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Fragenbeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Falk Gastro-Kolleg 3/2018 | 1 Prof. Dr. Stephan C. Bischoff Institut für Ernährungsmedizin Universität Hohenheim Fruwirthstr. Stuttgart Prof. Dr. Stephan C. Bischoff Falk Gastro-Kolleg Darm Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelintoleranzen – Update 2018 Zusammenfassung Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden in Nahrungsmittelallergien, Nahrungsmittel- intoleranzen und Nahrungsmittelintoxikationen unterteilt. Nahrungsmittelallergien (NMA) sind immunologisch vermittelte, abnormale entzündliche Reaktionen auf definierte Nahrungsmittelproteine. Sie treten individuell auf und grenzen sich dadurch von zeitlich meist eng umschrieben auftretenden toxischen Reaktionen ab. NMA manifestieren sich häufig am Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt), können aber auch Symptome am Respi- rationstrakt, an anderen Schleimhäuten und an der Haut hervorrufen. Besonders im Erwachsenenalter sind NMA oft mit Allergien gegen Inhalationsallergene (Kreuzallergien) assoziiert. Die am besten charakterisierte Überempfindlichkeitsreaktion gegen Nahrungs- mittel ist die Immunglobulin (Ig)E-vermittelte Typ-I-Reaktion, die auch vielen Fällen von Asthma bronchiale, saisonaler Rhinitis, Urtikaria und atopischem Ekzem zugrunde liegt. Nahrungsmittelintoleranzen (NMI) sind individuell auftretende, nicht immunologisch vermittelte, abnormale Reaktionen auf meist kleinmolekulare Nahrungsmittelinhaltsstoffe wie Zucker, Zuckerersatzstoffe, biogene Amine oder Getreideinhaltsstoffe. NMI beinträch- tigen die Lebensqualität, führen aber nie zu lebensgefährlichen Schockreaktionen und grenzen sich dadurch grundlegend von den NMA ab. NMA betreffen Kinder (ausgenom- men Kleinkinder) und Erwachsene gleichermaßen (Prävalenz 3–6%), bei Erwachsenen sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Die Prävalenz der NMI ist unklar. Die Diagnos- tik der NMA und NMI basiert auf drei Säulen: detaillierte Anamnese, Ausschlussdiagnostik und spezifische Diagnostik. Die spezifische Diagnostik der NMA umfasst Laborbestim- mungen (Messung von IgE, spezifischem IgE und Entzündungsmediatoren) und wird durch Hauttests ergänzt. Goldstandard für die Diagnose der NMA ist die Provokationstes- tung mit verdächtigen Nahrungsmitteln, die oral oder intestinal durchgeführt werden kann. Zuckerintoleranzen werden üblicherweise durch H 2 -Atemtests verifiziert. Für die Diagnose der Histaminintoleranz gibt es keine zuverlässigen Tests. Die Weizenintoleranz wird in erster Linie serologisch von der Zöliakie bzw. der IgE-vermittelten Weizenallergie abgegrenzt. Es gibt keine spezifischen Tests zur Bestätigung der Nicht-Zöliakie-Weizen- Julija Sapic/Shutterstock.com

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Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Falk Gastro-Kolleg 3/2018 | 1

Prof. Dr. Stephan C. BischoffInstitut für ErnährungsmedizinUniversität HohenheimFruwirthstr. Stuttgart

Prof. Dr. Stephan C. Bischoff

Falk Gastro-Kolleg

Darm

Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelintoleranzen – Update 2018Zusammenfassung

Nahrungsmittelunverträglichkeiten werden in Nahrungsmittelallergien, Nahrungsmittel-intoleranzen und Nahrungsmittelintoxikationen unterteilt. Nahrungsmittelallergien (NMA) sind immunologisch vermittelte, abnormale entzündliche Reaktionen auf definierte Nahrungsmittelproteine. Sie treten individuell auf und grenzen sich dadurch von zeitlich meist eng umschrieben auftretenden toxischen Reaktionen ab. NMA manifestieren sich häufig am Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt), können aber auch Symptome am Respi-rationstrakt, an anderen Schleimhäuten und an der Haut hervorrufen. Besonders im Erwachsenenalter sind NMA oft mit Allergien gegen Inhalationsallergene (Kreuzallergien) assoziiert. Die am besten charakterisierte Überempfindlichkeitsreaktion gegen Nahrungs-mittel ist die Immunglobulin (Ig)E-vermittelte Typ-I-Reaktion, die auch vielen Fällen von Asthma bronchiale, saisonaler Rhinitis, Urtikaria und atopischem Ekzem zugrunde liegt. Nahrungsmittelintoleranzen (NMI) sind individuell auftretende, nicht immunologisch vermittelte, abnormale Reaktionen auf meist kleinmolekulare Nahrungsmittelinhalts stoffe wie Zucker, Zuckerersatzstoffe, biogene Amine oder Getreideinhaltsstoffe. NMI beinträch-tigen die Lebensqualität, führen aber nie zu lebensgefährlichen Schockreak tionen und grenzen sich dadurch grundlegend von den NMA ab. NMA betreffen Kinder (ausgenom-men Kleinkinder) und Erwachsene gleichermaßen (Prävalenz 3–6%), bei Erwachsenen sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Die Prävalenz der NMI ist unklar. Die Diagnos-tik der NMA und NMI basiert auf drei Säulen: detaillierte Anamnese, Ausschlussdiagnostik und spezifische Diagnostik. Die spezifische Diagnostik der NMA umfasst Laborbestim-mungen (Messung von IgE, spezifischem IgE und Entzündungsmediatoren) und wird durch Hauttests ergänzt. Goldstandard für die Diagnose der NMA ist die Provokationstes-tung mit verdächtigen Nahrungsmitteln, die oral oder intestinal durchgeführt werden kann. Zuckerintoleranzen werden üblicherweise durch H2-Atemtests verifiziert. Für die Diagnose der Histaminintoleranz gibt es keine zuverlässigen Tests. Die Weizenintoleranz wird in erster Linie serologisch von der Zöliakie bzw. der IgE-vermittelten Weizenallergie abgegrenzt. Es gibt keine spezifischen Tests zur Bestätigung der Nicht-Zöliakie-Weizen-

Julija Sapic/Shutterstock.com

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Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittel­intoleranzen – Update 2018

Definitionen, Mechanismen und klinische Präsentation

Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU), auch „adverse reactions to food“ (ARF) ge-nannt, werden in Nahrungsmittelallergien, Nahrungsmittelintoleranzen und Nahrungs-mittelintoxikationen (Abb. 1) unterteilt.

Klassifikation von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Immunologisch„Nahrungsmittelallergie“

Nicht-immunologisch„Nahrungsmittelintoleranz“

Nicht-toxisch

IgETyp-I-Nahrungs-

mittelallergie

ohne IgEEosinophile Erkrankung, Zöliakie, Typ-IV-Allergien

enzymatischZucker-

intoleranzen

unklarHistaminintoleranz,Weizenintoleranz

Toxisch

Nahrungsmittelallergien (NMA) sind immunologisch vermittelte, abnormale entzünd-liche Reaktionen auf definierte Nahrungsmittelproteine. Sie treten individuell auf und grenzen sich dadurch von toxischen Reaktionen ab, die nicht individuell auftreten und hier nicht weiter besprochen werden. NMA treten in der Regel chronisch bzw. chronisch rezidivierend auf, während Nahrungsmittelintoxikationen meist zeitlich eng umschrieben auftreten. NMA manifestieren sich häufig am Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt), können aber auch Symptome am Respirationstrakt, an anderen Schleim-häuten und an der Haut hervorrufen. Vielfach führen NMA zu Schwellungen und Juck-reiz im Bereich der Lippen und der Mund- und Rachenschleimhaut – dies wird „Orales Allergiesyndrom“ (OAS) genannt. NMA können sich aber auch im Magen (dyspepsie-artige Symptome) oder im Dünn- oder Dickdarm (Bauchschmerzen, Diarrhöen etc.) manifestieren.

Abb. 1

P Nahrungsmittelallergien (NMA) sind individuell auftretende, immunologisch vermittelte, abnormale entzündliche Reaktionen auf definierte Nahrungs­mittelproteine.

Sensitivität („non-celiac wheat sensitivity“, NCWS), abgesehen von der oralen Provokation. Das Mittel der Wahl für die Therapie sowohl der NMA als auch der NMI ist die spezifische Elimination der auslösenden Nahrungsmittel bzw. Nahrungsstoffe aus der Ernährung. Auf die Vermeidung von Mangelernährung ist ebenso zu achten wie auf die Einstellung der erwarteten Symptomlinderung. Eine medikamentöse Therapie ist bei NMA indiziert, wenn das auslösende Allergen nicht bzw. nicht vollständig identifiziert oder eliminiert werden kann und ein relevanter Schweregrad der Erkrankung vorliegt.

Schlüsselwörter

Nahrungsmittelunverträglichkeiten | Nahrungsmittelallergien | gastrointestinale Allergien | Nahrungsmittelintoleranzen | Kreuzallergien | IgE | Histamin | Laktoseintoleranz | Zöliakie | Weizensensitivität | Eliminationsdiät | Provokationstest | H2-Atemtest

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Die auslösenden Nahrungsmittelproteine sind in der Regel exakt charakterisierte Mo-leküle und werden Nahrungsmittelallergene genannt. Obwohl es unzählige Nahrungs-mittelproteine gibt, fungieren nur relativ wenige von ihnen als Nahrungsmittelaller-gene. Die Eigenschaften, die ein Nahrungsmittelprotein zum Allergen machen, sind nicht bekannt. Nahrungsmittelallergene sind pflanzliche oder tierische Proteine, die aufgrund bestimmter Eigenschaften bei prädisponierten Personen Immunantworten auslösen. Auf Lebensmittelebene sind die häufigsten Allergieauslöser weltweit Erd-nüsse, Nüsse, Eier, Milch, Fisch, Krustentiere, Weizen und Soja. In Europa spielen auch Sellerie, Senf, Sesam, Lupinen und Meeresfrüchte eine Rolle. Im Kindesalter sind Milch und Eier die häufigsten Allergene, im Erwachsenenalter dominieren dagegen die Kreuz-allergien mit Inhalationsallergenen wie Baumpollen, Beifußpollen und Latex. Tabelle 1 zeigt die 14 häufigsten Verursacher von Lebensmittelallergien und -unverträglichkei-ten. Diese müssen im Zutatenverzeichnis jedes verpackten Lebensmittels aufgelistet werden.

Sowohl rohe als auch gekochte Nahrungsmittel können Allergien auslösen, wobei rohe in der Regel ein höheres allergenes Potenzial haben, da sich die Proteinstruktur durch Hitzeeinwirkung verändert. Verdauungsstabile Proteine aus der Nahrung werden über den GI-Trakt in intakter Form aufgenommen, wodurch es zu einer Sensibilisierung und zur Auslösung systemischer Symptome kommen kann. Verdauungslabile Proteine kön-nen ebenfalls ein Sensibilisierungspotenzial haben, wenn die gastrale Hydrolysierung gehemmt wird, z. B. durch Protonenpumpenblocker. Abgesehen davon können sie durch ihre Kreuzreaktivität mit inhalativen Allergenen zu lokalen Symptomen führen.

Auch proteinhaltige Lebensmittelzusatzstoffe und Farbstoffe können allergische Reak-tionen auslösen, beispielsweise Annatto (Methylgelb), Karmin (Karmesin) und Gelatine. Chemische Zusatzstoffe (z. B. künstliche Aromen und Konservierungsstoffe) können zwar Unverträglichkeitsreaktionen verursachen, allerdings ohne Beteiligung des Im-munsystems, sodass diese als Intoleranzen und nicht als Allergien klassifiziert sind.

Eine Sensibilisierung für ein Nahrungsmittel kann bereits durch die Muttermilch erfol-gen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Allergene z. B. aus Kuhmilch, Eiern und Erd-nüssen in die Muttermilch übergehen können, wodurch der Säugling erstmals damit in Kontakt kommt und eine Sensibilisierung stattfinden kann.

NMA sind oft mit Allergien gegen Inhalationsallergene (z. B. Pollen; Tab. 1) oder andere Nahrungsmittel aus einer ähnlichen Familie aufgrund struktureller oder sequenzieller Ähnlichkeiten unter den Allergenen assoziiert. Die Wahrscheinlichkeit für eine Kreuz-reaktion innerhalb einer Nahrungsmittelgruppe hängt von dieser ab. So sind beispiels-weise Kreuzreaktionen zwischen Hülsenfrüchten selten (z. B. Reaktion auf Bohnen oder Erbsen bei bestehender Erdnussallergie), während sich eine Allergie gegen Krustentiere meist auf verschiedene Arten erstreckt.

Häufige Kreuzallergien

Inhalationsallergen Nahrungsmittelallergen

Baumpollen Apfel, Pfirsich, Pflaume, Nektarine, Kiwi, Kirsche, Birne, Mandel, Haselnuss, Karotte, Sellerie, Kartoffel (roh), Soja

Pollen der Beifuß-blättrigen Ambrosie

Melone (Wassermelone, Cantaloupe, Honigmelone), Banane, Tomate, Gurke

Beifußpollen Möhre, Sellerie, Kümmel, Petersilie, Koriander, Anis, Fenchelsamen, Mango, Weintraube, Litschi, Sonnenblumenkerne

Naturlatex Banane, Avocado, Kartoffel, Tomate, Kiwi, Ananas

P Auslöser von NMA sind pflanzliche oder tierische Proteine oder protein­haltige Lebensmittelzusatzstoffe und Farbstoffe.

P Bei Jugendlichen und Erwachsenen sind Kreuzallergien mit Inhalations­allergenen die häufigste Ursache für NMA (Henzgen et al. 2005).

Tab. 1a

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Seltene Kreuzallergien

Inhalationsallergen Nahrungsmittelallergen

Gräser- und Getreidepollen Mehle, Kleie, Tomate, Hülsenfrüchte

Ficus benjamini Feige

Vogelallergen Ei, Geflügelfleisch, Innereien

Tierepidermis Kuhmilch, Fleisch, Innereien

Hausstaubmilben Krusten- und Weichtiere

Die am besten charakterisierte Überempfindlichkeitsreaktion gegen Nahrungsmittel ist die IgE-vermittelte Typ-I-Reaktion, die auch vielen Fällen von Asthma bronchiale, saisonaler Rhinitis, Urtikaria und atopischem Ekzem zugrunde liegt. Manche Menschen entwickeln nach der akuten IgE-Reaktion eine verzögerte Reaktion, die durch eine erhöhte zelluläre Infiltration des betroffenen Gewebes mit Entzündungszellen und schließlich durch eine Gewebedysfunktion gekennzeichnet ist. Solche Mechanismen spielen sowohl bei Milch- und Sojaprotein-induzierten Enteropathien als auch bei der Zöliakie eine Rolle. Immunologischen Reaktionen gegen Nahrungsmittel können auch gemischte IgE-abhängige und IgE-unabhängige Reaktionen zugrunde liegen. Insbe-sondere Typ-IV-Hypersensitivitätsreaktionen gegen Nahrungsproteine werden auf-grund der Präsenz von Nahrungsmittelantigen-spezifischen T-Helfer-Zellen und zyto-toxischen T-Zellen vermutet.

Die Symptome einer IgE-vermittelten Reaktion treten meist innerhalb von Minuten bis 1–2 Stunden nach Aufnahme des allergenen Nahrungsmittels auf. Die in erster Linie den GI-Trakt betreffenden Symptome einer nicht-IgE-vermittelten oder einer kombiniert vermittelten Reaktion starten in der Regel erst einige Stunden nach dem Verzehr des allergenen Nahrungsmittels. Eine NMA kann sich durch zahlreiche ver-schiedene Symptome äußern, die vor allem Schleimhautorgane wie Mund und GI-Trakt, Nase, Augen und Respirationstrakt, Haut und Genitaltrakt betreffen können.

Die NMA ist einer der häufigsten Auslöser für einen anaphylaktischen Schock, welcher im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Einem anaphylaktischen Schock muss ein initialer Kontakt und eine Sensibilisierung mit dem auslösenden Nahrungsmittel vor-ausgegangen sein. Viele Personen berichten jedoch über eine Anaphylaxie bereits beim ersten bekannten Kontakt mit einem Nahrungsmittel. Eine solche Sensibilisierung wird häufig durch ein – meist inhalatives – Kreuzallergen ausgelöst oder es kam zuvor zu unbemerktem Kontakt mit den Allergenen, oft bereits über die Muttermilch. Auch Spu-ren des Allergens auf anderen Lebensmitteln oder sein unwissentlicher Verzehr als Bestandteil eines verarbeiteten Produkts können der Reaktion vorangegangen sein.

Nahrungsmittelintoleranzen (NMI) sind der Sammelbegriff für nicht immunologisch bedingte Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU), wie beispielsweise die Laktose-intoleranz und andere Zuckerintoleranzen, die Histaminintoleranz, die Weizenintole-ranz oder Pseudoallergien, die durch unspezifische Mastzellaktivatoren ausgelöst werden (Tab. 2).

Sogenannte pseudoallergische oder pharmakologische Reaktionen werden durch Nahrungsmittel induziert, welche die IgE-abhängige Mastzelldegranulation imitieren, indem sie IgE unabhängig aktivieren. Trigger sind meist Nahrungsmittelzusatzstoffe wie Sulfide, Tartrazin und Glutamat, die Darmsymptome auslösen, die nicht selten mit Asthma vergesellschaftet sind. Glutamat verursacht bei Betroffenen innerhalb weni-ger Minuten charakteristische Symptome wie Hitzewallungen, Engegefühl, Kopf-schmerzen und epigastrische Beschwerden („China-Syndrom“, weil Glutamat in der chinesischen Küche reichlich als Gewürz bzw. Geschmacksverstärker Einsatz findet).

Biogene Amine wie Histamin, Serotonin oder Tyramin können NMA-ähnliche Symp-tome auslösen wie Kopfschmerzen, Hypotension, Erytheme und GI-Symptome. Die Pathophysiologie der Histaminintoleranz umfasst eine durch einen gestörten Hista-

Tab. 1b

P Eosinophilen Erkrankungen des GI­Trakts liegt in etwa 50% der Fälle eine NMA zugrunde und sie können vielfach durch Allergenkarenz erfolgreich behandelt werden.

P Nahrungsmittelintoleranzen (NMI) sind individuell auftretende, nicht immunologisch vermittelte, abnormale Reaktionen auf meist kleinmolekulare Nahrungsmittelinhaltsstoffe wie Zucker, Zuckerersatzstoffe, biogene Amine oder Getreideinhaltsstoffe.

P NMI beinträchtigen die Lebens­qualität, führen aber nie zu lebens­gefährlichen Schockreaktionen und grenzen sich dadurch grundlegend von NMA ab.

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minabbau bedingte Akkumulation von Histamin und somit eine erhöhte Empfind-lichkeit gegen eher kleine Mengen von Histamin in Nahrungsmitteln. Ursache ist ein Mangel an Diaminooxidase (DAO), dem wichtigsten Abbauenzym für Histamin, oder an DAO-Koenzymen wie Vitamin B6 und evtl. Vitamin C.

Die Laktosemalassimilation, auch als Laktoseintoleranz bezeichnet, repräsentiert die häufigste Form einer NMI und wird meist durch eine abnehmende Expression von Laktase im Darm mit zunehmendem Lebensalter verursacht; sie kann in seltenen Fäl-len aber auch primär genetisch bedingt sein. Die Symptome wie Blähungen, Flatulenz und Diarrhö treten üblicherweise dosisabhängig auf. Ein sekundärer Laktasemangel kann bei viraler Gastroenteritis, Morbus Crohn und Zöliakie auftreten.

Die „physiologische Nahrungsmittelintoleranz“ ist ebenfalls eine häufige Form der NMI auf bestimmte Nahrungsbestandteile oder -zusatzstoffe. Beispielsweise kann Stärke aus Gemüse oder Getreide zur Gasproduktion im Kolon führen. Andere Nahrungsstof-fe sind bekannt dafür, dass sie den Tonus des unteren Ösophagussphinkters reduzie-ren bzw. zu einer verzögerten Magenentleerung führen, was in einer Dyspepsie resul-tiert. Solche physiologischen Reaktionen auf Nahrungsmittel werden besonders von Patienten mit Reizdarmsyndrom berichtet.

Wichtigste Formen der Nahrungsmittelintoleranz

– Nahrungsmittelvergiftung (Bakterien bzw. Bakterientoxine)– Laktoseintoleranz (Mangel an Laktase)– Fruktosemalabsorption (Einschränkung der Fruktose-Transporterkapazität)– Histaminintoleranz (Mangel an Diaminooxidase)– Intoleranz gegenüber anderen biogenen Aminen u. Ä.

(Tyramin, Serotonin, Glutamat)– Weizenintoleranz (Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität, „non-celiac gluten

sensitivity“, NCGS)– „Pseudoallergien“ (unspezifische Mastzellaktivierung durch Nahrungsmittel)– Physiologische Nahrungsunverträglichkeit (besonders bei GI-Vorerkrankungen)

Epidemiologie

Die Prävalenz von NMA ist in den ersten beiden Lebensjahren am größten und nimmt mit steigendem Alter ab. NMA, die in der frühen Kindheit auftreten, verschwinden oft spontan bis zum Alter von etwa 5–6 Jahren, wobei es hier jedoch Unterschiede je nach Art des allergenen Nahrungsmittels gibt. So verlieren die meisten Kinder mit einer Allergie gegen Milch, Eier, Weizen oder Soja diese mit zunehmendem Alter, während Allergien gegen Erdnüsse, Nüsse, Fisch oder Krustentiere häufig lebenslang bestehen bleiben. Manchmal werden die frühkindlichen NMA auch durch Allergien gegen inhalative Proteine wie Pollen oder Milben abgelöst. Jedoch können NMA auch bei Erwachsenen auftreten, die in ihrer Kindheit keine entsprechende Allergie hatten. NMA bei Erwachsenen bleiben meist lebenslang bestehen und sind häufig mit einer Pollenallergie assoziiert. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen tritt eine NMA oft verbunden mit Asthma auf.

Nahrungsmittelallergien betreffen Kinder (ausgenommen Kleinkinder) und Erwach-sene gleichermaßen (Prävalenz 3–6%), bei Erwachsenen sind Frauen häufiger betrof-fen als Männer (6,4% vs. 2,9%). Nach eigenen Angaben der Betroffenen weisen sogar etwa 12–13% der Kinder und Erwachsenen eine NMA auf. Die Mehrzahl der Fälle von Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist nicht immunologisch vermittelt, wobei die Laktoseintoleranz die häufigste Form in westlichen Ländern darstellt.

Vermutlich haben NMA in den letzten 10–20 Jahren zugenommen, allerdings liegen dazu keine sicheren Belege vor, da entsprechende Prävalenz- und Inzidenzstudien nur eingeschränkt vergleichbar sind. Ein Grund für die Zunahme der NMA könnte im ver-änderten Lebensstil („Hygiene-Hypothese“) liegen, nach der es aufgrund zunehmend hygienischer werdenden Lebensverhältnisse zu einer verringerten Exposition gegen-

Tab. 2

P NMA betreffen Kinder (ausgenom­men Kleinkinder) und Erwachsene gleichermaßen (Prävalenz 3–6%), bei Erwachsenen sind Frauen häufiger betroffen als Männer.

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über Bakterien kommt und in der Folge zu überschießenden Immunreaktionen. Auch eine gestörte Barriere durch Ernährungsgewohnheiten, Toxine, mukosale Perfusions-störungen oder eine gestörte intestinale Mikrobiota könnte eine Erklärung sein.

Eine aktuelle Metaanalyse von Daten aus 42 Studien der Jahre 2000–2012 zur Prävalenz von NMA in Europa ergab eine altersunabhängige „Hitliste“ (Tab. 3). Bei kleineren Kindern waren die Kuhmilchallergie und die Eiallergie häufiger als bei älteren Menschen, die ins-besondere Allergien gegen Nüsse, Fisch und Meeresfrüchte aufwiesen. Hinsichtlich Soja- und Weizenallergie konnte keine klare Altersabhängigkeit festgestellt werden. Nordeuro-pa war generell mehr betroffen als Südeuropa, wobei die Ursachen unklar sind.

Die Prävalenz der NMI ist unklar. Die häufigste NMI ist wohl die Laktoseintoleranz, deren Prävalenz regional, ethisch und in Abhängigkeit vom Alter erheblich variiert. Es besteht ein Nord-Süd-Gefälle mit geschätzten Prävalenzen von 4% (Dänemark) bis 50% (Italien). Aufgrund ungenauer bzw. variabler Definitionen der Laktoseintoleranz können keine exakten Prävalenzen angegeben werden. Auch für andere Intoleranzen liegen keine exakten Daten zur Prävalenz vor.

Häufige Nahrungsmittelallergene in Deutschland

SelbstangabeVerifiziert mittels

verblindeter Provokation

1. Kuhmilch 6,0% 0,6%

2. Weizen 3,6% 0,1%

3. Eier 2,5% 0,2%

4. Baumnüsse 2,2% 0,5%

5. Erdnüsse 1,3% 0,2%

6. Fisch & Meeresfrüchte 1,3% 0,2%

7. Soja 0,4% 0,3%

(modifiziert nach Nwaru et al. 2014)

Prävention

Primärprävention wird bei Kindern aus allergisch belasteten Familien mit hohem Ato-pierisiko empfohlen. Dazu gehört eine möglichst lange Stillperiode (mindestens 6, besser 12 Monate), der Einsatz von hydrolysierter Trinknahrung (wenn nicht gestillt werden kann), aber nicht das Meiden bzw. stufenweise Einführen sogenannter Risiko-nahrungsmittel.

Ein neuer primärpräventiver Ansatz ist die Modulation der bakteriellen Darm-Mikro-biota mittels Probiotika wie Lactobacillus GG, das beginnend 1–2 Monate vor der Ge-burt bis ca. 6 Monate nach der Geburt der Mutter (wenn diese stillt) oder dem Baby verabreicht werden soll.

Sekundärprävention kann mittels Hyposensibilisierung (s.c. oder oral) versucht werden, wobei diese Verfahren für die allergische Gastroenteropathie nicht gut etabliert sind.

Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von NMI sind nicht bekannt.

Diagnostik

Die Diagnostik der NMA und NMI basiert auf drei Säulen:– detaillierte Anamnese– Ausschlussdiagnostik, symptomorientiert (Tab. 4)– spezifische Diagnostik

Tab. 3

P Die frühere Empfehlung, Risikonah­rungsmittel wie Nüsse, Ei etc. im ersten Lebensjahr bei Risikokindern zu meiden, wurde aufgrund neuer Studien­ergebnisse aufgehoben.

P Für Kinder aus allergisch belasteten Familien mit hohem Atopierisiko wird eine Primärprävention (möglichst lange Stillperiode bzw. hydrolysierte Trink­nahrung, eventuell Probiotika für Mutter und Kind) empfohlen.

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In der Anamnese müssen gezielte Fragen gestellt werden, um die häufig vom Patien-ten geäußerte Vorstellung einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu hinterfragen oder zu spezifizieren, um die möglicherweise auslösenden Allergene bzw. sonstige Nahrungsstoffe (Zucker, Histamin, Getreide etc.) zu identifizieren und um das geneti-sche Risiko einer Nahrungsmittelallergie zu eruieren.

Ausschlussdiagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittel- unverträglichkeiten mit gastrointestinaler Manifestation

Erwachsene Kinder

Nahrungsintoleranzen Infektionen

Reflux, Ulkus, Gastritis Zöliakie

Zöliakie, Morbus Whipple, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, mikroskopische Kolitis

Infektionen

Tumoren

Spezifische Diagnostik der NMADie In-vitro-Diagnostik der NMA umfasst Laborbestimmungen (Messung von IgE, spe-zifischem IgE und Entzündungsmediatoren) und wird durch Hauttests (klassischer Prick-Test mit Allergenextrakten oder „Prick-zu-Prick“-Test mit nativen Allergenen oder „atopy-patch-test“) ergänzt.

Der positive Vorhersagewert von Hauttests und spezifischem IgE (früher auch „RAST“ genannt) ist bei allergischer Gastroenteropathie gering, der negative Vorhersagewert dagegen relativ hoch, d. h. ein negativer Test macht die Allergie eher unwahrschein-lich, während ein positiver Test die Diagnose allenfalls vermuten lässt.

Die In vitro-Diagnostik kann außer mit Nahrungsmittelextrakten auch mit rekombi-nanten Allergenen durchgeführt werden. Dadurch werden eine genauere Risikoein-schätzung und eine individuellere Hyposensibilisierung ermöglicht.

Die In-vivo-Provokation mit verdächtigen Allergenen am Schockorgan unter kontrol-lierten Bedingungen gilt als „goldener Standard“ zur Absicherung der Verdachtsdiag-nose einer Nahrungsmittelallergie, da diese mittels Labortests oft nicht eindeutig nachweisbar ist.

Die Provokation kann oral (in Form verblindeter Testmahlzeiten, engl. double-blind placebo-controlled food challenge, DBPCFC) oder intestinal (im Rahmen einer Spie-gelung: koloskopische Allergenprovokation, COLAP) erfolgen.

Spezifische Diagnostik der NMIZuckerintoleranzen werden üblicherweise durch H2-Atemtests verifiziert. Dabei wird der zu testende Zucker oral verabreicht (Dosen s. Tab. 5). Diese initialen Dosen sind recht hoch und sagen kaum etwas über die individuelle Sensitivität aus. Deshalb soll-te bei positivem Testergebnis die Durchführung eines zweiten H2-Atemtests mit 10% der initialen Zuckermenge erwogen werden. Nur wenn dieser zweite Test auch positiv ausfällt, ist eine strenge Elimination des Zuckers erforderlich. Im Fall von Laktoseinto-leranz kann auch ein Gentest durchgeführt werden, der allerdings nicht die Krankheit, sondern nur die genetische Prädisposition für die Krankheit anzeigt.

Untersucht werden zwei genetische Polymorphismen an den Positionen 13910 und 22018 im regulatorischen Bereich des Laktase-Gens. In Studien wurde gezeigt, dass die homozygoten Genotypen C/C an der Position 13910 und/oder G/G an der Position 22018 mit dem Risiko einer Laktoseintoleranz assoziiert sind. In Mitteleuropa haben ca. 15–20% der Bevölkerung diesen genetisch bedingten Laktasemangel. In skandina-

P Die Diagnose gründet sich auf die Anamnese, den Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlicher Sympto­matik und spezifische Tests.

Tab. 4

P Die Messung des IgE­Spiegels und Hauttests besitzen einen niedrigen positiven, aber einen hohen negativen Vorhersagewert für NMA; positive Ergebnisse müssen durch weitere Untersuchungen bestätigt werden. Goldstandard für die Diagnose der NMA ist die Provokationstestung mit verdächtigen Nahrungsmitteln, die oral oder intestinal durchgeführt werden kann.

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vischen Ländern kommt die Mutation kaum vor, im Mittelmeerraum liegt sie bei 30% und in anderen Teilen der Welt (z. B. in Fernost) zum Teil noch deutlich darüber.

Für die Diagnose der Histaminintoleranz gibt es keine zuverlässigen Tests. Aus Erman-gelung besserer Tests wird noch immer die allerdings variable Diaminooxidase (DAO) im Serum bestimmt, das sogenannte „rate-limiting enzyme“ zum Abbau des Hista-mins. Vielfach wird versucht mittels Ernährungs-/Symptomtagebuch einen Zusam-menhang zwischen dem Konsum histaminreicher Lebensmittel und Symptomen her-zustellen. Unter entsprechenden Sicherheitskautelen kann in unklaren Einzelfällen eine orale Provokation erwogen werden.

Die Weizenintoleranz wird in erster Linie serologisch von der Zöliakie bzw. der IgE-vermittelten Weizenallergie abgegrenzt (Tab. 5). Es gibt keine spezifischen Tests zur Bestätigung der Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität (NCWS), abgesehen von der oralen Provokation.

Spezifische Diagnostik von Nahrungsmittelintoleranzen und Nahrungsmittelallergien

Zuckerintoleranzen – H2-Atemtest nach oraler Provokation mit 50 g Laktose bzw. 25 g Fruktose o. a. Zucker

– Blutglukosetest nach 50 g Laktose (bei „H2-Nonrespondern“)

Histaminintoleranz – Labormessungen (z. B. Diaminooxidase im Serum, Methylhistamin im Urin)

– Ernährungs-/Symptomtagebuch– Orale Provokation (in Zweifelsfällen)

Weizenintoleranz (NCWS)

– Ausschluss Zöliakie (z. B. durch Messung von Anti-Gewebstransglutaminase-IgA-Antikörper)

– Ausschluss Allergie (z. B. durch Messung von IgE-Antikörpern gegen Eiweißbestandteile wie Weizen-Albumin, -Globulin und -Gluten)

– Orale Provokation (in Zweifelsfällen)

Nahrungsmittel- allergien

– Hauttests (Prick) mit Extrakten oder nativen Allergenen– Messung von IgE-Antikörpern gegen Nahrungseiweiße

im Serum– Orale oder intestinale Provokation (in Zweifelsfällen)

Therapie

Das Mittel der Wahl für die Therapie sowohl der NMA als auch der NMI ist die spezifi-sche Elimination der auslösenden Nahrungsmittel bzw. -stoffe aus der Ernährung. Dazu ist eine Ernährungsberatung (meist über mehrere Sitzungen) durch eine quali-fizierte Ernährungsfachkraft erforderlich. Auf die Vermeidung von Mangelernährung ist ebenso zu achten wie auf die Einstellung der erwarteten Symptomlinderung.

Eine medikamentöse Therapie ist bei NMA indiziert, wenn das auslösende Allergen nicht bzw. nicht vollständig identifiziert oder eliminiert werden kann und ein relevanter Schweregrad der Erkrankung vorliegt. Medikamentöse Therapie und Eliminationsdiät schließen sich keineswegs aus, da auch eine partielle Elimination von wenigen „Haupt-allergenen“ zu einer wesentlichen Einsparung von Medikamenten führen kann. Aller-dings fehlen kontrollierte Studien an großen Patientenzahlen, die die Wirksamkeit einzelner Präparate für die Behandlung gastrointestinaler Allergien eindeutig belegen.

Cromoglycinsäure zur oralen AnwendungDosierung: 3 x 200 mg (vor den Mahlzeiten). Cromoglycinsäure moduliert Zellmem-branen, sodass die Degranulation von Zellen inhibiert wird. Weitere Mechanismen sind die Regulation von B-Zellen sowie die Aktivierung von nicht-allergischen Entzün-

Tab. 5

P Erstes therapeutisches Ziel bei der Behandlung von nachgewiesenen Nahrungsmittelallergien und ­intoleran­zen ist die Elimination der auslösenden Allergene bzw. Nahrungsstoffe, sofern diese ermittelt werden konnten.

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dungszellen wie Neutrophilen, Eosinophilen und Monozyten. Cromoglycinsäure ist möglicherweise prophylaktisch wirksam, bewährt sich vor allen Dingen bei milderen Formen der Nahrungsmittelallergie und bietet sich in Kombination mit einer Elimina-tionsdiät an. Allerdings bleibt die gewünschte Wirkung bei etwa der Hälfte der Patien-ten aus bislang unbekannten Gründen aus. Nebenwirkungen sind nicht bekannt.

BudesonidDosierung: 3–9 mg/Tag. Wirkungsweise: multiple antiinflammatorische Wirkung. Ins-besondere bei stärkeren Schweregraden der Nahrungsmittelallergie muss oft auf Kor-tikosteroide, bevorzugt auf vorwiegend lokal wirksame Präparate, zurückgegriffen werden, deren Wirksamkeit bei allergischen Erkrankungen belegt ist und die auch bei allergischer Gastropathie erfolgreich eingesetzt werden können. Die zusätzliche Gabe von Cromoglycinsäure kann bei schweren Formen der Erkrankung eine Einsparung von Kortikosteroiden ermöglichen. Nebenwirkungen: Blockade der Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse, Cushing-Syndrom, Osteoporose u. a. m. (dosisabhängig).

Antihistaminika Diese Medikamentengruppe hat sich, abgesehen von der Behandlung des oralen Al-lergiesyndroms, in der Therapie der gastrointestinalen Allergien bislang nicht bewährt.

LoperamidAls supportive medikamentöse Maßnahme zu empfehlen, insbesondere als Akuthilfe oder als Übergangslösung.

Jeder Patient mit Nahrungsmittelallergie und allergischem Schock in der Vorgeschich-te (auch Schockverdacht ist hinreichend!) sollte mit einem „Notfallset“ ausgestattet werden. Dieses Set besteht aus einer Adrenalinspritze zur Selbstinjektion, einem ora-len Kortikosteroid und einem oralen Antihistaminikum. Der Patient und ggf. die Ange-hörigen müssen adäquat eingewiesen werden, wie und wann das Set zu nutzen ist.

InteressenkonflikteDer Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

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Zu empfehlende Literatur

1 Bischoff SC. Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen. In: Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A, Hrsg. Ernährungsmedizin. Nach dem neuen Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. 5. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2017.

2 Bischoff SC, Köchling K. Gastrointestinale Allergie. In: Biedermann T, Heppt W, Renz H, Röcken M, Hrsg. Allergologie. 2. Auflage. Heidelberg: Springer Verlag; 2016.

3 Bischoff SC, Ulmer FA. Eosinophils and allergic diseases of the gastrointestinal tract. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2008;22(3):455–79.

4 Bischoff S, Crowe SE. Gastrointestinal food allergy: new insights into pathophysiology and clinical perspectives. Gastroenterology. 2005;128(4):1089–113.

5 Worm M, Reese I, Ballmer-Weber B, Beyer K, Bischoff SC, Classen M. et al. Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. Allergo J Int. 2015;24:256–93.

Literatur

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Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro­Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragenbeantwortung unter

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Darm

Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelintoleranzen

Frage 1:Welche Aussage ist richtig?

EE Nahrungsmittelintoleranzen (NMI) werden in Nahrungsmittelallergien (NMA) und Nahrungsmittelintoxikationen unterteilt

EE Nahrungsmittelunverträglichkeiten (NMU) werden in NMA, NMI und Nahrungs-mittelintoxikationen unterteilt

EE NMA manifestieren sich nicht am Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt)EE Milchallergien sind die häufigsten NMA im ErwachsenenalterEE NMI sind Immunglobulin (Ig)E-vermittelt

Frage 2:Welche Aussage ist falsch?

EE NMI sind individuell auftretende, nicht immunologisch vermittelte, abnormale Reaktionen auf meist kleinmolekulare Nahrungsmittelinhaltsstoffe wie Zucker, Zuckerersatzstoffe, biogene Amine oder Getreideinhaltsstoffe

EE NMI beeinträchtigen die LebensqualitätEE NMI können zu lebensgefährlichen Schockreaktionen führenEE Die Prävalenz der NMI ist unklarEE Die Diagnostik der NMI basiert auf drei Säulen: detaillierte Anamnese,

Ausschlussdiagnostik und spezifische Diagnostik

Frage 3:Was trifft zu?A Die Nicht­Zöliakie­Weizen­Sensitivität (NCWS) ist eine besondere

Form der ZöliakieB Die Zöliakie kann serologisch diagnostiziert werdenC Die Zöliakie kann endoskopisch diagnostiziert werden

EE Keine der Aussagen trifft zuEE Nur A trifft zuEE Nur A und B treffen zuEE Nur B und C treffen zuEE Alle Aussagen treffen zu

Frage 4:Was trifft zu?A Das Mittel der Wahl für die Therapie der NMA ist die spezifische

Elimination der auslösenden Nahrungsmittel bzw. Nahrungs­stoffe aus der Ernährung

B Das Mittel der Wahl für die Therapie der NMI ist die spezifische Elimination der auslösenden Nahrungsmittel bzw. Nahrungs­stoffe aus der Ernährung

C Eine medikamentöse Therapie ist bei NMA indiziert, wenn durch Eliminationsdiät keine Beschwerdefreiheit erzielt werden kann

EE Keine der Aussagen trifft zuEE Nur A trifft zuEE Nur A und B treffen zuEE Nur B und C treffen zuEE Alle Aussagen treffen zu

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Frage 5:Welche Aussage ist falsch?

EE NMA treten in der Regel chronisch bzw. chronisch rezidivierend auf, während Nahrungsmittelintoxikationen meist zeitlich eng umschrieben auftreten

EE NMA manifestieren sich häufig am GI-Trakt, können aber auch Symptome am Respirationstrakt, an anderen Schleimhäuten und an der Haut hervorrufen

EE Vielfach führen NMA zu Schwellungen und Juckreiz im Bereich der Lippen und der Mund- und Rachenschleimhaut – dies wird „Orales Allergiesyndrom“ (OAS) genannt

EE NMA können sich aber auch im Magen (dyspepsieartige Symptome) oder im Dünn- oder Dickdarm (Bauchschmerzen, Diarrhöen etc.) manifestieren

EE Die auslösenden Nahrungsmittelproteine sind in der Regel wenig charakterisierte Moleküle und werden Nahrungsmittelallergene genannt

Frage 6:Welche Aussage ist falsch?

EE Sowohl rohe als auch gekochte Nahrungsmittel können Allergien auslösenEE Verdauungsstabile Proteine aus der Nahrung werden über den GI-Trakt in intakter

Form aufgenommen, wodurch es zu einer Sensibilisierung und zur Auslösung systemischer Symptome kommen kann

EE Verdauungslabile Proteine können ebenfalls ein Sensibilisierungspotenzial haben, wenn die gastrale Hydrolysierung gehemmt wird, z. B. durch Protonenpumpen-blocker

EE Chemische Zusatzstoffe (z. B. künstliche Aromen und Konservierungsstoffe) können allergische Reaktionen auslösen

EE Proteinhaltige Lebensmittelzusatzstoffe und Farbstoffe können allergische Reaktionen auslösen

Frage 7:Was trifft zu?A Eine Sensibilisierung für ein Nahrungsmittel kann bereits

durch die Muttermilch erfolgenB NMA sind oft mit Allergien gegen Inhalationsallergene assoziiertC Die am besten charakterisierte Überempfindlichkeitsreaktion

gegen Nahrungsmittel ist die IgG­vermittelte Immunreaktion

EE Keine der Aussagen trifft zuEE Nur A trifft zuEE Nur A und B treffen zuEE Nur B und C treffen zuEE Alle Aussagen treffen zu

Frage 8:Welche Aussage ist falsch?

EE Die Symptome einer IgE-vermittelten Reaktion treten meist innerhalb von Minuten bis 1–2 Stunden nach Aufnahme des allergenen Nahrungsmittels auf

EE Eine NMA kann sich durch zahlreiche verschiedene Symptome äußern, die vor allem Schleimhautorgane wie Mund und GI-Trakt, Nase, Augen und Respirations-trakt, Genitaltrakt und die Haut betreffen können

EE Die NMA ist einer der häufigsten Auslöser für einen anaphylaktischen Schock, welcher im schlimmsten Fall zum Tod führen kann

EE Eosinophilen Erkrankungen des GI-Trakts liegt in etwa 50% der Fälle eine NMA zugrunde und vielfach können sie durch Allergenkarenz erfolgreich behandelt werden

EE NMI sind immunologisch bedingte NMU, die durch Mastzellaktivierung ausgelöst werden

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Frage 9:Was trifft zu?A Der positive Vorhersagewert von Hauttests und spezifischem

IgE (früher auch „RAST“ genannt) ist bei allergischer Gastro­enteropathie gering

B Der negative Vorhersagewert von Hauttests und spezifischem IgE ist relativ hoch, d. h. ein negativer Test macht die Allergie eher unwahrscheinlich

C Die In­vivo­Provokation mit verdächtigen Allergenen am Schockorgan unter kontrollierten Bedingungen gilt als „goldener Standard“ zur Absicherung der Verdachtsdiagnose einer NMA, da diese mittels Labortests oft nicht eindeutig nachweisbar ist

EE Keine der Aussagen trifft zuEE Nur A trifft zuEE Nur A und B treffen zuEE Nur B und C treffen zuEE Alle Aussagen treffen zu

Frage 10:Welche Aussage ist richtig?

EE Bei der Ernährungsberatung ist auf die Vermeidung von Mangelernährung ebenso zu achten wie auf die Einstellung der erwarteten Symptomlinderung

EE Eine medikamentöse Therapie ist bei NMA nicht indiziertEE Jeder Patient mit NMA sollte mit einem „Notfallset“ an Medikamenten ausgestattet

werdenEE Cromoglycinsäure ist zur Behandlung von intestinalen NMA nicht geeignetEE Antihistaminika sind zur Behandlung von intestinalen NMA gut geeignet