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Was sind „falsche Freunde“?

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Kontrastive Linguistik Deutsch-Spanisch

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Page 1: Falsche Freunde - Falsos amigos

Was sind „falsche Freunde“?

Page 2: Falsche Freunde - Falsos amigos

Gliederung:

Einleitung

1. Definition

2. Wie entstanden „falsche Freunde“2.1. Grundlagen - Antike und Mittelalter2.2. Ab dem 19. Jahrhundert

3. Klassifizierung3.1. Verschiedene Klassifizierungssysteme 3.1.1 Semantische Interferenz von Cartagena / Gauger3.1.2 Partielle Interferenz I3.1.3 Partielle Interferenz II3.1.4 Materielle Interferenz3.1.5 Interferenz durch den Genus3.1.6 Interferenz durch die Muttersprache3.2 Orthographische „falsche Freunde“3.2.1 Reguläre Abweichungen: Deutsch/ Spanisch nach Kroschewski3.2.2 Irreguläre Abweichungen: Deutsch/ Spanisch nach Kroschewski3.2.3 Phonologische „falsche Freunde“3.2.4 Stilistische „falsche Freunde“

4. Probleme beim L2-Spracherwerb4.1. Grundlegendes - Ursachen4.2. Fehlerquellen4.3. „Wege aus dem Dilemma“

Bibliographie

Einleitung

Wir haben diese Arbeit grob in vier Kapitel unterteilt. Im ersten wollen wir den Begriff „falsche

Freunde“ definieren und versuchen, diesen im innersprachlichen (kontrastiven) Bereich der Linguistik

einzuordnen. Im zweiten Kapitel wollen wir eine diachronische Betrachtung des Phänomens machen

Page 3: Falsche Freunde - Falsos amigos

und im dritten befassen wir uns mit den Klassifizierungsmöglichkeiten und den verschiedenen

Klassifizierungsmodellen und geben praktische Beispiele. Im letzten Kapitel, sozusagen als

Zusammenfassung, wollen wir dem Lehrenden unsere Bewertung nahebringen und

Vermeidungsstrategien für Lernende konstruieren.

All diese Betrachtungen beziehen sich in erster Linie nur auf den Vergleich der Sprachen Deutsch und

Spanisch.

1. Definition

Der Terminus „falsche Freunde“ ist eine Lehnübersetzung aus dem Französischen „faux amis“ und es

gibt ihn in vielen europäischen Sprachen: false friends (Englisch) , falsi amici (Italienisch), falsi prieteni

(Rumänisch) und natürlich falsos amigos im Spanischen und Portugiesischen.

Das „Deutsche Wörterbuch“ bietet folgende Definition: (Wahrig, 2001)„… Begriff zur Bezeichnung

von Wörtern aus jeweils unterschiedlichen Sprachen, die zwar ähnlich geschrieben bzw. gesprochen

werden, jedoch verschiedene Bedeutungen haben. Sie stellen beim Erlernen von Fremdsprachen

häufig Fehlerquellen dar: dt. sensibel – engl. sensible (= vernünftig); dt. Figur – frz. figure (= Körper).“

Demnach sind „falsche Freunde“ also gleiche oder sehr ähnliche Ausdrücke in verschiedenen

Sprachen, die aber jeweils eine andere Bedeutung haben und daher zu Fallen beim

Fremdsprachenerwerb werden können.

Bemüht man das Zeichenmodell von Saussure, so kann man sagen, dass der Signifikant in beiden

Sprachen identisch ist, das Signifikat jedoch ein jeweils anderes. Anhand der nachfolgenden Grafik

wollen wir dies verdeutlichen:

Deutsch Spanisch

Während also der Deutschsprecher, der an ein Messer denkt, dies sofort mit der Lautfolge [ˈmɛsɐ]

verbindet, verbindet der Spanischsprecher dieselbe Lautkette mit einem Tisch. Will nun ein

Deutschsprecher, dem gerade das spanische Wort für „Messer“ entfallen ist, sagen, dass er gerne das

[ˈmɛsɐ] [ˈmɛsɐ]

Page 4: Falsche Freunde - Falsos amigos

Messer haben möchte, wird dies zu der missverständlichen Aussage „Por favor, dame la [ˈmɛsɐ]“

führen (Zur besseren Übersichtlichkeit ist nur das entscheidende Wort ins IPA transkribiert).

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es neben „falsche Freunden“ auch „echte Freunde“

gibt, bei denen Signifikat und Signifikant in beiden Sprachen gleich sind. Als Beispiel sei hier

angeführt: Pizza (dt.) – pizza (Sp.). In beiden Fällen ist hier eine runde, gebackene Teigscheibe mit

Tomatensoße und Käse gemeint.

„ Falsche Freunde“ existieren nicht objektiv zwischen zwei verschiedenen Sprachen, sondern nur

potentiell. Was in Wirklichkeit existiert sind ähnlich- oder gleichlautende (meist herkunftsgleiche)

Wörter in je zwei Vergleichssprachen – Muttersprache vs. Fremdsprache oder in zwei verschiedenen

Fremdsprachen, von denen die eine besser beherrscht wird als die andere. Es geht daher um eine

bilinguale Erscheinung

2. Wie entstanden „falsche Freunde“

2.1.Grundlagen – Antike und Mittelalter

Wenn die Zuordnung von Signifikat und Signifikant arbiträr ist (und das ist der Ansatz, von dem wir

ausgehen), dann sind zum einen zufällige Lautübereinstimmungen möglich, aber statistisch gesehen

eher selten. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass sich im historischen Sprachwandel zu

Bedeutungserweiterungen, Bedeutungsverengung, Bedeutungsverbesserungen,

Bedeutungsverschlechterungen, Bedeutungsübertragungen oder Bedeutungsentlehnungen

gekommen ist. Dies gilt aber nur für Sprachen, die derselben Sprachfamilie angehören und sich damit

auf eine gemeinsame „Großmuttersprache“ zurückführen lassen.

Für das Deutsche und das Spanische ist diese Proto-Sprache das Proto-Indo-Europäische.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist der Sprachkontakt, bei dem z.B. Lexeme von der einen Sprache in die

andere übernommen wurden, sei es, weil die Sprachgemeinschaft A ein neuartiges Produkt

herstellte und den von ihnen geprägten Begriff sozusagen als „Handelsnamen“ einführte (Bsp.:

Weinbau der Römer) oder sei es aus anderen Gründen, wie Mode (Französisch in Deutschland),

politische Gründe (Okkupation),….

Diese Lehnwörter unterlagen dann einem semantischen Wandel, der natürlich von

Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft verschieden war. Als Beispiel sei hier einmal „carta -

Karte“ angeführt“. Das „Deutsche Ethymologische Wörterbuch“ gibt folgende Erklärung: „…Karte

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spätmhd. karte, für Stück Papier oder Pergament, Urkunde ->14. Jh. (1321 Saarbrücken) Lw. frz.

Carte für steifes Blatt, zu lat. charta, für Urkunde‹, Lw. gr. chártes, Papier, Papierblatt..“ (Köbler,

1995).

Man kann sehen, dass das griechische Lehnwort „chártes“ noch Papier im Allgemeinen bedeutete,

also in etwa mit unserem Wort „Papier“ gleichzusetzen ist. Im Lateinischen und im

Mittelhochdeutschen gab es eine Bedeutungsverengung auf den Begriff „Urkunde“ und im

Französischen auf „steifes Blatt“, also das, was wir heute als Kartonpapier bezeichnen würden.

Nun war ja, wie schon erwähnt, in Deutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg das Französisch

„hochmodisch“. An vielen Höfen wurde Französisch gesprochen und auch die preußischen Könige

beherrschten sie Sprache Voltaires besser als Deutsch; so kamen vor allem Wörter aus dem

vornehmen Bereich in die deutsche Sprache.

Vielleicht ist das ein Erklärungsansatz, warum wir heute unter „Karte“ ein Stück steifes Papier

verstehen.

Im Spanischen gab es diese Bedeutungsverengung nicht, denn „carta“ bedeutet dort Brief,

Anschreiben ,Schreiben, Satzung u.U. auch Landkarte oder Seekarte und ist damit also recht nah an

dem semantischen Wortfeld des lateinischen Wortes. Die Bedeutungsverengung hat das Spanische

nicht mitgemacht und hat demnach folgerichtig für „steifes Papier“ ein eigenes Lexem, nämlich

„tarjeta“.

Da aber im Deutschen nun mit dem Begriff „Karte“ ein geschriebener Text auf „weichem“ Papier

nicht mehr abgedeckt war, benutzte man das Wort „Brief“, welches sich vom lateinischen „brevis =

kurz“ ableitet.

Bei unserem, in Kapitel 1 benutzten Beispiel (Messer <> mesa), dürften die Wurzeln etwas weiter

zurückreichen, denn das deutsche Wort „Messer“ leitet sich ursprünglich aus dem proto-indo-

germanischen „matiz – sek“ (Matiz=Speise und –sek=schneiden) (Köbler, 1995) ab. Daraus haben

dann die Römer „mensa“ für Tisch(Ort für Speisen) und die Spanier durch Reduktion der

Konsonantengruppe „mesa“ gemacht. Die Deutschsprecher haben die Lautkette mehr mit

„schneiden“als mit „Speise“ in Verbindung gebracht und damit eine andere Signifikat-Signifikant-

Verknüpfung erzeugt. Die Gründe dafür liegen im Dunkel der Geschichte. „Mario Wandruschka

betrachtet die ´falschen Freunde´ als ´die Kronzeugen des geschichtlichen Zufalls“. (Cartagena, 1989)

„Zufall“ würde aber reine Arbitrarität voraussetzen, die, wie wir weiter oben gezeigt haben, aber

nicht vorliegt. „Vielleicht wäre der Ausdruck ´Kontingenz´ besser als ´Zufall´….´Kontingenz´ meint: es

Page 6: Falsche Freunde - Falsos amigos

ist ein Grund da, wenn er unter Umständen auch nicht auszumachen ist, aber es ist ein äußerlicher,

nicht von der Sache her zu bestimmender Grund.“ (Cartagena, 1989)

2.2. Ab dem 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert breiten sich durch die Fachsprachen vor allem Termini aus lateinischen oder

griechischen Elementen (Internationalismen) in beiden Sprachen gleichermaßen aus (Auto(mobil),

Fotografie, Telefon). Es gibt aber auch jüngere Entlehnungen aus östlichen Sprachen (Bungalow´,

Shampoo, Curry) oder aus dem Arabischen (Admiral , Algebra , Tarif) oder den slawischen Sprachen

(Mammut , Steppe , Wodka ).

Im 20. und 21. Jahrhundert sind sehr viele Internationalismen – insbesondere aus dem

Technikbereich- in beiden Sprachen adaptiert worden. Hier ist zwar die Bedeutungsseite oft

identisch, aber gerade bei diesen Begriffen ist die Wahrscheinlichkeit auf „phonologisch“ oder

„orthografisch falsche Freunde“ zu treffen sehr groß, wie noch im folgenden Kapitel zu beschreiben

sein wird.

Das bedeutet allerdings nicht, dass man die „Falschen Freunde“ den Internationalismen subsumieren

darf, denn es ist einleuchtend, dass nicht jeder Internationalismus automatisch auch ein „falscher

Freund“ ist. Ist die Bedeutung in beiden Sprachen identisch, so ist es ein Internationalismus; ist sie

modifiziert , dann handelt es sich um einen „falscher Freund“.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass es „falsche Freunde“ innerhalb einer Sprachfamilie

eher geben wird, als zwischen zwei nicht verwandten Sprachfamilien. Entstanden sind diese durch

semantische Verschiebungen unter Beibehaltung der phonologischen Lautkette. Diese

Verschiebungen sind unterschiedlich groß – von völliger Unterschiedlichkeit auf der Bedeutungsseite,

bis hin zu minimalen Verengungen oder Erweiterungen. Die Gründe für diese Verschiebungen sind

„kontingent“.

3. Klassifizierung

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3.1. Verschiedene Klassifizierungssysteme

Es gibt viele verschiedene Klassifizierungssysteme, denn fast jeder Autor hat ein eigenes System

entwickelt. Wir haben uns in unserer Arbeit insbesondere mit zwei Systemen befasst, dem von

Cartagena/Gauger und dem von Anette Kroschewski. Die Beschränkung erfolgte aus dem einfachen

Grund, da wir uns auf Problemlösungen im Sprachunterricht konzentriert haben und uns eine zu

detaillierte Aufsplitterung in Untergruppen als wenig hilfreich für diesen Zweck erschien.

Cartagena Nelson, Professor an der Universität Heidelberg, hat im Jahr 1989 zusammen mit Hans-

Martin Gauger, Professor an der Universität Freiburg, eine Klassifizierung für die falschen Freunde

der Sprachen Deutsch und Spanisch erstellt.

Diese Klassifizierung ist für uns als angehende LehrerInnen eine der übersichtlichsten und

deutlichsten Einteilungen der Gruppen von falschen Freunden. Aus diesem Grund werden wir

hauptsächlich anhand von dieser Präsentation arbeiten. Cartagena/Gauger unterscheiden sechs

Typen von falschen Freunden:

1. Semantische Interferenz,

2. Partielle Interferenz I,

3. Partielle Interferenz II,

4. Materielle Interferenz,

5. Interferenz durch den Genus,

6. Interferenz durch die Muttersprache.

Aber wir werden uns ebenfalls mit der Klassifizierung von Annette Kroschewski, Anglistik-Dozentin an

der Universität Wuppertal beschäftigen. Sie legte im Jahr 2000 einen differenzierten

Klassifizierungsvorschlag für die englische Sprache vor. Diese detaillierten Klassifizierungen aus 15

verschiedenen Arten lassen sich zum großen Teil auch auf andere Sprachen (in unseren Fall das

Spanische) übertragen. Drei ihrer Klassifizierungen sind für eine einfache Darstellung ausgewählt

worden: der orthographische, der phonologische und der semantische falsche Freund.

3.1.1 Semantische Interferenz von Cartagena / Gauger

Page 8: Falsche Freunde - Falsos amigos

Hierbei handelt es sich um formähnliche Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung oder

Bedeutungsstruktur. Die beiden Wörter sind materiell ähnlich und haben ähnliche Lautformen

(Signifikanten). Sie besitzen jedoch eine verschiedene Semantik (Signifikate). Das ist der Fall beim

Wort „Karte“. Wenn ein Deutschsprecher das spanische Carta hört, denkt er sofort an eine Bankkarte

oder eine Landkarte. Die spanische Bedeutung ist aber eine andere. Ein Spanier würde nämlich an

einen Brief denken (vgl. Cartagena / Gauger, 1989, S. 581).

•Bsp.: span. La carta - dt. Die Karte (der Brief) - (la tarjeta; el mapa)

3.1.2 Partielle Interferenz I

Bei der partiellen Interferenz I stimmt eine der zwei oder mehreren Bedeutungen mit der des

materiell ähnlichen Wortes der anderen Sprache überein.

Als Beispiel sei hier das deutsche Wort „Direktion“ genommen, welches nicht mit allen Bedeutungen

im Spanischen übereinsimmt. Das spanische Wort dirección hat nämlich in der spanischen Sprache

drei große Bedeutungen: 1. Direktion, Leitung 2. Richtung 3. Adresse.

In der deutschen Sprache existieren dagegen nur zwei Signifikate: Leitung und Richtung (vgl.

Cartgena /Gauger, 1989, S. 583).

Anhand der nachfolgenden Grafik, die sich an dem Zeichenmodell von Saussure orientiert, können

wir besser visualisieren, dass der Signifikant in beiden Sprachen ziemlich übereinstimmt, sich jedoch

das Signifikat nicht eins zu eins deckt.

Deutsch Gemeinsame Bedeutungen Spanisch

(Leitung, Richtung) (Leitung, Richtung, Adresse)

Aus diesem Grund kann ein Spanischsprechender, der Deutsch lernt, folgenden Fehler machen: *„Ich gebe Ihnen meine Direktion.“ (vgl.Cartgena /Gauger, 1989, S. 583).

[diEk´tsjon] [direcjon]

Page 9: Falsche Freunde - Falsos amigos

3.1.3 Partielle Interferenz II

Die Partielle Interferenz II bezieht sich auf die Polysemie. Das heißt, dass sich eine Bedeutung des

Wortes in der anderen Sprache auf zwei Wörter verteilt. Somit ergeben sich semantische

Unterschiede („Wortfeldgröße“) (vgl.Cartgena /Gauger, 1989, S.584).

Bsp.: El pan me gusta. Das Brot schmeckt mir. Das spanische Verb gustar verteilt sich in der

deutschen Sprache auf zwei verschiedene Spanischwörter z.B.: „gustar“ (schmecken, gefallen). Diese

Verteilung führt dazu, dass von spanischen L1-Sprechern oft folgende typische Fehler zu hören sind,

wie zum Beispiel: Esta chica me gusta. Dieses Mädchen schmeckt* mir.

Weitere Beispiele: La acción im Spanischen bezeichnet nicht nur die Handlung, sondern auch die

Aktie. Ähnlich ist auch hijo was im Spanischen gleichzeitig „Sohn“ und „Kinder“ (im Plural)

bezeichnet. Bsp.:“ Daniel es mi hijo.“ „Tengo cinco hijos.”

3.1.4 Materielle Interferenz

Bei der materiellen Interferenz besteht die Tendenz, die materielle Form des Wortes der einen

Sprache auf das entsprechende, materiell sehr ähnliche Wort der anderen Sprache, zu übertragen.

Bsp. : la copia die Kopie *la copía

la cantidad die Quantität *la cuantidad

el agosto der August *el augusto (vgl. Cartgena /Gauger, 1989, S. 586).

Durch die formale Struktur der Muttersprache kann es zu einem unkorrekten schriftlichen oder

mündlichen Gebrauch der Fremdsprache kommen. Diese Probleme treten besonders oft im Bereich

der Orthographie, Phonologie und des Genus´ auf.

Der Grund dafür ist, dass der Sprecher durch die materielle Ähnlichkeit eines Wortes „getäuscht“

wird (vgl. Wotjok/ Herrmann, 1997, S. 7).

3.1.5 Interferenz durch den Genus

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Die Interferenz durch den Genus liegt bei formähnlichen Wörtern mit unterschiedlichen Genus vor.

Laut Cartagena und Gauger ist die Gefahr in der anderen Sprache „das falsche Genus zu treffen, sehr

viel größer als bei Wörtern gleichen Inhaltes, bei denen materielle Ähnlichkeit nicht vorliegt, also

etwa bei der Honig- la miel“ (Zitat Cartgena /Gauger, 1989, S. 588)

Bsp.: die Kasette - el casette nicht * la casette

die Melone - el melón nicht * la melona

die Minute - el minuto nicht * la minuta

die Methode- el método nicht * la metoda

3.1.6 Interferenz durch die Muttersprache

Aufgrund der materiellen Beschaffenheit eines Wortes und aus Gründen, die mit dem

zusammenhängen, was das Wort bezeichnet, meint der Sprecher, das jeweilige Wort müsse im

Spanischen ähnlich lauten.

Bsp:

dt. Banane *la banana el plátano (Dieses Beispiel gilt für das “Festlandspanisch”, da in einigen

Ländern Südamerikas la banana durchaus gebräuchlich ist.)

Braun *bruno, - marrón/ moreno,-a

Für einen Deutschsprecher scheint das Wort Banane spanischen Ursprungs zu sein. Daher wird er

vermuten, dass das Wort und seine Bedeutung in Spanien gleich sind. Dieser Vorgang geschieht im

Unterbewusstsein des Menschen (vgl. Cartgena /Gauger, 1989, S. 589)

3.2 Orthographische „falsche Freunde“

3.2.1 Reguläre Abweichungen: Deutsch/ Spanisch nach Kroschewski:

Die orthographisch „falschen Freunde“ bezeichnen Wörter, die ein identisches Signifikat, jedoch eine

materielle Abweichung in der Schreibung haben. Diese Unterschiede stellen aber kaum

Verständnisprobleme für den Sprachverarbeiter dar (vgl. Kroschewski, 2000, S. 74).

„Bei Interferenzen im Bereich der Orthographie und der Phonologie wird die Form zweier

Wörter als so ähnlich wahrgenommen, dass der Lerner die divergierenden Elemente

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entweder nicht wahrnimmt oder sich deren – trotz einer früher vorgenommenen

Unterscheidung – in einer konkreten Situation nicht erinnert. Stattdessen überträgt er z. B.

die muttersprachlich gewohnte Schreibweise und Aussprache auf die [Fremdsprache].“

(Kroschewski, 2000, S. 74).

Die regulären Abweichungen zwischen dem Deutschen und Spanischen haben wir aus den Beispielen

von Kroschewski, welche das zwischen dem Deutschen und Englischen untersucht hat, abgeleitet.

Daraus ist folgende Tabelle entstanden:

Reguläre Abweichungen: Deutsch/ Spanisch nach Kroschewski

3.2.2 Irreguläre Abweichungen: Deutsch/ Spanisch nach Kroschewski

Die irregulären Abweichungen führen zu größeren Lernschwierigkeiten bei dem Lerner, da sie keine

offensichtliche Regelmäßigkeit aufweisen. Folgende Beispiele verdeutlichen diese Situation:

nationalismo Nationalismus

Patriotismo Patriotismus

-ismus-ismo

Tendencia Tendenz

Tolerencia Toleranz

-nz

-cia

radical radikal

directo direkt

-k

-c

grotesco/a grotesk-k-esco /a

noble nobel

titulo Titel

-el

-le

-lo

theatro Theater

centro Center

-er

-ro

Spanisch Beispiele  Deutsch Deutsch Spanisch

NürnbergNuremberg

HannoverHanóver

Scheckcheque

Metallmetal

Komiteecomité

 Deutsch Spanisch

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3.2.3 Phonologische „falsche Freunde“

Die phonologischen „falschen Freunde“ finden ihre Ursache in der interlingualen Ähnlichkeit der

sprachlichen Zeichen. Der Sprecher überträgt die gewohnte Aussprache der Muttersprache (L 1) auf

ein vermeintlich formgleiches Wort der Lernsprache (L 2). Durch Abweichungen in der Aussprache

kann es zwischen Gesprächspartnern zu Verständnisschwierigkeiten kommen (vgl. Kroschewski,

2000, S. 78).

Beispiele dafür sind in folgenden Wörtern aus dem Wörterbuch von Wotjak/Herrmann zu finden:

Regime (dt.) régimen m (sp.)

Sofa (dt.) nsofá m(sp)

Compàs (sp) / Kompass (dt.)

revolver (sp) / Revolver (dt.)

( Wotjak/Herrmann, 1997, S. 83-84).

3.2.4 Stilistische „falsche Freunde“

Semantische (partielle) „falsche Freunde“ nach Kroschewski

Kroschewski redet dabei von stilistischen „falschen Freunden“. Dazu gehören formähnliche Wörter

mit unterschiedlicher Bedeutung oder Bedeutungsstruktur. Als Beispiele können wir das oft

verwendet Wort Job nennen, das ein anderes Bedeutungsfeld im Deutschen hat als im Englischen.

Das Wort Job wird in der deutschen Umgangssprache eingesetzt. Zwischen den beiden Sprachen hat

sich eine unterschiedliche Konnotation etabliert (vgl. Kroschewski, 2000, S. 78).

Das deutsche Wort Kollaborateur und das französische Wort Collaborateur bezeichnet jeweils einen

Mitarbeiter. Die Bedeutung ist im Französischen neutral, dagegen ist sie im Deutschen negativ, da

eine präsent pejorativ Konnotation mit dem 2. Weltkrieg existiert (vgl.Barnickel, 1992, S. 60).

Page 13: Falsche Freunde - Falsos amigos

Im Spanischen sind zum Beispiel medizinische Termini, wie „apendicitis“, Fachwörter und gleichzeitig

Begriffe, die in der Allgemeinsprache integriert sind. Dagegen ist der Gebrauch von Appendizitis im

Deutschen nur auf den medizinischen Bereich eingeschränkt. In der Allgemeinsprache redet man von

einer Blindarmentzündung (Wotjak/Herrmann, 1997, S. 7).

4. Probleme beim L2-Spracherwerb

4.1. Grundlegendes - Ursachen

Nachdem wir gesehen haben, wie viele verschiedene Arten von falschen Freunden es gibt und damit:

wie viele Fallen es für den Sprachlerner gibt, stellt sich die Frage, wie man das Problem angeht.

Diese Probleme, also die Interferenzen, haben eine Menge Faktoren, die der Lehrende und der

Lernende kennen müssen. Dazu gehört in erster Linie, den Lernenden immer wieder darauf

hinzuweisen, dass es eher die Ausnahme, als die Regel ist, dass die „Vokabel“ eine 100%-ige

Bedeutungskongruenz zum deutschen Wort hat. Nebenbei erwähnt gilt das natürlich auch für die

Syntax und andere Bereiche, wie z.B. Stilistik und Pragmatik. Es ist also nichts, so wie es scheint.

Welche Faktoren sind es nun, die diese Interferenzprozesse auslösen? Im „Lexikon der

Germanistischen Linguistik“ werden folgende vier Punkte erwähnt:

„Kulturelle Unterschiede zwischen den Sprachgemeinschaften

Typologische Unterschiede zwischen den Sprachen

Individuelle Eigenschaften der Lernenden

Situative Umstände des Lernens“ (Althaus, 1980)

Mit welchen Strategien begegnet man nun diesen Faktoren? Dem ersten Prunkt sollte man durch

eine starke Gewichtung des Landeskundeunterrichts begegnen, denn wer die Kultur und Geschichte

eines Landes kennt, kann sich besser in die Sprachstrukturen der Sprecher hineindenken.

4.2.Fehlerquellen

Page 14: Falsche Freunde - Falsos amigos

Im Wesentlichen sehen wir vier Hauptfehlerquellen: Interferenz, Lernstrategien und angenommene

Kommunikationsstrategien.

Das wohl am häufigsten vorkommende Phänomen ist die Interferenz. Diese wird oft unterschätzt und

führt auch bei erfahrenen L2-Sprechern noch zu kommunikativen Fehlern. Insbesondere bei selten

verwendeten Wörtern tritt diese Interferenz besonders häufig auf. Die „demonstración“ ist eben

keine Demonstration, sondern „der Beweis“. Und der Spanisch-L1-Sprecher wird Missverständnisse

heraufbeschwören, wenn er einem Deutschen erklärt, dass es z.Zt. in Spanien viele Manifestationen

wegen der Wirtschaftskrise gibt.

Das ist das, was ein Sprecher macht, der die genaue Wortbedeutung entweder nicht kennt, oder im

Moment des Sprechaktes nicht abrufen kann. Was macht aber ein Sprecher, der die passende

Vokabel gar nicht kennt? Hier helfen angelernte Kommunikationsstrategien, die aber teilweise

(gepaart mit Faulheit) ins „kommunikative Nirwana“ führen. Klar, man könnte den fehlenden Begriff

u.U. umschreiben, aber da steht neben der oben erwähnten Faulheit auch der Wunsch entgegen,

seinen Sprechakt nicht länger als nötig zu gestalten. Denken wir nur einmal an unsere Sprache: Wer

sagt schon „optisches Eingabezeigegerät“ zu einer Computermaus? Da wir im Deutschen uns gerne

dieser Anglizismen (oder anderer Internationalismen) bedienen, folgern wir, dass diese Begriffe auch

in anderen Sprachen gleich oder ähnlich lauten – und das führt dann oft zu Interferenzen. Meist

kommen wir damit weiter – auch wenn wir nicht direkt das gesagt haben, was wir wollten, aber wir

begnügen uns damit, dass die Idee im Großen und Ganzen zum Ausdruck gebracht wurde. Und

erfolgreiche Strategien werden weiterverfolgt. Dies wirkt natürlich auch zurück auf die eingangs

erwähnten Lernstrategien. Die Lerner, die das Sparprinzip anwenden und sich das Erlernen von

neuen weitestgehend Vokabeln ersparen wollen, greifen zur Strategie der Annäherung indem sie

Hyperonyme oder partielle Synonyme verwenden.

4.3.„Wege aus dem Dilemma“

Da es objektiv keine „falschen Freunde“ gibt, die man alle dem Lernenden in Form einer Tabelle an

die Hand geben kann, sie aber trotzdem potentiell vorhanden sind, müssen wir andere Lösungen

finden. Im Kapitel 3 haben wir gesehen, dass die „falschen Freunde“ situationsbedingt auftreten.

Daher halten wir es für Wichtig, dass der Lernende dieses Prinzip wahrnimmt und dafür

sensibilisiert wird. Dazu muss mit wiederholten Übungen eine Kompetenz entwickelt werden, dass

der Lernende das Fehlerpotential erkennen und im Optimalfall den Fehler vermeiden kann.

Dazu bedarf es aber folgender Voraussetzungen:

Page 15: Falsche Freunde - Falsos amigos

Sehr gute L1-Kenntnisse und über das Basisniveau hinausgehende L2-Kenntnisse

gute Lese- und Hörverstehstrategien

Sprachflexibilität, d.h. gute Fähigkeiten zu paraphrasieren

Das stumpfe Auswendiglernen von Listen nach dem Schema: mesa = Tisch ≠Messer bringt wenig;

besser sind kurze Merksätze, in denen der „falsche Freund“ zu einer Verwicklung führt. Wir erinnern

uns noch sicher alle an das Beispiel aus dem Englischunterricht, wo ein Mann den Ober fragt „When I

become a beefsteak?“ und der Kellner antwortet: „ I hope never, Sir“. Diese „Kurzgeschichten“

sensibilisieren für das Problem und bleiben im Gedächtnis. Auch der Rat, lieber einmal mehr im

Wörterbuch nachzuschlagen, als einmal zu wenig, oder das „unsichere“ Wort zu umschreiben, kann

nicht oft genug gegeben werden.

Um die Sprachflexibilität zu erhöhen, sollten „Ersetzungsübungen“ gemacht werden, die evtl. so

aussehen könnten: Ersetzen Sie die kursiv gedruckten Wörter: „Se fue volando detrás de otra ilusión

de esas que llevan a perder la razón.“

Falsche Wege sind Irrwege

Falsche Beschilderungen können Gefahren heraufbeschwören

Falsch gewählte Kleidung kann peinlich sein

Falsch gewählte Worte können zu Kränkungen führen

Falsche Freunde sind alles zusammen: gefährlich, peinlich, kränkend, sie führen dich in die Irre – Mit einem

Wort: Man kann auf sie verzichten!

(Aus dem Internet: http://www.sinnvollerweise.de/sprueche/falsche-freunde-sprueche.htm)

Bibliographie

Page 16: Falsche Freunde - Falsos amigos

Althaus, H. (1980). Lexikon der Germanistischen Linguistik. Tübingen: Niemeyer.

Cartagena, N. G. (1989). Vergleichende Grammatik ..., Bd. II. DUDEN-Verlag.

Köbler, G. (1995). Deutsches Etymologisches Wörterbuch.

Wahrig, G. (2001). Deutsches Wörterbuch. Gütersloh München: Bertelsmann Lexikon Verlag.

Wotjok/ Herrmann (1997). Langenscheidts, Typische Fehler Spanisch. 2500 'Falsche Freunde'

Kroschewski, Annette (2000). Peter Lang-Verlag, False friends und true friends. Ein Beitrag zur Klassifizierung des Phänomens der intersprachlich-heterogenen Referenz und zu deren fremdsprachendidaktischen Implikationen.

Barnickel, (1992) Falsche Freunde - Ein vergleichende s Wörterbuch Deutsch-Englisch. Heidelberg Julius Groos Verlag.