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GASWÄRME International (58) Nr. 4/2009 1 F ACHBERICHTE ie globale Automobilindustrie stellt höchste Anforderungen. Jeder Au- tomobilhersteller erwartet von seinen internen und externen Zulieferern ter- mingetreu gelieferte Produkte mit hoher Qualität zu geringsten Kosten. Dies gilt im Besonderen auch für Zulieferer von wärmebehandelten Teilen. Ziel ist eine kontinuierliche Reduzierung der Kosten und Verbesserung der Qualität und letztendlich eine „Null Fehler Strategie“. Um diese Zielsetzung abzusichern, hat die Automobilindustrie eine Reihe von spezifischen Regeln und Vorschriften entwickelt. Für externe Wärmebehand- ler ist ein von der Automobilindustrie zugelassenes zertifiziertes QM-System, zusammen mit geeigneter Thermopro- zessanlagentechnik, Grundvorausset- zung für die Aufnahme in den Lieferan- tenstamm. Regelwerke der Automobilindustrie In der Vergangenheit führte die europäi- sche und amerikanische Automobilin- dustrie jeweils eigene Branchenstan- dards für Qualitätsmanagement-Syste- me ein. Die amerikanischen Automobilhersteller favorisieren die QS- 9000 [1], während die deutschen Auto- mobilhersteller mit der VDA 6.1 [2] ihre Norm geschaffen haben. Gemeinsamer Nenner der QS-9000 und der VDA 6.1 war, planenden und vorbeugenden Maßnahmen zur Fehlerverhütung und kontinuierlichen Verbesserungsprozes- sen ein höheres Gewicht zu geben. Doppelzertifizierungen ließen sich meist durch die Zertifizierung nach ISO/TS 16949 [3] umgehen. ISO/TS 16949:2002 Die ISO/TS 16949 [3] ist ein QM-Stan- dard der Automobilindustrie, der ge- meinsam von Mitgliedern der Internatio- nal Automotive Task Force, kurz IATF, (BMW Group, Daimler AG, Fiat Auto, Ford, General Motors, PSA, Renault, Volkswagen AG) entwickelt wurde und weltweit einheitliche Maßstäbe für ein Qualitätsmanagement-System in der Automobilindustrie setzen soll. Die Zertifizierung nach ISO/TS 16949:2002 wird von den Mitgliedsfir- men der IATF mindestens vom direkten Lieferanten (Tier-1), gefordert. Ohne Zertifizierung nach ISO/TS 16949:2002 ist meist keine Belieferung der vorge- nannten Automobilhersteller möglich. Die ISO/TS 16949:2002 basiert auf der ISO 9001:2000 [4]. Sie sollte die beste- henden nationalen Regelwerke VDA 6.1 und QS-9000 ablösen und ab 2004, nach Ablauf der Übergangsfrist, welt- weit die Basis für die Zertifizierung von QM-Systemen in der Automobilzuliefer- industrie werden. Das Qualitätsmanage- mentsystem eines Serienteillieferanten nach ISO/TS 16949 wird heute von Au- tomobilherstellern und Direktzulieferern auf der ganzen Welt als anforderungs- konform anerkannt. Allerdings gibt es auch zur ISO TS 16949 bereits wieder kundenspezifische Anforderungen. Thermoprozessanlagen für Automobilzulieferer Anforderungen an eine CQI-9 konforme Automatisierungstechnik engl Titel engl Untertitel Von Hartmut Steck-Winter und Günther Unger Die HTSA CQI-9 dient in diesem Beitrag als Leitfaden welche besonderen Anfor- derungen von der Automobilindustrie an die Wärmebehandlung gestellt wer- den. Ziel der Automobilindustrie ist eine kontinuierliche Reduzierung der Kosten und Verbesserung der Qualität und letztendlich eine „Null Fehler Strategie“. Es bleibt jedoch dem Lieferanten überlassen, die Anforderungen entweder durch organisatorische Maßnahmen oder aber durch spezielle Ausführungen der ein- gesetzten Thermoprozessanlagen umzusetzen. Wie die Umsetzung der Anfor- derungen und Standards der Automobilindustrie in die Produktentwicklung und Modernisierung von Durchlauf-Thermoprozessanlagen, insbesondere deren Automatisierungstechnik, erfolgen kann, ist das Hauptthema dieses Beitrags. In this essay, the HTSA CQI-9 will be the guideline for the discussion of a num- ber of special industrial thermoprocessing equipment requirements in the car industry. The goal of the auto industry is ultimately a system that provides for continual improvement, emphasizing defect prevention (zero defects), and reduction of variation at lowest costs. However, it is left to the various suppliers how to reach this goal. The main topic in this article is the discussion of contin- uous industrial thermoprocessing plant automation systems that enables orga- nizations supplying heat treated automotive parts to complete their specific demands. D

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GASWÄRME International (58) Nr. 4/2009 1

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ie globale Automobilindustrie stellthöchste Anforderungen. Jeder Au-

tomobilhersteller erwartet von seineninternen und externen Zulieferern ter-mingetreu gelieferte Produkte mit hoherQualität zu geringsten Kosten. Dies giltim Besonderen auch für Zulieferer vonwärmebehandelten Teilen. Ziel ist einekontinuierliche Reduzierung der Kostenund Verbesserung der Qualität undletztendlich eine „Null Fehler Strategie“.Um diese Zielsetzung abzusichern, hatdie Automobilindustrie eine Reihe vonspezifischen Regeln und Vorschriftenentwickelt. Für externe Wärmebehand-ler ist ein von der Automobilindustriezugelassenes zertifiziertes QM-System,zusammen mit geeigneter Thermopro-

zessanlagentechnik, Grundvorausset-zung für die Aufnahme in den Lieferan-tenstamm.

Regelwerke der Automobilindustrie In der Vergangenheit führte die europäi-sche und amerikanische Automobilin-dustrie jeweils eigene Branchenstan-dards für Qualitätsmanagement-Syste-me ein. Die amerikanischenAutomobilhersteller favorisieren die QS-9000 [1], während die deutschen Auto-mobilhersteller mit der VDA 6.1 [2] ihreNorm geschaffen haben. GemeinsamerNenner der QS-9000 und der VDA 6.1war, planenden und vorbeugenden

Maßnahmen zur Fehlerverhütung undkontinuierlichen Verbesserungsprozes-sen ein höheres Gewicht zu geben.Doppelzertifizierungen ließen sich meistdurch die Zertifizierung nach ISO/TS16949 [3] umgehen.

ISO/TS 16949:2002Die ISO/TS 16949 [3] ist ein QM-Stan-dard der Automobilindustrie, der ge-meinsam von Mitgliedern der Internatio-nal Automotive Task Force, kurz IATF,(BMW Group, Daimler AG, Fiat Auto,Ford, General Motors, PSA, Renault,Volkswagen AG) entwickelt wurde undweltweit einheitliche Maßstäbe für einQualitätsmanagement-System in derAutomobilindustrie setzen soll.

Die Zertifizierung nach ISO/TS16949:2002 wird von den Mitgliedsfir-men der IATF mindestens vom direktenLieferanten (Tier-1), gefordert. OhneZertifizierung nach ISO/TS 16949:2002ist meist keine Belieferung der vorge-nannten Automobilhersteller möglich.

Die ISO/TS 16949:2002 basiert auf derISO 9001:2000 [4]. Sie sollte die beste-henden nationalen Regelwerke VDA 6.1und QS-9000 ablösen und ab 2004,nach Ablauf der Übergangsfrist, welt-weit die Basis für die Zertifizierung vonQM-Systemen in der Automobilzuliefer-industrie werden. Das Qualitätsmanage-mentsystem eines Serienteillieferantennach ISO/TS 16949 wird heute von Au-tomobilherstellern und Direktzulieferernauf der ganzen Welt als anforderungs-konform anerkannt. Allerdings gibt esauch zur ISO TS 16949 bereits wiederkundenspezifische Anforderungen.

Thermoprozessanlagen für AutomobilzuliefererAnforderungen an eine CQI-9 konforme Automatisierungstechnik

engl Titel

engl Untertitel

Von Hartmut Steck-Winter und Günther Unger

Die HTSA CQI-9 dient in diesem Beitrag als Leitfaden welche besonderen Anfor-derungen von der Automobilindustrie an die Wärmebehandlung gestellt wer-den. Ziel der Automobilindustrie ist eine kontinuierliche Reduzierung der Kostenund Verbesserung der Qualität und letztendlich eine „Null Fehler Strategie“. Esbleibt jedoch dem Lieferanten überlassen, die Anforderungen entweder durchorganisatorische Maßnahmen oder aber durch spezielle Ausführungen der ein-gesetzten Thermoprozessanlagen umzusetzen. Wie die Umsetzung der Anfor-derungen und Standards der Automobilindustrie in die Produktentwicklung undModernisierung von Durchlauf-Thermoprozessanlagen, insbesondere deren Automatisierungstechnik, erfolgen kann, ist das Hauptthema dieses Beitrags.

In this essay, the HTSA CQI-9 will be the guideline for the discussion of a num-ber of special industrial thermoprocessing equipment requirements in the car industry. The goal of the auto industry is ultimately a system that provides forcontinual improvement, emphasizing defect prevention (zero defects), and reduction of variation at lowest costs. However, it is left to the various suppliershow to reach this goal. The main topic in this article is the discussion of contin-uous industrial thermoprocessing plant automation systems that enables orga-nizations supplying heat treated automotive parts to complete their specific demands.

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Das wichtigste Ziel der ISO/TS16949:2002 ist die Entwicklung einesQualitätsmanagementsystems, das eineständige Verbesserung vorsieht. Beson-ders hervorgehoben werden Fehlerver-meidung und Kundenorientierung.

HTSA CQI-9 Bewertung vonWärmebehandlungssystemenDer „Heat Treatment Assessment Stan-dard“ (HTSA) mit der Bezeichnung CQI-9[5] wurde von der Automotive IndustryAction Group (AIAG) im März 2006 he-rausgegeben. Eine überarbeitete 2. Aus-gabe mit dem Titel „Special Process:Heat Treat System Assessment“ folgte in2007. Die AIAG ist ein Interessenver-band, vorrangig aber nicht ausschließlichder nordamerikanischen Automobilin-dustrie. Mitglieder der AIAG sind OEM’swie Caterpillar, Chrysler, Daimler, Ford,GM, Honda, Nissan, Toyota aber auchviele weltweit bekannte Zulieferanten.

Die Mitglieder der AIAG verstehen dieCQI-9 als Begleitdokument zur ISO/TS16949:2002. Die CQI-9 ist ausschließlichauf die Wärmebehandlung fokussiert.Während bei den vorgenannten „allge-mein gültigen Regelwerken“ zu bewer-ten ist, ob und wenn ja wie eine speziel-

le Forderung auch auf die Wärmebe-handlung anzuwenden ist, ist die CQI-9spezifisch und meist explizit. Diese An-forderungen der CQI-9 können daher alsgute Ausgangsbasis und als Leitfaden fürdie Anforderungen der Automobilindus-trie zur Bewertung von Thermoprozess-anlagen verwendet werden.

Anforderungen der Automobilindustrie an ThermoprozessanlagenIn der Regel wird in den Vorschriften derAutomobilindustrie, wie beispielsweisein der CQI-9, nicht vorgeschrieben, wieeine Anforderung umgesetzt werdenmuss. Es bleibt dem Betreiber der Ther-moprozessanlage überlassen, die Anfor-derungen entweder durch organisatori-sche Maßnahmen oder aber durch spe-zielle Ausführungen der Steuerung bzw.Informatik der eingesetzten Thermopro-zessanlagen umzusetzen. Generell giltjedoch, dass Thermoprozessanlagen undSchutzgaserzeuger über geeignete com-putergestützte Überwachungssysteme(z. B. SPS) mit Alarmfunktionen undAlarmprotokollen verfügen müssen. Die-se Systeme sind dann auch für denNachweis der Konformität geeignet [5].

ProzesskontrollplanGrundlage und unabdingbare Vorausset-zung einer „Null Fehler Strategie“ ist,dass die Wärmebehandlung als jederzeitkontrollierbarer, wenn auch spezieller,Herstellungsprozess erkannt wird [5]. Diehierfür erforderliche Prozesskontrollewird als pro-aktive, prozess-orientierteÜberwachung aller technischen und an-wendungsspezifischen Funktionen ver-standen, die benötigt werden, um dieWärmebehandlung zuverlässig und rei-bungslos durchführen zu können. Zielder Prozesskontrolle ist zum einen, Pro-blemsituationen so früh wie möglich zuerkennen bzw. zu lösen, bevor sie kri-tisch für den Wärmebehandlungsprozesswerden und zum anderen die Sicherstel-lung, dass der tatsächliche Prozessablaufplangemäß erfolgt.

Eine Thermoprozessanlage ist ein kom-plexes Gebilde. Einflussgrößen, die aufdie Anlage (bzw. den Prozess) wirken,machen sich mehr oder weniger be-merkbar. Nur wenn der Prozess inner-halb der in der Spezifikation1 festgeleg-ten Grenzen bleibt, wird die Produktqua-lität den Anforderungen genügen.Bewusste oder zufällige Änderungen derverschiedenen Einflussgrößen könnendie Prozessqualität negativ beeinflussen.Der Prozesskontrollplan soll daher sicher-stellen, dass die Teilequalität des tatsäch-lichen Herstellungsprozesses den Anfor-derungen entspricht. Dies erfordert so-wohl organisatorische Vorgaben als auchtechnische Maßnahmen.

Für jedes Teil bzw. für jede Teilefamiliemuss ein Prozesskontrollplan erstelltwerden [5]. In der Praxis besteht der Pro-zesskontrollplan zum einen aus funkti-onsspezifischen Dateien und zum ande-ren aus Organisations- oder Arbeitsan-weisungen. Dateien und Organisations-anweisungen werden im Prozesskon-trollplan miteinander verknüpft. Beispie-le für funktionsspezifische Dateien sinddie nachfolgend beschriebene Teiledateiund die Rezeptdateien.

Der Prozesskontrollplan enthält nebenden typischerweise automatisch aus derTeiledatei vorgebbaren Sollwerten auchdie Produktmerkmale, die manuell über-prüft und statistisch überwacht werdensollen. Der Prozesskontrollplan muss

Bild 1: Teiledatei einer Bandofenanlage zum Vergüten

Fig. 1: Parts data base of a belt furnace

1 Das Term Spezifikation beschreibt in diesemZusammenhang alle technischen Anforderun-gen und sonstige Anforderungen an ein Bauteildie vom Hersteller und/oder Kunden festgelegtwurden.

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auch die Prüffrequenz und die Proben-größe der zu prüfenden Produktmerk-male enthalten. Zumindest bei Durch-lauf- und verketteten Chargen-Anlagenbeutet dies, dass auch noch zusätzlicheine Verknüpfung der Proben mit derChargenverfolgung zweckmäßig ist.

TeiledateiBild 1 zeigt die Teiledatei einer Band-ofen-Vergüteanlage. Für jedes Teil wer-den die Wärmebehandlungssollwertespezifiziert. Behandlungsparameter fürTeilefamilien, z. B. die Sollwerte im Ver-güte- oder Anlassofen sind in Rezeptenzusammengefasst. Teilespezifische Soll-werte, wie z. B. die Schwingintensitätder Vibrationsförderer werden individuellvorgegeben.

Rezeptverwaltung und automati-scher RezeptwechselIn der CQI-9 wird ausdrücklich auf denEinsatz von Rezepten hingewiesen [5].Der Begriff Rezeptur wird verwendet,wenn ein Computersystem, z. B. eineSPS, die Prozessparameter nach einemSchlüsselbegriff, z. B. einer Teilenummer,vorgibt. Gleiche Teile bzw. Teilefamiliensollen reproduzierbar mit den immergleichen Sollwerten wärmebehandeltwerden. Sollwerte sind beispielsweisedie Prozesstemperaturen, Durchlaufzei-ten, C-Pegel oder aber die Umwälzmen-ge im Härtebad. Die Einhaltung der Soll-werte muss innerhalb der Betriebstole-ranzen überwacht werden [5].

Der automatische Rezeptwechsel hatsich seit langem bewährt. Umstellungender Prozessparameter werden hierbeivon der Steuerung in Abhängigkeit vonder Beladung bzw. der elektronischenChargenverfolgung automatisch vorge-nommen und wenn erforderlich, werdendie notwendigen Leerchargen bzw.Trennlücken errechnet. Manuelle Ein-stellfehler werden so sicher verhindert.Moderne Automatisierungssysteme las-sen gleichzeitig mehrere Rezeptwechselinnerhalb einer Durchlaufofenanlage zu.In der Anfangszeit der Prozessautomati-sierung war für automatische Rezept-wechsel noch ein Prozessrechner erfor-derlich [6]. Heute übernimmt diese Auf-gabe die mittlerweile wesentlichleistungsfähigere SPS.

Während eines Rezeptwechsels auftre-tende Störungsmeldungen werden inAbhängigkeit von der elektronischenChargenverfolgung nur den durch die

Störung beeinflussten Chargen zugeord-net.

Änderungen der Sollwerte müssenselbstverständlich ebenfalls dokumen-tiert werden. Die Rezeptverwaltung soll-te daher außerdem eine Versionskontrol-le und einen Verwendungsnachweis dergewählten Rezepte beinhalten.

Nachweis der Prozessfähigkeit Die statistische Prozessfähigkeit (SPC)gibt die Antwort auf die Frage „wie gutwird der Prozess beherrscht?“ Die we-sentliche Unterscheidung zur traditionel-len Qualitätssicherungsmethode dieQualitätsmängel am fertigen Produkt er-kennt liegt darin, dass mit Hilfe statisti-scher Methoden Qualitätsmängel schonin der Entstehung verhindert werden sol-len (Null Fehler Ziel). Die Anwendungstatistischer Methoden gehört damitebenfalls zu den zentralen Anforderun-gen der Automobilindustrie an Serienlie-feranten [3].

Der Nachweis der Prozessfähigkeit mussüber einen längeren Zeitraum erfolgen.Aus einem laufenden Prozess werden infestgelegten Abständen Stichprobenentnommen und Qualitätsmerkmale ge-messen. Das Ergebnis der Stichprobenwird auf die Grundgesamtheit hochge-rechnet. Es ist bekannt, dass Verteilun-gen in der industriellen Fertigung häufighinreichend genau einer Normalvertei-lung, die auch als Gaußsche Glockenkur-ve bekannt ist, gehorchen. Dies gilt dannfür die Grundgesamtheit und die ent-nommene Stichprobe.

Die Prozessfähigkeit ist dabei an wichti-ge Produktmerkmale, wie z. B. die Zug-festigkeit eines Befestigungselements,geknüpft. Der Prozessfähigkeitsindexgibt an wie (statistisch) sicher ein spezifi-ziertes Produktmerkmal erreicht wird. Jehöher der Prozessfähigkeitsindex, umsosicherer befindet sich die gesamte Pro-duktion innerhalb der Spezifikation.Während der Prozessfähigkeitsindex Cpnur die geschätzte Streuung beinhaltet,berücksichtigt der Kennwert Cpk auchdie relative Lage des Mittelwerts zu denToleranzgrenzen. Die Automobilindustriestrebt häufig eine Streubreite (Cp-Wert)von ±6 Standardabweichungen, oft „SixSigma (6�)“ genannt, zusammen mit ei-nem Abstand zur nächstgelegenen Tole-ranzgrenze vom Prozessmittelwert von1,5 (Cpk- Wert), an. Bei einem Six SigmaLevel beträgt die Wahrscheinlichkeit dassein Fehler auftritt nur noch bei 3,4 Feh-lern pro Million Fehlermöglichkeiten,

d. h. die Wahrscheinlichkeit dass der Pro-zess fehlerfrei ist beträgt 99,9999981 %.

In für die Wärmebehandlung typischenProduktmerkmale zur Messung der Pro-zessfähigkeit, wie z. B. die Zugfestigkeit,gehen viele Einflüsse ein. Dazu gehörendas Material, die Teilegeometrie, die ver-wendeten Medien (z. B. Härteöl), dieChargierung und die „Maschinenfähig-keit“ der Thermoprozessanlage. Ergeb-nisse an einem wärmebehandelten Bau-teil sind stets auch durch das Bauteilselbst beeinflusst und nach Abschlussder Wärmebehandlung nur sehr schwervon der durchgeführten Wärmebehand-lung zu trennen [7]. Der Hersteller einerWärmebehandlungsanlage hat auf dieProzessfähigkeit bestenfalls über die Ma-schinenfähigkeit der Thermoprozessan-lage Einfluss.

Maschinenfähigkeit von Thermo-prozessanlagenDie Maschinenfähigkeit ist eine wichtigeEinflussgröße auf die Prozessfähigkeit.Üblicherweise, z. B. bei Werkzeugma-schinen, beschreibt die Maschinenfähig-keit die Qualitätsfähigkeit einer Maschi-ne unter Idealbedingungen. Zur Maschi-nenfähigkeitsuntersuchung wird ge-wöhnlich eine Stichprobe von mindes-tens 50 Stück aus der laufenden Produk-tion entnommen. Die Maschinenfähig-keit stellt also eine Kurzzeitfähigkeitunter Idealbedingungen dar. Oft wird dieMaschinenfähigkeit für die Abnahmevon Neumaschinen oder nach Überho-lungsarbeiten ermittelt.

Durch den Nachweis der Maschinenfä-higkeit, die analog zur Prozessfähigkeitmit Cm und Cmk bezeichnet wird, wirdsichergestellt, dass die verwendeten Ma-schinen in der Lage sind, die Prozesse mitder geforderten Genauigkeit, Wieder-holbarkeit und Vergleichbarkeit durchzu-führen.

Bei Thermoprozessanlagen ist diese Vor-gehensweise nicht umsetzbar, weil z. B.die Produktionsteile in Chargen zusam-mengefasst werden, oder die Durchlauf-zeit für den Thermoprozess zu lang ist.

Sommer et al. [8] empfehlen daher ausguten Gründen, zwischen der Prozessfä-higkeit einer Wärmebehandlungsanlageund der Prozessfähigkeit an Bauteilen zuunterscheiden. Es ist daher sinnvoll, rele-vante anlagenspezifische Prozesskenn-größen zu definieren und hierfür objek-tiv messbare Toleranzgrenzen festzule-gen. Diese Anlagenfähigkeit würde sich

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zwar als Abnahme- und Bewertungskri-terium der Anlage und der Prozessfüh-rung eignen, sie garantiert aber kein Fä-higkeitskriterium für das Ergebnis anBauteilen bzw. an Chargen.

Ein in der Praxis bewährtes Abnahmekri-terium von Thermoprozessanlagen istdie Temperaturgleichmäßigkeit nach DIN17052-1 [9]. Hierbei wird vorausgesetzt,dass wenn die Temperaturbandbreite imleeren Ofen innerhalb festgelegter Gren-zen (als Güteklassen A, B oder C be-zeichnet) liegt, auch das Ergebnis amProdukt keine unzulässige Schwan-kungsbreite aufweisen wird. Nicht zu-letzt aus diesem Grund ist in der CQI-9eine jährliche Überprüfung der Tempera-turgleichmäßigkeit vorgeschrieben [5].Die Temperaturgleichmäßigkeit kannaber nicht kontinuierlich überwacht wer-den. Sie eignet sich daher ebenfalls nichtzur Überwachung der Maschinenfähig-keit.

Parameter aus denen mit SPC-Methodenonline Maschinenfähigkeitskennzahlenabgeleitet werden können, sind mögli-cherweise die Beladung (Gewicht je Ein-waage), die Durchlaufzeit (Zeit im Ofen),die Temperaturregelung, der C-Pegel,der Ofendruck, die Begasungsmengen,die Härtemediumumwälzung, die Ver-weildauer im Härtemedium, etc [10, 11],zumal allen vorstehenden Parameternohnehin Betriebstoleranzen zugewiesen

werden müssen [5]. Welcher der vorge-nannten Parameter als Indikator der Ma-schinenfähigkeit am besten geeignet ist,hängt allerdings sowohl vom Produktwie auch vom Prozess ab [11]. Alles in al-lem besteht zum Thema Maschinenfä-higkeit von Thermoprozessanlagen nochForschungs- und Normierungsbedarf.

Fehler bzw. Störungen Die Fragen nach den potenziellen Fehler-ursachen und den potenziellen Stö-rungsfolgen sind die Kernfragen auf derSuche nach einer umfassenden „NullFehler Strategie“. Die Antworten aufdiese Fragestellung ermöglichen danneine Analyse der Störungsfolgen, damitentschieden werden kann, für welchepotenzielle Störungen präventive Vorsor-ge, konstruktiv oder planerisch, getrof-

fen werden muss, damit kein Fehler amProdukt entsteht.

Fehler haben ihren Ursprung in Abwei-chungen vom Sollverhalten. Diese Ab-weichungen entstehen meist durch äu-ßere Einwirkungen oder durch Ver-schleiß. Mit der Zeit nimmt dann auchdas Ausmaß eines Fehlers zu [12].

Fehlerhafte Produkte müssen ausge-schleust werden [3]! Anders lässt sich dievon der Automobilindustrie vorgegebe-ne „Null Fehler Strategie“ kaum realisie-ren. Da dies z. B. im abgeschlossenenOfen nicht sofort erfolgen kann, müssenbetroffene Chargen in der elektroni-schen Chargenverfolgung markiert undan einer geeigneten Stelle ausgeschleustwerden. Alarmbearbeitung und elektro-nische Chargenverfolgung müssen hier-zu in sinnvoller Weise verknüpft werden.Störungsmeldungen sollten daher nebenPrioritäten auch einem Störungsort zu-geordnet werden können [12].

Bild 2 zeigt das Störungsarchiv einesmodernen Prozessleitsystems. Jede Stör-meldung beinhaltet Datum, Uhrzeit, dieAnlage, den Störungsort in der Anlage,die Priorität und den Meldetext.

Störung ist nicht gleich Störung! Aus-maß und Auswirkung können unter-schiedlich sein. Störmeldungen solltendaher kommentierbar sein, damit dieAuswirkungen später nachvollzogenwerden können.

Störungsmeldungen müssen regelmäßigüberprüft und die Prüfung dokumentiertwerden [5]. Für sehr wichtige Störungs-meldungen (z. B. Übertemperatur, Unter-temperatur, Not-Stopp) sollte möglichsteine Selbstüberprüfung vorgesehen sein.

Prozess Monitoring InstruktionenAus wirtschaftlichen oder technischenGründen können meist nicht alle poten-ziellen Fehlerursachen automatisch er-kannt und gemeldet werden. Diese po-

Bild 2: Störungsmeldung

Fig. 2: Error message system

Bild 3: Zeitanteile zur Beseitigung einer Störung

Fig. 3: Time units required for elimination of a fault

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tenziellen Fehlerursachen ohne überwa-chende Sensorik müssen vom Bedienerentsprechend der Prozess Monitoring In-struktionen überprüft und dokumentiertwerden.

Der Bediener beobachtet den Prozessentsprechend seiner Erfahrung. Dabeikann er den Prozess nur sehr einge-schränkt visuell beobachten. Je mehrheutige Wärmebehandlungsanlagen au-tomatisiert sind, desto weniger kann erunmittelbar beobachten, riechen oderhören. Letztlich sind daher nur durchMessungen Rückschlüsse auf Abwei-chungen im Prozess zu ziehen.

Typische Messungen, die zur Vermei-dung potenzieller Fehlerursachen not-wendig sind, sind z. B. die Folienprobefür den C-Pegelabgleich oder Tempera-turvergleichsmessungen mit einem ge-prüften Thermoelement und anschlie-ßender Eingabe eines Offsets, wie im Ka-pitel Instandhaltung beschrieben.

Unterstützung durch FehlerdiagnosesystemeIst die Anlage mit einem Fehlerdiagnose-system ausgerüstet, kann sich die Dauerder Störung verkürzen, weil die Fehlersu-che entfällt oder zumindest verkürztwerden kann [12].

Die Zeitanteile zur Beseitigung einer Stö-rung sind in Bild 3 dargestellt. Es wirddeutlich, dass die benötigte Zeit zur Be-seitigung einer Störung zu einem we-sentlichen Teil aus der Diagnosezeit be-steht.

Zur Information über den Diagnosesta-tus einzelner Anlagenbereiche oderKomponenten kann der Instandhalter,ausgehend vom Übersichtsbild, jeweils indas Diagnosebild der unterlagerte Hard-wareebene wechseln. Wird im Über-sichtsbild eine Störung signalisiert, ge-langt er schnell zum Diagnose-Bausteinder betroffenen Komponente.

Es ist wichtig, Störungsursachen mög-lichst rasch zu diagnostizieren und zu be-seitigen, weil mit der Störungsdauer oftauch die Auswirkung auf den Prozessund das Wärmebehandlungsprodukt zu-nimmt [12].

StörungsstatistikenVoraussetzung für eine erfolgreiche NullFehler Strategie ist die Vermeidung vonsystematischen Fehlern bzw. Schwach-stellen. Fehler dürfen nicht als etwasNormales, Unvermeidliches angesehen

werden. Systematische Fehler müssendauerhaft abgestellt werden. StatistischeAuswertungen können hierbei sehr hilf-reich sein.

Störungsstatistiken enthalten Informa-tionen über Art, Dauer, Häufigkeit undUrsache von Störungen. Störungsstatisti-ken sind ein gutes Werkzeug zur Erken-nung von Schwachstellen. Störungssta-tistiken können auch genutzt werden,um den Informationsumfang von Be-triebsmitteln oder Komponenten zu er-höhen. So können der Umfang und derZeitpunkt von Instandhaltungsmaßnah-men beispielsweise auch an der Stö-rungshäufigkeit oder an der Störungs-dauer orientiert werden [13].

Bild 4 zeigt eine Störungsstatistik. Stö-rungen können sowohl nach Häufigkeitwie auch nach Dauer ausgewertet wer-den.

Die Ursachen chronischer Fehler könnenmit Hilfe der Statistik lokalisiert und inFolge nachhaltig behoben werden. War-tungs- und Reparaturzeiten werden da-durch minimiert, was dann auch zu einerhöheren Auslastung und besseren Ver-fügbarkeit führt.

VermischungsfreiheitDie unkontrollierte Vermischung vonfehlerhaften Produkten oder unter-schiedlichen Losen muss unter allen Um-ständen vermieden werden [1, 3].

Die Chargenverfolgung, insbesonderedie Verfolgung von Chargenanfang undChargenende, erfolgt heute rein elektro-

nisch über die SPS. Die elektronischeChargenverfolgung arbeitet sehr präzise,so dass bei einem Chargenwechsel dieTrennlücke kurz gehalten werden kannund somit Umstellzeiten stark reduziertwerden konnten [13].

Kontinuierliche Wärmebehandlungsan-lagen, insbesondere Bandöfen zum Ver-güten von Befestigungsteilen, enthaltenaber Bereiche, die bauartbedingt ein Risi-ko der Teilevermischung bergen. Beispie-le hierfür sind nicht zwangsgeführte Teiletransporteinrichtungen, speziell Vi-brationsförderer oder Materialbunker.

Die Überwachung solcher Bereiche beieinem Produktwechsel ist zwingend vor-geschrieben [5]. Quittiertaster am Auf-gabebunker und an allen Übergängensind eine optionale Maßnahme, die ei-nen automatisierten Produktwechsel zu-sätzlich absichern. Die Freigabe der Quit-tiertaster erfolgt in Abhängigkeit von derelektronischen Chargenverfolgung. D. h.erst nachdem die Trennlücke an einemvermischungsgefährdenden Übergangangekommen ist, kann eine Quittierungerfolgen. Bei Vibrationsförderern wirdzusätzlich auf erhöhte Förderleistung zurSortentrennung geschaltet.

Rückverfolgbarkeit von ProduktenWärmebehandelte Teile für die Automo-bilindustrie sind meist dokumentations-pflichtig. Die Dokumentationspflicht giltbeispielsweise für alle Teile die einenmaßgeblichen Einfluss auf die Fahrzeug-sicherheit oder auf die Einhaltung ge-

Bild 4: Störungsstatistik

Fig. 4: Error statistics

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setzlicher Vorgaben haben. Diese Teilemüssen Rückverfolgbar2 sein.

Die Kennzeichnung und Rückverfolgbar-keit von Produkten ist eine zentrale For-derung der Automobilindustrie [3]!Durch ein geeignetes System muss si-chergestellt werden, dass im Bedarfsfalldie Qualitätsdokumentation den Teilenzugeordnet werden kann. Die Nachweis-führung muss so beschaffen sein, dassim Schadensfall die geübte Sorgfaltnachgewiesen werden kann (Entlas-tungsnachweis).

Die Wärmebehandlung muss dazu inrückverfolgbaren Losen erfolgen. Für jedes Los muss ein Nachweis geführtwerden, der mit allen relevanten Infor-mationen verknüpft wird. Die Rückver-folgbarkeit ist dabei so zu gestalten, dasseine eindeutige Zuordnung zu den Ferti-gungs- und Prüflosen gewährleistet ist[5]. Dieser Forderung kommt der Wär-mebehandlungsnachweis (WBN), wie inBild 5 dargestellt, nach. Der WBN ist ein

zusammenfassendes Dokument, in demsowohl die Auftragsdaten (Auftrags-nummer, Teilenummer, …), der Wärme-behandlungszeitraum (Beginn, Ende und

Dauer in den einzelnen Behandlungszo-nen), sowie die Sollwerte und Istwertedargestellt werden. Sofern qualitätsrele-vante Störungen aufgetreten sind, wer-den diese ebenfalls im WBN aufgeführt.

Aufzeichnungspflichtige Merkmale wer-den von der Automobilindustrie vor-ge-schrieben, z. B. im VDA Band 1 „Nach-weisführung“ [2]. Bei Thermoprozessan-lagen sind diese prozessabsicherndenAufzeichnungen meist die Parameter derOfenatmosphäre, also Temperaturen, C-Pegel und Verweilzeiten [5], aber auchTaktzeiten und Einwaagen.

Die Nachweisführung schließt eine Lang-zeitarchivierung der Wärmebehand-lungsnachweise mit ein. In der Regelwerden Aufbewahrungsfristen explizitvereinbart. Wärmebehandlungsnachwei-se müssen dann häufig 15 Jahre aufbe-wahrt werden.

TrendanzeigenEs ist natürlich und unausweichlich, dassein Produktionsprozess nicht immergleich abläuft, sondern innerhalb der To-leranzgrenzen variiert. KontinuierlicheIstwertaufzeichnungen sind daher zwin-gend erforderlich [5, 3].

Fortlaufende Trendanzeigen wichtigerProzessparameter, wie beispielsweise derin Bild 6 dargestellte Temperatur- oderC-Pegelverlauf in einer Mehrzweckkam-

Bild 5:Wärmebehandlungs-nachweis

Fig. 5: Heat treatment proofprotocol

Bild 6:Trendanzeige (Schreiber)

Fig. 6: Variables recording

2 Rückverfolgbarkeit (englisch: Traceability) be-deutet, dass zu einem Produkt jederzeit festge-stellt werden kann, wann, wo und durch wendie Ware gewonnen, hergestellt, verarbeitet,gelagert, transportiert, verbraucht oder entsorgtwurde.

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merofenanlage, können wichtige Infor-mationen liefern [5]. Die regelmäßigePrüfung der Datenaufzeichnung mussdokumentiert werden, wobei diese inder CQI-9 [5] explizit aufgeführte Forde-rung ausdrücklich auch für Computerda-ten gilt.

Ziel der Trendanzeigen ist es, die wichti-gen Kenngrößen eines Prozesses zu ver-folgen, damit Abweichungen so recht-zeitig wie möglich erkannt werden undso bereits vor der Entstehung fehlerhaf-ter Produkte geeignete Korrekturmaß-nahmen ergriffen werden können.

Die Trendanzeige ermöglicht dann auchdie Berechnung abgeleiteter Prozessfä-higkeitskennwerte (z. B. die „Prozessfä-higkeit“ der Temperaturregelung), undim Weiteren die statistische Prozessrege-lung (SPC) wichtiger Prozessparameter.Die Wirkung einer Prozessveränderungwird dabei erkennbar, bevor sich dieseam Produkt auswirkt. Die SPC kann si-cherstellen, dass die natürliche Varianzinnerhalb des Produktionsprozesses kei-ne Prozessveränderung verdeckt, die einfehlerhaftes Produkt zur Folge habenkann [11].

Maschinendaten-Erfassung (Ma-chine Data Acquisition MDA)Die Maschinendaten-Erfassung dient derLeistungsüberwachung. Maschinenda-ten geben Auskunft über den Einsatzund die Effektivität einer Anlage. Die ein-fachste Art der Maschinendaten-Erfas-sung sind Betriebsstunden- und Betriebs-zyklenzähler, z. B. die Betriebszeit der Be-heizung oder der Taktzyklen [12].

In automatisierten Thermoprozessanla-gen werden darüber hinaus auch Auf-tragsdaten übertragen und verarbeitet.Die Auftragsdaten können vom vorgela-gerten ERP- oder PPS-System übernom-men und Fortschrittsmeldungen an die-ses zurückgegeben werden. Damit erhal-ten die Betreiber aussagekräftigeProduktionskennzahlen wie Auslastung,Durchsatzleistung, Umstellzeiten, Ver-fügbarkeit und Gesamteffizienz. Anhanddieser Informationen lassen sich organi-satorische und technische Schwachstel-len, wie etwa Engpässe im Materialfluss,schneller diagnostizieren.

Bisher werden Maschinendaten nur vonsehr wenigen Unternehmen im Kontextder Instandhaltung weiter verarbeitet.Ohne Bezug auf die Maschinendaten,insbesondere Betriebsstunden oder Be-triebszyklen, ist eine vorbeugende peri-

odische Instandhaltung jedoch schlichtunsinnig [12].

Vorbeugende Instandhaltung Zur Sicherstellung der Lieferfähigkeitwird von der Automobilindustrie grund-sätzlich ein System der vorbeugenden In-standhaltung von Fertigungseinrichtun-gen vorgeschrieben [5]. Streng genom-men muss die Instandhaltungsstrategiefür jedes einzelne Betriebsmittel bzw. fürjede einzelne Funktionsgruppe, zumin-dest aber von allen Prozess relevantenBetriebsmitteln überlegt werden. DiesesSystem, Programm oder die organisatori-sche Vorgehensweise soll systematischund nachvollziehbar sein. Der Instand-haltungsplan soll die Wartungsintervalleund die Wartungsumfänge enthalten.Dabei sind in der Vergangenheit aufge-tretene Störungen und Schäden zu be-rücksichtigen [5].

Funktionsbezogener, instandhal-tungsgerechter AufbauNicht jede Funktionsgruppe hat den glei-chen betriebsbedingten Verschleiß wiedie anderen Gruppen. Ein funktionsbe-zogener modularer Aufbau liegt daherauf der Hand. Dies gilt sowohl für dieMechanik als auch für die Automatisie-rungstechnik. Beispielsweise ermöglichtdie Modulbauweise, die Betriebsmittelder Automatisierungstechnik im Schalt-schrank nach Funktionen zu strukturie-ren. Bei einer vorbeugenden Instandhal-tung können die Betriebsmittel dieserFunktionsgruppe einfach lokalisiert undausgewechselt werden [12].

Überwachung und Kalibrierungvon ThermoelementenBesonderes Augenmerk muss auf dievorbeugende Instandhaltung von Senso-ren, z. B. Thermoelemente und C-Pegel-sonden gelegt werden [9].

Der Zustand, die Kalibrierung und dieFunktionstüchtigkeit von Thermoele-menten müssen regelmäßig überprüftwerden [5]. Sollte bei einer Temperatur-Messung nicht automatisch eine Ver-gleichsmessung (zur Verifizierung derMessung) durchgeführt werden, musseine Vergleichsmessung manuell durch-geführt und dokumentiert werden. Beider Vergleichsmessung eingebauterMessmittel wird die Differenz zwischendem geprüften Instrument und einemKalibrierinstrument ermittelt [8]. Wichtigist, dass die beobachtete Differenz inner-

halb der vorgeschriebenen Toleranzenliegt. Auf diese Weise ist sichergestellt,dass alle erdenklichen Fehler, wie Lineari-sierung, Ausgleichsleitung, Vergleichs-stellentemperatur und ggf. Drift, berück-sichtigt werden. Wenn der gemesseneWert abweicht, kann durch Offsets dieauf die Kalibriermessung bezogene Driftabgeglichen werden.

BedienungshandbuchFür den Thermoprozess muss ein Bedie-nungshandbuch vorhanden sein. Das Be-dienungshandbuch muss den Mitarbei-tern in der Wärmebehandlung zugäng-lich sein und den gesamtenWärmebehandlungsprozess, insbeson-dere der Vorgehensweise für potenzielleNotfälle, beschreiben [5]. Das Suchenund Finden von Informationen soll mög-lichst einfach sein.

Es liegt daher nahe, die Bedienungsanlei-tung in das elektronische Bedien- undBeobachtungssystem der Thermopro-zessanlage zu integrieren. Schon dieStandardfunktionen der meisten Text-programme ermöglichen eine komforta-ble Navigation beim Suchen und Findenvon Textstellen in umfangreichen Hand-büchern.

An dieser Stelle soll nicht unerwähntbleiben, dass die CQI-9 eine adäquateBeschreibung der Notfallstrategien alswesentliches Element eines Qualitätsma-nagementsystems betrachtet.

Modernisierung vorhandenerThermoprozessanlagenWas tun, wenn eine vorhandene Ther-moprozessanlage in einem oder mehre-ren Punkten nicht den Anforderungender Automobilindustrie entspricht?

Für alle Unternehmen, die den Wert ihrerThermoprozessanlage erhalten wollen,wird eine Modernisierung des Automati-sierungssystems irgendwann unvermeid-lich. Prinzipiell kann jede Altanlage aufdas Niveau einer CQI-9 konformen Neu-anlage aufgerüstet werden. Dies ist nureine Frage der Kosten und damit derWirtschaftlichkeit. Die Migration vorhan-dener SIMATIC S5 zur SIMATIC S7-Tech-nologie steht hierbei im Zentrum derModernisierung [14].

Neben einer Steigerung der Verfügbar-keit und der Werterhaltung einer Ther-moprozessanlage bringt eine Moderni-sierung der Steuerung zahlreiche weiteretechnische und wirtschaftliche Vorteile.

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GASWÄRME International (58) Nr. 4/20098

FA C H B E R I C H T E

Zum Beispiel den Zugang zu einem brei-teren Angebot von integrierten Automa-tisierungsfunktionen, die Integration derSteuerung in Netzwerke, z. B. für die au-tomatische Übernahme von Produkti-onsdaten von einem Fertigungsleitrech-ner, oder die Einbindung weiterer Funk-tionen wie Visualisierung undDatenarchivierung [14].

Beispiele für CQI-9 konforme Moderni-sierungen sind eine elektronische Char-genverfolgung zur Rückverfolgung von Produkten, Teile- und Rezeptdaten-banken, übersichtliche Bedienung undÜberwachung, Maßnahmen zur Quali-tätssicherung wie der Wärmebehand-lungsnachweis oder aber Leistungsstei-gerungen durch Automatisierung vonbisher manuellen Abläufen. Ein weitereroft nachgefragter Grund für eine Moder-nisierung ist die Herstellung der Teleser-vicefähigkeit und erweiterte Diagnose-möglichkeiten.

Für Modernisierungen gibt es allerdingsspezielle Randbedingungen, die beach-tet werden müssen. Zu diesen zählen vorallem, dass die Stillstandszeiten währenddes Umbaues minimiert werden müssen,da die Thermoprozessanlage nur einGlied in einer ganzen Kette von Kapital-und kostenintensiven Produktionsanla-gen ist. Die Planung und Vorbereitungumfangreicher QCI-9 konformer Moder-nisierungen erfordern ein hohes Maß an

Präzision und Erfahrung. Nur so sindkomplexe Modernisierungen mit nur we-nigen Tagen Produktionsausfall sicher zubewerkstelligen.

Literatur

[1] DIN EN ISO 9000:2000: Qualitätsmanage-mentsysteme Grundlagen und Begriffe.Beuth, Berlin, 2000

[2] VDA: Band 6 Teil 1, QM-Systemaudit, 2003)

[3] ISO/TS 19949:2002: Quality managementsystems - Particular requirements for the ap-plication of ISO 9001:2000 for automotiveproduction and relevant service part organi-zations, ISO, 2002

[4] DIN EN ISO 9001:2000: Qualitätsmanage-mentsysteme Anforderungen. Beuth, Berlin,2000

[5] AIAG: CQI-9 Special Process: Heat Treat Sys-tem Assessment. AIAG, 2006

[6] Steck-Winter, H.; Bachem, H.: Konzept undRealisierung einer automatischen Härterei,HTM 45, 3/90, Carl Hanser Verlag, 1990

[7] Sommer, P.: Prozessfähigkeitsbewertungbeim Einsatzhärten. Z. Werkstoff. Wärme-beh. Fertigung 59 (2004) 3 Seite 211–216

[8] Sommer, P.; Huchel, U; Klümper-Westkamp,H.: Prozessfähigkeit beim Nitrieren / Nitrocar-burieren. Der Wärmebehandlungsmarkt2/2005

[9] DIN 17052: Wärmebehandlungsöfen – Teil 1:Anforderungen an die Temperaturgleichmä-ßigkeit. Beuth Verlag Berlin, 2000

[10] Ford Motor Company: Worldwide Heat Tre-at System Survey and Scoring Guidelines.Ford Global Technologies Inc., 2000

[11] Pliefke, R.; Steck-Winter, H.; Wildauer, H.:Automatisierte online Qualitätssicherung.HTM Härterei-Techn. Mitt. 46, 1991

[12] Steck-Winter, H.: Integratives Instandhal-tungsmanagement von Thermoprozessan-lagen. Gaswärme International, Jahrgang 7-8-2008,Seite 519-526, Vulkan Verlag Essen,2008

[13] Steck-Winter, H.; Unger, G.: Steuern, Re-geln, Überwachen und Visualisieren vonOfenanlagen. In Praxishandbuch Thermo-prozesstechnik, S. 347–349, Vulkan Verlag,2003

[14] Steck-Winter, H.: Modernisierung derSteuerung von Thermoprozessanlagen.Gaswärme International, Jahrgang 4-2008, Seite 232–236, Vulkan Verlag Essen, 2008 y

MSc Hartmut Steck-Winter,MBAAichelin Service GmbH, Ludwigsburg

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Ing. Günther UngerAichelin Ges.m.b.H, Mödling

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