Gut einer Kirche oder lagen in
ihrer Nähe.72
Wortherkunft Halde siehe Nr. 29 In der Halde.
47. In der Klamm nördlich
Vo. Vw.: In de Glamm
1733 „am Clahmenacker“ (Christm. FAK)
Mit Klamm ist gewöhnlich eine Bergschlucht gemeint.73 Hier bezieht sich
klamm jedoch auf die klammen Bodenverhältnisse, also Land von schlechter
Bodengüte, sandig mit felsigem Untergrund.74
48. In den Buckeläckern nördlich
Vo. Vw.: Bugglägger
An einem Geländebuckel liegende Äcker. Das Wort Buckel (ahd buckula,
mhd Buckel) ursprünglich der Schildknauf des Kriegers, dann die
aufgeblasene Backe und der krumme Rücken. Seit dem 16. Jhd übertrug man
die Form auch auf Geländeteile.75
Wortherkunft Acker siehe Nr. 41 Krummäcker.
49. Im Schäfrig nördlich
Vo. Vw.: Schefrich
Aufenthalts- oder festgelegter Ort für den örtlichen Schäfer mit Schafherde.
Um Flurschäden zu vermeiden wurden Schafe bestimmte Weideplätze und
Wege zugewiesen. (vgl. Nr. 18 Schafwiesen)
50. An-, In der Kleisterbach - Halde nordwestlich
Vo. Vw.: In de Gleischderbach
Diese Gewannennamen beziehen sich auf die klebrig, anhaftende Bodenart.
Von mittelniederdeutsch Klister - anhaftender Gegenstand, Klebstoff.76
315
51. In den Brühlwiesen westlich am Ort
Vo. Vw.: In de Brielwisse
Um 1530 „an des Stifts bruel“ (Grimm Weisth. V, S.545)
Fast jede Dorfgemeinschaft hatte ihren Brühl, er war meist im Besitz
geistlicher Herren (siehe oben). Brühl ist eine der ältesten Flurnamen die wir
kennen. Seine Wortgeschichte lässt sich bis in die vorrömische Keltenzeit
(vor 50 v. Chr.) als breigilo erschließen. In der Römischen Zeitepoche finden
wir das Wort als lateinisch brogilus, danach gallo-romanisch brogilo. Es
bedeutete umzäuntes Gehölz, Wild-, Viehgehege. Die germanischen Franken
lernten das Wort im gallo-romanischen Sprachraum kennen und verbreiteten
es über ihren Herrschaftsbereich zur Merowingerzeit. Etwa seit den 7. Jhd n.
Chr. wandelte sich seine Bedeutung mit Ausweitung der Grundherrschaft
zum heutigen Begriff Herrenhofwiese ahd bruil, bruhil, mhd bruwel,
bruehel). Oft lag der Brühl bei oder nahe eines Herrenhofes, nicht selten
eingezäunt, da er rechtliche Sonderstellung hatte. Dies zeigt noch oft das alte
Ortsbild. Noch heute findet man den Flurnamen Brühl verdichtet im
ehemaligen fränkischen Siedelland von Lothringen bis Südhessen. Mit dem
Landausbau gelangte Brühl auch in Ausbaugebiete, wie hier im Wasgau.77
Wortherkunft Wiese siehe Nr. 19 An der steinigen Wiese.
52. Am Kamborn westlich
Vo. Vw.: In de Kambom-wisse
1666 „In den Kammbornwisse“ (Christm. FAK)
Der Name scheint eine Entstellung aus Kammerborn zu sein, so dass es sich
hier ebenfalls um Gelände handelt, welche eine herrschaftliche Hofkammer
verwaltete. (Näheres siehe Nr. 45 Kammerdöll) Oder es handelt sich um
einen Born dessen Wasser über ein Kammrad (Schließverrichtung, Zahnrad)
verteilt wurde.
Wortgeschichte Born siehe Nr. 20 Lochborn.
53. Im oberen Teich westlich
Vo. Vw.: Ewwerschdeich, Owwerschdeich
Dem Mundartausdruck zu Folge handelt es sich hier um ein Geländedeich
(Wortgeschichte Deich Teich siehe Nr. 23 Steigenteich) welches im
Gegensatz zur „Unnerschdääch“ das oberste „Ewwerschdeich“ Deich war.
54. Am Zimbach westlich
Vo. Vw.: Zimbach
1733 in der Zimmbach (Christm. FAK)
1754 Zimmereck, Zimmerwoog (Christm. FAK)
Ehemals Stelle an welcher Holz gelagert oder zugeschlagen wurde,
(germanisch timbja = Holz, ahd zimbar, Bauholz, Holzbau, mhd zimmer,
Holz weiterverarbeiten).78 Ob diese Erklärung zutrifft lässt sich allerdings
316
nicht eindeutig feststellen. Das Wort Bach ist germanischer Herkunft für das
fliesende Kleingewässer (germanisch bakja(z), ahd bahi, mhd/nhd bach).79
55. Am Gartenschemel westlich
Vo. Vw.: Am Gardeschäml
1733 „In den gärtem Schemel“ (Christm. FAK)
Mit Schemel werden in der Pfalz Kleinstücke bezeichnet. Zum Beispiel ein
Wingertsschemel (vier Zeilen Rebland), hier die Bezeichnung für
Gartenstücke.80
Wortherkunft Garten siehe Nr. 4 Saugarten.
56. An der Halde westlich
Vo. Vw.: Bäämhald
Hanglage mit Obstbäumen.
Wortherkunft Halde siehe Nr. 30 In der Halde.
Näheres siehe Nr. 62 In der Baumhald.
57. Im Eselsgrund westlich am Ort
Vo. Vw.: Äiselsgrund
Bis ins 19. Jhd war der Esel in der Pfalz als Nutztier gebräuchlich. Das Wort
übernahmen schon die Germanen, aus lat. asellus wurde germanisch asiluz,
ahd esil und mhd nhd esel. Hier kann es sich um Besitz eines Eselhalters oder
Weidegrund für Esel gehandelt haben.81
Mit Grund werden Flurnamen tiefer liegender Flurstücke (Ackergrund)
bezeichnet, aus mild grunt = Talsohle, Bodenvertiefung.82
58. Im Pfarrroth, -busch, -wiese, -wald westlich
Vo. Vw.: Im Parrod, -busch, -wisse, -wald
Die Flurnamen bezeichnen Flurstücke die zum Kirchengut gehörten oder
deren Nutzung dem Pfarrer bzw. der Pfarrei zustand. Von mhd pharre -
Pfarre, Pfarrkirche. Das Pfarrroth bezeichnet ein Rodungsgrundstück, der
Pfarrbusch den Pfarrwald.83
Wortherkunft busch siehe Nr. 7 Schützenbüschel.
59. Am Estelseugen westlich
Vo. Vw.: Eschdlsääche
Der Flurname Estelseugen basiert auf einem mundartlichen Sprachkürzel von
Eschentalseichen (Estel = Eschental wie z.B. Rintel = Rinnthal). Er
beschreibt also ein Tal mit Eschen und nahen Nassstellen. Seiche (mhd sihen)
und Siegen (mhd sigen) gehören ihrer Herkunft und Sachbedeutung nach
zusammen und entstanden aus germanisch sihwan = auströpfeln,
niedertröpfeln, -fließen. In Flurnamen werden damit feuchte, nasse
Geländestellen, wo Wasser, Sickerwasser austritt beschrieben.84
317
60. Im Heitzenthal, In der Heitzenthalhalde nordwestlich
Vo. Vw.: Heizendahl
Möglicherweise ist in diesem Flurnamen ein alter Personen- oder
Familienname verborgen. Möglich ist auch mhd heiz - heiß , vielleicht auch
zum Bestimmungswort,
-feld und heiß oder heizen zu stellen.
Ohne weiterführende alte Belege, die fehlen, ist der Flurname nicht zu
deuten.
Wortherkunft Halde siehe Nr. 30 In der Halde.
61. Am Mittelfeld westlich
Vo.Vw.:Middelfeld
Die Gewanne ist nach ihrer Lage zwischen zwei anderen Flurteilen benannt.85
62. In der Baumhald westlich
Vo. Vw.: Bähmhald
Flurname, welcher einen mit (Obst) Bäumen bestandenen Hang = Halde
(Wortdeutung siehe Nr. 30 In der Halde) beschreibt (Streuobstwiese). Das
Wort Baum bezieht sich auf blühen, biegen, wachsen. Im Altgermanischen
wurden zwei Begriffe unterschieden: terwa und baugnaz (Der Biegende,
Wachsende und Standfeste (Treue) Baum). Im Deutschen wurde mit Baum
in erster Linie das lebende Gewächs bezeichnet, im Englischen ist dies
umgekehrt (engl. beam = Balken, Stange). Ein dem Englischen tree - Baum
entsprechendes Wort findet sich noch z.B. als Nachsilbe in Rüs-ter, Wachhol-
der. Aber auch im deutschsprechenden Raum spricht man von einem Heu-
oder Schlagbaum, vergleichbar der englischen Vorstellung.86
63. Im kleinen-, großen Schafthal westlich
Vo. Vw.: Schoofdl
Deutung analog Nr. 29 Im Schafthal
64. Am Rollenborn westlich
Vo. Vw.: Im Rolleborne
Der ursprüngliche Flurname ist hier entstellt. Rollen war eventuell auf älteres
Roten zurückzuführen (mhd rot) falls rötliche Bodenfärbung vorliegt. Der
Flurname kann aber auch auf ursprüngliches Rodenborn, Rodtenborn
zurückzuführen sein, das hieße Born an einem Rod (gesprochen Rodd). Ohne
ältere Belege ist eine sichere Deutung nicht Möglich.87
Wortherkunft Born siehe Nr. 20 Lochborn.
65. Am-, Im Bußenthal, Bußenthal, Bußenthal-Hübel westlich
Vo. Vw.: Busendahl, Busendahler Hewwel
Falls der Flurname keine alte Entstellung beinhaltet, was mangels Altbelege
nicht zu prüfen ist, wäre es, wie der Flurnamensforscher Prof. E. Christmann
318
vermutete, nach seiner Richtung benannt. Vom Dorf Vorderweidenthal aus
gesehen Richtung Busenberg. Mit Busenthal Hübel pfälzisch Hewwel ist das
sich anhebende Gelände gemeint.88
66. Im Niederfeld westlich
Vo. Vw.: Nirrerfeld
Benennung nach der Lage, das niedergelegene Feld.
Wortherkunft Feld siehe Nr. 35 Im Neufeld.89
67. Auf der Hart westlich
Vo. Vw.: Uff de Haard
Von ahd mhd hart = Weidewald, Waldweide auch gemeinschaftlich.
Vorwiegend Schweine und Kühe wurden im Mittelalter zur Weide
getrieben.90
68. Am Seckenberg westlich
Vo. Vw.: Seggeberch
Flurnamen mit Seck, Secken oder ähnlicher Bildung verweisen aufstellen aus
dem Sickerwasser aus dem Boden dringt. Von mhd Sihen, tröpfeln,
durchsickern, leichtes fließen und mhd sigen = niederfließen, tröpfeln.
Vergleiche hierzu Nr. 59 Esteiseugen.91
69. Am oberen -, Am Rothenbühl südwestlich
Vo. Vw.: Am Rourebehl
1733 „Am rothenbehl“ (Christm. FAK)
Dem Mundartausdruck zu Folge liegt hier eine Benennung nach der roten
Bodenfarbe (Rotliegendes) vor, mhd rot = rotfarben.92
Möglich ist auch eine ursprüngliche Benennung nach einer mittelalterlichen
Rodung, das Rod.93
Wortdeutung Bühl siehe Nr. 21 Am Eichenbühl.
70. An-, In der Wanne südwestlich
Vo. Vw.: in de Wann
Das Wort Wanne bezog sich anfänglich nur auf die Getreide- oder
Futterschwenge (pfälzisch Winde), ahd wanna, aus lateinisch vannus, welche
die Germanen aus römischer Kultur kennenlernten. Seit dem Mittelalter
bezog man Wanne auch auf längliche Wasserbehälter, später auch auf
Geländeteile. Die Flurstücke liegen in einer wannenartigen Bodensenke.94
71. Am Entenbach südwestlich
Vo. Vw.: Endebach, Endebacherbeschel
Es ist zweifelhaft ob an diesem Bachabschnitt sich tatsächlich Enten
(germanisch anuti, ahd anata, anut, mhd ante, ente) aufhielten. Der
Flurnamensforscher Prof. E. Christmann bezieht den Namen auf das relativ
319
nahe Dorfende, welches früher Endenbruch genannt worden sei.95
Ohne weitere alte Belege nicht klar zu entscheiden.
72. Am unteren Teich südwestlich
Vo. Vw.: Unnerschdeich
1733 „im untersten Deich“ (Christm. FAK)
Hier handelt es sich tatsächlich um einen Geländedeich welcher unterhalb des
oberen Teich (siehe Nr. 53), das heißt Gewässerabwärts lag.
73. In den Rohrwiesen südwestlich
Vo. Vw.: Rohrwisse
Dies waren Wiesen (Wortherkunft siehe Nr. 19 An der steinigen Wiese) an
bzw. in welchen gerne Schilf und Rohr wuchsen (ahd/mhd ror = Schilf Rohr,
aus germanisch rauza).96
74. An der Sägemühle, Zur -mühle, -Halde südwestlich
Vo. Vw.: Sähmiel, Sämieler Hald
Die Flurstücke lagen in der Nähe der alten Vorderweidenthaler Sägemühle.
Wortdeutung Halde siehe Nr. 30 In der Halde.
75. Am Mühlteich südwestlich
Vo. Vw.: Mieledeich
Hier ist ein Geländedeich (Wortdeutung siehe Nr. 23 Im Steigenteich) an der
alten Sägemühle beschrieben.
76. Am Rothenhübel südwestlich
Vo. Vw.: Am roure Hewwl
Ansteigendes Flurgelände welches nach seinem rot gefärbten Boden benannt
ist. Hewwel ist die mundartliche Bezeichnung für ansteigendes
Bodengelände, Hügel, hier frühneuhochdeutsch als Hübel bezeichnet.97
77. In den Kreuzäckern südwestlich
Vo. Vw.: Greizägger
Bei den Kreuzäckern handelt es sich um Äcker (Wortherkunft siehe Nr. 41
In den krummen Äckern) an einer Wegekreuzung, an welcher
Möglicherweise in vorreformatorischer Zeit auch ein Heiligenkreuz stand.98
78. Am Untersteich südwestlich
Vo. Vw.: Unnerschdeich
Zur Unterscheidung von einem oberen Deich (vgl. Nr. 53 Oberstdeich)
Untersdeich genannt.
320
79. Im Grün Tal, An der Grünfahrt, Am Grün Woog südwestlich
Vo. Vw.: Griedahl, Griewooch, Griefährt
Die Bezeichnung Grün in Flurnamen bedeutet in der Regel zweierlei. Eine
klare Trennung wäre nur über weitere Schriftbelege bzw. Anhaltspunkte
Möglich.
Bei der Grünfahrt dürfte es sich um eine Über- oder Durchfahrt über den
Erlenbach gehandelt haben, dessen Umfeld bis heute noch auffällig grün
bewachsen ist.
Beim Grün Woog (Wortdeutung Woog siehe Nr. 17 Steinwoog) handelt es
sich um einen der vielen Fischweiher auf der Gemarkung Vorderweidenthals.
Grün Tal ist ein Tal nahe des Grien bzw. der Grünstelle. Das Grüneck war
ein wichtiger Grenzpunkt zwischen Weißenburger Mundat und
Klingenmünsterer Gebiet. Zum Zweiten wäre eine Herleitung aus mhd grien
- Kiessand, sandiges Ufer Möglich, welches die Ursache für die frische
Grünstelle war. Das aus dem Altgermanischen stammende Adjektiv grün
(englisch green, niederländisch groen, schwedisch grön) beinhaltet von
Anfang an auch Wachsendes, Gedeihliches, Junges, Unerfahrenes. Im
Deutschen ist schon ab dem 9. Jhd n. Chr. der Bezug aufgrünenden Boden
nachzuweisen.
Mit fahren meinten unsere germanischen Vorfahren jegliche Art der
Fortbewegung, Entfernung (vgl. englisch to fare, schwedisch fara, gotisch
faran, ahd faran, mhd varn). Selbst Siedler oder Neuankömmlinge wurden im
frühen Mittelalter noch als „niuwifara“ bezeichnet.
Im heutigen deutsch ist fahren auf die Fortbewegung mit Fahrzeugen
beschränkt. Aber auch wir Können noch, ganz im Wortsinne unserer
germanischen Ahnen aus der Haut fahren, haben Vor- und Nachfahren oder
uns widerfährt Unrecht und vieles mehr.99
80. Im Kästal südlich
Vo. Vw.: Keesegg, Keesdahl
1733 „ Zum Käs Thaal“ (Christm. FAK)
Von mhd Käs, Kess für einen kleineren Eichenwald. Dieses altfränkische
Wort ist um 1500 n. Chr. in pfälzer Mundart ausgestorben, hat sich aber im
moselfränkischen Dialekt erhalten. Abgeleitet wurde es aus gallo - romanisch
cassanus = Eiche, bzw. cassinus = von Eichen umstanden. Es wurde schon
vor 1500 Jahren, zur Merowingerzeit, in deren westlichen Reichsteil entlehnt
und auch im germanisch sprechenden altfränkischen Sprachraum
Übernommen.100
81. Am Büllwoog östlich
Vo. Vw.: Billwooch
1733 Billdeich, Billwoog (Christm. FAK)
Hier befand sich einst ein Woog (Wortherkunft siehe Nr. 17 Steinwoog) an
welchem oder dessen Nähe sich ein Heiligenstock befand. Dieser wurde
321
mundartlich kurz Bill oder Bild genannt und von Amtsschreibem zu Büll
„verfeinert“.
Bei unseren Vorfahren war Bild noch von weiterer Vorstellung als heute: ahd
bilidi, mhd bilde -Abbild, Gestalt (daher Bild - hauer), älter auch
Wunderzeichen (z.B. ahd bilwis - Kobold, altfränkisch bilidi =
Schattengebilde).101
82. Im großen-, kleinen Finsterthal südlich
Vo. Vw.: Im Finschderndahl
1733 „im kleinen, finstern Thal“ (Christm. FAK)
Von (germanisch thimsra ahd finstar, mhd finster) für düstere, lichtarme,
unheimliche Orte, ein dunkler Wald, ein enges Tal oder auch dunkler
Boden.102
83. Am Pfaffenwoog südöstlich
Vo. Vw.: Paffewooch
Pfaff (mhd pfaff(e), phaffe) nannte man ursprünglich den Weltgeistlichen.
Pfaff Namen bezeichnen kirchlichen Landbesitz oder Grundstücke allgemein
oder solche welche dem Ortspfarrer zur Nutznießung Überlassen waren. Hier
einen Fischweiher.103
Wortherkunft Woog sieh Nr. 17 Steinwoog.
84. Am Böllerswoog, -wiesen südöstlich
Vo. Vw.: Bellerswooch, Bellerswisse
1733 „ Bellerswoog“ (Christmann FAK)
Hier handelt es sich um Güter die einer Familie namens Beller gehörten.
85. Birkenbuckel südöstlich
Vo. Vw.: Berchebuggl
Von ahd biricha, mhd birke = die Birke, mhd birkin - Stelle, hier ein
Geländebuckel (Wortherkunft siehe Nr. 48 Buckeläcker) mit Birken
bewachsen. Das Wort Birke ist germanischer Herkunft, aus einem
indogermanischen Wortstamm für strahlend, weiß, glänzend. Sie galt von
alters her als Baum der Jugend (Maibaum).104
86. Am Bethof, In den Bethofwiesen südöstlich
Vo. Vw.: Bäthouf
Von mhd bete = Abgabe, diese war ursprünglich vom Grundherrn zu erbitten,
später pflichtgemäß abzuliefern, so vom Gelände, das heute noch Betholz
bzw. Betacker heißt, dazu ist Bethof zu stellen.
87. Im Müllerdöbelsbusch südöstlich
Vo. Vw.: Millerdewlsbusch
1844 „Müllerdöbelsbusch“ (Christm. FAK)
Hier handelt es sich um ein Waldstück (vgl. pfälzisch Bosch — Privat-,
322
Bauernwald siehe Nr. 7 Schützenbusch) welches einem Müller namens
Theobald bzw. einem Theobald Müller gehörte, mundartliches Sprachkürzel
aus Müller Theobalds Busch.
88. Im Habergrund südöstlich
Vo. Vw.: Hawwergrund
Ein ehemaliger Ackergrund, in welchem oft Hafer angebaut wurde (ahd
habaro, mhd haber(e) aus germanisch habra).105
89. Im Breitteich südöstlich
Vo. Vw.: Brärääch
Der alte Begriff von Breit beinhaltete auch etwas großes, umfangreiches, weit
ausgedehntes. Hier ist also ein Geländedeich (Wortdeutung siehe Nr. 23
Steigenteich) beschrieben, das von breit, ausgedehnter Form ist.106
90. Am Hirschkopf südöstlich
Vo. Vw.: Herschekobb
Der Waldberg dürfte wohl nach dem Aufenthaltsort des Hirsches
(germanisch herut, ahd hiruz, mhd hirz) benannt sein.107
Der Ausdruck Kopf für eine Bergkuppe ist nicht älter als 400 Jahre. Ältere
Bezeichnungen hießen Berg, Noll oder Boll (vgl. hierzu Nr. 42 Lindelbrunn,
1252 Lindelbolle). Die alte Bezeichnung für Kopf war Haupt. Als nach dem
16. Jhd das Haupt auch als Kopf bezeichnet wurde, Übertrug sich dies bald
auch auf entsprechend geformte Bergteile, zunächst im Sinne einer
umgedrehten Hirnschale verstanden (ahd/mhd koph = Trink-, Hirnschale,
Scheitel, Schopf aus mittellateinisch cuppa = Becher, Schale). Dieses
lateinische Wort Übernahmen schon vor über 1500 Jahren die germanisch
sprechenden Völker als Lehnwort (vgl. z.B. englisch cup = Tasse, Becher).108
91. Am Buchenloch östlich
Vo. Vw.: Bucheloch
Hier handelt es sich um ein tief gelegenes Kesselgelände (Geländeloch)
welches von Buchen (germanisch boko, ahd boucha, mhd bouche) umstanden
war. Unsere Ahnen nutzten Buchenholz auch zum Runenritzen, weshalb eine
Reihe neuer Begriffen entstanden, wie z.B. das Buch (mit Blättern wie der
Baum) oder der Buchstabe.109
92. Im Narrenthal, Narrenthaler Buckel östlich
Vo. Vw.: Im Narredahl
1733 „Narrenborn, Narrenbornwiese, Narrenthal“ (Christm. FAK)
Mit Narr, Narren gebildete Flurnamen sind mehrdeutig. Teils werden sie auf
mundartliches, wie z.B. „de nohre Berch“, für nah gelegenes, teils auf
Geländenarben (Abbruchkanten, Bodenlöcher) oder die Richtung Nor(d)en
(mhd norder) zurückgeführt. Der Name kann aber auch im Übertragenen
323
Wortsinne verstanden werden. Zum Beispiel aus ahd narro, irnarren, der Narr
oder irren zu mhd narre, für in die Irre führendes oder einbildend täuschendes
Gelände in weitestem Sinne.110
Wortdeutung Buckel siehe Nr. 48 Buckeläcker.
Wortdeutung Tal siehe Nr. l Im Thal.
93. Am Binseneck östlich
Vo. Vw.: Bänseegg
1733 „im Bensendeich“ (Christm. FAK)
Wie die Benzengärten (vgl. Nr. 22), ein Geländeeck (Wortbedeutung siehe
Nr. 28 Prangerseck) an welchem gerne Binsen (ahd binuz aus germanisch
benut, mhd bin(e)tz) aufwuchsen.111
94. Gemeindekopf östlich
Vo. Vw.: Gemänekobb
Von mhd gemeine (ausgesprochen gemäne) = gemeinschaftlich, gemeinsam.
Der Name bezeichnet Gemeindegut also Flurteile, die allen Dorfbewohnern
gemeinsam gehörten. Ein älterer Name ist auch Almende.112
Wortherkunft Kopf siehe Nr. 90 Hirschkopf.
95. Grafenkopf östlich
Vo. Vw.: Grafekobb
1733 „... das sogenannte Graffenköpfel“ (Christm. FAK)
Bestimmungsort des Flurnamens ist (ahd gravio, mhd grave, greve) der Graf,
welcher Graf im engeren Sinne gemeint war, ist hier nicht zu ermitteln.
Möglicherweise handelt es sich um ehemaligen Waldbesitz der Grafen von
Leiningen.113
96. Herrnwald östlich
Vo. Vw.: Herrewald
Zu germanisch haira, ahd herro, mhd herre = Gebieter, Herr. Herrn, Herren
Flurnamen erinnern an Besitzungen ehemaliger geistlicher oder weltlicher
Grundherren.114
97. Vogelskopf östlich
Vo. Vw.: Vochelskobb
1733 „Vogels Kopf (Christm. FAK)
Von ahd fogal, aus germanisch fugla, mhd vogel = jagdbarer Vogel. Mit
Vogel gebildete Flurnamen beziehen sich auf Orte, wo sich häufig Vögel
aufhielten, bzw. auch gejagt oder gefangen wurden.115
Wortherkunft Kopf siehe Nr. 90 Hirschkopf.
324
98. Jungwald nordöstlich
Vo. Vw.: Jungewald
1733 „Jungenwald“ (Christm. FAK)
Das Adjektiv jung in Flurnamen (ahd/mhd jung, aus germanisch junga) weist
ähnlich wie neu, in der Regel auf neu angelegte Flurteile hin oder
Besitzername Jung.116
Das Wort Wald (germanisch walthu, ahd wald, mhd walt - Wald,
Waldgebirge) bezeichnet seit germanischer Sprachzeit das nicht bebaute,
wild bewachsene Land.117
99. Pfarrschleife südlich
Vo. Vw.: Parrschlääf
„Eselschleife“: Stelle wo das Stammholz zu den Holzplätzen geschleift
wurde. (Christm. FAK)
Von mhd sleifen, sleipfen = schleifen, gleitend machen, schleppen, ahd
slifan, aus germanisch slaupia, (als Hauptwort auch (Weg)schleife, Schlitten,
Gestell, Pflugschlitten).
Der Flurname meint wahrscheinlich einen anfänglich unbefestigten, häufig
nicht befahrenen Weg (nur zur Bestellung und Ernte des Pfarrfeldes), auch
zur Beförderung landwirtschaftlicher Erntegeräte (Pflugschlitten) oder den
zu Tal bzw. zu Holzplätzen führenden Weg für gefällte Bäume bzw. Holz.118
Wortdeutung Pfarr siehe Nr. 58 Im Pfarrroth.
100. Am Schwobel, Schwobelseck südlich am Dorf
Vo. Vw.: Im Schwobl, Schwoblsegg
1733 „Am Schwowel (Christm. FAK)
Der in der Südpfalz öfters vorkommende Familienname Schwab scheint hier
nicht in Betracht zu kommen, wohl aber ein ähnlich klingender. Prof. E.
Christmann weist im FAK daraufhin, dass der an die Gewanne reichende
Dorfteil einst so genannt wurde. Vielleicht weil hier einmal Leute wohnten
die aus Schwaben stammten. Eine Herleitung aus schwofeln - schwelen,
schwefeln (Köhlerei) wäre auch Möglich.
Wortherkunft Eck siehe Nr. 28 Prangerseck.
101. Der Gottesacker Dorfmitte
Vo. Vw.: Goddesagger
Hier ist der alte Vorderweidenthaler Friedhof bzw, das an ihm liegende
Gelände gemeint.
102. Galgenfeld östlich
Vo. Vw.: Galschefäld
Hier befand sich eine Richtstätte. Galgen errichtete man gerne an
Gemarkungsgrenzen, an gut einsichtigen Höhen oder Möglichst nahe
belebter Wege, „zu jedermanns Abschreckung“.
325
Als Galgen (ahd galgo, mhd galge) wurde ein spezielles Holzgestell
bezeichnet, an welches allgemeine Gegenstände gehängt wurden (z.B. der
Brunnengalgen). Deshalb bezeichnete das germanische Wort Galgen, in der
Zeitepoche der christlichen Missionierung, auch das Kreuz Christi, bevor das
kirchenlateinische Lehnwort Kreuz üblich wurde.119
Wortherkunft Feld siehe Nr. 35 Im Neufeld.
103. Budel- oder Puhlstein westlich
Vo.Vw.:Buhlschde
1. von Bühl. Buhel verschrieben zu Budel, Puhl.
2. von mhd pul = sumpfiger Platz, Umfeld.
3. von mhd butel = Büttel, Nutznießung (Zernecke S 112)
oder Familienname Budel(l) wie in Busenberg vorhanden.
104. An der Lehmgrube östlich
Vo. Vw.: Lähmegrieb
Jedes Dorf hatte früher seine Lehmgrube. Hier holte man den Lehm für
Fachwerkfüllungen, Scheunenböden oder zum Backofenbau. Lehm ist ein
westgermanisches Wort (ahd leime, mhd lehme ausgesprochen / Lähme, nhd
Lehm).120 Die Bezeichnung Lehm statt Leime (Lähme) breitete sich als
„Luthersprache“ Richtung Westen aus und erreichte erst um 1800 unsere
Heimat. In Mundart wurde der Sprachwechsel bis heute nicht vollzogen.
Lehmgruben waren Gemeindegut.121
Das Wort Grube (ahd grouba mhd/nhd grube) ist germanische Herkunft und
das Hauptwort aus graben. Gruben bezeichnen meist künstliche
Bodenvertiefungen.
Verwendete Literatur Abkürzungen
1 Angenendt Amold Angenendt
Das Frühmittelalter, Stuttgart 1965
2 Ortsgemeinde Barbelroth Barbelroth 2004
Barbelroth 1179 – 2004
3 Ortsgemeinde Bindersbach Bindersbach 2006
700 Jahre Bindersbach
4 Ortsgemeinde Birkweiler Birkweiler 2010
775 Jahre Birkweiler (l. urk. Erwähnung)
5 Brockhaus Enzyklopädie 25 Bde., Brockhaus
Leipzig/Mannheim 1995
6 Ernst Christmann Christm. 1938
Beiträge zur Flurnamensforschung im Gau Saalpfalz
München/Berlin 1938
7 Ders. Christm. 1965
Flurnamen zwischen Rhein u. Saar, Speyer 1965
326
8 Ders. Christm. 1968
Berg-, Wald- und Gewässernamen der Pfalz,
Neustadt/Weinstr. 1968
9 Ders. Cristm. 1972
Flurnamen der Pfalz u. ihrer Nachbarschaft,
Beiträge z. Namensforsch Bd. 7, Speyer 1972
10 Ders. Christm. Siedl. N
Die Siedlungsnamen der Pfalz 4 Bde., Speyer 1952 – 1954
11 Ortsgemeinde Dernbach Dernbach 1989
800 Jahre Dernbach/Pfalz 1189 – 1989
12 Dittmaier Heinrich Dittm.
Rheinische Flurnamen, Bonn 1963
13 Dolch, Martin/Greule, Albrecht Dolch/Greule
Historisches Siedlungsnamensbuch d. Pfalz, Speyer 1992
14 Duden Bd. 7, Herkunftswörterbuch. Duden
Mannheim 2007
15 Duden - Neu, Überarbeitete Neuauflage Duden N
Mannheim 2001
16 Ortsgemeinde Eschbach 2004 v. G. Steinel Eschbach 2004
Eschbach 1254 - 2004, Dorfbuch zur 750-Jahrfeier
17 Einhard, Vita Karoli Magni. Recl. Uni, 2. Auf. Einhard
Stuttgart 1981
18 Ortsgemeinde Eußerthal 1995
850 Jahre Kloster Eußerthal
19 Flurnamensammlung Prof. E. Christmann FAK
Inst. für Pfälz. Gesch. und Volkskunde, Kaiserslautern,
Benzinoring 6
20 Flurnamen Baden-Württemberg, Stuttgart 1993 Fl. BW.
21 Hessischer Flurnamenatlas, Darmstadt 1987 H. F. A
Herausg. Ramge Hans
22 Katasteramt Landau, Extraditionsplan 1840 Kat. Ld
23 Killy/Vierhaus, Deutsche Bibliographische Killy/Vierhaus
Enzyklopädie 12 Bde., München 1998
24 Ortsgemeinde Offenbach 2009
1225 Jahre Offenbach 784 – 2009
25 Pfälzisches Wörterbuch Pf. Wö. B.
6 Bde., Wiesbaden/Stuttgart 1965 – 1997
Herausgeber Prof. Ernst Christmann
26 Pfälzisches Burgenlexikon Pf. Bu. L.
5 Bde., Kaiserslautern 2005 (Inst. F. Pfalz.
Geschichte und Volkskunde)
27 Pfeifer Wolfgang Pfeifer
Etymologisches Wörterbuch d. Deutschen, Berlin 1993
327
28 Polenz Helga Polenz
Katalog der merowingerzeitlichen Funde in der Pfalz
2 Bde., Stuttgart 1988
29 Post Rudolf Post
Pfälzisch, Einführung in eine Sprachlandschaft,
Landau 1990
30 Ortsgemeinde Ranschbach 1999
700 Jahre Ranschbach 1299 – 1999
31 Schieffer Rudolf (Herausg.) Schiffer
Beiträge zur Geschichte des Regnum Francorum,
Beihefte d. Francia Bd. 22, Thorbecke Verl. 1990
32 Ortsgemeinde Steinfeld 2000
Steinfeld 1250 - 2000. Ein Grenzdorf im Zeitenwandel
33 Ortsgemeinde Schweighofen 2011
Schweighofen. Ein Dorf im Viehstrich 1311 – 2011
34 Ortsgemeinde Schweigen 2002
1200 Jahre Schweigen
35 Vater Siegfried Vater 1990
Die Flurnamen von Mühlhofen 1990. Selbstverlag
36 Ders. Vater 1992
Vom Venusbuckel zum Ketzerspiel, Billigheimer
Flurnamen erzähle
37 Geschichte, Mühlhofen 1992, Selbstverlag
38 Ortsgemeinde Völkersweiler: Völkersweiler 1404-2004 Völkersweiler 2004
Ortsgemeinde Wollmesheim 2007
Festschrift z. 1000 Jahrfeier der 1. schriftlichen
Erwärmung 2007
39 Ortsgemeinde Wilgartswiesen 2003
Die Flurnamen von Wilgartswiesen, 1225 Jahrfeier des
Ortes
40 Zernecke Wolf-Dietrich Zernecke
Die Siedlungs- u. Flurnamen rheinhessischer Gemeinden
zwischen Mainz und Worms, Stuttgart 1991
41 Zink Theodor Zink
Pfälzische Flurnamen, Kaiserslautern 1923
Weitere Abkürzung
Vo. Vw. = Volksmund Vorderweidenthal
328
Anmerkungen:
1. v.1 hierzu Duden N, S 9. S 162 ff (indogerm. Erbwortschatz). S 194 ff (germ.
Erbwortschatz), S 286 f (Römischer Kultureinfuß ), S 322 ff (althochdeutsch) u.
Pfeifer. Vorwort SV-X.
2. Angenendt S 344 u 350: z.B. Synode von Frankfurt/M 794 n. Chr. „Niemand soll
ferner behaupten dürfen, Gott Könne mir in den drei heiligen Sprachen, Hebräisch.
Griechisch, und Latein angebetet werden“. Einhard Vita Caroli, S 55. „Außerdem
begann er mit einer Grammatik seiner Muttersprache“ (als Muttersprache wird ebenda
deutsch angegeben).
3. Schieffer S 67 f Duden 7, S 106: Das Wort entstand aus germanisch thiot = Volk,
Stamm, ahd thiotisc = zum Volk gehörig (latinisiert theodisc(us)), mhd diutsch,
tiutsch. nhd deutsch. Vgl. auch Pfeifer, S 219 und Duden N. S 322 ff. Deutsch die
Sprache des Volkes.
4. Angenendt S 440 f, sieht die Idee einer volkssprachigen Literatur wie die des Otfrid
von Weißenburgs „... auch in dem damals aufkommenden ostfränkischen
Reichsbewusstseins begründet“ Vgl. hierzu auch Post. S 57 ff, Schieffer, S 75 ff.
Otfrid war Schüler des Rhabanus Maurus (Abt in Fulda, Bischof in Mainz. Er lies das
Kloster Klingenmünster im 9. Jhd neu errichten). Rhaban war wiederum Schüler
Alkuins des Leiters der Hofschule Karls des Großen. Sein Hauptwerk widmete Otfrid
König Ludwig dem Deutschen, einem Enkel Karls des Großen. (Näheres zu Otfrid
siehe Schweighofen 2011, S 311.ff).
5. Zernecke, S 523 f, Dittm., S 310, Pf Wö. B II, 53 ff.
6. Duden, S 835, Pfeifer, S 1409.
7. Zernecke. S 127 f, Pf. Wö. B. II, S 355 f. Näheres siehe Bindersbach 2006, S 277, Nr.
5A, Am Dorf.
8. Dittm., S 79, Zernecke S 171.
9. Zernecke, S 441 f. Näheres bei Offenbach 2009, S 61, Nr. 17 Saubrücke, S 65. Nr49
Saugewanne, Nr. 54 Sauwuhl, S 71. Nr. 111 Schweinsplatz bzw. Wilgartswiesen
2003, S 52, Nr. 68 Sauborn mit Sauwasen.
10. Duden, S 250. Pfeifer, S 399, Offenbach 2009, Garten(Grundwörter), Zernecke. S
178, Dittm., S 83.
11. Duden, S 542, Pfeifer, S 895.
12. Christm. 1938. S 14, Zernecke, S 412 f, Christm. 1965, S 210, vgl. auch Birkweiler
2010, S 101, Nr. 41 Rechacker.
13. Zernecke, S 452, Dittm., S 263.
14. Duden, S 710. Pfeifer, S 1191.
15. Duden, S 139, Pfeifer, S 211, Zernecke, S 119, Pf. Wö. B. II, S 205 f.
16. Zernecke, S 474 f.
17. Duden, S 743, Pfeifer, S 1252.
18. Duden, S 121 f; Pfeifer, S 187, Zernecke, S 112, Dittm., S 48. Pf. Wö. B. I. 1386 f
Zink. S 113.
19. HFA. Nr. 23, l - 5, Dittm., S 344 ff (mit Karte), Zernecke. S 573 f, Christm. 1965, S
190. Zink, S 173. FL. BW., S 149, Duden, S 920, Pfeifer. S 1151.
329
20. Duden. S 600, Pfeifer. S 993 f. Zernecke. S 393, Dittm., S 225, Post. S 57 f. Näheres
siehe Offenbach 2009. S 72.
21. Mit heiligen sind die heiligen Mönche gemeint, vgl. FAK.
22. Zernecke, S290 f, Dittm., S 160, Christm. 1972, S 20 f.
23. Das altgermanische Wort ist auf germanisch Kuninga, aus kunja = Mann aus
vornehmem Geschlecht zurückzuführen (etymologisch urverwandt mit lat. genus) =
Geschlecht). Ahd küning. niederl. Koning, engl, king. dän. Konge, schwed. Konung.
Vgl. hierzu Duden, S 435. Pfeifer. S 705.
24. Zernecke, S 370 f. Näheres siehe bei Wollmesheim 2006. S 57, Nr. 58.
25. Zernecke, S 88 f, Dittm., S 30 ff: Näheres siehe Schweighofen 2011. S 353, Nr. 75
Pitzenäcker.
26. Duden. S 21, Pfeifer, S 11, Pf. Wö. B. l, S 127, Dittm., S 163, Zernecke, S 36.
27. Zernecke, S 562 ff
28. Zernecke. S 439 f. Dittm., S 255.
29. Unger entstand aus Under (Lautwandel nd>ng) Christm. 1965, S 253 - 255. Unger
bezieht sich meist auf Rinder, es gibt aber auch Kühe-, Sau-, Schaf- oder Roßunger
bzw. allgemein ausgedrückt: die Unger- bzw. Unterstatt.
30. Zernecke, S 538. Zink. S 159, Dittm., S 324.
31. Vgl. Christmann 1965. S 253 - 255, Hess. Fl. Atl. Nr. 43.
32. H. F. A. Nr. 109/1 und Nr. 11271. Näheres siehe bei Ramberg 2013, Flurnamen Nr. 7
Am Mühlwoog.
33. Christm. 1965. S 212, Dittm., S 258, Zernecke, S 445 f
34. Duden. S 928, Pfeifer, S 1547, Zernecke. S 570 ff: Dittm., S 342.
35. Dolch/Greule, S 291, Christm. 1965. S 173 u. 246 f, H. F. A. Nr. 123, Zernecke, S
329. Dittm., S 190.
36. So z. B. in Eschbach 2004, S 165. Nr. 6 Im Loch, mundartlich: „Uff de Lou“.
37. Christm. 1965, S 38 ff. Zernecke, S 98, Pf Wö. B. I, S 107 f. Duden, S 117. Pfeifer, S
176. Vgl. hierzu bei Schweighofen 2011, S 349, Nr. 58 Pfaffenborn.
38. Zernecke, S 135, Pf. Wö. B. II, S 743 ff, Dittm., S 58.
39. Duden, S 171. Pfeifer, S 263 f, Pf. Wö. B. II, S 743 f.
40. Christm. 1965, S 178 f, Pf. Wö. B. I, S 1336 f, Dittm., S 45, Zernecke, S 109.
41. Pf. Wö. B. I, S 923 f, Dittm.. S 29, Zernecke. S 77 f.
42. Zernecke, S 503 f, Dittm., S 299, Christm. 1938, S 25.
43. Pf. Wö. B. II, S 184 f, Dittm., S 49, Christm. 1972, S 13 f, Zink, S 135, Zernecke, S
118.
44. Duden. S 138 u. 841, Pfeifer, S 299 u. 1421.
45. Zernecke, S 531. Dittm., S 318.
46. Duden, S 863, Pfeifer, S 1454 f. Das Wort entstammt dem Gemeingermanischen. Vgl.
hierzu engl. to drive oder schwed. Driva = treiben.
47. Fl. BW., H. F. A. Zernecke. S 312 ff. Vgl. auch Offenbach 2009, S 66, Nr. 66
Langgewanne.
330
48. Vgl. Duden, S 626, Pfeifer, S 1036.
49. Zernecke, S 133 f u. 574, Dittm., S 346 f, Pf. Wö. B. 11, S 716 ff, Zink, S 142. Duden,
S 168 f, Pfeifer, S 259.
50. Halde gehört zum Wortfeld hold. Duden, S 311, Pfeifer, S 499.
51. Christm. 1965, S 180 f, Zernecke, S 210, Dittm., S 97 f u. 107, Pf. Wö. B. III, S 600
f. Vgl. auch bei Schweigen 2002. S 406, Nr. 9 In der Halt, Leinsweiler 2006, S 201,
Nr. 25 Auf der Halde.
52. Duden, S 819, Pfeifer, S 1314 u. 1544 f, Zernecke, S 513 f u. 554 f.
53. Duden, S 906, f u. 915, Pfeifer, S 1529 f u. 1539.
54. Zernecke, S 496 f, Dittm., S 296.
55. Christm. 1965. S 177 f, Christm. 1938, S 26.
56. Vgl. hierzu Nr. 11 Neugärten.
57. Pf. Wö. B. l, S 1104. F, Zernecke. S 188, Dittm., S 21.
58. Pf. Wö. B. IIl, S 289 f, Dittm., S 84. Zernecke, S 188, H. F. A. Nr. 7.
59. Duden, S 99, Pfeifer, S 144.
60. Zernecke, S 89, Dittm., S 230.
61. Christm. FAK (Kasten, Vorderweidenthal).
62. Zernecke, S 265, Völkersweiler 2004. S 230. Nr. 26 An der Kapelle.
63. Duden, S 388 f, Pfeifer, S 618.
64. Duden, S 726, Pfeifer. S 1216, Zernecke. S 462 f. Wilgartswiesen 2003, S 33, Nr. 40
Am hinteren Schlossberg (Falkenburg).
65. Zernecke, S 300 f, Dittm., S 169, Pfeifer, S 738 f, Duden, S 456.
66. Zernecke. S 36, Dittm., S 8, Pf. Wö. B. I, S 127. Vgl. Offenbach 2009. S 71, Acker
(Grundwörter).
67. Pf. Bu. L. III, S 431.
68. Zernecke, S 95, Dittm., S 36, Zink. S 42. Pf. Wö. B. I, S 1089 f. Näheres siehe bei
Wilgartswiesen 2003, S 21. Nr. 17 Große-, Spitze-, Breite-, Mittelboll.
69. Prof. E. Christmann in FAK. Kasten Vorderweidenthal, Dittm., S 251 f (Rötel).
70. Prof. E. Christmann in FAK, Kasten Vorderweidenthal, Zur Rothbusch oder
Röderswirtschaft. Vgl. Bindersbach 2006, S 282, Nr. 21 Gehwies - Rödern.
71. Zernecke, S 263. Dittm., S 127.
72. Zernecke. S 278 f, Dittm.. S 142. Näheres zur Wortherkunft siehe Barbelroth 2004, S
333, Nr. 20 Kirchhöhe.
73. Zink. S 138. Duden. S 408, Pfeifer, S 660.
74. Freundlicher Hinweis von Herrn Bürgermeister Artur Helfer.
75. H. F. A. Nr. 7016, Duden, S 118, Pfeifer, S 180, entlehnt aus lat. buccula. Näheres
siehe Völkersweiler 2004. S 226, Nr. 16 Geisbuckel.
76. Duden, S 412, Pfeifer. S 667.
331
77. H. F. A. Nr. 61, Christm. 1938, S 15. Christm. 1965. S 12, Zink, S 149. Pf. Wö. B. II.
S 1280 f, Zernecke, S 106 f. Näheres siehe Offenbach 2009, S 62, Nr. 27 Brühlgraben,
-wiese, - fahrt.
78. Näheres Schweigen 2002, S 420, Nr. 53 Ziemertal und Schweighofen 2011, S 362,
Nr. 115 Zimmerplatz.
79. Dolch/Greule, S 508 f, Duden, S 61. Pfeifer, S 85.
80. Dittm., S 264, Zink, S 66, Zernecke, S 452 f.
81. Pf. Wö. B. II, S 969 ff, Zernecke. S 148, Dittm., S 65 f. Eine scharfe Biegung (Wende)
eines Weges oder ein Durchgang durch ein Befestigungswerk (Landwehr) hieß essel.
Hierzu wurden bei oben genanntem Flurnamen keine Anhaltspunkte gefunden. Zur
Wortgeschichte, Duden, S 188 f, Pfeifer, S 298 f.
82. Zernecke, S 300, Pf. Wö. B. III, 471 f, Dittm., S 95.
83. Zernecke, S 395 f, Pf. Wö. B. I, S 800, Duden, S 601, Pfeifer, S 995.
84. Zernecke, S 480 u. 487. Dittm., S 284, 287 u. 290, H. F. A. Nr. 119, Duden, S 752,
Pfeifer, S 1272. Da im Pfälzischen das Harnlassen, besonders des Viehs mit dem
gleichen Wort bezeichnet wird, wurde der Vulgärausdruck meist mit eu-Laut
„verfeinert“. Zur gleichen Wortfamilie gehört auch mundartlich seihen und der Seiher
(Sieb).
85. Zernecke, S 348 f.
86. Duden, S 74 u. 841 mit dem germanischen Suffix dra = treu. standfest, Pfeifer, S 107
u. 1421. Vgl. auch Völkersweiler 2004, S 222. Nr. 3 In den Baumäckern.
87. Zernecke. S 424 (Rolländer), Dittm., S 249.
88. Christm. FAK.
89. Zernecke. S 371 f. Vergleiche auch Offenbach 2009, S 69, Nr. 96 Niederwiesen.
90. Christm. 1963, S 172, Pf. Wö. B. III, S668 ff, Zink, S 106. F. BW., S 77. Dittm., S
101. Zernecke, S 214.
91. Dittm., S 284, Christm. 1965, S 249 f, Zernecke, S 480.
92. Zernecke, S 423 u. 428 f, Christm. 1972, S 30, Dittm., S 251 f.
93. Rodungsnamen und Benennungen nach der Farbe rot sind schwer zu trennen.
Anfänglich wurde, das Rod zumeist mit „d“ geschrieben, die Farbe Rot mit „t“. In der
frühen Neuzeit dann beides mit „th“, so dass bei rötlicher Bodenfarbe, ohne alte
Dokumente, welche eine Differenzierung ermöglichen, eine Trennung nicht Möglich
ist.
94. Duden, S 914 f, Pfeifer, S 1538.
95. Christm. FAK, Kasten Vorderweidenthal, Zernecke, S 144 f, Duden. S 181, Pfeifer,
S 287 auf anet = Ente, Wasservogel, typindogen, gemeinsam Wort, Ende: (germ.
antja, ahd enti, mhd/nhd ende) entwickelte sich aus ant - gegenüberliegend, vor einem.
Pfeifer, S 283, Duden, S 180.
96. Duden, S 679, Pfeifer, S 1134, Zernecke. S 424, HFA Nr. 108, Fl. BW., S 119. Dittm.,
S 249, Zink. S 153, Christm. 1965, S 184.
97. Zernecke, S 250. Dittm., S 116.
98. Zernecke, S 297 ff, Dittm., S 167.
332
99. H. F. A. Nr. 102, Christm. 1965, S 62 ff, Zernecke, S 197 f, Dittm., S 93, Post. S 60,
Pf. Wö. B. III, S 438. Zu Grün vgl. Duden, S 304 f, Pfeifer, S 483 f. Zu Fahrt siehe
auch Steinfeld 2000, S 472, Nr. 57 Unter der Fahrt oder Wilgartswiesen 2003. S 13,
Nr. 4 Wadbrunnen - Fehrt (= Furth durch den Wadbach).
100. Christm. 1938. S 6 f, Zernecke, S 267 f, Dittm., S 133.
101. Zernecke, S 85 f, Christm. 1965, S 189 u. 212, Dittm., S 29. Duden. S 95, Pfeifer, S
136f (vgl. hierzu auch pfälzisch Hulwisch aus ahd/mhd hul(de) wis = gutes
Wundergeistchen, aus holda = gut, zugeneigt und wis = Weisheit, Zauber).
102. Zernecke, S 161. Pf. Wö. B. II, S 1394, Duden. S 218, Pfeifer, S 345 f.
103. Zernecke, S 393 f, Duden, S 600 f, Pfeifer, S 994.
104. Zernecke, S 87, Duden. S 97, Pfeifer, S 141 (vgl. niederl. berk, engl. birch, schwed.
Björk, alt-indisch bhurjah, russisch bereza (Beresina = Birkenfluss).
105. Zernecke, S 205 f, Pf. Wö. B. III, S 586 ff, Duden, S 309, Pfeifer, S 492.
106. Zernecke, S 101 f, Pf. Wö. B. I. S 1190 ff, Dittm., S 40.
107. Zernecke. S 239 f, Pf. Wö. B. III, S 1085 ff, Dittm., S 110, Duden, S 339 f, Pfeifer. S
545 f. Bis in die Antike genoß der Hirsch hohe, kultische Verehrung. Zum Beispiel
im Stammesnamen der Cherusker was soviel wie Hirschleute, -stamm bedeutete.
108. Zernecke, S 292. Dittm., S 161. Zink, S 45, Duden, S 441. Pfeifer. S 516 u. 717. Nach
1500 n. Chr. Wandelte sich Kopf von einer Gefäßbezeichnung auf den Stirnteil, dann
gesamten Körperteil des Kopfes.
109. Zernecke. S 108, Duden, S 117, Pfeifer. S 179.
110. Zernecke, S 375 f, Duden, S 550 f, Pfeifer. S 911.
111. Duden, S 97, Pfeifer. S 141.
112. Pf. Wö. B. III, S 188 ff, Dittm.. S 87, Zernecke, S 185 ff (vgl. hierzu auch Spirkelbach
2003, S 50, Nr. 21 Gemeindeteich (Gemänedeich).
113. Zernecke, S 195, Dittm., S 91, Duden, S 285, Pfeifer, S 467.
114. Bei den Germanen war haira = „der Graue“, der Altehrwürdige, geistige Herr.
Daneben gab es Spezialbezeichnungen wie z.B. fro = vorderster, (oberster) Mann, ahd
truchtin = Gefolgschaftsführer. Vgl. hierzu Duden. S 325 f, Pfeifer, S 535,
Völkersweiler 2004, S 227, Nr. 19 Herrnäcker.
115. Zernecke, S 541, Dittm. S 326. Duden, S 902. Pfeifer. S 1520.
116. Zernecke, S 258 f, Dittm., S 123, Pfeifer, S 602, Duden, S 374.
117. Duden, S 908. Pfeifer, S 1533.
118. Dittm., S 271, Zernecke. S 459 f. Duden, S 724, Pfeifer, S 1210.
119. Pf. Wö. B. III. S 12 ff, Dittm., S 82, Zernecke, S 175 f, Duden, S 246. Pfeifer, S 347.
Vgl. auch Barbelroth 2004, S 331, Nr. 14 Im Galgenfeld.
120. Zink, S 83, H.F.A. Nr. 104, Duden, S 477. Pfeifer, S 781 f.
121. Duden, S 304. Pfeifer, S 781 f, Pf. Wö. B. III. S 463, Dittm.. S 94. Zernecke, S 200.
Vgl. auch Völkersweiler 2004, S 233. Nr. 36 Lehmgrube (Lähmegrieb).
333
Als das elektrische Licht nach Oberschlettenbach kam
von Richard Kalkofen, Überarbeitet von Jannpeter Zopfs
Im Jahre 1927 wurde Oberschlettenbach an die Stromversorgung der Pfalzwerke
angeschlossen. Der damalige Ortslehrer hat im Schultagebuch dazu festgehalten:
Als letzte Gemeinde des Bezirksamtes Bergzabern hat sich
Oberschlettenbach entschlossen auch an dem Fortschritt der
Kultur und Technik teilzunehmen, indem sie als erste Neuerung
das elektrische Licht bauen ließ. Die gesamte Anlage war auf
14.500 Mark veranschlagt. Wahrlich ein nettes Sümmchen für die
finanziell so schlecht gestellte Gemeinde. Während das Ortsnetz
einer Saarbrücker Firma übertragen war, wurde die Installation
von Karl Funk aus Vorderweidenthal ausgeführt.
Unglücks- und Zwischenfälle haben sich bei der Erstellung der
Anlage nicht ereignet. Am 27. August 1927, es war ein Samstag,
wurde das Licht eingeschaltet. Im Gasthaus Funck gab es für die
Gemeinderäte sowie für alle am Lichtbau beteiligt gewesenen
Kräfte ein Festessen. Außerdem hatte die Ortsbehörde 300 Liter
Freibier zur Verfügung gestellt. Nicht wenige haben daher am
Sonntagmorgen von der Wirtschaft Gleichmann (Hahnenhof), wo
die zweite Hälfte des Bieres verabreicht wurde, ein schönes
„Stürmchen“ nach Hause getragen.
Allseits ist man über diese bequeme Einrichtung sehr erfreut, und
selbst diejenigen, welche sich ursprünglich so sehr rückständig
gezeigt hatten, würden heute das elektrische Licht nicht mehr
abgeben.
60 Jahre später, am 4./5. Juli 1987 feierte die Gemeinde auf Anregung ihres
damaligen Beigeordneten, des Rektors i.R. Richard Kalkofen mit Unterstützung der
Pfalzwerke ein „Lichtfest“ zur Erinnerung. Starke Halogenscheinwerfer sorgten
dafür, dass die acht schönsten Fachwerkbauten im Dorfmittelpunkt in das rechte
Licht gerückt wurden. Aus der damaligen Festrede des Initiators soll hier
auszugsweise zitiert werden:
Nicht, dass die Oberschlettenbacher alle rückständig gewesen wären und sich
deshalb als die Letzten entschlossen das elektrische Licht einzuführen. Der Schuh
drückte sie woanders. Da lag eine Zeit hinter ihnen, die alles aus den Fugen brachte.
Weltkrieg 1914 bis 1918, Hungerjahre, Inflation, Wirtschaftskrise und die große
334
Arbeitslosigkeit. 1924. drei Jahre vor der Lichteinführung, bezahlte man für ein
Pfund Rindfleisch 2,4 Billionen Mark. Wenn man es in Tausend-Markscheinen hätte
zahlen wollen, hätte eine große Aktentasche dazu nicht ausgereicht. Paula Schmitt
erinnert sich daran, was der Großvater, der Gastwirt Jakob Funck, aus dieser Zeit
erzählte. Über das Wochenende stand hinter dem Ausschank ein Wäschekorb für das
viele Papiergeld. Am Montag aber bekam er für den vollen Wäschekorb
Inflationsscheine nur noch eine Futterschürze. Im Jahre 1926 aber kostete eine
Schreinerstunde 80 Pfennige. Ein Tagelöhner bekam 56 Pfennige Stundenlohn. Ein
ungelernter Arbeiter erhielt als Wochenlohn 21,80 Mark. Für ein Ei bezahlte man 10
bis 15 Pfennige und ein Pfund Weißmehl kostete 25 Pfennige. Wo der Grundbesitz,
die so genannten Stücker, die schmalen Streiten Ackerland als Lappen und
Handtücher bezeichnet, nicht ausreichten, suchte man Arbeit in den Schuhfabriken.
So gingen sie täglich zu Fuß in die Schuhfabriken nach Hauenstein. Wer hatte schon
ein Fahrrad? Es waren die Tausendfüßler, wie einer sie treffend kennzeichnete. Für
viele war der Waldbesitz die eigene Hausbank für besondere Fälle ohne die
katastrophalen Zinsverpflichtungen. So bezahlten sie ihre Lichtanschlüsse, die
Kraftstromanlagen und den Motorhäcksler durch Holzeinschlag oder nahmen
Darlehen bei den Kassen in Annweiler und Bergzabern auf und waren allzu lange
Schuldner für Zins und Zinseszins. Wer auf den Dorfbildern aus dieser Zeit die
Personen unter die Lupe nimmt, dem springt die Sparsamkeit oder Armut ins Auge.
Die Kinder mit allzu kurzem Haarschnitt, barfuß oder mit Holzschuhen geflickte
Jacken und Hosen, diese zum Teil wie Flickenteppiche oder Landkarten. Da
wanderten die Hosen durch die Geschwisterreihe vom Ältesten zum Jüngsten und
wurden immer kürzer und der Flicklappen auf dem Hinterteil immer größer. Aber
sie waren das Aushängeschild der tüchtigen und sparsamen Hausfrau. Zuletzt kamen
sie in den Lumpensack; denn der Lumpenhändler gab dafür eine Tasse, einen Teller
oder eine Schüssel. Schauen wir ins erste Stromablesebuch über den Verbrauch, das
Adam Veyock führte. Es haben ganz wenige keinen Anschluss. Aber kurze Zeit
danach noch innerhalb des Jahres holten sie das Versäumte nach. Die
Stromversorgung war zu Überzeugend. Was der eine kann, das kann auch der
andere. Bis zum Jahresende haben 13 Abnehmer Kraftstrom für den Motorhäcksler.
Im ersten Monat betrug der Lichtverbrauch im Durchschnitt pro Kopf oder Haushalt
8 kW. Dafür zahlte man 10 Pfennige. Hinzu kamen die Grundgebühr und die
Zählermiete. Ein Abnehmer rechnete folgendes auf: 8 KW Lichtverbrauch macht 80
Pfennige. Zählenniete im Monat 2 Mark und Grundgebühr 80 Pfennige. Das macht
für den Monat 3,60 Mark. Man bekam damals für einen Zentner Kartoffeln 3 Mark.
Im Zählerablesebuch fallen besonders die Alleinstehenden, die Witwen auf. Ihr
Lichtstromverbrauch betrug zwei bis drei Kilowatt. Die ersten Glühbirnen hatten nur
15 Watt. Interessant ist der Vergleich: Lichtverbrauch im Winter hoch, im Sommer
aber gering. Dagegen der Kraftstromverbrauch für den Motorhäcksler im Winter
gering und im Sommer hoch. Im Winter, wo genügend Zeit vorhanden, sparte man
an Kraftstromverbrauch durch Handbetrieb des Motorhäckslers. Der damalige
Stromverbrauch für das gesamte Licht des Dorfes mit der Ortsbeleuchtung entspricht
heute dem Verbrauch eines Haushaltungsabnehmers. Was wusste man damals schon
335
von der Elektrizität. Das Wunder Strom im Draht faszinierte die Gemüter. Ein Stück
Draht und eine Glühbirne, da ist etwas was man nicht sieht und doch da ist. Selbst
der Pfarrer hatte auf der Kanzel das Überzeugendste Paradebeispiel für den Glauben.
Wenn man ungeschickt an das Drahtende oder die Steckdose kam, bekam man einen
Schlag. Nur im Lehrplan der Werktag- oder Sonntagschule, der zusätzliche
Fortbildung bot, wurde die Elektrizität angesprochen: „Die Vorteile des elektrischen
Lichtes vor anderen Beleuchtungsarten sind zahlreich. Es verdirbt die Luft nicht,
erwärmt seine Umgebung fast gar nicht. Es ist im Augenblick ohne jegliches
Zündmittel zur Hand. Hoffentlich gelingt es Gelehrten und Technikern durch viele
weitere Erfindungen und Verbesserungen, den vorläufig noch hohen Preis der
elektrischen Beleuchtung mehr und mehr zu erniedrigen.“
Die hellwachen Kinder aber hatten Fragen auf Fragen:
Warum verbrennt die Glühbirne nicht?
Ist im Knipser ein Zündstein?
Warum kann der Strom um die Ecke fließen?
Und mancher so Frage um Frage geplagte Vater platzte ungeduldig heraus: „Jetzert
lass Deim arme Vadder endlich sei Ruh mit der saudumme Fragerei!“ Eine Frau
erinnert sich gut an die eindringlichen Ermahnungen „Laß die Finger vom Knipser.“
Das Drehen am Knipser oder Schalter machte allzu viel Spaß: hell und dunkel,
dunkel und hell - schneller als Tag und Nacht. Unvergesslich wird die Geschichte
von der alten Bas weiter erzählt. Die hatte bis dahin die Eisenbahn im 13 Kilometer
entfernten Annweiler noch nicht gesehen. Sie war Jahrzehnte gewöhnt vor dem Zu-
Bett-Gehen das Petroleumlicht auszublasen. Jetzt hatte sie ihre liebe Not. Sie
kraxelte mit dem Hemd auf den Stuhl, um dem schönen Licht den Garaus zu machen.
Sie blies, wie sie gewohnt, kräftig hinauf. Das machte der Glühbirne aber nichts aus.
Sie schüttelte den Kopf. Das Licht zuckte und flackerte nicht einmal. Sie blies länger
und stärker. Es war sonderbar. Sie holte noch einmal ganz tief Atem und schickte
aus vollen Backen einen geballten Luftstoß gegen das kleine birnenförmige
Glasgehäuse. Es war umsonst. Sie legte sich aufgeregt ins Bett. An Schlaf war nicht
zu denken. Allerlei Gedanken schwirrten durch den Kopf. Vielleicht geschieht ein
Unglück. Wird ein Brand entstehen? Verzweifelnd stand sie auf und rief
hilfesuchend: „Vadder blas das Licht aus!“
Nicht jeder Raum hatte in den Häusern seine eigene Beleuchtung. Trotz des neuen
Lichtes benutzte man für die „Owerstub“ in der Dachschräge, wo links und rechts
das Korn zum Trocknen lagerte, das alte Kerzenlicht. Dies geschah aus
Sparsamkeitsgründen. Für Keller, Scheune und Stallungen benutzte man die
„Lozern“ oder „Luzern“. Die Petroleumlampe als Hängelampe in der guten Stube
war schön bemalt und die Lampenhalterung an Ketten reich geschnörkelt mit
Ornamenten verziert. Heutzutage gibt es solche Lampen (aber dann mit elektrischem
336
Licht) wieder als besondere Tischdekoration im Restaurant z.B. in der „Nachtigall“
in Oberschlettenbach.
Das Petroleum bekam man bei der Schäfer Lene im Kramladen. Frau Elfriede
Wagner weiß noch, wo unter der Treppenecke das Steinölfass stand. Literweise
wurde das Petroleum in einen Glaszylinder hochgepumpt und kostete etwa 40
Pfennige. Aus dem Zylinder wurde es in das mitgebrachte Steinölkännchen oder in
eine Flasche abgefüllt. Wenn nicht bezahlt werden konnte, schrieb die Lene an oder
man bezahlte mit Eiern oder Butter. Gar zu gerne spielten Kinder am
Dochtdrähtchen der Petroleumlampe. Drehte man links herum, so fiel der Docht in
den Petroleumbehälter. Wenn der Vater das Licht anzünden wollte, öffnete er meist
die Ofentür, damit etwas Licht in die Stube fiel. Ein Holzspänchen diente als
Streichholz. Es musste schnell gehen. Dabei drehte er vorsichtig den Docht etwas
hoch. Der kam aber nicht, denn er lag im Steinöl. Zuerst musste er nun den Zylinder
herunternehmen, dann die Dochthalterung herausdrehen und den Docht
herausfischen. Dabei stanken die Hände und die Stube nach Steinöl. Es war nicht
immer leicht, den Docht in das Rädchen zu klemmen. Bei dieser Prozedur ging das
Donnerwetter los, ein Hagel von pfälzischen Worten, die nicht im Lexikon standen.
Die Kinder verdrückten sich schnellstens und waren nicht zu erreichen. Wenn der
Docht sich vollsaugte, fing er beim Anzünden fürchterlich an zu rußen. Die Mutter
jammerte: „Meine Decke!“ Sie war schon ganz dunkel, aber so wurde sie noch
schwärzer.
Mit dem neuen Licht wurde es allemal besser. Es rußte nicht, es stank nicht, es
flackerte nicht und musste nicht aufgefüllt werden. Der Lichtkegel füllte die Stube
mehr aus als die alte Petroleumfunzel. Großvater schüttelte den Kopf, wenn er laut
aussprach, wie Mädchen und Frauen mit dem alten Licht zurechtkamen:
„Selbst gesponnen, selbst gemacht, ist die schönste Bauerntracht.“
Auch dies war nun vorbei. Der Mensch hatte die Natur Überlistet. Jetzt wurden die
Tage länger und die Nächte kürzer. Für die bettlägerig Kranken war das
Glühbirnenlicht ein Segen. Und die Hebamme, die zur Nachtzeit gerufen, sagte beim
Anblick des neuen Lichts: „Gott sei’s gedankt!“ Jeder hatte endlich Licht, ob er arm
oder reich war. Es gab keinen Unterschied mehr, und dies fanden viele gut. Die
neuen milchweißen Lampenschinne mit Blumen-, Jagd- oder
Häuschengruppenszenen mit glitzernden Perlenfransen zierten immer mehr die
Stuben. Zu Ende war auch der leidige Nachtwächterdienst. Jedenfalls gab es in
Oberschlettenbach bis dahin keine Straßenbeleuchtung.
Schauen wir auf 60 Jahre Stromversorgung zurück und stellen fest, was sich alles
geändert hat: Die Menschen in ihren Gewohnheiten und das Dorfleben. Wir
benötigten eine lange, lange Liste für all die elektrischen Neuerungen und Geräte,
337
die ihren Einzug in die Häuser gehalten und es vor allem den Frauen leichter gemacht
haben. Die alte Sparsamkeit ist nicht mehr gefragt. Wir sind zu einer
Wegwerfgesellschaft geworden. Haben und haben ist alles. Wehe dem, wenn der
Strom ausfällt! Die große Angst besteht darin, nicht mehr beliefert werden zu
Können.
Dipl. Ing. Kurt Lambrecht, der damalige Leiter der Betriebsabteilung Landau der
Pfalzwerke, verfasste unter der Überschrift „Strom, Impuls für unser Jahrhundert“
auch einen besonderen Beitrag zum Lichtfest 1987. Auch daraus sollen zwei kurze
Auszüge zitiert werden:
Soziale Gerechtigkeit und individuelle Freiheit ließen sich erst dann auf breiter Basis
verwirklichen, als die Elektrizität in Industrie, Handwerk und Verkehr zur
Anwendung kam. Menschlicher Erfindungsdrang und Intellekt haben zur
Freisetzung und Nutzbarmachung von Energien geführt, die in der Materie
verborgen sind. Werner von Siemens entdeckte 1866 das dynamo-elektrische-
Prinzip. Plötzlich war die Möglichkeit gegeben, größere elektrische Leistungen zu
erzeugen. Die erste Stromversorgung wurde von Emil Rathenau in Berlin mit sieben
Generatoren und einer Gesamtleistung von 110 kW aufgebaut. Moderne Kraftwerke
schaffen heute das Zehntausendfache. Der Turbogenerator eines Kernkraftwerkes
beispielsweise leistet 1,3 Millionen kW. Ein Ergebnis, auf das Techniker und
Wissenschaftler mit Recht stolz sein Können.
Gerade einmal 25 Jahre nach diesem Satz hat sich alles wieder geändert. Die
Kernkraftkatastrophe in Fukushima und die Angst vor Klimakatastrophen haben
jedenfalls in Deutschland unser Denken grundlegend Verändert. Jetzt wollen wir
erneuerbare und beherrschbare Energie, die nicht auf Jahrhunderte Gefahren und
Belastungen für unsere Nachkommen mit sich bringen.
Doch zurück zu dem damaligen Aufsatz von Kurt Lambrecht.
Die Pfalzwerke werden in diesem Jahr 75 Jahre alt, und wir freuen uns, gerade in
unserem Jubiläumsjahr ein Lichtfest in der Gemeinde Oberschlettenbach zu feiern.
Oberschlettenbach war vormals A-Gemeinde, d.h. die Gemeinde hat die
Stromversorgung innerhalb des Ortes in eigener Regie vorgenommen. Eingespeist
wurde die elektrische Energie über eine Niederspannungs- versorgungsleitung aus
Richtung Darstein. 1955 wurde die Stromversorgung aus wirtschaftlichen und
technischen Gründen den Pfalzwerken Übertragen. Diese errichteten eine
Trafostation und schlossen den Ort durch eine 20.000 Volt Freileitung an ihr
Mittelspannungsnetz an. Im Ort selbst wurde das gesamte elektrische Netz umgebaut
und modernisiert. 1982 kam ein zweiter Umspannpunkt (Trafostation) dazu. Die
Nachfrage nach elektrischer Energie hat sich in den letzten 30 Jahren nahezu
338
verfünffacht, so dass das Maximum zur Zeit in der elektrischen Energieabnahme bei
über 180 kW beträgt. Die technische Erneuerung und Erweiterung des elektrischen
Versorgungsnetzes auf der einen Seite, und die gesteigerte Energieabnahme auf der
anderen Seite sind Beispiel einer guten Dreierbeziehung zwischen den Pfalzwerken,
der Gemeinde Oberschlettenbach und den Bürgern in Oberschlettenbach. Beide
Partner, Gemeinde Oberschlettenbach und Pfalzwerke, haben erst vor kurzem
wiederum ihre Bereitschaft dokumentiert, die Energieversorgung in dieser
Gemeinde langfristig den Pfalzwerken zu übertragen. Als äußeres erkennbares
Zeichen unserer Partnerschaft und Verbundenheit mit .der Gemeinde und auch zu
dem heutigen Fest haben die Pfalzwerke eine Schmuckleuchte vom Typ
„Westminster“ hier auf dem Festplatz aufgestellt.
339
Städter ziehen ins Dorf
Dietmar Wittenberg
Wir suchten seit Jahren ein kleines romantisches Haus in schöner Umgebung für
Ferien und Wochenenden. Ein Interview des Bergzaberner Bürgermeisters mit dem
Mannheimer Morgen machte uns auf Dörfer in der Südpfalz aufmerksam. Dort
stünden viele Häuser leer, weil die Jugend in die Stadt ziehe. Und so fanden wir ein
kleines Fachwerkhaus in Oberschlettenbach, das uns gut gefiel. Leider gab es dafür
noch andere Interessenten, mit denen sogar schon der Kaufpreis ausgehandelt war.
Der erschien uns so günstig, dass wir ein höheres Angebot machten und schließlich,
Ostern 1974, waren wir Hausbesitzer.
Bei der ersten Besichtigung erfreute uns auf der Hofseite ein romantischer kleiner
Teich, der sich dann aber als die mit Regenwasser gefüllte Mistgrube herausstellte.
Es gab nur einen Wasserhahn in der Küche und im Stall und ein Plumpsklo neben
der Scheuer. Wenn wir duschen wollten (natürlich nur kalt Möglich), dann schlossen
wir eine Gartendusche an die Wasserleitung im Stall an. Wir entdeckten aber unter
der Dachschräge in der Scheuer einen Raum, der für den Einbau von WC,
Waschbecken und Dusche geeignet war. Dort mussten aber vorher noch Boden,
Decke, Wand, Fenster und Tür eingebaut werden. Hurra, bald mussten wir kein
Pottschamberl (Nachttopf) mehr benutzen.
Unser Traum von Wanderungen, Burgtouren und Elsassfahrten blieb lange unerfüllt,
denn Haus, Hof und Nebengebäude mussten ja nach unseren Vorstellungen
umgestaltet und renoviert werden, und wir waren handwerklich ungeübt. Wir
begannen also den Putz von den alten Eichenbalken abzuschlagen und abzukratzen
und die Balken dunkel zu imprägnieren, Löcher in den Wänden zu verputzen und
zentnerweise weißer Farbe zu verstreichen. Einige Fenster mussten erneuert werden.
Die Wände waren leicht geneigt und der Schreiner fragte immer: Soll ich das Fenster
senkrecht einbauen oder der Wandneigung angepasst?
Von Beginn an beobachteten uns die Nachbarn im Dorf mit großem Interesse. „Man
glaubt gar nicht, dass das Städter sind, die arbeiten ja von früh bis spät.“ Man kannte
Städter nur als Wanderer oder als Leute, die sich zum Sonnen auf die Wiese legen.
Wenn wir am Wochenende kamen, half man uns beim Ausladen, und jeder gab uns
gute Ratschläge. Als wir die Außenfassade strichen und unsere Leiter für den Giebel
zu kurz war, holte man die Feuerwehrleiter des Dorfes und wir konnten
weiterarbeiten. Der Hof war zur Straße hin nicht abgegrenzt und wurde daher oft als
Parkplatz und Abstellplatz benutzt. Wir wollten daraus einen Wohngarten machen
und konnten zur Abgrenzung die Sandsteine aus dem abgerissenen Backofen des
Nachbarn benutzen, bis wir später einen Jägerzaun installierten. Nachbarsfrauen
340
brachten uns viele Pflanzen aus ihrem Garten, damit wir nicht beim Gärtner zu
kaufen brauchten. So wurde die alte Mistgrube in ein großes Blumenbeet
verwandelt.
Überall lagen altes Handwerkzeug und landwirtschaftliche Gerätschaften herum.
Sensen, Sicheln, Harken, Wiesenbeile, Futterstampfer, Hufeisen, Petroleumlampen,
Blaubeerkamm und dergleichen. Wir besserten das Fachwerk im Innern der Scheuer
aus, schwärzten die Balken und weißten die Felder und begannen die Wände mit
dem alten Werkzeug zu schmücken. Nachbarn und Freunde, Sperrmüll und
Flohmarkt ergänzten die Sammlung, die heute von Besuchern als „Museum“
bestaunt wird. Bei einem Flohmarktbesuch gefiel uns eine kleine Hausbar mit drei
Barhockern, sie ziert seitdem unsere „Scheuerbar“, wo sich immer häufiger
Nachbarn, Gäste und Freunde zu einem Umtrunk einfanden. Einmal im Jahr gab es
einen Tag der offenen Tür. Dann war das Gedränge groß.
Kurz nach unserem Einzug war die Sorge im Dorf groß. Die Molkerei weigerte sich,
wohl wegen der geringen Mengen, weiterhin Milch im Dorf abzuholen. Jetzt gibt es
schon lange keine Kühe mehr im Dorf, aber die Zahl der Reitpferde hat
zugenommen. Damals wurden in den meisten Häusern noch ein oder mehrere
Schweine gemästet. Im Winter weckte uns dann oft das schrille Kreischen der
Wutzen, wenn gemetzelt wurde, und jedes Mal wurden wir mit Leber- und Blutwurst
und einer Kanne voll Wurstbrühe beschenkt. Jetzt gibt es keine Wutzen mehr im
Dorf, aber in sehr vielen Häusern bellen die Hunde.
Damals gab es nur wenige Autos im Dorf, und wenn ein fremdes Fahrzeug erschien,
schaute jeder zum Fenster heraus. Wenn ein Besucher uns nicht antraf, wurden wir
von den Nachbarn genau über Fahrzeugtyp und Kfz-Zeichen informiert. In einem
Zeitraum von circa 40 Jahren hat sich die Zahl der Autos fast verzehnfacht. Wir
besaßen Fahrräder und erweckten das Interesse der Nachbarskinder, die sich gern
bei uns ein Rad ausliehen, um damit herumzufahren. Heute gibt es im Dorf
Anwesen, auf denen wohl 10 Kinderfahrräder seit Jahren im Regen stehen und
verrosten.
Der Heuboden unserer Scheuer hat drei Etagen, die nur über eine Leiter von der
Tenne aus zugänglich waren. Da entdeckten wir bei einem Trödler in Tübingen eine
geschwungene Treppe, die alte Kanzeltreppe einer Kirche. Wir einigten uns schnell
über Preis und Anlieferung. „Ihr wohnt ja hier am A... der Welt“, sagte der Fahrer,
als er nach vielen Umwegen unser Dorf und Haus gefunden hatte. Ein Nachbar half
uns die Treppe zu installieren, und nun hatten wir einen bequemen Zugang zur ersten
Etage des Heubodens. Von einem Abbruchhaus im Nachbardorf kam dann eine
Treppe für den Zugang zur zweiten Etage. Nach und nach wurden dann dort eine
Galerie für Ausstellungen und ein weiterer großer Wohnraum geschaffen.
341
Wir waren die ersten Städter, die ein Haus in Oberschlettenbach kauften. Weitere
Häuser leerten sich, neue Häuser wurden gebaut. Junge Familien zogen zu und
Pensionäre fanden ein ideales Haus für den Ruhestand. Jetzt leben etwa gleich viel
Zugereiste wie Eingesessene im Dorf. Es ist eine Interessante Dorfgemeinschaft.
Wir fühlen uns hier wohl, und das seit dem ersten Tag.
Die alten Gesichter der Langwiese
Eine Porttraitserie
Dietmar Wittenberg
Die „Reihenhäuser“ der Langwiese
342
Willi Stöbener † 2008 und Erich
Veiock † 2005
Otto Veiock † 1989
343
Friederike Christmann † 1983
Reinhard Stoffel † 1990
344
Edgar Wittner † 1994
Karl Hust † 1993
345
Kurt Christmann † 2011
346
De Pingschdequack - ein alter Brauch in Oberschlettenbach
Lothar Wagner
Von Hermine Hunsicker geb. Christmann ist uns ein Aufsatz aus ihrer Schulzeit vom
Anfang der 30iger Jahre des vorigen Jahrhunderts Überliefert. Sie schreibt:
„Der Pfingstquack.
Am Pfingstsonntag holen die Burschen Blumen und machen sich
Schalmeien. Aus den Blumen flechten wir Mädchen Kränze. Am
Pfingstmontagmorgen wird ein Bub mit Stroh und Blumen eingewickelt. Er
wird geführt von zwei Buben. Zwei andere Burschen tragen einen Korb. Ein
Bub hat einen Speckhafen. Die anderen gehen hintennach und singen und
blasen. So gehen sie von Haus zu Haus und sammeln Eier und Speck. Die
Buben machen einen großen Lärm. Die Eier werden in der Wirtschaft
gebraten. Ein jeder Bub vom kleinsten bis zum ältesten der Schule muß sich
einen Teller, eine Gabel und ein Stück Brot holen. In der Wirtschaft werden
die Eier gegessen. Der Wirt stellt den Buben einige Fläschchen Limonade.
So geht der Pfingstmontag herum. Die Buben freuen sich immer auf den
Pfingstmontag. „
Der Brauch des Pfingstquack ist heute noch in der Gegend in Darstein, Dimbach und
Oberschlettenbach verbreitet. In Oberschlettenbach wird ein Junge (früher war es
der Älteste in der Volksschule) ganz in blühenden Ginster gekleidet und mit Blumen
geschmückt. Der Brauchtumsforscher Otto Bertram schrieb 1939, dass in Darstein,
Dimbach und Oberschlettenbach noch nach alter Tradition der „Pfingstknecht“
aufgeführt werde. Es ist eine alte Rechtssitte, die sich mit Pfingsten verbindet. So
fordern die Pfingstknechte in Dimbach ihr angestammtes Pfingstrecht:
„Jetzt kumme der arme Pingschdeknecht
Unn hätte so gern das Pingschderecht,
Wir wollen das Körblein schließen,
Das soll uns nit verdrießen,
Der Pingschdequack hat Erbse ge’fresse,
Unn hat sei Ochs im Stall vergesse,
Drei Eier unn e Stick Speck,
Sunscht gehen mer nit vun de Hausdeer weg.“
In Oberschlettenbach fehlt zwar der Bezug zum Pfingstknecht, aber es heißt auch
dort:
347
„De Pingschdequack hat Eier g’fresse,
Hat sein Ochs im Stall vergesse,
Hatt’n hinne noch gebrocht,
Unn därenthalwer sin mer do,
Unn wer uns ebbes gewwe will,
Der sacht gleich jo,
Drei Eier unn e Stick Speck,
Sunscht gehen mer nit vun des Hausdeer weg:“
Das Pfingstbrauchtum des Quack ist verschmolzen mit einem alten Hirtenbrauch.
An Pfingsten wurde das Vieh ausgetrieben. Der zuletzt austreibende Hirte verfiel
dabei dem Spott, wurde in Ginster oder Stroh eingebunden und im Heischegang im
Dorf von Haus zu Haus geführt; „Sehr häufig wird der Quack aber deshalb geneckt,
weil er zu spät aufsteht und zu spät auf die Weide kommt. Auch für die Pfalz ist dies
der wahrscheinliche Grund für den Spott, den man dem Quack zuteil werden läßt...“
(Otto Bertram, Die Verbreitungsformen des pfälzischen Pfingstbrauches, In: Unsere
Heimat 1938/39, Heft 9, S. 270) Und dabei hat es auch noch eines seiner Tiere im
Stall vergessen.
Der Dankspruch, der nach Erhalt der Heischegabe gesprochen wird, lautet:
„Glick ins Haus, Glick ins Haus, vun unne a bis owwe naus.“
Falls die Heischekinder leer ausgehen, ertönt der Fluch:
„Pech ins Haus. Pech ins Haus, vun unne a bis owwe naus.“
Der zuletzt auf der Weide ankommende Hirt erhielt den Namen „Pingschdequack“.
Es finden sich in der Pfalz aber auch andere Bezeichnungen wie „Pingschdedreck“,
„Pingschdebutz“ (Schweigen), „Pingschdlümmel“ oder „Pfingschdesel“. Der
Pfingstquack ist ein typischer Frühlingsbrauch. Es handelt sich dabei um „die in
Ginster, Laubwerk oder Blüten, seltener in Stroh gehüllte Gestalt, die am
Pfingstmontag gabenheischend von Haus zu Haus geführt wird“. (Pfälzisches
Wörterbuch, Bd. V, S. 292). Der Hintergrund dürfte die Vernichtung des Winters
und die Hereinholung des Sommers ins Dorf in Gestalt eines in Ginsterblüten und
Blumen Gesteckten sein.
Narrenschelle
„In Vorderweidenthal hatte man früher einen ganz in Papier gehüllten Quack. Man
ging gewöhnlich zu einem Schneider oder einer Frau, die Nähen konnte und ließ sich
aus Zeitungspapier einen richtigen Frack anfertigen. In dem nahen
Oberschlettenbach kam noch ein weiteres dazu. Um den Papierquack wurden Ketten
aus Schneckenhäusern gehängt. Besonders gegen Lindelbrunn gab es zahlreiche
Schnecken. Schon wochenlang vor Pfingsten sammelten die Buben und Mädchen
348
Pfingstquack aus
Zeitungspapier mit
Schneckenhauskette schräg
über Schulter und Brust in
Oberschlettenbach in
früherer Zeit
im Feld schöne große Schneckenhäuser. Sorgfältig wurden sie durchstochen und an
einer Kette auf gereiht.“ (Otto Bertram, Pfingstbräuche im Grenzland. Alles
Brauchtum hat sich im Bergland des Wasgaus erhalten. In: NSZ Rheinfront, vom 3.
Mai 1940, S. If.)
Hier kommt ein weiterer Traditionsstrang ins Spiel, der manchem älteren
Oberschlettenbacher noch bekannt ist. Der ins Papier gehüllte Quack als Narr. Die
Schneckenhäuser sollten vermutlich die Narrenglöckchen ersetzten. Sie galten schon
seit dem 15. Jahrhundert als solche. Fastnachtsumzüge sind immer auch
Lärmaufzüge gewesen. Narrenschellen und Schalmeien waren typische
Lärminstrumente mit denen die Begleitgruppe des Quacks die Straßen des Dorfes
erfüllte. Oft hat ja die allzu frühe Sonne die junge Saat und die Blüte der Bäume
hervorgelockt. Jedoch konnte eine einzige kalte Nacht die Hoffnung der Bauern
wieder zunichte machen. Man griff daher zu Lärminstrumenten, die die
Wetterdämonen abwehren und Fruchtbarkeit und Gedeihen herrufen sollten.
349
Fastnacht, Fasching ist ein spielerisches Umwenden der alten Jacke, ein Experiment,
das die Dinge des Lebens einmal von der anderen Seite zeigen sollte. Der zuletzt auf
die Weide Gekommene war der Dümmste, der Narr. Hier hat sich wohl altes
Fastnachtsbrauchtum auf die Gestalt des Quacks Übertragen.
Bedeutung des Quack
Quack meint im engeren Sinn den jungen Vogel, der ursprünglich als Symbol des
kommenden Sommers herumgetragen wurde. Der Nestling wurde als
Frühlingszeichen im Dorf herumgeführt. Im Lauf der Zeit erhielt einer aus der Schar
der Jugendlichen selbst diesen Namen und eine Hauptrolle im Spiel der
Hirtenjungen. Lieselotte Stoll vertritt folgende Meinung: „Wir neigen zu der
Auffassung, dass quack in einem Ablautverhältnis ahd. queh, quek, mhd. quec, kec
(lat. vivus), lebendig, frisch steht. Die Gestalt soll vermutlich durch ihr lebendiges
Wesen und durch das Grün, in das sie gehüllt ist, als Analogiezauber das Wachstum
der jungen Saat beeinflussen und fördern. Zugrundeliegt die Idee, dass der Winter
endlich Überwunden ist und der Sommer in voller Kraft seinen Einzug hält.“
(Lieselotte Stoll, Der brauchtümliche Wortschatz im Überlieferungsbestand der
Pfalz- Zum Problem der Brauchsprache, Speyer1966,S.137)
Die Brauchtumsträger
Bis ins 18. Jahrhundert waren die Hirten des Dorfes die Träger dieses Brauches. Mit
dem Aufkommen der Stallfütterung kam es zur Aufgabe des dörflichen
Hütegemeinschaften. Die Hirten wurden von der heranwachsenden männlichen
Jugend ersetzt. Schließlich wurden die männlichen Volksschüler Träger dieses
Brauchtums. Mädchen kamen erst Anfang der 1960er Jahre des vergangenen
Jahrhunderts dazu. Heute sind es Mädchen und Jungen aus dem Dorf in Verbindung
mit den Mitgliedern des Vereins Skulptour. oder der Freiwilligen Feuerwehr, die
sich als Brauchtumsträger verstehen.
350
Die Sage vom Lindenmütterlein, dem bösen Ritter Rotkopf und seinem Bruder Friedlieb
nach einem Gedicht von Fritz Claus
nacherzählt für kleine und große Kinder von Martin Buse
Vor einigen hundert Jahren zog ein junger Ritter mit seinem Gefolge durch die
Lande. Er war auf der Suche nach einer neuen Heimat für sich und die Seinen, denn
dort, wo er herkam herrschten Krieg und große Not. So kam er eines Tages auch in
die schöne Pfalz. Er war sofort angetan von den herrlichen Wäldern, den Hügeln und
Felsen und den reizenden Dörfchen. Eine Gegend aber gefiel ihm besonders. Sie
befand sich zwischen den beiden Orten „Vorderweidenthal“ und
„Oberschlettenbach“. Hier sah er zwei Bergspitzen aus dem dichten Wald ragen.
Einer der Berge, ein schroffer Fels, hieß „Rödelstein“, der andere trug noch keinen
Namen. Auf diesen aber hatte es der Ritter abgesehen. Er deutete auf den Berg und
sprach zu seinem Gefolge: „Auf diesem Berg will ich eine Burg errichten und bis an
mein Lebensende dort wohnen!“
Sogleich ließ er sich mit seinen Leuten am Fuße des Berges nieder und schickte nach
tüchtigen Handwerkern. Es sprach sich schnell in der Gegend herum, dass viele
fleißige Handwerker zum Burgenbau gesucht wurden, und so kamen sie herbeigeeilt:
Waldarbeiter, die den Bauplatz rodeten, Steinmetze, die die Bausteine aus hartem
Fels schlugen, Maurer, die Stein auf Stein setzten und die Wände immer höher zogen
bis zum Dach. Es kamen Zimmerleute, die mit langen Holzbalken den Dachstuhl
setzten und zum Schluss die Dachdecker, die die Burg mit roten Dachziegeln
verkleideten. Es hatte Jahre gedauert, bis die Burg fertig und bewohnbar war. Aber
was nutzt die schönste Burg, wenn es kein Wasser zum trinken und waschen gibt?
Auf dem Berg nämlich fand man kein Wasser, weil das Wasser, so weiß ein jedes
Kind, meistens unten fließt. Also musste ein Ziehbrunnen gebaut werden. Es wurden
Brunnenbauer geholt, die ein sehr tiefes Loch nach unten in den Berg graben
mussten, bis sie endlich auf eine Wasserader stießen. Jetzt konnte man an langen
Seilen Wasser in Eimern hochziehen.
Als auch diese schwere Arbeit endlich geschafft war, rief der Ritter sein Gefolge und
alle Leute, die beim Bau der Burg mitgeholfen hatten, auf den Burghof. „Liebe
Leute“, rief er, „heute ist ein großer Tag für uns alle, denn nun ist die Burg endlich
fertig.“ Lasst uns deshalb fröhlich feiern, esst und trinkt, so viel ihr wollt! Die
Musikanten sollen aufspielen und die Gaukler ihre Späße machen. Aber vorher
wollen wir der Burg einen Namen geben, der zu ihr passt und den sie verdient hat!“
Kaum hatte der Ritter diese Worte gesprochen, wurde das fröhliche Treiben jäh
unterbrochen. Es herrschte mit einem Mal Totenstille. Was war geschehen? Alle
351
starrten wie gebannt auf ein altes graues Mütterlein mit einem freundlichen Gesicht.
Sie stand plötzlich neben dem Brunnen inmitten der feiernden Menschen. Niemand
kannte sie, auch hatte niemand gesehen, woher sie kam. In einer Hand hielt die Alte
einen abgeschnittenen Lindenzweig, in der anderen eine Kunkel (Spinnrocken).
Erstaunt blickte der Ritter sie an, jedoch die Übrigen Anwesenden begannen sich zu
fürchten. „Was will die Alte von uns“, flüsterten sie, „bringt sie uns Unheil?“ Da
aber winkte die Alte den Ritter zu sich. Als dieser neben ihr stand, stieß sie die
Kunkel neben dem Brunnen in den Boden, zog sie wieder heraus und pflanzte in das
Loch den mitgebrachten Lindenzweig, den sie sogleich mit dem Brunnenwasser
begoss. Der Ritter schaute die Alte erstaunt fragend an, doch ehe er etwas sagen
konnte, erhob sie für alle hörbar ihre Stimme: „Hör mir zu. Rittersmann, ich weiß ,
dass du ein guter Mensch bist. Du hast die Leute, die für dich gearbeitet haben,
großzügig entlohnt und die Dorfbewohner und Händler, die dir und deinen Leuten
Speise und Trank brachten, ehrlich bezahlt. Dafür soll es dir und deinen
Nachkommen auf ewig wohlergehen, sofern ihr immer Gottes Gebote achtet und
kein Unrecht duldet. Haltet ihr und eure Nachkommen euch aber nicht daran, werde
ich euch bestrafen. Denn du sollst wissen: ich bin kein Wesen aus Fleisch und Blut
wie ihr Menschen, sondern ein Waldgeist und Hüter dieses Berges. Der Liebe Gott
hat mir mächtige Kräfte verliehen, mit denen ich gute Menschen belohnen und böse
Menschen bestrafen kann. Und nun prophezeie ich dir und deinen Nachkommen
noch etwas Wichtiges: achte auf den Lindenzweig, den ich pflanzte! Solange dieser
blüht, geht es dir und deinen Nachkommen gut; doch wehe, wenn die Linde einst
verdorrt, geht es zu Ende mit eurer Ritterschaft. Zum Schluss merke dir: ich möchte,
dass die Burg den Namen „Lindelbrunn“ erhält!“ Und mit diesen Worten
verschwand die Alte so geheimnisvoll, wie sie gekommen war. Der Ritter rieb sich
verwundert die Augen und schaute schnell in den Brunnen hinein, ob sich die Alte
dort verborgen hielt. Aber sie war einfach verschwunden. Da drehte er sich zu dem
erstaunten Volk um und sprach mit ernstem Blick: „Ihr habt gehört, was uns der
Waldgeist auftrug. Wir wollen unsere Burg nach dem Willen der Alten
„Lindelbrunn“ nennen. Aber auch der gute Waldgeist soll einen Namen bekommen.
Wir nennen ihn „Lindelmütterlein“.
Da riefen alle laut: „Hoch, hoch, Lindelbrunn, lang lebe die Burg!“ Im gleichen
Moment fing der Lindenzweig an zu blühen. Das war schon ein Wunder!
Mit der Zeit wurde aus dem Zweig ein Bäumchen, aus dem Bäumchen ein großer
Baum, so groß, dass er bald mit seinem Wipfel die Burg überragte. Der Ritter hatte
sich eine Frau genommen und mit ihr viele brave und gottesfürchtige Kinder gehabt.
Sie lebten zufrieden und in Eintracht mit den Dorfbewohnern und waren in der
ganzen Umgebung beliebt und geachtet. Das war keine Selbstverständlichkeit, denn
es gab auch Ritter, die genau das Gegenteil von den „Lindelbrunnern“ waren. Sie
überfielen die Dorfbewohner, raubten die wenigen Nahrungsmittel, trieben das Vieh
fort zu sich auf ihre Burgen und schlugen die Leute, wenn sie nicht schnell genug
ihr weniges Hab und Gut herausgaben.
352
Der gute Ritter und seine Frau wurden sehr alt. Bevor sie starben, warfen sie noch
einmal einen Blick auf den riesigen Lindenbaum, den das Lindenmütterlein einst
gepflanzt hatte. „Seht nur, wie schön er grünt und blüht,“ sagte der Ritter zu den
Seinen, „wenn es stimmt, was uns die Alte einst prophezeit hat, werden unser
Geschlecht und die Burg noch lange bestehen!“
Nach dem Tod der Alten Übernahmen die Söhne die Herrschaft über das Rittergut.
Auch sie waren, wie schon ihre Eltern, rechtschaffene Leute und im ganzen Land
beliebt und geachtet. Sie heirateten, hatten Kinder, und als diese erwachsen waren,
verfuhren sie wie ihre Vorfahren. So verging eine lange Zeit in Frieden.
Das aber sollte sich ändern, als auf der Burg eines Tages ein Knabe geboren wurde,
der dadurch auffiel, dass er bedeutend größer war als andere Neugeborene. Aber
noch auffälliger waren seine feuerroten Haare, für die es keine Erklärung gab, denn
keiner der Vorfahren hatte jemals rote Haare gehabt. Und weil man keinen
trefflicheren Namen für ihn fand, taufte man ihn auf den Namen „Rotkopf“.
Der Knabe wuchs schnell heran und hatte seinen älteren Bruder „Friedlieb“ an Größe
und Kraft bald Überholt. Er war ein wilder Bursche, stritt grundlos mit seinen
Geschwistern, ärgerte Hunde, Katzen und das Federvieh im Haus und auf dem
Burghof, so dass sie Reißaus nahmen, schon wenn sie ihn von weitem kommen
sahen. Wenn seine Eltern ihn ermahnten, lachte er sie aus und rannte einfach davon.
So verging die Zeit und Ritter Rotkopf war inzwischen zum Manne herangewachsen.
Er war so groß, dass er alle anderen um Haupteslänge überragte. Dieser
grobschlächtige Mensch lief stets mit grimmigem Gesicht umher, und jeder, ob
Mensch oder Tier, den er mit seinem stechenden Blick ansah, fürchtete sich vor ihm.
Stets trug er eine Peitsche mit sich, mit der er je nach Laune auf Mensch und Tier
einschlug. Lief er über den Burghof, verstummten sofort alle Gespräche, und
Knechte und Mägde schauten ängstlich zur Seite. Seine Eltern hatten schon lange
nichts mehr auf der Burg zu bestimmen. Ritter Rotkopf hatte sie in ihr Gemach
verwiesen, das sie bis zu ihrem Tode nicht mehr verlassen durften. Als der Vater im
Sterben lag, ließ er seinen Sohn Ritter Rotkopf rufen. „Hör, was ich dir Wichtiges
zu sagen habe! Ich habe euch früher oft die Sage vom Lindenmütterlein erzählt und
von ihrer Prophezeiung. Auch wenn du ein böser Mensch bist, meine ich es gut mit
dir und will dich warnen. Höre auf die Worte der Alten und werde endlich ein
rechtschaffener und gottesfürchtiger Mensch, sonst werden sich die Worte der Alten
erfüllen und die alte Burg versinkt in Schutt und Asche!“ Da lachte Ritter Rotkopf
höhnisch und rief: „Nur ein Narr glaubt an solch einen Unsinn.“
Kurz darauf starben die Eltern. Nun war niemand mehr da, der ihm d’reinreden
konnte. Seinen älteren Bruder Friedlieb hatte er schon vorher aus dem Haus gejagt.
Der musste mit dem Gesindehaus vorlieb nehmen und dort mit den Knechten
schlafen und speisen. Ritter Friedlieb war darüber sehr betrübt. In seiner
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Verzweiflung nahm er all seinen Mut zusammen und trat vor seinen Bruder Rotkopf.
„Was willst du von mir?“ herrschte dieser ihn an. „Ich will nur das, was mir von
Rechts wegen zusteht. Ich bin der ältere Sohn, und nach dem Gesetz bin ich der
rechtmäßige Erbe der Burg mit ihrem gesamten Besitz. Aber ich bin bereit, ehrlich
mit dir zu teilen, wenn du dich fügst.“ Da verfärbte sich Ritter Rotkopfs Gesicht rot
vor Wut und er brüllte seinen Bruder an: „Was willst du Wicht? Herr auf dieser Burg
sein? Scher dich zum Teufel und lass dich nie mehr wieder hier sehen, sonst ist es
um dein Leben geschehen!“ Dazu schlug er mit seiner Peitsche auf den
bedauernswerten Friedlieb ein. Dieser fürchtete um sein Leben und rannte, so schnell
er konnte, aus der Burg, über den Burghof durch das Tor, den Berg hinab in den
dichten Wald. Hier war er zwar vor seinem wütenden Bruder sicher, aber er war
mutterseelenallein, besaß nur das, was er am Leibe bei sich trug, hatte nichts zu essen
und kein Dach über dem Kopf. Da wurde er sehr traurig, als er über das ganze
Unrecht nachdachte, das ihm widerfahren war und er jammerte still vor sich hin. So
irrte er stundenlang ziellos durch den wilden Forst und bemerkte nicht die alte Frau,
die schon eine ganze Weile hinter ihm hergegangen war und sein Wehklagen gehört
hatte. Als sich Ritter Friedlieb einmal umdrehte, erblickte er die Alte und blieb vor
Schreck stehen. Er hatte schon oft von Hexen und bösen Geistern gehört, die den
Menschen nicht wohlgesonnen waren und sie ins Verderben führen wollten. Die alte
Frau aber sah ihn freundlich an und sagte: „Du musst dich nicht fürchten, Ritter
Friedlieb! Ich habe schon viel von dir gehört, ebenso von deinem Bruder Rotkopf!“
Ritter Friedlieb staunte: „Woher kennst du meinen Namen und den meines
Bruders?“ „Haben dir dein Vater und Großvater nie die Geschichte vom
Lindenmütterlein erzählt?“ fragte die Alte. „Oh, doch, schon viele Male“, entgegnete
Friedlieb. „Siehst du, diese Alte steht nun vor dir. Aber nun erzähle, was heute auf
der Burg geschehen ist!“ Nachdem Friedlieb sich vom Staunen erholt hatte,
berichtete er der Alten haarklein, was sein Bruder Rotkopf ihm und auch den anderen
an Leid zugefügt hatte. Die Alte hatte ihm still und aufmerksam zugehört, und als er
zu Ende geredet hatte, machte sie ein nachdenkliches Gesicht. Dann fasste sie ihn
entschlossen am Arm und zog ihn mit sich fort. „Wohin willst du mit mir?“ fragte
Friedlieb. „Wir gehen jetzt gemeinsam zurück zur Burg“, antwortete sie. Da blieb er
erschrocken stehen und rief: „Um Himmels Willen, nur nicht auf die Burg zurück!
Wenn mein Bruder mich sieht, wird er mich gewiss töten.“ Da sprach die Alte in
ruhigem Ton: „Ritter Friedlieb, habe Vertrauen zu mir, dein Bruder wird dir nichts
anhaben können, denn du stehst unter meinem Schutz. Gegen meine Zauberkräfte
ist dein Bruder machtlos!“ Erst zögerte er, doch dann fasste er sich ein Herz, und sie
stiegen gemeinsam den Berg hoch zur Burg. Oben angelangt, sahen sie Ritter
Rotkopf auf dem Burghof stehen, wie er gerade mit seiner Peitsche nach einem Hund
schlug, der nicht schnell genug weggelaufen war. Als er die beiden erblickte, rief er
mit zornigem Blick: „Was will denn diese alte Hexe und dieser elende Wicht hier
auf meiner Burg? Soll ich euch beide an diese Linde Hängen lassen?“ Dann winkte
er seinen Knechten und rief: „Verjagt sie, werft sie den Berg hinab!“
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Da reckte sich die Alte in die Höhe und war mit einem Mal so groß wie der Ritter
Rotkopf. Weit holte sie mit ihrer Kunkel aus und stieß dieselbe mit Wucht in den
Stamm der Linde. Im selben Moment geschah etwas Unvorstellbares: Es erhob sich
ein mächtiger Sturm, der die Baumkrone derart schüttelte, dass sämtliche Blätter
gleichzeitig abfielen. Dazu floss aus dem Loch im Baumstamm der Saft der Linde
direkt in den Brunnen. In kurzer Zeit stand die Linde ausgedörrt und vertrocknet da.
Dann wandte sich die Alte an Ritter Rotkopf, der ungläubig auf die Linde starrte,
und rief: „Du hast es nicht anders gewollt. Nun geht meine Prophezeiung in
Erfüllung!“ Sie fasste Ritter Friedlieb am Arm und zog ihn eilig den Berg hinab.
Dem Ritter war, als träume er, doch als sie am Fuße des Berges standen, umringt
vom Eichenwald, deutete das Lindenmütterlein auf eine Lichtung und sprach: „Hier
sollst du ein Haus bauen mit den Bausteinen deiner Burg. Kein Schloss und keine
Burg, sondern ein bescheidenes und behagliches Heim!“ Mit diesen Worten
verschwand die Alte so geheimnisvoll, wie sie gekommen war.
Plötzlich wurde er in seinen Gedanken aufgeschreckt, denn es geschah etwas
Schauerliches: Der Himmel wurde mit einem Male stockfinster, ein mächtiger Blitz
zuckte vom Himmel und schlug in den verdorrten Lindenbaum ein. Der Berg begann
so zu beben, dass die ganze Burg mit einem lauten Getöse in sich zusammenfiel.
Wie wild rollten die Bausteine den Berg hinab und blieben, wie durch ein Wunder,
an der Lichtung liegen, wo Ritter Friedlieb nach dem Willen des Lindenmütterleins
ein Haus bauen sollte. Zwischen den wild kollernden Steinen rannten laut schreiend
die übrig gebliebenen Burgbewohner den Berg hinab. Ritter Friedlieb hielt
vergebens Ausschau nach seinem Bruder. Obwohl der Bösewicht kein Mitleid
verdient hatte, machte sich Friedlieb große Sorgen um ihn. Er lief daher rasch den
Berg hinauf und blieb oben entsetzt stehen. Dort, wo die Burg gestanden hatte, erhob
sich ein Trümmerhaufen. Alles Leben war erloschen. Dann schaute er zur Linde. Sie
stand zerschmettert da und an dem einzig verbliebenen Ast hing sein toter Bruder.
Niemand von den Überlebenden konnte später sagen, wie er dort hinkam, weil alles
viel zu schnell ging. Die einen waren der Meinung, er habe sich wahrscheinlich
selbst gerichtet. Andere wiederum behaupteten, sie hätten eine pechschwarze Gestalt
mit Fledermausflügeln, einem langen Schwanz, einem Pferdefuß und Augen wie
zwei glühende Kohlen gesehen. Diese habe den laut schreienden Rotkopf, der sich
heftig gewehrt habe, an den Baum gehängt.
Wer hatte nun Recht gehabt? Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich genau: Ritter
Friedlieb baute mit den Steinen der zerstörten Burg ein einfaches, trautes Heim. Er
heiratete, gründete eine Familie und führte ein gottesfürchtiges Leben, bis er viel
geachtet in hohem Alter verstarb.
Das Haus aber steht heute noch und ist noch genau so schön wie damals. Wollt ihr
es euch ansehen? Dann haltet Ausschau nach dem heutigen „Forsthaus“ direkt am
Fuße des Lindelbrunn- Berges. Und sollte euch unterwegs ein altes Mütterlein mit
einer Kunkel in der Hand begegnen, dann ... na ja, ihr wisst schon!
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